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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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816. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 20. Dezember 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

816. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 20. Dezember 2012: 9.00 – 23.44 Uhr

*****

 

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 50

 

1. Punkt: Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bun­desverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG)

2. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsge­richtshofes für das Jahr 2011

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2011

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz und das Bundesge­setz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden

6. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betref­fend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ments und des Rates über die Konzessionsvergabe

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungs­gesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bun­destheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Ausschreibungsge­setz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bundes-Per­sonalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Auslandszula­gen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Strafgesetzbuch geän­dert werden und das Karenzurlaubsgeldgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novel­le 2012)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außer­streitgesetz, das Ehegesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspfleger­gesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Über-


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einkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und das Namensänderungsgesetz geändert werden (Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 – KindNamRÄG 2013)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessord­nung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (Kar­tell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 – KaWeRÄG 2012)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unter­nehmer im Kraftfahrzeugsektor getroffen werden (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz – KraSchG)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Ein­bringungsgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz und das Bundesgesetz über das Ge­bäude- und Wohnungsregister geändert werden (Grundbuchsgebührennovelle – GGN)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versiche­rungsvertragsgesetz, das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und das Bundes-Be­hindertengleichstellungsgesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsge­setz 2013 – VersRÄG 2013)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des Perso­nenstandswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013) erlassen sowie das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Meldegesetz 1991 und das Namensänderungs­gesetz geändert werden und das Personenstandsgesetz aufgehoben wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (Sprengmittelgesetz-Novelle 2012)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird

17. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversor­gungsvereinbarung

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem be­stimmte Abzeichen verboten werden (Abzeichengesetz 1960), geändert wird

19. Punkt: Bericht über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2011)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation
auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010, geändert wird

21. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2011

22. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2012)

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Arbeitsinspektions­gesetz 1993 geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeit-und-


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Gesundheit-Gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Nachtschwer­arbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert werden (Sozial­rechts-Änderungsgesetz 2012 – SRÄG 2012)

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Zivil­technikergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geän­dert werden (Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – PF-ÜG)

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden

28. Punkt: Sozialbericht 2011–2012

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesfinanzgericht erlassen wird und die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisa­tionsgesetz 2010, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz sowie das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanzverwaltungsgerichtsbarkeits­gesetz 2012 – FVwGG 2012)

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Bankwesengesetz
und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf und sonstige Aspek-
te der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtli­nie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft geändert werden

31. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geändert wird

32. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Rechnungslegungs-Kontrollgesetz erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird

33. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird

34. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz geändert wird

35. Punkt: Bundesgesetz, mit dem der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 be­treffend die steuerlichen Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der „Körperschaften öffentlichen Rechts“ geändert wird

36. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung Jerseys über den Informationsaustausch in Steuersachen

37. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Rumänien und Zusatzpro­tokoll zur Abänderung des am 30. März 2005 in Bukarest unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

38. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird

39. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landes­vertragslehrpersonengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Pädagogische Hochschulen und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden

40. Punkt: Kulturbericht 2011 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

41. Punkt: Ernährungshilfe-Übereinkommen

42. Punkt: Internationales Übereinkommen von 2001 über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden


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43. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Es­terházy an die Republik Österreich

44. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienför­derungsgesetz 1992 geändert werden

45. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Tierversuchsgesetz 2012 erlassen wird sowie das Arzneimittelgesetz, das Biozid-Produkte-Gesetz, das Futtermittelgesetz 1999, das Gentechnikgesetz sowie das Tierschutzgesetz geändert werden (Tierversuchsrechts­änderungsgesetz – TVRÄG)

46. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversi­cherungs-Änderungsgesetz 2012 – SVÄG 2012)

47. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Er­nährungssicherheitsgesetz, das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz und das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert werden

48. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tiermaterialiengesetz geändert wird (Tiermate­rialiengesetz-Novelle 2012)

49. Punkt: Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes

50. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der Ordne­rInnen für das 1. Halbjahr 2013

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Stefan Zangerl sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bun­desrat .................................... 19

Angelobung des Bundesrates Stefan Posch ............................................................. 20

Schlussansprache des Präsidenten Georg Keuschnigg ......................................... 20

Schreiben der Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer betreffend Beschluss des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 betreffend die Geschäftsordnung dieses Ausschusses ...... 41

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Turkmenistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................ 45

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Agentur für das Be-


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triebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts durch den Herrn Bundespräsidenten .............................................................................................. 47

Vorschlag der Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz gemäß § 41 Abs. 3 GO-BR, die Tagesordnung um das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG betreffend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessions­vergabe (67819/EU XXIV.GP sowie 8881 d.B.) zu ergänzen – Annahme ............................  50, 50

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 8881/BR d.B. gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................................................. 50

50. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2013 ............................................................................................................ 254

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 19

Aktuelle Stunde (19.)

Thema: „Europäische Perspektiven: Nächste gemeinsame Schritte für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Frieden“ ................................................................................................. 23

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 24

Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 26

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 28

Bundeskanzler Werner Faymann ........................................................................  31, 40

Marco Schreuder .......................................................................................................... 34

Stefan Schennach ........................................................................................................ 35

Edgar Mayer .................................................................................................................. 37

Gerd Krusche ............................................................................................................... 38

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 49

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 50

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 50

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 41

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundes­verwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) (2008 d.B. und 2057 d.B. sowie 8829/BR d.B. und 8833/BR d.B.) ........................................................ 51

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 51


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2. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2011 (III-475-BR/2012 d.B. sowie 8834/BR d.B.) ................................................... 51

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 51

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2011 (III-476-BR/2012 d.B. sowie 8835/BR d.B.) ................................................................................................................. 51

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 51

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 52

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 54

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 56

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 57

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 59

Christoph Kainz ............................................................................................................ 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 63

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-475-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 63

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, den Bericht III-476-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 64

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz und das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialis­mus geändert werden (2130/A und 2063 d.B. sowie 8836/BR d.B.)                  64

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 64

Redner/Rednerinnen:

Ana Blatnik .................................................................................................................... 64

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 65

Marco Schreuder .......................................................................................................... 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 67

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert wer­den (2136/A und 2058 d.B. sowie 8837/BR d.B.)                     68

Berichterstatter: Josef Saller ........................................................................................ 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ................................................. 68

6. Punkt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV. GP sowie 8881 d.B.) ....................................... 69

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ........................................................................ 69


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 69

Stefan Schennach .................................................................................................  71, 75

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 73

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 73

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 74

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht 8881/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend Vorhaben im Rah­men der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV. GP) (E 238-BR/2012) ........................ 76

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflich­tungsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Aus­schreibungsgesetz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden und das Karenzurlaubsgeldgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2012) (2003 d.B. und 2052 d.B. sowie 8830/BR d.B. und 8838/BR d.B.) ................................................................................................................. 76

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M .............................................................. 76

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ....................................................................................................  76, 85

Ana Blatnik .............................................................................................................  78, 84

Marco Schreuder .......................................................................................................... 79

Christoph Kainz ............................................................................................................ 81

Johann Ertl .................................................................................................................... 82

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 84

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................ 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 88

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreit­gesetz, das Ehegesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspfleger­gesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte inter­nationaler Kindesentführung und das Namensänderungsgesetz geändert werden (Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 – KindNamRÄG 2013) (2004 d.B. und 2087 d.B. sowie 8845/BR d.B.)                88

Berichterstatter: Christian Füller .................................................................................. 88

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 88

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................... 90

Marco Schreuder .......................................................................................................... 92

Inge Posch-Gruska ....................................................................................................... 94


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 8

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ..........................................................  96, 100

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 101

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz geändert wer­den (1991 d.B. und 2089 d.B. sowie 8846/BR d.B.)                            101

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 101

Franz Wenger .............................................................................................................. 102

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 104

Inge Posch-Gruska ..................................................................................................... 104

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................. 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 108

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 – KaWeRÄG 2012) (1804 d.B. und 2035 d.B. sowie 8847/BR d.B.) .................................................................................... 108

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 108

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unternehmer
im Kraftfahrzeugsektor getroffen werden (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz – KraSchG) (1990 d.B. und 2094 d.B. sowie 8848/BR d.B.) .................................................................................... 108

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 108

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  108, 111

Franz Perhab ............................................................................................................... 109

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 110

Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................................... 111

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 112

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbrin­gungsgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz und das Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister geändert werden (Grundbuchsgebührennovel­le – GGN) (1984 d.B. und 2036 d.B. sowie 8849/BR d.B.) ................................................. 112

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 112


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 9

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ......................................................................................................... 112

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................. 114

Mag. Gerald Klug ....................................................................................................... 116

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................. 117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 119

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und das Bundes-Be­hindertengleichstellungsgesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungs­gesetz 2013 – VersRÄG 2013) (2005 d.B. und 2037 d.B. sowie 8850/BR d.B.) ......... 119

Berichterstatter: Stefan Schennach ........................................................................... 119

Redner/Rednerinnen:

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 120

Monika Kemperle ....................................................................................................... 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 121

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des Personen­standswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013) erlassen sowie das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Meldegesetz 1991 und das Namensände­rungsgesetz geändert werden und das Personenstandsgesetz aufgehoben wird (1907 d.B. und 2042 d.B. sowie 8825/BR d.B. und 8839/BR d.B.) ....................................................................... 121

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 121

Redner/Rednerinnen:

Marco Schreuder ........................................................................................................ 122

Friedrich Reisinger .................................................................................................... 123

Monika Kemperle ....................................................................................................... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 125

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (Sprengmit­telgesetz-Novelle 2012) (1810 d.B. und 2044 d.B. sowie 8840/BR d.B.) ............................................................................................................... 125

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 125

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird (2045 d.B. sowie 8841/BR d.B.) ........................... 125

Berichterstatter: Christoph Kainz ............................................................................... 125

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................. 125

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 127


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 127

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Ver­einbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversor­gungsvereinbarung (1958 d.B. und 2046 d.B. sowie 8842/BR d.B.)                          127

Berichterstatter: Günther Köberl ................................................................................ 128

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 128

Josef Saller ................................................................................................................. 129

Elisabeth Reich ........................................................................................................... 130

Efgani Dönmez, PMM .......................................................................................  131, 134

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 133

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 135

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 136

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden (Abzeichengesetz 1960), geändert wird (1701/A und 2048 d.B. sowie 8843/BR d.B.) ........................................ 136

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 136

Redner:

Marco Schreuder ........................................................................................................ 136

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 137

19. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2011) (III-467-BR/2012 d.B. sowie 8844/BR d.B.) ...................................................................... 137

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 137

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .................................................................................................................. 137

Franz Perhab ............................................................................................................... 139

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 140

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 142

Friedrich Hensler ........................................................................................................ 143

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ....................................................... 145

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-467-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 148

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf
dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 – ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010, geändert wird (2067 d.B. sowie 8878/BR d.B.) ............................................................................................................... 148

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 148

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M ....................................................................................... 149


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 11

Klaus Konrad .............................................................................................................. 150

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 150

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 151

21. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2011 (III-464-BR/2012 d.B. sowie 8879/BR d.B.) .............................................................................. 151

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 151

Redner/Rednerinnen:

Franz Perhab ............................................................................................................... 151

Mag. Susanne Kurz .................................................................................................... 153

Peter Mitterer .............................................................................................................. 154

Marco Schreuder ........................................................................................................ 156

Anneliese Junker ........................................................................................................ 157

Klaus Konrad .............................................................................................................. 158

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 160

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-464-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 162

22. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2012) (III-477-BR/2012 d.B. so­wie 8880/BR d.B.) ....................... 162

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 163

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA .......................................................................................... 163

Anneliese Junker ........................................................................................................ 166

Klaus Konrad .............................................................................................................. 167

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 168

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 170

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-477-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 172

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1908 d.B. und 1963 d.B. sowie 8851/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 172

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 173

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................. 173

Inge Posch-Gruska ..................................................................................................... 174

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 176

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 177

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend
ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Ar­beitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (1983 d.B. und 2024 d.B. sowie 8854/BR d.B.) ............................... 178


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 12

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 178

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle ....................................................................................................... 178

Edgar Mayer ................................................................................................................ 180

Franz Pirolt .................................................................................................................. 180

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 182

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundespflegegeld­gesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeits­zeitgesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 – SRÄG 2012) (2000 d.B. und 2028 d.B. sowie 8826/BR d.B. und 8855/BR d.B.) ........ 182

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 182

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .................................................................................................................. 182

Mag. Gerald Klug ....................................................................................................... 184

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 185

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 186

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 188

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ziviltech­nikergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, das Be­triebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz und das Landarbeits­gesetz 1984 geändert werden (Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – PF-ÜG) (1992 d.B. und 2033 d.B. sowie 8827/BR d.B. und 8856/BR d.B.) ............................................................................................................... 188

Berichterstatter: Reinhard Todt .................................................................................. 188

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 189

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden (2012 d.B. und 2034 d.B. sowie 8857/BR d.B.) ............................................................................................................................. 189

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 189

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ....................................................................................................... 189

Edgar Mayer ................................................................................................................ 190

Franz Pirolt .................................................................................................................. 191

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 191

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 192


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 13

28. Punkt: Sozialbericht 2011–2012 (III-478-BR/2012 d.B. sowie 8858/BR d.B.)         192

Berichterstatterin: Monika Kemperle ......................................................................... 192

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt .................................................................................................................. 192

Reinhard Todt ............................................................................................................. 195

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 197

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 199

Inge Posch-Gruska ..................................................................................................... 200

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 202

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-478-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 204

Gemeinsame Beratung über

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesfinanzgericht erlassen wird und die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorga­nisationsgesetz 2010, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz sowie das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanzverwaltungs­gerichtsbarkeitsgesetz 2012 – FVwGG 2012) (2007 d.B. und 2049 d.B. sowie 8859/BR d.B.) ................................... 204

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Bankwesengesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf und sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemis­sionszertifikaten in der Gemeinschaft geändert werden (2006 d.B. und 2050 d.B. sowie 8860/BR d.B.) .................................................................................... 204

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geändert wird (1987 d.B. und 2051 d.B. sowie 8861/BR d.B.)                    204

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

32. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Rechnungslegungs-Kontrollgesetz erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (2002 d.B. und 2095 d.B. sowie 8862/BR d.B.) ........................................................... 204

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

33. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (2144/A und 2096 d.B. sowie 8863/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 205


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 14

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

34. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz geändert wird (2097 d.B. sowie 8864/BR d.B.) .................. 205

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 205

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA .......................................................................................... 206

Elisabeth Greiderer .................................................................................................... 209

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 210

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 211

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 212

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 29, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 215

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 30, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 215

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 31, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 215

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 32, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 216

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 33, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 216

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 34, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 216

Gemeinsame Beratung über

35. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 betref­fend die steuerlichen Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der „Körperschaften öffentlichen Rechts“ geändert wird (2096/A und 2098 d.B. sowie 8828/BR d.B. und 8865/BR d.B.) ....................................................................... 216

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 216

36. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Jerseys über den Informationsaustausch in Steuersachen (1916 d.B. und 2100 d.B. sowie 8866/BR d.B.) ................................... 216

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 216

37. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Rumänien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 30. März 2005 in Bukarest unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerum­gehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1934 d.B. und 2101 d.B. sowie 8867/BR d.B.) .................................................................................... 216

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 216

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Greiderer .................................................................................................... 217

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 218

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ................................................................... 219

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 35, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 219


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 15

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 36, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 219

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 37, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .............. 219

38. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (1988 d.B. und 2020 d.B. sowie 8871/BR d.B.) .... 220

Berichterstatter: Johann Schweigkofler .................................................................... 220

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 220

Elisabeth Grimling ..................................................................................................... 222

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 222

Günther Köberl ........................................................................................................... 223

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 225

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 226

39. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Pädago­gische Hochschulen und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden (1989 d.B. und 2021 d.B. sowie 8872/BR d.B.) .................................................................................... 226

Berichterstatter: Johann Schweigkofler .................................................................... 227

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 227

40. Punkt: Kulturbericht 2011 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kul­tur (III-469-BR/2012 d.B. sowie 8873/BR d.B.) .................................................................................................... 227

Berichterstatter: Johann Schweigkofler .................................................................... 227

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling ..................................................................................................... 227

Günther Köberl ........................................................................................................... 228

Marco Schreuder ........................................................................................................ 229

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 230

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-469-BR/2012 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 231

41. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Er­nährungshilfe-Übereinkommen (2017 d.B. und 2074 d.B. sowie 8868/BR d.B.) ........................................................... 231

Berichterstatterin: Mag. Bettina Rausch .................................................................... 232

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 232

42. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Internationales Übereinkommen von 2001 über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden (1996 d.B. und 2072 d.B. sowie 8869/BR d.B.) .................................................................................................... 232


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 16

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ...................................................................... 232

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 233

43. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Republik Österreich (1997 d.B. und 2073 d.B. sowie 8870/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 233

Berichterstatterin: Elisabeth Greiderer ...................................................................... 233

Redner/Rednerinnen:

Walter Temmel ........................................................................................................... 233

Stefan Schennach ...................................................................................................... 234

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ....................................................................... 236

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 236

44. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienförderungs­gesetz 1992 geändert werden (2011 d.B. und 2078 d.B. sowie 8852/BR d.B.) .................................................................................................... 236

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ...................................................................... 236

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 237

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................. 238

Monika Kemperle ....................................................................................................... 239

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................. 240

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 241

45. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Tierversuchsgesetz 2012 erlassen wird sowie das Arzneimittelgesetz, das Biozid-Produkte-Gesetz, das Futtermittelgesetz 1999, das Gentechnikgesetz sowie das Tierschutzgesetz geändert werden (Tier­versuchsrechtsänderungsgesetz – TVRÄG) (2016 d.B. und 2080 d.B. sowie 8831/BR d.B. und 8853/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 241

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 241

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 242

Martin Preineder ......................................................................................................... 242

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 242

Mag. Josef Taucher .................................................................................................... 243

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................. 244

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 246

46. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (So­zialversicherungs-Änderungsgesetz 2012 – SVÄG 2012) (2001 d.B. und 2102 d.B. sowie 8832/BR d.B. und 8874/BR d.B.) ............................................................................................................... 246


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 17

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ......................................................................... 246

Redner/Rednerinnen:

Monika Kemperle ....................................................................................................... 247

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 248

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 249

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 250

47. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernäh­rungssicherheitsgesetz, das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz und das Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 geändert werden (2010 d.B. und 2103 d.B. so­wie 8875/BR d.B.) ........................................................................................................ 250

Berichterstatter: Friedrich Reisinger ......................................................................... 250

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 250

Johanna Köberl .......................................................................................................... 251

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 251

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 252

Gemeinsame Beratung über

48. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tiermaterialiengesetz geändert wird (Tiermaterialien­gesetz-Novelle 2012) (2013 d.B. und 2105 d.B. sowie 8876/BR d.B.) ............................................................................................................... 252

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 252

49. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Be­stimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes (2014 d.B. und 2106 d.B. sowie 8877/BR d.B.) ........................................................... 252

Berichterstatter: Friedrich Hensler ............................................................................. 252

Redner/Rednerinnen:

Mag. Josef Taucher .................................................................................................... 253

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 253

Franz Pirolt .................................................................................................................. 253

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 48, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 254

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 49, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 254

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend: ORF-Journalist als KP-Agent mit österreichischen Steurgeldern bezahlt (2935/J-BR/2012)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 18

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend beherrschenden Trust der Eurofighter-Schmiergeldaffäre (2936/J-BR/2012)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Dr. Angelika Winzig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neubau des Bahn­hofes Attnang-Puchheim (2707/AB-BR/2012 zu 2917/J-BR/2012)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Josef Saller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungen für den ASKÖ, Lan­desverband Salzburg (2708/AB-BR/2012 zu 2920/J-BR/2012)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Medienvielfalt und Pressefreiheit in Österreich (2709/AB-BR/2012 zu 2918/J-BR/2012)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der derzeit geltenden Schwellenwerte-Verordnung (2710/AB-BR/2012 zu 2922/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Teilnahme am EU-Projekt „Clean IT“ (2711/AB-BR/2012 zu 2924/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktivitäten „kreuz.net“ (2712/AB-BR/2012 zu 2925/J-BR/2012)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten Website-Relaunch und Wartung (2713/AB-BR/2012 zu 2926/J-BR/2012)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Bundes­räte Werner Stadler, Kolleginnen und Kollegen betreffend den geplanten Schotter- und Quarzsandabbau in der Gemeinde 4785 Freinberg (2714/AB-BR/2012 zu 2930/J-BR/2012)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Teilnahme am Projekt „In­dect“ (2715/AB-BR/2012 zu 2927/J-BR/2012)


 


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 19

09.00.35Beginn der Sitzung: 9 Uhr

 


Präsident Georg Keuschnigg: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Ich eröffne die 816. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 815. Sitzung des Bundesrates vom 29. November 2012 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Adelheid Ebner, Sonja Zwazl und Hans-Jörg Jenewein.

09.01.06Einlauf

 


Präsident Georg Keuschnigg: Eingelangt ist ein Schreiben des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht eines Mitgliedes und die Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlauts dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht sowie Wahl eines Ersatzmitgliedes:

                                                                                                                                          „Landtagspräsident

                                                                                                                                     DDr. Herwig van Staa

Herrn

Präsidenten des Bundesrates                                                                     Telefon 0512/508-3000

Georg Keuschnigg                                                                                                   Fax 0512/508-3005

Bruckner Straße 6/3                                                                                 herwig.vanstaa@tirol.gv.at

1040 Wien

per email voraus:

bundesratskanzlei@parlament.gv.at

georg.keuschnigg@parlament.gv.at

Innsbruck, 12.12.2012

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Georg,

im Zuge der heutigen Sitzung des Tiroler Landtages wurde nach dem Verzicht von Ste­fan Zangerl auf sein Bundesratsmandat Herr Wilhelm Zöhrer zum Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt.

Die entsprechende Verzichtserklärung sowie das schriftliche Wahlergebnis liegen die­sem Schreiben bei.

Mit besten Grüßen

Anlage“

                                                                                                                                                 „Stefan Zangerl

                                                                                                                                                     Meilstraße 15

                                                                                                                                                               6170 Zirl

An den Präsidenten des Tiroler Landtages

Herrn DDr. Herwig van Staa

Landhaus

6020 INNSBRUCK                                                                                Zirl, am 10. Dezember 2012


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 20

Betreff: Verzicht auf das Mandat eines Bundesrates

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Art. 43 Abs. 4 der Tiroler Landesordnung in Verbindung mit § 9 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung des Tiroler Landtages erlaube ich mir mitzuteilen, dass ich mit sofor­tiger Wirkung auf mein Mandat als Mitglied des Bundesrates verzichte.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Zangerl“

„WAHLERGEBNIS

Herr Wilhelm Zöhrer wird zum Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt.

Es wird beurkundet, dass der Tiroler Landtag diese Wahl in seiner Sitzung vom 12. De­zember 2012 mit der verfassungsmäßigen Mehrheit durchgeführt hat.

Der Landtagspräsident

(DDr. Herwig van Staa)“

*****

In diesem Fall rückt das Ersatzmitglied des ausgeschiedenen Bundesrates nach.

09.01.40Angelobung

 


Präsident Georg Keuschnigg: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.01.55

Schriftführer Josef Saller:Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


Stefan Posch (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Ich gelobe.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat. Herz­lich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.04.46Schlussansprache des Präsidenten

 


9.04.48

Präsident Georg Keuschnigg: Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehschirmen! Am Schluss der Präsidentschaft des Bundeslandes Tirol darf ich Ihnen einen kurzen Rückblick geben und versuchen, die politische Situation im Land und insbesondere hier in der Länder­kammer kurz zu beleuchten.

Der Bundesrat ist, wie gesagt, die Länderkammer, und es ist für unser Selbstver­ständnis ganz wesentlich, dass wir uns der Kernaufgabe dieses Parlamentes, nämlich


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 21

der Mitwirkung der Bundesländer an der Bundesgesetzgebung, immer von Neuem stel­len und sie in zeitgemäßer Form ausüben und weiterentwickeln.

Die Bundesländer stehen gerade in den letzten Tagen in der öffentlichen Auslage. Die Anlässe, die zu vorgezogenen Neuwahlen in Kärnten und in Salzburg geführt haben, sind tatsächlich kein Ruhmesblatt. Trotzdem sind das Länder-Bashing und die Kritik am Föderalismus, wie sie derzeit in vielen Zeitungen betrieben werden, keinesfalls ge­rechtfertigt. Auf jeder Ebene gibt es politisches Fehlverhalten, das im Anlassfall aufzu­klären, abzustellen und zu korrigieren ist. Wir haben aber – und das sei laut und deut­lich gesagt – hervorragend geführte Bundesländer, und es gibt keinen Grund, in die Rechte dieser Länder einzugreifen.

Ich tue mich in dieser Diskussion als Tiroler besonders leicht. Unser Land hat derzeit weniger als 300 Millionen € Schulden, bilanziert nach den Jahren der Krise wieder aus­geglichen und zahlt bereits Schulden zurück. (Bundesrat Todt: Ihr habt nichts verzockt, oder wie?) Unser Land hat aber mehr als das Zehnfache dessen, was es an Schulden hat, an Eigentumswerten. Dem Land Tirol gehören die Tiroler Wasserkraft AG, die Ti­roler Hypothekenanstalt und die Wohnbaudarlehen zu jeweils 100 Prozent!

Wodurch wäre es zu rechtfertigen, in die Rechte unseres Bundeslandes einzugreifen?

Die Föderalismuskritik, die derzeit so modern ist, ist einäugig, wie sie einäugiger nicht sein könnte. Es gibt eine unheilige Allianz der Zentralisten dieses Landes mit den gro­ßen österreichischen Tagesmedien, die aus der Perspektive des 1. oder des 19. Wie­ner Gemeindebezirkes in das Land schauen und über Sinn und Unsinn der Gesetzge­bung in den Bundesländern schwadronieren.

Wo bleibt, frage ich, in der österreichischen Diskussion der Subsidiaritätsgrundsatz, um den wir auf europäischer Ebene so lange gekämpft haben und auf den wir so stolz sind? Wir prüfen im Europaausschuss des Bundesrates jede EU-Vorlage zu Recht da­hin gehend, ob wir diese Materie selbst besser regeln können oder ob eine europäi­sche Regelung vorteilhafter erscheint.

Wir sind stolz auf das Recht, das wir seit dem Vertrag von Lissabon haben! Aber wa­rum soll das innerösterreichisch nicht auch gelten? Warum soll das, was in Europa hui ist, in Österreich plötzlich pfui sein?

Ich bin dafür, dass der Föderalismus immer wieder neu gedacht wird. Ich habe daher im September zu einer Föderalismuskonferenz in Innsbruck eingeladen. Diese Konfe­renz ist eine gemeinsame Plattform der Landtagspräsidentenkonferenz, des Bundesra­tes und des Institutes für Föderalismus. Ich freue mich darüber, dass sich aus dieser Plattform so etwas wie eine neue föderale Drehscheibe mit dem Ziel, zu vernetzen, ab­zustimmen und zu koordinieren, entwickelt.

Föderalismus darf kein Gezerre um Zuständigkeiten sein, kein Raufen um Macht und Einfluss, er muss aber die sinnvolle Mitwirkung der Länder und Regionen an der Bun­desgesetzgebung sicherstellen. Er muss die ausgewogene Teilhabe aller Regionen an der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes gewährleisten.

Die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich schon lange nicht mehr für unsere in­ternen Diskussionen. Sie haben es immer mit der öffentlichen Hand zu tun, ob sie nun Bund, Land oder Gemeinde heißt. Es gibt auch kein Bundesgeld, kein Landesgeld und kein Gemeindegeld. Es gibt immer nur das Steuergeld, das möglichst sinnvoll auszu­geben ist.

In diesem Sinne habe ich mich während meiner Präsidentschaft auch bemüht, einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Bundesrates zu leisten. Ich habe in einer umfangrei­chen Sommertour die Landeshauptleute und die Landtagspräsidenten be­sucht, um auszuloten, ob eine gemeinsame Position der Länder zur Reform des Bundesrates er­zielbar ist. Und das ist auch gelungen, sie wurde erzielt.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 22

Am 12. Oktober haben die Landtagspräsidenten und am 24. Oktober die Landeshaupt­leute jeweils einstimmig eine gemeinsame Verhandlungsposition zur Reform des Bun­desrates beschlossen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit sehr herzlich beim Vorsitzenden der Landes­hauptleutekonferenz, Landeshauptmann Platter, bei der damaligen Vorsitzenden der Landtagspräsidentenkonferenz und nunmehrigen Landesrätin Bernadette Mennel aus Vorarlberg, aber auch, weil das schon länger zurückgeht, beim Präsidenten des ober­österreichischen Landtages Friedl Bernhofer und beim Direktor des Institutes für Föde­ralismus sehr herzlich für ihren Einsatz in dieser Sache bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Sie alle haben dazu beigetragen, dass es erstmals in den vielen Jahren der Diskussion eine mit uns, dem Bundesrat, abgestimmte einheitliche Position der Bundesländer zur Reform der Länderkammer gibt. Es ist Schluss mit den Zwischenrufen, mit den un­durchdachten Einzelvorschlägen und mit vielen Besserwissereien, die wir immer wie­der erlebt haben.

Wir, der Bundesrat, wir bewegen uns. Wir wollen eine Reform, und wir werden um die­se Reform auch kämpfen!

Das Angebot, das in diesem gemeinsam beschlossenen Papier steht, lautet, dass die Zahl der bundesratspflichtigen Materien reduziert wird, dass wir uns auf die Kernkom­petenzen – das sind die Gesetzgebung, die Vollziehung und die Finanzen der Bundes­länder – konzentrieren, dass wir für diese Materien ein Einspruchsrecht mit einem Ver­mittlungsverfahren dahinter bekommen und dass wir – und das ist besonders wichtig – ein frühzeitiges Stellungnahmerecht während der laufenden Erarbeitung der Gesetze im Nationalrat erhalten.

Bei diesem Punkt möchte ich kurz verweilen. Das Recht der frühzeitigen Stellungnah­memöglichkeit soll Blockaden möglichst verhindern. Wir brauchen in Österreich keinen Blockadeföderalismus, sondern einen Verhandlungsföderalismus, wie er unserer Ge­sprächskultur entspricht. Die entscheidende Frage muss immer die Nutzwirkung unse­rer Kammer für die Bevölkerung, für das politische System in Österreich sein.

Wir haben ein sinnvolles Angebot entwickelt, wir haben dafür die einstimmige Unter­stützung der Landtagspräsidenten und der Landeshauptleute, und jetzt sollen wir uns – und darum dürfen wir Sie, Herr Bundeskanzler, mit einem gewissen Nachdruck ersu­chen – an den Verhandlungstisch setzen und Nägel mit Köpfen machen. Die Grundla­gen dafür sind geschaffen. Ich würde glauben, dass bei gutem Willen in kurzer Zeit ein Gesamtergebnis erzielbar sein könnte. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

Inhaltlich habe ich mich in meiner Präsidentschaft mit dem neuen Phänomen der Ver­städterung versus der Ausdünnung vieler Regionen befasst. Dieses Phänomen ist global feststellbar und lässt sich auch in Österreich in harten Zahlen darstellen. Und wir brauchen in vielerlei Hinsicht Antworten. Wir brauchen die Antworten im Bildungssys­tem. Wir brauchen die Antworten bei den Verkehrssystemen. Wir brauchen die Ant­worten bei den Arbeitsplätzen, bei der Wertschöpfung. Machen wir eine Politik, dass die Arbeitsplätze zu den Menschen kommen und nicht die Menschen zu den Arbeits­plätzen kommen müssen!

Der Bundesrat ist geradezu prädestiniert, Anwalt der Regionen zu sein, und wir sollten nicht zuschauen, wie es demografisch weitergeht. Wir sollten die Verstädterung mit al­len Problemen, die sie auch aufwirft, nicht zulassen. Das Ziel muss sein, gleichwertige Lebensbedingungen zu gewährleisten, unabhängig davon, wo eine Bürgerin oder ein Bürger in Österreich wohnt. Wir lassen keine Region zurück.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 23

Wir haben zu diesem Schwerpunkt einige Veranstaltungen gemacht. Wir haben bereits im Juli ein Hearing zum Thema „Land ohne Ärzte“ gemacht, das von hoher medialer Aufmerksamkeit begleitet wurde. Wir haben am 10. Oktober eine Enquete hier im Bun­desrat veranstaltet; das Stenographische Protokoll dieser Veranstaltung wird bereits vielfach im Lande nachgefragt. Das heißt, unsere Veranstaltung hat den richtigen Punkt getroffen. Dieses Protokoll ist in der Zwischenzeit fertiggestellt und kann im In­ternet von jedermann heruntergeladen werden.

Die hohe Einschaltquote, die ORF III mit dieser Enquete erzielt hat, zeigt auch, wie sehr die Bürgerinnen und Bürger bei diesem Thema dran sind, wie sehr es von Sorge begleitet wird.

Ich werde auch nach meinem Vorsitz an dieser Frage dranbleiben und für ausgewo­gene, gleichwertige Lebensbedingungen für alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich kämpfen.

Ich möchte abschließend einen herzlichen Dank abstatten an alle, die mich bei der Vorsitzführung während meiner Präsidentschaft unterstützt haben. Ich bedanke mich sehr herzlich bei der Präsidiale des Bundesrates. Ich glaube, wir haben eine harmo­nische Arbeit hingelegt in diesem halben Jahr. Herzlichen Dank allen Fraktionsvorsit­zenden, den Vizepräsidenten für diese Unterstützung.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Bundesratsdienst, bei Frau Dr. Bachmann als Lei­terin dieses Dienstes, bei Frau Doris Fritz, die mich bei meiner Arbeit intensivst be­gleitet hat – liebe Doris, herzlichen Dank! – und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern im Bundesratsdienst, bei den ReferentInnen und so weiter. Herzlichen Dank!

Ich glaube, wir haben ein forderndes halbes Jahr gehabt, aber die Arbeit wurde profes­sionellst abgewickelt, und ich kann nur sagen, wir haben da ein hohes Niveau. Vielen herzlichen Dank!

Ein Danke auch meinen persönlichen Mitarbeitern. Wir haben diese Präsidentschaft auch in einem Facebook-Auftritt dokumentiert, einfach um dieses Amt, um diese Arbeit im Bundesrat transparent zu machen. Wer sich dafür interessiert, kann das gerne unter „Tiroler Präsidentschaft“ aufrufen.

Ich danke Ihnen allen und sage nach sechs Monaten Tiroler Präsidentschaft: Wir sind im Bundesrat so stark, so stark wir handeln. Niemand wird uns aufhalten, unsere Pflicht für die Länder und Regionen und für die Bürgerinnen und Bürger unseres Lan­des zu erfüllen. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

9.17

09.17.37Aktuelle Stunde

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Europäische Perspektiven: Nächste gemeinsame Schritte
für Wachstum, Beschäftigung und sozialen Frieden“

mit Herrn Bundeskanzler Werner Faymann, den ich noch einmal herzlich begrüße. (All­gemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt.

Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 24

Danach folgt eine Rednerin/ein Redner der Bundesräte ohne Fraktion und dann je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen mit jeweils einer fünfminütigen Redezeit.

Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers erfol­gen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 


9.18.44

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Österreich hat als Mitgliedsland in der Europäischen Union von dieser Mitgliedschaft erheblich profitiert. Allein das Wirtschaftswachstum im Inland, das durch diese Mitgliedschaft untermauert wurde, ist fünfmal größer als jener Beitrag, den wir netto ins EU-Budget einzahlen.

Die Europäische Union sichert uns einen riesigen Binnenmarkt für unsere Produkte. Sie stabilisiert und demokratisiert unsere östlichen und südlichen Nachbarn. Sie sorgt für europaweite Mindeststandards im Bereich der Umweltpolitik und in den Sozial­fragen.

Wenn wir all diese positiven Faktoren berücksichtigen, wird es ganz deutlich: Der Ge­winn, den wir durch Europa haben, ist selbst in der Krise unverzichtbar für unseren Wohlstand.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine an sich pragmatische Einleitung im Sinne ei-
ner Kernbotschaft, die sich insbesondere an den oppositionellen rechten Rand rich-
tet. Wer diese großen Zusammenhänge nicht erkennt oder nicht erkennen will, hat schon ganz grundsätzlich den Anspruch verwirkt, in unserem Land maßgebliche poli­tische Verantwortung zu übernehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth.)

Europa muss gleichzeitig eine Reihe von Herausforderungen schultern: Innerhalb der Europäischen Union müssen die Folgen der Wirtschafts-, aber auch der Finanzkrise überwunden und die gemeinsame Währungsunion zukunftsfähig gemacht werden. Die Haushalte müssen konsolidiert werden, Arbeit und Beschäftigung muss geschaffen werden. Außerdem müssen wir im Wettbewerb gegenüber den USA und gegenüber China und anderen Wirtschaftsregionen bestehen und zu stabilen und friedlichen Ent­wicklungen unserer Nachbarregionen in Osteuropa und im Mittelmeerraum beitragen.

Mittlerweile ist auch in Europa allen klar, dass Sparen allein nicht aus der Krise führt. Vielmehr braucht es eine Kombination von intelligenter Budgetkonsolidierung und In­vestitionen für Wachstum und Beschäftigung. Das haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten von Anfang der Krise an immer wieder betont. Ich bin froh, dass wir uns nunmehr durchgesetzt und jetzt einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung be­schlossen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fokus liegt jetzt ganz klar auf Wachstum und Be­schäftigung. Das ist nicht zuletzt auch das Verdienst unseres Bundeskanzlers und vor dem Hintergrund der europäischen konservativen Mehrheitsverhältnisse ein beachtli­cher Erfolg. (Beifall bei der SPÖ.)

In Österreich verfolgen wir schon seit Längerem erfolgreich eine Politik der nachhalti­gen Einsparungen, der zukunftsorientierten Investitionen und einer gerechten Steuer­politik. Wir sollten uns besonders dafür einsetzen, dass im Bereich der Europäischen Union die Forschung, die Entwicklung, aber auch die Bildung gestärkt werden. Das Gleiche gilt für transeuropäische Infrastrukturprojekte und nachhaltige Arbeits- und Be­schäftigungsmaßnahmen. Schließlich ist es Verkehrsministerin Bures gelungen, dass vier der transeuropäischen Verkehrsachsen durch Österreich führen und der Brenner-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 25

Basistunnel, der Semmering-Basistunnel und der Koralmtunnel zum großen Teil aus EU-Mitteln finanziert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich als steirischer Bundesrat möchte die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, mich auch darüber zu freuen, dass in der jüngeren Vergan­genheit der zuständige EU-Ausschuss des Europäischen Parlamentes grünes Licht ge­geben hat für die maßgebliche und anteilige Finanzierung im Bereich des Koralmtun­nels – immerhin bis zu 1,7 Milliarden € – und des Semmering-Basistunnels – immerhin bis zu 3,3 Milliarden €. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

All dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, verblasst jedoch, wenn wir es in Europa nicht schaffen, die insbesondere in den südlichen Ländern exorbitant und unerträglich hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Österreich ist dabei ein Vorreiter. Wir haben im Bereich der europäischen Staaten eine sehr, sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Wir können in diesem Zusammenhang ein Vorbild sein. Wir brauchen jedoch europaweit eine Jugendgarantie nach österreichischem Vorbild, um allen Jugendlichen in Europa versprechen zu können: Spätestens vier Monate nach einer einschlägigen Ausbildung gibt es für euch ein Beschäftigungsverhältnis!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße daher auch den Vorschlag des Bundes­kanzlers – ein äußerst interessanter Ansatz –, dass alle Mitgliedsländer zum Beispiel auf ihre Rabatte verzichten. Das mag dahingesagt sein, zusammengerechnet bedeutet das 9 Milliarden € – und wir wären in der Lage, in Europa einer Million jugendlichen Arbeitslosen eine Ausbildung oder ein Beschäftigungsverhältnis zu geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich am Thema Griechenland keinesfalls vorbeischwindeln. Wir haben den Griechen einerseits aus Solidarität geholfen. Wenn das zu wenig war, aus Eigeninteresse. Griechenland wurde durch den Zusammenhalt in der Gemeinschaft vor der Insolvenz bewahrt. In der Euro-Zone hätte dies einen maßgeblichen Dominoeffekt ausgelöst: Fällt ein Mitgliedsland, fallen mehrere. Es ist nicht auszuschließen, dass alle gefallen wären.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat errechnet, dass der Zusammenbruch der Euro-Zone eine Krise ausgelöst hätte, die doppelt so schlimm gewesen wäre wie jene im Jahr 2008 und 2009. Wir würden 11 Prozent unserer Wirtschaftsleistung verlieren, 140 000 Österreicherinnen und Österreicher hätten unmittelbar ihren Job verloren.

Klar ist aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Griechenland einen eigenen Beitrag leisten muss. Insbesondere ist Griechenland dafür verantwortlich, dass es ein funktionierendes Steuersystem aufbaut und dem Kampf gegen Sozialbetrug eine wich­tige Priorität einräumt. Denn die Kredite, die wir den Griechen gegeben haben, die Haf­tungen, die wir übernommen haben, sind keine Geschenke. Mag sein, dass Griechen­land gerade deshalb alle drei bis vier Monate wieder in der öffentlichen Diskussion ist: weil klar ist, dass die Europäische Union auch darauf schaut, dass dementsprechende Fortschritte erzielt und Zusagen eingehalten werden.

Ich würde mir aber wünschen, dass die Europäische Union diese Hartnäckigkeit auch an den Tag legt, um Druck auf die Schweiz und andere Staaten auszuüben, endlich die Daten von vermeintlichen griechischen Steuerbetrügern herauszugeben. Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich feststellen, dass sich der Euroraum stabili­siert hat. Es liegt noch einiges vor uns, aber es geht in die richtige Richtung.

An dieser Stelle möchte ich noch besonders hervorheben, dass die Grundlage für ein kontrolliertes Wachstum auch besser regulierte und kontrollierte Finanzmärkte darstel­len. Nur mit mehr Stabilität im Finanzmarkt kann langfristig Wachstum und Vertrauen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang mache ich ausdrücklich darauf aufmerk­sam, dass es sicher nicht sein kann, dass die breite Masse die Kosten für die Krise auf


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 26

Dauer trägt, während auf den Finanzmärkten noch munter weiterspekuliert wird. Ein zentraler Baustein dabei ist sicherlich einerseits die gemeinsame Bankenaufsicht, aber auch die Bankenunion.

Darüber hinaus ist eine positive Botschaft zweifelsohne die Finanztransaktionssteuer, die in der öffentlichen Debatte beinahe untergegangen wäre. Aber der Weg ist nun endlich frei. Wir können einen Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit für alle inter­essierten Staaten auch im Steuerbereich ebnen. Damit werden endlich all diejenigen verantwortungsvoll zur Lösung der Krise beitragen, die letztlich einen maßgeblichen Beitrag zum Auslösen der Krise geleistet haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich werde ich an dieser Stelle anmer­ken, dass die Realisierung – mittlerweile sind zwölf Staaten dabei – dieser Finanztrans­aktionssteuer ein beachtlicher Erfolg unseres Bundeskanzlers ist, der auch zeigt, dass es sich trotz großer Widerstände – er war ganz zu Beginn alleine! – lohnt, für ein ge­meinsames, tolles politisches Ziel zu kämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz zum Schluss erlauben Sie mir noch, etwas zur Gemeinsamen Agrarpolitik zu sagen. Sie werden sich wahrscheinlich wundern, dass ein sozialdemokratischer Bundesrat jetzt auch noch etwas zur Gemeinsamen Agrar­politik sagt. (Bundesrat Hensler: Das ist gut!) Aber klar ist, liebe Kolleginnen und Kol­legen, die Anforderungen, die insbesondere aus der Sphäre des Bauernbundes an den Bundeskanzler gekommen sind, waren auch nicht ohne. Es kommt zur großen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene, und man richtet dem Bundes­kanzler aus: Na, fahre nur nach Brüssel, aber mit weniger darfst du nicht nach Hause kommen! (Bundesrat Hensler: Das hat der Schultes nicht gesagt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Gemeinsamen Agrarpolitik möchte ich Folgendes anmerken: Es mag sein, dass das alles ein bisschen kompliziert ist, in der ersten Säule hundertprozentige Finanzierung, in der zweiten Säule Kofinanzierung. Fest steht, die Vorgaben aus Brüssel haben für die österreichischen Bauern eine erhebliche Kürzung bedeutet. Fakt ist auch, insbesondere in der zweiten Säule – wo es um die Kofinanzie­rungsprojekte geht – hatten wir inklusive Kofinanzierung letztlich mit einer Vorgabe von immerhin rund 700 Millionen € aus Brüssel zu kämpfen. Und unserem Bundeskanzler ist es gerade in der zweiten Säule mit nachhaltigen Verhandlungen – Bergbauern, Bio­bauern, Entwicklungen im ländlichen Raum – gelungen, dies auf über eine Milliarde für Österreich hinaufzuverhandeln, 300 Millionen € mehr. (Beifall bei der SPÖ.) Liebe Kol­leginnen und Kollegen, über 300 Millionen mehr, und der Applaus des Bauernbundes war sehr, sehr leise. (Bundesrat Hensler: Aber wirklich nicht, Herr Kollege!)

Ich laufe nicht Gefahr, Mitglied des Bauernbundes zu werden, aber eines steht fest: Wir haben den österreichischen Biobauern für die kommenden Jahre eine tolle Grund­lage gelegt. Wir haben den österreichischen Bergbauern eine tolle Grundlage gelegt. Und wir haben allen neun Bundesländern eine tolle Grundlage für die Entwicklung im ländlichen Raum gelegt. Das muss nicht das Bauernthema alleine sein. Da reden wir über Breitband-Internetinitiativen, da reden wir über den Ausbau der Kinderbetreuungs­einrichtungen. – Eine tolle Basis für die Zukunft. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich gratuliere auch zu diesem Erfolg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.32


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


9.32.08

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im Ge­gensatz zu Herrn Kollegen Klug werde ich mich auf meine Kernkompetenz beschrän­ken, die Wirtschaft, denn ich sage immer: Schuster, bleib bei deinen Leisten! (Heiter­keit bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 27

2012 hat Österreich erfolgreich um Wachstum gekämpft, Europa gegen die Rezession. Wer jedoch die Europäische Union infrage stellt beziehungsweise verneint, verweigert auch die globale Realität. Seit Maastricht 1991/92 hat sich die Welt entscheidend ver­ändert: die Befreiung der osteuropäischen Staaten, der phänomenale Aufstieg von Chi­na, Indien und Brasilien. Seither sind fast alle Staaten miteinander vernetzt, und die globalen Finanzmärkte haben noch immer eine unkontrollierte Macht.

Andererseits überaltern die europäischen Nationen. Bis 1950 waren die Europäer über zwei Jahrhunderte lang über 20 Prozent der Weltbevölkerung. Während die Weltbevöl­kerung bis Mitte des Jahrhunderts von sieben Milliarden auf neun Milliarden steigen wird, wird der Anteil der europäischen Länder auf 7 Prozent der Weltbevölkerung sin­ken. Dramatisch ist natürlich, dass auch unser Anteil am globalen Sozialprodukt von 30 auf 10 Prozent schrumpft. Das heißt, jeder einzelne Staat, jede einzelne Nation wird 2050 nur noch einen Bruchteil von einem Prozent an der Weltbevölkerung ausmachen. Das heißt, Europa muss stärker zusammenwachsen. Wir brauchen eine funktionie­rende Wirtschafts- und Währungsunion, um den globalen Herausforderungen durch andere Kontinente, aber auch den globalen Herausforderungen eines nach wie vor un­geregelten Weltfinanzsystems entgegenzuwirken.

Der Europäische Rat hat Mitte 2010 die EU-Wachstums- und Beschäftigungsstrategie beschlossen – „Europa 2020-Strategie“ –, eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Es wurden fünf quantitative Ziele festgelegt, die natürlich nur durch die Umsetzung in den Staaten erfüllt werden können. Österreich hat sich in diesem Bereich sehr ambitionierte Ziele gesetzt: zunächst einmal bei der Erhöhung der Beschäftigungsquote in der Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren. Da ist schon einiges geschehen, wir haben es gehört: Kollege Klug hat auf die Jugendbeschäftigung hinge­wiesen. Wir sind überhaupt Beschäftigungs-Europameister. Auch die Beschäftigung im Alter haben wir im Reformpaket mit der Abschaffung der Invaliditätspension unter 50 Jahren, aber auch mit der Anhebung des faktischen Pensionsalters festgelegt und hier auch die Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele beschlossen.

Auch die Forschungs- und Entwicklungsquote von 3 Prozent haben wir schon fast er­reicht, mit 2,8 Prozent. Jetzt gilt es, den privaten Sektor noch stärker einzubinden.

Eine große Herausforderung wird das „20-20-20-Klimaziel“ bilden. Da müssen wir sehr vorsichtig vorgehen, denn auch unsere industriellen Leitbetriebe brauchen eine Chan­ce für eine Entfaltung in Österreich, denn sonst wandern sie ab, nicht nur in andere eu­ropäische Länder, sondern nach Übersee.

Die Verbesserung des Bildungsniveaus durch die Verringerung der Schulabbrecher­quote sowie die Erhöhung des Anteils von Schulabschlüssen an höheren Schulen ist aus Sicht der Wirtschaft ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.

Voraussetzung dafür ist ein nach Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft diffe­renziertes Bildungssystem, das aber auch Mut zur Elite beinhaltet, denn wir brauchen Eliten für Wissenschaft, für Forschung, für die Wirtschaft, aber auch für die Politik.

Auch bei dem EU-Ziel der Förderung der sozialen Eingliederung, insbesondere durch Armutsverminderung, ist Österreich mit einer Sozialquote von 33 Prozent Spitzenreiter.

Ich hoffe, dass die Transparenzdatenbank aufzeigen wird, ob die Mittel genügend effi­zient verteilt sind oder ob wir auch da noch nachbessern müssen.

Da Haushaltsdefizite und übermäßige Schuldenstände der EU-Mitgliedstaaten keine solide Grundlage für Wachstum und stabile Arbeitsplätze sein können, muss die Kon­solidierung des Staatshaushaltes im Mittelpunkt stehen.

Haupttriebkräfte von Wachstum sind wettbewerbsfähige Unternehmen aller Größen­klassen. Die EU-Kommission legt auch einen Schwerpunkt auf die KMUs, denn sie


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sagt, der Wohlstand der EU wird in Zukunft entscheidend davon abhängen, ob wir im­stande sind, das Wachstums- und Innovationspotenzial kleinerer und mittlerer Unter­nehmen zu nutzen. Dies benötigt ein Umfeld in Österreich, das innovative Ideen und Unternehmensgründungen begünstigt. Und der erste Grundsatz im „Small Business Act“ fordert ja die Schaffung eines Umfeldes, in dem sich unternehmerische Initiative lohnt und in dem sich Unternehmen im Familienbesitz entfalten können.

In der letzten Regierungsklausur in Laxenburg ist dank des Einsatzes unseres Vize­kanzlers ein Arbeits- und Unternehmerpaket beschlossen worden, das Maßnahmen zur sozialen Absicherung von Unternehmerinnen und Unternehmern vorsieht, weiters die Förderung von Gründern und Jungunternehmern sowie Weiterbildungsmöglich­keiten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Aber auch die Verlängerung der Schwellenwerte-Verordnung und die Betriebsanlagengenehmigungsvereinfachung sind wichtige Impulse für die regionale Wirtschaft.

Aber reichen diese Schritte, um Wachstum und Beschäftigung in Österreich zu si­chern? – Es fehlen sicherlich noch entscheidende Schritte in Bezug auf die Verwal­tungsreform – ich glaube, hier ist Oberösterreich ein Vorbild, aber auch Institutionen wie die Wirtschaftskammer Österreich –, denn wir brauchen Luft zum Atmen, Raum für Investitionen in Bildung und Forschung.

Es fehlt nach wie vor die Bereitschaft zur Arbeitszeitflexibilisierung. Und außerdem brauchen wir noch ein leistungsorientierteres Steuersystem.

Solange das Damoklesschwert „Neue Steuern“ über unserem Wirtschaftsstandort schwebt, sind Innovationen und Arbeitsplätze gefährdet. Und selbst KMUs, die bereits im Export sind, haben die Möglichkeit, sich ins Ausland abzusetzen. Im schlimmsten Fall wandern die Betriebe ab und die Arbeitslosen bleiben. Das wollen wir alle mitein­ander nicht. Wir wollen ein starkes Österreich, eine starke österreichische Volkswirt­schaft in einem starken Europa.

Ich bin eine überzeugte Europäerin, leide aber nicht an Realitätsverlust. Mir ist es schon bewusst, dass sich auch die Europäische Union in einem ständigen Weiterent­wicklungsprozess befinden muss.

Herr Bundeskanzler, es freut mich, dass Sie sich auch verstärkt zu Europa bekennen, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Einsatz für Österreich im Europäischen Rat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.39


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte. (Bundesrat Mayer: Jetzt gibt es eine EU-Lobeshymne wieder! – Bundes­rätin Mühlwerth – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es muss ja ein Gegengewicht ge­ben!)

 


9.40.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Vorab: Wie die künftige Zusammensetzung des Nationalra­tes beziehungsweise einer Regierung sein wird, welchen maßgeblichen politischen Einfluss wer nach der Nationalratswahl haben wird, entscheidet Gott sei Dank noch der Wähler – und nicht die SPÖ und schon gar nicht Herr Kollege Klug. Und das ist auch gut so. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns den Titel dieser heutigen Aktuellen Stunde anschauen: „Europäische Perspektiven“ – Wohlstand, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsplätze, sozialer Frieden? –, dann muss man sich schon fragen: Welche europäischen Perspektiven denn? – Wenn wir uns anschauen, wie der derzeitige Stand der Dinge ist, dann müssen wir feststel­len, dass wir in der EU die höchste Jugendarbeitslosigkeit haben – ein Thema, das


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jetzt schon von beiden Vorrednern angesprochen worden ist –, nämlich in Spanien mit über 50 Prozent, in Griechenland sieht es nicht viel besser aus, und in Italien und Por­tugal ist es auch sehr schlimm. Das ist eine Perspektive, die für die Jugendlichen, die keine Arbeitsplätze, keine Ausbildungsplätze haben, keine ist. Und das sind nicht nur Niedrigqualifizierte! Und das ist ja die besondere Tragödie daran: dass es da auch um Jugendliche geht, die durchaus auch einen Universitätsabschluss haben. Das Wirt­schaftswachstum ist auch mager.

Ja, Österreich steht in diesem Punkt gut da, Gott sei Dank! Das hängt, muss man sa­gen, auch damit zusammen, dass wir das duale Ausbildungssystem haben, ein wirkli­ches Erfolgsmodell über Jahrzehnte – es ist ja nicht erst jetzt eingeführt worden. Aber auch da kann man sich nicht zurücklehnen und sagen: Toll, wie gut geht es uns! Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen! (Bundesrat Mag. Klug: Das hat keiner ge­sagt!) – Das kann uns auch treffen.

Und gerade dann, wenn zwei Regierungsparteien immer so euphorisch sind, wenn es um die Europäische Union geht, und nahezu kritiklos alles annehmen, was da passiert, braucht es ein Gegengewicht in Gestalt der FPÖ, die sagt: Na, wir sehen das aber sehr kritisch! – Ja, vielleicht sehen wir manchmal die Dinge auch etwas zu kritisch, das kann ja sein (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), aber es ist ein wichtiges Gegengewicht, da­mit man einmal eine realistische Sicht der Dinge bekommt und nicht immer nur herum­schwafelt, wie toll alles ist. Also das ist schon gut so.

Wir sehen nämlich den sozialen Frieden der Länder durchaus gefährdet, einerseits durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit – denn die Jungen werden nicht stillhalten und sich damit zufriedengeben, dass sie irgendein Arbeitslosengeld oder sonstige Transfer­leistungen bekommen, sondern die wollen arbeiten, die wollen eine Ausbildung haben und dann einen Arbeitsplatz, möglichst mit einem Gehalt, von dem sie auch leben kön­nen. Und es gibt ja schon Demonstrationen in Madrid, es gab Demonstrationen in Lis­sabon, es gab Demonstrationen in London. Nur wird darüber in unseren Medien kaum etwas berichtet. (Bundesrat Stadler: Geh, geh, geh!) Sehr wenig! Viel weniger, als es den tatsächlichen Ereignissen entspricht! Von den Demonstrationen in London gab es eine Berichterstattung, von jenen in Madrid teilweise, aber von Lissabon hat man gar nichts gehört. – Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der den europäischen Frieden ge­fährden kann.

Aber auch im Zusammenhang mit den Transferzahlungen, die natürlich vom Norden nach dem Süden erfolgen, hat es ja schon Spannungen gegeben. Und die Griechen, die ja sehr viel Geld bekommen – wo keiner weiß, ob es wirklich etwas nützen wird, wo keiner weiß, wo es wirklich versickert (Ruf: Die Banken!) –, haben ja auch schon Deutschland die Schuld gegeben an ihrem Desaster, weil die Deutschen so viel ex­portieren. Das alles sind keine Dinge, die dazu angetan sind, einen sozialen Frieden oder einen Frieden in der Europäischen Union zu sichern. Das alles kann uns nicht un­berührt lassen, und da kann man nicht so tun, als ob es das alles eigentlich nicht gäbe.

Es ist aber auch wichtig, wie es uns Österreichern geht, denn auch wir sind Teil der Europäischen Union, und die Frage: Wie geht es denn eigentlich im eigenen Land? ist nicht ganz unerheblich. Schauen wir es uns an!

233 Milliarden € Schulden – das sind 75 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung –, das ist auch nicht so toll, wie man es immer darstellt. Da haben wir noch nicht geredet von den öffentlichen Haftungen, von den Garantien, für die der Steuerzahler gerade­steht. (Bundesrat Todt: Wie viel sind es in Kärnten?) – Der Herr Präsident hat ja in sei­ner Antrittsrede gesagt: Das alles ist Geld des Steuerzahlers, und im Notfall muss der Steuerzahler geradestehen. – Da geht es um Garantien und Haftungen für die ÖBB, für die ASFINAG, auch für die BIG und für viele andere ausgegliederte Unternehmen (Bundesrat Mag. Klug: Hypo Kärnten!) – Kommunalkredit zum Beispiel –, das sind


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rund 30 Milliarden €. (Bundesrat Todt: 18 Milliarden €, Kärnten, nicht?) – Ach so, bei den eigenen, da schieben wir es dann lieber weg? Das ist ja wieder typisch. (Bundes­rat Todt: Wer regiert denn dort?)

Laut Eurostat-Studie beträgt der Anteil an Haftungen und Garantien rund 100 Milliar­den € – 100 Milliarden! –, heimische Experten reden sogar von 160 Milliarden €. 100 wären ja schon genug. Das heißt, die Lage in Österreich ist weiß Gott nicht so rosig, wie sie immer dargestellt wird. Und so weit weg von anderen Ländern sind wir damit auch wieder nicht. Aber Sparen ist ja hier jetzt nicht gerade das oberste Ziel. Es wird zwar viel davon geredet, aber Haushaltsdisziplin ist wirklich nicht auf der Prioritätenliste ganz oben. (Bundesrat Mag. Klug: Ach so?) Wir werden es ja sehen vor der Wahl – wir haben es ja schon gesehen bei der Pendlerpauschale –, wo dann wieder die Zu­ckerln verteilt werden. (Bundesrat Stadler: Sind Sie dagegen? Sind Sie gegen die Pendler?)

Wenn wir uns anschauen, wie viel wir an Haftungen eingegangen sind, dann sollten wir uns auch einmal vor Augen halten, was man mit diesem Geld alles machen könnte: Kindergärten bauen, die Schulden modernisieren, Schulen umbauen – die in Wien ja zum Teil in einem nicht so guten Zustand sind –, Infrastrukturmaßnahmen setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, Steuerreformen für die Menschen, zumal doch der Mittel­stand schon sehr viel an Steuern zahlen muss. Das machen Sie alles nicht. Stattdes­sen sitzen wir auf einem Schuldenberg, den wir kaum abtragen können, und sind daher nicht um so viel besser als zum Beispiel Italien oder Portugal.

Aber dass Haushaltsdisziplin nicht gerade die Sache der Bundesregierung – der SPÖ noch viel weniger – ist, haben wir schon gesehen an der Inseratenaffäre, wo man sich eine geneigte Berichterstattung gekauft hat. Dazu kommen noch die Haftungen, die wir im Rahmen des ESM eingegangen sind, wo im Ernstfall – wenn alles zusammen­bricht – 80 Milliarden € für Österreich schlagend werden. Also das sind Summen, die man sich ja kaum noch vorstellen kann. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie viel das wirklich ist.

Was sich die Österreicher aber schon vorstellen können, ist, was für sie übrig bleibt. Denn: Bei all den Haftungen, die wir im Rahmen der EU eingegangen sind, hören wir ja dann immer wieder, dass für die Österreicher kein Geld da ist. Also bei uns muss ge­spart werden. Dabei haben wir auch eine Million Menschen, die an der Armutsgrenze schrammen. Wir haben über 300 000 Menschen, die Vollzeit arbeiten und trotzdem mit ihrem Geld nicht auskommen können, weil sie zu wenig verdienen. Und das ist dann der Moment, wo die Österreicher, wo der österreichische Volksmund sagt: Das ist zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig!

Das sind Dinge, auf die wir schauen müssen: wie es den eigenen Leuten geht! Man darf nicht immer nur alle anderen sehen und sagen: Na ja, die eigenen Leute müssen da halt jetzt in den sauren Apfel beißen!, sondern man muss zuerst auf die eigenen Leute schauen.

Und was ist die Antwort der SPÖ auf Haushaltsdefizit, Schulden et cetera? – „Eat the rich!“, sagt man im englischsprachigen Raum, also die Vermögensteuer.

Dazu möchte ich Ihnen nur ein Beispiel geben: Großbritannien hat das nämlich ge­macht. Großbritannien hat zwei Jahre lang eine Vermögensteuer eingehoben. Und was ist dabei herausgekommen? – Der Produktionsstandort ist unattraktiv geworden. (Bun­desrat Mag. Klug: Wegen der Vermögensteuer? – Bundesrat Stadler: Das haben Sie verwechselt!) Die Leute, die wirklich Geld gehabt haben, haben es außer Landes ge­bracht. Durch die mangelnde Attraktivität des Produktionsstandorts – das sind Tatsa­chen, Herr Kollege Klug, aber ich weiß, das ist etwas, was Sie nie akzeptieren wollen – sind die Unternehmen gegangen. Daher hat es weniger Arbeitsplätze gegeben, daher


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gab es natürlich auch mehr Arbeitslose – und mit Ende 2012 endet dieses Experiment der Vermögensteuer für die Reichen. Es hat sich einfach nicht bewährt. Vielleicht ler­nen Sie einmal aus den Beispielen von anderen – wobei die Hoffnung bei mir da nur sehr gering ist, denn für lernfähig halte ich Sie wirklich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das heißt, Herr Bundeskanzler – das müssen Sie sich gefallen lassen –: In Ihrer Amts­periode haben Sie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Man denke an die Affären in Ihren eigenen Reihen, wie eben die Inseratenaffäre, den U-Ausschuss, wo Sie nicht aussagen wollten und sich hinter Ihrer Fraktion versteckt haben und gesagt haben: Ich würde ja eh aussagen, wenn die SPÖ mich vorladen würde!, aber leider hat die das nicht getan. Jetzt haben wir die neue Affäre in Salzburg, wo 340 Millionen € verzockt worden sind. (Bundesrat Mag. Klug: Bei „Affären“ wäre ich ruhig!) Dazu kommt noch, dass sich Salzburg vom Bund 1,7 Milliarden € ausgeborgt hat, wovon 500 Millionen, also eine halbe Milliarde € verschwunden ist, wobei keiner weiß, wo diese ist. (Bundes­rat Mag. Klug: Scheuch! – Bundesrat Stadler: Da ist gestern ein Urteil gefallen!)

Dafür nicken Sie dann in Brüssel alles ab, was halt so daherkommt, ohne dass eine wirkliche österreichische Position erkennbar ist. (Bundesrat Mag. Klug: „Unser Geld für unsere Leut’“, gell?) Und das in Brüssel, das seine Finger in alle Lebensbereiche hi­neinsteckt – was wir ja nicht wollen! Hier wäre eine österreichische Haltung, vertreten von Ihrer Person, Herr Bundeskanzler, mehr als gefragt, nur sehen wir davon weit und breit nichts. Bewertet wird das von den Österreicherinnen und Österreichern am Wahl­tag, und Sie werden das Ergebnis präsentiert bekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Mag. Klug: Zuerst in Kärnten!)

9.49


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemel­det ist Herr Bundeskanzler Faymann. Ich erteile ihm das Wort. Die Redezeit ist mit 10 Minuten vereinbart. – Bitte.

 


9.50.27

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Da­men und Herren des Bundesrates! Europapolitik hat natürlich viele Facetten, aber eine wesentliche ist durch die Überreichung des Nobelpreises, den die Europäische Union und damit alle Bürgerinnen und Bürger Europas erhalten haben, doch klar zum Aus­druck gekommen: Das ist das friedliche Zusammenleben. Und tatsächlich ist das fried­liche Zusammenleben nicht so etwas wie eine Garantie, da braucht man nicht nur in die Geschichte zurückzugehen, sondern man braucht sich nur vor Augen zu halten: Überall in der Welt, wo soziale Gegensätze zu stark sind, wo religiöse, soziale Gegen­sätze mit Gewalt ausgetragen werden, wo die Demokratie und die Freiheit zu schwach und das gemeinsame Zusammenleben nicht stark genug ausgeprägt sind, die Spielre­geln der Demokratie nicht ernst genommen werden, dort gibt es jeden Tag und jede Stunde Auseinandersetzungen, die mit Gewalt ausgetragen werden, und in der Regel völlig unschuldige Menschen als Opfer.

Daher ist dieser Zusammenhalt in Europa ein so entscheidender. Und dieser Zusam­menhalt in Europa kann nur hergestellt werden, indem wir in Europa gemeinsam vor­gehen, auch in schwierigeren Zeiten, in denen die Finanzmarktkrise sehr viel an Mitteln vernichtet hat – Mittel, die wir dringend benötigt hätten, um Armut zu bekämpfen, um die Wirtschaft voranzubringen, um den Wettbewerbsstandort Europa im internationalen Wettbewerb zu verbessern –, in denen wir unheimlich hohe Mittel einsetzen müssen zur Rekapitalisierung von Banken, von Finanzmärkten, die wir aber deshalb einsetzen müssen, weil das ja die Grundlage der Sparer, der Kleinbetriebe, der Mittelbetriebe, der Industrie ist; das ist ja der Kreislauf, der notwendig ist für den Einzelnen genauso wie für die Wirtschaft und damit für alle. – Wir hätten diese Mittel besser angelegt in Bildung, in Ausbildung und in Beschäftigung.


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Und das alleine zeigt ja schon, dass ein Land alleine nicht in der Lage ist, gerade bei Finanzmärkten Regelungen vorzunehmen, die mithelfen, dass nicht so viel Geld inves­tiert werden muss in die Rekapitalisierung von Banken, in Konjunkturprogramme, die nach dieser größten Finanzmarktkrise in der Zweiten Republik auch Österreich erhebli­che Mittel gekostet haben. Österreich alleine ist nicht in der Lage, diese Antworten aus­reichend zu geben und diese Konsequenzen ausreichend zu ziehen. Wir haben in Ös­terreich eine Bankenaufsicht, aber wir benötigen eine europäische Bankenaufsicht, schon aus einem einfachen Grund: weil ja viele dieser Institute in ganz Europa tätig sind, in anderen Mitgliedsländern tätig sind. So wurde etwa vereinbart – um einen wichtigen Beschluss heranzuziehen, der im letzten Europäischen Rat und im ECOFIN getroffen wurde –, dass Institute, die in mehr als drei Ländern aktiv sind, auch von die­ser gemeinsamen Bankenaufsicht betroffen sind.

Es gibt in vielen Bereichen einen Handlungsbedarf, wobei etwa die Finanztransaktions­steuer, wenn sie von einem Land alleine eingeführt wird, ja lediglich zu einer Art Bör­senumsatzsteuer wird, aber nicht die Finanztransaktionen, die natürlich weit darüber hinausgehen und mit denen wir auch jene meinen, die abseits der Börse stattfinden, die so erheblich überhandgenommen haben, regelt.

Es ist überhaupt so, dass wir in der Finanz- und Finanzmarktkrise gemeinsam erfahren mussten, dass im Vergleich zwischen der Realwirtschaft und dem, was sich an den Fi­nanzmärkten darüber hinaus gebildet hat, die Realwirtschaft in den Hintergrund ge­drängt wurde. Wir wissen aber, dass man nur mit der Hände Arbeit, mit Service, mit Leistung etwas verdienen kann und dass alleine diese Wetten, die es gibt, diese Deri­vate und all die Verselbständigung auf den Finanzmärkten in der ganzen Welt dazu führen, dass dann, wenn es schiefgeht – etwa die Immobilienblase oder anderes, also wenn etwas, das ganz unnatürlich weit weg von der Realwirtschaft aufgebaut wird, dann zerplatzt –, meist nicht diejenigen zahlen, die vorher viel verdient haben, sondern die Falschen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die, die eigentlich gar nichts dafür können, weil sie auch vorher diese Entscheidungen gar nicht getroffen haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Deshalb ist es ja so wichtig, dass dieses Europa gemeinsam Maßnahmen setzt und gemeinsam Konsequenzen zieht und gemeinsam versucht – egal ob Südeuropa oder die neuen Mitgliedsländer –, hier auch gemeinsame Lösungen für die Zukunft zu fin­den. Und das ist wahrlich nicht einfach. Die Wirtschaft in den südeuropäischen Län­dern unterscheidet sich maßgeblich von der Wirtschaft etwa bei uns oder in Deutsch­land, aber auch die Wirtschaft und die sozialen Voraussetzungen in den neuen Mit­gliedsländern. Ich war vor Kurzen etwa in Rumänien: Dort gibt es Mindestpensionen von 80 € im Monat! – Da gibt es also einen riesigen Unterschied und ein großes Ge­fälle im Lebensstandard, in der Wettbewerbsfähigkeit, im Standort, in den Steuersys­temen, also in all jenen Bereichen, wo wir eigentlich, insbesondere dort, wo sogar eine gemeinsame Währung besteht – und es sind mehr als 350 Millionen Menschen in Eu­ropa, die eine gemeinsame Währung haben –, eine Annäherung, eine Koordination und eine Gemeinsamkeit erreichen müssen, im Interesse der nächsten Generationen.

Man braucht sich ja nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit vor Augen zu führen. Beseitigt man die hohe Jugendarbeitslosigkeit, so wie uns das manche vorschlagen, indem man einzelne Länder aus der Eurozone hinausschmeißt? Was passiert denn in Italien, in Spanien, in Griechenland, in irgendeinem dieser Ländern, wenn wir morgen die Ent­scheidung treffen würden, die sind bei der Eurozone nicht mehr erwünscht, sondern die werden wir einfach los? – Was ja gar nicht geht, und worüber ich auch froh bin, dass das nicht funktioniert.

Aber was wäre, wenn wir diese Eurozone zerreißen? – In all diesen Ländern würden natürlich Banken am ersten Tag so sehr in Schwierigkeiten kommen, dass die Bank-


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filialen zusperrten, die Sparer vor der Tür stünden und kein Geld mehr erhielten. Die Klein- und Mittelbetriebe wären die Ersten, die überhaupt nicht weiterarbeiten können, und die Industrie würde versuchen, sich in anderen Teilen der Welt Standorte zu su­chen, weil Europa kein sicherer Markt mehr und vor allem kein sicherer Standort mehr für sie wäre. Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut wären die Folge, wenn man be­wusst und böswillig die Eurozone zerreißen würde. Und deshalb sind wir da so ent­schieden dagegen. Und daher muss ich sagen, wenn es der FPÖ dann leidtut, dass genau das eben nicht passiert: Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Europa wäre mit Ihrer Politik die doppelte! Und das ist die Schande an Ihren Argumenten. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Da stellen Sie sich – genauso wie der Herr Kickl, der anscheinend für alle in Ihrer Frak­tion die Reden schreibt – her und beweinen den sozialen Zusammenhalt in Europa! – Der würde zerrissen durch eine Vorgangsweise, durch die die Eurozone auseinander­gerissen wird, durch die diese Europäische Union ruiniert wird! Der würde zerrissen werden, und das wäre dann tatsächlich eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Sie wissen sehr genau, dass diese aggressive Gegnerschaft zur Europäischen Union eine einzige Folge hätte: eine Aggression, die in diesen Ländern ja entstehen müsste, weil junge Leute das Gefühl haben, da gibt es ein paar, die haben uns im Stich gelas­sen in einer schwierigen Zeit nach einer Finanzmarktkrise – für die übrigens die Arbei­ter Griechenlands und die Arbeiter in Italien auch nichts können –; in einer schwierigen Zeit, in der die jungen Leute keine Arbeit finden, haben sich die Verantwortlichen nicht zusammengesetzt, wie man das in einer Demokratie und in einer Gesellschaft des Friedens erwartet, und miteinander ihre Hausaufgaben gemacht, um diese Europäi­sche Union wieder aufzubauen, sondern sie haben politisch versucht, sich in dieser Si­tuation auseinanderzudividieren. Das wäre der schwerste Fehler, den wir unseren Kin­dern und Enkelkindern antun könnten! Und deshalb bin ich da so entschlossen dage­gen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich möchte als Letztes alles unterstreichen, was gesagt wurde zur Wirtschaft, zum Wirtschaftsstandort. Auch die Frau Kollegin hat sehr zu Recht auch auf die Vorteile hin­gewiesen, die Österreich durch diese gemeinsame Wirtschaft hat, die im Export ganz klar nachzurechnen sind, in den Arbeitsplätzen der Exportwirtschaft in Europa ganz klar nachzurechnen sind, die aber auch nachzurechnen sind bei der österreichischen Wirtschaft, die ja in vielen Kohäsionsländern mit Kohäsionsfonds tätig ist.

Wer baut denn viele der Straßen, Brücken und Anlagen im Energiebereich? – Das ge­schieht ganz stark mit Bundesländer-Beteiligung, es gibt in den Bundesländern viele starke Unternehmungen unseres Landes. Das heißt: Es geht nicht nur darum, dass wir nachrechnen, was wir im Bereich der Nettozahler überweisen und was wir zurückbe­kommen, sondern wir sind auch daran zu messen, was wir von den vielen Mitteln, die wir als Beiträge in Form unseres schwer verdienten Steuergeldes leisten, in der Weise zurückerhalten, dass unsere Wirtschaft sehr erfolgreich in diesen Ländern tätig ist.

Lassen Sie mich darum zum Schluss in einer Länderkammer beziehungsweise in einer Vertretung der Regionen sagen, dass ich deshalb so überzeugt davon bin, dass der ländliche Raum in unserer Verhandlungsposition eine wichtige Rolle zu spielen hatte, weil dieses Europa eben auch dadurch gekennzeichnet ist, dass es nicht nur urbane Räume und Städte gibt, sondern weil es in diesem Europa – wie man in Österreich sieht – auch wichtig ist, dass wir bewusst den ländlichen Raum wesentlich mehr unter­stützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Das war und bleibt für mich als Bundeskanzler in den Verhandlungen eine wichtige Aufgabe. Das Augenmerk liegt hiebei insbesondere etwa auf den Regionen der Berg­bauern, die unter ganz schwierigen Bedingungen arbeiten, und auf den Regionen un-


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serer Landwirte, von denen der Großteil ohnehin bereits im Nebenerwerb tätig ist, weil sich das Einkommen aus der Landwirtschaft oft zum Leben gar nicht ausgeht. Viele ha­ben in die biologische Landwirtschaft investiert, also in ein Stück nachhaltige Zukunft, und wir glauben, dass die Welt von morgen mit nachhaltigen Lebensmitteln gebaut werden sollte. Daher bin ich überzeugt davon, dass das ein richtiger Weg ist.

Europa benötigt viel Wettbewerbsfähigkeit, es braucht eine starke Industrie sowie Kleinbetriebe und Mittelbetriebe. Keinesfalls vergessen werden darf aber auf den länd­lichen Raum und auf die Regionen, denn das macht nun einmal das Besondere Öster­reichs aus. – In diesem Sinne wünsche ich natürlich auch Ihrer Arbeit viel Erfolg. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

10.02


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Ak­tuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


10.02.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, guten Morgen! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Guten Morgen, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Frau Mühlwerth, ich möchte Ihnen wirklich „gratulieren“: Wir haben hier heute eine spannende Diskussion zum Thema Europa, und Sie haben jetzt eindeutig und sehr be­eindruckend bewiesen, wie man eine solche Diskussion in den absoluten Provinzialis­mus hinabziehen kann. Vielen Dank dafür! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich finde es wichtig, dass wir in diesem Bundesrat sehr viel und sehr oft über europäi­sche Themen diskutieren. Ich könnte manche Reden, die ich schon gehalten habe, heute eins zu eins wieder halten. Ich halte es für sehr wichtig, dass in dieser Kammer sehr intensiv über Europa gesprochen wird. Ich finde das auch deswegen so wichtig, weil die Europäische Union und die Zukunft der Europäischen Union derzeit zur Dis­kussion stehen beziehungsweise quasi zur Disposition stehen und verschiedene Kräfte mit verschiedenen Lösungen kämpfen, und zwar im demokratischen Sinn kämpfen.

Die einen, zum Beispiel in unserem Land die Freiheitliche Partei, setzen stärker auf Nationalismus. Sie wollen nicht, dass Europa zusammenarbeitet, sie würden sich am liebsten wieder isolieren. Und es gibt auch das genaue Gegenteil, nämlich viele politi­sche Kräfte, aber auch Experten und Expertinnen, die sagen, dass sich Europa à la longue zu einem Bundesstaat entwickeln müssen wird. – Das sind sozusagen die zwei Pole in dieser Diskussion.

Erlauben Sie mir, da wir ja in einer föderalen Kammer sind, zumindest die Anmerkung, dass es sehr interessant ist, dass dieselben Kräfte, die sich zum Beispiel jetzt bei dem Finanzdesaster in Salzburg dagegen wehren, dass man sich in die Finanzen einmischt, genau dieselben Kräfte sind, die am liebsten hätten, dass die Europäische Kommission Griechenlands Finanzen übernimmt. – Das ist eine Unlogik, die ich nicht nachvollzie­hen kann!

An etwas muss man immer wieder erinnern: Das Wissen über Volkswirtschaft ist sozu­sagen nicht unbedingt ein Massenphänomen in diesem Land. Unser Wirtschaftssystem funktioniert aber nun einmal so: Staaten, die viel exportieren, zum Beispiel nördliche EU-Staaten in südliche EU-Staaten, werden innerhalb der Europäischen Union stets auf Kosten anderer Staaten sehr viel reicher sein. So ist das! Wir haben uns vor Jah­ren – ich nicht, aber wir als Europäer und Europäerinnen beziehungsweise Politiker und Politikerinnen – vor Jahren dafür entschieden, dass wir eine Währungsunion


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schaffen. Jetzt haben wir diese Währungsunion, und manche Staaten wie zum Beispiel Deutschland haben einen Export-Überschuss gegenüber den südlichen Staaten von 50 Milliarden €. So hat zum Beispiel Griechenland viele Rüstungsgüter in Deutschland gekauft, und Deutschland hat davon profitiert.

Jetzt müssen wir als Europäer und Europäerinnen ganz genau darüber nachdenken: Wollen wir diese Ungleichheit ausgleichen, ja oder nein? – So einfach ist im Grunde genommen die Frage! Die Antworten scheinen immer so kompliziert zu sein, aber die Frage, die am Schluss bleibt, lautet tatsächlich: Wollen wir ein solidarisches gemeinsa­mes Europa, oder wollen wir uns so verhalten wie die Freiheitliche Partei, die zwar die Jugendarbeitslosigkeit bejammert und beweint, aber keine einzige Lösung bietet, au­ßer zu sagen: Wir müssen uns isolieren! (Bundesrat Kneifel: Aber die Steuereinhe­bung in Griechenland darf man auch nicht vergessen!) Keine Frage! Ich bin kein Vertei­diger der griechischen Regierung, davon können Sie ausgehen!

Man muss aber auch dazu sagen: Eine gemeinsame Währung ist historisch einzigartig. Wir reden sehr oft von Dominostein-Effekten und dergleichen. Aber de facto gab es das in der Menschheitsgeschichte seit dem römischen Dinar nicht mehr, zumindest in Europa. Das heißt: Wir können viel darüber diskutieren und theoretisieren, welche Fol­gen was hat, aber wir wissen es nicht. Wir wissen aber sehr wohl, welche Gefahren es gibt, und die Gefahrenquellen müssen ausgemerzt werden.

Etwas macht mir aber auch Sorgen, und zwar auch in der heutigen Diskussion. So hat zum Beispiel Ratspräsident Van Rompuy ein Papier vorgelegt, in dem von einer echten Wirtschafts- und Währungsunion die Rede ist. Im Hinblick darauf frage ich mich schon, auch als überzeugter Europäer – ich bin ja gebürtiger Niederländer, wohne hier und fahre oft nach Rumänien, und da habe ich schon eine ein bisschen europäische Pers­pektive –: Wollen wir Europa wirklich nur als Wirtschaftsunion und Währungsunion defi­nieren, und that’s it!, oder gehen wir auch einmal so weit, zu sagen: Europa muss auch eine Union sein, die gemeinsam gegen den Klimawandel vorgeht, die gemeinsam in neue Technologien und in die Bekämpfung des Klimawandels investiert, die gemein­sam für Beschäftigung arbeitet und eine Sozialunion ist, die in Bildung investiert, und eine Bildungsunion und letztlich eine Union der Demokratie ist.

Der Demokratieabbau ist eine der größten Gefahren, die ich derzeit in Europa sehe. Ich meine, es lohnt sich, für ein Gemeinsames Europa der Menschenrechte und der Bürgerrechte zu kämpfen. Das sollte uns allen ein Anliegen sein! Bitte schauen wir nicht immer nur auf die Wirtschaft! Europa ist mehr als eine Währung! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.08


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


10.08.47

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Ich möchte einen Zwischenruf aufgreifen, den Kollege Kneifel gemacht hat. Er hat gesagt, dass die Steuereinnahmen dort schon ein bisschen in Ordnung kommen müssen. – Wer zahlt denn in Griechenland keine Steuer? Es sind dies die Superreichen, die ihr Geld ohne Verantwortung gegenüber ihrem eigenen Land in Sicherheit gebracht haben. (Bundesrat Kneifel: Gar keiner zahlt dort Steuer!)

Diesbezüglich sind wir einer Meinung. Was aber verhindert die ÖVP? – Eine Erb­schaftssteuer für die Superreichen in Österreich! Ich würde mir hingegen wünschen, dass wir endlich auch hier zu einer sozialen Gerechtigkeit kommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)


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Es ist immer wieder verwunderlich und leider Gottes eine Tatsache, dass es in Europa, das jetzt sicherlich verunsichert ist, immer wieder diese Brandstifter gibt, die versu­chen, mit ein bisschen Nationalismus auf diese Verunsicherung mit einer antieuropäi­schen Grundhaltung zu agieren und die Menschen für dumm zu verkaufen.

Wir müssen heute sagen: Gott sei Dank waren wir in dieser Krise Mitglied der Euro­päischen Union! Gott sei Dank waren wir Mitglied der Eurozone! Wir hätten diese letz­ten Jahre als nationalistisches Österreich mit dem Schilling in dieser Form nicht über­standen. Nur die Gemeinschaft der europäischen Länder konnte diese Krise gemein­sam bewältigen.

Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass Europa den Friedensnobelpreis bekommen hat. – Herr Bundeskanzler, der Vorsitzende des Komitees ist ein gewisser Herr Jagland, der Generalsekretär des Europarates, und der Europarat hat sich in den letzten Jahren – Kollege Mayer kann das bestätigen – ganz intensiv mit den Auswir­kungen der Krise im sozialen Bereich und in der sozialen Schieflage befasst. Der Men­schenrechtskommissar sagt, dass eine übertriebene Steuerpolitik heutzutage bereits Menschenrechte vorenthält und dass wir genau das brauchen, was auch Sie ange­sprochen haben, wofür wir jetzt zum Beispiel auch endlich durch den neuen französi­schen Präsidenten Unterstützung bekommen, nämlich Investitionen.

Ein älterer pensionierter Industrieller aus Kanada meint, dass ein Staat so funktioniert wie eine Firma oder wie ein privates Konto. – Genau so funktioniert ein Staat nicht! Dann, wenn eine Rezession droht, muss investiert werden, muss gegengelenkt und gegengesteuert werden, um Arbeitsplätze und Nachfrage zu schaffen.

Vor allem etwas darf es dabei nicht geben, und das steht heute auch ein bisschen in Diskussion: Für diese Krise in Europa dürfen nicht die jungen Menschen zahlen! Der­zeit ist es aber leider so! Derzeit zahlen die jungen Menschen für die Bankenkrise und für die Wirtschaftskrise. Dazu darf es letzten Endes aber nicht kommen. Deshalb ist es zum Beispiel so wichtig, dass der Rat jetzt die Limassol-Erklärung im Rahmen der zypriotischen Präsidentschaft gemacht hat.

Es soll 5 Milliarden € zur Schaffung von Arbeitsplätzen ganz gezielt im südlichen Raum geben. Europa verliert nämlich, wenn die jungen Menschen nicht mehr an Europa glau­ben. Das Einzige, was wir ihnen mitgeben können, ist, dass sie an dieses friedliche Eu­ropa und dieses gemeinsame Europa, das gleichsam wie eine Familie in Solidarität zusammensteht, glauben. Aber dazu brauchen junge Menschen auch eine Perspekti­ve, und diese Perspektive heißt Beschäftigung. Jeder, der mit der Ausbildung fertig ist, will sich in eine Gesellschaft einbringen und nicht beschäftigungslos herumhängen. Deshalb ist es so wichtig, dass diese ersten 100 Milliarden €, die nun für Nachfrage und Investition bereits zur Verfügung gestellt werden, zu einem ganz spezifischen An­teil zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt werden.

Als sich mein Fraktionsvorsitzender Klug bei unserem Bundeskanzler als dem Erfinder der Transaktionssteuer bedankt hat, da gab es so ein seltsames Lachen. Es gibt hier aber Zeitzeugen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, darunter auch Ihren konservativen Premierminister, dass in jeder Ratssitzung immer einer lästig war, und der hieß Werner Faymann! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Ja genau!)

Irgendwann konnte der Lästige auch Frau Merkel überzeugen, und nun kämpft Öster­reich mit Deutschland gemeinsam. Und wenn Frau Merkel im Leben manchmal halt ein bisschen schneller wäre, dann hätte Griechenland ganz Europa nicht so viel gekostet. Die Verzögerung, die Frau Merkel in der Griechenlandhilfe auf Grund regionaler Land­tagswahlen herbeigeführt hat, hat uns allen in Europa nämlich Milliarden gekostet! Hät­te sie schneller und früher auf den Vorschlag betreffend die Schöpfung einer Transak­tionssteuer durch Werner Faymann gehört, dann wären wir heute schon viel weiter. So hat es eben etwas länger gedauert.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 37

In diesem Sinne, Herr Bundeskanzler: Tun wir miteinander alles, was möglich ist, um diese Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, Jobs zu kreieren und das duale Ausbil­dungssystem in ganz Europa zu verbreiten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der Grünen.)

10.15


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


10.15.18

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, ich kann es mir jetzt ersparen, auf die Kritik eurerseits einzugehen. Der Herr Bundes­kanzler hat euch hier schon die Ohren langgezogen – wie man bei uns in Vorarlberg sagt –, und das ist auch richtig, denn was wäre Österreich ohne den Euro und ohne in dieser EU-Solidargemeinschaft zu sein? – Wir würden ähnlich dastehen wir andere Staaten, weil wir wahrscheinlich auch irgendwie unter die Spekulationsopfer gefallen wären. Und das ist nur eine Facette, warum Österreich gut daran tut, EU-Themen hier zu besprechen, für die EU zu sein und in dieser großen Solidargemeinschaft zu leben. Das ist unter dem Strich der Sukkus, Frau Kollegin Mühlwerth! (Zwischenruf der Bun­desrätin Mühlwerth.) – Es ist einfach so. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Satz noch zum Kollegen Schennach: Die lobenden Worte habe ich natürlich sehr gerne gehört. Zur Finanztransaktionssteuer muss man allerdings sagen: Der Herr Bun­deskanzler hat sich wirklich dafür eingesetzt, das stimmt schon, aber die ÖVP war per se auch dafür. Wir waren auch dafür, also war auch die österreichische Regierung für diese Finanztransaktionssteuer. Das muss man in aller Form erwähnen. Und Frau Kol­legin Merkel ist manchmal schneller, als du glaubst, das möchte ich nur sagen! (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte zur Wirtschafts- und Währungsunion etwas sagen. Der Rat hat sich am 13. und 14. Dezember damit auseinandergesetzt, einen Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion zu finden und hat auch Schritte formuliert, wie man das Ganze umsetzen kann. Basis dafür war ein von der Kommission vorgelegtes Konzept, und damit geht auch die vertiefte Integration, beruhend auf stärkerer Solidarität einher. Die­ser Prozess wird mit Vollendung, Stärkung und Umsetzung der neuen besseren wirt­schaftspolitischen Steuerung sowie mit der Annahme des einheitlichen Aufsichtsme­chanismus und der neuen Regeln für die Sanierung und Abwicklung sowie die Einla­gensicherung beginnen.

Einige andere wichtige Fragen wie die Koordinierung nationaler Reformen, die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion, die Durchführbarkeit und Modalitäten von gegenseitigen vereinbarten Verträgen, für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum, Solidaritätsmechanismen sowie Maßnahmen zur Förderung und Vertiefung des Bin­nenmarktes werden beim nächsten Rat im Juni eingehend geprüft werden.

Der Rat hat sich auch über das europäische Semester 2013 auf Grundlage des Jah­reswachstumsberichtes der Kommission unterhalten und hat beschlossen, dass die Weiterentwicklung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU ein­zuleiten ist.

Kurz zum Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dieser ist weiterhin nicht abgeschlossen. Nach der Annahme des sogenannten Sixpack im vergangenen Jahr wurde die Umset­zung des Fiskalpaktes und die Annahme des sogenannten Twopack im Rat beschlos­sen. Deshalb ist es auch wichtig, die Implementierung dieser Maßnahmenpakete zu vollenden.

Ich möchte auch noch kurz auf den Beschäftigungspakt für Jugendliche eingehen. Da­rüber haben auch schon Kollege Klug und auch Kollegin Mühlwerth erfreulicher- und


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 38

richtigerweise gesprochen. Die Krise hat seit 2008 besondere Auswirkungen auch auf die Jugendbeschäftigung, und das ist ein großes Drama und Desaster innerhalb der EU. Die Jugendarbeitslosenrate lag etwa bei 22,7 Prozent im dritten Quartal und ist so­mit doppelt so hoch wie die Erwachsenenarbeitslosenrate.

Wir haben gehört, dass in manchen Ländern wie Spanien und auch Griechenland die Arbeitslosenrate der Jugendlichen über 50 Prozent beträgt. Das heißt, wir verlieren auch eine ganze Generation von Jugendlichen, die ohne Arbeit und Beschäftigung sind. Das hat natürlich negative Effekte, und zwar vermittelt dieses höhere Risiko be­treffend Arbeitslosigkeit Exklusion, Armut und Gesundheitsprobleme. Wenn Jugendli­che zuerst keine Arbeit und dann doch Arbeit finden, dann häufig sehr kurzfristig: 42 Prozent der jungen Beschäftigten arbeiten in temporären Anstellungen. Frühschul­abgänger sind eine Hochrisikogruppe, 54 Prozent davon finden keine Beschäftigung.

Es ist also wichtig – und da unterstreiche ich auch das, was der Kollege Schennach und der Herr Bundeskanzler gesagt haben –, dass wir jeden Euro, den wir auftreiben können, in zusätzliche Beschäftigung für Jugendliche investieren. Das ist gut angeleg­tes Geld, denn Österreich steht im Rahmen der Jugendbeschäftigung und der Beschäf­tigung generell gut da.

Kollege Klug hat ja den Herrn Bundeskanzler so sehr gelobt – das bringe ich natürlich in dieser Dimension nicht zusammen. (Bundesrat Mag. Klug: Probier es einmal!) Ich beziehe es nicht nur auf den Bundeskanzler, sondern auf die Regierung: Die österrei­chische Bundesregierung hat da hervorragende Arbeit geleistet. Das gilt es oft zu un­terstreichen, und unser duales Lehrlingsausbildungssystem ist in der Wachstumsstra­tegie „Europa 2020“ auch als Best-Practice-Modell angeführt. Das gilt es, immer wieder zu unterstreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Abschließender letzter Satz. Herr Bundeskanzler, die Forderung von Eurobonds teile ich nicht, denn ich denke, mit einer raschen Schuldenvergemeinschaftung bekommen wir ja auch noch mehr Druck, und ich denke betreffend diese Vergemeinschaftung der Schulden, da müssten wir zuerst andere Instrumente finden. Es muss mehr Kontrolle aufgebaut werden, und dann wird man auch in irgendeiner Form einmal darüber reden können.

Wir haben Konsolidierungspakete bis 2016, wir haben unser Budget in Ordnung ge­bracht, ich würde deshalb also nicht raten, dass wir dem österreichischen Steuerzahler hier noch mehr zumuten – ohne dass ich da das berühmte alemannische Herzflimmern bekomme, wenn ich an mehr Schulden denke. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.21


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Krusche zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Mag. Klug: Na ja, schauen wir, ob es etwas genutzt hat! – Bundesrat Krusche – auf dem Weg zum Rednerpult –: Du wirst mir nicht hel­fen!)

 


10.21.48

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Liebe Kollegen! Zuseher zu Hause! Dieses heutige Thema ist ja geradezu auf Sie zu­geschnitten. Es ist so ein „Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass“-Thema. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.) Und es ist auch aus folgendem Grund auf Sie zugeschnitten: Nicht, weil Sie so ein großartiger EU-Politiker sind, sondern weil es sich bestens dazu eignet, Plattitüden und hohle Phrasen zu ver­breiten (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) und sich hinter der EU zu verstecken. (Bundesrat Mag. Klug: Anständig bleiben!)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 39

Herr Bundeskanzler! Bezeichnend war ja, dass das Einzige – das Einzige! –, wo Sie of­fensichtlich Emotionen zeigen, die Ausgrenzung der FPÖ ist. Und da muss ich schon fragen (Beifall bei der FPÖ – Zwischenrufe bei der SPÖ): Ist das Ihre europäische Perspektive, sind das die nächsten Schritte (Bundesrat Schreuder: Sie haben nichts verstanden, nichts! – Bundesrat Mag. Klug: Nichts verstanden!), dass jene, die nicht mit Ihnen einer Meinung sind, dass jene, die Kritik – und zwar berechtigte Kritik! – aufs Tapet bringen, ausgegrenzt werden? – Na dann gute Nacht, EU, wenn das die Zu­kunftspolitik sein sollte! – Das ist ein undemokratisches Verhalten.

Wir stellen uns vor, dass die nächsten Schritte in der EU auch Schritte in Richtung mehr direkte Demokratie und eben nicht Ausgrenzung – noch dazu mit falschen Argu­menten – sind. Sie sprechen von einer aggressiven Anti-EU-Politik. Wir haben uns im­mer zu dieser Europäischen Union bekannt (ironische Heiterkeit bei der ÖVP – Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder), aber wir kritisieren die derzeitige Form und den Weg, wie sich diese Europäische Union weiterentwickelt. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Mag. Klug: Das ist jetzt ganz etwas Neues!)

Auch die anderen Redner haben eigentlich meine Erwartungen erfüllt, nämlich vonsei­ten der SPÖ eine Lobhudelei über die EU und die eigene, Ihre Arbeit in der EU. Sie ha­ben sich sogar dazu aufgerafft, sich hier plötzlich als Landwirtschaftsexperte zu betä­tigen (Bundesrat Mag. Klug: Das stimmt nicht! Sie haben nicht zugehört!), und die 300 Millionen für die Bauern, Herr Klug, wurden als großer Erfolg gefeiert. (Bundesrat Mag. Klug: In der ersten Säule 700!) – Ja, für den ländlichen Raum.

Ich sage, das könnten die Salzburger locker alleine bezahlen, wenn sie nicht 340 Mil­lionen verzockt hätten! Da bräuchten wir gar keine EU dazu! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mag. Kurz: Das werden wir erst einmal sehen, was da übrig bleibt!)

Der soziale Friede ist zwar schon von sehr vielen Rednern angesprochen worden und es ist hier auch mit Allgemeinplätzen reagiert worden. – Man muss etwas gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit tun. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das ist eine Zeitbombe! Aber nicht nur das, es gibt auch noch andere Zeitbomben, die von niemandem – von niemandem! – angesprochen worden sind. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Das ist nämlich die hemmungslose Zuwanderung in diese EU – Thema Frontex. Dazu, wie das gestärkt werden kann, wie verhindert wer­den kann, dass diese soziale Zeitbombe Zuwanderung immer schärfer wird und schluss­endlich auch platzt, hat niemand etwas gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Füller.)

Und deshalb glaube ich – ohne dass ich mir Provinzialismus vorwerfen lasse (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Klug) –, wir sollten zuerst einmal die Hausaufgaben im eigenen Land machen (Bundesrätin Mag. Kurz: In Kärnten zum Beispiel! – Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder) – sprich: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Kaufkraft und eine entsprechende Bildungspolitik, die jetzt am besten Weg dorthin ist, dass die letzten guten Dinge, die es bei uns gibt, auf dem Altar der Ideo­logie geopfert werden (Bundesrätin Mag. Kurz: Na bitte, was ist denn das für eine Diktion hier?) und eigentlich das Prinzip, dass Bildung in erster Linie fit für den Job ma­chen soll, vernachlässigt wird.

Und betreffend die groß gefeierte Bankenaufsicht, die auch Sie sich auf Ihre Fahnen heften, bin ich neugierig, was dabei herauskommt. Hier gibt es einen großen Konflikt in der Umsetzung, denn wie der Spagat dieser Trennung zwischen Geldpolitik auf der ei­nen Seite und Aufsicht auf der anderen Seite, wahrgenommen durch die EZB, gelöst werden soll, ohne dass es zu langwierigen Vertragsänderungen in der EU kommt, das kann uns noch keiner sagen.

Eigentlich bin ich grundsätzlich von den nächsten Schritten für ein gemeinsames Euro­pa und zur Bekämpfung der Lösung (Bundesrätin Mag. Kurz: „Bekämpfung der Lö­sung“? Das gibt es überhaupt nicht!), die Sie hier getan haben, enttäuscht. Ich habe


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 40

diesbezüglich nichts gehört. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Bundesrat Krusche –: Frohe Weihnachten!)

10.27


Präsident Georg Keuschnigg: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme ist Herr Bundeskanzler Faymann zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.27.17

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Kollege! Weil Sie das Wort „undemokratisch“ verwendet haben ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – Nein, nein, ich setzte mich mit allem, was mir zur Verfügung steht, dafür ein, dass Sie Ihre Meinung genauso sagen dürfen wie ich die meine, dass Sie dasselbe Recht dazu haben, aber gegen antieuropäische Hetze werde ich mich immer deutlich zur Wehr setzen. Das ist Teil der Demokratie, Herr Kollege. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... bezeichnen alles, was Ihnen nicht passt, als Hetze!)

Ich wollte gerne noch etwas zu Vorarlberg sagen, weil ich ja auch oft in Vorarlberg bin und viele Vorarlberger Betriebe kenne. Vorarlberg ist auch ein Beispiel dafür, dass vie­le Industriebetriebe in der ganzen Welt aktiv sind, aber ausgehend vom Standort Eu­ropa. Ich bin ja einmal im Jahr bei den größten Leitbetrieben in Vorarlberg, und tat­sächlich hat der Westen Österreichs gerade für die duale Ausbildung einen besonde­ren Stellenwert: Sogar stärker als in großen Teilen des Ostens Österreichs ist die duale Ausbildung für die Lehrlinge und die Facharbeiterausbildung auch in der Bevölkerung sehr hoch anerkannt. Also das ist durchaus ein gutes Beispiel dafür, dass wir diese duale Ausbildung, die wir in ganz Europa bräuchten, hier in Österreich als Vorbild zei­gen können.

Wir können also nicht nur in die Europäische Union gehen und sagen, was alles getan werden müsste, sondern wir können sagen: Seht her, was wir jungen Leuten mit der Ausbildungsgarantie ermöglichen! Aber die Ausbildungsgarantie mit einer überbetriebli­chen Lehrwerkstatt ist eine Ergänzung zum eigentlichen Ziel, nämlich dass junge Leute im Betrieb ausgebildet werden. Das ist ein Beispiel für Europa, und da bin ich halt stolz als österreichischer Bundeskanzler, dass wir solch vorbildliche Betriebe in Österreich haben und wir darauf verweisen können.

So hat zum Beispiel der Premierminister Irlands – Irland hat die nächste Präsident­schaft – seine Rede im Europäischen Rat begonnen mit:

Ein Vorbild für mich ist Österreich, wo 16-Jährige nicht auf der Straße stehen, weil sie jederzeit einen Ausbildungsplatz bekommen können.

Seien wir stolz auf die Stärken unseres Landes! Sagen wir, dass wir viel gemeinsam zu tun haben! Seien wir stolz auf das gute und friedliche Zusammenleben in Europa, wo wir besonders viele Schwachstellen beheben müssen – von der Steuereinhebung bis zur Rechtsstaatlichkeit, von der Betrugsbekämpfung bis zu vielen, vielen anderen Punkten –, aber gehen wir es mit Engagement an!

In diesem Sinne bedanke ich mich für die Diskussion. Ich wünsche Ihnen persönlich schöne Weihnachtsfeiertage und alles Gute im Neuen Jahr! (Allgemeiner Beifall.)

10.29


Präsident Georg Keuschnigg: Herr Bundeskanzler, herzlichen Dank, dass Sie in der Aktuellen Stunde hier waren.

Auch ich darf Ihnen – im Namen aller Mitglieder des Bundesrates – frohe Weihnachten, gesegnete Weihnachten, einen guten Rutsch ins Neue Jahr, Gesundheit und Wohler­gehen wünschen. Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Die Aktuelle Stunde ist beendet.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 41

10.30.52Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz (den Vorsitz übernehmend): Hinsichtlich der ein­gelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2707/AB bis 2715/AB beziehungsweise

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend

die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen mit Turkmenistan über die För­derung und den Schutz von Investitionen sowie

die Aufnahme von Verhandlungen über ein Amtssitzabkommen mit der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und

jenes Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich am 20. Dezember 2012 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bei gleichzeitiger Wahrnehmung seiner Angele­genheiten im Bundesrat gemäß Artikel 73 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz im Bun­desrat durch den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töch­terle sowie

des Schreibens der Frau Nationalratspräsidentin, mit dem der Beschluss betreffend Geschäftsordnung des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 vom 5. Dezem-
ber 2012, mit gleichzeitigem Ersuchen um Weiterleitung an das Bundeskanzleramt zur Kundmachung im Bundesgesetzblatt, übermittelt wird,

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 18)

*****

Beschluss des ständigen gemeinsamen Ausschusses, Weiterleitung an das Bundes­kanzleramt zur Kundmachung im Bundesgesetzblatt gemäß § 9 Abs. 9 F-VG 1948:

Beschluss des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bun­desrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 vom 5. Dezember 2012 be­treffend Geschäftsordnung des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalra­tes und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948

                                                                                                                        „REPUBLIK ÖSTERREICH

                                                                                                                                                          Nationalrat

Mag. Barbara Prammer                                                                                                 Die Präsidentin

                                                                                                                                            Wien, 2012 12 17

An den

Herrn Präsidenten des Bundesrates

Ich beehre mich, in der Anlage den Beschluss des ständigen gemeinsamen Ausschus­ses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsge­setz 1948 vom 05. Dezember 2012 betreffend


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 42

Geschäftsordnung des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948

zu übermitteln, und darf damit das Ersuchen verbinden, diesen Beschluss an das Bun­deskanzleramt zur Kundmachung im Bundesgesetzblatt gemäß § 9 Abs. 9 F-VG 1948 weiterzuleiten.

Die Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Anlage

(2-fach)

Dr. Karl Renner-Ring 3

A-1017 Wien, Parlament

Tel. +43 1 401 10-2201

Fax+43 1 401 10-2309

barbara.prammer@parlament.gv.at

DVR: 0050369

„Geschäftsordnung des ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948“

Inhaltsverzeichnis:

§ 1 Zusammensetzung

§ 2 Pflichten der Ausschussmitglieder

§ 3 Erlöschen des Ausschussmandates

§ 4 Neuwahl von Mitgliedern oder des Ausschusses

§ 5 Wahl des Vorsitzes und Vorsitzführung

§ 6 Wahl der Vorsitzendenstellvertreter und Schriftführer

§ 7 Aufgaben des Vorsitzes

§ 8 Aufgaben der Schriftführer

§ 9 Einberufung und Konstituierung des Ausschusses

§ 10 Beschlusserfordemisse

§ 11 Verhandlungsgegenstand

§ 12 Teilnahmerecht und Vertraulichkeit

§ 13 Teilnahme der Mitglieder der Bundesregierung und Landesregierungen § 14 Sachverständige und Auskunftspersonen § 15 Entscheidungsfrist § 16 Vertretung nach außen

§ 17 Anwendungsbereich der Geschäftsordnung des Nationalrates

§ 18 Änderung der Geschäftsordnung

§ 19 Kundmachung sowie In-Kraft-Treten

Zusammensetzung

§ 1. Der Ausschuss besteht aus 26 Mitgliedern, von denen je die Hälfte vom National­rat und vom Bundesrat nach den für die Wahl von Ausschüssen nach ihrer Geschäfts­ordnung geltenden Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt wird. Für jedes Mitglied des Ausschusses wird in gleicher Art ein Ersatzmitglied gewählt. Der Bundesrat muss aus jedem Land ein Mitglied und ein Ersatzmitglied entsenden. (§ 9 Abs. 6 F-VG 1948 idF BGBl. I Nr. 51/2012)

Pflichten der Ausschussmitglieder

§ 2. Die Ausschussmitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen und Arbeiten des Aus­schusses teilzunehmen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 43

Erlöschen des Ausschussmandates

§ 3. Das Ausschussmandat erlischt, wenn das Mitglied es zurücklegt, aus der Körper­schaft, die es entsendet hat, ausscheidet oder von ihr abberufen wird.

Neuwahl von Mitgliedern oder des Ausschusses

§ 4. (1) Scheidet ein Mitglied aus dem Ausschuss aus, so ist von der das Mitglied ent­sendenden Körperschaft ein neues Mitglied nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen und in den Ausschuss zu entsenden.

(2) Wenn jedoch die Hälfte oder mehr als die Hälfte aller vom Nationalrat und Bundes­rat gewählten Mitglieder ausscheiden, ist eine Neuwahl des genannten Ausschusses durchzufuhren.

Wahl des Vorsitzes und Vorsitzführung

§ 5. (1) Die vom Nationalrat und die vom Bundesrat gewählten Mitglieder wählen je einen Vorsitzenden, die abwechselnd den Vorsitz führen. (§ 9 Abs. 6 F-VG 1948 idF BGBl. 1 Nr. 51/2012).

Der Wechsel im Vorsitz vollzieht sich halbjährlich. Das erste Halbjahr führt der vom Na­tionalrat gewählte Vorsitzende den Vorsitz.

Im Fall einer vorübergehenden Verhinderung vertreten sich die beiden Vorsitzenden gegenseitig.

Sind beide Vorsitzende verhindert an der Sitzung teilzunehmen, führt einer der vom Ausschuss zu wählenden zwei Vorsitzendenstellvertreter den Vorsitz. Sind auch diese verhindert, übernimmt das älteste Mitglied des Ausschusses den Vorsitz.

Wahl der Vorsitzendenstellvertreter und Schriftführer

§ 6. Der Ausschuss wählt aus seiner Mitte nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zwei Vorsitzendenstellvertreter und zwei Schriftführer, von denen je einer den vom Nationalrat und den vom Bundesrat entsandten Mitgliedern angehören muss. Die Vor­sitzendenstellvertreter sind nur zur Vertretung des Vorsitzenden bei der Führung der Sitzung befugt.

Aufgaben des Vorsitzes

§ 7. Der Vorsitzende wacht darüber, dass die dem Ausschuss obliegenden Aufgaben fristgerecht erfüllt und Verhandlungen unter Vermeidung jedes unnötigen Aufschubes durchgeführt werden. Er handhabt die Geschäftsordnung.

Aufgaben der Schriftführer

§ 8. Die Schriftführer haben den Vorsitzenden bei der Erfüllung seiner Obliegenheiten, insbesondere bei Ermittlung der Ergebnisse bei den Abstimmungen, zu unterstützen. Die Protokollfiihrung wird durch Bedienstete der Parlamentsdirektion besorgt; die Aus­schüsse können beschließen, einen Schriftführer mit der Führung des Protokolls zu be­trauen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 44

Einberufung und Konstituierung des Ausschusses

§ 9. (1) Der Vorsitzende hat nach Einlangen eines Einspruches der Bundesregierung nach § 9 Abs. 5 F-VG 1948 den Ausschuss innerhalb einer Woche zu einer Sitzung einzuberufen (§ 9 Abs. 7 F-VG 1948).

(2) Nach Ablauf dieser Frist obliegt die Einberufung zu dieser, aber auch zu allen weiteren Sitzungen dem Präsidenten des Nationalrates (§ 9 Abs. 7 F-VG 1948). Für die Sitzungen betraut der Präsident in solchen Fällen einen der gewählten Vorsitzen­den bzw. Stellvertreter mit dem Vorsitz. Dem Präsidenten des Nationalrates obliegt auch die erste Einberufung zum Zwecke der Konstituierung des Ausschusses.

Beschlusserfordernisse

§ 10. (1) Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglie­der anwesend ist. Ist weniger als die Hälfte der Mitglieder anwesend, ist eine neuerli­che Sitzung so einzuberufen, dass der Ausschuss innerhalb von zwei Wochen Zusam­mentritt. In diesem Fall ist der Ausschuss beschlussfähig, wenn mindestens neun Mit­glieder anwesend sind.

(2) Der Ausschuss fasst seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Der Vorsitzende stimmt mit. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

Verhandlungsgegenstand

§11. Gegenstand der Verhandlungen des Ausschusses sind Einsprüche der Bundes­regierung gegen einen wiederholten Beschluss eines Landtages im Sinne des § 9 F-VG 1948.

Teilnahmerecht und Vertraulichkeit

§ 12 (1) An den Sitzungen des Ausschusses können außer den gewählten Mitgliedern noch die Ersatzmitglieder als Zuhörer teilnehmen. Der Ausschuss kann mit Stimmen­mehrheit jedoch beschließen, dass auch andere Mitglieder des Nationalrates und Bun­desrates als Zuhörer anwesend sein können. Der Präsident des Nationalrates sowie der Vorsitzende des Bundesrates sind jedenfalls berechtigt, den Verhandlungen mit beratender Stimme beizuwohnen.

(2). Der Ausschuss kann mit Stimmenmehrheit beschließen, dass und inwieweit seine Verhandlungen vertraulich sind.

Teilnahme der Mitglieder der Bundesregierung und Landesregierungen

§ 13. Die Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierungen sowie die von ih­nen entsandten Vertreter sind berechtigt, an den Beratungen teilzunehmen. Sie müs­sen auf ihr Verlangen jedes Mal gehört werden. Der Ausschuss kann die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierungen verlangen.

Sachverständige und Auskunftspersonen

§ 14. Der Ausschuss hat in sinngemäßer Anwendung des § 40 der Geschäftsordnung des Nationalrates das Recht, durch den Präsidenten des Nationalrates Sachverständi­ge oder andere Auskunftspersonen zur mündlichen oder schriftlichen Äußerung einzu­laden.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 45

Entscheidungsfrist

§ 15. Der Ausschuss hat seine Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach dem in § 9 Abs. 1 bezeichneten Tag zu treffen. Der Gesetzesbeschluss darf nur kundge­macht werden, wenn der Ausschuss nicht innerhalb dieser Frist entscheidet, dass der Einspruch der Bundesregierung aufrecht bleibt. (§ 9 Abs. 10 F-VG 1948 idF BGBl. I Nr. 51/2012)

Vertretung nach außen

§ 16. (1) Die Vertretung des Ausschusses nach außen obliegt dem Präsidenten des Nationalrates.

(2) Der Ausschuss bedient sich bei der Durchführung seiner Aufgaben der Parlaments­direktion.

Anwendungsbereich der Geschäftsordnung des Nationalrates

§ 17. In allen Fällen, die durch die vorstehende Geschäftsordnung nicht geregelt sind, sind die für die Ausschüsse des Nationalrates geltenden Bestimmungen des Bun­desgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge-
setz 1975) in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.

Änderung der Geschäftsordnung

§ 18. Eine Änderung dieser Geschäftsordnung kann nur in Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Ausschusses mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der ab­gegebenen Stimmen beschlossen werden.

Kundmachung sowie In-Kraft-Treten

§ 19. Die Kundmachung dieser Geschäftsordnung und ihrer Änderungen erfolgt durch den Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt. Diese Geschäftsordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                          22. November 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                          GZ: BMeiA-TM.8.33.02/0001-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 46

13. November 2012 (Pkt. 9 des Beschl.Prot. Nr. 165) der Herr Bundespräsident am 16. November 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und Turkmenistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-TM.3.19.25/0005-Ill.3a/2012

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und Turkmenistan über die Förderung

und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, ös­terreichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi­ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen aber auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellenländer an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Vertra­ges von Lissabon ist die Zuständigkeit zum Abschluss von Abkommen über Direktin­vestitionen auf die EU übergegangen. Art. 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) schuf per 1. Dezember 2009 eine neue Unionskompetenz für ausländische Direktinvestitionen. Es ist jedoch den EU- Mitgliedstaaten weiter mög­lich - sofern es kein entsprechendes Abkommen auf EU Ebene gibt - bilaterale Investi­tionsschutzabkommen abzuschließen. Es gilt daher für Österreich, den derzeitigen Vertragsbestand zu bereinigen und Verhandlungsprozesse abzuschließen, bezie­hungsweise Neuverhandlungen dort zu beginnen, wo eine Vertiefung der in wechsel­seitigem Interesse gelegenen bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ebenso wie die Ver­folgung konkreter Anliegen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit geboten er­scheint.

Turkmenistan befindet sich auf der interministeriellen und unter Miteinbeziehung der Sozialpartner akkordierten Liste von Staaten, mit welchen bevorzugt Verhandlungen über ein neues Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen auf­zunehmen wären. Derzeit gibt es mit Turkmenistan eine pragmatische Weiteranwen­dung des alten Investitionsschutz-Abkommens mit der vormaligen UdSSR.

Am 1. Dezember 2011 fand eine Konsultationsrunde auf Expertenebene für ein neues bilaterales Abkommen in Wien statt. Es ist vorgesehen, Verhandlungen noch vor En­de 2012 in Ashgabat aufzunehmen.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden Vertreter des Bundesministeri­ums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 47

Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesministeriums für Finanzen und der Wirt­schaftskammer Österreich angehören.

Die mit der Entsendung der Mitglieder der Verhandlungsdelegation verbundenen Kos­ten werden vom jeweiligen Ressort getragen und finden im Ausgabenrahmen des Bun­desfinanzrahmengesetzes ihre Bedeckung. Ebenso werden die finanziellen Auswirkun­gen des abzuschließenden Abkommens vom jeweils zuständigen Ressort innerhalb der zur Verfügung stehenden Mittel bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Gesandten Dr. Michael Postl und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Mag. Marian Wrba zur Lei­tung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Turkmenistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu bevollmäch­tigen.

Wien, am 7. November 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Georg KEUSCHNIGG                                                                                          05. Dezember 2012

Parlament, Karl Renner Ring 1-3

1017 WIEN                                                                          GZ: BMeiA-EU.8.33.02/0023-I.2a/2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 20. November 2012 (Pkt. 8 des Beschl.Prot. Nr. 166) der Herr Bundespräsident am 22. November 2012 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Amts­sitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich er­folgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 48

                                                                                                       „Bundesministerium für europäische

                                                                                                         und internationale Angelegenheiten

BMeiA-EU.8.19.12/0014-I.2/2012

Amtssitzabkommen zwischen der Republik

Österreich und der Europäischen Agentur für das

Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Die Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanage­ment von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (im weiteren: IT-Agentur) legt als Sitz der IT-Agentur Tallin (Estland) fest. Gleichzeitig wird gemäß Art. 10 Abs. 4 ein Back-up-System, das den Betrieb eines IT-Großsystems beim Ausfall eines solchen Systems sicherstellen kann, in Sankt Johann im Pongau eingerichtet. Die IT-Agentur wird ihre Tätigkeit am 1. Dezember 2012 aufnehmen.

Für die Back-up Stelle der IT-Agentur in St. Johann im Pongau ist nun ein Amtssitzab­kommen zu schließen. Gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung kann die IT- Agentur Abkommen über ihren Sitz und die Back-up Standorte selbst schließen. In Art. 22 der Verordnung ist der Abschluss von Sitzabkommen vorgesehen.

Inhaltlich soll sich dieses Abkommen an den Abkommen mit ähnlichen internationalen Organisationen orientieren. Es wird insofern von den sonstigen österreichischen Amts­sitzabkommen abweichen, als auf EU-Agenturen bereits das Protokoll über die Vor­rechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABI. Nr. C 326 vom 26.10.2012, S. 266) und die Durchführungsmodalitäten zum Protokoll über die Vorrechte und Be­freiungen der Europäischen Gemeinschaften zwischen der österreichischen Bundesre­gierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. III Nr. 24/2000) anzuwenden sind und das zu verhandelnde Amtssitzabkommen nur ergänzende Re­gelungen enthalten wird (vergleichbar dem Amtssitzabkommen zwischen der Repu-
blik Österreich und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, BGBl. III
Nr. 10/2011).

Das Abkommen wird daher voraussichtlich Regelungen über den Amtssitzbereich, Ab­gaben und Gebühren für Rechtsgeschäfte, Einreise und Aufenthalt, Hilfe und Zusam­menarbeit im Falle des teilweisen oder vollständigen Ausfalls des Zentralsystems, Si­cherheit, Fernmeldeverkehr und öffentliche Leistungen im Amtssitzbereich enthalten. In der Ausgestaltung der Bestimmungen wird berücksichtigt werden, dass sich die Back-up-Stelle auf militärischem Gebiet befinden wird.

Für die Verhandlungen über das Abkommen wird die nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Gesandter MMag. Gregor Schusterschitz           Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Botschafter Dr. Erwin Kubesch                                 Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

LR MMag. Ulrike Köhler                                              Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

Der Delegation werden die erforderlichen Berater aus dem Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport beigezogen werden.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 49

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Bede­ckung in den Budgetansätzen des entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine finanziellen Auswirkungen haben; sofern es dennoch zu sol­chen kommen sollte, werden sie aus den dem jeweils zuständigen Ressort zur Verfü­gung gestellten Mitteln bedeckt. Finanzielle Aspekte der Unterbringung und allenfalls erforderlicher Dienstleistungen werden in einer separaten Vereinbarung des Bundes­kanzleramts mit der IT-Agentur zu einem späteren Zeitpunkt geregelt

Das Abkommen wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter haben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat unterliegen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler, der Bundesministerin für Inneres und dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport stelle ich daher den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver­handlungen über ein Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bevollmächtigen.

Wien, am 14. November 2012

SPINDELEGGER m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                                   Geschäftszahl: 350.200/0155-I/4/12

                                                                                                        Abteilungsmail:

An den                                                                                        Sachbearbeiterin: Martina KASTLER

Präsidenten des Bundesrates                                     Pers. eMail: martina.kastler@bka.gv.at

                                                                                                                          Telefon: 01/531 15 20/2264

Parlament

1017 Wien                                                                                                    Datum: 5. Dezember 2012

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.Ing. Nikolaus BERLA­KOVICH am 10. Dezember, 17. Dezember und 20. Dezember 2012 in Brüssel aufhal­ten wird. Seine Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt er am 20. Dezember 2012 durch Bundesminister Dr. Karlheinz TÖCHTERLE wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen“

*****


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 50

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weiters gebe ich bekannt, dass das Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bun­desministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos am 19. und 20. Dezember 2012 im Libanon bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek mit seiner Vertretung ein­gelangt ist.

10.32.55Ergänzung der Tagesordnung und
Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich schlage vor, die Tagesordnung gemäß
§ 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates um das Vorhaben im Rahmen
der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz betreffend KOM (2011) 897 endgültiger Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ments und des Rates über die Konzessionsvergabe zu ergänzen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Vorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Vor­schlag ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um das genannte Vorhaben im Rahmen der Euro­päischen Union ergänzen und als 6. Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen. Dadurch werden die nachfolgenden Tagesordnungspunkte umgereiht.

*****

Weiters schlage ich vor, hinsichtlich des Ausschussberichtes 8881/BR d.B. über das Vorhaben über die Konzessionsvergabe gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates von der 24-stündigen Aufliegefrist abzusehen.

Hiezu ist ebenfalls eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stim­men erforderlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Vorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Vor­schlag, von der 24-stündigen Aufliegefrist für den gegenständlichen Ausschussbericht Abstand zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenom­men. – Ich höre, es war doch einstimmig, wiewohl ich es so nicht gesehen habe.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und das Vorhaben im Rah­men der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz betreffend die Konzessionsvergabe sowie die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der Schriftfüh­rerInnen und der OrdnerInnen für das erste Halbjahr 2013 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 51

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 10 und 11, 15 und 16, 29 bis 34, 35 bis 37 sowie 48 und 49 jeweils unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, begrüße ich den Herrn Staatssekretär bei uns im Bundesrat sehr herzlich. Herzlich willkommen, Herr Dr. Ostermayer!

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.35.391. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge-
setz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwal­tungsgerichtsgesetz – BVwGG) (2008 d.B. und 2057 d.B. sowie 8829/BR d.B. und 8833/BR d.B.)

2. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2011 (III-475-BR/2012 d.B. sowie 8834/BR d.B.)

3. Punkt

Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2011 (III-476-BR/2012 d.B. sowie 8835/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen zu den Punkten 1 bis 3 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 3 ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Bitte um die Berichte.

 


10.36.14

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtsho­fes für das Jahr 2011.

Auch hier liegt der Bericht in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur An­tragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 52

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlagen am 18. Dezember 2012 den Antrag, die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichthofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2011 zur Kenntnis zu nehmen.

Zum dritten Ausschussbericht, jenem des Ausschusses für Verfassung und Föderalis­mus über den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2011.

Auch hier liegt der Bericht in schriftlicher Form vor und ich darf gleich zur Antrag­stellung kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2011 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


10.37.26

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Zu diesen drei Tagesordnungspunkten, die wir unter einem debattieren, gleich eines vorweg: Den ersten beiden werden wir unsere Zustimmung erteilen; ich werde mich daher in meinem Beitrag dem Bericht des Asylgerichtshofes, dem wir nicht zustimmen werden, widmen.

Das Erste, das einem auffällt, wenn man den Bericht anschaut, ist gleich auf der ersten Seite, dass 24 Prozent der erstinstanzlichen Entscheidungen durch den Asylgerichts­hof aufgehoben wurden. Schaut man bei den Berichten aus den Vorjahren, stellt man fest, dass das 2010 17 Prozent waren und 2009 19 Prozent. 2008, wo das höher war, ist vielleicht nicht repräsentativ, weil das nur ein Rumpfhalbjahr war, wo ja erst mit 1. Juli dieser Asylgerichtshof tätig geworden ist.

Ich hätte eigentlich eher erwartet, dass diese Zahl der Aufhebung erstinstanzlicher Ur­teile zurückgeht – vielleicht in der Annahme, dass die Bundesasylsenate eigentlich dann die Rechtsprechung kennenlernen und das zu einer Verminderung führen wird. Dem ist nicht so, und leider gibt es auch keine Aussage dazu, warum das so ist.

Es wäre daher für zukünftige Berichte durchaus anzuregen, dass man statistisches Material, Vergleichsgrafiken mit den Vorjahren beilegt, dass man also erkennen kann, ob es da einen Trend gibt, ob es da eine Tendenz gibt – das zumindest bei den wich­tigsten Punkten und Daten. So ist die Arbeit relativ mühsam, weil eine Bewertung, ein Vergleich mit den Vorjahren, nicht so einfach ist.

Weiters wäre es natürlich sehr hilfreich, wenn sich dieser Bericht über rein statistische Zahlen – wie viele Verfahren abgewickelt wurden, wie viele abgelehnt wurden, welche Entscheidungen getroffen wurden – hinaus auch etwas mehr mit den Inhalten beschäf­tigen würde, sprich also: Aussagen darüber trifft, warum beispielsweise erstinstanzli­che Beschlüsse aufgehoben wurden.

Man würde sehen, ob es da eine Häufung gibt, wie die Entwicklung ist. Und dann könnte man vielleicht die Frage beantworten, warum die Anerkennungsrate von Flücht­lingen, von Asylwerbern in Österreich über dem EU-Durchschnitt liegt. Sind es die be­stehenden Gesetze, ist es die Rechtsprechungspraxis? Diese Berichte sollten ja nicht nur für die Ablage dienen und schönes statistisches Material bieten – von den 30 Sei­ten machen 15 Seiten die Statistiken aus, und auf den restlichen 15 Seiten stehen Mit­arbeiterschulungen und sonst etwas, das besucht wurde.

Ich glaube, dass eine solch vertiefte Berichterstattung zu Entscheidungen des Asylge­richtshofes und zum Asylwesen durchaus angebracht und notwendig wäre, schließlich


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 53

sagt auch Eurostat, dass wir in der Europäischen Union an sechster Stelle sind, was die Asylwerber betrifft – auf die Einwohnerzahl bezogen –, und das interessanterweise, obwohl wir keine EU-Außengrenze haben. Und die Anerkennungsrate liegt, wie gesagt, auch über dem Durchschnitt.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung erscheint gerade eine solch vertiefte Betrachtung sehr angebracht, denn schließlich hatten wir bis Oktober gegenüber dem Vorjahr – bei gleich langem Vergleichszeitraum – bei der Zahl der Asylwerber eine Steigerung von 23 Prozent und allein im Oktober des heurigen Jahren gegenüber dem Vergleichsmo­nat des Vorjahres eine Steigerung um 35 Prozent. Die Spitzenreiter der Herkunftslän­der der Asylwerber sind auch da die üblichen: aus Afghanistan 3 497, Russland 2 542 (Bundesrat Konrad: Russland?) – die Russen sind zum überwiegenden Teil Tsche­tschenen –, Pakistan und Syrien, das natürlich eine stark steigende Tendenz aufweist, und zwar mit auch schon 752 Flüchtlingen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Anerkennungsrate bei den Syrern bei 81 Prozent liegt, bei den Afghanen auch noch bei immerhin 39 Prozent.

Es sei aber schon die Frage erlaubt: Kommen die alle mit dem Flugzeug zu uns? Was ist eigentlich mit dem Dublin-Abkommen? – Dazu findet man außer der Zahl, über wie viele entschieden wurde, in diesem Bericht nichts.

Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation in naher Zukunft bessern wird. Ich glaube, die derzeitige politische Lage im Nahen Osten, in Nordafrika verheißt nicht un­bedingt etwas Gutes und lässt einen weiteren Anstieg erwarten. Daher sehe ich da dringenden Handlungsbedarf.

Nicht zuletzt spielt in diesem Zusammenhang – wir werden das ja heute wahrscheinlich noch bei der Diskussion um den Sicherheitsbericht hören – die Kriminalität eine sehr große Rolle. In den letzten fünf Jahren sind allein 40 000 Tatverdächtige Asylwerber gewesen. Und unter den kriminell gewordenen Asylwerbern waren wieder die Afgha­nen und Russen im Spitzenfeld, und gerade bei diesen haben wir eine sehr hohe Aner­kennungsrate.

Ich möchte hier nicht über die Problematik der Unterbringung diskutieren, auch nicht über die Kosten, dazu haben wir noch bei einem anderen Tagesordnungspunkt Gele­genheit.

Meine Damen und Herren! Asyl bedeutet Schutz vor Verfolgung – und das Ganze auf Zeit. Aber dieser klassische Asylwerber, dessen Rechte wir in keiner Weise beschnei­den wollen (Bundesrat Mag. Klug: Wer ist denn das?), hat mittlerweile in Österreich schon Seltenheitswert. Österreich ist ja ein Magnet für Wirtschaftsflüchtlinge geworden. Asyl ist mittlerweile schon gleichbedeutend mit Einwanderung in den Sozialstaat.

Man sollte klar sehen und erkennen, dass es auf der einen Seite Gutredner gibt, die all diese Probleme nicht wahrhaben wollen, und auf der anderen Seite das Empfinden der Öffentlichkeit, die öffentliche Meinung, wo schon die Gefahr besteht, dass auch jene Flüchtlinge, die wirklich Flüchtlinge sind, die den Asylantenstatus verdienen, sozusa­gen mit all jenen in einen Topf geworfen werden, die sich nicht so wohlverhalten in un­serem Land, dass sie mit vorverurteilt werden.

Wenn man das Asylrecht stärken möchte, muss man ganz rigoros mit jenen Kräften verfahren, die eigentlich das Ganze konterkarieren, das heißt, man muss sie umge­hend abschieben, darf ihnen keinen Asylstatus geben, denn die fügen der ganzen Idee des Asyls Schaden zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser Bericht sollte neben vielen anderen Berichten die nötigen Unterlagen dafür lie­fern, eine Beurteilung treffen zu können, die richtigen Maßnahmen für die Zukunft ab­leiten zu können, um das Problem Asyl zu lösen, aber das tut dieser Bericht leider


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 54

nicht. Deswegen können wir ihm in der vorliegenden Form nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


10.46.19

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich bei diesen drei zusammengefassten Tagesordnungspunkten für die sozialdemokratische Bundesrats­fraktion mit einer allgemeinen Bemerkung einsteigen: Für die sozialdemokratische Bundesratsfraktion weise ich den politischen Unterton meines Vorredners von der FPÖ, der da lautete, wieder einmal einen Versuch zu starten, alle Asylwerber als Kri­minelle hinzustellen (Bundesrätin Mühlwerth: Genau das hat er nicht getan!), auf das Schärfste zurück. (Bundesrätin Mühlwerth: Genau das Gegenteil hat er gesagt! – Bun­desrätin Posch-Gruska: Na sicher hat er es getan! – Bundesrätin Mühlwerth: Genau das Gegenteil! Ist ja nicht zum ersten Mal! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit dem Bundesverwaltungsgerichtshof schaffen wir heute unter dem ersten Tagesordnungspunkt sozusagen einen weiteren Meilen­stein einer Verwaltungsstrukturreform. Auf Basis des letzten getätigten Schrittes, näm­lich der Installierung der neun Landesverwaltungsgerichtshöfe, setzen wir jetzt mit der Installierung des Bundesverwaltungsgerichtshofes einen weiteren Meilenstein. Wir set­zen damit einen maßgeblichen Schritt im Bereich der größten Strukturreform der Zwei­ten Republik, auch wenn dies häufig unterbelichtet bleibt.

Keinesfalls möchte ich eine organisationsrechtliche Strukturreform mit einer materiell-rechtlichen verwechseln, wie das zum Teil mein Vorredner gemacht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Bereich des Bundesverwaltungsge­richtshofes heute an sich recht unspektakuläre organisationsrechtliche Schritte zu be­schließen – unspektakulär meines Erachtens allerdings deshalb, weil wir letztlich auf die hervorragende Arbeit, die seit der Installierung des Asylgerichtshofes getätigt wur­de, aufbauen.

Ich sage in diesem Zusammenhang, wir bauen auf die Erfahrungswerte eines neuen Gerichtshofes auf, der mit Herrn Präsidenten Perl eine Erfolgsgeschichte darstellt. Ich sage in diesem Zusammenhang, Stichwort ISO-Zertifizierung, Personalsenate, mo­dernste gerichtsorganisatorische Arbeitsabläufe im Innenverhältnis – alles Erfahrungs­werte, die bei der Vorbereitung der Installierung des Bundesverwaltungsgerichtshofes natürlich sehr gerne herangezogen wurden und die letztlich bei der heutigen Be­schlussfassung Beachtung finden.

Gestatten Sie mir zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3, also den Tätigkeitsberichten für das Jahr 2011 des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes auf der einen Seite und des Asylgerichtshofes auf der anderen Seite, kurz einige allgemeine Bemerkun­gen.

Ich danke im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion für die Erstellung und Übermittlung dieser Berichte. Es liegt im Wesentlichen an uns, die richtigen politi­schen Schlüsse daraus zu ziehen, und zwar im Bereich des Verwaltungsrechts, gege­benenfalls natürlich auch des Verfassungsrechts, aber natürlich auch die Schlüsse, ob wir damals, 2007, 2008, im Bereich des Asylgerichtshofes und des neuen Instanzen­zuges tatsächlich die richtigen Schritte gesetzt haben.

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch dafür – und das haben wir gerne gemeinschaftlich im Verfassungsausschuss diskutiert –, dass in bewährter Form die


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 55

Frau Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes Bierlein anwesend war, der Herr Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofes Thienel und auch der Herr Präsident des Asylgerichtshofes Perl, die uns alle drei mit hoher Kompetenz und einem Informations­gehalt, der seinesgleichen sucht, für Diskussionen zur Verfügung gestanden sind. Mein ausdrücklicher Dank gilt diesen drei Personen. Das hat zum wiederholten Male sehr gut funktioniert. Es liegt an den Bundesrätinnen und Bundesräten, diesen Informations­pool auch in geeigneter Weise zu nutzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der schönsten Eigenschaften der Politikerinnen und Politiker besteht darin, eine gewisse Erwartungshaltung zu erfüllen. Und diese Er­wartungshaltung möchte ich sehr gerne erfüllen, nämlich wenn der eine oder andere Bundesrat erwartet hat, dass ich im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht des Ver­waltungsgerichtshofes zur durchschnittlichen Verfahrensdauer zwei Sätze sage.

Ich habe das schon im Ausschuss und auch in meiner kritischen Analyse zum Tätig­keitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2010 angemerkt, in der wir eine durchschnittliche Verfahrensdauer von 23 Monaten zur Kenntnis nehmen muss­ten. Im Tätigkeitsbericht 2011 tritt deutlich zutage, dass auch in diesem Bereich An­strengungen unternommen wurden, die doch beachtlich längere Verfahrensdauer zu verkürzen, der Schnitt liegt jetzt bei rund 20 Monaten. Ich verhehle nicht, dass man durch die verfassungsmäßigen, legistischen Maßnahmen im Sommer 2011 dem Ver­fassungsgerichtshof auch verfassungsrechtlich entgegengekommen ist, aber ich mei­ne, dass die Schritte in die richtige Richtung gehen.

Setzen wir den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes jenem des Verwal­tungsgerichtshofes gegenüber und betrachten wir mit einem Auge die durchschnittliche Verfahrensdauer – ich möchte nicht, dass zwischen diesen beiden Gerichtshöfen ein sportlicher Wettbewerb entsteht –, so möchte ich doch in diesem Zusammenhang her­vorheben, dass wir auch heute hier sehr wohlwollend zur Kenntnis nehmen – wir ha­ben das auch schon im Ausschuss gemacht –, dass wir im Verfassungsgerichtshof mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von rund acht Monaten eine Verfahrensdauer erreicht haben, mit der wir politisch meines Erachtens sehr zufrieden sein können.

Und damit wir nicht zu allgemein bleiben, möchte ich auch das zweite Auge schärfen, weil wir natürlich aus dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes sehr wohl wissen, dass sich rund 60 Prozent der neuen Fälle auf Asylangelegenheiten beziehen; das ist eine logische Konsequenz aus den Veränderungen der letzten Jahre. Und ge­rade in diesem sehr sensiblen Bereich haben wir eine durchschnittliche Verfahrens­dauer von 60 Tagen, ohne dass die Materien durchgewunken werden, und das spricht an sich wohl auch für eine hohe Qualität.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Ich darf mich im Namen der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion bei allen nichtrich­terlichen und auch richterlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an allen drei Ge­richtshöfen, Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof und auch Asylgerichtshof, für ihre sehr verantwortungsvolle Tätigkeit bedanken.

Ich bedanke mich auch dafür, dass es weitere Bemühungen gibt, dem Rechtsuchen­den innerhalb einer angemessenen Frist mit einer hohen Qualität der inhaltlichen Ent­scheidung den Zugang zum Recht zu ermöglichen.

In diesem Sinne werden wir naturgemäß und gerne zu Tagesordnungspunkt 1 unsere Zustimmung geben und die Berichte der Tagesordnungspunkte 2 und 3 gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 56

10.54.04

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich danke dem Kollegen Klug dafür, dass er den Fokus in dieser Diskussion wieder auf den richtigen Punkt gerichtet hat, nämlich nicht auf eine Asyl- und Ausländerdebatte, sondern auf einen Meilenstein einer Strukturre­form, einer Verwaltungsreform, einer Gerichtsreform.

Es wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Österreich sehr, sehr viele Son­dergerichte, verschiedenste Instanzen – nach Themen oder anderen Dingen – einge­richtet: Sonderbehörden, Gerichte mit eigenen Verfahren, ein Wust, eine Unzahl an verschiedenen Ebenen. Da waren welche mit vielen Berechtigungen dabei, wie die Un­abhängigen Verwaltungssenate oder der Unabhängige Finanzsenat, und es gab eige­ne Instanzen für Vergabe, auch für das Thema Asyl natürlich. Und diese vielen, vielen Sonderbehörden, diese vielen teilweise gerichtsähnlichen Einrichtungen werden mit dieser Reform zusammengeführt, bekommen eine einheitliche Organisationsstruktur, die dann aus neun Landesverwaltungsgerichten, einem Bundesfinanzgericht und ei­nem Bundesverwaltungsgericht besteht.

Es ist das, glauben Sie mir – das kann ich auch als Rechtsanwender in der Praxis, in meinem Beruf sagen –, eine echte Strukturreform, eine echte Erleichterung und ein tol­ler Startschuss auch für eine Entwicklung, die wir jetzt in diesem Bereich gehen, denn wir wissen, wir haben natürlich noch die Verfahrensrechte zu bearbeiten. Auch die Ver­einheitlichung der Verfahrensrechte ist eine sehr große Aufgabe, aber ich bin fest da­von überzeugt, dass auch das möglich sein muss, da diese Reform im Nationalrat ein­stimmig beschlossen wurde und auch heute hier, glaube ich, einstimmig beschlossen wird.

Aus der Sicht des Bundesrates ist auch, finde ich, die Tatsache eine Erwähnung wert, dass das Bundesverwaltungsgericht auch Außenstellen schaffen wird, in Linz, Graz und Innsbruck. Im Zusammenhang mit so mancher Gerichtsreform haben wir ja schon die Diskussion geführt, dass sich die eine oder andere Region unterrepräsentiert fühlt, aber es ist ein gutes Zeichen, dass dieses Bundesverwaltungsgericht allenfalls auch zum Rechtshilfesuchenden kommt und nicht nur der Rechtshilfesuchende zum Gericht eilen muss.

Beim Lesen der Nationalratsprotokolle haben mich, Herr Staatssekretär, das gebe ich offen zu, fast vorweihnachtliche Glücksgefühle ergriffen, als ich festgestellt habe, dass der Abgeordnete Fichtenbauer, ein FPÖ-Abgeordneter, die Worte „legistische Exzel­lenz“ verwendet hat. (Heiterkeit. – Staatssekretär Dr. Ostermayer: Genau!) Aus dem Munde eines FPÖ-Abgeordneten zu einem Vorhaben dieser Bundesregierung (Bun­desrat Mayer: Beachtenswert!) – das habe ich hoch beachtenswert gefunden.

Er hat natürlich recht – das ist keine Kritik an der Freiheitlichen Partei. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Sachlich vollkommen korrekt!)  Vollkommen korrekt. (Bundesrat Krusche: Wir sagen immer nur die Wahrheit!) Er hat hundertprozentig recht.

Frau Kollegin Mühlwerth hat schon gesagt, sie sieht die Dinge kritisch-distanziert. Und wenn sich eine kritisch-distanziert sehende Partei in solchen Worten des Lobes er­gießt, ist das natürlich schon etwas Besonderes. (Bundesrätin Mühlwerth: Das eine schließt ja das andere nicht aus! Ihr kennt immer nur schwarz/weiß, entweder kritisch oder unkritisch!)

Frau Kollegin Mühlwerth, ich kenne mehr Schwarz als Weiß, das gebe ich zu. (Heiter­keit bei der ÖVP.) Ich nehme ja einerseits Ihre Kritik dankbar auf, andererseits sage ich, wenn ein Abgeordneter Ihrer Partei Worte wie „legistische Exzellenz“ in den Mund nimmt, bin ich tief beeindruckt, aber er hat recht. Und es ist ja, um es auf den Punkt zu bringen, etwas Besonderes, eine besondere Leistung der Politik, dass vier Fraktionen in eine Richtung arbeiten – daran sieht man, was geschehen kann, wenn alle an der


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 57

richtigen Seite des Seils ziehen –, da können wir auch große Dinge bewegen, und das ist das Besondere an dieser Reform, die aus der Sicht des Bundesrates föderal ist und eine echte große Struktur- und Verwaltungsreform darstellt.

Ich hoffe, dass das mindestens so laut und so oft lobend erwähnt wird wie jene Kritik, dass die Politik zu wenig tut. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


10.58.25

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seherInnen zu Hause! Mein Vorredner, Kollege Fürlinger, hat schon sehr viel zum Bun­desverwaltungsgericht gesagt. Ich möchte ganz kurz die diesbezügliche Positionierung der Grünen beziehungsweise die Errungenschaften, die wir in Verhandlungen erreicht haben, erwähnen.

Die Grünen haben sich für ein ExpertInnen-Hearing im Parlament eingesetzt und zu der Regierungsvorlage konkrete Änderungswünsche geäußert. Nach intensiven Ver­handlungen haben wir zum Beispiel erreicht, dass die UVP-Prüfung von den Landes­verwaltungsgerichten zum Bundesverwaltungsgericht gehievt wird, damit es ein bun­deseinheitliches Vollzugswesen gibt, auch eine bessere Auslastung und Qualifizierung, wenn das in einem Bundessenat konzentriert ist. Diese Zuständigkeit wurde bis zum Inkrafttreten der Verfassungsnovelle am 1. Jänner 2014 im Verfassungsrang festge­schrieben, um sicherzustellen, dass auch eine andere Regierungsmehrheit nach den Nationalratswahlen 2013 daran gebunden ist.

Weiters haben wir erreicht, dass es keine Einschränkung des Zugangs zum Verwal­tungsgerichtshof außer bei kleinen Verwaltungsstrafen gibt. Auch für Bescheide für ge­ringe Leistungen in Geld oder Geldeswert bleibt der Zugang zum Verwaltungsge­richtshof offen. Die vorgesehene Einschränkung in der Regierungsvorlage wurde auf eine Intervention der Grünen hin gestrichen.

Bei Verwaltungsstrafen wurde die ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Schwelle von 750 € auf 2 000 € auf Intervention der Grünen hin auf 1 500 € reduziert. Der de facto Instanzenzug an den Universitäten war auch eine Forderung der Grünen wie auch die Forderung der Unabhängigkeit der Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichte­rinnen, die Förderung eines leistbaren, effizienten und breiten Rechtsschutzes sowie die Wachsamkeit bei Regelungen, die nicht zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gehören.

Wir werden dem ersten Tagesordnungspunkt sowie allen anderen unsere Zustimmung erteilen.

Zum zweiten Tagesordnungspunkt, zum Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtsho­fes, möchte ich anmerken, dass auf den Seiten 41 und 42 am 31. Dezember 2011 noch offene Fälle angeführt wurden. Das ist dann nach unterschiedlichen Bereichen aufgegliedert, so zum Beispiel Beschwerden nach Artikel 144, hierzu gibt es 826 offene Verfahren; bei Urteilsbeschwerden nach Artikel 144a gibt es 454 offene Verfahren. Ins­gesamt gibt es, wie mein Vorredner schon ausgeführt hat, 1 393 offene Verfahren.

Auf Seite 44 ist die durchschnittliche Verfahrensdauer mit insgesamt 229 Tagen ange­geben. Mein Wunsch oder Appell ist, dass im Bericht des Verfassungsgerichtshofes auch eine Empfehlung an die Politik abgegeben wird, ob Personal benötigt wird und wie sich eine eventuelle Neuaufnahme auf die unterschiedlichen Bereiche und auf die Verfahrensdauer auswirken würde, denn dann könnte man abschätzen, ob zusätzli­ches Personal gebraucht wird oder nicht. Wenn ich mir allerdings diese Zahlen ansehe,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 58

muss ich sagen, liegt die Annahme doch sehr nahe, dass man personell sicher eine Aufstockung benötigen würde, um die Verfahrensdauer zu verkürzen und auch die Qualität zu heben.

Zum dritten Tagesordnungspunkt, zum Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes, möchte ich Folgendes anmerken: Ich werde dem Bericht meine Zustimmung erteilen, aber ich möchte auch kritisch vermerken, dass einige Dinge nicht im Bericht enthalten sind. Ei­nige Fälle der letzten Wochen zeigen, dass russischstämmige Staatsbürger in die Hän­de eines Ramsan Kadyrow abgeschoben werden, dem Kettenhund Russlands, und in Wladimir Putins Macht, und dass diese Leute dann in einem Gulag verschwinden und man nicht mehr weiß, was mit ihnen geschehen ist, oder dass Familienangehörige ver­folgt werden. Das ist doch etwas, das uns zu denken geben sollte, und unterstreicht, dass hier mit äußerster Sensibilität vorgegangen werden muss.

Auf die Argumente, die Kollege Krusche angeführt hat – er hat Kriminalität und Asyl­werber gleichgesetzt, so ähnlich war zumindest der Kontext seines Redebeitrages –, möchte ich bei diesem Tagesordnungspunkt gar nicht näher eingehen, sondern darauf werden wir beim Sicherheitsbericht noch zu sprechen kommen. Ich werde dann versu­chen, diese Argumente mit sachlichen Argumenten zu entkräften, was zwar vielleicht eher nicht auf fruchtbaren Boden fallen wird, aber ich will den Versuch dennoch wagen.

84 Prozent der Asylbeschwerden wurden abgewiesen, 15 Prozent der Beschwerden wurde stattgegeben, ein Rest an Altverfahren ist immer noch vorhanden. Ich kann mich noch sehr gut an die Diskussionen im Ausschuss und auch hier im Plenum vor einem und sogar noch vor zwei Jahren erinnern, als ich hier vorne gestanden bin und gesagt habe: Leute, mit den Ressourcen, die wir da zur Verfügung haben, werden wir es sehr, sehr schwer schaffen, diesen Rucksack mit Altfällen abzubauen. Das löste sehr großes Gelächter aus seitens der SPÖ, auch seitens mancher von der ÖVP. Kollege Kainz stimmte da sehr lautstark mit ein.

Ich möchte nur daran erinnern, dass das, was ich damals angemerkt habe, tatsächlich eingetreten ist: Wir haben nach wie vor einen Rucksack, zwar nicht mehr in der Grö­ßenordnung von damals, aber nichtsdestotrotz stehen hinter diesen Fällen Einzel­schicksale. Und Jahre und Jahrzehnte auf ein Urteil zu warten und in einem luftleeren Raum zu hängen, ist weder für die Betroffenen angenehm noch für die Behörden und die Menschen, die in diesem System arbeiten. 230 Fälle, die sich primär auf 230 Fami­lien beschränken, 500 Einzelfälle, die eigentlich schon 2011 hätten abgebaut werden sollen; von allen seit Gründung des Asylgerichtshofes neu anhängig gewordenen Ver­fahren konnten 70 Prozent abgeschlossen werden, 80 Prozent davon innerhalb eines Jahres, es gibt also zirka 30 Prozent Rückstand.

Ein weiterer Punkt ist die Verfahrensbeschleunigung, wobei der Präsident des Asylge­richtshofes sehr oft davon spricht, dass das auf Kosten der Qualität geht. Wenn man sich ansieht, dass im Jahr 2010 13 Mal Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom VfGH aufgehoben worden sind, 2011 32 Mal und dass sehr viele mit der Rückmeldung gekommen sind, dass zum Beispiel keine Auseinandersetzung mit dem Parteivorbrin­gen stattgefunden hat oder es zu einer völligen Außerachtlassung des Parteivorbrin­gens, einer gehäuften Verkennung der Rechtslage oder zu verfassungswidrigen Inter­essenabwägungen kommt, dann, muss ich sagen, bezweifle ich etwas die Qualität, die da so hochgepriesen wird.

Schaut man sich den Bericht der Volksanwaltschaft von 2011 an, dann sieht man eine Verdreißigfachung der Beschwerden aufgrund einer langen Verfahrensdauer beim Asylgerichtshof. 2009 waren es noch 24 Beschwerden, 2010 schon 222 Beschwerden, 2011 waren es 717 Beschwerden. Und die Volksanwaltschaft stellte 2010 fest, dass die Rechtsmittelverfahren mehrere Jahre unerledigt bleiben. Zumeist wurden in diesen Fällen keine Verfahrensschritte gesetzt. Angesichts dessen ist auch fraglich, wieso der


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 59

Chef des Asylgerichtshofes trotz des offensichtlichen Rückstandes keinerlei Personal­aufstockung fordert. Das ist auch eine Frage, die sich mir stellt, denn letztendlich kön­nen wir, wenn wir Kosten sparen möchten, das unter anderem dadurch erreichen, dass wir die Verfahrensdauer verkürzen.

Nichtsdestotrotz nehme ich den Bericht zur Kenntnis, weil er vollständig ist. Das hat natürlich nichts mit der Asylpolitik, die generell gefahren wird, zu tun. Mit dieser bin ich zum Teil zufrieden. Wir werden allen drei Tagesordnungspunkten unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte.

 


11.07.38

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich beginne damit, dass ich kurz auf die Ausführungen des Herrn Bundesrates Krusche eingehe.

Es gibt Lebensrealitäten, die wir alle oder die meisten – ich nehme an, alle – nicht wol­len. Dazu gehören Armut, Krankheit, Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit bis hin zum Krieg.

Es hilft aber nichts, dass wir, wenn diese Lebensrealitäten in Statistiken aufgezeigt werden, diese Statistiken ablehnen, sondern wir sind gefordert, etwas dagegen zu un­ternehmen. Wir sind gefordert, gegen Arbeitslosigkeit zu kämpfen, gegen Armut anzu­kämpfen, gegen Krankheit anzukämpfen. Herr Bundesminister Stöger, Frau Finanzmi­nisterin Fekter und die Länder haben gerade eine Artikel-15a-Vereinbarung betreffend das Gesundheitswesen geschlossen. Wir sind also aufgefordert, nicht Statistiken, die die Lebensrealitäten abbilden, abzulehnen, sondern etwas gegen Lebensrealitäten, die wir nicht wollen, zu tun. Wir sind aufgefordert, Solidarität zu üben.

Ich möchte – das ist jetzt vielleicht überraschend für einen Sozialdemokraten – ein Zitat von Kardinal Schönborn aus einer heutigen Pressemitteilung bringen. Ich habe es mit­genommen, weil es so beeindruckend ist:

„Wir stehen an einer Weggabelung: Bringen wir die Solidarität auf, zusammen zu bleiben? Oder betreibt man billiges politisches Kleingeldmachen mit neuen Nationalis­men, neuem Schüren von alten Vorurteilen? Dann gehen wir in eine Richtung, die es schon gegeben hat, nämlich zwischen den beiden Weltkriegen. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.“

Ich glaube, das sagt viel. Gerade vor den Weihnachtsfeiertagen ist es eine sehr be­eindruckende Aussage.

Der Asylgerichtshof hat wie die beiden anderen Gerichte, nämlich der Verfassungsge­richtshof und der Verwaltungsgerichtshof, einen Tätigkeitsbericht vorgelegt, natürlich in konsolidierter Form, denn würde jedes einzelne Verfahren sozusagen im Detail darge­stellt werden, wäre das ein Papierwust, den niemand akzeptieren könnte und der wohl auch sofort in die Ablage marschieren würde.

Trotzdem bildet er sozusagen all das, wie ich meine, in sehr umfangreicher und sehr detaillierter Form ab, was der Asylgerichtshof in diesem Jahr, für den er den Bericht gelegt hat, gemacht hat, indem auch einzelne Sachverhaltstypen zusammengefasst sind. Dass der Asylgerichtshof in sehr guter Form organisiert ist, ist, glaube ich, sowohl im Nationalrat als auch hier schon mehrfach besprochen und auch anerkannt worden.

Den riesengroßen Rucksack an Altfällen, den er bei seiner Gründung 2008 übernom­men hat, hat er in sehr vorbildlicher Art und Weise abgearbeitet. Dass es im Einzelfall


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 60

Entscheidungen geben mag, die einen nicht glücklich machen, sei jedem hier zuge­standen. Der Asylgerichtshof handelt, und dafür ist wirklich Herr Präsident Perl, der schon erwähnt wurde, ein Garant. Der Asylgerichtshof ist nach bestem Wissen und Gewissen sehr gut organisiert und arbeitet schlicht und einfach auf Basis der recht­lichen Grundlagen. Wie gut er funktioniert, sieht man auch daran, dass es eine extrem niedrige Zahl an Aufhebungen beim Verfassungsgerichtshof gibt. Das ist, wie ich mei­ne, der beste Beweis. Also ich glaube, eigentlich sollten wir diese Gelegenheit zum An­lass nehmen, den Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten, und insbesondere dem Präsidenten dafür zu danken.

Damit komme ich schon zum sozusagen politisch zukunftsweisenden Punkt, nämlich zur Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wir haben ja nach 26 Jahren des Scheiterns einstimmig eine Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit beschlossen, indem wir festgelegt haben, dass es ein Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanz­gericht und neun Landesverwaltungsgerichte geben soll mit dem Ziel der Verfahrens­beschleunigung, der Rechtsvereinheitlichung und eines starken Anstiegs der Rechts­staatlichkeit.

Jetzt sind wir, nachdem wir das Verfassungsgesetz beschlossen haben, beim Organi­sationsrecht. Ich muss sagen, ich habe mich auch sehr über die lobenden Worte von Herrn Nationalratsabgeordneten Dr. Fichtenbauer gefreut, da ich ihn auch als sehr pro­funden Kenner der Materie und als sehr engagierten Verhandler in der Sache erlebt habe, und zwar sowohl als wir das Verfassungsrecht als auch während wir das Orga­nisationsrecht verhandelt und beschlossen haben. Das tut schon gut.

Der Dank gebührt natürlich allen, die im Vorfeld ganz intensiv daran mitgewirkt haben, Dr. Hesse und dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, meinem Kollegen Dr. Klingenbrunner, Dr. Segala im Büro des Vizekanzlers, insbesondere auch dem Prä­sidenten Perl, der ja mittlerweile auch als Präsident des künftigen Bundesverwaltungs­gerichtes bestellt wurde, und allen Kolleginnen und Kollegen, die dort mitarbeiten. Die­se haben momentan sozusagen eine Doppelaufgabe. Sie haben einerseits die laufen­de Arbeit im Asylgerichtshof zu erledigen, die Verfahren möglichst zügig durchzuführen und andererseits gleichzeitig die Neuordnung, die neue Organisation dieses Bundes­verwaltungsgerichtes vorzubereiten, das dann, wenn es am 1. Jänner 2014 seine Tä­tigkeit aufnehmen wird, das größte Gericht Österreichs sein wird, mit ungefähr 450 Mit­arbeitern und Mitarbeiterinnen, und die Aufgabe haben wird, jährlich etwa 33 000 Fälle zu behandeln, zu bearbeiten und hoffentlich dann auch abzuschließen.

Der nächste Schritt, der jetzt vor uns liegt – im Verfassungsausschuss ist er schon beschlossen –, ist das Verfahrensrecht, das wir ergänzend zum Organisationsrecht zu beschließen haben. Parallel dazu haben wir mehr als hundert Materiengesetze in den verschiedensten Ministerien zu ändern. Ich habe vorgestern in der Ministerratssitzung auch gebeten, dass alle Minister, Ministerinnen darauf schauen, dass wir das recht­zeitig vorbereiten und beschließen. Also das Ziel ist, dass es im Februar, März im Mi­nisterrat und dann in der Folge im März, April im Parlament beschlossen wird.

Wir haben gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft für das neue Gericht ein Gebäude angemietet, das jetzt noch adaptiert werden soll, weil ja sozusagen im Sinne der Effizienz dann alle Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, die quasi im Hauptgebäude arbei­ten, an einer Stelle arbeiten sollen. Es wird daneben drei Außenstellen analog zu den Oberlandesgerichtssprengeln geben. Also wir sind momentan im Zeitplan.

Die Materiengesetze sind noch ein spannender Punkt, bei dem wir auch entsprechend darauf schauen, dass das rechtzeitig durchgeführt wird. Und dann geht es daran, ei­nige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus jenen Abteilungen in den Ministerien, in de­nen bisher diese Tätigkeiten erbracht wurden, in das Bundesverwaltungsgericht zu transferieren und auch entsprechende Neuaufnahmen durchzuführen. Insgesamt bin


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 61

ich sehr guter Hoffnung, dass wir den Zeitplan, der sehr ambitioniert ist – den wir uns ja selbst miteinander gesteckt haben –, den 1. Jänner 2014, einhalten werden.

Ich danke jetzt schon allen, die dann auch zustimmen werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.16


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Kainz. – Bitte.

 


11.16.11

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Tagesordnungs­punkt 1 hat mein Kollege Mag. Klaus Fürlinger schon ausführlich Stellung genommen.

Die Tagesordnungspunkte 2 und 3, die Tätigkeitsberichte der drei Gerichtshöfe, des Verfassungs-, des Verwaltungs- und des Asylgerichtshofes, werden in einem verhan­delt. Natürlich wird die Bundesratsfraktion der Österreichischen Volkspartei zustimmen. Sie nimmt diese drei Berichte sehr wohlwollend zur Kenntnis, verbunden mit dem Dank an die Präsidentinnen und Präsidenten der drei Gerichtshöfe, aber auch an alle Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter der drei Gerichtshöfe, die zweifellos besonders engagiert und hervorragend arbeiten.

Ich möchte hier dennoch auf einige Details und Aspekte eingehen und darf mich zu Be­ginn mit dem Verwaltungsgerichtshof beschäftigen und kurz drei Medienberichte zitie­ren.

Gemeinde Rum in Tirol:

„Ausschuss beschließt Gang vor das Höchstgericht

Gemeinde möchte UVP“ – Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren – „nun vor dem Verwaltungsgerichtshof erzwingen. 

,Auch wenn die gesetzliche Regelung gegen uns spricht, werden wir vor dem Verwal­tungs- bzw. Verfassungsgerichtshof Beschwerde einlegen. Uns geht es hier um ein Feststellungsverfahren ‘, betont der Amtsleiter der Marktgemeinde Rum“.

Oder:

„Kabelkämpfer geben nicht auf

Eugendorf und Koppl wollen bis zur letzten Instanz für eine Teilverkabelung der 380 kV-Leitung kämpfen. 

,Wir gehen sicher durch alle Instanzen bis zum Verwaltungsgerichtshof‘, stellt etwa Bgm. Rupert Reischl aus Koppl klar.“

Oder ein ganz anderer Bericht, eine ganz andere Thematik, jetzt im Sinne der reich ge­deckten Gabentische zu Weihnachten besonders aktuell, nämlich:

„Sieg der Gerechtigkeit

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt: Hummer mit gefesselten Scheren im kahlen Aquarium zusammengepfercht lebend aufzubewahren, ist Tierquälerei!“

Und da schreibt die Presse: „Das Urteil ist richtungsweisend!“

Somit kann ich nur alle Österreicherinnen und Österreicher dazu einladen, für den Ga­bentisch in den kommenden Tagen Produkte aus der heimischen Landwirtschaft zu kaufen. Dann ist dieses Thema auch vom Tisch.

Aber was zeigen diese drei Berichte? – Sie zeigen, wie breit die Palette des Verwal­tungsgerichtshofes bei Entscheidungen ist und was letztendlich die Bürger bewegt.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 62

Die Bürger sehnen sich natürlich nach Rechtssicherheit. Voraussetzung sind zum ei­nen die Gesetze, aber vor allem auch die Gerichte und die außerordentlichen Rechts­mittel. Und der Oberste Gerichtshof und die Höchstgerichte genießen zu Recht einen hohen Stellenwert und großes Vertrauen.

Der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtshof sind Höchstgerichte und unverzicht­bare Instanzen.

Die österreichische Bundesverfassung kennt drei Staatsfunktionen: Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Und der Verwaltungsgerichtshof befasst sich mit Fra­gen des Apothekenwesens, des Arbeitnehmerschutzes, des Baurechts, der Sozialver­sicherung, des Steuerrechts bis hin zum Zivildienst. Ich hoffe, es wird auch nach dem 20. Jänner Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes sein, sich mit dem Thema Zivil­dienst zu beschäftigen. Hier nur ein kleiner Sidestep für die bevorstehende Bürgerbe­fragung, denn ich glaube, dass der Zivildienst nicht nur beim Verfassungsgerichtshof gut aufgehoben ist, sondern dass der Zivildienst eine unverzichtbare Einrichtung des Sozialstaates Österreich ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu nur eine Zahl aus meiner Heimat: In der Bezirksstelle des Roten Kreuzes in Ba­den sind 24 Zivildiener beschäftigt. Wir wissen, dass 70 bis 80 Prozent dieser hervorra­genden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem natürlich Mitarbeiter im Zivildienst­bereich  (Bundesrätin Posch-Gruska: Wie passt das mit dem Tagesordnungspunkt zusammen?) – Das passt schon zusammen, weil der Zivildienst den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof beschäftigt, deswegen passt das, glaube ich, hervorragend zu­sammen. Ich denke, es ist Aufgabe der Politik, Verhandlungsgegenstände hier an die­sem Rednerpult so darzustellen, dass man draußen weiß, wovon man spricht, und das zu tun versuche ich gerade. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen, wie gesagt, dass 70 Prozent bis 80 Prozent der Zivildienstleistenden drei bis vier Jahre länger an einer Rot-Kreuz-Dienststelle Dienst versehen. Deswegen hoffe ich, dass der Verwaltungsgerichtshof auch weiterhin damit beschäftigt sein wird. Von den finanziellen Aspekten bei Abschaffung des Zivildienstes möchte ich gar nicht re­den. Allein in meiner Heimatgemeinde Pfaffstätten würde der derzeit bei 28 000 € lie­gende Rettungsdienst-Beitrag laut Hochrechnung auf zirka 140 000 € steigen.

Zurück zum eigentlichen Bericht: Im Berichtsjahr wurden insgesamt 8 238 Rechtssa­chen bearbeitet und natürlich auch einiges aus früheren Jahren aufgearbeitet. Es ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr zu vermerken. Es wurden von insgesamt 1 925 Beschwerdesachen mit aufschiebender Wirkung 69 Fälle zuerkannt.

Ich denke, ein Beispiel dafür, dass man auch in der täglichen Arbeit in den österrei­chischen Gemeinden mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes sehr gut umgehen und arbeiten kann, ist ein Erkenntnis vom 9. November 2011 betreffend das Baurecht, in dem eindeutig festgestellt wird, dass der Lärm in Kindergärten und auf den dazu gehörenden Flächen im Freien zulässig ist und daher letztendlich keine Ein­schränkung darstellt.

Das sind zwei Beispiele aus der Praxis, die aufzeigen, dass der Verwaltungsgerichts­hof nicht nur hervorragende Arbeit leistet und Rechtsprechungen durchführt, sondern dass man daraus auch in der täglichen Arbeit etwas mitnehmen kann. Das heißt, wir kauen Rechtsfälle nicht immer wieder, sondern wir beziehen uns auch in der täglichen Arbeit letztendlich auf die entsprechenden Erkenntnisse.

Ähnliches gilt für den Verfassungsgerichtshof, der auch eines der drei Höchstgerichte darstellt und Hüter der Verfassung ist. Auch für diesen sind die Aufgaben ganz klar de­finiert, etwa die Anfechtung von Wahlen, Volksbegehren und Volksabstimmungen. Ge­nauso interessant ist, dass der Verfassungsgerichtshof als einzige Einrichtung in der Republik bereits erworbene Mandate wieder entziehen kann wegen zum Beispiel län-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 63

gerer Nichtanwesenheit hier im Parlament. Aber das trifft ja auf die Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates und auch des Nationalrates zum Glück nicht zu, weil wir alle versuchen, unseren Aufgaben sehr engagiert nachzukommen.

Vielleicht noch zwei, drei Eckzahlen, aus denen man sehr schön ableiten kann, mit welch großer Menge auch dieser Gerichtshof zu tun hat und wie er versucht, die Quan­tität zu bewältigen und in einer sehr, sehr hohen Qualität abzuarbeiten. 4 400 neu an­hängig gewordene Verfahren sowie 2 606 aus den Vorjahren übernommene Verfahren stehen insgesamt 5 613 abgelaufenen Verfahren gegenüber. Die durchschnittliche Ver­fahrensdauer beträgt acht Monate, die Zahl der Erledigungen ist im Steigen begriffen – insofern eine wirkliche Erfolgsbilanz, die der Verfassungsgerichtshof hier legt. Wir neh­men diesen Bericht natürlich gerne zur Kenntnis.

Ich komme auf den dritten Gerichtshof, nämlich den Asylgerichtshof zu sprechen. Auch mit diesem Bericht haben sich meine Vorredner aus den unterschiedlichen politischen Grundlagen heraus bereits intensiv beschäftigt. Ich glaube, ich brauche nicht zu erwäh­nen – erwähne es aber natürlich immer wieder –, dass Österreich auf seine Asyltradi­tion zu Recht stolz sein kann. Ich denke, dass wir den Asylsuchenden gegenüber ver­pflichtet sind, ihnen ein ordnungsgemäßes, gutes, verlässliches Asylverfahren zu ge­währleisten.

Mit der Installierung des Asylgerichtshofes im Dezember 2007 und mit der Inbetrieb­nahme mit Juli 2008 sind wir wirklich einen guten Schritt weitergekommen, um auch schnellere Verfahren durchzuführen, die Verfahren auf das erstinstanzliche Verfahren aufzubauen. Deshalb nehmen wir natürlich auch diesen Bericht zur Kenntnis.

Ich möchte aber die Asylgerichtshof-Diskussion nicht beenden, ohne auch einen Satz zur Situation in Traiskirchen zu sagen, weil das meine unmittelbare Nachbargemeinde ist. Ich denke, dass die Ergebnisse des Asylgipfels ein sehr gutes Ergebnis sind, dass die Last, die wir in diesem Bezirk und in der Stadt Traiskirchen tragen, jetzt auf alle Bundesländer aufgeteilt ist und dass das Traiskirchen auch wirklich entlastet hat.

Das ist auch ein Schritt, der aufzeigt, dass die Zusammenarbeit unter den Bundeslän­dern – auch wenn Landeshauptmann Erwin Pröll den richtigen Anstoß gegeben und Dynamik in diesen Prozess gebracht hat – sehr, sehr gut ist. Ich hoffe, dass diese Ent­lastung weiterhin aufrecht bleibt.

In diesem Sinne nehmen wir alle drei Berichte der Gerichtshöfe gerne zur Kenntnis. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates beziehungs­weise die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesverwaltungsgerichtsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsge­richtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, die ge­genständlichen Berichte zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 64

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Asylgerichtsho­fes für das Jahr 2011.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.26.584. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz und das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geän­dert werden (2130/A und 2063 d.B. sowie 8836/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.27.15

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ent­schädigungsfondsgesetz und das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


11.28.04

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin, gospa president! Herr Staatssekretär, gospod državni sekretar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher zu Hause! Drage gledálke in gledálci doma! Erlauben Sie mir, dass ich gerade bei diesem Tagesordnungspunkt ein dunkles Kapitel in unserer Ge­schichte unseres Landes anspreche, weil gerade deswegen dieser und diverse andere Fonds installiert worden sind. Das Unrecht, die Angst, das Leid, die Demütigungen, die die Menschen damals ertragen mussten, sind für jemanden wie mich, die später ge­boren worden ist, nicht nachvollziehbar und auch nicht verständlich.

Ich glaube, es ist sehr wichtig: Wir müssen hinschauen, wir müssen erzählen lassen und wir müssen auch weitererzählen, auch wenn es schmerzt und uns betroffen macht. Ich glaube auch, wir dürfen nicht ausweichen, sondern müssen uns der Vergangenheit stellen und das Wissen darüber weitertragen, denn die Auseinandersetzung mit unse­rer Geschichte muss Gedenken, aber auch Mahnung sein, muss Lernprozess sein und muss uns Orientierung für die Zukunft geben, eine Orientierung in eine offene Welt, in der Demokratie und Grundrechte oberstes Gebot sein sollen.

Wir müssen aus der Geschichte lernen, dass das, was passiert ist, nicht mehr passiert. So fängt mein Vater immer an zu erzählen – mit einer gebrochenen Stimme, weil er das, was er ertragen musste, noch nicht aufgearbeitet hat. Meine Familie ist eine von diesen 300 Familien, die im April vor 70 Jahren Haus und Hof verlassen mussten und


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 65

ins Lager deportiert wurden. Erbarmen gab es keines, Rücksicht wurde nicht genom­men, nicht auf alte Menschen, nicht auf Kinder und nicht auf kranke Menschen. Diese Menschen wurden verfolgt und deportiert, weil sie aufrecht waren und weil sie sich nicht verdrehen lassen wollten. Sie zählten sich zur slowenischen Volksgruppe und widersetzten sich der brutalen Germanisierung durch die Nationalsozialisten. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Grundhaltung möchte ich meinen tiefen Respekt aus­sprechen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Das Sich-Befassen mit der Geschichte ist oft ein Prozess, der sehr langsam vor sich geht. Österreich hat eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern des Natio­nalsozialismus. Durch die Einrichtung der diversen Fonds, insbesondere des Entschä­digungsfonds, ist Bewegung, ist ein Umdenken erkennbar. Ich glaube, es ist wichtig und richtig, dass dieser Entschädigungsfonds eingerichtet worden ist. Mit Hilfe dieses Entschädigungsfonds, durch den 210 Millionen US-Dollar zur Verfügung stehen, wird versucht, das Unrecht an den Opfern des Nationalsozialismus, und zwar – und das be­tone ich – als symbolische Geste und niemals als Entschädigung beziehungsweise als Ausgleich, aufzuarbeiten.

Es sind 20 720 Anträge auf Entschädigung beim Antragskomitee eingelangt, davon werden noch zirka 1 990 Anträge bearbeitet. Die Schiedsinstanz, die für Naturalrestitu­tionen zuständig und im Fonds eingerichtet worden ist, hat von insgesamt 2 251 einge­gangenen Anträgen noch 750 in Bearbeitung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Novelle zum Entschädigungsfondsgesetz wer­den die rechtlichen Voraussetzungen für die Beendigung der Arbeit des Entschädi­gungsfonds geschaffen. Der Fonds soll seine Arbeit Ende 2015 beenden und die Schiedsinstanz ihre im Jahr 2018. Danach soll ein Schlussbericht erstellt werden, der detailliert und transparent sein sollte und dem Hauptausschuss des Nationalrates zur Kenntnis gebracht werden soll.

Das Auflösen des Fonds, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet aber nicht das En­de des Gedenkens, heißt nicht, aufzuhören zu mahnen, damit solch eine Zeit nicht mehr wiederkehrt.

Erlauben Sie mir, zum Schluss allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken. Sie haben eine tolle und eine, wie ich glaube, für die Opfer des Nationalsozialismus, aber auch für Österreich wichtige Arbeit geleistet.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


11.35.14

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sport würde man sagen: Das Ziel ist erreicht! Und tatsächlich liegt eine Rekordleistung hinter uns. Über 20 000 Anträge sind bearbeitet und fast 210 Millionen Dollar sind ausbezahlt.

Die Zahlungen aus dem Entschädigungsfonds sind mehr als eine Geste. Der Entschä­digungsfonds ist ein moralisches Wahrzeichen, er ist Ausdruck unserer Bereitschaft, erstens Unrecht einzugestehen, zweitens Verantwortung für die Opfer zu übernehmen und drittens aus dem Leid und der Katastrophe des Nazi-Regimes die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fonds macht uns zu überzeugten Demokraten, mit diesem Fonds präsentieren wir der Welt unser Herz!


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 66

Im Jahr 2001 hat die österreichische Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel die Basis für den Entschädigungsfonds gelegt, mit dem Washingtoner Abkommen wurde das Fundament für den Entschädigungsfonds gesetzt. Der amerikanische Chefver­handler Stuart Eizenstat hat damals gesagt, dass er das Washingtoner Abkommen als eine Wasserscheide in der neuen österreichischen Geschichte sieht.

Im „Standard“-Interview vom 6. September 2010 führte Stuart Eizenstat aus: „Öster­reich kann sehr stolz auf sich sein. Es ging bei diesen Verhandlungen nicht nur um Geld, sondern um die Beurteilung der eigenen Geschichte. () Die österreichischen Verhandler“ – unter der Regierung Schüssel – „waren unglaublich engagiert, es gab weniger Konflikte als mit Deutschland oder der Schweiz. ()

Die meisten Länder waren dagegen, und erst Österreichs Verhandler () brach das Eis. Dass es gerade Österreich war, beschämte die anderen.“

Zusammenfassend hält Stuart Eizenstat fest: „Historiker werden sagen, Österreich hat sehr viel getan.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Novelle wird die Arbeit des Ent­schädigungsfonds beendet, die restlichen Mittel stehen aber weiterhin für das Geden­ken, für die Versöhnung und für die Unterstützung der Opfer zur Verfügung. Das rest­liche Geld fließt in Sozialprojekte, in die Sanierung jüdischer Friedhöfe, in Schul­projekte und auch in die Neugestaltung des Österreich-Pavillons in der Gedenkstätte Auschwitz.

Österreich hat gelernt, und Österreich hat auch sehr viel getan. Das ist die Erfolgs­bilanz, die positive Bilanz, die wir heute mit dem Entschädigungsfonds Österreich, un­serer Geschichte und der Welt vorlegen können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.39.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die Einrichtung des Nationalfonds war historisch wichtig, enorm wichtig, hat gleichzei­tig auch eine historische Logik, und ich glaube, diese historische Logik hier noch ein­mal festzuhalten ist ganz wichtig.

Manchmal bei Gedenkveranstaltungen wird gehandelt nach dem Motto: 1938 kamen die Nazis, und 1945 waren sie wieder weg!, so als ob es irgendwelche Außerirdischen gewesen wären, die gelandet sind, ihr Unwesen getrieben haben und dann wieder ver­schwunden sind. Das halte ich für einen hochproblematischen Umgang mit unserer Vergangenheit, weil ja das, worauf der Nationalsozialismus fußte, in einem erheblichen Ausmaß bereits vorhanden war – bei den unterschiedlichen Opfergruppen natürlich in unterschiedlicher Form – und auch danach nicht verschwand.

Der Antisemitismus ist in Wien bekannterweise von Dr. Karl Lueger salonfähig ge­macht worden. Opfergruppen, die zwischen 1938 und 1945 in Konzentrationslager de­portiert worden sind, wurden aufgrund von Paragrafen verurteilt, die es davor und auch danach zum Teil noch gab. Ich nehme zum Beispiel die Opfergruppe der Homosexuel­len, die aufgrund des § 129 Abs. 1b verurteilt worden sind. Diesen Paragrafen hat es schon in der Monarchie und in der Ersten Republik gegeben, und es gab ihn im Na­tionalsozialismus, mit dem fürchterlichen Aspekt, dass auch Konzentrationslager droh­ten – das gab es davor und danach nicht –; diesen Paragrafen gab es in Österreich aber noch bis 1971, und das ist leider ein Faktum, das hierzulande sehr wenig bekannt ist. Es wurden auch in den späten vierziger Jahren und in den fünfziger Jahren noch Menschen aufgrund dieses Paragrafen ins Gefängnis geschickt, weil sie in der NS-Zeit dazu verurteilt worden sind – und nicht selten waren es dieselben Richter.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 67

Die Aufarbeitung war natürlich geprägt von Verdrängung. Man hatte teilweise nach dem Krieg auch anderes zu tun, das möchte ich jetzt gar nicht einmal verurteilen, hatte zu tun mit Konzentration auf andere Aspekte, hatte zu tun mit Verdrängung, aber auch Verschweigen. Diese Verdrängung und dieses Verschweigen gab es nicht nur bei den Tätern und Täterinnen. Es gibt tolle Romane, in denen man nachlesen kann, wie zum Beispiel in jüdischen Familien das Leid, das Trauma, das man erfahren hat, nicht er­zählt worden ist, weil man sich auf etwas anderes konzentrieren wollte, weil man neu aufbauen wollte und weil man sich nicht unbedingt an eine so schreckliche Zeit zu­rückerinnern wollte. Daher ist es auch kein Zufall, dass erst eine Generation bezie­hungsweise zwei Generationen später plötzlich Fragen gestellt worden sind.

Ich gehöre ja eigentlich zu dieser Generation, und ich kann mich noch genau erinnern, dass in unserer Schule der Nationalsozialismus überhaupt nicht besprochen worden ist; dann kam im Jahr 1986 die Kandidatur Kurt Waldheims, dann kam das Gedenk­jahr 1988 – und plötzlich war es ein Thema. Ich hatte zum Glück sehr engagierte Lehrer und Lehrerinnen und einen super Schuldirektor in Bad Ischl, wo wir das sehr gut aufgearbeitet haben, und plötzlich stellten wir Fragen – nicht nur wir, viele Leute stell­ten Fragen.

Warum ist dieses Bild, das bei meiner Großmutter hing, jetzt eigentlich im Museum? Warum gehört dieses Zinshaus, das einmal einem Großonkel gehört hat, nicht mehr meinem Großonkel? Warum ist es eigentlich nicht mehr in der Familie? – Diese Fragen wurden vorher de facto nicht gestellt. Das meine ich mit der historischen Logik, dass durch die historische Logik eben zum Beispiel das Washingtoner Abkommen entstan­den und aus dieser historischen Logik der Nationalfonds eingerichtet worden ist.

Nachdem der Nationalfonds so viele Jahre gearbeitet hat, beschließen wir heute – wie es im Juristenjargon etwas grauslich heißt – die Endabwicklung des Nationalfonds. Das ist für uns – und das möchte ich im Namen aller Grünen sagen – ein Anlass, uns beim Team rund um Hannah Lessing und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Nationalfonds wirklich herzlichst zu bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Bei jedem Gesetz darf man auch etwas kritisch sehen, das ist bei diesem Gesetz auch so, wir werden aber zustimmen. Etwas, was wir durchaus kritisch sehen, sind die Ver­jährungsfristen. Es gibt Erfahrungen aus anderen Fonds, wo wir der Meinung sind, dass gerade in diesem Fall Verjährungen höchst problematisch sind.

Zu guter Letzt: Wir haben ja sehr viele Fonds in Österreich. Es gibt den Zukunftsfonds, den Nationalfonds, den Kunst-Restitutionsfonds, den Härteausgleichsfonds und so wei­ter. Es ist natürlich sehr oft so, dass irgendwann sehr viele Strukturen entstehen, die dann plötzlich so eine Macht des Faktischen darstellen, und wir sollten schon auch ei­ne Diskussion darüber beginnen, ob gewisse Fonds und gewisse Strukturen nicht zu­sammenlegbar sind, wo man das Arbeiten an Erinnerung, die Arbeit des Gedenkens und so weiter verortet. Das ist eine Frage, die in diesem Initiativantrag, der im National­rat gestellt worden ist, noch nicht ausreichend beantwortet ist. Diese Diskussion müs­sen wir führen, aber alles in allem werden wir dem gerne zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

11.45


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 68

Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit ange­nommen.

11.46.015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden (2136/A und 2058 d.B. sowie 8837/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


11.46.18

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Be­zügen öffentlicher Funktionäre und das Bundesbezügegesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen daher zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 69

11.48.226. Punkt

Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend KOM (2011) 897 endg. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ments und des Rates über die Konzessionsvergabe (67819/EU XXIV. GP sowie 8881/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Ich bitte um den Bericht.

 


11.48.42

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des EU-Ausschusses über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e Bundes-Verfassungsgesetz be­treffend KOM (2011) 897 endgültiger Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe.

Der Bericht und der Entschließungsantrag liegen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der EU-Ausschuss stellt nach Beratung des Vorhabens im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG am 19. Dezember 2012 den Antrag, der Bundesrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Entschließung anneh­men.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


11.49.27

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Konzessionsrichtlinie hat der EU-Ausschuss am 1. Februar 2012 einstimmig eine sogenannte Subsidiaritäts­rüge nach Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz erteilt. In dieser Rüge wurde auch betont, dass der Vorschlag insbesondere das Recht auf kommunale Selbstverwaltung unterlaufe, zu dessen Achtung sich die Europäische Kommission in den geltenden Ver­trägen entsprechend bekannt hat. Außerdem entsteht durch diesen Vorschlag ein Liberalisierungsdruck in Bereichen der Daseinsvorsorge, die nicht mit anderen Wirt­schaftsbereichen vergleichbar sind.

Der EU-Ausschuss hat wie gesagt in dieser Angelegenheit seinen Auftrag, Richtlinien und Verordnungen der EU auf Subsidiaritätskriterien zu prüfen, im vollen Umfang und rechtzeitig – und das ist entscheidend – im Rahmen der Begutachtungsfrist von acht Wochen wahrgenommen. Wenn man diese Diskussion verfolgt, die jetzt durch Berichte im „Standard“ wieder aufgeflammt ist, wo geschrieben wird – ich lasse das unkommen­tiert –: „Wiener Rote gegen Brüsseler Privatisierungsversuche“, „Vorschlag der EU-Kommission bringt Wiener Rote auf die Palme, ein Bürgerbegehren dazu läuft“, dann muss man schon sagen, das ist ein Thema, das uns alle betrifft.

Wasser ist Leben, und ich denke, man kann sagen, dass wir uns parteiübergreifend für diese Materie, für diesen Bodenschatz, den es aus österreichischer Sicht auch zu ver­teidigen gilt, sehr, sehr intensiv einsetzen.

Wir sind aber dankbar, dass die Diskussion wieder angefacht wurde, weil der Bundes­rat in dieser Materie sehr aktiv ist. Kommissar Michel Barnier hat sich in einem Ant­wortschreiben im „Standard“ unter dem Titel „Brüssel, Wien und der Kampf ums Was­ser“ wiederum dazu geäußert.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 70

Wir werden versuchen, Kommissar Michel Barnier auch in den EU-Ausschuss einzu­laden, um eine direkte Stellungnahme zu bekommen, denn ich denke, der EU-Aus­schuss hat in dieser Angelegenheit bisher sehr, sehr professionell – und da wird mir auch Kollege Schennach recht geben – gehandelt.

Wir haben schon im Februar festgestellt, dass eine Umsetzung des Vorschlages er­hebliche Auswirkungen auf die Strukturen kommunaler Aufgabenerbringung – vor al­lem im Bereich der kommunalen Wasserwirtschaft – haben könnte. Gerade in Öster­reich ist es üblich, dass Angelegenheiten der Wasserversorgung von den Kommunen, von den Gemeinden, aber auch von Kooperationen und natürlich auch von Gemeinde­verbänden wahrgenommen werden.

Der EU-Ausschuss hat auch die Befürchtung geäußert, dass die EU mit dem Richt­linienvorschlag ihren Plan, den Wasserbereich zumindest teilweise zu liberalisieren, weiter verfolgt. Für eine direkte Marktöffnung fehlt zwar nach wie vor der politische Wille in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament, genutzt wird daher das Instrument des Wettbewerbs und insbesondere des Vergaberechts. Schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarktes, wie auch immer wieder behauptet wird, sowie ein Mangel an Rechtssicherheit und eine Abschottung der Märkte werden von der Kom­mission in der Begründung des Rechtsaktes lediglich behauptet, aber nicht belegt.

Wir haben nach mehr als acht Monaten von der Europäischen Kommission ein Ant­wortschreiben auf unsere begründete Stellungnahme erhalten, unterzeichnet von Vize­präsidenten Šefcovic, das natürlich nicht zu unserer Zufriedenheit ausgefallen ist. Es gibt ein weiteres Schreiben der Europäischen Kommission an verschiedene NGOs, in dem einfach diese Befürchtungen noch einmal bestätigt werden und aus dem sich er­gibt, dass es zu einer Privatisierung der Wasserversorgung kommen soll.

Aus diesem Grund hat sich der EU-Ausschuss am 30. Oktober neuerlich mit dieser Materie befasst und nochmals eine Stellungnahme nach Brüssel geschickt – eine Mit­teilung, wie es richtig heißt –, um eine umfassende Überprüfung der tatsächlichen Not­wendigkeit des Vorschlages sowie auf dessen Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritäts­prinzip und dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung anzuregen.

Wir alle wissen, die Struktur der kommunalen Wasserversorgung in Österreich hat sich über viele Jahrzehnte bewährt und garantiert die zuverlässige Belieferung der österrei­chischen Bürgerinnen und Bürger mit hochwertigem und vor allem mit leistbarem Trink­wasser. Die Wasserqualität wird ständig überwacht und ist nachgewiesen flächende­ckend sehr hoch. Eine Liberalisierung des Wassersektors, die die Wasserversorgung allein den Regeln des Marktes unterwirft und dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge entzieht, ist im Interesse des Allgemeinwohls und des Ressourcen­schutzes entschieden abzulehnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin­nen Michalke und Kerschbaum.) – Ja, da kann man applaudieren!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gesagt, Wasser ist Leben. Der Wassersek­tor ist auch durch Ortsnähe gekennzeichnet und eine klassische kommunale Aufgabe. So besteht zum Beispiel im Fall der Wasserversorgung bei einer bloßen Ausrichtung auf wirtschaftlichen Erfolg die Gefahr, dass der Ressourcenschutz, die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten sowie – und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt – die In­standhaltung und Erneuerung der Leistungsnetze und Speicheranlagen in den Hinter­grund treten.

Der Bundesrat lehnt die Pläne der Europäischen Kommission, die Trinkwasserversor­gung in Europa für den Wettbewerb für Private zu öffnen, aus diesen Gründen ganz klar ab. Die sichere Bereitstellung von sauberem und leistbarem Trinkwasser hat eine herausragende Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit und ist daher eine kommu­nale Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge, die auch von der öffentlichen Hand bestens


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 71

erfüllt werden kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.) Da sind wir auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Wien einer Meinung, die sich jetzt ganz klar dagegen ausgesprochen haben.

Der Bundesrat hat sich wie gesagt intensiv mit dieser Materie auseinandergesetzt, und wir fordern deshalb in diesem vorliegenden Entschließungsantrag die österreichische Bundesregierung auf, sich weiterhin intensiv – ich betone das bewusst – gegen eine Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Trinkwasserversorgung einzuset­zen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei Bundesräten der FPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.)

11.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


11.56.51

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir können es viel­leicht mit einem Satz zusammenfassen: Wir alle als Bürger und Bürgerinnen einer Ge­meinde sind es gewohnt, eine Wassergebühr zu bezahlen. Wenn aber statt der Was­sergebühr ein Wasserpreis kommt, dann hat sich die Versorgung mit einer kommu­nalen Dienstleistung zu einem Handelsgut gewandelt.

Für eine kommunale Dienstleistung zahle ich nämlich eine Gebühr; wenn etwas auf dem freien Markt gehandelt wird, gibt es einen Preis – einen Preis, wie es ihn zum Bei­spiel für Strom gibt, wie es ihn für Erdöl oder für andere Handelsgüter gibt. Deshalb tritt der Bundesrat mittlerweile seit über einem Jahr so entschieden und auch geschlos­sen – da kann ich die Worte von Edgar Mayer nur unterstreichen –, gemeinsam mit dem Städtebund, gemeinsam mit dem Gemeindebund und auch den Ländern auf, um genau das abzuwehren.

Liebe Frau Kollegin Mühlwerth! Bei aller Wertschätzung für die EU bedarf es manch­mal klarer Worte, etwa wenn es darum geht, in diesem neoliberalen Geist zu privati­sieren, wo Privatisierung keinen Platz hat, nämlich dort, wo es um soziale Dienstleis­tungen geht, und dort, wo es um kommunale Grundversorgung geht.

Es hat sich jetzt am Thema Wasser entzündet, aber da ist die Kommission selbst schuld. Sie hat uns auf die Subsidiaritätsrüge des Bundesrates nämlich in vielen Punk­ten recht gegeben und eingelenkt, aber geschrieben: beim Wasser nicht. Der Vertreter der Kommission hat gestern bei uns im Ausschuss noch gesagt, es gehe nur um Transparenz. – Die Taten, die die Kommission derzeit setzt, zeigen bereits, dass das die Unwahrheit ist, etwa wenn die Kommission heute, in diesen Wochen die von der Krise geschüttelten Staaten Griechenland und Portugal zwingt – zwingt!, das ist keine Frage der freien Entscheidung mehr –, ihre privaten Trinkwasserversorgungen zu ver­kaufen, sie zwingt, das Wasser von Athen zu verkaufen, das Wasser von Saloniki zu verkaufen, die Águas de Portugal zu verkaufen.

Das zeigt, dass durch eine Verschleierung – dadurch, dass gesagt wird, es gehe um Transparenz, nur um Transparenz – in Wirklichkeit durch die Hintertüre diese Form der Privatisierung im kommunalen Dienstleistungssektor einziehen soll. Hier sagen wir entschieden: Aus, nein! Hier werden wir uns wehren, und wir haben das in den letzten Wochen und Monaten entschieden getan. Ich freue mich, dass mittlerweile auch an­dere sich diesem Protest anschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Was bedeutet denn die Konzessionierung künftig? – Die Konzessionierung bisher funk­tionierender Systeme auszuschreiben, bedeutet eigentlich, die Auftragsvergabe auch einzuschränken. Die Städte und Gemeinden in Österreich sind nach wie vor der wich­tigste öffentliche, kommunale Dienstleister, und die Städte und Gemeinden in Öster-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 72

reich sind die, die in erster Linie kommunale Nachfrage für die Klein- und Mittelbetrie­be, dadurch zweitens Arbeitsplätze und drittens effiziente Maßnahmen gegen konjunk­turelle Einbrüche schaffen. Diese Möglichkeiten will man den Gemeinden jetzt nehmen.

Kommissar Barnier sagt selbst, er muss mittlerweile zugeben, dass das Expertenteam, das ihn berät, aus Konzernetagen großer Konzerne stammt. Er selbst sagt wörtlich: Wenn Sie es so wollen, gebe ich Ihnen recht, unsere Expertengruppe könnte ausgegli­chener besetzt sein. Das sagt der Kommissar selbst! Wer sitzt denn da drin? – Thames Water, Veolia, RWE und Gelsenwasser. Das sind Großkonzerne!

Wenn Sie sich das heute in Frankreich anschauen, wo ein Medienkonzern die Abwas­sersysteme aufkauft – aber nicht, um das Abwasser ordentlich für die Kommunen zu entsorgen, sondern um einen Abschreibungsposten zu haben, um andere Gewinne des Unternehmens gegenzurechnen! –, dann ist das etwas, was zeigt: Das kann ein­fach nicht gutgehen. Hier geht es um andere Interessen.

In diesem Geist – dieser Geist ist ja nicht neu, liebe Kollegen und Kolleginnen – wur­den in den neunziger Jahren Trinkwassersysteme privatisiert. Grenoble – Barnier sollte es wissen, er kommt aus dieser Stadt – hat sein Trinkwassersystem verkauft. Es funk­tioniert nicht. Jetzt kauft die Stadt Grenoble es zurück und hat 170 Millionen € an De­fizit durch den Rückkauf zu erleiden.

Die Stadt Berlin hat unter einer anderen Regierung als der derzeitigen ihr Trinkwasser verkauft und kauft derzeit mit enormen Verlusten zurück. 40 Kommunen, große Städte in Europa, kaufen derzeit ihr Wasser zurück. Genau in dem Moment kommt die Kom­mission und unterläuft das! Sie würde jetzt genau die Situation in Berlin unterlaufen.

Nehmen wir noch zwei andere Städte: London und Bordeaux. Verkauftes Trinkwasser! Die Trinkwasserqualität in London und in Bordeaux ist mittlerweile auf den Hund ge­kommen: verschmutzt, bakteriell verseucht, und die Hygiene nicht eingehalten.

Was bringt uns das? – Es gibt Studien, die sagen ... (Ruf: Gewinn!) Gewinn, genau: Es geht um die Gewinnmarge. Wenn Sie für 20 Jahre das Trinkwassersystem bekommen: Werden Sie in Leitungen investieren? Werden Sie in Netze investieren? – Sie werden schauen, dass Sie in den 20 Jahren den maximalen Preis herausholen. Aber Trinkwas­sersysteme oder Abwassersysteme sind langfristige Investitionen, langfristige Investi­tionen, die nur Kommunen in der entsprechenden Sorgfältigkeit machen können! (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP sowie demonstrativer Beifall des Bundesrates Dönmez.)

Deshalb gibt es ein paar Bereiche – und deshalb bin ich auch froh, dass Edgar Mayer hier nicht nur das Wasser angesprochen hat –, nämlich den kommunalen Wassersek­tor, den Abwassersektor, die Abfallbeseitigung, die Energie, die Rettungsdienste, die sozialen Dienstleistungen und das kommunale Verkehrswesen, wo sich der Spaß auf­hört, dass man mit Freihandelsabkommen, mit Wettbewerbsrichtlinien, mit Konzes­sionsrichtlinien ständig versucht, die kommunale Selbstversorgung zu unterlaufen und einem Privatisierungsdruck zu unterwerfen, der der Bevölkerung nichts bringt. Ein paar werden verdienen, und das gesamte System leidet.

Hier sagen wir in aller Freundschaft und als Europäer: Das ist der falsche Weg. Dieser neoliberale Weg hat Europa schon in manche Krisen geführt, jetzt heißt es, eine Um­kehr zu machen. Deshalb gehen wir auch in diese Auseinandersetzung. Da ist der Bundesrat Partner der Städte, der Gemeinden und der Bundesländer. Wir sind froh darüber, dass auch im internationalen Konzert – egal, ob es Abgeordnete von CSU, FDP, SPD oder Grünen sind – an einem Strang gezogen wird, zum Wohle unserer Bürger und Bürgerinnen und zur Garantie der sozialen Versorgung und der Daseins­vorsorge.

Deshalb danke ich dafür, dass wir auch heute, glaube ich, zu einer einstimmigen Be­schlussfassung dieser Entschließung kommen, die unser Regierungsmitglied im Jän-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 73

ner an diese Diskussion im Bundesrat und in Österreich auch in einer gewissen Weise politisch bindet. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.06.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr viel zum Thema gesagt worden. Aber als Allererstes möchte ich mich ein­mal bei Edgar Mayer und Stefan Schennach bedanken, die dieses Thema vorange­trieben haben, auch im EU-Ausschuss, wo wir uns wirklich intensivst damit befasst haben und nicht nur eine Stellungnahme abgegeben haben, sondern das heute auch ins Plenum gebracht haben.

Zur Sache selbst ist schon sehr viel gesagt worden. Ich möchte vielleicht noch eines ganz kurz ergänzen. Zusätzlich zu diesem Liberalisierungsdruck, den wir jetzt auf euro­päischer Ebene zu spüren bekommen, gibt es auch noch den anderen Druck: Das ist der Spardruck der Gemeinden. Das ist genau ein Zusammenspiel von zwei Seiten, wo­durch möglicherweise doch eine Gefahr bestünde, obwohl hier in Österreich, glaube ich, wirklich parteiübergreifend, aber auch in der Bevölkerung Konsens darüber herrscht, dass es Dinge gibt wie zum Beispiel die Wasserversorgung, aber auch Ab­wasser, Müll et cetera, die nicht in wirtschaftliche Bereiche ausgelagert werden sollen, sondern wo es wirklich darum geht, es in kommunaler Hand zu belassen, womit auch eine politische Verantwortung gesichert ist.

Das ist nämlich der große Unterschied: Wenn ich irgendeinen Betrieb habe, der meine Wasserversorgung sichern soll, und der – macht einen Schas, wollte ich jetzt sagen, aber das darf man, glaube ich, nicht – kümmert sich nicht so um die Ressourcen, wie wir das gerne hätten, dann hat das keine großartigen Auswirkungen. Dagegen: Gibt es eine politische Verantwortung, dann heißt das, dass man sich auch um die Ressourcen kümmern muss. Man muss sich darum kümmern, dass es auch in Zukunft sauberes Wasser zu trinken gibt.

Keine Frage, gerade in Korneuburg weiß ich, auch das mit der Überprüfung ist nicht immer so, wie wir es gern hätten, auch nicht in Österreich. Nichtsdestoweniger bin ich überzeugt davon, dass es in kommunaler Hand wahrlich viel besser ist, als wenn das ausgelagert würde in die freie Wirtschaft.

Ich möchte noch anmerken, dass es auch in Österreich Politiker gibt, die das vielleicht ein bisschen anders sehen und die auch darauf dringen, dass gerade diese Daseins­vorsorge zum Teil auch für den Wettbewerb geöffnet wird. Dazu möchte ich schon noch anmerken: Diese Politiker vertreten hier nicht das Volk, diese Politikerinnen und Politiker vertreten in erster Linie große Konzerne und sind der verlängerte Arm dieser großen Konzerne. (Bundesrat Mag. Himmer: Wer denn? – Bundesrat Saller: Sagen Sie einen!)

In diesem Fall möchte ich noch einmal betonen, ich freue mich darüber, dass wir im Bundesrat parteiübergreifend diese Entschließung beschließen. Wir stimmen natürlich zu. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vize­präsident Mag. Himmer. – Bitte.

 


12.09.07

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus!


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 74

Ich habe ja ob des Umstandes, dass es ein gemeinsamer Antrag von allen Fraktionen ist, ein gutes Gefühl, dass nichts passieren wird, was das Wasser betrifft, dahin ge­hend, dass wir es verkaufen werden. Wir haben uns jetzt wechselseitig auch recht gut, glaube ich, überzeugt und sind uns hier in einer Materie sehr einig.

Ich wollte nur – ohne da missverstanden zu werden – eine kleine Anmerkung machen. Stefan Schennach hat natürlich völlig richtig gesagt, dass das bedeuten würde, dass dann das Wasser in Wien oder wo auch immer einen Preis statt einer Gebühr hätte. Nein, wir wollen das nicht, wir wollen das Wasser nicht privatisieren.

Ich möchte aber ganz generell anmerken, dass es in anderen Bereichen der Wirtschaft manchmal Preise gibt, die geringer als die Gebühren sind! Das ist also nicht grundsätz­lich in allen Bereichen sozusagen etwas Böses. Gerade, wenn ich mir die Gemeinde Wien anschaue oder auch, lieber Küniglberg, den Österreichischen Rundfunk und so weiter, dann gibt es natürlich Gebühren, wo Preise manchmal günstiger wären. – Aber das nur nebenbei. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Außerdem möchte ich aus aktuellem Anlass diesen Tagesordnungspunkt nicht vorü­berziehen lassen, ohne auf mein Bundesland Bezug zu nehmen. In meinem Bundes­land Wien hat es ja, wie Sie vielleicht mitbekommen haben, eine breite Diskussion über die Parkraumbewirtschaftung gegeben, wo auch direkte Demokratie mit ins Spiel ge­bracht worden ist, überraschenderweise etwas zum Unmut der Grünen. Jetzt, nach­dem die Bevölkerung in Wien eine sehr intensive Diskussion über die Parkraumbewirt­schaftung geführt hat, darf sie über das Jahr 2028, über eine Olympiade abstimmen, ohne dass wir darüber schon viel diskutiert haben.

Aber wir dürfen auch darüber abstimmen, ob wir wollen, dass das Wasser privatisiert wird. Es ist natürlich eine sehr wichtige Sache, dass die Wiener Bevölkerung da gefragt wird. Wie gesagt, wir sind uns hier in fünf Parteien darüber einig, dass wir das Wasser nicht privatisieren wollen. In Wien hat die rot-grüne Stadtregierung eine Mehrheit; ich vermute, sie wissen auch gemeinsam, dass weder Rot noch Grün das Wasser priva­tisieren wollen. Die Opposition will das Wasser auch nicht privatisieren. Aber damit nichts passiert gegen die Regierungsmehrheit und von der Opposition, die eigentlich auch das Wasser nicht privatisieren will, befragen wir jetzt die Wiener Bevölkerung, ob das Wasser privatisiert werden soll.

Daher wollte ich aus gegebenem Anlass nur anmerken, dass es sich hier schon um eine kleine demokratiepolitische Absurdität handelt, die auch einmal festgehalten sein sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

12.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Bevor ich dem Herrn Staatssekretär das Wort erteile, darf ich Frau Ministerin Heinisch-Hosek ganz herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Herr Staatssekretär, bitte.

 


12.12.46

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundes­ratsmitglieder! Liebe Schülerinnen und Schüler und Gäste! (Vizepräsident Mag. Him­mer übernimmt den Vorsitz.)

Lieber Harry Himmer – ich sehe ihn nicht, wollte ich sagen, aber er ist hinter mir –, ich habe gestern mit dem Klubobmann der ÖVP, dem Klubobmann der SPÖ, also Karl­heinz Kopf und Josef Cap, der Frau Bundesministerin Mikl-Leitner und dem Staatsse­kretär Kurz über direkte Demokratie und den Ausbau von direkter Demokratie ver­handelt. Wir hatten einen Verhandlungsprozess, der einige Monate gedauert hat, und


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 75

sind gestern zu einem guten Ergebnis gekommen. Vor allem waren wir uns alle darü­ber einig, dass wir direkte Demokratie, Volksbegehren, BürgerInnenanfragen ermögli­chen wollen, stärken wollen, auch mit elektronischer Signatur und so weiter.

Was uns immer bevorstehen wird, wenn wir direkte Demokratie stärken, und vor allem, wenn wir sie anwenden, ist eine Diskussion über inhaltliche Fragestellungen. Da kann man trefflich streiten. Es gibt auch viele, die sagen, wir hätten selber über die Frage Berufsheer versus Wehrpflicht und so weiter entscheiden sollen. Nachdem wir in der Koalition keine gemeinsame Position gefunden haben, haben wir uns gemeinsam ent­schlossen, diese Frage den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich vorzulegen, so wie jetzt Wien einen Beschluss gefasst hat, entsprechende Fragen zu stellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber da gibt es ja eine gemeinsame Position!)

Aber ich möchte mich sowohl bei Stefan Schennach als auch bei Frau Kollegin Kersch­baum und bei Herrn Bundesrat Mayer von der ÖVP dafür bedanken, dass sie ganz klare Worte gegen die Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsor­ge, insbesondere der Trinkwasserversorgung, gefunden und auch gesagt haben. Und ich möchte mich bei Ihnen allen bedanken für die doch weitgehend sachliche, ange­nehme Debatte, die hier stattgefunden hat und die in den vergangenen Monaten, im letzten Jahr hier stattgefunden hat. Vielen herzlichen Dank dafür!

Ich freue mich auch darüber, dass doch die Beschlüsse über einige Vorlagen, die uns betroffen haben, einstimmig gefasst wurden. Das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen im Sinne von notwendiger Geschlossenheit in sehr krisenhaften Zeiten.

Ich möchte die Gelegenheit dazu nutzen, Ihnen allen frohe Festtage und auch persön­lich alles Gute im kommenden Jahr zu wünschen! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.15.47

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Jetzt ist es ein bisschen schwierig, jetzt sitzen Sie hinten am Präsidententisch. Aber nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, und ich möchte als Wiener Mandatar diese Kritik eines an­deren Wiener Mandatars, der offensichtlich nicht den Grund für diese Volksbefragung oder den Inhalt verstanden hat, hier doch schärfstens zurückweisen!

Wien ist federführend, Kollege Präsident Himmer, in diesem Widerstand gegen die Neoliberalisierung der Trinkwasserversorgung, federführend für alle anderen Gemein­den und Städte. Was damit zum Ausdruck kommt, ist, wie geschlossen in dieser Frage eine Bevölkerung hinter ihrer Landesregierung steht. Es wäre schön, Präsident Him­mer, wenn Sie sich nicht in dieser Weise darüber lustig machen, sondern als Vertreter der Stadt Wien diese Volksbefragung genauso mittragen würden. (Beifall bei der SPÖ sowie demonstrativer Beifall des Bundesrates Schreuder.)

Denn man kann nicht einerseits hier in aller Überzeugung sagen, wie sehr man für die­se Entschließung ist, die wir heute überparteilich unterstützen, und auf der anderen Seite es nicht mittragen, wenn es darum geht – wir haben vorhin schon gesagt, Kom­missar Barnier lässt sich in erster Linie von Konzernetagen beraten –, jetzt einmal sichtbar zu machen, wie die Bevölkerungen das einschätzen. Das wird es auch in Ber­lin geben. Es wäre gut und es wäre wichtig, wenn viele die Chance dieser Volksbefra­gung nützen, um klarzumachen: Wir wollen keine Privatisierung der Trinkwasserversor­gung! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.17



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 76

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des EU-Ausschus­ses auf Annahme der dem Ausschussbericht angeschlossenen Entschließung ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag auf die Fassung dieser Entschließung ist somit angenommen. (E 238/BR-2012.)

12.17.587. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflich­tungsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Aus­schreibungsgesetz 1989, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden und das Karenzurlaubsgeldgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2012) (2003 d.B. und 2052 d.B. sowie 8830/BR d.B. und 8838/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte um den Bericht.

 


12.18.14

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Frau Bundesminister! (In Richtung des sich von SPÖ-Bundesrätinnen und Bundesräten verabschiedenden Staatssekretärs Dr. Ostermayer:) Auf Wiedersehen, Herr Staatssekretär! (Heiterkeit.) Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend eine Dienstrechts-Novelle 2012 liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich darf daher den Antrag stellen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung. – Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt sehr herzlich Frau Bundesminister Heinisch-Hosek begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesministerin Heinisch-Hosek: Ich bin schon begrüßt worden!) Sie sind schon be­grüßt worden, aha. Also: Herzlich willkommen! (Ruf bei der SPÖ: Doppelt hält besser!)

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.19.10

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich darf zu diesem Tagesordnungspunkt gleich einmal vorausschicken, dass der öffentliche Dienst in Österreich funktioniert. Er funktioniert deswegen, weil trotz vieler Widerstände, aber mit viel Einsatz und mit viel persönli­chem Engagement die Bediensteten mittlerweile schon eine fast perfektionierte Impro­visationskunst entwickelt haben, die ihresgleichen sucht. Deswegen funktioniert der öf­fentliche Dienst in Österreich. – Das sei vorweg einmal gesagt.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 77

Zur Beschlussfassung der vorliegenden Dienstrechts-Novelle aber darf ich sagen: Wir Freiheitliche lehnen diese Novelle ab. Ich darf auch kurz auf die wesentlichen Punkte unseres Abstimmungsverhaltens eingehen.

Da ist zunächst einmal der Wunsch nach einem eigenständigen Dienstrecht für die ein­zelnen Berufssparten im öffentlichen Dienst. Es ist nichts Neues, wenn ich sage, dass die Arbeit eines Lehrers völlig anders zu bewerten ist als die Arbeit als Polizist, und der Richterberuf ist nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines Berufsoffiziers im österreichi­schen Bundesheer. Es gibt seit Jahren Diskussionen über Dienstrechte – Exekutiv­dienstrecht, Lehrerdienstrecht. Diese Dienstrechts-Novelle bietet das wieder einmal nicht, man ist wieder einmal säumig, und das ist sicherlich einer der Gründe, warum wir diese Novelle ablehnen.

Ein weiterer Punkt, den wir sehr kritisch betrachten, ist der § 312a Strafgesetzbuch, der mit dieser Dienstrechts-Novelle beschlossen werden soll und den man hier sozusagen angehängt hat. Ich darf vorausschicken, dass wir Freiheitliche genauso, wie ich es jedem hier im Saal und jedem demokratisch gesinnten Menschen zubillige, Folter und Gewalt als Druckmittel zur Wahrheitsfindung generell ablehnen. Wie die Formulierung dieses § 312a gefasst ist, ist sie derart unkonkret und schwammig, dass die Gefahr von Beschwerden und vor allem des Entstehens von Denunziantentum sehr, sehr groß ist.

An einem Beispiel aufgezeigt, und vielleicht auch zur Erklärung: Der mögliche Täter ist nach diesem Paragraphen der Beamte, der Amtsträger. Als Beispiel nehme ich einen Strafrichter, der in der Verhandlung zum Beschuldigten sagt: Herr Beschuldigter, ge­ben Sie es doch zu, denn dann bekommen Sie nicht vier, sondern nur zwei Monate. Wenn sich der Beschuldigte dann auf diesen Paragraphen beruft, ist dann der Richter seinen Job los? Das wäre wirklich nicht gerecht, und das kann es ja wohl auch nicht sein. Das Gleiche gilt für die Polizei, gilt für Polizisten bei einer Vernehmung. Auch das wäre so ein Fall.

In diesem Zusammenhang darf ich auch noch erwähnen, dass man den wichtigsten Milderungsgrund in unserer Strafgesetzgebung, nämlich das reumütige Geständnis, dann abschaffen müsste, denn das wäre doch nur konsequent, wenn man das machen würde. Das würde die Rechtsordnung, unser Rechtssystem jedoch vermutlich auf den Kopf stellen.

Diese Bestimmung ist also aus unserer Sicht unkonkret, sie ist schwammig, sie ist of­fensichtlich auch den österreichischen Rechtsverhältnissen nicht angepasst, und sie öffnet, wie ich schon gesagt habe, dem Denunziantentum Tür und Tor. Und genau da­durch wird sie natürlich zu einer großen Verunsicherung gerade beim Dienstpersonal der Polizei, der Exekutive und auch im Bereich der Justiz führen. Es geht uns nicht da­rum, dass man jene, die tatsächlich Gewalt anwenden, laufen lässt. Die gehören aus­nahmslos bestraft! Es geht jedoch um die Tausenden von Polizisten, von Staatsanwäl­ten, von Richtern, von Bediensteten aller Bereiche, die tagtäglich mit der Durchsetzung von staatlicher Zwangsgewalt befasst sind, die tagtäglich hoheitliche Verwaltungsakte setzen müssen, die die Rechtsprechung ausüben. Sie werden verunsichert sein. Das ist für uns einer der Hauptgründe, warum wir diese Dienstrechts-Novelle ablehnen.

Und eines noch, Frau Minister, auf einen Punkt möchte ich noch eingehen. (Bundesrat Kainz: Nach deiner Rede werden sie auf alle Fälle verunsichert sein!) – Wir werden dann ohnehin noch hören, was ihr dazu sagt.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, Frau Bundesminister, auf den sogenann­ten Papa-Monat. Die Regelung, dass man die Frist für die Antragstellung von zwei Mo­naten auf eine Woche vor dem Geburtstermin verkürzt, ist für uns durchaus akzepta­bel. Das kann man so machen. Was wir jedoch als nicht praktikabel ansehen, ist die


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 78

Tatsache, dass man auch den Passus herausgenommen hat, dass keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen dürfen. Das halte ich denn doch für weniger praktikabel. Ich stelle mir vor, ein Beamter geht zu seinem Vorgesetzten und sagt: Du, ich bin ab Montag dann einmal für vier Wochen weg. – Ich glaube, dass das in der Pra­xis doch zu Schwierigkeiten führen wird. Diese Regelung ist insgesamt durchaus ak­zeptabel, aber vielleicht hätte man diesen Passus doch eher stehen lassen sollen.

In Summe aber, geschätzte Damen und Herren, lehnen wir diese Dienstrechts-Novelle aus den von mir genannten Gründen ab, weil dieser § 312a, Herr Kollege, zu einer Verunsicherung innerhalb der Polizei und innerhalb der Justiz führen wird. Ich kann Ihnen das aus der Praxis berichten. Vor zwei Wochen sind wir unsere Polizeidienst­stellen abgefahren, haben mit den Leuten gesprochen, und die haben uns genau das bestätigt, was ich Ihnen hier gesagt habe. Es wird zu Verunsicherung führen! Wir Frei­heitliche lehnen diesen Punkt jedenfalls ab. (Beifall bei der FPÖ.)

12.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.25.00

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesminister! Gospa zvezna ministrica! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Drage gledálke in gledálci doma! Zum Unterschied von der FPÖ werden wir dieser Novelle selbstverständlich und sehr gerne zustimmen. Sie umfasst sehr viele Punkte, sehr viele positive Punkte. Ich möchte vorweg dir, liebe Frau Bundesministerin, und al­len Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Mühe und Arbeit recht herzlich danken.

Es war wichtig und richtig, dass Verschärfungen bei Sexualdelikten und bei Folter in diese Novelle aufgenommen worden sind. Es war wichtig und richtig, dass der Begriff „Folter“ in diese Novelle aufgenommen worden ist. Konkret heißt es: Wer rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs, wegen Vergewaltigung oder anderer Sexualstraftaten verurteilt wird, muss künftig den Bundesdienst verlassen. Das Dienstverhältnis wird un­abhängig vom Strafausmaß automatisch aufgelöst. Das, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, ist richtig und wichtig!

Der zweite Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, betrifft eine langjährige SPÖ-For­derung, nämlich die Freistellung. Das ist für mich wirklich ein ganz großer, massiver Meilenstein. Es geht um die Ausdehnung des Anspruchs auf Pflegeurlaub. Jetzt kön­nen sich auch Eltern, die in getrennten Haushalten wohnen, wenn ein eigenes Kind krank ist, wirklich gemeinsam um dieses Kind kümmern. Auch wenn ein bis zu zehn Jahre altes Kind ins Krankenhaus kommt, haben die Eltern Anspruch auf Pflegefreistel­lung. Es geht also um eine Ausweitung der Pflegefreistellung auf Patchwork-Familien, aber auch auf eingetragene Partner und Partnerinnen. Und das ist wirklich ein Meilen­stein.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist für die SPÖ-Frauen, aber eigentlich für die SPÖ insgesamt ein ganz wichtiger Punkt, nämlich der Papa-Monat. Es geht um die partnerschaftliche Kindererziehung, und die Forderung nach partnerschaftlicher Kindererziehung ist wirklich eine langjährige Forderung der SPÖ-Frauen. Dieser Papa-Monat, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Meilenstein für eine partnerschaftliche Kindererziehung, denn dadurch bekommen die Väter die Chance und die Möglichkeit, nach der Geburt eines Kindes einen Monat zu Hause zu bleiben. Das ist nicht nur für die Mutter wichtig, sondern es ist auch für die Entwicklung der Kinder wichtig und für den Vater positiv. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Kainz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist dieser Papa-Monat, diese vier Wochen, unbezahlt, und ich wünsche mir jetzt gerade vor Weihnachten einen bezahlten Papa-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 79

Monat. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Und dies, weil es wirklich auch Familien gibt, in denen es sich die Eltern nicht leisten können, diesen Papa-Monat in Anspruch zu neh­men. (Ruf bei der ÖVP: Wenige!) Einige!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Papa-Monat im Bundesdienst ist ein Erfolgsmo­dell. Ich bin mir sicher, das ist ein Vorbild für die Privatwirtschaft. Ich würde mir wün­schen, dass dieser Papa-Monat nicht nur für den öffentlichen Bundesdienst gilt, son­dern selbstverständlich auch für die Privatwirtschaft.

In dieser Novelle geht es auch, was der Vorredner von der FPÖ bereits erwähnt hat, um den Entfall der Antragsfrist von zwei Monaten, was wir selbstverständlich befürwor­ten. Jetzt reicht die Meldung eine Woche vor der Geburt. Das ist vor allem deswegen so positiv, weil es ja auch um Frühgeburten geht, und bei Frühgeburten ist das wirklich eine Verbesserung.

Der nächste Punkt, den die FPÖ auch kritisiert hat: Es handelt sich um einen unbe­dingten Rechtsanspruch, dem keine Erwägungen dienstlicher oder betrieblicher Natur entgegengestellt werden können, und das ist gut so und positiv.

Zusammenfassend, liebe Kolleginnen und Kollegen: Beim Papa-Monat freut mich, dass es eine Veränderung geben wird, dass der Papa-Monat in Zukunft auch noch ei­ne Woche vorher beantragt werden kann und in jedem Fall gewährt werden muss.

Wir werden dieser Novelle, wie schon anfangs gesagt, zustimmen. Ich möchte, da es jetzt um den öffentlichen Dienst geht, die Gelegenheit nützen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Parlament recht herzlich für ihre Arbeit zu danken.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


12.31.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Dass bei einem Anti-Folterparagraphen in Österreich kein Grund­konsens herrscht, bestürzt mich. Ehrlich! Österreich ist 1987 dem Anti-Folter-Abkom­men der Vereinten Nationen beigetreten und wurde 1999 und 2005 gerügt, dass das nicht umgesetzt worden ist. Es hat auch der Europarat Österreich deswegen gerügt, weil das nicht umgesetzt worden ist. Im Nationalrat gab es eine getrennte Abstimmung, da haben wir dafür gestimmt; das gibt es jetzt hier im Bundesrat nicht. Wir würden na­türlich diesem Anti-Folter-Paragraphen zustimmen, weil wir denken, das sollte in dieser Republik eigentlich Grundkonsens sein. Dass dem nicht so ist, muss ich mit großem Bedauern – Freiheitliche Partei! – zur Kenntnis nehmen.

Ich kann allerdings auch den Ausführungen meiner Vorrednerin nicht ganz folgen, die meinte, dass dieses Gesetz ein Meilenstein wäre, zumal es für eingetragene Partner und Partnerinnen alles andere als ein Meilenstein ist. Ganz im Gegenteil!

Jetzt möchte ich einmal auf die verschiedenen Punkte eingehen. Wie immer ist es na­türlich in der Opposition so, dass man, wenn man ein Gesetz vorliegen hat, viel Gutes sieht, dass man viel Kritisierenswertes sieht, das eine gegen das andere abwägen und dann zu einer Entscheidung kommen muss, auf Schwarz-Weiß reduziert, auf Plus oder Minus, dagegen – dafür. So eindeutig ist es natürlich oft nicht. Könnte man über jeden Paragraphen einzeln abstimmen, dann gäbe es sehr vieles , dem wir zustimmen könn­ten. Das sei vorausgeschickt. Nach Abwägung aller Dinge werden wir diese Dienst­rechts-Novelle ablehnen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 80

Einer der Gründe – das hat meine Vorrednerin richtigerweise so gesagt – ist: Wir sind sehr froh, dass der Papa-Monat da drinnen steht, aber wir sind sehr traurig darüber, dass er unbezahlt ist. Wir wollen eindeutig einen Papa-Monat, der mit vollen Bezügen bezahlt wird. (Bundesrat Perhab: Und wer soll das bezahlen?) Die öffentliche Hand, ja, selbstverständlich.

Die Fortsetzung der Diskriminierung für die eingetragenen Partnerinnen und Partner möchte ich hier schon noch einmal erläutern. Wir haben von Anfang an gesagt, als das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz zum 1. Jänner 2010 in Kraft getreten ist, dass dieses Konstrukt ein Fehlkonstrukt ist, dass es ein Fehler ist, nicht einfach die Ehe auf­zumachen für Lesben und Schwule oder aber die eingetragene Partnerschaft auch he­terosexuellen Paaren zur Verfügung zu stellen. Indem man zwei verschiedene Rechts­institute und sozusagen zwei Ghettogesetze schafft – das eine ist für die Homosexuel­len, das andere für die Heterosexuellen –, schafft man prinzipiell Ungleichheit. Gleich­behandlung kann nicht ein bisschen stattfinden, es gibt sie ganz oder gar nicht. Dieses Gesetz ist also eine Fortschreibung der Ungleichbehandlung.

Für eingetragene Partnerinnen und Partner nach diesem Gesetz gibt es eine erschwer­te Familien-Hospizkarenz – Sterbebegleitung ist keine Kleinigkeit, das betrifft Men­schen persönlich – für im Sterben liegende Stiefkinder, keine Arbeitszeitreduktion oder Karenz zur Betreuung von Stiefkindern. Es gibt einen erschwerten Pflegeurlaub für die Stiefkinder. Es gibt keine Abfertigung bei gemeinsamer Adoption eines Kindes, weil die Adoption nach wie vor verboten ist, keine Kinderzulage für betreute Kinder des oder der verstorbenen PartnerIn bei der Witwer- oder Witwenpension. Es gibt keine Zulage zur Waisenpension des Stiefkindes bei Ableben des eingetragenen Partners. Es gibt keine Anrechnung von Kindererziehungszeiten des verstorbenen eingetragenen Part­ners. Es gibt keinen Zuschuss für eingetragene Partner von öffentlich Bediensteten, die bei Versetzung des Bediensteten ins Ausland im Interesse des Stiefkindes im Inland bleiben. – Das sind Ungleichbehandlungen! Diese werden in diesem Gesetz fortge­schrieben, und dagegen sind wir.

Weitere Kritikpunkte: Wir halten es für problematisch, dass das Verwaltungsgericht nicht die gleiche Wertigkeit bekommt wie die ordentliche Gerichtsbarkeit. Weiters hal­ten wir die aufgezählten Straftatbestände für problematisch, bei deren Begehung ein Amtsverlust droht, weil dort nur einzelne Straftaten genannt werden. Wir finden es richtig, dass zum Beispiel bei Kindesmissbrauch ein Lehrer, eine Lehrerin kein Lehrer oder keine Lehrerin mehr sein kann. Warum aber ein Lehrer nach wie vor Lehrer sein darf, wenn er seine Familie zu Hause verprügelt, ist mir ein Rätsel.

Schon als wir über den Nationalfonds diskutiert haben, gab es ein Problem, das ich doch für erheblich halte. Ich habe die historische Entwicklung zum § 129 Abs. 1b heute schon referiert, den es schon in der k.u.k. Zeit gab und dann bis 1971, der Homose­xualität generell verboten hatte. Als dieser Paragraph im Jahre 1971 gestrichen wurde, wurden Ersatzparagraphen geschaffen, um die Diskriminierung in anderer Form weiter­zuschreiben – zumindest war nicht mehr das Totalverbot gegeben. Als dann der aller­letzte Paragraph, der sozusagen noch ein Erbe dieser Verfolgungsgeschichte war, vor zehneinhalb Jahren vom Verfassungsgerichtshof und dann auch vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof abgeschafft wurde, nämlich der § 209, wurde ein Ersatzpa­ragraph geschaffen, das war der § 207b. Dieser betrifft Straftaten, für die es schon längst andere Paragraphen gab. Wir haben sozusagen Parallelstrukturen im Strafge­setzbuch, was ein Problem ist.

Wir haben sehr viele Anfragen an alle Justizministerinnen und -minister – gab es Minis­ter? – gestellt: An wen richtet sich dieser Paragraph? Wer wird noch aufgrund dieses Paragraphen verurteilt? Und viele Jahre lang hatten wir Prozentsätze von 38 bis 100 Prozent, dass sich dieser Paragraph ausschließlich gegen homosexuelle Männer


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 81

richtet. Das ist sozusagen gerichtliche Praxis. Das ist immer noch das letzte Über­bleibsel dieser Diskriminierungen. Und die SPÖ hat 2002 dagegen gestimmt, gegen den § 207b und unterschrieben, dass sie den abschaffen will – so wie wir. Heute steht hier drinnen, dass Amtsverlust deswegen droht, obwohl dieser Paragraph wirklich fast ausschließlich gegen Homosexuelle gerichtet ist.

Leider haben wir die aktuellen Daten nicht. Die früheren JustizministerInnen haben uns diese immer gegeben. Dann haben wir Frau Justizministerin Karl gefragt, wie das in den letzten Jahren praktiziert wurde. Wie sind die aktuellen Daten? Da hat sie gesagt: Das kann ich nicht beantworten. So viele Jahre, das ist zu viel Aufwand. Ein halbes Jahr ginge ja. – Dann habe ich ein halbes Jahr angefragt, und sie gibt mir die Antwort nicht mehr, weil es zu viel Aufwand sei. Früher wurde das anstandslos beantwortet. – Das sei hier auch noch angemerkt, das finde ich ausgesprochen problematisch. – Vie­len Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


12.39.06

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diese Beamtendienst­rechtsnovelle ist ein Sammelgesetz. Viele Punkte sind darin geregelt. Meine Vorredner sind darauf schon eingegangen.

Grundsätzlich denke ich, schon auch im Namen aller hier anwesenden Bundesratskol­leginnen und -kollegen und auch namens aller Parteien feststellen zu dürfen, dass Ös­terreich sich glücklich schätzen kann wegen des öffentlichen Dienstes, so wie wir ihn haben, weil er die Basis darstellt für unseren Sozialstaat, für unseren Sicherheitsstaat, für unseren Bürgerservicestaat und Österreich letztendlich zu dem macht, wie wir es wollen und wie es die Bürgerinnen und Bürger auch kennen. Wir haben ein sehr, sehr hohes Niveau, das die Grundlagen unserer Gesellschaft darstellt, auch für den Wirt­schaftsstandort Österreich. Ich meine, dass wir alle daran interessiert sind, möglichst effiziente Verfahrensabläufe zu haben, sehr bürgernah zu agieren und letztendlich als Dienstleister auch für unsere Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Ich denke, dass es Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll auf den Punkt bringt, wenn er seine niederösterrei­chische Landesverwaltung unter das Motto „Näher zum Bürger, schneller zur Sache“ stellt, denn gerade auch mit unseren Bezirkshauptmannschaften ist es möglich, dass die Bürger sehr nahe vor Ort ein Servicezentrum haben, wobei schnelle Verfahrens­abläufe letztendlich auch eine hohe Qualität in der Verwaltung darstellen.

Ich möchte nur auf ein paar Punkte dieser Beamtendienstrechtsnovelle eingehen, näm­lich auch bewusst mit dem sogenannten Frühkarenzurlaub beginnend, dem Papa-Mo­nat. Ja, ich meine, es ist richtig, diese Frist zu verkürzen, denn ich glaube, dass der öf­fentliche Dienst und der Staat in diesem Falle als Dienstgeber auch gewisse Vorbild­wirkung für andere Bereiche haben sollten. Deswegen ist es meiner Ansicht nach rich­tig, dass wir diesen Schritt gehen, und zwar auch in Bezug auf die Ausweitung der Pflegefreistellung, weil wir auch hier Verantwortung gegenüber unseren Dienstnehme­rinnen und Dienstnehmern haben und einen Weg vorbereiten und vorangehen sollten, auf dem uns vielleicht dann letztendlich auch andere folgen, natürlich nur, wenn der Gesetzgeber das auch in diesem Fall will. Wichtig ist auch die Verbesserung der Ent­geltfortzahlung im Krankheitsfalle.

Ein Punkt, der, glaube ich, auch sehr wichtig ist, weil es hier um das Vertrauen der Bür­ger in den öffentlichen Dienst geht, weil es hier auch um das Ansehen des öffentlichen Dienstes an sich geht, ist die Auflösung des Dienstverhältnisses bei schwerwiegenden Delikten wie sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung, Folter. Da sind wir uns, wie ich


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 82

meine, einig, dass das zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung und auch notwen­dig ist.

Ich denke auch, dass der Weg, der zur Erreichung dieses Pakets beschritten wurde, ein sehr vernünftiger Weg in sozialpartnerschaftlicher Qualität war. Die Frau Bundesmi­nister hat hier gemeinsam mit den Sozialpartnern einen sehr konstruktiven Weg ge­wählt, und ich möchte diesen heutigen Gesetzesbeschluss zum Anlass nehmen, um wirklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst danke zu sagen. Ich bin selbst auch Beamter – karenziert bei Entfall der Bezüge – der Niederösterreichi­schen Landesregierung und denke, dass Anlass besteht, Dank zu sagen an alle Be­amtinnen und Beamten in der öffentlichen Verwaltung, im Bereich der Sicherheit, auch der Kinderbetreuung von der Kindergartenpädagogin bis zum Hochschulprofessor, letztendlich allen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, weil der öffentliche Dienst schon auch in gewisser Hinsicht ein interessantes Spannungsfeld zu bewältigen hat. Da ist ei­nerseits die Qualitätsanforderung, der Anspruch an eine hohe Qualität der Dienstleis­tung, er soll andererseits sehr bürgernah agieren, zum Dritten aber sehr rasch zu Ent­scheidungen kommen. Ich denke, dass wir das in Österreich sehr, sehr vernünftig re­geln. Deswegen stimmen wir gerne zu.

Ich möchte es aber auch nicht verabsäumen, geschätzte Frau Bundesminister, dir, weil du ja im Nachbarbezirk zu Hause bist und wir einander auch persönlich kennen, zu deinem Geburtstag, den du vor einigen Tagen gefeiert hast, sehr, sehr herzlich zu gra­tulieren. Bleib gesund! In diesem Sinne alles Gute! Wir stimmen gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.44.00

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Warum überrascht sie mich nicht, diese neue Gesetzesnovelle, die Sie sich hier einfallen haben lassen? Es ist doch ein starkes Stück, dass das Innen­ministerium und das Justizministerium in Personalunion mit der Frau Beamtenminis­terin unkontrolliert auf Polizei und Justiz einprügeln können. (Bundesrat Todt: Wie war das?) Sie, meine Damen und Herren, werden heute einer vorverurteilenden Verschär­fung des Disziplinarrechtes zustimmen. Ebenso werden Sie dem neuen § 312a Straf­gesetzbuch, dem Folterparagraphen, zustimmen. Diese undefinierten und undefinier­baren Formulierungen stellen mit der vorgesehenen zwangsweisen Suspendierung ei­ne überschießende und unverhältnismäßige Verschärfung des Dienstrechtes der Be­amten dar.

Auf den Gedanken, Kollege Kainz, hinter den Beamten zu stehen, kommen Sie leider nicht. (Bundesrat Kainz: Ich glaube, dass die Kolleginnen und Kollegen froh sind, dass nicht Sie hinter ihnen stehen!) Besonders betroffen sind Polizei- und Justizbeamte. Diese sind jetzt nicht nur einem verstärkten Beschwerde- und Denunziantentum ausge­setzt oder ausgeliefert, nein, sie werden auch noch mit unangemessenen dienstrechtli­chen Konsequenzen konfrontiert.

Meine Damen und Herren! Gewalt- und Sexualstraftäter haben bei uns nichts verloren, aber genauso wenig hat bei uns eine behördliche Vorverurteilung verloren! – Nicht in einem demokratischen Staat, wie es Österreich ist! (Bundesministerin Heinisch-Ho­sek: Es wird niemand vorverurteilt!) Auf Zuruf eines vermeintlich Geschädigten – das hat der Kollege (Bundesrat Brückl – da der Redner zögert –: Brückl!) Brückl schon ge­sagt; danke – wird in Zukunft ein unschuldiger Beamter sofort suspendiert, ohne dass vorher objektiv ermittelt wird. (Bundesrat Kainz: Das gibt es ja jetzt schon!) Es ist eine


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 83

sofortige Suspendierung vorgesehen, nur weil dem Täter zum Beispiel mitgeteilt wur­de, im Falle eines Geständnisses wird seine Strafe milder ausfallen. Dieser Straftäter be­schwert sich dann, dass er unter Druck gesetzt worden ist, und dann treten sofort diese verschärften Disziplinarmaßnahmen in Kraft. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Mit diesem Dienstrecht wird eine Pro-Täter-Politik betrieben. Diese Bestimmungen sind fern jeder Realität und treffen vor allem Polizeibeamte und Justizbeamte. Diese ver­fehlte Politik führt geradewegs zu umgekehrten Problemen, wie wir sie zurzeit haben, nämlich hin zu den Straftätern und weg von den Exekutivbeamten.

Diese Dienstrechtsnovelle ist keine moderne Änderung, wie wir sie natürlich brauchen würden, nein, sie ist ein Schritt zurück. Genauso die Aussage von Ihnen, Frau Minis­ter – ich zitiere –: „Die Verschärfungen des Amtsverlusts im neuen Beamtendienstrecht wurden gemeinsam mit der Gewerkschaft beschlossen.“

Die Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten hat den Verschlechterungen nicht nur zu­gestimmt, sondern an diesen Verschlechterungen auch aktiv mitgearbeitet. Was sind das für Standesvertreter?

Aber genauso haben die Sicherheitssprecher von SPÖ und ÖVP, die Vertreter der Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst und sogar Polizisten im Parlament gegen Polizisten, gegen Beamte, gegen Polizeibeamte gestimmt wie zum Beispiel der Loipensprecher Neugebauer, Renate Csörgits, Hannes Fazekas und Rudolf Plessl.

Dass Polizeibeamte immer häufiger im Rahmen ihrer Einsätze ihr Leben aufs Spiel setzen müssen und dieses dann auch verlieren, wie die Kollegen auf der Ostautobahn, ist wohl unbestritten. Aber was tun diese Legislative und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst? – Sie trampeln auf jenen herum, von denen sie Schutz und Einsatz fordern.

Noch ein paar Worte zum § 312a. Was davon zu halten ist, beschreibt sehr ausführlich eine Stellungnahme des ALES der Universität Wien, das ist das Forschungszentrum für Polizei- und Justizwissenschaften. Daraus geht hervor, dass die Damen und Herren dieser Legislative klüger und schlauer sind als anerkannte Rechtsexperten, denn diese Rechtsexperten wurden weder zu Rate gezogen noch in die Debatte mit einbezogen. ÖVP und SPÖ haben freihändig und eigenwillig entschieden. Und genauso sieht er auch aus, dieser Folterparagraph.

Meinungen in den Medien von weiteren Rechtsexperten schlagen in dieselbe Kerbe: Ein unreifes Stückwerk von Laien. Bei den Machern dieses § 312a ist man der Mei­nung, dass Folter nur von Beamtinnen und Beamten von Polizei und Justiz begangen werden kann. Zivilpersonen ist diese Form von Gewaltanwendung juristisch nicht mög­lich, da dieser § 312a Strafgesetzbuch auf Zivilpersonen nicht anwendbar ist. Dabei begegnet uns Folter immer und überall im Leben: in den Schulen, mobbende Kinder, Jugendliche, in den Haushalten durch häusliche Gewalt, im Rotlichtmilieu durch prü­gelnde Zuhälter. (Bundesrat Kainz: Also bitte, da sollten Sie definieren, was Sie unter Folter verstehen!) Das könnte man weiter ausführen. (Bundesministerin Heinisch-Ho­sek: Genau! Definieren Sie „Folter“!)

Was ist denn Folter an sich? – Folter ist eine Erpressung durch körperliche und seeli­sche Gewaltanwendung. Mir persönlich ist in fast 39 Jahren Polizeidienst kein einziger Fall nachgewiesener Folter untergekommen, und ich behaupte, dass es unter der Zivil­bevölkerung weit mehr Fälle an Folterungen gibt, als es in den im § 312a gemeinten Kreisen je gegeben hat. Fälle wie Fritzl in Amstetten oder der Fall Kampusch – das sind echte Folterungen.

Abschließend darf ich Ihnen noch mitteilen, was diese Regierung für unsere Polizisten bei den Gehaltsverhandlungen übriggehabt hat. Metallgewerbe: 3,4 Prozent, Handel: 2,98 Prozent (Bundesrat Kainz: Das ist von der AUF! Machen Sie da Werbung für die


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AUF?), Pensionisten: 1,8 Prozent, Politiker: 1,8 Prozent – unter die Politiker fällt auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, der eine Gehaltserhöhung von 249 € bekommt –, EU-Beamte: 6,6 Prozent. Und jener Personenkreis, der für Ihre Si­cherheit sorgen muss, der Sie beschützen muss, bekommt 0 Prozent. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


12.51.44

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! – Kollege Ertl! Ich glaube, gerade du als Exekutivbeam­ter mit mehrjähriger Erfahrung solltest – wie wir alle – größtmögliches Interesse daran haben, dass die Spreu vom Weizen getrennt wird. Überall, wo Menschen tätig sind, gibt es welche, die engagiert sind, die ihren Dienst nach Vorschrift machen, es gibt welche, die sich voll reinhauen und mehr als Dienst nach Vorschrift machen, und dann gibt es einige wenige schwarze Schafe. Und wenn du dich da herstellst und behaup­test, es hat während deiner 30- oder 35-jährigen Dienstzeit noch nie einen Folterskan­dal gegeben, dann stellt sich für mich die Frage: Liest du nicht ab und zu Zeitungen oder blendest du etwas ganz bewusst aus?

Ich habe einen Zwischenruf gemacht, den du nicht aufgegriffen hast, denn spätestens bei diesem Zwischenruf müsste dir aufgefallen sein, dass es doch einen Folterskandal gegeben hat und dass es nicht im Interesse der Politik und der Exekutive sein kann, dass man über diese Typen – ich sage ganz bewusst „Typen“, nicht Polizisten und Polizistinnen – die schützende Hand hält. Mit einer derartigen Argumentationsweise bietest du eine riesengroße Angriffsfläche, die meiner Meinung nach nicht notwendig wäre.

Da ist ein von der Abschiebung betroffener Asylwerber in eine Lagerhalle gezerrt wor­den. Den haben sie mit dem Auto bewusst angefahren und haben ihn dann zusam­mengedroschen in dem Wissen, dass er eh den Löffel abgegeben hat – jetzt sage ich es einmal ganz brutal, wie es war –, und haben ihn dann ins Krankenhaus gebracht. Zum Glück oder zum Pech – je nachdem, wie man es sieht – hat er das überlebt, und dann ist diese Schweinerei zutage gekommen. Und was war dann die Moral von der ganzen Geschichte? – Die Polizisten sind nach einer gewissen Zeit wieder eingestellt worden, dann hat es massive Diskussionen gegeben, ob das sein kann, und erst
nach jahrelangen Verfahren sind dann, glaube ich, zwei davon aus dem Dienst ausge­schieden.

Es hat also einen Folterskandal gegeben, und es gibt nach wie vor welche. Dort, wo Menschen tätig sind, passieren Fehler. Und das ist ein riesengroßer Fehler. Die Aufga­be der Polizisten und Polizistinnen und der Politik muss es allerdings sein, die einen von den anderen zu trennen. Wenn man alle gleich behandelt, ist jenen, die dann zu Unrecht kritisiert werden, auch nicht geholfen. Und gerade von dir als Polizisten würde ich mir erwarten, dass du das ein bisschen differenzierter siehst. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum zweiten Mal hat sich Frau Bundesrätin Blatnik gemeldet. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


12.54.42

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wider-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 85

spreche dem Herrn Kollegen Ertl, wenn er von Folter in der Schule spricht. Als Lehrerin muss ich mich davon wirklich distanzieren. Eine Folter in der Schule – bitte, als Leh­rerin muss ich dem wirklich widersprechen. (Bundesrat Ertl: Denken Sie an die Kinder­heime!)

Ich widerspreche, wenn Herr Kollege Ertl von Vorverurteilung spricht. Diese Bestim­mung gilt für rechtskräftig Verurteilte. Ich kann aber etwas sagen: Eine Vorverurteilung ist in Kärnten passiert, wo Asylwerber und Asylwerberinnen tatsächlich auf die Saualm transportiert worden sind. Da ist eine Vorverurteilung geschehen. – Danke. Hvala. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.55.59

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! – Herr Schreuder, vor einigen Sitzungen haben Sie sich hier heraußen hingestellt und haben uns Freiheit­liche als Kellernazis beschimpft. Heute stellen Sie sich hier her und unterstellen mir und uns, dass wir Gewalt und Folterung nicht ablehnen würden. Hätten Sie mir zuge­hört, hätten Sie gehört, dass ich zweimal ausdrücklich betont habe, dass wir das auf das Schärfste ablehnen. Ich empfinde das als Frechheit und als persönliche Beleidi­gung mir selbst gegenüber.

Wenn Sie mir intellektuell nicht folgen können, dann melden Sie sich einfach nicht und schweigen Sie! (Beifall bei der FPÖ.)

12.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Minister.

 


12.56.50

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, die eher aufgeheizte Stimmung wieder ein bisschen zu kalmieren. Diese Dienstrechtsnovelle als Ganzes wird, zum ersten Mal seit ich Bundesministerin bin, ohne Gehaltsabschluss – das möchte ich betonen – vorgelegt, und ich möchte mich bei dieser Gelegenheit wirk­lich auch sehr bei den über 130 000 öffentlich Bediensteten des Bundes bedanken, die – ich habe es ja mit den Sozialpartnern verhandelt – hier auch mitgehen, weil wir damit als öffentlicher Dienst einen großen Beitrag auch zum Konsolidierungspaket ge­leistet haben.

Der Anlass, mit dieser Dienstrechtsnovelle den automatischen Amtsverlust einzufüh­ren, waren allerdings gar nicht so sehr Fälle aus der letzten Zeit, weil die Fälle, die hier angesprochen wurden, auch von Rednern und Rednerinnen, zum Teil sechs Jahre zu­rückliegen und zum Teil noch immer nicht fertig verhandelt waren. Ich glaube, dass es schon hoch an der Zeit war, hier einmal ganz klar und deutlich zu sagen, dass wir einfach Deliktskataloge erstellen, wo wir unter keinen Umständen wollen, dass, wenn hier Verbrechen – und so darf man sie nennen – passieren, Verhandlungen sich so ziehen, dass gerade einmal unter dem Strafmaß verurteilt wird, das zu einem Amtsverlust führen würde. Das war ja sehr oft der Fall. Dadurch war es sehr schwierig, mit den Disziplinarkommissionen, mit der Disziplinaroberkommission auch Rechtssi­cherheit für die Beamten und Beamtinnen, die vielleicht betroffen gewesen sind, zu be­kommen.

Daher war es, glaube ich, eine gute Entscheidung – und da bin ich bei Ihnen allen, wenn Sie sagen, wir wollen nicht, dass schwarze Schafe, wir wollen nicht, dass Se-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 86

xualstraftäter, wir wollen nicht, dass Folterer bei uns im öffentlichen Dienst sind. Wir haben hier sehr klar – nicht schwammig, sondern ich finde, sehr klar – eingegrenzt, wer davon betroffen ist. Das geschieht zum Schutze – das wurde heute auch schon von dir, Kollege Kainz, gesagt – aller anderen, damit man einfach klar und deutlich sa­gen kann, wer passt hier nicht mehr ins System, wer soll dieses System automatisch verlassen müssen.

Ich weiß, Amtsverluste werden ja so auch ausgesprochen, es geht ja nur darum, dass wir es auf einen Deliktskatalog eingegrenzt haben. Dass ein prügelnder Beamter, der seine Familie zu Hause verprügelt und rechtskräftig verurteilt wird, auch einem Amts­verlust unterliegt, davon gehe ich schon aus. Hier geht es nur um den automatischen Amtsverlust bei den Sexualstrafdelikten und bei Folter, die wir eingegrenzt haben, wo wir aufgrund der wirklich heftigen Vorfälle gemeint haben, hier gehört jetzt einmal auch vom Dienstgeber her ordentlich etwas ausgesagt in Bezug auf das Dienstrecht.

Wir haben uns zum Anti-Folter-Paragraphen hingewendet, den wir 1 : 1 übersetzt ha­ben. Ich glaube schon auch, dass Foltern auf keinen Fall mit Mobbing in der Schule oder anderen Delikten verglichen werden darf und dass Foltern vom Recht her nur von Menschen möglich ist, die im öffentlichen Dienst an anderen dieses Delikt verüben. Für alle anderen Delikte im privaten Bereich hat man ja Benennungen – Nötigung, Verge­waltigung und andere Gewalttaten.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir haben mit sehr vielen Expertinnen und Ex­perten die Lage besprochen, und letztendlich ist es uns mit der Gewerkschaft Öffentli­cher Dienst gelungen, dass wir den strafrechtlichen Bestimmungen dienstrechtliche Bestimmungen folgen lassen, die eindeutig sind und in Zukunft keine Verzögerungen mehr darstellen. Im Übrigen wird es ab 2014 ohnedies so sein, dass wir die Diszipli­naroberkommission, die wir mit dieser Dienstrechtsnovelle auflösen, nicht mehr brau­chen werden, weil die Verwaltungsgerichtsbarkeit auch diese Fälle direkt behandeln wird.

Dabei ist es auch wichtig, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Erst wenn Anklage durch die Staatsanwaltschaft erhoben ist, kommt es zur automatischen Suspendierung. In vielen Fällen – das wissen Sie genauso gut wie ich – ist jetzt auch schon vorher sus­pendiert worden, man hat nicht auf die Staatsanwaltschaft gewartet. Das heißt, die Suspendierung wird dann ausgesprochen, wenn Grund genug da ist, anzunehmen, dass jemand Verfehlungen begangen hat, und nicht erst wenn der Staatsanwalt, die Staatsanwältin Anklage erhebt. (Ruf bei der FPÖ: Aber leider wird das schon häufig zu früh ausgesprochen!) Ich glaube, dass das eine Ergänzung dessen ist und nicht Vor­schub für irgendetwas. Es ist gut so, dass wir das im öffentlichen Dienst so handhaben, dass, wenn Verfehlungen da sind, Suspendierungen ausgesprochen werden, wenn es nicht mehr tragbar ist, dieses Dienstverhältnis aufrechtzuerhalten, bis es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt – im Hinblick auf die Opfer, wenn man so will. Auch der automatische Amtsverlust gilt nur nach einer Verurteilung, und zwar in Zukunft un­abhängig von der Höhe der Verurteilung. Das haben wir geändert, dazu stehe ich, und das finde ich auch gut so.

Der Papa-Monat und die Verbesserungen wurden positiv angesprochen. Das teile ich voll und ganz und werde nach wie vor dafür eintreten, dass wir ihn auch in der Privat­wirtschaft bekommen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.) Durch das Kinderbetreuungsgeldgesetz können wir ganz sichergehen, dass dieser Papa-Mo­nat, diese Frühkarenz ausfinanziert wäre. Wir könnten dann auch im öffentlichen Dienst den Vätern die Kinderbetreuungsgeldvariante bezahlen.

Wir haben viele Vereinfachungen und technische Anpassungen in dieser Dienstrechts­novelle vorgenommen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 87

Ich möchte noch kurz zu § 207b Stellung nehmen, weil mich das auch ganz besonders betrifft, weil ich möchte, dass niemand benachteiligt wird. Wir haben die Daten dem Si­cherheitsbericht 2012 entnommen, wo § 207a und 207b in Bezug auf die Anzeigen in der Kriminalstatistik ausgewertet wurden. Da zeigt sich in den letzten Jahren, die an­geschaut wurden, dass sich die Verurteilungspraxis verändert hat. Ältere Männer mit ganz jungen Frauen oder sogar Mädchen wurden öfter verurteilt als ältere Männer mit unter 16-jährigen Burschen.

Wir stehen jetzt vor der großen Herausforderung – das möchte ich vorab einmal an­kündigen –, dass wir durch eine EU-Richtlinie angewiesen sind, genau diesen Paragra­phen betreffend das Schutzalter der Minderjährigen auf 18 Jahre anzuheben. Wir ha­ben die Kinderrechte in der Verfassung verankert. Jetzt ist die große Frage: Kinder­rechte versus 207b, wer darf wen schützen? Das ist ein Paragraph, der nur bei Verur­teilung, wenn Unzucht mit Minderjährigen begangen wird, zum Tragen kommt. Bei Frei­willigkeit haben wir ohnehin auf 16 Jahre beiderlei Geschlechts angehoben. Da müs­sen wir uns noch Gedanken machen, wie wir das im Sinne aller hinbekommen. Ich möchte nur vorweg gesagt haben, dass das ansteht und in der nächsten StGB-Novelle von Kollegin Karl, die ohnehin im Anschluss kommen wird, ein Thema sein wird. Das war nur ein Ausflug, um ein bisschen darauf eingehen zu können, wie sich der § 207b von der Verurteilungspraxis her entwickelt hat und was noch an Veränderungen an­steht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen für die gute und konstruktive Zu­sammenarbeit danken, auch wenn es ein bisschen heißer hergegangen ist. Ich glaube trotzdem, dass das, was wir in der Dienstrechtsnovelle beschließen, im Sinne aller öf­fentlich Bediensteten ist. Wir konnten noch nie etwas gegen die öffentlich Bediensteten beschließen, denn jede Dienstrechtsnovelle wird selbstverständlich mit der Gewerk­schaft Öffentlicher Dienst vorverhandelt und soll immer konsensual sein. Es ist eigent­lich noch nie vorgekommen, dass wir gegen die Gewerkschaft eine Novelle beschlos­sen haben. Vielleicht gab es im Vorfeld das eine oder andere Mal einzelne Punkte, die sich dann auch als deeskalierend erwiesen haben. Bei dieser Dienstrechtsnovelle war das nicht der Fall, das sage ich gleich dazu.

Ich stehe nicht an, über weitere Verbesserungen im Sinne gleichgeschlechtlicher Paa­re, was den öffentlichen Dienst betrifft, nachzudenken – Dr. Alberer sitzt jetzt hier – und anzudenken, ob wir das in eine nächste Novelle bringen können.

Abschließend lassen Sie mich sagen, dass es eine positive Novelle ist. Es ist ein Lohnverzicht dagewesen, insofern wir keine Gehaltserhöhung beschlossen haben. Wir haben bei schweren Gewaltverbrechen durch den automatischen Amtsverlust gute Lö­sungen und auch positive Dinge wie den Papa-Monat, den unbedingten Rechtsan­spruch – da stehe ich total dafür – und viele Verbesserungen im Shared-Services-Be­reich und so weiter.

Daher kann ich alles in allem nur sagen: Dankeschön für die Zusammenarbeit hier im Bundesrat, aber auch Dankeschön allen öffentlich Bediensteten, die sich sehr vorbild­lich in Krisensituationen verhalten. Das möchte ich zum Abschluss noch zum Ausdruck bringen: Wirtschafts- und Finanzkrise, wir sind ein stabiler Faktor in dieser Republik. Wir – wenn ich das „Wir“ so sagen darf –, der öffentliche Dienst, für den ich verantwort­lich zeichnen darf, haben uns als krisensicher erwiesen. Ich glaube, das wird nicht nur in Zeiten wie diesen so sein, sondern auch in Zukunft. Wir entwickeln uns ständig wei­ter und schauen, dass unsere Bediensteten, deren Zahl ja nicht größer, sondern ge­ringer wird, alle Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung haben, ihre Arbeit gut zu ma­chen und das Service an der Bürgerin und am Bürger auch weiterhin so gut aufrecht­zuerhalten. – Vielen herzlichen Dank und schöne Feiertage! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.07

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 88

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.08.168. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, das Ehegesetz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Überein­kommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationa-
ler Kindesentführung und das Namensänderungsgesetz geändert werden (Kind­schafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 – KindNamRÄG 2013) (2004 d.B. und 2087 d.B. sowie 8845/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um den Bericht.

 


13.08.29

Berichterstatter Christian Füller: Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, das Ehege­setz, das Justizbetreuungsagentur-Gesetz, das Rechtspflegergesetz, das Gerichtsge­bührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Ok­tober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und das Namensänderungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung und darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt Frau Bundesminister Dr. Beatrix Karl sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.09.36

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Wir haben hier eine Regierungsvorlage, über die in wesentli­chen Punkten sehr lange verhandelt worden ist, genau genommen seit dem Jahr 2009.

Sie beinhaltet zum einen das Namensrechts-Änderungsgesetz, eine Änderung des Na­mensrechtes, womit einem Wunsch vieler Österreicherinnen und Österreicher entspro­chen worden ist, die es nie ganz verstanden haben, dass zum Beispiel gemeinsame Kinder nicht einen gemeinsamen Doppelnamen tragen können. Die Möglichkeit, dass einerseits Kinder einen Doppelnamen tragen dürfen und andererseits auch Eltern und Kinder einen gemeinsamen Doppelnamen tragen können, ist geschaffen worden. Ich finde, es ist völlig in Ordnung, dass man damit dem Wunsch einer großen Mehrheit entsprochen hat.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 89

Der zweite Teil – meiner Auffassung nach der wichtigere Teil – behandelt die Frage der Obsorgeregelung. Darüber unterhalten wir uns ja wirklich schon lange, und ich glaube, über diesen Teil ist besonders lange verhandelt worden. Das war ja auch zwischen den Regierungsparteien immer ein bisschen strittig. Die einen waren für die gemeinsame Obsorge – so wie wir auch seit Jahren – und die andere Seite war weniger dafür, sie hat da immer eine große Gefahr gesehen. Aber man hat sich auf etwas einigen kön­nen.

Das finde ich zu einem Teil wirklich gut. Auch wenn wir dieses Gesetz ablehnen wer­den, heißt das nicht, dass wir sagen: Alles an diesem Gesetz ist schlecht, alles ist furchtbar. Nein, es gibt durchaus gute Teile in diesem Gesetz, zum Beispiel die Aufhe­bung der Ungleichbehandlung lediger Väter und lediger Mütter. Das war uns auch schon lange ein Anliegen, wir haben dazu auch vor allem im Nationalrat viele Anträge gestellt. Das finde ich gut so.

Ich finde es gut, dass eine gemeinsame Obsorge unehelicher Eltern beim Standesamt beantragt werden kann, denn die Tatsache, dass man nicht verheiratet ist, bedingt ja nicht, dass man nicht gemeinsam für ein gemeinsames Kind sorgen kann. Auch gut ist, dass ledige Väter ein alleiniges Obsorgerecht beantragen können, so es Gründe gibt, warum es der Mutter nicht zugesprochen werden sollte. Allerdings – und das bleibt – bleibt das Kind ohne Einigung bei der Mutter. Das finde ich auch völlig in Ordnung.

Der wesentliche Grund, warum wir es ablehnen, ist, dass unserer Intention, die wir immer hatten, nämlich dass diese gemeinsame Obsorge generell im Gesetz verankert wird, nicht Rechnung getragen worden ist. Ich glaube zu wissen, warum: Der Kompro­miss wäre nicht zustande gekommen, weil die Positionen zu weit auseinander waren. Diese generelle Verankerung einer gemeinsamen Obsorge im Gesetz war uns wirklich ein Anliegen. Alleinige Obsorge gibt es nach wie vor dann, wenn es keine andere Mög­lichkeit gibt, also wenn man sich nicht einigen kann.

Wir hatten ja auch ein sehr interessantes Hearing zu diesem Thema, wo sehr viele Ex­perten geladen waren. Da hat es natürlich auch unterschiedliche Meinungen gegeben, wie das eben so ist, und das soll ja auch so sein. Das belebt die Demokratie und viel­leicht überlegt dann der eine oder andere, ob nicht ein anderer in bestimmten Punkten doch auch recht haben könnte. Es haben eben auch deutsche Experten über sehr po­sitive Erfahrungen gesprochen, was die gemeinsame Obsorge anbelangt. Daher haben wir das nicht ganz verstanden oder – sagen wir so – daher sind wir traurig, dass unse­rem Wunsch nicht Rechnung getragen wurde, dass sie generell im Gesetz verankert wird.

Zur Abkühlphase von sechs Monaten, die jetzt verordnet wird: Ich weiß, einige meiner Kollegen im Nationalrat haben das sehr kritisch gesehen. Ich denke mir, dass sie schon ein bisschen bringen wird. Ich hoffe zumindest, dass eine Deeskalation zwi­schen den Ehepartnern stattfinden kann. Meistens ist es ja so, dass bei einer Schei­dung alles aufgeheizt ist. Die Emotionen schießen ins Kraut und übers Ziel hinaus, und eigentlich möchte man in dieser Phase nur dem anderen irgendwie wehtun. Meistens verwendet man das Kind dafür – das Unschuldigste, das am wenigsten dafür kann, das das überhaupt nicht versteht, beide Eltern liebt und eigentlich möchte, dass alles so bleibt, wie es ist. Dann gibt es ein Herumgezerre um die Kinder, was dem Kind sicher­lich nicht guttut. Daher glaube ich, dass so eine Abkühlphase durchaus etwas bringen kann.

Damit sind wir auch schon beim Kindeswohl. Erstmalig ist ja auch im Gesetz definiert, was wir unter Kindeswohl verstehen. Den Begriff hat es immer gegeben, aber nie­mand hat genau gewusst oder jeder hat andere Vorstellungen davon gehabt, was das Kindeswohl eigentlich ist. Es ist auch richtig so, das Hauptaugenmerk darauf zu legen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 90

90 Prozent aller Scheidungen sind ja relativ unproblematisch. 10 Prozent sind die, die wir dann mit dem Namen „Rosenkrieg“ bezeichnen, wo es wirklich hart auf hart geht. Es ist natürlich entsetzlich, wenn die Kinder diejenigen sind, auf deren Rücken das letzten Endes ausgetragen wird.

Es bleiben auch noch einige Fragen offen. Was noch offen bleibt, ist die Frage, ob den Vätern dann auch wirklich Gerechtigkeit widerfahren wird. Wir haben leider in der Ver­gangenheit schon öfter erlebt, dass die Väter hinten angestanden sind. Wir reden nicht von jenen Vätern – die es natürlich auch gibt –, die sich ihrer Verantwortung entziehen und eigentlich mit den Kindern gar nichts mehr zu tun haben wollen, sich nicht darum kümmern, den Kontakt nicht suchen, aber wenn es um eine Rechtsstreitigkeit geht, das Kind sehr wohl auch als Waffe einsetzen. Das ist, glaube ich, wirklich eine Minderheit. Die Mehrheit der Väter möchte auch bei einem Trennungsverfahren weiterhin den Kontakt zu den Kindern behalten. Da hat es leider schon sehr viele traurige Situationen gegeben, wo das für die Väter nicht so selbstverständlich war, weil die Mütter versucht haben, mit dem Kind als Druckmittel die Väter fernzuhalten, weil sie mit ihnen eine of­fene Rechnung hatten. Daher ist es wirklich wichtig, dass darauf Bedacht genommen wird und immer daran gedacht wird, dass Kinder nicht nur Mütter, sondern auch Väter haben.

Was auf jeden Fall wichtig ist, ist, dass die Verfahren schneller werden. Das ist im Ge­setz drinnen, und Sie haben bei Ihrer Rede im Nationalrat ja gesagt, dass es 93 Plan­stellen mehr geben wird. Hoffen wir, dass das ausreicht. Es wäre schon wesentlich, dass die Verfahren schneller abgewickelt werden, um diese Kontaktrechte regeln zu können und möglich zu machen.

Was ich bedauerlich finde, ist, dass ein neues Unterhaltsrecht nicht gleich mitverhan­delt worden ist. Ich denke, wenn man drei Jahre über ein Gesetz verhandelt, hätte man vielleicht das Unterhaltsrecht gleich mit hineinnehmen sollen. Das ist auch eine offene Baustelle, über die wir uns schon oft unterhalten haben.

Das heißt also: Nach meinem Dafürhalten sind durchaus gute Ansätze und gute Sa­chen in diesem Gesetz drinnen. Es bleiben aber einige Fragen noch offen. Die gemein­same Obsorge als Regelfall habe ich schon angesprochen, und das ist einer der Grün­de, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.17.42

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich danke zunächst einmal Kollegin Mühl­werth für die objektiven Ausführungen zu diesem Thema.

Ich füge hinzu, dass wir die gemeinsame Obsorge Gott sei Dank immer noch in der Mehrzahl der Fälle haben, nämlich wenn zumindest einmal geheiratet worden ist. Dass es bei den Unverheirateten nicht geschieht, hat vielleicht die Wurzel im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, das ja noch immer anordnet, dass die Ehe als Zweck die Gründung einer Familie und das Kinderkriegen hat. Vielleicht muss man dort bei der Wurzel des Gesetzes einmal ansetzen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war ja okay, aber die Zeiten haben sich geändert!) – Richtig, die Zeiten haben sich geändert.

Wir haben mit diesem Gesetz, glaube ich, einen Boden betreten, der für die Politik un­heimlich schwierig ist. Erstens einmal, weil wir idealerweise etwas regeln sollen, das alles andere als ideal ist. Es ist nämlich eine Partnerschaft in die Brüche gegangen. Zum Zweiten marschieren wir mit staatlicher Ordnung ins Familienleben hinein. Das


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heißt, wir müssen tatsächlich Menschen, die zumindest einer hohen emotionalen Be­lastung ausgesetzt sind, vorschreiben, was sie zu tun haben und wo Kinder hinzu­gehen haben. Das ist, wenn man sich das in der Praxis anschaut, ein unheimlich schwieriges Gebiet.

Was wir bisher in diesem Bereich gehabt haben, waren mengenweise Emotionen und unheimlich lange Verfahren. Wenn um Kinder gestritten worden ist, dann hat ein Gut­achter den anderen gejagt. Dann hat es Monate gedauert, bis man die Gutachten be­kommen hat. Dann hat es Monate gedauert, bis man einen Termin zur Erörterung des Gutachtens bekommen hat. Die ganze Situation ist in dieser Zeit nur noch viel weiter eskaliert, es ist ja dadurch nicht besser geworden.

In diesem Punkt setzt diese Gesetzesnovelle andere und bessere Maßstäbe. Zum ei­nen glaube ich, dass der Ausbau der Familiengerichtshilfe einmal grundsätzlich eine Vorstufe darstellt, bei der wir gröbste Emotionen abfangen können und wir sondieren können, ob es denn Möglichkeiten abseits des Gerichtes gibt. – Das ist Teil eins.

Teil zwei – und das ist sicher auch ein Punkt, den ich hier hereinbringen will –: Ich ha­be darüber gelesen, und Kollege Schreuder wird uns das nachher, nehme ich an, wort­gewaltig ausführen, dass die Grünen gesagt haben, wir brauchen noch eine Schlich­tungsstelle. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Herr Steinhauser hat gesagt, er hat den Journalisten irgendein Modell einer Schlich­tungsstelle vorgestellt, und die waren alle begeistert. Es wäre schön gewesen, wenn er das auch den Richtern und Anwälten vorgestellt hätte – ich weiß nicht, ob er da die gleichen Begeisterungstürme geerntet hätte.

Zur Schlichtungsstelle sage ich jetzt präventiv, sozusagen antizipierend auf Ihre Rede, Herr Kollege, erstens: Familiengerichtshilfe. – Wenn wir das ausbauen, dann wird das vielleicht so etwas Ähnliches werden.

Du kommst ums Gericht nicht herum. Wo vorher nichts hilft, braucht man in der Ge­schichte irgendwann einen Richterspruch. Das ist zwar tief bedauerlich, aber es ist so. Jetzt möchte ich auch eine Lanze für unsere Richterinnen und Richter in diesem Be­reich brechen, und das ist eine persönliche Berufserfahrung von mir: Die sind mittler­weile perfekt geschult, diese Dinge in fast mediatorischer Art und Weise hinzubekom­men!

Wenn man überhaupt dort landet, ist es schon sehr schwer, sich dem Mediationsver­such einer Richterin/eines Richters zu entziehen. Dort sitzen meist ein paar vernünftige Leute am Tisch. Auch Anwälte sind nicht nur böse, kämpferische Naturen, sondern ab und an durchaus bemüht, den Klienten zu einem ordentlichen Erfolg – und der Erfolg in diesem Fall ist nicht eins zu null, denn das gibt es nicht – zu verhelfen.

Wir alle wissen – darüber brauchen wir nicht zu reden, das ist oft genug gesagt wor­den –, es gibt einen Einzigen, der leidet. Wenn ich mich mit einem Partner so weit zer­stritten habe, dass ich ihm nicht mehr in die Augen sehen kann, dann ist es mir wurscht, ob ich ihn sehe oder nicht. Aber das Problem ist: Wo ist das Kind? Sehe ich das Kind? Habe ich das Kind? Und: Was hat das Kind? Daher ist die Überschrift der Novelle, nämlich „Kindeswohl“, grundsätzlich richtig.

Bei den Richtern gibt es mittlerweile exzellente Familienrechtsexperten, die sehr darauf geschult sind, Einigungen herbeizuführen. Da habe ich großes Vertrauen. Es ist ihnen jetzt auch die Möglichkeit der Verfahrensverkürzung in die Hand gegeben worden. Es ist den Richtern zu Recht das eine oder andere Mittel einer Anordnung mitgegeben worden, also dass sie Familienberatung anordnen können und all diese Dinge, zum Teil auch Familienberatung, die nicht bei Gericht ist – es gibt da mittlerweile schon sehr viele Institutionen.


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Man muss fast ein bisschen aufpassen, dass diese Sozialinstitutionen nicht überhand­nehmen: Wenn man zu einer Verhandlung geht, und dann ist da der Anwalt des Kindes und Hilfen bei Obsorge- und Jugend-Fragen, dann kann es passieren, dass der Ge­richtssaal einmal zu klein wird, wenn man sich mit seinen Klienten und dem Richter dort treffen will und alle möglichen Begleitpersonen auch dabei sind. Aber wenn das eine Struktur bekommt, so hat das seine Richtigkeit, und wenn es einen Streit vermei­den kann, hat es das auch.

Es ist, glaube ich, auch der Beginn eines Weges, wo die Politik sich einstellen musste auf diesen Nicht-Idealzustand der Gesellschaft, und zwar vielleicht – sage ich einmal vorsichtig – ein bisschen nachhinkend, aber doch, und jetzt sehr entschieden.

Ich weiß noch nicht, ob es gut ist, dass man sich nicht eingehender damit beschäftigt hat, dass Kinder mit dem die Obsorge habenden, mit dem Aufenthalt habenden Eltern­teil unendlich weit wegziehen können, ohne dass sich einer dagegen wehren kann, ich halte das auch aus Sicht des Kindes für ein Thema, das man noch einmal wird be­sprechen müssen, ich glaube aber auch, dass wir in diesem Bereich grundsätzlich am Anfang einer Rechtsentwicklung stehen, die sicher nicht aufhören wird.

Man muss jetzt einmal beobachten, was aus diesem sehr, sehr positiven Ansatz ge­macht wird: wie er sich weiterentwickelt, wie die Gerichte ihn annehmen, wie die Men­schen, die davon betroffen sind, ihn annehmen. Das ist ein Weg, den wir scharf beob­achten müssen, und vielleicht wird man auch da oder dort nachschärfen müssen, aber ich glaube, dass der Ansatz einmal gut ist, dass der Familienrichter, wenn er denn ein­geschaltet werden muss, verschiedene Möglichkeiten hat, einen Streit zu schlichten.

In diesem Sinn sind diese Obsorgeregelung und die vielen anderen Gesetzesänderun­gen grundsätzlich positiv. Es ist ein Anfang gemacht, von dem ich glaube, dass er uns, nämlich allen rechtspflegenden Personen und allen in rechtlichen Berufen, helfen wird, die eine oder andere Streitigkeit nicht eskalieren zu lassen, und jenen, die tatsächlich ein Gericht brauchen, zu jenen entsprechend kurzen, prägnanten und fundierten Ver­fahren zu verhelfen, die sie benötigen, damit in dieser Sache Lösungen in den Konflik­ten gefunden werden können. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Dönmez.)

13.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.24.19

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Es ist eine Premiere im Bundesrat, dass ich eine Antwort bekommen habe, bevor ich eine Rede halte. Das fand ich sehr originell, aber Sie haben das richtig erkannt: Ja natürlich werde ich jetzt ein Plädoyer für die Schlichtungsstelle halten.

Kein Zweifel, die Grünen und ich, wir sind davon überzeugt, dass es bei der Schlich­tungsstelle keine Frage ist, ob sie kommt, sondern wann. Ich gebe das wirklich offen zu. Ich bin davon überzeugt, dass sie irgendwann einmal kommen wird, weil es einfach eine vernünftige Lösung ist. Man heiratet ja auch nicht vor Gericht. (Bundesrat Mag. Fürlinger: Auch nicht in der Schlichtungsstelle! – Allgemeine Heiterkeit.) – Manch­mal sind die Schwiegereltern mehr Schlichtungsstelle, als sie glauben. (Bundesrat Mayer: Dann überlegst du’s dir vorher! – Neuerliche allgemeine Heiterkeit.) – Dann überlegt man es sich vielleicht noch einmal, ja. – Aber jetzt im Ernst.

Ein Gericht ist aus unserer Sicht ein Ort, wo sozusagen die allerletzte Möglichkeit eines Spruches passieren soll, wenn keine Einigung passieren kann. Wir sind davon über­zeugt, dass eine Einigung auf anderen Wegen möglich ist eben durch so eine Schlich­tungsstelle.


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In Deutschland – ich habe das in dem Zwischenruf ja schon gesagt –, gibt es das, und 90 Prozent der Fragenstellungen, der Streitigkeiten oder was auch immer, wenn es darum geht, wie man eine Obsorge regelt, werden vorab mediativ in einer Schlich­tungsstelle erledigt und nicht vor Gericht. Nur 10 Prozent kommen dann schlussendlich vor Gericht.

Ja, manchmal ist auch das notwendig. Das ist so. Wenn alles so zerrüttet ist, dass auch eine Mediation nichts mehr bringt, dass gar keine Einigung zustande kommen kann, dann wird ein Gericht notwendig sein. Aber wir sind davon überzeugt, dass das anders geht.

Es gibt ja, und das möchte ich der Frau Ministerin auch zugutehalten – wie heißt das jetzt so schön? (der Redner blättert in seinen Unterlagen) – die Familiengerichtshilfe. Ich muss immer nachschauen. Bei der Familiengerichtshilfe ist sozusagen die Idee der Schlichtungsstelle aufgenommen, ohne dass es eine Schlichtungsstelle ist. Aber das bleibt bei Gericht, das heißt, man muss nach wie vor zu Gericht gehen.

Sie jammern ja selber sehr oft, dass es einen Personalmangel gibt, dass die Gerichte wahnsinnig viel Arbeit haben, dass Richterinnen und Richter quasi im Akkord Dinge erledigen müssen. Eine Schlichtungsstelle wäre auch eine Möglichkeit gewesen, da zu entlasten, wenn nur noch 10 Prozent solcher Streitigkeiten, wie es in Deutschland der Fall ist, vor Gericht kämen.

Ich möchte allerdings noch einen anderen Aspekt aus diesem Familienrechtspaket auf­greifen. Ich werde heute dreimal – beziehungsweise habe ich es einmal schon getan, und ich werde es jetzt noch zweimal machen – auf die unterschiedliche Behandlung von eingetragener Partnerschaft und Ehe eingehen. Ich mache das heute bewusst so deutlich, und zwar nicht nur, weil ich 2010 einer der großen Wortführer und Demons­tranten war, die gegen ein eigenes Ghettogesetz für Lesben und Schwule waren, son­dern weil ich immer gesagt habe: Wir brauchen dieselben Rechtsgrundlagen, die für al­le gleich gelten, weil es Gleichbehandlung nicht nur ein bisschen geben kann, sondern nur ganz oder gar nicht.

Hier haben wir das wieder, wobei – das ist ja auch etwas Positives; damit kann ich gleich mit etwas Positivem beginnen – dieser Gesetzentwurf auch tatsächlich eine Ver­besserung für eingetragene Partner und Partnerinnen vorsieht, nämlich bei Obsorge­angelegenheiten des täglichen Lebens, bei der Vertretung der Partnerin oder des Partners, der oder die aus welchen Gründen auch immer verhindert ist. Da geht es zum Beispiel um Entschuldigungen für die Schule, darum, dass das Kind zur Oma ge­geben wird, die aufpasst, da geht es zum Beispiel um das Abholen vom Kindergarten, zum Beispiel um nicht so schwerwiegende medizinische Eingriffen.

Bei diesen alltäglichen Erledigungen kann jetzt der eingetragene Partner oder die ein­getragene Partnerin den Partner beziehungsweise die Partnerin vertreten, allerdings nicht das Kind. Das bleibt rechtlich in Österreich ausschließlich bei der Ehe und gilt nicht für eingetragene Partner und Partnerinnen. Und was wir von Anfang an gesagt haben, nämlich dass die zwei verschiedenen Gesetzesmaterien bei allen Novellen, die dann in all den Jahren folgen werden, Ungleichbehandlungen beinhalten werden und dass das zu Megaproblemen führen wird, zu komplizierten Konstrukten, bewahrheitet sich einmal mehr.

Gleichzeitig begrüßen wir ausdrücklich die Liberalisierung im Namensrecht. Das ist heute nämlich noch gar nicht angesprochen worden – oder habe ich es überhört? Nun gut, wir begrüßen also ausdrücklich die Liberalisierung im Namensrecht und finden sie gut. Aber auch hier – leider, leider! – gibt es für Ehepartner und Ehepartnerinnen jetzt viel mehr Möglichkeiten, Doppelnamen, Einzelnamen, wie auch immer sie sich das wünschen, zu führen, bei eingetragenen Partnern und Partnerinnen gilt das – Sie wer­den erraten haben – nicht.


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Nur ein Teil einer Partnerschaft darf einen Doppelnamen tragen, der andere Partner beziehungsweise die andere Partnerin darf das nicht. Auch das ist eine nicht zu er­klärende Ungleichbehandlung, die ausschließlich als Schikane anzusehen ist. Warum? Können Sie mir vielleicht sagen, warum es diese Ungleichbehandlung gibt? Ich würde Sie bitten, mir das zu erklären, denn ich verstehe es de facto nicht.

Die ÖVP verstehe ich in dieser Frage schon lange nicht, und ich finde es auch sehr schade, dass die SPÖ sich da nicht stärker durchsetzen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.30.43

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Österreich hat sich die Familienstruktur grundle­gend geändert. Wir haben das Idealbild der Familie nicht mehr. Wir haben Patchwork­familien, Regenbogenfamilien, AlleinerzieherInnen und Lebensgemeinschaften.

Ich möchte sogar sagen, dass das Idealbild der Familie mit Vater, Mutter, Hund, Haus, samstags Straßenkehren Druck auf die Familien ausübt. Daher ist es für mich beson­ders begrüßenswert, dass wir mit diesem Gesetz einen Schritt in die richtige Richtung machen, um wirklich zu zeigen, dass wir dazu stehen, dass es auch andere Formen der Lebensgemeinschaft gibt.

Es ist heute schon gesagt worden: Es geht um 10 Prozent der Scheidungen; 90 Pro­zent werden einvernehmlich geschieden. Diese 10 Prozent sind, in Zahlen ausge­drückt, zirka 2 000 Scheidungen, die es gibt, aber diese 2 000 Paare, diese 2 000 oder mehr Kinder brauchen unsere Hilfe.

In Österreich ist es schon seit 2001 möglich, die gemeinsame Obsorge zu beantragen. Das machen auch schon sehr viele Familien, und ich glaube, dass für diese Familien – bei diesen 90 Prozent, nämlich den einvernehmlichen Scheidungen, wird, glaube ich, in mehr als 50 Prozent der Fälle die gemeinsame Obsorge beantragt – die gemeinsa­me Obsorge etwas sehr Positives ist.

Ich bin sehr, sehr froh darüber, dass die gemeinsame Obsorge keine Zwangsobsorge geworden ist, denn – auch wenn von der FPÖ betont wird, wie wichtig das Kindeswohl ist –, es hätte den Familien geschadet, wenn es eine gemeinsame Zwangsobsorge ge­geben hätte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Es ist – auch das ist heute schon gesagt worden – das Kindeswohl erstmals im Ge­setz definiert. Das Wohl des Kindes ist nicht nur als Fürsorge definiert, sondern es ist auch – und das freut mich natürlich sehr – als Wertschätzung, Akzeptanz des Kindes und auch als Berücksichtigung der Meinung des Kindes definiert.

Ganz klar ist, dass die Eltern Verantwortung tragen. Eine Elternschaft ist nicht kündbar. Eltern tragen die Verantwortung, und es muss für die Kinder selbstverständlich sein, dass sie sich darauf verlassen können. Wir brauchen da mehr Unterstützungen für die Kinder, das ist richtig. (Präsident Keuschnigg übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Familiengerichte sind schon angesprochen worden. Dazu gibt es jetzt schon Pilot­projekte, und das wird auf ganz Österreich ausgedehnt. Ich kenne diese Pilotprojekte nur vom Nachlesen, kenne leider keines aus der Praxis.

Diese sechsmonatige Abkühlphase oder Probephase ist ganz sicher etwas sehr Wich­tiges.

Die 93 Planstellen, die schon angesprochen wurden, gelten für das ganze Justizmi­nisterium, nur ein Teil betrifft den Bereich Familien.


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Was mir noch wichtig ist: Es wird Schulungen geben, und diese Schiedsgerichtsstelle, die angesprochen wurde, wo jetzt eben die Familiengerichtshilfe ist, wird nicht von den Richtern ausgefüllt, sondern von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und Psycho­loginnen und Psychologen. (Bundesrat Dönmez: Und MediatorInnen!) Das ist für mich noch wichtig, denn das ist für mich dann auch leichter zu vertreten.

Es ist ganz wichtig, dass die Stelle dieser Familiengerichtshilfe nicht von den Richtern ausgefüllt wird, sondern von Psychologinnen und Psychologen, und dass dann sehr gut und vor allem schnell Hilfe gegeben wird.

Es sollte wirklich – die Kollegin Mühlwerth hat es angeschnitten – keine Ungerechtig­keit geben, weder gegenüber den Vätern noch gegenüber den Müttern. Ich sage das, weil Sie so herausgestrichen haben, dass die Väter so ungerecht behandelt werden. Auch Mütter werden sehr oft ungerecht behandelt und stehen alleine da. Das Wichtige ist bei diesem Gesetz die Gemeinsamkeit: dass für die Kinder, für das Wohl der Kinder Vater und Mutter da sind, dass sie sich gut vertreten fühlen und professionelle Unter­stützung bekommen, dass also kein Geschlechterkrieg geführt wird.

Dieses Thema wird ja sehr emotional diskutiert. Jeder von uns herinnen kennt einen Fall, wo es bei der Scheidung bei einem Rosenkrieg zu Szenen gekommen ist, wo ein Kind leiden musste. Das wissen wir alle, das kennen wir. Ich glaube daher, dass das eine ganz wichtige Sache ist, wenn wir wirklich bei diesem Gesetz bleiben.

Den Kinderbeistand gibt es in Österreich seit 1. Juli 2010. Der Kinderbeistand ist für mich eine ganz wichtige Einrichtung. Ich glaube nur, dass es da mehr Information be­darf, dass er besser eingesetzt werden muss, dass er aber auch einer besseren Aus­stattung mit Ressourcen bedarf. Ich glaube, dass der Kinderbeistand in solchen Schei­dungsverfahren etwas ganz Wichtiges ist, und ich würde mir da wirklich mehr Info wün­schen.

Ich bin als Kinderfreunde-Funktionärin auch mit den Themen Elternbildung und Be­suchsbegleitung betraut. Dazu möchte ich anmerken, dass die Besuchsbegleitung – das habe ich beim letzten Mal schon gesagt – eine wirklich hilfreiche Institution ist, dass sie zurzeit aber keine Lösungen aufzeigen kann.

Die Besuchsbegleitung wird von Bundesminister Hundstorfer bezahlt beziehungsweise finanziell unterstützt. Wir betreiben auch diese Besuchsbegleitung. Diese ist nötig bei Konflikten, wenn Mutter und Vater überhaupt nicht mehr miteinander sprechen können. Dann bringt beispielsweise die Mutter das Kind, 10 Minuten später kommt der Vater zur Besuchsbegleitung und verbringt mit dem Kind den Nachmittag. Das heißt, die El­ternteile sehen einander nicht.

Das ist eine sehr gute und sehr wichtige Einrichtung, und ich stehe zu dieser Einrich­tung, ich glaube aber, dass wir mit dieser Familiengerichtshilfe jetzt einen Schritt weiter gehen können, um wirklich zu Lösungen zu kommen. Da würde ich mir wünschen, dass die Erfahrungen dieser Besuchsbegleiterinnen und Besuchsbegleiter auch mit einfließen würden, dass man sich das auch anhört.

Die Elternbildung habe ich erwähnt.

Die Schlichtungsstelle habe ich ebenfalls schon erwähnt. – Auch mir tut es sehr leid, dass es sie jetzt noch nicht gibt. Ich bin aber davon überzeugt – und es hat mich sehr gefreut, dass auch Kollege Schreuder das gesagt hat –, dass die Frage nur mehr lau­tet, wann sie kommen wird. Es ist ein Hoffnungsschimmer, und ich hoffe auch.

Mediation und Besuchsvermittler haben wir schon erwähnt.

Was für mich noch sehr, sehr wichtig ist, ist, dass es keine gemeinsame Obsorge gibt, wenn es Gewalt in der Familie gibt, und zwar gilt das nicht nur bei Gewalt gegen das


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Kind, sondern auch bei Gewalt gegen die Frau. – Wenn es Gewalt in der Familie gibt, wird es keine gemeinsame Obsorge geben! Ich glaube, dass das sehr, sehr wichtig ist, weil einige Familien leider davon betroffen sind.

Ich habe mir auch das Stichwort Namensrecht aufgeschrieben, aber dazu brauche ich nicht mehr allzu viel zu sagen, weil Kollege Schreuder schon sehr viel gesagt hat. Ich wünsche mir nur beim Namensrecht, dass wir, wenn es geändert wird, auch bei den Lesben oder Schwulen diesen Bindestrich möglich machen, weil ich glaube, dass so­gar  (Bundesrat Schreuder: Ist schon aufgehoben worden!) – Ist schon aufgehoben worden? Super! Gut, dann hat sich das erledigt. Danke, ein Wunsch erfüllt, so kurz vor Weihnachten, das ist schön!

Für die Evaluierung wünsche ich mir, dass wir wirklich effektiv daran arbeiten. Ich glau­be, dass wir da einen Schritt in die richtige Richtung machen und ganz sicherlich 2017 bei der Evaluierung auch weitere Schritte zum Wohle des Kindes setzen können. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.38


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


13.38.12

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es wurde bereits angesprochen, dass sich die Zeiten geändert haben und dass sich damit natürlich auch die familiären Struk­turen geändert haben. Es war mir völlig klar, als ich vor etwas mehr als eineinhalb Jah­ren mein Amt als Justizministerin angetreten habe, dass für mich die Schaffung eines modernen Familienrechts, eines modernen Kindschaftsrechts und Namensrechts ganz große Priorität haben wird.

Deshalb war es mir auch immer wichtig, in diesem Bereich Akzente zu setzen, denn eines ist klar: Wenn sich die Eltern nicht mehr einigen können, dann sind es meistens die Kinder, die die Leidtragenden sind, und es sind die Kinder, die sehr häufig Opfer dieser Beziehungskonflikte sind. Da muss man einmal Abhilfe schaffen, da muss man vor allem die Kinder ganz besonders unterstützen.

Um all den Herausforderungen, die sich hier in diesem Bereich ergeben, auch gerecht werden zu können, war mir von Anfang an wichtig, dass es sich um ein umfassendes Paket handelt und dass es nicht bloß darum gehen kann, das Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes und das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte umzusetzen. Das wäre meines Erachtens viel zu kurz gegriffen. Deshalb habe ich auch ein umfassendes Familienrechtspaket auf den Tisch gelegt, das Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt.

Ich möchte mich auch ausdrücklich noch einmal bei meiner Regierungskollegin Ga­briele Heinisch-Hosek bedanken für die sehr konstruktiven Gespräche, die wir geführt haben. Es ist uns gemeinsam gelungen, da wirklich einen großen Wurf zu präsentie­ren, nämlich einen großen Wurf in dem Sinn, dass es sich eben, wie ich bereits gesagt habe, um ein modernes Familienrecht handelt, und zwar um ein Familienrecht, das das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt, denn das ist für mich einfach der Kernpunkt des Familienrechtes.

Deshalb betone ich auch immer, dass es hier nicht um ein Vätergesetz oder um ein Müttergesetz geht, sondern dass das Kind und das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Das war auch der Fokus bei dieser Gesetzesreform.

Es ist bereits von mehreren Rednern angesprochen worden, dass wir das Kindeswohl erstmals ausführlich definiert haben. Diese ausführliche Definition des Kindeswohls halte


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ich für ganz, ganz wichtig, weil sie eine ganz zentrale Entscheidungsgrundlage für die Familienrichterinnen und Familienrichter darstellt.

Insgesamt ist es mir sehr stark darum gegangen, die Verfahren zu beschleunigen. Auch darauf wurde hingewiesen. Ich habe immer wieder von Betroffenen, die eine sol­che Auseinandersetzung erlebt haben, gehört, dass sie es als ganz schlimm emp­funden haben, dass die Verfahren ihrer Meinung nach zu lange gedauert haben. Ich habe immer wieder gehört, dass es dann zu einer Entfremdung zwischen einem Eltern­teil und dem Kind kam. Deshalb war es mir ganz wichtig, Akzente zu setzen, um die Verfahren tatsächlich beschleunigen zu können. Das bedeutet für mich, zuallererst zu versuchen, möglichst rasch zu einer gütlichen Einigung, zu einer einvernehmlichen Lö­sung zu kommen.

Es war mehrfach von Schlichtungseinrichtungen die Rede und die Rede davon, dass man die Konflikte ja nicht nur durch einen Richter bewältigen kann. Das stimmt schon. Es geht ja um Beziehungskonflikte, bei denen es wichtig ist, dass sich zum Beispiel Psychologen im Rahmen der Familiengerichtshilfe damit beschäftigen. Das ist der Sinn und Zweck der Familiengerichtshilfe. Dort sind Psychologen und Psychologinnen, So­zialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pädagogen und Pädagoginnen tätig. Es entschei­det nicht ein Richter oder eine Richterin, sondern zuerst sind die Familiengerichtshel­ferinnen am Zug, und die Familiengerichtshelfer und -helferinnen haben die Funktion, zu versuchen, soweit wie möglich eine rasche Einigung zwischen den Eltern zu erzie­len.

Dort, wo das nicht funktioniert, muss es dann natürlich ein Gerichtsverfahren geben, das muss dann durchgezogen werden. Aber auch dabei haben die Familiengerichts­helfer und -helferinnen eine wichtige Funktion, da die Psychologen und Psychologin­nen gutachtensähnliche Stellungnahmen abgeben können. Auch das führt zu einer Be­schleunigung der Verfahren.

Die Beschleunigung der Verfahren soll auch dadurch bewirkt werden, dass wir mehr Möglichkeiten von vorläufigen Entscheidungen vorgesehen haben, damit man nicht mehr so lange auf endgültige Entscheidungen warten muss. Daher soll auch die Mög­lichkeit von verstärkten vorläufigen Entscheidungen bestehen.

Außerdem haben wir vorgesehen, dass die Familienrichter und Familienrichterinnen verpflichtende Maßnahmen anordnen können, wie zum Beispiel das verpflichtende Erstgespräch mit einem Mediator oder einer Mediatorin oder den Besuch einer Schlich­tungsstelle. Diese Möglichkeiten sind in diesem Paket auch ausdrücklich vorgesehen.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang Folgendes – das möchte ich insbesondere erwähnen, weil Frau Bundesrätin Posch-Gruska auf die Besuchsbegleitung hingewie­sen hat –: Wir sehen in diesem Familienrechtspaket auch das Modell eines Besuchs­mittlers vor. Der Besuchsmittler hat die Funktion, den Eltern dabei zu helfen, das Be­suchsrecht, das in Zukunft Kontaktrecht heißen wird – darauf gehe ich noch ein –, in der Praxis auch wirklich umzusetzen.

Häufig scheitert die Wahrnehmung des Kontaktrechtes daran, dass die Eltern – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage sind, dieses in der Praxis auch tat­sächlich umzusetzen und zu leben. Der Besuchsmittler soll den Eltern dabei helfen, dieses Kontaktrecht im Alltag auch wirklich wahrzunehmen.

All das soll, wie gesagt, helfen, Verfahren zu beschleunigen und beim Kontaktrecht auch das umzusetzen, was vereinbart worden ist.

Der zweite Punkt, der mir sehr wichtig war, ist, für die Kinder so weit wie möglich Kon­tinuität zu wahren, und zwar Kontinuität sowohl im Hinblick auf die Obsorge als auch im Hinblick auf das Kontaktrecht.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 98

In Bezug auf die Obsorge stellte sich als große Neuerung dar, dass künftig auch im Be­reich von streitigen Trennungen, streitigen Scheidungen die Möglichkeit bestehen wird, dass der Familienrichter/die Familienrichterin beiden Eltern die gemeinsame Obsorge auferlegt. Im Moment ist es ja so, dass im Falle von streitigen Scheidungen nur ent­weder der Vater oder die Mutter mit der alleinigen Obsorge betraut werden kann. Künf­tig besteht quasi als dritte Entscheidungsmöglichkeit für den Richter/die Richterin die Möglichkeit, beide Elternteile mit der gemeinsamen Obsorge zu betrauen. Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt, weil ich der Meinung bin, dass es für das Kind in der Regel am besten ist, wenn beide Elternteile – Vater und Mutter – mit der Obsorge be­traut sind.

Natürlich wird es Fälle geben, in denen das nicht die beste Lösung ist. Es war bereits von Gewaltfällen die Rede. Wo Gewalt im Spiel ist, wird natürlich die alleinige Obsorge des anderen Elternteils die sinnvollere Lösung sein. Das ist völlig klar. Aber darüber entscheidet dann ein Richter/eine Richterin. Ich halte es jedenfalls für sehr gut, dass hier nunmehr diese zusätzliche Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge besteht, und bin überzeugt davon, dass das künftig dazu führen wird, dass die gemeinsame Obsor­ge zum Regelfall wird.

Der Richter/die Richterin hat in solchen streitigen Fällen die Möglichkeit, sofern es nicht dem Wohl des Kindes widerspricht, die sechsmonatige „Phase der vorläufigen elterli­chen Verantwortung“ anzuordnen. Das läuft folgendermaßen ab: Wenn sich die Eltern nicht über die Obsorge einig werden können, dann kann diese sechsmonatige „Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung“ eintreten. Dabei bleibt die momentan gelten­de Obsorgeregelung aufrecht, und es werden beide Elternteile damit betraut, Verant­wortung für das Kind zu übernehmen.

Beide Elternteile müssen – und das ist der springende Punkt – Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind wahrnehmen. Beide Elternteile müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Am Ende dieser Phase hat dann der Richter/die Richterin eine sehr gute Grundlage, zu entscheiden, wie es mit der Obsorge weitergehen soll. Hat sich gezeigt, dass es die Eltern gut schaffen, gemeinsam Verantwortung für das Kind zu überneh­men, dann wird es natürlich am sinnvollsten sein, auf gemeinsame Obsorge für beide Elternteile zu entscheiden. Wenn sich allerdings gezeigt hat, dass ein Elternteil nicht bereit ist, seine Pflichten wahrzunehmen, vielleicht nur Rechte haben will, aber keine Pflichten, dann wird das nicht gehen, und das wird ihm dann bei der Obsorgeentschei­dung negativ ausgelegt werden – völlig klar!

Sie sehen, wir sind wirklich sehr bemüht, eine gute Entscheidungsgrundlage für die Richterinnen und Richter zu schaffen. Auch hier kann natürlich die Familiengerichtshil­fe einbezogen werden – völlig klar!

Bezüglich der Obsorge möchte ich auch noch kurz die Situation der unehelichen Väter erwähnen. Ich habe ja bereits erwähnt, dass es ein Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gab und dass Österreich verurteilt worden ist, weil uneheliche Väter im Vergleich zu den Müttern diskriminiert wurden, weil sie gegen den Willen der Mutter keine Möglichkeit hatten, die Obsorge überhaupt zu beantragen.

Künftig haben auch uneheliche Väter ein Antragsrecht – auch gegen den Willen der Mutter. Es liegt dann wieder an einem unabhängigen Richter/einer Richterin, zu ent­scheiden: Was ist tatsächlich die beste Lösung für das Kind? Was entspricht dem Kin­deswohl am beste: Ist es die alleinige Obsorge eines der beiden Elternteile, oder ist es die gemeinsame Obsorge? – Diese Entscheidung kann künftig auch ein unehelicher Vater gegen den Willen der Mutter an das Gericht herantragen.

In diesem Zusammenhang ist auch noch eine bürokratische Erleichterung zu erwäh­nen: Künftig kann im Falle eines unehelichen Kindes die gemeinsame Obsorge nicht


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 99

nur bei Gericht beantragt werden, wie es heute der Fall ist, sondern auch beim Stan­desamt, zum Beispiel gleich mit dem Vaterschaftsanerkenntnis miterledigt werden. Es müssen dabei natürlich beide Elternteile – Vater und Mutter – die gemeinsame Obsor­ge wollen und dies beim Standesamt bekanntgeben.

Ein weiterer Punkt ist – ich habe es bereits angesprochen – die Kontinuität beim Be­suchsrecht. Künftig soll das Besuchsrecht „Kontaktrecht“ heißen, und zwar „Kontakt­recht“ deshalb, weil ich nicht will, dass ein Elternteil nur ein bloßer Besucher seines Kindes ist. Das ist zu wenig. Es soll jeder Elternteil ein Recht auf Kontakt mit seinem Kind haben – wie gesagt, klarerweise immer nur so weit, wie das dem Wohl des Kin­des entspricht. Es soll auch viel klarer zum Ausdruck kommen, dass damit Rechte und Pflichten verbunden sind, und die Durchsetzbarkeit soll erleichtert werden – auf den Besuchsmittler habe ich ja bereits hingewiesen.

Weiters gab es auch Änderungen im Namensrecht; auch das wurde bereits erwähnt. Auch da haben wir für flexiblere Regelungen gesorgt. Auch das war ein Wunsch, der immer wieder geäußert worden war. Da haben wir gesehen: Die Gesetzeslage ent­spricht nicht mehr den Wünschen von Familien, da ist mehr Flexibilität gewünscht. Und diesen Wünschen sind wir nachgekommen.

Ich glaube, insgesamt haben wir ein Paket vorliegen, das tatsächlich ein modernes Fa­milienrecht darstellt, das tatsächlich den neuen familiären Strukturen besser entspricht und das auch für mehr Gerechtigkeit im familiären Bereich sorgt.

Eines ist auch klar: Wir werden nicht alle Konflikte, die es im familiären Bereich gibt, mit rechtlichen Regelungen oder mit einem Urteilsspruch befriedigend lösen können. Aber soweit das möglich ist, wollen wir Chancen und Möglichkeiten ergreifen, um das zu tun. Dabei ist natürlich auch wichtig, dass wir nicht nur die entsprechenden rechtli­chen Regelungen schaffen, sondern auch das notwendige Personal zur Verfügung stellen. Auch das wurde ja bereits angesprochen. Hier kann ich bestätigen, dass es mehr Personal geben wird. Das heißt, dass 20 zusätzliche Familienrichter/Familien­richterinnen zur Verfügung stehen werden. Wir werden die Familienrichter und Fami­lienrichterinnen natürlich auch entsprechend schulen. Auch darauf wurde bereits hin­gewiesen.

Auch die Familiengerichtshilfe wird ausgebaut. Das ist mir auch ganz wichtig. Das Pi­lotprojekt an den vier Standorten, die wir derzeit haben, funktioniert sehr gut. Ich habe mich auch vor Ort an zwei Standorten schon davon überzeugt und habe bisher nur Po­sitives gehört.

Wir beginnen ab 1. Jänner 2013, die Familiengerichtshilfe flächendeckend auszubau­en, beginnend in den Ballungsräumen, also zuerst in den Landeshauptstädten und dann Schritt für Schritt flächendeckend. Das sollte uns bis Ende 2014 gelingen, da sollten wir dann wirklich damit fertig sein. Das geht deshalb nur in Etappen, weil wir auch weiterhin auf entsprechend qualifiziertes Personal zurückgreifen wollen. Uns ist es eben wichtig, dass es sich um gut ausgebildete Personen handelt, uns ist es wich­tig, dass es sich um Personen handelt, die schon Erfahrung in der Arbeit mit Kindern haben. Wir haben da ein sehr strenges Aufnahmeverfahren, das ich auch beibehalten möchte, weil es da um die Qualität geht. Insgesamt haben wir mit dem Familienrecht einen sehr sensiblen Bereich, und da kann es nur um Qualität gehen, und deswegen müssen wir uns auch die Zeit nehmen, den Ausbau qualitätsvoll vorzunehmen.

Ich glaube, uns ist da ein großer Wurf gelungen. Jetzt geht es um die Umsetzung, und ich bin überzeugt davon, dass die Familienrichter und Familienrichterinnen dieses mo­derne, neue Familienrecht sehr gut in der Praxis umsetzen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.51



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 100

Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Herr Bundesrat Dönmez gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


13.51.44

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Minis­terin! Mein Kollege Schreuder hat eine Frage aufgeworfen, die Sie nicht beantwortet haben, und zwar was das Namensrecht bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften be­trifft; da würde ich Sie um eine Antwort ersuchen.

Nachdem ich selber Mediator bin und in der Liste des OBDS als eingetragener Media­tor aufscheine, würde es mich sehr interessieren, inwieweit die Familienrichter- und -rich­terinnen, die in einem wirklich höchst sensiblen Feld tätig sind, auch über eine Media­tionsausbildung verfügen. Denn: Wenn Sie ansprechen, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass Menschen in diesem Bereich tätig sind, die eine hohe Ausbildung haben, eine gu­te Qualität haben, dann gilt für mich genau in diesem Bereich das Erfordernis einer Kombination zwischen einem abgeschlossenen juristischen Studium mit Berufserfah­rung und einer Mediationsausbildung, weil ich sehe, wie wichtig es ist, dass da nicht nur Richtersprüche gefällt werden, sondern Schritte bereits vorher gesetzt werden, die einen mediativen Charakter haben.

Die Menschen legen die Verantwortung in die Hand des Richters/der Richterin, und die sollen dann darüber entscheiden. Und dann haben sie eigentlich überhaupt keinen Ein­fluss mehr auf den Ausgang des Verfahrens. Wenn sie aber selber am Mediationsver­fahren teilnehmen, haben sie bis zum Abschluss des Mediationsverfahrens nach wie vor Einfluss auf den Ausgang des Mediationsverfahrens. Und da ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass verstärkt nicht nur SozialarbeiterInnen und PsychologInnen zum Einsatz kommen, sondern auch Menschen, die eine Mediationsausbildung, einen Studienabschluss haben, nicht irgendeinen Schnellsiederkurs irgendwo, sondern wirk­lich ein Studium abgeschlossen haben.

Mich würde es interessieren, wie viele es unter den Familienrichterinnen und -richtern, die jetzt schon tätig sind beziehungsweise neu aufgenommen werden, gibt, die in Kom­bination das Studium zum Mediator haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Posch-Gruska.)

13.54


Präsident Georg Keuschnigg: Frau Bundesministerin, bitte.

 


13.54.00

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Zum Namensrecht: Gegenstand der nun vorliegenden Regierungsvorlage waren die namensrechtlichen Änderungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Darüber hinaus waren Änderungen des Na­mensrechts kein Thema bei dieser Reform. (Bundesrat Schreuder: Das ist die Ant­wort?) – Ja, wir haben die namensrechtlichen Änderungen im ABGB vorgenommen, und das haben Sie ohnehin vor sich liegen. (Bundesrat Schreuder: Das ist ja unglaub­lich! – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das passt schon!) Was ist da unglaublich? (Neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Wie gesagt, ich spreche jetzt über dieses Familienrechtspaket, das eben auch einen Teil enthält, der sich mit dem Namensrecht beschäftigt und somit den namensrechtli­chen Änderungen im ABGB. Das war eben Thema dieses Familienrechtspakets und der hierin enthaltenen namensrechtlichen Regelungen.

Nun zur Mediation: Wir haben vorgesehen – ich habe es bereits angesprochen –, dass künftig Familienrichter und Familienrichterinnen auch ein Erstgespräch betreffend Mediation anordnen können. Wenn sie der Meinung sind, dass hier eine Mediation ziel­führend ist, sollen sie in Zukunft eben auch die Möglichkeit haben, Mediation anzuord-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 101

nen. Wir werden natürlich beobachten, wie das in Anspruch genommen wird und wie sich das entwickeln wird. Ich gebe Ihnen schon recht, dass es gerade bei der Media­tion wichtig ist, dass entsprechend qualifizierte Personen, Personen eben mit einer ent­sprechenden Ausbildung diese Mediationen im Familienbereich vornehmen, weil es sich, wie ich vorhin bereits angesprochen habe, um einen sehr sensiblen Bereich han­delt.

Aber was ich Ihnen nur empfehlen kann, ist, dass Sie sich wirklich einmal an einem der vier bereits bestehenden Standorte der Familiengerichtshilfe anschauen, wie die dort arbeiten. Das ist wirklich spannend, die leisten sehr gute Arbeit. Es gibt einen Standort in Wien, einen Standort in Leoben, in Amstetten und in Innsbruck. Die Erfahrungen, die dort bisher gesammelt wurden, sind wirklich sehr interessant. Uns ist es natürlich auch wichtig, dass die Qualität, die wir dort aufgebaut haben, auch beim Ausbau der weiteren Standorte sehr wohl mitberücksichtigt und auch beibehalten wird. Also wir wollen hier wirklich höchste Qualität im Bereich der Familiengerichtshilfe, denn es soll ja tatsächlich eine Unterstützung der Familienrichter und Familienrichterinnen sein, und es soll ja auch den betroffenen Eltern und Kindern geholfen werden. Das steht im Vor­dergrund, und dazu stehen wir natürlich. (Beifall bei der ÖVP.)

13.57


Präsident Georg Keuschnigg: Es liegt mir dazu keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.57.139. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Jugend­gerichtsgesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (1991 d.B. und 2089 d.B. sowie 8846/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


13.57.33

Berichterstatter Christian Füller: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichts­gesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


13.58.06

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhö-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 102

rerinnen und Zuhörer! Bei diesem Strafvollzugsgesetz geht es unter anderem auch um die Haftvariante der Fußfessel. Ich möchte mich eigentlich auf dieses Thema be­schränken, und zwar geht es um die Hafterleichterung in Form der Fußfessel bei Se­xualstraftätern, die ich ganz dezidiert ablehne.

Es wurden zwar Nachbesserungen im Gesetzestext vollzogen. Diese Nachbesserun­gen ermöglichen aber nach wie vor die Fußfessel für Sexualstraftäter, die es ihnen erlaubt, weiterhin sozusagen auf freiem Fuß zu leben, anstatt dass sie hinter Gitter kommen.

Ich bin der Meinung, dass wir ein Rechtssystem brauchen, das sicherstellt, dass in solchen Fällen Gefängnisstrafen nicht durch Fußfesseln ersetzt werden können. Ich möchte ein klares Bekenntnis dazu, dass in Österreich Opferschutz vor Täterschutz gilt.

Ich glaube, Sie haben sicher auch Verständnis dafür, dass es da in der Bevölkerung ei­nen großen Aufschrei gibt, denn die Bevölkerung hat für solche Hafterleichterungen keinerlei Verständnis. Und vor allem empfinde ich es den vergewaltigten Opfern ge­genüber fast als Hohn oder als einen Schlag in deren Gesicht, wenn man solchen Tä­tern Hafterleichterungen in Form von Fußfesseln gewährt, denn ein Opfer bleibt in so einem Fall ein Leben lang ein Opfer. Wir von der FPÖ akzeptieren keine solchen Schwachstellen im Gesetz.

Es wurde auch die Verfassung als ein Hinderungsgrund für eine Ausnahmeregelung bei den Fußfesseln herangezogen. – Das Gegenteil ist der Fall: Der Verfassungsge­richtshof hat nachgewiesen, dass die Verfassung keinen Hinderungsgrund darstellt.

Mittlerweile weiß auch jeder, dass leider Gottes bei diesen Sexualstraftätern ein sehr hohes Rückfallpotenzial besteht. Diese Straftäter begehen ihre Taten rücksichtslos, indem sie lediglich ihre eigene Lust befriedigen wollen, den Opfern Schmerzen zufü­gen, die ihnen egal sind. Wir fordern schlicht und einfach, dass bei solchen Delikten ei­ne Fußfessel in Zukunft gänzlich aus dem Gesetz auszuschließen ist. Wer sich an Kin­dern und Frauen vergeht, gehört hinter Gitter und nicht sozusagen auf freien Fuß. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch auf eine Entschließung der Vorarlberger Landesregierung hinweisen, die erfreulicherweise einstimmig angenommen wurde und die da lautet, dass „diese Verschärfungen in bestimmten Fällen (etwa bei einer mögli­chen Gefährdung von Minderjährigen, in Fällen häuslicher Gewalt bzw. bei Sexualde­likten) nicht ausreichend" erscheinen, so wie das im Moment im Gesetz vorgesehen ist.

Außerdem besagt diese Entschließung: „Aus Sicht des Landes Vorarlberg darf ein Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest bei einem Strafvollzug auf­grund strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung Un­mündiger generell nicht in Betracht kommen () Es wird daher gefordert, dass die An­ordnung des elektronisch überwachten Hausarrestes () im Rahmen des verfassungs­rechtlich Zulässigen – ausgeschlossen wird.“

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Chance sollten wir wahrnehmen, dieses Gesetz noch einmal überdenken und ihm heute keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.02


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


14.02.44

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Damen und Herren! Umstellung auf die Anforderungen der Gesellschaft – das ist ein Thema, das uns vom vorigen Tagesordnungspunkt zum jet-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 103

zigen Tagesordnungspunkt begleitet, denn es geht darum, auch auf Umstellungen, auf die Anforderungen der Gesellschaft dementsprechend zu reagieren.

Demzufolge findet, wie gesagt, der vorhergehende Tagesordnungspunkt hier nahezu seine Fortsetzung. Denn: Mit den vorliegenden Gesetzen wird auch eine Rechtsgrund­lage für eine Neuentwicklung im Strafvollzug geschaffen. Bestehende Regelungen im Strafvollzug wurden in wesentlichen Bereichen angepasst an die aktuellen Fragen und Problembereiche in der Gesellschaft, die es zu lösen galt. Nämlich: Bereiche, die un­terschiedlich emotional diskutiert wurden und die trotz der getroffenen Lösung – wie wir aus dem Redebeitrag meiner Vorrednerin ja heraushören konnten – auch weiterhin emotional diskutiert werden und auch weiterhin zu diskutieren sein werden.

Ein wesentlicher Punkt war aber trotz alledem in der bisherigen Diskussion, dass im Begutachtungsverfahren auf erhobene Bedenken massiv und ausreichend, umfassend eingegangen und auch entsprechend auf solche Bedenken reagiert wurde.

Ein Gesetzespaket mit vielen Inhalten: Der Bereich der Auslandseinsätze von Angehö­rigen des Justizressorts oder auch Angehörigen aus der Gerichtsbarkeit war neu zu regeln, vor allem in diese Richtung, dass eben auch Angehörige des Justizressorts, aus der Gerichtsbarkeit und dem Strafvollzug die Unterstützung einer funktionierenden Justiz in Krisengebieten sichern sollen.

Änderungen in der Bewährungshilfe, bezogen auf die Entschädigung ehrenamtlicher Bewährungshelfer: ein kleiner, aber sehr wichtiger Bereich in diesem Verfahren. Durch die vorgeschlagenen Änderungen sollen flexible Einsatzmöglichkeiten von Bewäh­rungshelfern in der Bewährungshilfe erzielt werden.

Ein großer Bereich war auch die Videoüberwachung in den Anstalten unter Beachtung des Datenschutzes. Hier wurde sehr stark auf den Datenschutz eingegangen – ein Thema, das natürlich auch dem Thema Sicherheit entsprechend Rechnung trägt, und auch Rechnung getragen hat. Die Videoüberwachung erhöht sicherlich das Sicher­heitsgefühl, sei es das der Bediensteten, sei es das der Besucher oder jener, die auch nur zeitweise in den Anstalten arbeiten. Gleichzeitig erhöht sich aber auch die Bewe­gungsfreiheit der Insassen, und die Leitungen der Anstalten werden demnach ermäch­tigt, die Videoüberwachung zum Einsatz zu bringen. Sie müssen es aber nicht. – Das ist ein ganz wichtiger Bereich.

Der Bereich des elektronisch überwachten Hausarrests wurde von der Kollegin Mi­chalke bereits angeführt und ausführlich erläutert. – Meine Ansicht ist natürlich nicht die deinige, aber das war schon ein Bereich, der in jüngster Zeit Thema einer aus­führlichen medialen Berichterstattung war und natürlich auch deshalb sehr, sehr emo­tional diskutiert wurde.

Es ist nun einmal Tatsache, dass diese Möglichkeit bereits seit 1. September 2010 be­steht und diese Möglichkeit nun wesentlich verschärft wurde. Jetzt daraus zu schlie­ßen, dass Täterschutz vor Opferschutz geht, finde ich schon ein wenig gewagt, da es genau jene emotionelle Komponente ist, die der Lösung wahrscheinlich nicht näher­kommen wird. Und die vorliegenden Änderungen in der Strafprozessordnung und im Strafvollzug zielen vor allen Dingen auf eine Verschärfung der Bewilligungsvorausset­zung für den elektronisch überwachten Hausarrest ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist also nicht ungefährlich, die Diskussion vorrangig dahin gehend zu führen, gesellschaft­liche Entwicklungen und Phänomene hauptsächlich über die strafrechtliche Komponen­te zu klären oder in den Griff zu bekommen. Ich glaube, die Politik und die Gesellschaft werden sich vermehrt die Frage stellen müssen, was denn zu tun ist, um solche Phä­nomene überhaupt zu verhindern.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 104

Insgesamt wird die ÖVP dem Paket die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.08


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


14.08.36

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Gesetzesvorlage auch nicht unsere Zustimmung erteilen, aber mit anderen Hintergrün­den und Argumenten, als sie die FPÖ vorgebracht hat. (Zwischenruf des Bundesra-
tes Perhab.)

Die Bewilligungsvoraussetzung und das Verfahren über den Vollzug einer Freiheits­strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests sollen als Reaktion auf einen in den Medien heftig kritisierten Fall abgeändert werden. Bei Sexualdelinquenten soll es zukünftig zusätzliche Voraussetzungen geben, damit elektronische Überwachung gewährt werden kann.

Wurde der Täter wegen bestimmter Sexualdelikte verurteilt, so muss er die Hälfte der Freiheitsstrafe, mindestens jedoch drei Monate verbüßt haben, bevor der elektronisch überwachte Hausarrest überhaupt in Betracht kommt. Darüber hinaus muss in allen Fällen einer Verurteilung wegen eines Sexualdeliktes oder eines sexual motivierten Gewaltdeliktes eine qualifizierte, günstige Prognose gegeben sein, dass der Rechts­brecher den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbrauchen werde. Darüber hinaus soll den Opfern in diesen Fällen ein Anhörungsrecht eingeräumt werden.

Während die rechten Parteien eben generellen Ausschluss von Sexualstraftätern bei der Vollzugsform der elektronischen Überwachung einfordern, üben Strafrechtsprofes­soren, Rechtsanwaltskammer oder Richtervereinigung heftige Kritik an dieser Novelle, und auch verfassungsrechtliche Bedenken sind aus unserer Sicht gegeben.

Der Anlassfall darf aus unserer Sicht nicht verharmlost werden, da gibt es überhaupt keine Diskussion. Und wir wissen, dass es Handlungsbedarf gibt. Wir sind aber auch überzeugt, dass die hastige Änderung des Sexualstrafrechts durch die Justizministerin weder zur Wiedergutmachung an den Opfern beiträgt noch zu einem Mehr an Si­cherheit führt. Im Gegenteil: Es ist damit zu rechnen, dass der erste Sexualstraftäter, dem die Fußfesseln verwehrt werden, versuchen wird, die vorliegende Novelle beim VfGH wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufzuheben. Und dann stehen wir nach einem Jahr oder länger wieder an dem Punkt, wo wir jetzt sind.

Genau aus diesen Gründen werden wir dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.11


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


14.11.22

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit zwei Jahren gibt es in Österreich die Möglichkeit der Fußfesseln. Zirka 1 100 Personen hatten diese Fuß­fesseln schon, derzeit sind es 200, und von diesen 1 100 Personen waren 20 Sexual­straftäter. – So viel zu den Fakten und Zahlen, die ich mir herausgesucht habe.

Ich bin prinzipiell der Meinung, dass es eine Anlassgesetzgebung ist und dass wir das wahrscheinlich besser überlegen hätten sollen. Ich glaube aber, dass dieser Schritt mit den Verschärfungen, die jetzt darin enthalten sind, schon wichtig und richtig ist. Im Fall Salzburg – der ja in den Medien war und überall bekannt wurde – war es so, dass die-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 105

ser Vergewaltiger ja noch keinen einzigen Tag im Gefängnis war. Mit dieser Neurege­lung ist es so, dass ein Sexualstraftäter nur dann die Fußfessel bekommen kann, wenn er zumindest die Hälfte seiner Strafe schon im Gefängnis abgesessen hat. Hier ist ganz sicherlich ein Fehler passiert, das ist aber jetzt mit diesem Gesetz geändert wor­den.

Es ist auch so, dass es mit diesem Gesetz jetzt die Möglichkeit gibt, dass die Opfer von Sexualstraftaten ein Äußerungsrecht haben. Ich glaube, dass das auch sehr, sehr wichtig ist. Und es ist nicht nur das Äußerungsrecht verankert, sondern auch eine kos­tenlose Prozessbegleitung. Das heißt, sie werden auch gestützt, wenn sie darüber re­den wollen. Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt ist, damit wir hier auch für die Opfer etwas tun.

Die neue GPS-Fußfessel wird auch so ausgestattet sein, dass man wirklich zu 100 Pro­zent sagen kann, wo sich der Täter oder die Täterin befindet, und dass hier wirklich alle Auflagen, die gegeben wurden, eingehalten werden. Daher glaube ich, dass dieser Schritt mit diesen Verschärfungen wichtig und auch richtig ist.

Was ich sehr wohl bekrittle, ist, dass wir jetzt schon in Österreich einen Strafrahmen haben, mit dem wir eigentlich die Sexualstrafdelikte bei Weitem mehr bestrafen könn­ten, als es zurzeit passiert. Es ist so, dass in Österreich bei Vermögensdelikten we­sentlich härtere oder längere Strafen als bei Sexualdelikten ausgesprochen werden. Ich bin der Meinung, dass, wenn dieses Strafausmaß nicht ausgenutzt wird, damit auch gleichzeitig von den Richterinnen und Richtern mittransportiert wird, dass dies ei­gentlich gar keine so schlimme Tat war – also eine Verharmlosung dieser Sexualstraf­tat. Und ich denke, dass hier schon längst etwas hätte passieren können und dieser Unterschied sehr wohl aufgehoben hätte werden können.

Zu bedenken ist aber auch, und das hat der Kollege vorhin schon gesagt: Wir haben ein gesellschaftliches Problem. Die Sexualstraftäter sind ein gesellschaftliches Pro­blem, und wir werden dieses Problem nicht nur alleine im Strafrecht lösen können. Es braucht hier ganz sicherlich auch therapeutische Möglichkeiten. Man wird sich auch in­tensiver mit der Situation der Opfer auseinandersetzen müssen. Diese Frau in Salz­burg – ich habe über diesen Fall nur in den Medien gelesen, das heißt, ich habe keinen Kontakt zu dieser Frau – hat sich in erster Linie darüber beklagt, dass der Täter überhaupt keine Einsicht gezeigt hat, eine Straftat begangen zu haben, und dass diese Schadensrückzahlungen an sie überhaupt nicht oder sehr, sehr spät geflossen sind. Wenn ich hinhöre, was die Opfer zu sagen haben, denke ich, dass wir jetzt mit diesem Schritt, diese Fußfessel – das habe ich schon alles gesagt – nach der Hälfte des Straf­ausmaßes herzugeben, wahrscheinlich den richtigen Weg gehen.

Frau Ministerin, Sie haben ja über die Medien angekündigt, dass 2015 überhaupt eine Veränderung, Verbesserung erfolgen soll. Ich glaube, dass es vorher eine intensive Diskussion über das Strafgesetzbuch geben sollte und wir uns hier wirklich effektiv ein­bringen und schauen sollten, dass das ein gutes Ergebnis und keine Anlassgesetzge­bung mehr wird.

Aber meine Fraktion wird diesem Gesetz natürlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.15


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


14.15.45

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klar ist: Der Umgang mit Sexualstraftätern


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 106

löst natürlich immer sehr emotionale Debatten aus, und das erschwert natürlich sehr häufig auch eine rationale Debatte.

Wie viele von Ihnen bin ich aber natürlich auch der Meinung, dass dem besonderen Unrecht solcher Taten angesichts der durch sie verursachten besonderen seelischen Verletzungen in den geltenden Strafrahmen noch nicht das richtige Gewicht beige­messen wird. Ich habe daher vor, Ihnen schon zu Beginn des kommenden Jahres eine Reform des Strafgesetzbuches vorzulegen, wo auch auf diese Aspekte Rücksicht ge­nommen wird. Und zwar soll etwa die Strafuntergrenze bei Vergewaltigung von nun­mehr sechs Monaten auf ein Jahr verdoppelt werden. Außerdem wird der Strafrahmen bei der qualifizierten geschlechtlichen Nötigung von bisher einem bis zu zehn Jahren auf fünf bis 15 Jahre erhöht.

Schließlich wird es auch Änderungen beim sexuellen Missbrauch von wehrlosen bezie­hungsweise psychisch beeinträchtigten Personen geben. Hier gilt im Moment ein Straf­rahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Hier möchte ich eine Angleichung an den Tatbestand der Vergewaltigung vornehmen, das heißt, bei der Grundstrafdrohung einen Strafrahmen in der Höhe von einem bis zehn Jahren vorsehen. Ich glaube, dass damit ein ganz wichtiges Signal in Richtung einer stärkeren Berücksichtigung opferbe­zogener Faktoren im Rahmen der Strafzumessung gesetzt wird.

Und wenn wir schon von Strafen reden – es wurde auch von einer Rednerin angespro­chen –: Da geht es auch immer um die Strafenrelation. Ich werde immer wieder darauf angesprochen, dass die Strafenrelation zwischen Vermögensdelikten und Delikten ge­gen Leib und Leben nicht stimme und dass man da etwas ändern müsse. – Hier bin ich wirklich gegen einen Schnellschuss, da ich glaube, dass man sich das sehr fundiert ansehen muss. Ich werde daher im kommenden Jahr eine Expertengruppe einsetzen, die sich unter anderem auch mit dieser Frage beschäftigen soll.

Es geht mir um eine große Reform des Strafgesetzbuches, aber einer der zentralen Punkte wird natürlich auch sein: Wie schaut es mit dieser Strafenrelation wirklich aus? Haben wir da tatsächlich ein Problem? Und wenn ja, wie sollen wir dieses Problem lö­sen? 

Aber das möchte ich wirklich von Experten anschauen lassen, von ihnen ergebnisoffen diskutieren lassen und einmal abwarten, was dann von ihnen empfohlen wird. Das Ganze wird unter „StGB 2015“ laufen. Das deshalb, weil ich bis 2015 diese Moderni­sierung des Strafgesetzbuches fertig haben will. Das ist der 40. Geburtstag des Straf­gesetzbuches, da soll ein runderneuertes StGB am Tisch liegen. Wie gesagt, es geht da nicht nur um diese Strafenrelation, es geht vor allem etwa auch darum, ob die Ge­samtsystematik noch passt. Denn wir erleben es ja immer wieder, dass im Strafge­setzbuch punktuelle Änderungen gemacht werden. Und ich glaube, es ist nach 40 Jah­ren einmal an der Zeit zu schauen, ob das noch hinten und vorne zusammenpasst, ob das noch ein stimmiges Bild ist, das unser StGB bietet. – Das soll alles überprüft wer­den.

Nun komme ich aber gleich zur heutigen StVG-Novelle, um die es ja eigentlich geht. Und die fügt sich in dieses Bild, das ich bereits angesprochen habe. Es geht um Rechtsbrecher, die sich schwere Sexualdelikte zu Schulden kommen haben lassen. Bei Rechtsbrechern, die wegen schweren Sexualdelikten verurteilt wurden, wird in Zu­kunft gelten, dass sie sich die Haftstrafe nicht mehr mit einer Fußfessel ersparen kön­nen, sondern es wird eben vorgesehen, dass sie zumindest die Hälfte ihrer Haft in ei­ner Justizanstalt verbüßen müssen und erst dann die Fußfessel beantragen können.

Nun wurde teilweise moniert, dass doch ein gänzlicher Ausschluss der Sexualstraftäter von der Gewährung der sogenannten Fußfessel die sinnvollere Variante wäre. Der Meinung bin ich nicht, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn der Sexual-


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straftäter am Ende seiner Haft die Fußfessel gewährt bekommt, dann kann ja auch stärker kontrolliert werden: Wie verhält er sich in Freiheit?, und man kann ihm Auflagen erteilen. Es kann ihm etwa die Auflage erteilt werden, dass er eine Therapie absolvie­ren muss. Und es wurde ja von einer Rednerin bereits darauf hingewiesen, dass es ja nicht nur darum geht, hier ein rechtliches Problem zu lösen, sondern dass wir mit Se­xualstraftätern natürlich auch therapeutische Wege gehen müssen. Und hier ist es na­türlich von großem Interesse, dass ein Sexualstraftäter wirklich auch eine Therapie in Anspruch nimmt, und diese Auflage kann ihm erteilt werden, wenn er die Fußfessel ge­währt bekommt. Es kann ihm auch die Auflage der Schadenswiedergutmachung erteilt werden et cetera. Und ganz generell wird er eben kontrolliert, wenn er die Fußfessel gewährt bekommen hat. Die Betreuung übernimmt Neustart, und das funktioniert sehr gut, damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.

Ich nehme gleich einen weiteren Punkt dieses Maßnahmenpakets vorweg: Die Sexual­straftäter bekommen, wenn sie eben eine Fußfessel gewährt bekommen, eine mit GPS versehene Fußfessel. Das hat den Vorteil, dass sie damit besser kontrollierbar sind, und es können dann auch bestimmte Bereiche quasi gesperrt werden, indem dann eben ein Alarm losgeht, wenn sie sich zum Beispiel der Wohnung oder dem Arbeits­platz des Opfers nähern.

All diese Kontrollen sind eben nur möglich, wenn ich die Fußfessel gewähre, und nicht, wenn der Täter bis zum letzten Tag in der Justizanstalt bleibt. Und deswegen halte ich diese Lösung, wie sie Ihnen vorliegt, für eine sehr gute.

Für alle sonstigen strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität oder Selbstbe­stimmung oder sexuell motivierten Gewaltdelikte darf die Fußfessel nur dann gewährt werden, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, dass der Verurteilte den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbrauchen wird. Also diese Hürde ist noch eingezogen worden.

Außerdem war mir natürlich auch die Opfersicht sehr wichtig, und ich habe viele Gespräche mit Opferschutzeinrichtungen geführt und habe mit ihnen darüber gespro­chen, wie man die Opfer noch besser unterstützen kann. Wir haben in Österreich im Strafrecht bereits sehr weitgehende Opferrechte, aber meine Frage war eben: Was können wir noch mehr zum Schutz der Opfer und für die Hilfe für die Opfer tun? – Dies­bezüglich sehen wir nun in diesem Paket auch vor, dass die Opfer ein Äußerungsrecht eingeräumt bekommen, sofern sie das natürlich wollen. Wenn ein Opfer sagt, es möchte mit dem Fall nichts mehr zu tun haben, es möchte damit nicht mehr konfrontiert werden, dann gibt es natürlich keine Pflicht zur Äußerung. Es ist vielmehr ein Äuße­rungsrecht, von dem Opfer Gebrauch machen können, wenn sie das wollen. Also im Zuge der Entscheidung, ob eine Fußfessel gewährt werden soll, ja oder nein, hat eben dann das Opfer dieses Äußerungsrecht.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch ein Anspruch auf psychosoziale Pro­zessbegleitung besteht, und das halte ich auch für sehr, sehr wichtig.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch ganz generell festhalten, dass wir mit der soge­nannten Fußfessel, also dem elektronisch überwachten Hausarrest, insgesamt sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Es hat ja nach den ersten zwei Jahren eine Evaluie­rung gegeben. Die Evaluierung ist sehr positiv ausgefallen, also das Modell bewährt sich sehr gut. Wir sehen nur jetzt eben, dass wir in diesem einen Bereich nachbessern müssen, dass hier eine Änderung notwendig war. Aber ich glaube, das Entscheidende ist, dass wir nun eine Korrektur dieses Modells vornehmen, ohne dass das Gesamtsys­tem infrage gestellt wird, denn das Gesamtsystem ist ein sehr gutes und hat sich in der Praxis wirklich sehr gut bewährt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bun­desräten von SPÖ und Grünen.)

14.23



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 108

Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit der Fall. Der Antrag ist somit ange­nommen.

14.23.5910. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bun­desgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 – KaWeRÄG 2012) (1804 d.B. und 2035 d.B. sowie 8847/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unternehmer im Kraft­fahrzeugsektor getroffen werden (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz – KraSchG) (1990 d.B. und 2094 d.B. sowie 8848/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen damit zu den Punkten 10 und 11 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 10 und 11 ist Herr Bundesrat Füller. Ich ersuche um die Berichte.

 


14.24.23

Berichterstatter Christian Füller: Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz gegen den unlau­teren Wettbewerb 1984 geändert werden, und – der zweite Bericht – über den Be­schluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unternehmer im Kraftfahrzeugsektor ge­troffen werden.

Beide Berichte liegen in schriftlicher Form vor.

Beide Beschlüsse wurden vom Justizausschuss am 18. Dezember in Verhandlung ge­nommen. Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlagen jeweils den Antrag, gegen die beiden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einwand zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.25.14

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Öster­reich sind wir zu Recht prinzipiell einmal stolz auf unseren hohen Anteil an kleinen und mittleren Unternehmen. Und wenn wir heute über das Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz reden, dann geht es dabei vor allem um Unternehmen, die doch eher größere Konzerne sind beziehungsweise unter denen auch marktbestimmende Unter-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 109

nehmen sind. Gerade in diesem Bereich – bei den Energieversorgern gibt es zum Bei­spiel nicht die große Auswahl – kann es natürlich auch besonders leicht vorkommen, dass es zu einem Marktmissbrauch kommt, weil der Kunde und die Kundin sich einfach nicht so leicht dagegen wehren können, wenn drei, vier Unternehmungen so ein biss­chen miteinander reden und vielleicht die Preise in einer Form ausgestalten, die zu Lasten der Kunden und Kundinnen geht.

Und ein zweiter Grund, warum dieses Gesetz so wichtig ist, ist eben in erster Linie auch Transparenz, und das hat auch ein bisschen was mit Bekämpfung der Korruption zu tun.

Prinzipiell würden wir natürlich dieser Änderung gerne zustimmen. Ein Problem haben wir allerdings, das ist der Wegfall des § 5a des Kartellgesetzes. Da geht es darum, dass es für Energieversorgungsunternehmen zu einer Sonderregelung hätte kommen sollen, die besagt hätte: Wenn ein EVU einerseits erhöhte Entgelte verlangen oder an­dererseits Geschäftsbedingungen festlegen möchte, die im Widerspruch zu jenen an­derer, vergleichbarer Unternehmen stehen, dann müsste dieses EVU eben nachwei­sen und beweisen, dass es dafür einen Grund gibt. Es würde sozusagen eine Beweis­lastumkehr erfolgen: Nicht mehr der Kunde müsste sagen, du böses Unternehmen hast mich da über den Tisch gezogen, sondern umgekehrt, es müsste das Unterneh­men beweisen, dass es gerechtfertigt ist, hier andere Preise und andere Geschäftsbe­dingungen vorzulegen.

Es war ursprünglich einmal vorgesehen, dass das in diesem Gesetz drinnen sein soll­te, aber es ist jetzt leider mit einem Abänderungsantrag wieder herausgenommen wor­den. Aus unserer Sicht ist das schade. Es funktioniert in Deutschland, soviel ich weiß.

Ein weiterer Punkt, warum wir nicht ganz zufrieden sind mit dieser Gesetzesände­rungsvorlage, ist die Ausgestaltung der Bundeswettbewerbsbehörde. Da geht es da­rum, dass es, wenn man jetzt zum Beispiel mit Tschechien vergleicht, in Tschechien 153 Mitarbeiter gibt, in Österreich hingegen 30. Wenn man jetzt bedenkt, dass diese Länder ungefähr gleich groß sind, so weiß ich nicht, ob es in Tschechien so viel mehr Aufgaben für die Bundeswettbewerbsbehörde gibt. Offenbar ist eben bei uns im Ver­gleich zu anderen Ländern die Ausstattung nicht so genial. Wenn man sagt, es soll ei­ne Behörde geben, die in diesem Bereich überwacht und streng überwacht, dann muss man natürlich auch eine dementsprechende Mittel- und Mitarbeiterausstattung vorse­hen. Das ist bei uns leider so nicht der Fall.

Wir würden uns freuen, wenn in diesen Bereichen, einerseits bei den Elektrizitätsver­sorgungsunternehmen und andererseits auch bei der Ausstattung der Bundeswettbe­werbsbehörde, vielleicht bei der nächsten Novelle die Best-Practice-Modelle von ande­ren Ländern genauer angeschaut und auch in Österreich umgesetzt werden. Dann werden wir künftig zustimmen – heute können wir es leider nicht tun.

14.28


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


14.28.37

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, dass die Grünen auch bei diesem Gesetz irgendein Haar in der Suppe finden, ist ja nicht ganz so überraschend, vor allem nicht in Bezug auf die Energieversorgungsunternehmen in Österreich. Aber ich glaube, diese Gesetzesnovelle, die ja auf dem Kartellgesetz 2005 fußt, ist doch ein Schritt in die richtige Richtung. Es steht im Regierungsprogramm, dass wir das nach dem Vorbild der EU umsetzen wollen. Es ist aber natürlich auch ein ständiger Spagat, würde ich sagen, zwischen Liberalisierungstendenzen, die wir ja vor allem in den EVUs durchgesetzt haben – ich erwähne Unbundling, Netzfreigabe beziehungsweise Netz-


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durchlässigkeit, also rein technische Fragen, die auch dazu geführt haben, dass der Strompreis in Österreich relativ stabil ist, wenn man sich den Zehnjahresvergleich an­sieht. Das ist etwas, was ja immer eine Forderung auch der Politik ist, dass für den Konsumenten ein berechenbarer Strompreis besteht.

Das ist nicht überall so – ich denke nur an die doch mehrheitlich in Staatsbesitz befind­liche ÖMV, wo wir null Einfluss haben auf die Preisbildung, obwohl sie ein staatsnahes Unternehmen ist. Wir haben dort keine Chance. Bei der Stromwirtschaft, glaube ich, haben wir mehr Chancen als Konsumenten, aber auch über die E-Control, auf eine faire Preisbildung einzuwirken. Und ich weiß doch, wovon ich spreche, denn ich bin Gesellschafter einer privaten EVU mit 5 000 Kunden, und ich weiß inzwischen, was für einen Aufwand wir haben, die Preise zu dokumentieren, die Preisbildung zu dokumen­tieren und immer Berichte an die E-Control abzuliefern. Jeder, der heute eine Strom­rechnung ins Haus bekommt, weiß, dass man ohne Einlesen diese Stromrechnung nicht transparent oder logisch verfolgen kann. Das ist, glaube ich, auch unbestritten.

Ich denke, wir sind da auf dem richtigen Weg. Entscheidend ist meiner Meinung nach, dass es Verbesserungen im Wettbewerbsrecht geben wird. Im Wettbewerbsgesetz werden die Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde gegenüber den Unternehmen, die im Verdacht stehen, Kartellabsprachen zu tätigen, wesentlich erweitert, und wir ge­ben der Bundeswettbewerbsbehörde noch schärfere Zähne zur Bekämpfung von et­waigen Kartellbildungen.

Weil vor allem in der Nationalratsdebatte zu diesem Tagesordnungspunkt gleich wieder das Wort „Korruption“ gefallen ist in Bezug auf diese Herausnahme der Bestimmung über die Beweislastumkehr für die Energieversorger: Ich weise dies zurück. Ich denke, auch viele Landesenergieversorger stehen mehrheitlich noch – Gott sei Dank – im Be­sitz der Länder, wenn auch nicht alle, und ich denke, dass wir da weit entfernt sind von mafiösen Entwicklungen wie in anderen Staaten dieses Kontinents.

Selbstverständlich stimmen wir vonseiten unserer Fraktion diesem ersten Schritt zu und hoffen auf weitere. (Beifall bei der ÖVP.)

14.31


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Androsch. – Bitte.

 


14.31.55

Bundesrat Ing. Maurice Androsch (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, man muss hervorstreichen, dass diese Novellierung vor allem zwei Ziele ver­folgt. Das ist zum einen die Stärkung der Effizienz des Kartellgesetzes und zum ande­ren im Wesentlichen auch eine Verbesserung der Befugnisse der Bundeswettbewerbs­behörde. Das sind maßgebliche Ziele, die erreicht werden sollen. So ist im Kartellge­setz unter anderem die Anpassung an ein deutsches Modell vorgesehen, es ist als An­passung an das Kartellrecht im Sinne der Europäischen Union gedacht, aber es ist im Kartellgesetz auch ein wichtiger Punkt zu finden, den ich gerne hervorstreichen möchte: Das ist mehr Transparenz dadurch, dass die Beschlüsse der Kartellbehörde jetzt auch öffentlich zu machen sind, das heißt, dass sie für jedermann einsehbar sind.

Eines der wesentlichen Dinge, die man auch hervorstreichen soll: Trotz der Debatte über die Beweisumkehr ist es ja auch so, dass die Energieversorgungsunternehmen deswegen nicht ausgeschlossen sind aus diesem System und nicht ausgeschlossen sind aus dem Wettbewerbsgesetz und dem Kartellgesetz, sondern sich diesem viel­mehr unterwerfen müssen. Sie sind auch verpflichtet, dementsprechend Auskunft zu geben und mitzuwirken an diesem Verfahren, wenn es zu einem entsprechenden Ver­fahren kommt.


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Aber einer der wichtigsten Punkte, den ich noch anmerken muss, scheint mir zu sein, dass mit dem Recht auf Auskunftsverlangen mittels Bescheiden und durch die Möglich­keit, wenn es da zu unrichtigen oder falschen oder nur teilweise richtigen Aussagen oder Übergaben von Unterlagen kommt, auch das entsprechende Verwaltungsstrafver­fahren anzuhängen, die Bundeswettbewerbsbehörde noch schlagkräftiger wird.

Ein Punkt, der mich, auch als ehemaliges Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, besonders freut, ist, dass, wenn in diesem Zusammenhang Ermittlungen geführt werden und diese Organe eingesetzt werden, zukünftig auch die Beschlagnahme von IT-Daten, die Beschlagnahme von Dokumenten, die Sicherung von diesen Dokumen­ten und all diesen Dingen genauer geregelt und besser gestaltet ist.

In diesem Sinne wird es natürlich angesichts all der Thematiken, die es in Zukunft noch zu diskutieren geben wird – Gesetze werden ja immer angepasst, werden laufend an­gepasst, deshalb sind wir auch in diesem Hause tätig –, in Zukunft noch Verbesserun­gen geben. Unsere Fraktion wird jedenfalls auch diesem Gesetz die Zustimmung er­teilen, denn wir betrachten es als wichtig.

Zum Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz möchte ich noch sagen, dass es eine wesent­liche Verbesserung darstellt. Wir haben ja jetzt nach dem Verlust der entsprechenden Verordnung auf der europäischen Ebene, in der Europäischen Union quasi ein Loch gehabt, das zu einer Unsicherheit der entsprechenden Kfz-Handelsbetriebe oder -Werk­stätten geführt hat. Mit dieser Nachfolgeregelung haben wir diese Unsicherheit, so glaube ich, entsprechend eindämmen können und ausgemerzt, und so können wir Tausenden gerade unserer kleineren und mittleren Unternehmen in Zukunft mehr Rechtssicherheit geben, und das ist uns sehr wichtig. Daher wird unsere Fraktion auch zu dieser Novelle ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.35


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Brunner. – Bitte.

 


14.35.23

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Ich kann das leider nicht so stehen lassen. Zwei, drei Sätze zum Thema Energieversorger muss man mir zugestehen.

Seit dem Jahre 2000 gibt es einen liberalisierten Strommarkt in Österreich, und in die­sen zwölf Jahren haben sich die Energieversorger in Österreich dramatisch verändert. Sie sind ganz anders aufgestellt als noch vor zwölf, dreizehn Jahren, um einiges bes­ser! Und mit dieser geplanten Beweislastumkehr – die Gott sei Dank nunmehr vom Tisch ist – wären wir wieder einige Schritte zurückgefallen, nämlich in eine staatliche Preisregelung, wo wir jetzt doch in den letzten Jahren mit viel Einsatz den freien Wett­bewerb auch im Strommarkt, im Energiemarkt insgesamt eingeführt haben. Das wider­spricht dem freien Wettbewerb und wäre einzigartig in der freien Wirtschaft! (Beifall bei der ÖVP.)

14.36


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.36.38

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich sage nur einen Satz dazu: Natürlich gibt es Liberalisierung auch in diesem Bereich, keine Frage, aber wenn man sich anschaut, wie die Kundenstruktur so ist, so ist es nicht wirklich zu hun­dert Prozent liberalisiert. Es gibt einen Unterschied – in der Preisgestaltung et cetera –, ob ich meinen Strom einkaufe – da wechsle ich eher weniger leicht den Anbieter –,


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oder ob ich ein anderes Produkt einkaufe, wo ich sehr viel mehr relativ kurzfristig den Anbieter wechsle.

14.37


Präsident Georg Keuschnigg: Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit der Fall. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmeneinhelligkeit der Fall. Der Antrag ist angenommen.

14.38.0812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsge­setz, das Grunderwerbsteuergesetz und das Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister geändert werden (Grundbuchsgebührennovelle – GGN) (1984 d.B. und 2036 d.B. sowie 8849/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte um den Bericht.

 


14.38.28

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz und das Bundesgesetz über das Gebäude- und Woh­nungsregister geändert werden, die sogenannte Grundbuchsgebührennovelle.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Brückl. – Bitte.

 


14.39.24

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Der Verfassungsge­richtshof hat in einem Erkenntnis mitgeteilt, dass die Notwendigkeit zur Änderung der Grundbuchsgebühren gegeben ist, und daher liegt uns jetzt ein bereits vom Nationalrat beschlossenes Gesetz vor, gegen das wir hier im Bundesrat keinen Einspruch erheben sollen. Geschätzte Damen und Herren, damit bin ich schon bei meinem ersten Kritik­punkt – „Kritikpunkt“ heißt auch, dass wir diesem Gesetz als Freiheitliche nicht zustim­men werden.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 113

Erster Kritikpunkt: Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Holzinger hat uns in ei­ner Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag wissen lassen, dass auch die jüngst reparierte Grundbucheintragungsgebühr – also das, was wir hier und jetzt beschließen sollen, wogegen wir keinen Einspruch erheben sollen – wieder vor dem Verfassungs­gerichtshof landen könnte. Also wir haben das noch nicht einmal beschlossen, und der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes lässt uns wissen, dass das vermutlich sowieso nicht halten wird. (Bundesrat Mag. Klug: Das hat er nicht gesagt! – Ruf bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt!) – ORF.at: Bitte nachzulesen! Dort können Sie nach­schauen: Genau so steht es drinnen. (Bundesrat Mag. Klug: Außerdem ist er nicht das Gericht!)

Zweiter Kritikpunkt: Durch dieses Gesetz wird die sogenannte Selbstberechnung abge­schafft, sie wird wegfallen. Kurz zur Erklärung: Selbstberechnung hieß, dass bislang die Gerichtsgebühr gemeinsam mit der Steuererklärung für die Grunderwerbsteuer von Notaren, von Rechtsanwälten und von Vertragserrichtern berechnet wurde. Diese ha­ben dann diese Gebühr von den Parteien eingehoben und an das zuständige Finanz­amt überwiesen. Gerichte hatten damit keinen Aufwand. Ihre Arbeit beschränkte sich wirklich nur darauf, dass man das sozusagen nachvollzogen hat.

Jetzt aber fällt diese Selbstberechnung weg, und das bedeutet dann in Wirklichkeit, dass die Kostenbeamten ..., dass man hier ... (der Redner zögert – Bundesrat Mag. Klug: Na?) – ja, jetzt hat es mich –, dass die Haftung ohnehin bei den Vertragserrichtern ge­legen ist. Diese Selbstberechnung fällt jetzt weg. Ich würde sagen, das trifft so jeden zweiten anhängigen Akt – sollten es mehr sein, sollten es weniger sein, lasse ich mich gerne korrigieren, aber ich denke, das ist realistisch. Diese Selbstberechnung fällt jetzt also weg, und das bedeutet mit Sicherheit einen Mehraufwand für das Personal, be­deutet einen Mehraufwand an Kosten und damit auch eine längere Verfahrensdauer.

Es heißt zwar aus dem Ministerium, Frau Minister, wir glauben nicht, dass das so sein wird, aber seien wir uns ehrlich: In Wirklichkeit kommt es zu einer Mehrarbeit und damit einhergehend einfach auch zu einer Kostensteigerung. Da heißt es im § 26 Abs. 2 GGN folgendermaßen:

„Die Partei hat den Wert des einzutragenden Rechts (...) eingangs der Eingabe zu be­ziffern, die zur Ermittlung des Werts notwendigen Angaben zu machen und diese durch Vorlage geeigneter Unterlagen zur Prüfung der Plausibilität zu bescheinigen.“

Das heißt, in Wirklichkeit wird jetzt der Kostenbeamte zu einer Art Sachverständigen für Liegenschaftsbewertungen, denn etwas anderes kann das nicht sein. Die Pauschal­gebühr berechnet sich anhand des Werts, und der Kostenbeamte, auch wenn er sie zumindest nicht errechnen muss – das wird auch der Fall sein –, so muss er zumindest die Plausibilität prüfen und errechnen. Und dann kann er das, was im Vertrag drinnen steht, glauben oder auch nicht.

Wie er die Plausibilität prüft, ist fraglich; ich bringe Ihnen ein Beispiel: 5. Wiener Ge­meindebezirk, Altbau, 80 Quadratmeter, 3. Stock, ohne Lift. Was wird die Wohnung wert sein? 22. Wiener Gemeindebezirk, Neubau, 60 Quadratmeter, vielleicht mit einem Gartenanteil. Was wird die Wohnung wert sein? – Das kann ein Kostenbeamter nicht wissen, dazu ist er nicht ausgebildet, und dazu fehlt ihm einfach auch die Erfahrung.

Aber – und das ist unser Kritikpunkt diesbezüglich – da verlässt man sich ganz einfach wieder auf das Improvisationsgeschick der Beamten und auch auf deren persönlichen Einsatz und hofft, dass das dann schon irgendwie funktionieren wird. Das kritisieren wir! (Beifall bei der FPÖ.)

Dritter Kritikpunkt: Es handelt sich hier um eine Pauschalgebühr und keine Steuer. Wir wissen, mit der Gebühr soll der tatsächliche Aufwand abgegolten werden. Eine Grund­buchgebühr in einer Größenordnung von etwa 1 500 € ist nichts Außergewöhnliches


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bei 1,1 Prozent des Werts des eingetragenen Rechts. Dem gegenüber steht dann der Aufwand in keiner Relation, denn die 1 500 € im Verhältnis zu in Wirklichkeit einer hal­ben Stunde Arbeit, das steht in keiner Relation, und wir wissen, ein Grundbuchrechts­pfleger erledigt im Jahr 2 800 bis 3 000 Tagebuchzahlen.

Da besteht also ein Missverhältnis, und das beweisen auch die Zahlen, die hier vorlie­gen, nämlich dass Österreich bei der Justiz beziehungsweise bei den Gerichten einen Finanzierungsgrad von 110 Prozent aufweist, und im Europadurchschnitt liegt dieser bei 22 Prozent. Diese Zahlen sprechen also eine eindeutige Sprache: Man hebt hier unter dem Vorwand, eine Gebühr einzuheben, in Wirklichkeit ja doch eine Steuer ein, und diese Steuer soll jetzt auch noch erhöht werden.

Da frage ich mich überhaupt, ob es notwendig ist, dass man diese Änderung jetzt auch mit einer Gebührenerhöhung einhergehen lässt. Wieso überlegt man sich nicht ganz einfach ein völlig anderes System? (Bundesrat Mag. Klug: Das ist nicht der Kern­punkt!) Im Firmenbuch bildet auch nicht das Stammkapital oder das Grundkapital, das eingetragen wird, die Bemessungsgrundlage. Also ich denke, man sollte hier doch überlegen, ob man nicht eine Systemumstellung vornimmt.

Abschließend, geschätzte Damen und Herren, Frau Minister, zusammengefasst: Die­ses Gesetz wird keinen Bestand haben, das lässt uns der Verfassungsgerichtshof durch seinen Präsidenten wissen. Die Selbstberechnung aus dem Gesetz herauszu­nehmen ist ein Fehler. Der Einsatz an Kosten und Personal wird steigen, und Kosten­beamte bei Gericht, das sage ich noch einmal, sind keine Sachverständigen für Lie­genschaftsbewertungen. Und ich denke, man sollte da grundsätzlich eine Systemum­stellung andenken, eine andere Art der Gebührenberechnung einführen. – Wir werden dieses Gesetz hier ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.45


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte.

 


14.45.52

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Den einen oder anderen Kritikpunkt, den mein Vorredner gebracht hat, wird man teilen können, ich glaube aber – das muss ich auch dazusagen – betreffend die Kritik, die der Verfassungsgerichtshof zuletzt an der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer getätigt hat, nicht, dass er damit ge­meint hat, dass er die sachliche Differenzierung der Familie aufheben wird. Das ist zwar, wie Sie richtig sagen, auf ORF.at gestanden, aber das hat Präsident Holzinger nicht gesagt.

Der Herr Präsident hat gesagt – und das hat auch der Verfassungsgerichtshof judiziert, auch in dem bereits auf der Homepage veröffentlichen Erkenntnis –, dass die unsachli­che Differenzierung zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb wegzufallen hat. (Zwischenrufe der Bundesräte Mag. Klug und Brückl.) Das ist, kurz gesagt, der Succus – weiter vertiefen will ich das jetzt nicht, weil wir hier natürlich keine Jus-Vor­lesung machen, sondern weil wir hier über die Grundbuchsgebührennovelle reden.

Daher heißt das nicht, dass wir mit dem, was wir heute beschließen, sehenden Auges in das aufgeklappte Messer des Verfassungsgerichtshofes hineinlaufen, das tun wir nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich möchte aber schon eines anmer­ken – Frau Kollegin Mühlwerth, ich rutsche jetzt kurz mit meinen Ausführungen sicher in Ihre Richtung, Sie werden also hoffentlich begeistert nicken, wenn ich Ihnen Folgen­des sage –: Natürlich werde ich als Anwalt schon ab und an von folgendem Problem geplagt, wenn ein jüngeres Paar zu mir kommt und Eigentum schaffen und sich ein Einfamilienhaus kaufen will.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 115

Ein Reihenhaus in keiner übermäßig prächtigen Lage, sage ich, ist heute mit etwa 300 000 € zu finanzieren. Wenn mich das Paar fragt, was es denn für Nebenkosten gibt, muss ich ihm Folgendes sagen: Na ja, da sind zunächst einmal 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer – das sind 10 500 € –, dann gibt es 1,1 Prozent Eintragungsge­bühr – das sind noch einmal 3 300 €; damit marschiere ich schon Richtung 14 000 € bis 15 000 € –, und wenn ihr Pech habt und ihr müsst auch noch ein Pfandrecht eintra­gen, weil die Bank eben sagt, dass sie auch ein bisschen Sicherheit haben will für die 100 000 € bis 150 000 €, die ihr fremdfinanzieren wollt, dann kommen noch einmal 1,2 Prozent dazu.

Ich spreche daher hier schon die Warnung aus, dass wir das Beschaffen von Wohn­raum, wenn sich einer für Eigentum entscheidet, nicht in dieser Weise unbotmäßig verteuern dürfen. Und ich sage auch eines dazu: Wenn man sich das prozentuell an­schaut – und ich bewege mich jetzt bei 300 000 €; das ist nichts, was sich nur irgend­welche Superreichen leisten können –, dann belasten wir Wohnraumbeschaffung und Eigentumserwerb in einer Art und Weise, wie ich es nicht für richtig halte.

Kollege Brückl, ich pflichte Ihnen auch in dem Punkt bei, dass es eine schwierige Sa­che ist, die Gebühr prozentuell zu bemessen. Wir haben richtigerweise in einer guten Zusammenarbeit zwischen Justiz, Finanzbehörden, aber auch den Gerichten mit dem elektronischen Rechtsverkehr, mit FinanzOnline etwas geschaffen, das wirklich eine große Hilfe in der Abwicklung ist und von dem ich auch glaube, dass sich die Republik selber sehr, sehr viel Geld erspart, weil sie gewisse Tätigkeiten – sage ich jetzt einmal salopp – ausgelagert hat auch an die Schriftenverfasser, an die Notare, an die Rechts­anwälte.

Da sollten wir schon vorsichtig sein, dass wir keinen gegenteiligen Effekt auslösen, dass wir also mit FinanzOnline wieder aufhören, weil es natürlich Verfahrensdauern mit sich bringt, die nicht gut sind. Wir sollten also ein Auge darauf haben, dass dieses Sys­tem weiter gut funktioniert.

Ich habe denjenigen, die bei mir die Berechnung haben wollten, denen ich sagen soll­te, wie viel es kostet, nicht dazugesagt, dass es hier herinnen Bundesräte gibt, die der Meinung sind, dass man das noch ein bisschen höher besteuern sollte. – Das habe ich nicht getan, weil ich glaube, dass, wenn ich Grunderwerb versteuere, an und für sich 13 000 € bis 15 000 € genug sind, Herr Kollege Schennach, wenn ich so an die ersten Tagesordnungspunkte und die Erfindung neuer Steuern denke. (Zwischenruf des Bun­desrates Mag. Klug.) Ich habe das nicht dazugesagt, denn es reicht ohnehin, wenn man es mit 15 000 € belastet.

Dass es nicht noch teurer wird – und vor allem nicht teurer wird im unentgeltlichen Er­werb für Familien und für kleine Unternehmen –, das ist etwas ganz Entscheidendes und das ist der positive Succus dieser Gesetzesvorlage, darum habe ich auch kein Problem, dem zuzustimmen. Trotzdem muss ich sagen, man könnte einmal eine Vision ins Auge fassen – aber das betrifft jetzt auch nicht nur Sie, Frau Ministerin –, hier im Zuge der Reparatur bis Mai 2014 in der Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage – das ist also nicht unmittelbarer Fachbereich der Justiz – umzudenken. Aufgetragen worden ist, dass man dort versuchen sollte, systematisch vorzugehen und vielleicht einmal einen anderen Ansatzpunkt anzudenken – und es gibt andere, als Einheitswerte anzuheben; es gibt durchaus fantasievollere Lösungen in diesem Bereich. – Das soll­ten wir, glaube ich, gemeinsam versuchen.

Dieser Gesetzentwurf ist insofern richtig, als er – und das ist jetzt auch noch ein Punkt –, wie ich glaube, nicht jeden zweiten Akt betreffen wird, sondern mehr Akte be­treffen wird. Er wird die Familien, die übergeben, betreffen, und er wird die Unterneh­men, die übergeben, betreffen. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist der Punkt! – Zwischen­ruf des Bundesrates Brückl.) Und wir haben die, die es am Schlimmsten treffen wür-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 116

de – die es wirklich am Schlimmsten treffen würde! –, hier herausgebracht. Dafür ist auch Ihnen zu danken, Frau Ministerin, dass das in einer, wie ich glaube, geordneten Diskussion auch unter dem Fraktionen des Hauses gut über die Bühne gegangen ist und dass man diese Ausnahmen aus Sicht der Wirtschaft, aber auch aus Sicht der Fa­milien richtigerweise hineingebracht hat.

Das war das Entscheidende, darum stimmen wir diesen Entwurf auch zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.51


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


14.51.24

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministe­rin! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wofür der Verfas­sungsgerichtshof heute herhalten muss! Es versucht eben jede politische Fraktion in diesem Haus, so ihre eigenen Schlüsse aus der Reparatur eines Gesetzes zu ziehen, und insofern reihe ich mich in den Reigen nahtlos ein und werde daher versuchen, aus dem Blickwinkel der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion die Frage der Bemes­sungsgrundlage im Bereich des Grunderwerbsteuergesetzes zu beleuchten.

Ich verstehe schon, Herr Mag. Fürlinger, dass man sich im anwaltlichen Geschäft na­türlich mit ein paar Prozenten hinsichtlich der etwaigen Nebenkosten auseinandersetzt, dass man ein Gefühl bekommt, was denn sozusagen ein Eigentumserwerb kostet, aber im Zusammenhang mit der vorliegenden Reparatur haben wir seitens der sozial­demokratischen Fraktion naturgemäß einen anderen inhaltlichen Zugang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Novelle – und da teilen wir sozusa­gen die Einschätzung sowohl der Freiheitlichen als auch der ÖVP-Fraktion – hat im Wesentlichen ihre Ursache in einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, und in­sofern wurde diese Reparatur auch notwendig. In seiner diesbezüglichen Entscheidung hat der Gerichtshof die Anknüpfung des Gerichtsgebührengesetzes an die Bemes­sungsgrundlage des Grunderwerbsteuergesetzes für die Zwecke der Berechnung der Eintragungsgebühr im Grundbuch für verfassungswidrig erklärt. Das war einmal der erste Anknüpfungspunkt.

Der VfGH hat ausgesprochen, dass die maßgeblichen Bestimmungen mit Ablauf des 31. Dezember 2012 aufgehoben werden müssen und damit die Anknüpfung an den Verkehrswert – die Anknüpfung an den Verkehrswert! – als Bemessungsgrundlage für die Grundbucheintragungsgebühren herbeigeführt werden soll. Verkehrswert! Kurz ge­sagt soll in diesem Zusammenhang eben nicht mehr der Einheitswert, sondern der Verkehrswert ausschlaggebend sein.

Der erste Begutachtungsentwurf, werte Kolleginnen und Kollegen, seitens des Bundes­ministeriums für Justiz wollte zwar diesem Spruch des Verfassungsgerichtshofes ent­gegenkommen, ist aber andererseits – das muss man auch ganz offen sagen – auf doch heftige politische Kritik gestoßen. Der Hauptpunkt der Kritik war – und jetzt kommt es! –, dass bei Schenkungen zum Beispiel von Eigentumswohnungen im Fami­lienkreis die Ausnahmebestimmungen viel zu eng gezogen wurden und somit die meis­ten diesbezüglichen Fälle gar nicht mehr unter die Ausnahmebestimmungen gefallen wären. Das Justizministerium hat diesen Entwurf überarbeitet und den Ausnahmetat­bestandskatalog erweitert. Ich bedanke mich ausdrücklich, dass in diesem Zusammen­hang auch Vorschläge seitens der Arbeiterkammer und des ÖGB aufgenommen wur­den.

Die Debatte darüber war aber noch immer nicht zu Ende. Es gab aus verfassungs­rechtlichen Gründen noch immer Kritik, woraufhin – wiederum seitens des Justizminis­teriums, in einer engen Zusammenarbeit mit dem Verfassungsdienst des Bundeskanz-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 117

leramts – insbesondere auch die Erläuterungen noch einmal nachgebessert wurden. Die heute von uns zu beschließende Fassung wurde vom Verfassungsdienst des Bun­deskanzleramts ausdrücklich als verfassungskonform bestätigt.

Wichtig für die politische Akzeptanz war, dass im § 26a Gerichtsgebührengesetz die sogenannten begünstigten Erwerbsvorgänge festgelegt worden sind, also die Abwei­chungen zu der im § 26 Gerichtsgebührengesetz vorgesehenen Anknüpfung an die Verkehrswerte. Es wurde festgelegt, dass als Bemessungsgrundlage bei diesen be­günstigten Erwerbsvorgängen grundsätzlich der dreifache Einheitswert berücksichtigt werden soll, der typischerweise weit unter dem Wert des § 26 liegt.

Da sich aber die Einheitswerte im Laufe der Jahre sehr unterschiedlich entwickelt ha­ben und sichergestellt werden soll, dass ohne regionale Unterschiede, Kollege Brückl – ohne regionale Unterschiede! – die Regelungen ihre begünstigende Wirkung entfalten, wurde vorgesehen, dass die Bemessungsgrundlage maximal 30 Prozent des Wertes gemäß § 26 ausmacht, also nach dem Wert des Verkehrswertes maximal 30 Prozent.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesen Übertragungen im Familienkreis soll also die begünstigte Regelung gelten, während in Ziffer 2 die Übertragung von Liegenschaf­ten in der gesellschaftsrechtlichen Konstellation anders geregelt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die vorliegen­de Novellierung war sozusagen keine leichte Geburt, das Kind kann sich aber sehen lassen. Es werden wirklich jene Lebenssachverhalte, bei denen in der Bevölkerung ein großes Bedürfnis nach Ausnahmeregelungen besteht, letztendlich berücksichtigt, und damit werden auch sozial verträgliche Regelungen eingeführt.

Man muss annehmen, dass die Debatte über größtmögliche Gerechtigkeit im Zusam­menhang mit Einheitswerten und Verkehrswerten vermutlich auch noch in den nächs­ten Jahren nicht beendet wird – ich verweise in diesem Zusammenhang auf ein jün­geres Erkenntnis seitens des Verfassungsgerichtshofes –, wir haben aber mit der Deadline 31. Dezember 2012 hier wirklich eine Fassung vorliegen, der man guten Ge­wissens im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zustimmen kann.

Ich danke allen, die sehr bemüht und engagiert daran mitgearbeitet haben, dass letzt­lich doch eine politisch vernünftige Lösung herausgekommen ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.58


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


14.58.18

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Ursache für die vorliegende Gesetzesänderung ein Verfassungsgerichtshoferkenntnis ist. Und in diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis wurde die Grundbucheintragungsgebühr nicht der Höhe nach beanstandet, es wurde aber die Bemessungsgrundlage beanstan­det. (Bundesrat Mag. Klug: Genau!)

Der Verfassungsgerichtshof hat moniert – das wurde bereits erwähnt –, dass eine un­sachliche Differenzierung zwischen der Bemessungsgrundlage bei entgeltlichen und unentgeltlichen Liegenschaftsübertragungen stattfindet, weil man nach geltendem Recht bei den entgeltlichen Liegenschaftsübertragungen den Verkehrswert heranzieht, bei den unentgeltlichen Liegenschaftsübertragungen ist die Bemessungsgrundlage der Einheitswert beziehungsweise ein Vielfaches des Einheitswertes. Und da hat der Ver­fassungsgerichtshof festgestellt, dass diese Beträge zu sehr auseinanderklaffen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 118

Aber der Verfassungsgerichtshof hat ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass auch bei einer Änderung, die natürlich vorzunehmen ist, sehr wohl auch Ausnahmen bezie­hungsweise Erleichterungen möglich sind. Aber das geht natürlich immer nur, wenn eine entsprechende sachliche Rechtfertigung für solche Ausnahmen vorliegt. Das heißt, ich kann Ausnahmen von der Regel vorsehen, allerdings brauche ich dafür eine sachliche Rechtfertigung.

Ich beteilige mich zwar nicht gerne an „Was wäre, wenn“-Spielen, aber ich glaube, ge­rade da muss man sich schon die Frage stellen: Was wäre, wenn der Gesetzgeber nun nicht tätig werden würde? – Wenn der Gesetzgeber bis zum Ende des Jahres 2012, also bis zum 31. Dezember 2012, nicht tätig werden würde, dann hätten wir ab 1. Jän­ner 2013 die Situation, dass die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grund­bucheintragungsgebühr bei allen Liegenschaftsübertragungen der Verkehrswert wäre. Gleichgültig, ob entgeltlich oder unentgeltlich, ob innerhalb der Familie oder außerhalb der Familie, es wäre immer der Verkehrswert die Bemessungsgrundlage. Und das ist natürlich etwas, das ich in dieser Art und Weise nie wollte. Ich habe immer gesagt, da müssen wir schneller sein, da müssen wir im Jahr 2012 noch eine entsprechende Än­derung zustande bringen.

Die entscheidende Frage war natürlich: Wie setzen wir den Kreis der Begünstigten fest, inwiefern besteht noch die sachliche Rechtfertigung, die ich angesprochen habe, das heißt, inwiefern ist es verfassungskonform, wenn wir da Begünstigungen vorse­hen? Das war natürlich der springende Punkt bei dieser Reform.

Ich glaube, wir waren uns immer darin einig, dass die Familie da natürlich sehr wohl zu begünstigen ist. Die Frage war dann immer, in welchem Umfang die Familie zu be­günstigen ist. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben da eine sehr weite Begünstigung für Familien vorgesehen. Und es wurde von Herrn Bundesrat Klug bereits darauf hingewiesen, dass auch der Verfassungs­dienst diesen Entwurf überprüft und für verfassungskonform befunden hat.

Wir haben jetzt den Kreis der begünstigten Familienmitglieder wirklich sehr weit ge­fasst. Das heißt, Übertragungen an den Ehegatten, den eingetragenen Partner, den Lebensgefährten, die Eltern, die Kinder, Wahl- und Pflegekinder sind von der höheren Gebühr ausgenommen, aber darüber hinaus auch Übertragungen an Großeltern, En­kel, Geschwister, Nichten, Neffen. Also das ist wirklich neu, dieser sehr weit gefasste Familienbegriff.

Es kommt bei diesen Übertragungen auch nicht mehr darauf an, ob die Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Nach geltendem Recht besteht eine Begünstigung nur für unentgeltliche Übertragungen. Wir sehen aber vor, dass künftig innerhalb der Familie nicht mehr zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragungen diffe­renziert wird. Bei allen Übertragungen innerhalb der Familie gibt es die Begünstigung, also das Abstellen auf den dreifachen Einheitswert, maximal 30 Prozent des Verkehrs­wertes – und nicht das Abstellen auf den Verkehrswert.

Es wird auch nicht danach differenziert, ob jetzt innerhalb der Familie eine private Wohnung, ein privates Haus übertragen wird oder ein Unternehmen oder eine Land­wirtschaft. Das ist völlig egal. Entscheidend ist immer der Kreis der Begünstigten, ob es sich also um eine Übertragung innerhalb der Familie handelt. Und ich denke, dass wir da eine wirklich sehr gute Lösung gefunden haben.

Ich möchte auch noch auf einige Äußerungen von Herrn Bundesrat Brückl zu sprechen kommen. Herr Bundesrat, Sie haben gesagt, es sei fraglich, wie Kostenbeamte die Plausibilität prüfen können, denn es geht – das haben Sie ausgeführt – um die Prüfung der Plausibilität der gemachten Angaben. Und eine Antwort auf diese Frage finden Sie, wenn Sie die Erläuterungen zum Gesetzestext lesen. Dort ist nämlich auch ausgeführt,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 119

dass für die Darlegung der Plausibilität etwa auch der Immobilienpreisspiegel heran­gezogen werden kann. Das heißt, man braucht da nicht in allen Fällen ein Sachver­ständigengutachten, es reichen auch sonstige Unterlagen, wie eben zum Beispiel Im­mobilienpreisspiegel. Damit kann man die Plausibilität der Angaben sehr wohl begrün­den.

Außerdem sehen wir im vorliegenden Gesetzestext auch eine Verordnungsermächti­gung für die Bundesministerin vor, um in dieser Verordnung auch noch näher auszu­führen, wie eben die Kostenbeamten die Plausibilität zu überprüfen haben, was sie da alles beiziehen können. Das heißt, wir unterstützen da die Kostenbeamten sehr wohl und bieten ihnen ausreichend Hilfestellungen, damit sie innerhalb der gebotenen Zeit gute Ergebnisse erzielen können. Wir lassen da – entgegen Ihrer Aussage, Herr Bun­desrat Brückl – die Kostenbeamten keineswegs allein, und wir werden sie natürlich auch entsprechend schulen. Ich bin überzeugt davon, dass die Kostenbeamten dieser neuen Aufgabe sehr gut nachkommen werden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einwand zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.04.2313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertrags­gesetz, das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und das Bundes-Behinder­tengleichstellungsgesetz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsge­setz 2013 – VersRÄG 2013) (2005 d.B. und 2037 d.B. sowie 8850/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nun kommen wir zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schennach. Bitte um den Bericht.

 


15.04.34

Berichterstatter Stefan Schennach: Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungs­gesetz geändert werden – Versicherungsrechts-Änderungsgesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 



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15.05.29

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Das Versicherungsrechts-Än­derungsgesetz 2013 sieht Folgendes vor: Wir sind vom Europäischen Gerichtshof verpflichtet worden, dass wir ab 21. Dezember – das ist ab morgen – gleiche Prämien für Männer und Frauen haben müssen – die sogenannte Unisex-Richtlinie.

In Österreich waren Frauen begünstigt, hatten aufgrund des niedrigeren Risikos und der höheren Lebenserwartung günstigere Prämien als Männer. Das gehört nun der Vergangenheit an. Ab sofort sind die Prämien für Männer und Frauen gleich. Dadurch werden die Prämien bei den Männern in Zukunft etwas günstiger sein und bei den Frauen natürlich etwas höher. Das ist aber alternativlos, die Unisex-Richtlinie muss ab morgen umgesetzt werden.

Weiters werden mit dieser Novelle die Behinderten besser gestellt. Die Behinderten hatten kaum eine Chance, bei österreichischen Versicherungen eine Versicherung ab­zuschließen. Sie wurden fast immer abgelehnt, oder es wurden so hohe Prämien vor­geschrieben, dass es uninteressant war.

Auch diesbezüglich gibt es jetzt eine Lösung. Behinderte müssen aufgrund ihres Ge­sundheitszustandes eingestuft werden und können nicht mehr von vornherein abge­lehnt werden. Auch das ist eine sehr wichtige und richtige Entscheidung, damit die Ver­sicherungsanstalten die Behinderten da nicht mehr diskriminieren können.

Außerdem sind auch noch einige technische Verbesserungen vorgesehen. Gerade im Zusammenhang mit Prämieneinzügen und der unseligen Zahlscheingebühr, die immer wieder herumgegeistert ist und zum Teil von Versicherungsanstalten verrechnet wurde, ist klargestellt, dass das in Zukunft nicht mehr möglich sein wird.

Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes ist diese Unisex-Richtlinie alter­nativlos, und wir können dieser Novelle mit gutem Gewissen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Kemperle. – Bitte.

 


15.08.01

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Frau Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Es ist bereits erwähnt wor­den, dass es zu einer Novellierung wegen einer Besserstellung kommt, und zwar auf­grund eines EuGH-Erkenntnisses zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, Ver­kehrsopfer-Entschädigungsgesetz, Versicherungsvertragsgesetz et cetera. Es geht da­bei letztendlich auch um eine Gleichstellung der Geschlechter im Versichertenvertrags­recht, sodass gleiche Prämien und Leistungen für Frauen und Männer gelten sollen.

Es wird natürlich zu beobachten sein, ob sich in Zukunft in der Versicherungswirtschaft diese Unisex-Regelung dahin gehend auswirkt, dass es generell zu Verteuerungen kommt, oder ob es zu einer Angleichung der Prämien in die andere Richtung kommt, dass die Prämien für die Männer günstiger werden. In diese Richtung könnte es auch gehen, es muss ja nicht immer eine Erhöhung stattfinden. Das wäre natürlich wün­schenswert.

Gleichzeitig kommt es auch zu einer Änderung des Bundes-Behindertengleichstel­lungsgesetzes. Da geht es nicht nur darum, dass letztlich der Gesundheitszustand ei­ner Person ausschlaggebend sein wird dafür, wie sich die Versicherungsverträge be­ziehungsweise die -prämien gestalten, sondern vor allem darum – und das ist wichtig –, dass die Verträge künftig nicht mehr aufgrund des Gesundheitszustandes abgelehnt oder gekündigt werden dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 121

Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin oft genug für Menschen mit Behinderung bezie­hungsweise mit besonderen Bedürfnissen zu Versicherungen gegangen, um mit die­sen zu verhandeln, dass bestimmte Leistungen erbracht werden, erbracht werden müssen, damit keine Ausnahmen oder negativen Darstellungen in Verträgen gegen­über diesen Menschen zum Tragen gekommen sind.

Sehr positiv ist auch, dass die Möglichkeit gegeben wird, dass die Österreichische Ar­beitsgemeinschaft für Rehabilitation und der Behindertenanwalt eine Klagebefugnis er­halten. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass es da auch unabhängige Bereiche gibt, die bei der Beurteilung mitsprechen können.

Grundsätzlich war diese Gesetzesänderung längst überfällig, und ich glaube, dass das auch ein guter Schritt in die richtige Richtung zur Gleichstellung ist. Herzlichen Dank. Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.10


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße die Frau Innenministerin ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herzlich will­kommen, Frau Ministerin! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.11.3014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Regelung des Personenstandswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013) erlassen sowie das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985, das Meldegesetz 1991 und das Namensänderungsgesetz ge­ändert werden und das Personenstandsgesetz aufgehoben wird (1907 d.B. und 2042 d.B. sowie 8825/BR d.B. und 8839/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. Bitte um den Bericht.

 


15.11.59

Berichterstatter Christoph Kainz: Frau Präsidentin! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandswesen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; daher darf ich sogleich den Antrag stel­len.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 122

15.12.45

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau In­nenministerin! Es ist schade, dass die Frau Justizministerin schon gegangen ist, denn ich wollte ihr zum Personenstandsgesetz etwas sagen. Ich verlese trotzdem die Stel­lungnahme des Justizministeriums zu diesem Gesetz, die sehr interessant ist.

Es heißt: „Dass nun sämtliche Daten des Zentralen Personenstandsregisters () für die Zwecke der Sicherheitsverwaltung und Strafrechtspflege in einer nicht näher erläu­terten ,Verknüpfungsanfrage‘ herangezogen werden sollen dürfen, ist ohne nähere Er­klärung oder präzisere gesetzliche Regelung seitens des Bundesministeriums für Jus­tiz nicht unterstützenswürdig.“ – Das steht in der Stellungnahme des Justizministeriums zu dem Gesetz, das wir nun beschließen.

Warum die Frau Justizministerin im Ministerrat dann zugestimmt hat, das weiß ich nicht. Ich werde sie jetzt auch nicht fragen können, sie ist nicht mehr hier, aber das zeigt doch relativ deutlich, welche Problematiken mit diesem Gesetz verbunden sind.

Es sind zwei Problematiken. Die erste Problematik sind der Datenschutz und die Sa­che mit der Abfrage der Daten.

Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, dass das Personenstandsregister auf eine elektronische Basis gestellt wird. Das ist prinzipiell in Ordnung. Wie immer – wir haben das ja sehr oft in den Debatten in diesem Haus – stellen sich aber, wenn Daten in eine Datenbank eingegeben werden, zwangsläufig die Fragen nach dem Datenschutz.

Mein Kollege vom Nationalrat, Albert Steinhauser, hat mir erzählt, dass sie im Aus­schuss diskutiert hätten, dass zum Beispiel die illegale Abfrage der Daten erschwert werden wird, weil es Log Files gibt, und das auch kontrolliert werden würde, sollte es zu einem Datenmissbrauch kommen. Das ist begrüßenswert. Wir werden uns halt an­schauen, wer das wann wie und wo kontrolliert – ich weiß nicht, wer es kontrolliert.

Aber der Hauptgrund dafür, dass wir dieses Gesetz in puncto Datenschutz ablehnen, ist eindeutig, dass die Polizei – und in diesem Gesetz wird nicht näher definiert, wer von der Polizei, einfach die Polizei – weitergehende Abfragemöglichkeiten des Perso­nenstandsregisters erhält und eben auch solche Verknüpfungsanfragen stellen kann, was aus unserer Sicht nichts anderes bedeutet als Rasterfahndung durch die Hintertür.

Der zweite Grund dafür, dass wir dieses Gesetz ablehnen – jetzt komme ich zu dem Thema, das mich heute schon den ganzen Tag begleitet: eingetragene Partnerschaft, Teil drei; wir hatten es schon bei Frau Ministerin Heinisch-Hosek, wir hatten es bei Frau Ministerin Karl, jetzt habe ich es bei Ihnen auch –, ist: Dieses Personenstandsge­setz schreibt genau das fest, was wir von Anfang an kritisiert haben und warum es von Anfang an ein Konstruktfehler war, unterschiedliche Rechtsinstitute zu schaffen, eine Schublade für Heteros, eine Schublade für die Lesben und Schwulen.

Die fünf Diskriminierungen setzen sich in diesem Gesetz fort:

erstens: die Schließung der eingetragenen Partnerschaft vor einer Bezirksverwaltungs­behörde beziehungsweise einem Magistrat und nicht am Standesamt;

zweitens: die Schließung nur in den Amtsräumen – das hat dann ungefähr den Charme einer Hundeanmeldung oder einer Autoanmeldung –;

drittens: keine Trauzeugen, keine Trauzeuginnen, das heißt keine Feier, keine Zeremo­nie. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das habe ich überhaupt nicht erwähnt. (Bundesrat Hensler: Das sind Probleme! – Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Ja, das zeigt ja jetzt das wahre Gesicht der ÖVP! Wenn Sie lesbischen und schwulen Paaren keine Feier erlauben wollen, dann haben Sie ein Problem mit Lesben und Schwulen – und die Lesben und Schwulen haben ein Problem mit Ihrer Ansicht von


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Menschenrechten. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Beer – in Richtung ÖVP –: In welchem Jahrhundert seid ihr eigentlich? Wir sind im 21. Jahrhundert!)

Bitte, ORF-Kameras, zeigt diesen Mann! Liebe Lesben und Schwule, schaut sie euch an!

Viertens: kein Jawort – ist nicht erlaubt. Bei der Eheschließung gibt es bekanntlich das Jawort. Bei einer eingetragenen Partnerschaft dürfen sie, wenn sie eingegangen wird, unterschreiben, da sind wir wieder beim Vergleich mit der Autoanmeldung, im Besen­kammerl einer Bezirksverwaltungsbehörde.

Und fünftens: Eingetragene Partner und Partnerinnen verlieren ihren Familiennamen, dürfen sich ja nicht mehr Familie nennen, sondern haben dann nur noch einen Nach­namen.

Ich frage dasselbe Sie, Frau Ministerin, was ich schon Frau Justizministerin Karl ge­fragt habe: Nennen Sie mir eine sachliche Begründung, warum es diese Unterschiede gibt! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Reisinger. – Bitte.

 


15.18.36

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder wird zu Recht eine Vereinfachung in der Verwaltung gefordert, und diese wird auch sehr oft von jeder politischen Gruppierung versprochen. Mit dem heute zu beschlie­ßenden Gesetz können wir zu Recht behaupten, dass wir dieser Forderung und die­sem Versprechen nachkommen.

Die neue Form dieses Meldegesetzes bringt sowohl für die Verwaltung als auch für die Bürgerinnen und Bürger wesentliche Erleichterungen. Jeder, der schon einmal die Wohnsitzgemeinde gewechselt hat, weiß, dass es bisher notwendig war, sich zuerst bei der bisherigen Wohnsitzgemeinde abzumelden und sich danach auch in der neuen Wohnsitzgemeinde wieder anzumelden. Mehrere Behördenwege waren dafür notwen­dig und in der Folge auch für die Behörde ein aufwändiger postalischer Briefverkehr.

Viele Menschen, aber auch die zuständigen Behörden, in erster Linie die Gemeinden, haben sich gefragt, ob dieser Aufwand im digitalen Zeitalter noch notwendig ist. Ich bin daher sehr froh darüber, dass es mit diesem Gesetz gelungen ist, die Personenstands­erfassung und in diesem Zusammenhang auch das Staatsbürgerschaftsregister auf moderne, zeitgemäße Beine zu stellen.

Das bedeutet, dass wir heute die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass ein zentral geführtes Datenregister erstellt und so den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, bei jeder Personenstandsbehörde auch die entsprechenden Meldungen abzuwi­ckeln.

Natürlich braucht es für die Sicherung derartiger Datenspeicher entsprechende Maß­nahmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, und ich weiß, dass das auch vorgesehen ist.

Vor kriminellen Handlungen ist man natürlich nie sicher. Da kann man sich nur best­möglich schützen. Da sind höchste Sicherheitsstandards einzuziehen. Ich bin mir si­cher, das ist auch so vorgesehen.

Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben, lautet ein altes Sprichwort. Da müssten wir vie­le Bereiche überdenken. Ich denke nur an den Bankenbereich, wo auch sehr, sehr


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wichtige Daten elektronisch gespeichert sind. Und auch in diesem Fall ist es eine Selbstverständlichkeit.

Im Besonderen möchte ich auch noch erwähnen, dass durch diese Verwaltungsverein­fachung auf Sicht gesehen auch Kosten in der Verwaltung gespart werden. Natürlich gibt es Umstellungskosten und auch einen anfänglichen Mehraufwand durch die Nach­erfassung der Daten. Ich sehe dies aber als eine gute und sinnvolle Investition in die Zukunft.

Sehr geehrte Damen und Herren! Meines Erachtens wird mit dieser Gesetzesänderung ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Verwaltungsreform gesetzt – einer Verwaltungsreform, der man nur zustimmen kann und zu der ich dir, Frau Bun­desminister, vor allem auch ganz herzlich gratuliere. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.21


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte.

 


15.21.58

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Frau Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der Gesetzentwurf, die Ge­setzesvorlage, die heute zu beschließen ist, geht im Wesentlichen in Richtung einer Verwaltungsvereinfachung. Mein Vorredner hat bereits erwähnt, dass es diesbezüglich doch einige Umstellungen geben wird, die Verwaltungsvereinfachungen mit sich brin­gen werden. Das heißt, eine Reduktion des Aufwands, eine Effizienzsteigerung, Trans­parenz der Behördenaktivitäten und eine bessere Datenqualität sollen damit verbunden sein.

Es soll letztendlich auch der Bürger, die Bürgerin von einer effizienteren Verwaltung profitieren, und dies unabhängig vom Wohnort, weil unter Umständen nicht mehr drei Behörden zuständig sind, sondern die Möglichkeit besteht, bei einer Behörde Vorla­gen, Urkunden et cetera abzurufen beziehungsweise diese zu erhalten.

So können zum Beispiel auch kleinere Unternehmen, Beherbergungsbetriebe davon profitieren, weil die Verpflichtung entfällt, die Gästeblätter in Papierform aufzubewah­ren. Die Aufbewahrungspflicht wird in diesem Fall wegfallen.

Der Datenschutz soll, wenn diesem Gesetz wirklich Genüge getan wird, strenger sein als im bisherigen Meldegesetz. Und die Protokollierung soll so erfolgen, dass jederzeit eine Abfrage möglich ist und nachvollzogen werden kann, wem Auskunft über die Da­ten gegeben wird.

Das heißt, das sind Vereinfachungen, die letztendlich notwendig waren und in diesem Gesetz vollzogen werden.

Da früher nur klerikale Einrichtungen ein Personenstandsregister führen durften und bereits mit dem kaiserlichen Patent vom 20. Februar 1784 eine Umstellung erfolgte, wird dies nun durch eine Verwaltungsvereinfachung fortgesetzt.

Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Eine persönliche Anmerkung sei mir noch gestattet. Ich möchte schon auch darauf hinweisen, dass es, gerade was das Namensrecht betrifft, sicher noch einiger Änderungen bedarf. Was den gleichge­schlechtlichen Bereich betrifft, muss ich dem Kollegen Schreuder zustimmen, dass das nach wie vor eine Diskriminierung ist, die behoben gehört. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 125

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einwand zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.25.3015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird (Sprengmittelgesetz-Novelle 2012) (1810 d.B. und 2044 d.B. sowie 8840/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird (2045 d.B. sowie 8841/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 15 und 16 ist Herr Bundesrat Kainz. Bitte um die Be­richte.

 


15.25.49

Berichterstatter Christoph Kainz: Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere An­gelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Sprengmittelgesetz 2010 geändert wird.

Dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


15.26.35

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute wieder einen Teil von Verwaltungsvereinfachung. Die Änderung des Waffengesetzes regelt nämlich die Befugnisse der zuständigen Behörden bei der Sicherung und Vernichtung von Kriegsmaterial.

Im Zweiten Weltkrieg wurden Unmengen von Bomben auf österreichisches Territorium abgeworfen, darunter eine Unzahl von Blindgängern, die mehr oder weniger konzen-


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triert in gewissen Landesteilen zum Vorschein kommen. Schätzungen zufolge soll es noch 17 000 solcher Blindgänger geben. Nachrichtenmeldungen über derartige Funde hört man ja regelmäßig. Solche Funde gibt es bei größeren Baustellen, bei Feldarbei­ten, bei Waldarbeiten und vielem anderen.

Jährlich werden zirka 30 derartige Bomben von Experten des Entminungsdienstes ent­schärft. Der Job, derartige Funde zu entschärfen, ist sicher einer der gefährlichsten. Mit diesen Tätigkeiten waren bis jetzt Spezialisten des Innenministeriums und des Landes­verteidigungsministeriums betraut. Zukünftig sollen diese Aufgaben nur mehr von Ex­perten des Verteidigungsministeriums erledigt werden. Damit ist eine klare Regelung hinsichtlich der Befugnisse getroffen worden.

Da bei derartigen Entschärfungsvorgängen eine Gefährdung der Bevölkerung nie aus­zuschließen ist, kann man auch künftig notwendiger- und vernünftigerweise Absperr­maßnahmen und Platzverbote bis hin zu Wegweisungen, bis die Gefährdungsfrage ge­klärt ist, verfügen.

Diese Änderung enthält allerdings leider Gottes – und da spreche ich als Bürgermeister einer Gemeinde – keine vernünftige Regelung, wer die Kosten derartiger Entschärfun­gen zu tragen hat, denn es kann nicht sein, dass Grundeigentümer oder Gemeinden diese Kosten tragen müssen, die absolut nichts dafür können, dass derartige Blindgän­ger auf ihren Grundstücken liegen.

Alles in allem ist, glaube ich, ganz besonders wichtig, dass die Entschärfung von derar­tigem Kriegsmaterial weiter höchst professionell und mit bestmöglicher Sicherheit erfol­gen wird. Dafür kann man den Entschärfungsexperten nicht genug danken. Wir wün­schen ihnen alles Gute für ihre Tätigkeit, denn der kleinste Fehler oder die kleinste Un­achtsamkeit kann fürchterliche, ja tödliche Folgen haben.

Bei der Novelle des Sprengmittelgesetzes handelt es sich um eine EU-Anpassung, die eine Ausweitung von Ausnahmen der Kennzeichnungspflicht für zivile Sprengstoffe vorsieht. Bei der Lagerung verlangt das neue Gesetz durchgängige Bestandsaufzeich­nungen, die zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Gleich bleiben, Gott sei Dank, die Voraussetzungen für die Herstellung von Schieß- und Sprengmitteln und auch die Ver­bote der Herstellung von Schieß- und Sprengmitteln für bestimmte Personengruppen. Die bewährten Sicherheitsregeln in einem sehr sensiblen Bereich bleiben jedoch ganz klar bestehen. Unser Sprengmittelgesetz wird ja nur ganz gering geändert.

Wir geben diesen beiden Gesetzesänderungen gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


15.30.19

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon vieles gesagt worden – und wir wissen auch, dass wir heute noch länger hier sind –, deshalb kurz zum Sprengmittelgesetz. Hier war es notwendig, eine Anpassung an die EU-Richtlinie durchzuführen, um auch die Nachverfolgung und Rückverfolgung von Explosivstoffen für zivile Zwecke zu regeln. Wir wissen, welch verheerende Auswirkungen Attentate oder Bombenlegungen gerade im zivilen Bereich haben können. Ein paar Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht wurden ebenfalls festgelegt.

Nun zum Waffengesetz, das ebenfalls in dieser Debatte behandelt wird. Hiebei ist im Zuge der Verwaltungsreform eine Änderung notwendig geworden, da die Zuständigkeit für den Entminungsdienst zum Bundesministerium für Landesverteidigung gekommen


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ist und das Bundesministerium für Landesverteidigung in Zukunft für die Sicherstellung und das Entschärfen von Blindgängern und Bomben, die hier noch lagern, die Verant­wortung trägt. Meistens lagern sie konzentriert in Gegenden wie Bahnhofsgebäuden, öffentlichen Gebäuden, alten Fabriksgeländen oder großen Flächen, die Ziele von Bombardierungen waren.

In diesem Gesetz ist auch geregelt, dass die Exekutive im Rahmen der Verwaltungs­reform in diesem Fall auch ein Platzverbot erlassen kann und ein Wegweisungsrecht hat und das Gelände absperren kann, und zwar durch das Setzen von geeigneten Maßnahmen, etwa durch den Einsatz von Megaphonen, der Medien und so weiter.

Mein Kollege – es dürfte ein Bürgermeisteranliegen sein – hat schon davon gespro­chen: Wer trägt die Kosten, wenn Bomben auf Grundstücken aufgefunden werden? Wenn sich das Grundstück in einer exponierten Lage befindet – ich kann mir vorstel­len, dass an der Westbahn in einigen Gemeinden noch ein paar solcher Blindgänger lagern –, dann ist es höchst notwendig, dass man eine Kostenregelung auch zuguns­ten der Gemeinden trifft. Ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin, vielleicht doch darauf zu achten, dass die Gemeinden nicht zusätzlich belastet werden beziehungsweise in Zukunft entlastet werden, indem die Kosten übernommen werden. Man kann jedenfalls nicht den Gemeinden und Grundbesitzern zumuten, dass sie die Kosten tragen.

Ich glaube, dass mit dem Gesetz klare Regelungen zur Sicherheit jener Personen, die in der Umgebung von solchen gefährdeten Plätzen wohnen, getroffen wurden, auch zur Sicherheit jener Menschen, die die Entschärfung der Minen und Bomben durch­führen. Aus diesem Grund werden wir auch dieser Vereinfachung und klaren Regelung zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend eine Sprengmittelgesetz-Novelle 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einwand zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

15.34.2417. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhö­hung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsverein­barung (1958 d.B. und 2046 d.B. sowie 8842/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 128

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl. Ich bitte um den Bericht.

 


15.34.47

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Vereinbarung zwi­schen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über eine Erhöhung aus­gewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


15.35.32

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Das Land Steiermark hat in der Zeit vom 1. Jänner 2010 bis 31. Dezember 2011 insgesamt 35,4 Millionen € für die Grundversor­gung aufgewendet. Mit Stand 20.9.2012 befinden sich in der Steiermark 2 529 Asyl­werber in der Grundversorgung. Und jetzt soll es im Rahmen dieser Vereinbarung mit den Bundesländern zu einer Erhöhung kommen. Der wichtigste Punkt in Artikel 9 Zif­fer 1 ist eine Erhöhung um 2 €, von 17 auf 19 €, das ist eine Erhöhung um 12 Prozent.

Wir haben heute schon gehört, wie die zuständige Ministerin die Beamten und die Be­amtengewerkschaft gelobt hat, dass sie einer Nulllohnrunde zugestimmt haben. Wir haben auch gehört, dass die Pensionisten eine Erhöhung von 1,8 Prozent erhalten, al­so unter der Inflationsrate. Aber in diesem Fall sind wir wesentlich großzügiger.

Ich kann eigentlich nahtlos an das anknüpfen, was ich bereits zum Bericht des Asylge­richtshofes gesagt habe: Wir tun alles, um Österreich zu einem Eldorado für Schein­asylanten zu machen, für jene, die Asylmissbrauch betreiben, und zwar gezielten Asyl­missbrauch. Denn warum, frage ich mich, kommen denn so viele ausgerechnet nach Österreich, über Italien, über Griechenland, über die Balkanroute, meistens mit Schlep­perorganisationen, und zahlen dafür auch noch gutes Geld, damit sie in das Paradies­land Österreich kommen können.

Der Leiter des Flüchtlingslagers Traiskirchen hat gesagt, dass 90 Prozent der Asylwer­ber auf dem Landweg über sichere Drittstaaten kommen. Da frage ich mich schon: Reicht es denn noch nicht, dass schon für das Gefängnis, das in meiner unmittelbaren Nachbarschaft in Leoben angesiedelt ist, in Tschetschenien und Moldawien auf Inter­netplattformen Werbung betrieben wird, weil es dort so schön und so vorbildlich ist? (Bundesrat Perhab: Kann man da auch einen Urlaub buchen?) – So ungefähr, ja. Das ist Erholung für sehr viele, die mit kriminellen Absichten zu uns kommen.

Ich glaube, dass dieses Geld, das uns die Erhöhung der Mittel für die Grundversorgung kosten wird, besser angelegt wäre, wenn wir es für eine effiziente Bekämpfung von Schlepperbanden verwenden würden, wenn wir es dafür verwenden würden, dass Straftäter schneller abgeschoben werden und dass das Dublin-II-Abkommen endlich wirklich so vollzogen wird, wie es eigentlich vorgesehen ist. Ich bin ja schon gespannt, ob dann das neue Schubhaftzentrum, wenn es eröffnet ist – auch nicht weit, in Vor­dernberg in der Steiermark –, zu einer Verbesserung der Situation beitragen wird oder zu einer Verbilligung, wenn dann die Asylanten, die abgeschoben werden sollen, von


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allen Bundesländern quer durch Österreich nach Vordernberg gekarrt werden und von dort dann wieder zu einem Flughafen oder sonst wohin abgeschoben werden.

Und wenn wir hier so viel von sozialer Gerechtigkeit und von Frieden sprechen, dann ist da, so meine ich, sehr viel falsch verstandene Humanität mit im Spiel.

Die Lücke zwischen medialem Gutmenschentum und dem – ich sage es einmal unter Anführungszeichen – „gesunden Volksempfinden“ ist relativ groß. Fragen Sie einmal die Bewohner von Mürzsteg, einem kleinen Ort im Mürztal mit einer überproportionalen Belastung durch ein Asylheim, durch die Unterbringung von Asylanten!

Man sollte sich auch die Leserbriefe in Zeitungen, teilweise sogar die Titelseiten, über Jugendliche, über Familien, die der muslimischen Religionsgemeinschaft angehören, anschauen, wenn es darum geht, wie schön es nicht sei, dass diesen jetzt endlich hu­manitäres Bleiberecht gewährt wird und sie Weihnachten in Österreich verbringen kön­nen. – Die Leserbriefe, die Meinung, die in der Bevölkerung wirklich herrscht, sprechen eine andere Sprache.

Ich erinnere mich auch an den Aufschrei, der durch den Blätterwald gerauscht ist, als Sie, Frau Bundesminister, den Vorschlag gemacht haben, weil es noch zu keiner zu­friedenstellenden beziehungsweise vorübergehend zufriedenstellenden Einigung über die Unterbringung in den einzelnen Bundesländern gekommen ist, Containerdörfer auf­zustellen. Das sei ja unmenschlich und nicht zumutbar. Ich frage mich, warum es dann für Hunderte Arbeiter auf Großbaustellen beispielsweise selbstverständlich und gang und gäbe ist, dass sie in Containerdörfern und in Containersiedlungen untergebracht sind.

Mit dieser falsch verstandenen Asylpolitik gefährden wir den sozialen Frieden in unse­rem Land.

Sie können sagen, dass das alles nicht stimmt – die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache! Wenn von 573 tatverdächtigen Afghanen 407 Asylwerber sind – vom 1. Jän­ner bis Juni 2012 –, so sind das Zahlen, die eine eindeutige Sprache sprechen, näm­lich dass Missbrauch betrieben wird.

Wir sollten uns als Land Österreich profilieren und den Schutzbedürftigen jenen Schutz gewähren, den sie verdienen, aber nicht zu einem Paradies für Missbrauch werden. Deswegen werden wir dieser Erhöhung auch nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.42


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Saller. – Bitte.

 


15.42.56

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Asyl ist natürlich ein hoch sensibles Thema. Auf der einen Seite müssen wir die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen, auf der anderen Seite brauchen wir Unterkünfte und ausreichend finanzielle Mittel. Diese Gratwanderung ist natürlich nicht einfach.

Wir leben in einem Land, in dem man glücklicherweise in der Lage ist, auch anderen zu helfen. Wer Hilfe braucht, sie wirklich braucht, soll sie bekommen. Damit wir uns da nicht missverstehen, Herr Krusche: Natürlich ist jede Art von Missbrauch schärfstens abzulehnen und zu ahnden, es gibt aber auch Leute, die Zuflucht brauchen, wenn sie verfolgt werden. (Bundesrat Krusche: Habe ich immer gesagt!) In bestimmten Notla­gen ist also auch Solidarität zu zeigen.

Wenn man sich die genaue Definition der Zielgruppe ansieht, so handelt es sich dabei um schutzbedürftige Fremde, und das können Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebe-


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ne, aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht abschiebbare Fremde ohne Aufent­haltsrecht sein. Zweck des Koordinationsrates ist die partnerschaftliche Lösung dieser Probleme. Seit 2004 gibt es diese partnerschaftliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, um die vorübergehende Grundversorgung hilfs- und schutzbedürftiger Frem­der zu regeln. Diese Grundversorgung, das wissen wir, umfasst Unterkunft, angemes­sene Verpflegung, Taschengeld, medizinische Betreuung, Krankenversorgung, eventu­ell notwendige Pflege, Information und Beratung.

Nach dem Zulassungsverfahren und der Versorgung in einer Bundesbetreuungsstelle werden die Asylwerber einem Bundesland zugewiesen. Es ist dann Aufgabe des je­weiligen Bundeslandes, für die Grundversorgung zu sorgen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal einen Dank an die Quartiergeber ausspre­chen, die oft gegen den Willen der Bevölkerung handeln müssen. Das muss man auch einmal klar sagen.

Die Dauer der Gewährung der Grundversorgung richtet sich natürlich maßgeblich nach der Dauer und dem Ergebnis des Asylverfahrens und des allfälligen anschließenden fremdenpolizeilichen Verfahrens.

Man kann abschließend klar sagen, erstens ist jede Art von Missbrauch abzulehnen, gehört bestraft und ist zu ahnden, und zweitens ist Hilfe dort zu geben, wo Versorgung notwendig ist – weitestgehend sind natürlich auch die Sorgen der Bevölkerung zu be­rücksichtigen –, wofür natürlich auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfü­gung stehen müssen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.46


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Reich. – Bitte.

 


15.46.33

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Zur vorübergehen­den Grundversorgung haben der Bund und die österreichischen Bundesländer eine Vereinbarung geschlossen, die – umschrieben – wie folgt lautet: Die Vertragspartner beschließen gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, Asylwerber, Asylberechtigte und Vertriebene.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention werden Menschen als Flüchtlinge anerkannt, die aufgrund von Rasse, Nationalität, politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu ei­ner sozialen Gruppe verfolgt werden. Auch im österreichischen Asylgesetz und im Fremdenrechtspaket wird dem Rechnung getragen.

Menschen, die ihre Heimat verlassen, tun dies in den wenigsten Fällen freiwillig oder grundlos. Sie haben meistens Schicksale hinter sich, die niemand von uns erleben und haben möchte. Wir, die wir das Glück haben, in einer gesicherten Umwelt und sogar in einem der reichsten Länder der Welt zu leben, dürfen niemals über das Schicksal an­derer hinwegsehen.

Wir Österreicher bezeichnen uns gerne als Spendenweltmeister, aber wir haben auch in wirtschaftlich viel, viel schwierigeren Zeiten tatkräftig anderen geholfen, gleich, wie uns andere Staaten nach den Weltkriegen unterstützt haben. So, geschätzte Damen und Herren des Bundesrates, scheint es mir Verpflichtung und Verantwortung für den österreichischen Staat zu sein, Menschen in Not ohne Rücksicht auf ihr Herkommen zu unterstützen. Das wird durch diese Vereinbarung auch weiterhin gewährleistet.

Nun sollen die Kostenhöchstsätze bei der Unterbringung in organisierten Quartieren um 2 €, bei individueller Unterbringung unter anderem die Verpflegsätze für Minderjäh-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 131

rige angehoben werden, da sie – wie Kollege Saller schon gesagt hat – seit 2004 gleich geblieben sind. Die Kostenaufteilung wird weiterhin im Verhältnis von 60 : 40 Pro­zent zwischen Bund und Ländern erfolgen.

Menschenwürdige Unterbringung gehört zu einem Grundrecht. Solidarität mit diesen hilfs- und schutzbedürftigen Menschen ist für mich als Sozialdemokratin selbstver­ständlich, daher wird meine Fraktion gerne dem Antrag auf Erhöhung der ausgewähl­ten Kostenhöchstsätze in der Grundversorgung zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


15.49.32

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Krusche! Den Kopf trägt man nicht nur zur Zierde mit sich herum und damit es oben nicht reinregnet, sondern auch, um sich Gedanken zu machen (Bundesrätin Mühlwerth: Das solltest du dir einmal zu Herzen nehmen!), und Augen hat man im Kopf, um hinzuschauen und nicht wegzuschauen, Ohren hat man, um nicht wegzuhören, sondern hinzuhören.

Ich bin jemand, der in diesem Bereich schon seit über zehn Jahren tätig ist, und ich kenne diese Thematik wirklich aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Da braucht mir niemand etwas zu erzählen. Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, hört mit dieser Phrasendrescherei auf, ich kann es nicht mehr hören: Der Missbrauch gehört abge­stellt!, Wir müssen den Menschen helfen, denen geholfen werden muss! – Ja no na net, das ist eh klar, aber wenn man weiß, dass vor das Asylverfahren – die Frau Minis­terin wird es bestätigen – ein Zulassungsverfahren geschaltet ist, bei dem Beamtin­nen/Beamte des Erstaufnahmezentrums, die bestens geschult sind, darüber entschei­den, ob es asylrelevante Gründe gibt oder nicht, ob jemand zum Asylverfahren zuge­lassen wird oder nicht, dann hört bitte mit diesen nicht nachvollziehbaren Argumenten auf, denn das ist nicht nachvollziehbar! (Heiterkeit und Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Also wirklich, Entschuldigung, aber was soll das?

Kollege Krusche! Wenn du dich hier herstellst und sagst, die Beamten/Beamtinnen ha­ben keine Erhöhung bekommen, aber die Asylwerber bekommen um 12,5 Prozent oder 12,8 Prozent mehr, dann ist das eine Milchmädchenrechnung, die hinten und vor­ne nicht zusammenpasst. Ich bin dafür, dass unsere Beamten/Beamtinnen super und gerecht entlohnt werden, aber das kann man nicht miteinander vergleichen. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Seit Einführung der Grundversorgung, seit 2004, hat es keine Valorisierung gegeben. Ich habe selbst mehrere Jahre lang ein Flüchtlingsheim geleitet, in dem UMF unterge­bracht sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dort liegen die Tagessätze bei 60 €. Jetzt werden sie um 2 € angehoben, macht 62 €. Wissen Sie, was eine durch­schnittliche Einrichtung der Jugendwohlfahrt für einen Tagessatz hat? – 150 €, und das sind noch die unteren Tagessätze. Allein daran erkennt man schon die Wertigkeit, die man dem beimisst. (Bundesrat Krusche: Das ist genauso eine Milchmädchenrech­nung!) – Nein, das ist keine Milchmädchenrechnung, das sind Fakten.

Ich verstehe, dass immer wieder (in Richtung FPÖ) gerade aus eurem Lager der Ver­such gestartet wird, Kriminalität und Asyl zu vermischen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja weil es ja auch stimmt!) Es bestreitet ja niemand, dass das nicht nur lauter schein­heilige Engerl sind (Zwischenruf des Bundesrates Ertl), aber auf diesen Punkt werden wir in der Debatte über den Sicherheitsbericht noch zu sprechen kommen. Ich habe dazu auch eine Statistik mit, die eure Argumentation entkräften wird.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 132

Wenn wir als Gesetzgeber es nicht schaffen, dass die Menschen, die zu uns kommen, innerhalb einer angemessenen Zeit eine Entscheidung erhalten, ob sie bleiben dürfen oder nicht, und diese Zeit ungenutzt verstreichen lassen, dann darf man dafür nicht diese Menschen kritisieren, sondern uns. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Wer hat etwas davon, wenn sie den ganzen Tag lang herumsitzen müssen und nicht arbeiten dürfen und auf der anderen Seite Zigtausende Saisonarbeitskräfte nach Ös­terreich kommen und hier in der Landwirtschaft, in der Gastronomie arbeiten (Beifall bei Grünen und SPÖ) und die Wertschöpfung, das, was erwirtschaftet worden ist, dann wieder ins Ausland transferieren? Ist das ökonomisch klug? Ist das menschlich gese­hen klug?

Noch einmal zu dieser Unterscheidung zwischen Gut- und Schlechtmenschen. An­scheinend sind die, die Sie verächtlich machen, die Gutmenschen, und alle anderen sind schlecht. Also wenn das Ihr Zugang ist, dann bin ich gerne ein dummer Gut­mensch oder ein schlechter Gutmensch. Aber so einfach ist das Leben nicht, wie Sie das darstellen: das eine gegen das andere aufrechnen und Stimmung betreiben. (Bun­desrätin Mühlwerth: Und so rosig, wie ihr das darstellt, auch nicht!)

Ich muss ehrlich sagen, wir haben es der Frau Innenministerin auch nicht leicht ge­macht – und wir sind die Länderkammer – in der Frage der Unterbringung der Asylwer­ber. Warum habt ihr ein so überfülltes Asylerstaufnahmezentrum in Traiskirchen ge­habt? – Weil sich in den Ländern und Regionen die Bürgermeister, unter anderen auch ÖVP-Bürgermeister, Bad Leonfelden, oder auch SPÖ-Bürgermeister, teilweise mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben, Asylanten aufzunehmen, mit dem Argu­ment: Das ist ein Tourismusort, wir brauchen keine Ausländer – und wenn sie doch kommen, dann müssen sie Geld haben oder nur zum Arbeiten!

Das ist der christlichsoziale Zugang vor Weihnachten? – Super! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich rede nicht generalisierend, ich habe ganz konkret den Ort genannt, nämlich Bad Leonfelden, und der zweite war Altmünster. Wenn ihr also eine Angriffsfläche bie­tet, dann sind das genau diese zwei Bürgermeister, ihr könnt euch bei ihnen bedanken. Alle anderen in Oberösterreich haben ganz konstruktiv mit Herrn Landesrat Ackerl zu­sammengearbeitet, um Quartiere für Menschen zur Verfügung zu stellen. Es hat in Bad Leonfelden auch innerhalb kürzester Zeit einen Fackelzug gegeben, von Jugendlichen organisiert, die ein Zeichen dafür setzen wollten, dass es unter ihnen auch Menschen gibt, die sich für die Leute einsetzen und ihnen nicht die Tür vor der Nase zuknallen. Ich möchte an dieser Stelle nur an die Weihnachtsgeschichte von Maria und Josef er­innern; das passt vielleicht ein bisschen zur vorweihnachtlichen Stimmung. Ihnen wur­de damals auch Unterkunft gegeben, wenn es auch nur ein Stall war.

Wir in Österreich haben eine gute Tradition, dass wir Menschen, die Hilfe brauchen, auch helfen. Diese Menschen werden dann wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Österreich und insbesondere die oberösterrei­chische Wirtschaft ist zu 70 Prozent von Exporten abhängig. Was kann uns Besseres passieren, als dass wir Leute haben, die fremde Sprachen können, die fremde Kulturen kennen? Wenn sie dann noch eine gute Ausbildung bekommen, können sie eine Brü­ckenfunktion zwischen den Ländern einnehmen, damit wir weitere Absatzmärkte ha­ben. – Das ist Politik, das wäre eine Vision! (Bundesrat Krusche: Hoffnungsmarkt der Grünen Oberösterreichs!) – Nein, nicht Hoffnungsmarkt. Ja, unser Wohlstand wird im Ausland abgesichert, und es muss unser größtmögliches Interesse sein, das sozusa­gen auf Schiene zu bringen, anstatt nur so billige Polemik zu betreiben: Die Beamten bekommen weniger, und die Asylwerber bekommen wieder um 12,5 Prozent mehr. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Meiner Meinung nach ist das keine befriedigende Art und Weise, wie man Politik betreibt. Aber jeder  (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) – Bitte?


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 133

(Bundesrätin Michalke: Ich glaube nicht, dass die Leute, die ihr eigenes Heimatland verlassen, weil sie dort so schlecht behandelt werden, also dass Österreich dann in diese Länder exportiert! Ich glaube, da hast du dich ein bisschen vertan!) Das würde einer längeren Diskussion bedürfen. Auf diese Frage würde ich schon auch gerne ein­gehen, aber das machen wir bei einem Kaffee. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Klubvorsitzende. (Zwischenruf des Bun­desrates Schreuder.)

 


15.57.23

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Kollege Schreuder, Sie können jetzt ruhig stöhnen, aber es ist immer dasselbe mit euch: Ihr habt die rosarote Brille auf! Vielleicht sollte man umgekehrt auch einmal  (Bundesrat Dönmez – seine Brille absetzend und darauf zeigend –: Die ist durchsichtig, glasklar!) Ich will nicht durch die rosarote Brille schauen, ich will durch eine Klarsichtbrille schauen, wie es wirklich ist. (Bundesrätin Kerschbaum: Habt ihr ihm zugehört?)

Für euch ist immer alles gut und alle sind schutzbedürftig. (Bundesrätin Kerschbaum: Du hast ihm nicht zugehört!) Es gibt so gut wie keinen Asylmissbrauch, die Asylwerber sind auch keinesfalls kriminell. (Bundesrätin Kerschbaum: Hast du gehört, was er ge­sagt hat?) Aber die Zahlen sprechen einfach eine andere Sprache. (Bundesrätin Kerschbaum: Hast du ihm zugehört?) – Bitte? (Bundesrätin Kerschbaum: Hast du ihm zugehört?) Natürlich habe ich ihm zugehört, aber am Ende kommt immer wieder raus: Es ist alles doch nicht so schlimm. Es gibt ein paar, die garstig sind, das be­streitet ihr nicht. Aber die Zahlen sind andere!

Aus einer Anfragebeantwortung – das sind keine Zahlen, die wir uns aus den Fingern saugen, sondern aus einer Anfragebeantwortung – geht hervor: Von 76 764 tatver­dächtigen Fremden sind 7 601, das sind fast 10 Prozent, Asylwerber.

Von 573 Tatverdächtigen aus Afghanistan, die ja besonders betroffen sind, die zwi­schen Jänner und Juni 2012 ermittelt wurden, sind nicht weniger als 407 Asylwerber. Da kann man nicht so tun, als ob das nur Einzelfälle wären, die sich daneben verhal­ten, das sind 71 Prozent!

Algerien: 223 von 359, die tatverdächtig sind, sind Asylwerber.

Georgien: Von 225 sind es 122 – fast 50 Prozent.

Der Anteil der Asylwerber ist einfach auffallend hoch, und das sind eben nicht nur sol­che, die wirklich Schutz brauchen.

Mein Kollege Krusche hat heute schon zwei Mal gesagt, es redet kein Mensch davon, wir auch nicht, dass jene, die verfolgt werden, die vom Tode bedroht sind et cetera, die wirklich im Sinne des Asylgesetzes bei uns Schutz suchen, diesen nicht bekommen sollen, sie sollen ihn bekommen. Wir wissen aber alle – und, Efgani Dönmez, du weißt es doch eigentlich auch –, wie viele Scheinasylanten schon daheim von der Homepage herunterlesen, welche Gründe sie angeben müssen, damit sie die Chance haben, Asyl zu bekommen. Das wissen wir, und Fremdenpolizisten haben das auch schon bestä­tigt.

Es ist nicht so, dass die alle wirklich Schutz brauchen. Viele sind Wirtschaftsflüchtlinge, die natürlich gerne in den Sozialstaat Österreich einwandern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die wollen wir nicht haben, dazu stehen wir auch, und daran ändert sich auch nichts.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 134

Und bei den Mordtaten – damit wir darüber auch noch sprechen (Zwischenrufe der Bundesräte Grimling und Konrad) –, bei Tatverdächtigen, gegen die wegen Mordes ermittelt wird, sind elf von 32 Asylanten. – Seid mir nicht böse, da kann man nicht sa­gen, das sei alles nicht so arg und wir machen da Panik oder seien so böse zu den ar­men Asylanten.

Da haben wir wirklich ein Problem, dessen wir uns annehmen müssen, und es nützt uns nichts, wenn wir immer sagen, es sei alles nicht so schlimm. – Vielleicht nehmt auch ihr einmal die rosarote Brille ab und schaut den Tatsachen ein wenig mehr ins Auge, und vielleicht können wir uns dann annähern. (Beifall bei der FPÖ. – Bundes­rätin Kerschbaum: Es geht auch um die Grundversorgung!)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP:  hauen sie uns raus! – Bundesrat Dönmez – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es war letztes Jahr auch kein Problem! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


16.00.59

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Kollegin Mühlwerth, die­ses Hick-Hack-Spiel kennen wir alle schon, dafür bin ich auch schon lange genug in der Politik. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann mach’s halt nicht!)

Ich werde jetzt etwas sagen, was ich hier noch nie gesagt habe: Als ich damals eines der Jugendwohnhäuser geleitet habe – da gab es die Clearingstellen noch nicht (Zwi­schenruf bei der ÖVP) –, waren von 16 Klienten/Klientinnen – das waren damals nur Klienten – 15 Georgier. Von den 15 Georgiern waren 14 im organisierten kriminellen Bereich tätig. Ich habe sie alle innerhalb kürzester Zeit aus meiner Einrichtung rausge­nommen, bin mit einem nahen Polizeiwachzimmer eine enge Kooperation eingegan­gen und habe gesagt: Schaut euch diese Leute gut an!

Es ist aber nicht unsere Aufgabe, dass wir die Aufgaben der Polizei übernehmen. Wir müssen als Politiker die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Leute, die im Asylbereich tätig sind, ihre Aufgaben so gut und so schnell wie möglich und so quali­tativ wie möglich erledigen können. Und all jene, von denen Sie sprechen – und da bin ich ja vollkommen bei Ihnen –, die will keiner haben. Für die, die kriminell sind, sind die Exekutive und die Judikatur zuständig. Das sind zwei unterschiedliche Sachen, das kann man ja nicht den Asylwerbern (Ruf bei der SPÖ: Umhängen!) in die Schuhe schieben und umhängen.

Es ist die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für die Leute, die in diesem Be­reich arbeiten, so zu gestalten, dass wir kurze Verfahren haben, dass jene, die Unter­stützung brauchen, diese auch bekommen und dass man bei jenen, die sozusagen mit dem neuesten Handy herumlaufen oder Markenkleidung tragen, als Betreuer einmal nachfragen kann, was da eigentlich los ist.

Und damit sind wir beim nächsten Problem: Wie kann man bei einem Betreuungs­schlüssel von 1 : 170 in der Erwachsenenbetreuung noch von einer Betreuung spre­chen? Die Leute kommen gerade halt noch mit der Auszahlung des Betreuungsgeldes und so weiter zurecht.

Im Jugendwohnhaus haben wir einen viel, viel besseren Betreuungsschlüssel, da kom­men auf einen Betreuer ungefähr acht bis neun Jugendliche. Wenn ich das aber wieder in Relation setze zu den Problemen, die diese Leute haben, und zu den Ressourcen, die in Einrichtungen verfügbar sind, in denen die Jugendwohlfahrt tätig ist, dann gibt es da auch wieder haushohe Unterschiede.

Darum: Wir als Politiker sind gefordert, die Rahmenbedingungen für die Menschen, die in diesen Systemen – sei es bei der Exekutive, bei der Justiz oder auch im Asylwe-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 135

sen – tätig sind, so zu gestalten, dass sie gut, effizient, schnell und qualitativ arbeiten können.

Schuld haben aber nicht die Asylwerber (Bundesrätin Mühlwerth: Na die, die sich Asyl erschleichen, schon!), sondern wenn man einen Schuldigen suchen möchte, dann ist das meiner Meinung nach die Politik. Die Politik hat es jahre- und jahrzehntelang ver­absäumt, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, und aufgrund dessen ha­ben wir so viele Altfälle und die daraus resultierenden Bleiberechtsdiskussionen und so weiter. – Wir könnten uns das alles ersparen, wenn wir ein bisschen vorausdenken, vo­rausschauen.

Und Sie sehen, Frau Kollegin: Ich habe keine rosa Brille, die ist glasklar. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Michalke. – Bitte.

 


16.04.58

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Efgani, du hast ganz klar gebeten, man solle dir einen Fall nennen, in dem Asylwerber bei uns um Asyl ansuchen und im Prinzip schon vorher wissen, wo sie hinwollen und warum sie dort hinwollen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Du weißt ganz genau, dass ich auch in einem System mitarbeite, wo ich zum Beispiel für Asylwerber dolmetsche, und ich kann hier nur eines sagen: Du hast in dem Fall recht, wo du bemängelst, dass diese alten Asylverfahren oder grundsätzlich Asylver­fahren so lange auf eine Abwicklung warten, so lange nicht behandelt werden.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch eine Lanze für die Polizei brechen – eine ganz große Lanze –, denn was die Beamtinnen und Beamten in diesen Befragungen, in die­sen Situationen erleben, wie sie sich verhalten – ich kann dir sagen, da habe ich ab und zu einen Nervenflatterer, um nicht zu sagen, ich schmeiße alles hin. Ich bewunde­re diese Beamtinnen und Beamten, dass sie die Ruhe bewahren und nicht wirklich alles hinwerfen und sagen: Ich schließe hier ab, nehme die Person in Schubhaft und lasse sie dort erst einmal!, denn so geht es ab und zu bei diesen Befragungen ab.

Wenn ich dolmetsche, frage ich – kürzlich wieder, drei Asylwerber –: Wieso befindest du dich, auf dem Landweg kommend, hier in Österreich, obwohl du genau weißt, dass du laut Dublin-Abkommen im ersten sicheren Land um Asyl ansuchen musst?

Das wissen diese Menschen. Wenn ich vom Tode bedroht bin und von zu Hause weg muss – kein Mensch geht normalerweise gerne von zu Hause weg; auch wenn es nicht gut ist, ist das Zuhause immer noch besser als die Fremde –, dann bin ich froh, wenn ich meinen Fuß in ein Land setze, in dem ich erstmals sicher bin, und dann muss ich dort um Asyl ansuchen.

Vor zwei Wochen, drei Fälle: In einem Fall habe ich gefragt: Warum hast du nicht in Ungarn um Asyl angesucht? – Da wollte ich nicht hin, ich will nach Österreich. – Und warum willst du nach Österreich? – Weil ich weiß, wie ich dort versorgt werde. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Das ist einfach nicht richtig, und das ist für mich nicht der Asylwerber, der tatsächlich Hilfe braucht, der tatsächlich auch unsere Unterstützung braucht und für den wir auch da sind, wenn er verfolgt wird.

Das sind schlicht und einfach Wirtschaftsflüchtlinge, die sich zu Hause offensichtlich einfach nicht mehr wohlfühlen, und solche werden wir in Zukunft noch viel mehr haben. Also es gibt solche Fälle zuhauf, und wir sollten da weder eine rosarote noch eine Klar-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 136

sicht-, sondern überhaupt keine Brille brauchen, denn das ist einfach der Normalfall. (Beifall bei der FPÖ.)

16.08


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.08.2618. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem bestimmte Abzei­chen verboten werden (Abzeichengesetz 1960), geändert wird (1701/A und 2048 d.B. sowie 8843/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Damit kommen wir zum 18. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte um den Bericht.

 


16.08.39

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden – Abzeichengesetz 1960 –, geändert wird.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


16.09.16

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich mache es ganz kurz. – Es ist wahr­scheinlich vielen von uns schon so ergangen: Wenn man auf Flohmärkten und in diversen Antiquariaten unterwegs war, wunderte man sich, welche grauslichen Sachen dort noch zu finden waren, nämlich NS-Devotionalien en masse – und offensichtlich war das ein recht gutes Geschäft.

Wir haben es vorhin schon in der Berichterstattung gehört, es ist ein Gesetz aus dem Jahr 1960, das wir heute novellieren, und das war ja genau das Problem: Die Straf­rahmen waren immer noch so wie 1960. Das heißt, auch für einen Antiquitätenhändler, der nicht unbedingt Millionär ist, waren das einfach nur Portokassa-Strafen.

Warum ich mich zu Wort melde? – Ich möchte mich einfach bei meinem Kollegen Na­tionalratsabgeordnetem Albert Steinhauser bedanken, der sich sehr stark dafür einge­setzt hat, dass dieses Geschäft mit NS-Devotionalien stärker geahndet wird, auch zeit­gemäß, mit entsprechenden Strafen. Ich möchte mich bei ihm bedanken, ich finde das sehr gut so. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Dönmez sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.10



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 137

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.10.5419. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2011) (III-467-BR/2012 d.B. sowie 8844/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesord­nung. Es ist dies der Sicherheitsbericht 2011.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte um den Bericht.

 


16.11.00

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicher­heit in Österreich, den Sicherheitsbericht 2011.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die innere Si­cherheit in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


16.11.32

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Zum Sicherheitsbericht in nur wenigen Minuten Stellung zu neh­men, grenzt die Ausführung der Kritikpunkte natürlich massiv ein, daher möchte ich in aller Kürze die wichtigsten Themen aufgreifen.

Dieser Bericht ist ein Konvolut aus Zahlen und Statistiken, wobei das Resultat teilweise ungemein detaillierte Darstellungen der in Österreich vorkommenden Kriminalität und deren Entwicklung sind. In der Einleitung des Berichtes wird darauf hingewiesen, dass die von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten gesammelten Daten nur schwer mit­einander vergleichbar sind. Das stellt die Wertigkeit der Zahlen damit in Frage, auch fehlen wichtige Daten und Auswertungen, wie zum Beispiel zur Fremdenkriminalität.

Erstens: 2011 wurden insgesamt 14 416 Asylanträge gestellt, was einen Zuwachs von 30,9 Prozent bedeutet. Im Bericht sind zwar die Herkunftsländer der Asylsuchenden angeführt, aber es gibt keine Statistik dazu, auf welchem Weg die Asylsuchenden in unser Land gekommen sind. Österreich ist von sogenannten Drittstaaten umgeben, und es ist davon auszugehen, dass die Asylsuchenden entweder mit dem Flugzeug oder illegal eingereist sind. Wären sie mit dem Flugzeug eingereist, könnte man die Reiseroute rückverfolgen.

Zweitens: Die Statistik zu den ermittelten Tatverdächtigen ist zwar nach Altersstruktu­ren, Geschlecht und sogar nach Täter-Opfer-Beziehung gegliedert, eine detaillierte Auswertung nach Nationalitäten wurde heuer jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Das gibt natürlich viel Raum für Spekulationen, warum das Innenministerium diese Daten nicht veröffentlichen möchte.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 138

Einige Daten zur Kriminalität, die unser Land aus dem Ausland überschwemmt, sind im Sicherheitsbericht allerdings zusammenfassend angeführt. Zu erwähnen ist da beson­ders die organisierte Kriminalität, die einen enormen wirtschaftlichen Schaden verur­sacht, wobei fast sämtliche Erscheinungsformen in Österreich vertreten sind. So kom­men hauptsächlich aus den Ost- und Balkanländern jene Banden, die Diebstahls-, Ein­bruchs- und Raubdelikte begehen und Drogenhandel betreiben. Die Mitglieder von tür­kischen kriminellen Organisationen sind oftmals bereits österreichische Staatsbürger, ihr Hauptbetätigungsfeld ist im Suchtmittelhandel, Waffenhandel, in der Schlepperei und Schutzgelderpressung zu suchen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte noch auf das Thema illegale Einwande­rung eingehen. Im Sicherheitsbericht wird von „illegaler Migration“ gesprochen – das ist ein Widerspruch in sich. Die neue Wortkombination weist zwar einerseits auf eine Einwanderung unter Verstoß gegen die Gesetze des Ziellandes hin, gleichzeitig wird jedoch eine dauerhafte Einwanderung in Aussicht gestellt.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat Österreich den Kampf gegen die illegale Zuwan­derung sowie gegen internationale Schleppergruppierungen keineswegs unter Kontrol­le. So wurden im Vorjahr 21 232 illegale Einwanderer aufgegriffen, was ein Plus von 26 Prozent darstellt. Zudem wurden 9 812 Personen erfasst, die von Schlepperorgani­sationen eingeschleust wurden, was im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 45 Prozent darstellt. Schätzungen gehen davon aus, dass in Österreich weit mehr als 100 000 Aus­länder illegal beschäftigt sind. Im Beobachtungszeitraum wurden allein 11 132 rechts­widrig eingereiste und aufhältige Personen aufgegriffen, ein Plus von 16 Prozent.

In der Regierungserklärung vom 3. Dezember 2008 wurde vereinbart – ich zitiere –, dass die effiziente Außerlandesbringung „von illegal in Österreich Aufhältigen – dies betrifft vor allem straffällig Gewordene – () zu steigern ist. Dazu sollen die Fremden­polizeibehörden personell aufgestockt werden und der Vollzug effizienter gestaltet wer­den.“

Drei Jahre später, 2011, sollen 750 zusätzliche Stellen bei der Fremdenpolizei bloß durch interne Umschichtungen besetzt werden. Und die Außerlandesbringung ist ge­genüber dem Vorjahr um 19 Prozent zurückgegangen. – Das waren in der Regierungs­erklärung nichts als leere Versprechungen.

Die Gesamtzahl aller Straftaten wird mit beeindruckenden 540 007 angegeben, ohne Dunkelfeldzahlen. Allerdings – das muss man schon betonen – fehlt der Ausdruck „Dunkelziffern“ im Sicherheitsbericht; jetzt heißt es „Dunkelfeldzahlen“. Was aber die Opfer dieser Straftaten empfinden und oft erleiden müssen, ist im täterfreundlichen Ös­terreich offensichtlich nicht von Interesse. Eine Kriminalstatistik sollte jedoch auch die Aufgabe haben, die aufgelisteten Straftaten jenen Maßnahmen gegenüberzustellen, die für die Opfer dieser Gewaltverbrechen gesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zum Kernpunkt der österrei­chischen Sicherheit, nämlich zur Situation der Polizeibeamten. Anders als in der be­reits erwähnten Regierungserklärung angekündigt, verfügt die Polizeibehörde keines­wegs über die effizienten Mittel, um die Kriminalität wirksam bekämpfen zu können. Ich möchte hier einige Beispiele nennen.

Speziell in den östlichen Zonen sind eindeutig zu wenige Beamte im Einsatz, der Nach­wuchs kann diese Lücken nicht so schnell füllen, wie es notwendig wäre. Ich bin seit 39 Jahren im Polizeidienst und sehe seit meinen Anfängen die oft minderwertige Aus­rüstung, die die Kollegen und Kolleginnen zur Verfügung haben. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Die ballistischen Westen zum Beispiel, welche den einfachen Streifen­beamten zur Verfügung stehen, sind zwar billig, jedoch sauschwer und können kaum eine ganze Außendienstperiode lang getragen werden. (Ruf bei der ÖVP: Du hältst eh was aus! – Heiterkeit.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 139

In diesem Sicherheitsbericht gibt es zum Beispiel auch keine Statistik, in welcher die verletzten oder gar getöteten Kollegen Berücksichtigung finden. Unsere Bundesre­gierung geht in der Sicherheitspolitik leider nach einer Loch-zu-Loch-auf-Methode vor, und daher findet dieser Sicherheitsbericht nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

16.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Perhab zu Wort. – Bitte.

 


16.20.01

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Kollegen Ertl zu sprechen, ist inzwischen schon fast so etwas wie eine Aus­zeichnung. Erstens einmal tut er sich mit seinen eigenen Zahlen immer sehr schwer. Du hast heute schon in einem deiner anderen Redebeiträge – als du das Taferl mit­gehabt hast, vielleicht hast du es ohnehin noch – uns weismachen wollen, dass die Be­zahlung der Polizisten unter dem österreichischen Durchschnitt liegt.

Heute gibt es einen veröffentlichten Rechnungshofbericht (Bundesrat Ertl: Gehaltser­höhung: 0 Prozent!), und ich lese, dass die Polizistinnen und Polizisten in Österreich im Durchschnitt ein Brutto-Jahresgehalt von 49 678 € haben und damit in Österreich an sechster Stelle der Einkommenspyramide liegen. (Bundesrat Ertl: Das musst du mir zeigen, Kollege!) Das ist gerecht, dazu stehe ich mit vollster Unterstützung. Es wider­spricht aber deiner Veröffentlichung, dass die Polizei seitens der Regierung schlecht behandelt wird und sogar seitens des öffentlichen Dienstes an unterer Stelle der Skala wäre. Das ist schlichtweg falsch! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch mehr falsch ist – wenn das überhaupt möglich ist – deine Behauptung, die öster­reichischen Polizei- und Sicherheitswache-Institutionen wären in den letzten Jahren sachlich ausgehöhlt worden. Wenn du mit freiem Auge, du als aktiver Polizist – oder bist du kein aktiver Polizist mehr? – Ich weiß es nicht.

Aber in unseren Regionen kann ich nur feststellen: Die Wachstuben sind modernisiert worden. Das EDV-System ist automatisiert worden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die PKW-Situation hat sich schlagartig verbessert. Die Einsatzorganisation, die WEGA ist ausgerüstet worden, die COBRA ist hochgerüstet worden. (Bundesrat Ertl: ... Spezial­einheiten einsparen!) Wir haben eine toll ausgerüstete Polizei, und jene Beamten, die nicht Funktionäre der AUF sind, können das auch durchaus schätzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Ertl: Nur die am Land, die kleinen Posten! Dort gibt es keine Probleme! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich denke, an dieser Diskussion zeigt sich auch, wie falsch sie ist. Wenn man sich die Budgetentwicklung des Innenministeriums genauer ansieht: Von 2013 bis 2014 werden wir von 2,3 Milliarden € auf 2,5 Milliarden € gehen – eines der wenigen Ressorts, die in den nächsten Jahren mit realen Steigerungen rechnen können, auch dank der ge­schickten Verhandlungsführung unserer Ministerin.

Herr Kollege Ertl! Eines kann ich dir versichern: Österreich war in den letzten Jahren si­cher, Österreich ist sicher, und Österreich wird auch in Zukunft sicher sein, wenn wir tolle Ministerien, tolle BeamtInnen und vor allem handlungsfähige Minister und Minis­terinnen wie unsere Innenministerin haben. (Beifall bei der ÖVP.) Österreich wird auch morgen noch sicher sein, obwohl morgen bekanntlich wieder einmal ein Weltuntergang auf der Tagesordnung steht. (Bundesrätin Mühlwerth: Woanders, aber hier nicht! – Bundesrat Ertl: Vielleicht brauchst gar nicht mehr heimfahren! – Weitere Zwischen­rufe.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 140

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun aber zum Sicherheitsbericht: Ich bedan­ke mich vor allem auch bei der Beamtenschaft des Ministeriums, die heute wieder voll­zählig da ist. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch für die wirklich immer perfekte Expertise im Innenausschuss und komme zu nur ein paar Zahlen, denn letzten Endes ist dieser Bericht derart umfangreich, dass sich, glaube ich, jeder in intensivem Studien damit befassen sollte, wenn ihm eigene Schlüsse vor Augen kommen sollen.

Ich denke daran, dass wir 2011 ungefähr 540 000 angezeigte strafbare Handlungen gehabt haben, inklusive jene im Straßenverkehr. Was aber erfreulich ist: Das ist eine ganz minimale Steigerung von 0,8 Prozent. Sehr erfreulich ist, dass wir die Aufklä­rungsquote grosso modo ebenfalls steigern konnten: 43,3 Prozent.

Was für mich auch signifikant ist, ist, dass sich pro 100 000 angezeigten strafbaren Handlungen das Stadt-Land-Gefälle ein bisschen niederschlägt, und zwar von 4 000 zum Beispiel in der Steiermark auf 11 000 in Wien, was natürlich etwas mit der Urbani­sierung zu tun hat. Darüber müssen wir auch nachdenken (Zwischenruf der Bundesrä­tin Mühlwerth), wenn wir dem Zentralismus und nicht dem Föderalismus das Wort reden. Das ist so, und ich denke, die Polizei und die Sicherheitsorgane sind hier weiter auf einem guten Weg.

Niemand, denke ich, glaubt daran, dass eine absolute Sicherheit, eine Gesellschaft ab­solut ohne Kriminalität überhaupt denkenswert ist. Es ist ein permanenter Prozess, ein permanenter Kampf, und die Behörden sind natürlich oft einen Schritt hinter der Kri­minalität hinterher, weil es immer neue Formen der Kriminalität gibt.

Mich als Vertreter auch der Wirtschaft stört besonders dieser Boom im Internet-Betrug, der meiner Ansicht nach in der österreichischen Volkswirtschaft schon große Schäden anrichtet. Ich bitte Sie, Frau Ministerin, in Zukunft besonderes Augenmerk darauf zu legen. Es ist eine neue Form der Kriminalität. Betrüger benützen das Internet, um Op­fer zu ködern und Waren anzubieten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, vor allem bei Kraftfahrzeugen. Wir alle kennen das, wir bekommen täglich irgendwelche Mails mit Angeboten. Die Server-Standorte dieser Mails sind meistens in Ländern, in denen es keine Rückverfolgung dieser Provider-Adressen gibt. Daher entsteht hier ein maßloser Schaden auch für unsere Bevölkerung, die natürlich oft schweres Bußgeld dafür be­zahlt.

Wir haben in der Steiermark einen Fall mit zwei Pensionisten bei diesem Vorausgebüh­renbetrug gehabt, wie man ihn fachlich nennt. Da bekommt man ein Angebot, dass man, wenn man gewisse Summen einbezahlt, in sechs Monaten das Dreifache zu­rückbekommt. Das ist auch eine Art der Zockerei, würde ich sagen. In der Steiermark haben wir einen Fall gehabt, dass zwei Pensionisten zusammen, glaube ich, 300 000 € auf ein dubioses Konto eingezahlt haben, in der Hoffnung, dass sie 14 Tage später 600 000 € zurückbekommen. Sie tun mir nicht besonders leid, aber dieser Betrug, die­ser Cyber-Betrug und Internet-Betrug steigt ständig an. Dem gilt es auch in Zukunft Rechnung zu tragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für diesen Bericht, bedan­ke mich als Vorsitzender, als Obmann des Innenausschusses auch bei der Frau Minis­terin für die gute Zusammenarbeit und wünsche ihr alles Gute zu Weihnachten, aber ein noch erfolgreicheres Jahr 2012! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


16.27.02

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Perhab hat gesagt, es ist eine


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 141

Auszeichnung, nach dem Kollegen Ertl zu reden. Ich glaube, nach dem Kollegen Per­hab ist es auch eine Auszeichnung. 2013 hast du gemeint, gell! (Bundesrat Perhab: Ja! Aber Bericht von 2012! – Weitere Zwischenrufe.) Neues Jahr 2013!

Trotzdem möchte ich auf Kollegen Ertl eingehen, denn grundsätzlich alles negativ zu sehen ... Bei Statistiken muss man positiv herangehen, denn Statistiken sind nun ein­mal dazu da. Auch wenn negative Zahlen in Statistiken stehen, dann müssen sie nicht immer tatsächlich negativ sein. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Wenn es heißt: mehr aufgegriffen, 26 Prozent sind mehr aufgegriffen worden an ille­galen Einwanderern, dann finde ich es ja positiv, dass diese aufgegriffen worden sind, denn das heißt, dass die Exekutive gut unterwegs ist und die Aufklärungsquote be­ziehungsweise Aufgreifquote erhöht. (Bundesrat Ertl: Dann werden sie von der Grenze nach Traiskirchen transferiert!) Daher sehe ich auch diesen statistischen Punkt als po­sitiv, dass die Exekutive hier sehr gut unterwegs ist.

Wie Asylwerber nach Österreich kommen? – Sicher nicht mit dem Flugzeug, mit einem First-Class-Ticket. Wir kennen diese klassische Art der illegalen Einwanderung oder der illegalen Grenzüberschreitungen. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann fragt man sich aber, wie sie kommen!) Da gibt es ja Schlepper, die das organisieren. Daher sind auch die Zahlen in der Aufgreifquote sehr gut. Auch die Schlepper werden hier aufgegriffen und einem Strafverfahren zugeführt.

Geschätzte Damen und Herren! Wir sehen – ich habe mir auch diesen großartigen Si­cherheitsbericht zu Gemüte geführt –, dass in der Gesamtstatistik – Kollege Ertl hat es schon gesagt – mit 0,8 Prozent nur eine leichte Steigerung zu verzeichnen ist. Wenn man dann noch den Straßenverkehr abzieht, ist es eine Steigerung von 0,6 Prozent.

Aber ich habe mir die Mühe gemacht, das sehr, sehr herunterzubrechen auf meinen Bezirk, den Bezirk Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich, und da sieht man, dass bei der Veränderung der Gesamtkriminalität gegenüber 2010 um minus 3,4 Prozent in den Zahlen die Kriminalität gesunken ist. Das zeugt davon, dass die Exekutive gut aus­gestattet ist, dass sie in diesem Bereich gut arbeitet, denn wir hatten schon schlechtere Ergebnisse.

Das ist positiv zu sehen, denn die Exekutive arbeitet gut. Sie arbeitet auch gut mit an­deren Institutionen und mit den Gemeinden zusammen. Es liegt aber auch an der Be­völkerung, ob sie aufmerksam ist, ob sie an der Aufklärung mitwirkt, ob sie nicht die Augen verschließt und auch mit der Exekutive mitarbeitet. (Vizepräsident Mag. Him­mer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir die Häufigkeitszahl der Gesamtkriminalität sehen, wiederum im Bezirk Kirch­dorf, dann ist das auch um minus 3,2 Prozent gesunken. Geschätzte Damen und Her­ren, das zeigt, dass die Exekutive auch in den Regionen gut arbeitet und gut ausge­stattet ist.

Aber ich nehme mich eines anderen Themas an; dieses wird nie gestreift. Das ist die Beratungstätigkeit, die Kriminalprävention und die Opferhilfe. Hier schätze ich die Exe­kutive so ein, dass sie zusammenarbeitet mit verschiedenen NGOs, mit Drogenpräven­tionsstellen, mit Arbeitsgruppen in den Kommunen. Wenn es hier in ganz Österreich im Jahr 2011 zu 45 900 Beratungen gekommen ist, dann zeigt das, dass die Exekutive nicht nur dazu da ist, Vergehen und Verbrechen aufzudecken, sondern auch präventiv vorzubeugen und mit der Bevölkerung zu arbeiten. Das ist besonders wichtig! Es sind in diesem Bereich 51 000 Beamte tätig gewesen. Insgesamt sind es 340 000 beratene Personen gewesen, die diese Beratung in Anspruch genommen haben.

Aber eine sehr beliebte Aktion ist auch die Fahrradcodierung vor Ort, die unsere Exe­kutive durchführt. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) Ja, das machen sie, oder Informationsmessen, Ausstellungen, wobei auch die Aussteller beraten werden. Es gibt


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 142

die Öffentlichkeitsarbeit, die mit den regionalen Medien durchgeführt wird, Schulungen, Seminare, aber auch die Telefonberatung, die hier durchgeführt wird. Ich weiß aus Er­fahrung, dass sie auch, wenn jemand schon Opfer eines Einbruches geworden ist, je­nen Personen Hilfe leisten und sie unterstützen, damit keine Angst für die Zukunft weiterwirkt. (Bundesrat Ertl: Aber wie ich zuletzt den Kollegen das gegeben habe ...!)

Ich weiß das zu schätzen, geschätzte Damen und Herren, und ich kann nur darauf hin­weisen, dass es wichtig ist, dass wir unsere Exekutivbeamten bestmöglich ausstatten und unterstützen, denn sie machen Sonn-und Feiertagsdienst, sie machen Tag- und Nachtdienst, wo es Zeiten sind, die wir nicht so gewöhnt sind aufgrund der verschiede­nen Berufe, und auch bei jeder Witterung. Das müssen wir anerkennen. Ich bedanke mich bei allen Exekutivbeamten und -beamtinnen, die draußen vor Ort Dienst machen, und nehme diesen Sicherheitsbericht zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.33.17

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Auch ich möchte im Namen meiner Partei den Beamten und Beamtinnen, die den Sicherheitsbericht erstellt und daran mitgewirkt haben, meinen Dank aussprechen. Er ist sehr ausführlich, er ist sehr informativ.

Ich möchte aber auch das, was Kollege Ertl angesprochen hat, unterstreichen: Ich fin­de es schon wichtig, dass aus dem Bericht meiner Meinung nach auch hervorgehen sollte, wie viele verletzte PolizistInnen es in dem Zeitraum gegeben hat, oder sogar, wie viele getötete PolizistInnen, und vor allem, in welchem Bereich wie viele PolizistIn­nen eingesetzt worden sind.

Was mich auch noch interessieren würde, ist, wie viele Anzeigen beziehungsweise Be­schwerden gegen BeamtInnen im Zuge ihrer Amtshandlungen erstattet wurden, auch mit einer Aufschlüsselung nach der Art der Beschwerde oder der Anzeige. Ich glaube, es ist auch interessant, wie viele von diesen Beschwerden oder Anzeigen eingestellt worden sind, wie viele davon einer Disziplinarkommission zugeführt wurden und in wie vielen Fällen es zu einer Intervention gekommen ist, bis hin zu Kündigungen. Ich glau­be, es wäre im Sinne der Transparenz und im Interesse der Öffentlichkeit, auch das zu erfahren. Da kann ich also das, was Kollege Ertl gesagt hat, nochmals unterstreichen.

Was positiv hervorzuheben ist, ist die Strategie im Bereich Cyber-Crime. Wir wissen, dass es in diesem Bereich zu massiven Zunahmen gekommen ist. Dass wir hier auch eine Strategie fahren, die sozusagen die Beamten schult, ist absolut begrüßenswert.

Warum ich den Zwischenruf beim Kollegen Lindinger getätigt habe, möchte ich auch noch kurz erläutern. Es geht um die Fahrradcodierung. Ich habe bei der BPD in Linz angerufen, weil ich mir zwei neue Fahrräder gekauft habe. Ich weiß, damals wurden diese Fahrräder noch seitens der BPD codiert, und ich habe mein altes Fahrrad dort auch codieren lassen. Es ist dann in eine Datenbank eingespeist worden, und es ist sozusagen registriert. Es ist ein schönes Pickerl drauf: Finger weg, es ist registriert!

Beim neuen Fahrrad wollte ich das auch machen, und dann habe ich die Auskunft be­kommen: Das wird nicht mehr getätigt, weil aufgrund versicherungstechnischer Fragen die Polizei das nicht mehr durchführt, da bei den neuen Fahrrädern teilweise schon ein Karbonrahmen und so weiter, unterschiedliche Mischformen verwendet werden, die sozusagen das Material brüchig machen. Daher machen sie das nicht mehr, sondern geben nur noch die Adressen der Fachwerkstätten weiter, die das machen und das dann eben eigens gravieren.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 143

Der Nachteil ist meiner Meinung nach, dass dadurch die Daten nicht mehr zentral ge­speichert werden und auch die Polizei keinen Zugriff mehr hat. Vor allem wissen wir, wie viele Fahrräder gestohlen werden: Es werden immer mehr, nicht weniger, und in diesem Bereich haben wir eine sehr, sehr geringe Aufklärungsquote. – So viel also zum Bericht.

Ich habe dem Kollegen Krusche bei den vorhergehenden Tagesordnungspunkten, zu denen ich mich zu Wort gemeldet habe, einige Male gesagt, dass ich zum Punkt der Asyl- und Ausländerkriminalität bei diesem Tagesordnungspunkt ganz kurz Stellung beziehen werde. Von den 36 461 gerichtlichen Verurteilungen des Jahres 2011 ent­fielen 24 836 auf Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und 11 625 auf ausländische Staatsangehörige. Dies ergibt, gemessen an den Gesamt-Verurteilungs­zahlen des Berichtsjahres, einen Ausländeranteil von 31,9 Prozent. 2010 haben wir da noch 31,4 Prozent gehabt.

Nun muss man aber wissen, dass Österreich eine Gesamt-MigrantInnenzahl von knapp 19 Prozent vorweist. Das heißt, hier sind die Zahlen der Ausländer sehr über­proportional, was den Rückschluss zulässt, dass sehr viele nach Österreich kommen, die Taten durchführen und dann eben versuchen, wieder abzuhauen, dass es aber nicht primär jene sind, die in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben.

Laut Statistik des BMI im Jahre 2011 sind die meisten Tatverdächtigen aus Deutsch­land. Diese machen gerade einmal einen Anteil von 3,7 Prozent an den Tatverdächti­gen in Österreich aus, danach gefolgt von Serbien, Rumänien, Türkei und Bosnien-Herzegowina. Das sind nicht gerade unsere klassischen AsylwerberInnenländer.

Wenn die FPÖ so tut, als wären die AsylwerberInnen die großen Straftäter beziehungs­weise Tatverdächtigen, so muss ich sagen: Das ist unwahr! Die klassischen Asylwer­berInnenländer kommen 2011 und auch im ersten Halbjahr 2012 nicht einmal unter den Top 5 der tatverdächtigen Länder vor, denn die Top 5 der Asylwerber-Herkunfts­länder waren im Jahre 2012 Afghanistan, Russische Föderation, Pakistan, Syrien und Iran. Keines dieser Länder findet sich in der Gesamt-Kriminalitätsstatistik 2011 oder in der Kriminalitätsstatistik der ersten Jahreshälfte 2012 unter den Top 5. Unter den Top 5 im ersten Halbjahr 2012 sind nämlich Deutschland, Serbien, Rumänien, Tunesien und Bosnien-Herzegowina.

Unter den Top 10 der Gesamtkriminalität finden sich nur zwei der Top-10-Asylher­kunftsländer. Das sind Nigeria und Algerien, aber auch hier auf dem hinteren Rang mit Platz 9 und Platz 10. – So viel sozusagen mit sachlichen Argumenten deinen Argu­menten entgegengesetzt. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Im Großen und Ganzen noch einmal: Herzlichen Dank den Beamten und Beamtinnen für den tollen Sicherheitsbericht! Wir werden ihn natürlich zur Kenntnis nehmen. – Dan­ke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Hensler. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.40.01

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren an den Fernsehgeräten! Hoher Bundesrat! Wir haben heute den Sicherheitsbericht auf der Ta­gesordnung. Erlauben Sie mir, dass ich auf einige Argumente eingehe, die mich per­sönlich sehr bewegt haben. Wir haben sehr viele Zahlen, sehr viele Argumente ge­hört – Efgani Dönmez hat sehr treffend darauf hingewiesen –, berechtigte Argumente, die zweifelsohne in sehr vielen Bereichen überlegenswert sind. Erlauben Sie mir, Argu­mente zu bringen, die dem positiven Bereich angehören.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 144

Jetzt möchte ich persönlich zu Kollegem Ertl etwas sagen. (Bundesrat Ertl: Jetzt sag etwas Positives!) Es ist wohl unbestritten: Man denkt darüber nach, in welcher Gesell­schaft du lebst. Meines Wissens wohnst du ja in Schwechat, von meinem Wohnort 20, 25 Kilometer entfernt. Ich habe deine Argumente gehört, und, hoher Bundesrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe kein einziges Wort gehört, das positiv be­setzt war; alles war negativ besetzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Bei euch ist immer alles positiv – das gleicht sich aus!)

Und ich sage hier bewusst: Das ist auch Kultur in der Politik, meine sehr geehrten Da­men und Herren. Politik ist Dienst am Menschen, und es zeigt auch von Stärke, wenn man Argumente austauscht, wenn man aber auch positive Dinge erwähnt. Das zeich­net auch eine politische Kultur aus. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Ertl: Du hast noch nichts Positives gesagt!)

Ich habe in meiner politischen Tätigkeit – vielleicht spreche ich jetzt als einer, der nur mehr einige Monate die Ehre hat, in diesem Hohen Haus zu sein – den Grundgedan­ken ganz einfach immer darin gesehen, Argumente auszutauschen, Argumente ganz einfach zu präsentieren, aber dann auch das Positive hervorzuheben. Das ist Stärke, das ist Zeichen von Priorität. – Ich habe das bei deinen Worten nicht gehört.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Worte zum Sicherheitsbericht: Ich lebe, wie ich schon gesagt habe, nahe der ungarischen und slowakischen Grenze, ich wohne nahe von Bruck an der Leitha. Und es ist ganz einfach so, gerade in dieser Re­gion gibt es immer wieder Diskussionen. Geschätzte Frau Bundesminister! Du weißt es. Die Diskussionen drehen sich um sehr viele Bereiche der Lebensqualität und des Umfelds der Menschen und Bürger dort.

Erlauben Sie mir, ein persönliches Wort zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gehen Sie einmal mit offenen Augen durch unser Heimatland Österreich. Wir leben ja in einem wunderschönen Land, in einer wunderschönen Umgebung. Hier le­ben großartige Menschen. Und was ist das? – Erlauben Sie mir, dass ich das auf den Sicherheitsbericht herunterbreche. – Das ist unsere Heimat! Und was ist Heimat? – Heimat ist Liebe, Geborgenheit und Sicherheit.

Ja, das sind Argumente, die den Sicherheitsbericht einschließen sollen. (Rufe bei der FPÖ.) Ja, es ist ganz einfach wichtig, dass wir in diesem Bereich aktiv sind, dass wir auch darüber sprechen, aber dabei, wie ich bereits erwähnt habe, auch die positiven Seiten anführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Bürgerinnen und Bür­ger haben Vertrauen. Von zehn Bürgern sagen neun: Ja, wir leben in einem sicheren Land, Österreich gehört zu den sichersten Ländern der Welt!

Das ist ganz einfach: Vertrauen ist etwas, was die Demokratie braucht. Gerade in einer sehr schwierigen Zeit brauchen wir Vertrauen. Sicherheit heißt für mich, nicht polemi­sieren, Kollege Ertl, nein, heißt für mich, stolz sein auf das, was wir erreicht haben, po­sitiv in die Zukunft schauen und sicherlich auch dankbar sein für die Sicherheitspolitik, geschätzte Frau Bundesminister, die wirklich von meiner Warte aus gesehen, von einem, der an der Grenze lebt, der weiß, wovon er spricht, in einer schwierigen Situa­tion sehr viel erreicht hat. Und ich sage das, wenn ich so in den Saal blicke – Kollege Windholz aus dem Nationalrat kommt auch aus meiner Region, er wird es mir sicher bestätigen –: Es ist ganz einfach in diesem Bereich so!

Abschließend nochmals: Danke schön! Ich möchte auch seitens meiner Fraktion den Beamten, den Sicherheitsbeamten, die Tag für Tag hervorragende Arbeit für die Men­schen und für die Bürger leisten, Danke schön sagen.

Danke schön auch für den Sicherheitsbericht. Er ist sehr übersichtlich, und ich möchte den Dank auch an unsere geschätzte Frau Bundesminister weitergeben. Wir, von mei-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 145

ner Fraktion, und ich als Person Fritz Hensler werden sehr gerne dem Sicherheitsbe­richt zustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit der Bundesrätin Kemperle.)

16.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Mikl-Leit­ner. – Bitte.

 


16.46.17

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! Vor allem aber geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Es war für mich sehr spannend, meinen Vorrednern zuzuhören, und ich habe jetzt die Chance, vielleicht das eine oder andere zu ergänzen oder auch ins rechte Licht zu rücken.

Ich darf beginnen mit dem Redebeitrag des Herrn Bundesrats Ertl, bei dessen Ausfüh­rungen ich mich gefragt habe: Wo lebt er? In Bulgarien, Rumänien, Frankreich, Eng­land? Dabei weiß ich, er lebt in Österreich. Ich weiß, er lebt in Schwechat.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Entweder verstehen Sie den Sicherheitsbericht nicht, aber das will ich Ihnen nicht unterstellen und das kann ich auch nicht glauben. Deswe­gen muss ich Ihnen unterstellen, dass Sie gewisse Dinge einfach anders interpretieren.

Was ich Ihnen zugestehe, sehr geehrter Herr Bundesrat, sind Informationen, die Sie auch im Ausschuss bereits angefordert haben, wie eben die Statistik, wie es mit unse­ren verletzten und toten Polizistinnen und Polizisten ausschaut. Es wurde Ihnen bereits im Ausschuss versprochen, dass die Zahlen schriftlich nachgereicht werden. Ich habe sie hier auch bei mir. Zu Ihrer Information: Es wurden im Jahr 2011 1 947 Polizisten und Polizistinnen leicht verletzt. Schwer verletzt wurden 222. Getötet wurden leider vier – ein Polizist durch fremde Gewalt, alle anderen durch Verkehrsunfälle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade wenn man den Sicherheitsbericht in­tensiv durchliest, wenn man sich damit beschäftigt, kann man sich der Ansage an­schließen: Ja, wir können stolz sein, in einem sicheren Land zu leben, wir können stolz sein auf unsere Position in den verschiedenen Rankings, wir können stolz sein, dass wir im EU-weiten Vergleich auf Platz 3 und im weltweiten Vergleich auf Platz 6 liegen. Und wir können stolz sein, dass neun von zehn Österreicherinnen und Österreicher sa­gen, ja, sie fühlen sich sicher hier bei uns in der Republik. Und das ist wohl das beste Kompliment für die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten. Und deswegen finde ich es schade, wenn gerade Sie als Polizist die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten schlechtreden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Diese Positionierung auf Platz 6 und Platz 3 wollen wir natürlich zumindest beibehal­ten; wir wollen natürlich auch noch besser werden. Und wir werden alles dazu tun, um unsere Ziele weiterhin zu erreichen.

Wir im Innenressort haben eine ganz wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, wenn es um die Bewältigung von Gefahren geht, wenn es um zentrale Sicherheitsfragen geht. Wir sind aber vor allem auch ganz zentrale Ansprechstelle, wenn es um die Ge­staltung geordneter Migration geht, wenn es um die Bewältigung von Krisen und Kata­strophen geht, wenn es um den Themenkomplex Cyber-Kriminalität geht. Man braucht sich ja nur den Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2011 durchzuschauen oder ei­nen Blick in die aktuelle Kriminalstatistik hineinzuwerfen, wo wir ganz klar, schwarz auf weiß sehen, dass die Polizei ihre Aufgabe bestens erledigt, dass wir in vielen Be­reichen sogar besser geworden sind.

Wenn man sich die Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre ansieht, erhält man ein äußerst positives Bild, und dann sieht man auch, dass wir vor allem im Jahr 2011 einen Rückgang im Bereich der Gesamtkriminalität verzeichnen konnten, dass wir in Wien


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den höchsten Rückgang verzeichnen konnten, einen Rückgang der Kriminalitätsrate um 3,2 Prozent, gefolgt von Kärnten mit einem 1,6-prozentigen Rückgang. Und dieser Rückgang, meine sehr verehrten Damen und Herren, lässt sich auf verschiedene Fak­toren, auf verschiedene Maßnahmen zurückführen, und ich möchte hier einfach Wien herausgreifen, weil Wien natürlich immer wieder ein Hotspot ist.

Wie schaut es in Wien aus? Was ist uns in Wien gelungen? – In Wien haben wir nach wie vor die SOKO Ost und SOKO KFZ eingesetzt, wodurch es zu einem Rückgang der Einbruchskriminalität und bei Kfz-Diebstählen gekommen ist. Wir haben in Wien unsere Top-Teams eingeführt, die wirklich beste Tatortarbeit leisten. Beste Arbeit ist auch im Präventionsbereich beziehungsweise vor allem bei der Betreuung unserer Op­fer geleistet worden.

Wir haben in Wien eine sogenannte Bereitschaftseinheit eingeführt, die in einigen Mo­naten 200 Bedienstete umfassen soll, um noch gezielter Schwerpunktaktionen setzen zu können.

Wir werden auch weiterhin die SOKOs im Einsatz haben. Auch hiezu darf ich Ihnen einige positive Zahlen nennen, eine Bilanz legen, was die SOKOs betrifft. Allein im Vor­jahr konnten durch die SOKO Ost 281 Straftäter dingfest gemacht werden, konnten 2 200 verwaltungspolizeiliche Festnahmen vorgenommen werden und 576 Sicherstel­lungen erfolgen. Das Thema Kfz-Diebstähle ist immer wieder ein spezielles und aktu­elles Thema, und auch für diesen Bereich können wir sagen, dass wir einen Rückgang zu verzeichnen hatten in den letzten Jahren, sogar einen Rückgang um beinahe 50 Prozent, aber auch einen Rückgang im letzten Jahr, 2011, im Ausmaß von 16 Pro­zent.

Die Einbrüche in Einfamilienhäuser, in Wohnungen befinden sich Gott sei Dank auf konstant niedrigem Niveau, und es ist sogar in den ersten drei Quartalen gelungen, einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Wir merken daran vor al­lem, dass unser Masterplan „Kampf der Einbruchskriminalität“ voll und ganz greift.

Auch die Aufklärungsrate ist zufriedenstellend. Das wurde heute schon angesprochen. Es ist uns gelungen, die Aufklärungsrate um 2 Prozent zu steigern, womit wir jetzt bei einer Aufklärungsquote von 43,2 Prozent liegen.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von einem Kollegen wurde der gesamte Bereich der Cyber-Kriminalität bereits angesprochen. Ja, es stimmt, dass Kri­minelle immer mehr versuchen, über das Internet zu betrügen, kriminelle Handlungen zu setzen. Und es stimmt, dass wir in dem Bereich im Vergleich zum letzten Jahr sogar einen Anstieg von 200 Prozent zu verzeichnen haben. Es kommt daher auch nicht von ungefähr, dass wir uns diesem Themenfeld speziell widmen, dass wir da auch einen Schwerpunkt setzen. Wir haben unser Cyber-Kompetenzzentrum eingerichtet, für das wir 300 Internetpolizistinnen und -polizisten ausgebildet haben, die vor allem auch im präventiven Bereich Verantwortung tragen, in die Schulen gehen, um zu sensibilisieren und zu informieren, um bereits unsere Jungen vor Internetkriminalität zu schützen.

Wichtig ist uns natürlich nicht nur der Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, sondern auch der gesamte Bereich der Prävention. Deswegen bin ich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, allein im letzten Jahr über 340 000 Personen in diesem Bereich zu bera­ten.

Ein ganz wichtiges Thema, das mir persönlich wichtig ist, ist das Thema „Kampf dem Drogenhandel und der Drogenkriminalität“. Ich habe den Auftrag erteilt, eine Antidro­genstrategie zu entwickeln. Wir haben diese Strategie auch schon vorgestellt. Mir geht es vor allem um die jungen Menschen, weil wir wissen, dass sich der Drogenkonsum bei den Jugendlichen verdoppelt hat, vor allem bei den 14- bis 16-Jährigen. Deswegen müssen wir gerade in diesem Bereich mehr in die Prävention gehen, mehr in die The-


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rapie und bei den Kontrolluntersuchungen einen Wandel vornehmen. Wir müssen ein­fach weg von der Harnuntersuchung hin zur Haaruntersuchung. Wir sind im Gespräch mit unserem Gesundheitsminister, um da auch wirklich den Umstieg zu schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein sehr emotionales Thema wurde bereits angesprochen, nämlich der Bereich Asyl und Fremdenwesen. Ja, es stimmt, es ist dies ein Thema, das permanent aktuell ist, ein Thema, das man sehr sensibel betrach­ten und mit dem man vor allem sehr sensibel umgehen muss. Es ist dies ein Themen­feld, auf dem wir Politiker gefordert sind, eine fachlich-sachliche Diskussion zu führen und in keiner Weise Emotionen oder Aktionismus zu schüren. Und auch an dieser Stel­le noch einmal: Ich lehne sowohl den Aktionismus von Links ab, wie er derzeit bei der Votivkirche passiert, als auch die Hetze von Rechts. (Zwischenrufe bei Bundesräten der FPÖ.) Ich bin für beide Dinge in keinster Weise zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir hatten im letzten Jahr einen Anstieg bei den Asylanträgen im Ausmaß von 31 Pro­zent.

Ich bin dankbar, dass heute die Tariferhöhung betreffend die Grundversorgung be­schlossen worden ist. Auch hiezu ein ganz klares Wort: Dieses Geld, diese Erhöhung geht nicht direkt an die Asylwerber beziehungsweise an jene, die betreut werden, sondern dieses Geld geht an jene, die Betreuungsplätze zur Verfügung stellen, das heißt an die Gastwirte, an die Privatunternehmen, die den Schutzsuchenden Hilfe und Unterstützung angedeihen lassen.

Und ein ganz klares Wort, ein ganz klares Dankeschön an alle Bundesländer, die ihren Beitrag geleistet haben, dass jetzt zu Weihnachten die Herbergssuche ein gutes Ende finden konnte. Jedes Bundesland ist seiner Verantwortung nachgekommen. Ich danke vor allem auch den Gemeinden, die ihre Türen und Tore aufgemacht haben, um Asyl­werber unterzubringen, in denen also Menschlichkeit gelebt wird. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Dafür ein ganz großes und herzliches Dankeschön. Es ist einfach wichtig, den Schutz­suchenden Hilfe und Unterstützung angedeihen zu lassen. Ich stehe aber auch nicht an, ganz klar zu sagen, dass wir auch weiterhin aktiv sein werden, was die Schlepper­kriminalität betrifft. Auch in diesem Bereich gilt es, hart weiterzuarbeiten, und aus die­sem Grund gibt es auch ab Jänner 2013 die SOKO Süd und die SOKO Nord, um die Schlepper gerade an den neuralgischen Punkten direkt aufgreifen zu können.

In diesem Sinne: Wenn man sich den Sicherheitsbericht durchschaut, wenn man sich in unserem wunderschönen Land umschaut, dann weiß man: Wir haben eine äußerst hohe Lebensqualität. Jeder bei uns in der Republik kann sich sicher fühlen. Die Polizei tut alles dazu, mit vollem Engagement, mit voller Kraft. An dieser Stelle ein herzliches Danke an all unsere Polizistinnen und Polizisten, die 24 Stunden am Tag und 365 Ta­ge im Jahr arbeiten. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

Ich darf mich auch bei Ihnen bedanken für Ihre Arbeit im Bundesrat, für Ihre Arbeit draußen vor Ort und darf Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kol­legin Mühlwerth. – Bitte.

 


16.59.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Ja, ich melde mich zur Geschäftsord­nung.

Sehr geehrte Frau Minister, ich verwahre mich wirklich auf das Allerschärfste gegen Ih­re Behauptung, dass wir Hetze betreiben. Wir haben Zahlen genannt, die aus dem Si-


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cherheitsbericht sind und die aus einer Anfragebeantwortung von Ihnen sind. (Bundes­rat Kainz: Das hat sie doch überhaupt nicht gesagt!) – Doch, die Frau Minister hat von Hetze gesprochen. (Bundesrat Kainz: Sie hat aber ganz klar von Rechts und Links ge­sprochen! – Die Rednerin in Richtung Regierungsbank:) Sie haben von Hetze gespro­chen, das haben alle gehört. Das können wir im Protokoll nachlesen. Das weise ich wirklich auf das Schärfste zurück!

Zum Zweiten möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Hetze mittlerweile ein Straftatbestand ist. Also eigentlich müssten Sie uns klagen.

Zum Dritten sage ich Ihnen schon auch eines: Bei aller kontroversiellen Diskussion, Polemik von der Regierungsbank lässt man normalerweise auch nicht durchgehen. Auch das lehne ich ab. Ich darf auch Sie ersuchen, sich ein bisschen zurückzunehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von ÖVP und FPÖ.)

17.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Also ich halte fest, das war keine Geschäftsord­nungsmeldung, sondern eine weitere Wortmeldung, um das einmal zu bereinigen.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.01.0820. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisa­tions­gesetz 2010 – ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010, geändert wird (2067 d.B. sowie 8878/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Bitte um den Bericht.

 


17.01.27

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem
die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird, das ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich komme daher zur Antragsstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt sehr herzlich Herrn Bundesmi­nister Mitterlehner begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 149

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.02.36

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Vom emotionalen Sicherheitsbericht wieder ein bisschen auf den Boden runter zum eher trockenen ElWOG, wobei auf den ersten Blick die Beschlussfassung vielleicht recht unspektakulär wirken mag, weil es um rein bilanztechnische Änderun­gen geht, aber wenn wir ein bisschen in die Tiefe gehen und das näher analysieren, dann geht es uns alle etwas an. Weil die Welt auch morgen, am 21. Dezember – Kol­lege Perhab hat das vorhin schon gesagt –, nicht untergehen wird, müssen wir uns für die Zukunft rüsten.

Die APG, der Übertragungsnetzbetreiber in Österreich, wird nun mit diesem ElWOG die Rechtssicherheit haben, die sie braucht, um die Projekte des Netzentwicklungspla­nes auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten abarbeiten zu können.

Über 2 Milliarden € werden notwendig sein, um die technische Infrastruktur auf die An­forderungen, die auf uns zukommen, auf die Anforderungen bis ins Jahr 2030 zu adap­tieren und so auch die Energiewende überhaupt auf den Weg bringen zu können. Da­bei kommt es zu Modernisierungen, zu Adaptierungen, auch zu Neubauten von Um­spannwerken, die notwendig sind, zum Neubau von Leitungen, auch im Hochspan­nungsbereich, aber auch zu Neustrukturierungen von energiewirtschaftlichen System­lösungen in den Regionen.

Vor allem, wenn wir uns den Ökostromboom anschauen, den wir momentan haben und der im nächsten Jahr noch weiter anhalten wird, dann sind diese Investitionen in die Infrastruktur dringend notwendig, damit all die Windparks, all die Photovoltaikanlagen dann auch entsprechend in Betrieb gehen können, denn wenn keine stabilen Netze vorhanden sind, wird es Schwierigkeiten geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Schreuder.)

Der Netzausbau hat aber auch eine europäische Dimension. Österreich hat ja hier auch einen sehr speziellen Status. Österreich hat mit über 17 Prozent die größten Pumpspeicherkapazitäten in ganz Europa, noch vor Italien, Deutschland und Spanien. Der Wind, der in Norddeutschland auch bläst, wenn der Kunde keinen Strom braucht, wird über die Leitungen in die heimischen Alpen geleitet und dort gepumpt. Nur so kann Energie gespeichert werden.

Denken wir an die Diskussionen, die vor allem auch in der Steiermark in den letzten 20 Jahren geführt worden sind, wenn es um den Bau von Hochspannungsleitungen ging. Das werden wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können. Salzburg wird hoffent­lich nicht auch dasselbe Schicksal erleiden, wie es das in der Steiermark gegeben hat.

Wasser(kraft) zu predigen auf der einen Seite ist sicher gut, aber Wein zu trinken, wenn es um das Bewilligen von Leitungen geht – das wird es in Zukunft sicher nicht mehr spielen.

Mit dem heutigen Beschluss setzen wir den österreichischen Übertragungsnetzbetrei­ber in die Lage, die technischen Voraussetzungen auch für die Energiewende zu schaffen. Also ein auf den ersten Blick scheinbar unspektakuläres Gesetz hat doch für uns alle große Auswirkungen für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Mitterer.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 150

17.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konrad. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.06.17

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause an den Bildschirmen! Kollege Brunner hat schon vieles gesagt zu diesem The­ma, und da wir nach acht Stunden noch nicht bei der Mitte der Tagesordnung ange­kommen sind, werde ich mich kurz halten.

Die Unterstützung der Übertragungsnetzbetreiber ist hier eine eher technische; schwie­rig, sehr geehrte Damen und Herren, wird es bei der Unterstützung dieser Betreiber dann, wenn es um den Leitungsbau an sich geht. Das ist richtig. Ich komme aus der Oststeiermark. Wir haben ja vor nicht allzu langer Zeit eine 380-kV-Leitung bauen müs­sen, weil es um die Versorgungssicherheit geht, aber ich erinnere mich, wie schwierig dieser Prozess war.

Ich glaube, das kann jeder nachvollziehen, sehr geehrte Damen und Herren, denn nie­mand hat gerne eine 380-kV-Leitung unmittelbar in seiner Nähe. Wenn man in der Distanz lebt, dann ist es immer einfacher, zu sagen: Was regen sich die dort auf? Ich glaube, wenn es einen persönlich betreffen würde, hätte man auch keine Freude damit. Das ist klar.

Klar ist aber auch, sehr geehrte Damen und Herren, wenn der Strom schon aus der Steckdose kommen soll, dann muss er irgendwie dorthin gelangen. Wir brauchen die­sen Leitungsausbau, und es freut mich, wenn ungeteilte Freude darüber herrscht, dass der Stromleitungsausbau dann, wenn es um Ökostrom-Anlagen geht, befürwortet wird. Wichtig ist aber, dass wir ihn immer zur Verfügung haben, denn er soll auch dazu die­nen, dass wir die Wirtschaft bedienen, dass wir die Menschen, die in der Region leben, bedienen, dass Strom dort ist, wo er gebraucht wird.

Es wird immer schwieriger werden, dieses Spannungsfeld von Produktion und Abneh­mern abzudecken. Wir brauchen einfach effiziente Leitungen, und wir brauchen Betrie­be, die diese Leitungen errichten können. Deshalb ist auch unsere Unterstützung in diesem Bereich voll gegeben, und wir werden diesem Antrag natürlich gerne die Zu­stimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte, Herr Minister.

 


17.08.33

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie gerade von den Vorred­nern gesagt worden ist, geht es ja im Wesentlichen um bilanztechnische Verbesse­rungsmöglichkeiten für die Netzbetreiber. Das ist notwendig geworden, weil vorher ei­nige Verordnungen verbessert worden sind und einige, die entsprechende Systemnut­zungsentgelte zahlen sollten, diese nicht getätigt haben. Nunmehr kann man das bi­lanztechnisch anders steuern.

Als Resultat dieser Vorgangsweise kommt natürlich auch der Aspekt zum Tragen, dass man mit dem, was man bilanztechnisch tun kann, auch in einer besseren finanziellen Lage ist und so auch die notwendigen Infrastrukturinvestitionen durchführen kann.

Der Nationalrat hat das insofern positiv gesehen, als alle sechs vertretenen Parteien diesem Gesetz zugestimmt haben, und ich erhoffe oder erwarte mir Ähnliches auch hier. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 151

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Ich stelle daher zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglie­der des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu geben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

17.10.4821. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2011 (III-464-BR/2012 d.B. sowie 8879/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen somit zum 21. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Bitte um den Bericht.

 


17.11.01

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2011 liegt Ihnen vor. Ich komme daher zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2011 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.11.24

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben noch 58 Redner, und es ist heute der Vorabend des Weltuntergangs, daher werden wir uns bemühen, die­sen Weltuntergang zu umgehen.

Herr Minister, ich entschuldige mich schon jetzt, dass ich nur drei Minuten sprechen werde zu einem wirklich umfassenden Bericht, der nichtsdestotrotz auch wieder ein Er­folgsbericht ist. Und weil wir im Dezember 2012 sind, prognostiziere ich schon, dass auch der Tourismusbericht 2012 an diese Erfolgsdaten hier nahtlos anschließen wird.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 152

Trotzdem möchte ich mich kurz auf drei Punkte konzentrieren, und zwar als aktiver Unternehmer. Die wirtschaftliche Lage der Hotellerie in Österreich ist 2011 begünstigt gewesen. Durch die Entwicklung des internationalen Zinsniveaus ist es buchhalterisch gelungen, den Cashflow nach Zinsen positiver zu gestalten und vielleicht die Entschul­dungsdauer ein bisschen zu verkürzen. Vor allem gilt dies für die Vier-, Fünf-Stern-Kategorie, nicht für die Drei-Stern-Hotellerie, sondern für die größeren Betriebe. Wir werden versuchen, dieses Programm der Betriebsgrößenoptimierung auch in Zukunft weiter zu betreiben. Das ist eine Grundvoraussetzung, um auf dem internationalen Tourismusmarkt bestehen zu können.

Die zweite aus meiner Sicht ganz wichtige Situation, wo Österreich Gott sei Dank wie­der einmal Benchmark ist, ist die europäische Hotelklassifizierung Hotelstars Union. In­zwischen haben wir, glaube ich, zwölf europäische Länder dabei, womit wir versuchen wollen, in der nächsten Zukunft die Qualität für die Konsumenten sicherzustellen. Dort, wo vier Sterne draufsteht, soll in ganz Europa auch vier Sterne drinnen sein. Das ist unser Ziel. 70 Prozent des Inhaltes dieser Hotelklassifizierung stammen aus Öster­reich. In der Beziehung gilt österreichisches Know-how und auch österreichisches Ni­veau.

Dafür danke ich auch allen, die daran mitarbeiten. Auch die Frau Sektionschefin ist heute da. Danke auch für Ihre ständige Unterstützung und weitere Umsetzung der ös­terreichischen Tourismusstrategie!

Das Dritte, meine sehr verehrten Damen und Herren: Der Tourismus und vor allem die Hotellerie in Österreich stehen nach wie vor im internationalen Wettbewerb, und wir müssen auf neue Rahmenbedingungen verstärkt eingehen. Eines dieser Probleme, die uns immer stärker betreffen, ist natürlich die Bewertung. Was für den Finanzmarkt die Ratingagentur ist, ist für den Tourismus die Bewertungsagentur HolidayCheck – Sie werden das alle kennen, Sie werden vereinzelt auch über Booking.com gebucht ha­ben –, was zur Folge hat, dass wir einen internationalen Preisdruck haben, wo unsere Kosten nicht mehr refinanzierbar sind.

Ich denke, dem müssen wir uns entgegenstellen, indem wir eine gewisse Preisdisziplin beweisen und uns in der Qualität weiter so verbessern, damit wir auch auf diesem Ge­biet Marktführer bleiben. Was die Qualität betrifft, was das Angebot betrifft und was vor allem die österreichische Gastlichkeit betrifft – all das ist nach wie vor ein Benchmark, der zu unseren Gunsten spricht.

Ich möchte heute auch nicht verhehlen, dass wir nach wie vor große Probleme auf dem Gebiet des Arbeitsmarktes haben. Ich konnte vorige Woche Gott sei Dank mit Interven­tion auch der WKO, Sparte Tourismus, beim Sozialminister einen Kontingentnachtrag von 35 Drittstaatengenehmigungen für die Ski-WM in Schladming erreichen. Wir sind sehr dankbar dafür, denn das wird es den Betrieben zumindest erleichtern, die nächste hoffentlich gute Wintersaison zu überstehen

Zum Schluss: Ich glaube, wir werden mit der alpinen Skiweltmeisterschaft in Schlad­ming ein weiteres Zeichen setzen, dass Österreich im Wintertourismus die Nummer eins ist.

Wir nehmen den Bericht gerne zur Kenntnis. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf zur Präzisierung erwähnen: Wir haben noch 61 offene Redner; ohne die Wortmeldungen von der Regierungsbank aus.

Zu Wort gelangt Frau Vizepräsidentin Mag. Kurz. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 153

17.15.57

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Tourismussprecherin meiner Fraktion schicke ich voraus, dass wir natürlich den Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. Auch ich möch­te mich bedanken. Er ist wie immer sehr umfassend, sehr übersichtlich und auch sehr informativ. Wir können hier wirklich nachlesen, welche Stärken wir haben, aber auch, welche problematischen Entwicklungen es im Tourismus in Österreich noch gibt.

Das Jahr 2011 war ja ein durchaus erfreuliches Jahr. In Anbetracht der vorgeschritte­nen Zeit erspare ich Ihnen Details mit Zahlen, aber ich möchte mich auf ein etwas an­deres Thema konzentrieren als mein Vorredner. Er hat zwar angesprochen, dass die Situation der Beschäftigten im Tourismus eine unbefriedigende ist, dennoch müssen wir sagen, dass auch der Tourismus für den guten Beschäftigungsstand, der mit nur 4,4 Prozent Arbeitslosigkeit in Österreich herrscht, eine große Rolle spielt.

Die Frage ist allerdings, wie es den Beschäftigten im Tourismus eigentlich geht, denn das spielt ja auch immer eine Rolle, wenn die Tourismusbetriebe sich bemühen, Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter zu finden.

Wir wissen, dass 5,6 Prozent aller unselbständig Beschäftigten im Tourismus arbeiten; davon sind zwei Drittel Frauen. Die Tourismusbranche ist also in Wirklichkeit überwie­gend eine Frauenbranche. Man muss allerdings sagen, auch in dieser Branche sind die Führungskräfte überwiegend männlich. Wir wissen auch, dass gerade im Touris­mus die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehr als schwierig ist. Das liegt an den unregelmäßigen Arbeitszeiten, und es gibt natürlich noch ein paar andere Probleme. Es ist auch in Statistiken nachzulesen, dass die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten immer weiter abnimmt. In einer Befragung haben nur 27 Prozent der Beschäftigten an­gegeben, dass ihr Einkommen zum Beispiel existenzsichernd ist.

Einer meiner Vorredner hat heute schon den Einkommensbericht erwähnt. Auch da lässt sich nachlesen, dass die Beschäftigten im Tourismus die unterste Kategorie dar­stellen. Der Mittelwert beträgt nicht einmal 10 000 € im Jahr. Das ist eine durchaus er­schreckende Größe. Es ist zwar jetzt seit 1. Dezember kollektivvertraglich festgelegt, dass die Beschäftigten 1 300 € brutto verdienen. Das ist ein erster Schritt, aber mit Si­cherheit nicht der letzte Schritt. Da muss sicherlich noch etwas getan werden.

Mein Kollege Perhab hat schon darauf hingewiesen, wir reden jetzt eigentlich über den Bericht 2011, aber das Jahr 2012 ist ja auch schon beinahe vorbei, und auch hier zeichnen sich sehr, sehr positive Entwicklungen ab. Da ich aus Salzburg komme, ei­nem ganz klassischen Tourismusland, möchte ich auch erwähnen, dass gerade in Salz­burg der Tourismus sehr, sehr stark zugelegt hat. Wir haben die höchsten Zuwachsra­ten innerhalb der letzten fünf Jahre in Salzburg im Jahr 2012, wir haben sensationelle 8,4 Prozent Zuwachs in den vergangenen fünf Jahren, und wir gehen davon aus, dass dieses Tourismusjahr in Salzburg ein sehr positives sein wird.

Woran liegt das? – Es bemühen sich ja logischerweise alle Regionen um Touristen und Touristinnen und versuchen, ihre über eine Million Betten, die es in Österreich gibt, zu füllen. Es liegt vor allen Dingen auch daran, dass wir versuchen, immer mehr und mehr auf Ganzjahrestourismus umzustellen, verschiedene Programme zu fahren, über Alm­sommer, Bauernherbst, Wellness, Radfahren et cetera und so weiter. Diese Strategien gehen, so wie es ausschaut, mit Sicherheit auf. Im Ausschuss wurde mir gesagt, dass wir nicht damit zu rechnen brauchen, dass schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist, sondern dass wir durchaus noch weitere Zuwachszahlen erwarten können, vor al­len Dingen aus Märkten, die noch nicht so bei uns angekommen sind, wie wir das er­hoffen, etwa der chinesische Markt, der russische Markt et cetera und so weiter.

Ein Problembereich, den ich noch ganz kurz ansprechen möchte, ist die Auslastungs­zahl. Sie ist ja sehr unterschiedlich in Österreich. Bei über einer Million Betten liegt sie


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 154

bei etwa 30 Prozent im Durchschnitt. Wien hat zum Beispiel im Sommer eine Auslas­tungszahl von 62 Prozent, also doppelt so viel als der österreichweite Durchschnitt.

Die höchste Angebotsdichte – weil wir in der Länderkammer sind, möchte ich doch ein paar dieser Details erwähnen – gibt es in Tirol. Da kommt auf fast jeden zweiten Ein­wohner ein Urlauberbett. Das ist schon eine sehr hohe Anzahl an Betten. In Salzburg kommt auf jeden dritten Einwohner ein Urlauberbett. Die Betten gilt es natürlich im Sommer bei der starken Konkurrenz, auf die Kollege Perhab schon hingewiesen hat, zu füllen.

Wir können mit der Entwicklung im vergangenen und auch in diesem Jahr zufrieden sein und sind es auch. Wir hoffen, dass nicht nur in Schladming sondern in allen Ski­regionen Österreichs mit einem Rekordwinter zu rechnen ist. Das hoffen wir alle für die Wirtschaftssituation Österreichs. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Kollege Mitterer zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


17.21.35

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich schicke schon vo­raus, dass der hervorragend aufbereitete Bericht zur Tourismus- und Freizeitwirt­schaft 2011 in Österreich auch die Zustimmung der freiheitlichen Fraktion finden wird.

Es ist eine erfreuliche Entwicklung in einer sehr schwierigen Branche zu verzeichnen, und das, obwohl wir schon jahrelang in einer Wirtschafts- und Bankenkrise sind. Seit 2008 gibt es erfolgreiche Zahlen auch und vor allem im Bereich des Tourismus.

Man sollte im Tourismus nicht allein mit statistischen Zahlen herumwirtschaften, denn 126 Millionen Nächtigungen ist zwar eine stolze Zahl, aber das ist es nicht, was die Wirtschaft braucht. Die Wirtschaft braucht die daraus resultierenden Erträge. Die sind für die Wirtschaft wesentlich wichtiger als statistische Zahlen.

Wichtig für alle Österreicher ist, dass der Tourismus direkter und indirekter Beschäfti­gungsgeber ist, und zwar in der Größenordnung von über 600 000 Mitarbeitern. Vor allem erwirtschaftet die Tourismus- und Freizeitwirtschaft mit all ihren Facetten 14,5 Pro­zent des Bruttoinlandsproduktes. Deshalb – auch wenn wir heute in Zeitnot sind und noch viele Redner im Laufe dieser Tagesordnung zu Wort kommen werden – sollte man doch ein paar Sätze in diese Richtung verlieren können.

Diese erfolgreiche touristische Bilanz Österreichs findet nicht wegen der Bundesre­gierung statt, sondern man muss sagen: trotz dieser Bundesregierung. (Bundesrat Mag. Klug: Mit! Mit, Peter!) – Trotz dieser Bundesregierung. Es ist erstaunlich, denn die Tourismuswirtschaft – Kollege Perhab wird mir recht geben – hätte schon einige of­fene Wünsche an die Regierung, wie man dem Tourismus noch besser unter die Ar-
me greifen könnte. (Bundesrat Mag. Klug: Wer nicht? – Bundesrätin Mag. Kurz: Wer nicht? Es ist eh Weihnachten!)

Es ist zum Beispiel zu einer Verschlechterung bei den Anmeldevorschriften gekom­men. (Bundesrat Mag. Klug: Verbesserung!) Die Barbewegungsverordnung hat nicht allen gutgetan. Weitere Punkte: die Ticketsteuer, die Abschaffung von Energiekosten­rückvergütungen in einer Branche, die sehr viel Energie braucht – nicht, weil sie sie verschwendet, sondern weil sie, um Qualität bieten zu können, diese Energiekosten hat. (Bundesrat Mag. Klug: Jetzt ist Kerzenzeit!) Die Anpassung der Abschreibdauer ist immer schon eine Forderung von allen hier im Hause vertretenen Parteien, aber es geht nichts weiter. Auch die Manipulationsgebühr des AMS ist eine wirklich nicht ge­glückte Steuer, auch wenn der Saisontourismus teilweise nicht betroffen ist. Wenn man


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jemanden nur sechs Monate beschäftigt, kommt sie nicht zur Anwendung. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.)

Aber es werden auch einige bestraft, die dem Ruf folgen, die Saisonen zu verlängern. In Kärnten sind zum Beispiel die meisten Betriebe zu Ostern bereits geöffnet, und wenn Ostern früh fällt, sind die sechs Monate im September zu Ende und nicht im Ok­tober. Wenn sie im Oktober aufhören, dann haben sie diese Manipulationsgebühr zu zahlen. Ich hoffe nicht, dass das dazu führt, dass der Betrieb zwei, drei Wochen früher zusperrt. Es gäbe also schon einige Dinge zu überlegen, um Verbesserungen für den Tourismus und die Tourismuswirtschaft zu erreichen.

Trotzdem ist Österreich – und das spiegelt der Bericht ja wider – Weltmeister. Nach Berechnungen der WTO liegt Österreich bei den Auslandseinnahmen pro Kopf mit 2 218 Dollar an der Weltspitze. Ich glaube, das ist ein Verdienst der österreichischen Tourismuswirtschaft, der Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch der Mitarbeiter.

Ich möchte noch kurz auf die Mitarbeiter-Situation eingehen. Ich habe in meinem Be­trieb bis zur Übergabe die Lohnverrechnung für meine 18 Mitarbeiter immer selbst ge­macht, um auch zu sehen, wie die Bewegungen und so weiter stattfinden. Deshalb kenne ich mich da sehr gut aus.

Es ist so, dass die Tourismuswirtschaft von 2008 bis 2011 um 10,5 Prozent an Mitar­beitern zugenommen hat, die übrige Wirtschaft in Österreich „nur“ – unter Anführungs­zeichen – um 2,4 Prozent. Das zeigt, dass Qualitätstourismus natürlich auch mitarbei­terintensiv ist, weil er ein Dienstleistungsbereich ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir die entsprechenden Mitarbeiter bekommen. Es wird immer schwieriger, sie zu fin­den.

Es ist so, dass die Öffnungszeiten und die Konsumationszeiten nicht die Tourismus­wirtschaft vorgibt, sondern der Konsument, der Gast. Der bestimmt, wann er Leistun­gen von uns in Anspruch nehmen möchte. Die sind eben nicht immer ident mit den an­deren Berufen. Deshalb ist es auch so schwierig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus­zubilden und sie auch in der Branche zu behalten.

Ich verwende jetzt noch einmal statistische Daten: Wir stellen fest, dass von den aus­gebildeten Kräften – ob in der dualen Lehre oder in der Hotelfachschule, in den Kollegs und so weiter – mit dem 24. Lebensjahr nur mehr ein Viertel in unserer Branche, in der Tourismuswirtschaft in Österreich, ihren Arbeitsplatz hat. Das ist das Problem.

Da werden wir an den Arbeitszeiten nicht rütteln können. Wie gesagt, die bestimmt der Konsument. Wir werden nach wie vor Samstag, Sonntag arbeiten müssen, wir werden nach wie vor Weihnachten und Juli, August arbeiten müssen. Wir werden an den Wo­chenenden und auch am Abend arbeiten müssen.

Aber ich appelliere auch an die Medien, ein bisschen dazu beizutragen, auch positiv und nicht immer nur negativ über die Arbeitsbedingungen und über die Entlohnung im Tourismus zu berichten.

Kollege Perhab hat heute eine Zahl aus einer Tageszeitung zu den Löhnen der Polizei zitiert. Das ist mir nicht ins Auge gestochen. Mir ist etwas anderes ins Auge gestochen. Auf der gleichen Seite ist in dieser Tabelle an letzter Stelle der Kellner mit 8 000 € Jahreslohn, Bruttoeinkommen angeführt. (Bundesrat Mag. Klug: Zahlt ihnen mehr!) Ich hoffe, dass Kollege Perhab das nicht deshalb übersehen hat, weil er geglaubt hat, dass das stimmt, weil er seinen Mitarbeitern nicht mehr bezahlt als 8 000 € Lohn im Jahr. Das glaube ich nicht, aber mir ist das wirklich aufgefallen. Der Mindestlohn beträgt 1 300 €, das wären ja nur sechs Monatslöhne im Jahr.

So sollte man in den Medien nicht umgehen. Das führt dazu, dass wir letztlich weniger Arbeitskräfte bei uns haben. Die Unterbringung und so weiter – alles wird in den Me-


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dien meistens negativ dargestellt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wün­sche mir von den Medien, dass sie auch einmal positiv schreiben, und dass diese posi­tive Weiterentwicklung in Österreich auch mit Hilfe der Medien weitergeht.

Der Bericht 2011 steht eigentlich relativ früh zur Diskussion. Wenn man heute in der Wirtschaft steht, ist es trotzdem relativ spät. Wie meine Vorredner schon gesagt haben, haben wir bereits die Zahlen für das Jahr 2012 da. Sie sind Gott sei Dank auch sehr positiv, auch für Kärnten trotz dieser Unkenrufe, die es im Sommer gegeben hat, dass Kärnten von den Gästen nicht mehr als Urlaubsziel gewählt werden wird. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Wir haben festgestellt, dass wir Zuwachszahlen haben. Nicht die Regierung macht ja die Nächtigungszahlen, sondern das schöne Wetter, die fleißigen Menschen, die in dieser Branche arbeiten.

Ich wünsche mir auch eine erfolgreiche Wintersaison 2012/2013 und vor allem auch österreichische Erfolge bei der Ski-WM in  (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ) – Schladming. Ich wollte schon einen Kärntner Ort sagen, aber es ist in Schladming. Ich gratuliere den Steirern! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Der Schluss war jetzt schwer in Ordnung!)

17.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.30.37

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Tourismus ist an und für sich ein schönes Thema. Wer macht nicht gerne Urlaub? – Auch ich. Ich mache nicht nur in Österreich Urlaub. Ich gebe schon zu, ich fahre auch einmal woan­ders hin. Ich gehöre nicht zu diesen Politikern, die meinen, man muss immer patrio­tisch Urlaub machen. Die Welt ist interessant. Aber ich mache gerne in Österreich Ur­laub, man trifft da mitunter auch zufällig Bundesratskollegen – er ist jetzt gar nicht da.

Das ist der erste Bericht, zu dem ich spreche. Herr Perhab hat gesagt, dass wir jetzt natürlich ein bisschen über die Berichte hinweghudeln, weil es noch so viele Sprecher und Sprecherinnen und so viele Tagesordnungspunkte gibt. Meine Bitte ans Präsidium: Könnte man Berichte vielleicht intensiver debattieren und diskutieren mit mehr Zeit, wenn es wenig Tagesordnungspunkte gibt? Dafür wäre ich Ihnen sehr, sehr dankbar. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Trotzdem reden wir natürlich über den Tourismus. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei der Sektionschefin und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Es ist ein ausgezeichneter Bericht. Er ist sehr detailliert. Ich finde es hervorragend, wie trans­parent mit den Zahlen umgegangen worden ist. Gerade Tourismus zu messen ist ja so schwer. Das wird transparent gemacht, indem gesagt wird: Was misst man? Die Näch­tigungen, die Umsätze? Da gibt es verschiedene Parameter, man kann ja nicht alles messen. Das ist das Schwierige und Spannende zugleich am Tourismus. Wir finden, dass er in diesem Punkt wirklich ein Vorzeigebericht ist, so, wie wir uns alle Berichte wünschen würden.

Besonders freut uns als Grüne natürlich die ausgeweitete Darstellung zum Thema nachhaltiger Tourismus. Das ist uns natürlich ein großes Anliegen – Klima, Mobilität, Alpenkonvention. Diese Themen wurden sehr detailliert und interessant im Bericht aus­geführt.

Zwei Themenbereiche, die zuletzt noch nicht so einen Stellenwert hatten, aber einen größeren Stellenwert bekommen, haben stärkeren Niederschlag gefunden, nämlich der Gesundheitstourismus und der Kongresstourismus. Diese Bereiche werden sicher in Zukunft vor allem im städtischen Bereich – also der Kongresstourismus in dem Fall – eine große Rolle spielen.


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Ich bin ja ein Wiener Bundesrat, deswegen muss ich natürlich auch über Städtetou­rismus sprechen. Ich habe zufällig heute mit Norbert Kettner telefoniert, dem Direktor von WienTourismus. Die Zahlen von 2012 sind ja äußerst erfreulich. Von Jänner bis Februar 2012 hatte Wien ein Plus von 7,4 Prozent. Wir erleben – und das zeigt sich auch im Bericht; ich kann natürlich noch nicht so genau abschätzen, wie es 2012 aus­schaut –, dass gerade der Städtetourismus in Graz, Salzburg, Innsbruck, Wien und so weiter den stärksten Anstieg von allen Tourismusbereichen, die wir in Österreich ha­ben, hat.

Das entspricht nicht ganz dem, was wir uns gedacht haben, als die Krise 2008 begann. Da haben alle gerätselt: So, was wird jetzt passieren? – Wahrscheinlich wird die Zahl der Fernreisen abnehmen und eher die Zahl der Buchungen in jene Reiseziele zu­nehmen, die man schnell mit dem Auto erreichen kann. Man kennt die Gegend. Vor allem bei den Deutschen habe ich mir gedacht: Sie haben dieselbe Sprache, man kann die Kosten auch durch die gemeinsame Währung leichter abschätzen.

Interessanterweise sind aber die Herkunftsländer der Touristen und Touristinnen mitt­lerweile doch ganz andere, als wir gedacht haben. Die Zahl der europäischen Touris­ten und Touristinnen, wie Niederländer oder Deutsche, geht ja leider zu einem erhebli­chen Teil zurück. Das ist auch im Bericht zu lesen – für 2012 weiß ich es nicht –, aber stark im Steigen sind die Schwellenländer. Das heißt, die Zukunft des österreichischen Tourismus liegt eindeutig in Russland, in Brasilien, in Indien und in China. Von dort kommen sehr viele Menschen, um sich Österreich anzuschauen.

Innerhalb Europas sind natürlich vor allem Länder wie Rumänien oder Bulgarien inter­essant, wo wir einen starken Anstieg haben, was ja auch ein interessantes Phänomen ist. Ich kann mich noch daran erinnern, dass, als die Visumpflicht damals abgeschafft worden ist, die FPÖ vor rumänischen Massen, die nach Österreich kommen, Angst gehabt hat. Sie kommen jetzt als Touristen und lassen Geld hier. Ich finde, das ist gut so. (Bundesrat Ertl: Die haben wir eh heute schon gehört, die Zahlen! Aber in einem anderen Zusammenhang!) – Ja, wir reden jetzt vom Tourismus, und es kommen auch Touristen aus Rumänien, Herr Kollege von der FPÖ.

Alles in allem wird der Städtetourismus eine ganz große Rolle im Tourismus in Öster­reich spielen müssen. Eines ist natürlich auch klar: Der Wettbewerb ist stärker gewor­den. Das Werben um den Touristen/die Touristin ist weltweit in einem starken Komplex und ich möchte in dem Fall, weil ich eben ein Wiener Bundesrat bin, mich auch ganz herzlich bei WienTourismus bedanken, wo man wirklich mit ausgezeichneten und völlig außergewöhnlichen Aktionen Werbung für Wien macht. Ich weiß nicht, ob Sie es ken­nen. Es gab – Sie können es sich einmal auf „YouTube“ anschauen – eine faszinieren­de 3-D-Projektion auf einem Hochhaus, um Werbung für Wien zu machen. Oder eine sehr subtile Aktion: In der U-Bahn von Bukarest hat man Kaffeeduft verbreitet, um für die Destination Wien zu werben. Das ist sicher eine zukunftsträchtige Art, Werbung zu machen.

Wenn wir Österreich so kreativ, so spannend und so schön, wie das Land nun einmal ist, präsentieren, dann kann man sich auf den Bericht 2012, 2013, 2014 und so weiter freuen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Junker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.37.01

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren! Haben wir uns eigentlich schon einmal die Frage gestellt: Was wäre unser Land ohne Tourismus? – Wenn wir darüber nachdenken, was


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das für Konsequenzen hätte, wird einem klar, dass zum Beispiel Tirol ohne Tourismus 43 000 Arbeitsplätze und ein Siebentel der Wirtschaftsleistung weniger hätte.

Wer die Augen aufmacht, der sieht, dass nach einer guten Saison in den Tourismus­orten die Baukräne aufgestellt werden, weil in der Zeit, in der die Gäste weg sind, ge­baut und investiert wird. Ein Gutteil der Bauwirtschaft mit all ihren Nebengewerben be­zieht seine Aufträge direkt aus dem Tourismus und gibt so Tausenden Menschen Ar­beit.

Ebenso verhält es sich mit dem Handel, der davon profitiert, dass entspannten Gästen die Geldtasche doch etwas lockerer sitzt – ganz zu schweigen vom Transportgewerbe, den heimischen Versicherern, den Produzenten von Freizeitartikeln und zahlreichen Dienstleistern, die sich rund um unsere hoch qualifizierten Tourismusangebote entwi­ckelt haben.

Meine Damen und Herren! Vor allem aber hätten wir Seitentäler, die nicht viel anders aussehen würden als zu Ötzis Zeiten, nämlich öd und menschenleer. Während in an­deren europäischen Regionen der ländliche Raum stirbt und sich alles in den Bal­lungszentren konzentriert, wirkt der Tourismus in Österreich wie eine Wohlstands­zentrifuge. Er sorgt dafür, dass Arbeit bis in die hintersten Täler gebracht wird und ver­teilt die wirtschaftlichen Chancen quer durch unser Land.

Ohne Tourismus sähe die ganze Infrastruktur im Land anders aus. Wir hätten wohl kaum einen Lift, den es sich zu betreiben lohnte und auch kaum eines unserer Bäder. Nur für die Einheimischen rechnet sich deren Betrieb leider nicht, wie bei vielen ande­ren Freizeiteinrichtungen, welche die Bevölkerung selbst gerne nützt.

Wenn wir von Tourismus sprechen, sprechen wir meistens von Urlaubern aus dem Ausland, nicht aber von den Menschen, die in ihren eigenen Bundesländern oder in an­deren Bundesländern Urlaub machen, die auch gerne einmal in ihrem Heimatort mit ihren Partnern essen gehen, die am Wochenende die Almhütten und Gasthäuser be­völkern oder selbst gerne einmal Ski fahren gehen.

Der Tourismus sorgt für Stabilität und schafft sogar in schwierigen Zeiten Rekorde. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Konrad zu Wort. – Bitte.

 


17.40.24

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolle­gin Junker! Schöner hätte ich das auch nicht sagen können. Genau das war mein De­battenbeitrag. Ich könnte ihn schon fast um die Hälfte reduzieren. (Rufe: Tu’s!) – Ich habe vorhin nicht länger geredet als 2 Minuten, Herr Kollege. Wenn sich alle an mein Tempo halten würden, wären wir schon mindestens zehn Punkte weiter. (Demonstra­tiver Beifall des Bundesrates Mayer. – Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!) Gell, das wäre nicht schlecht!

Sehr geehrte Damen und Herren, Folgendes ist genau der Punkt: Worum geht es im Tourismus? Es geht um Lebensqualität und um Qualität für jene Menschen, die vor Ort leben. Es geht nicht nur darum, dass man Infrastruktur für Touristen schafft, sondern es ist eine Nachnutzung beziehungsweise überhaupt eine Nutzung für die Menschen, die vor Ort leben, die vor Ort wohnen, die hier sind, wichtig. Jede Investition in diesen Bereich ist doppelt gut investiert und wichtig.

Es gibt aber schon Schwierigkeiten im Bereich Tourismus – Kollege Perhab hat es be­reits angesprochen, auch wenn er es vielleicht ein bisschen anders sieht –: Die Situa-


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tion rund um die Beschäftigung im Tourismus ist schwierig. Die Schwierigkeiten allein auf die Arbeitszeiten zurückzuführen, denke ich, wäre aber zu kurz gegriffen.

Schlechte Arbeitszeiten gibt es auch beim Hochofen. Auch dort arbeitet man 24 Stun­den am Tag das ganze Jahr durch, aber ich habe noch nie gehört, dass man zu weni­ge Beschäftigte im Stahlbereich findet. Im Handel gibt es auch eine mäßige Entloh­nung, ich habe aber noch nie gehört, dass man im Handel große Schwierigkeiten hätte, Beschäftigte zu bekommen.

Die Sache ist eben die, dass das Problemkind Tourismus in beiderlei Hinsicht etwas schwierig aufgestellt ist: Es liegt zum einen an der Arbeitszeit und zum anderen an der Entlohnung. Es ist schon gesagt worden und es steht auch im Bericht: Das Medianein­kommen beträgt 9 464 € pro Jahr. Das liegt allerdings mit Sicherheit auch an den vie­len Teilzeitbeschäftigten in diesem Bereich, an der Tatsache, dass es Saisonbetriebe gibt, wo man einfach keine volle, kontinuierliche Beschäftigung hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen aber trotzdem in diesem Bereich Schritte nach vorne schaffen. Es ist zu wenig, wenn man jetzt versucht, den Job als Koch, als Kellner – welchen Bereich im Tourismus auch immer – besser darzustellen. Es hilft nichts, wenn die Entlohnung nicht entsprechend ist. (Bundesrat Perhab: Wir haben aber schon 40 Prozent !) – Ja, das mag schon sein, Kollege Perhab. Dann muss man sich aber generell etwas überlegen. Es wird sicher zu wenig sein, wenn man nach Spanien fährt und dort Beschäftigte angelt, weil man sagt, dort gibt es jetzt so viele Arbeitslose und Jugendarbeitslose, jetzt holen wir die Tourismusexperten aus Spa­nien. – Ich glaube, das kann auch nicht die Lösung sein.

Ich schätze auch die deutschen Mitarbeiter sehr, weil man sie einfach leichter versteht, wenn man im Tourismus teilweise sehr viele Ostdeutsche oder Deutsche generell an­trifft. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Nur wird es ein bisschen schwierig für einen Touristen oder auch für einen Einheimischen, wenn er dann auf die Skihütte fährt und dann von jemandem in der Lederhose mit einem preußischem Akzent begrüßt wird. – Das ist auch nicht die Lösung.

Wenn man schon Regionalität verkaufen will, muss man einfach versuchen, jene Men­schen, die vor Ort arbeiten, auch aus der Region zu rekrutieren. Dann muss man eben schauen, dass das ganze Entlohnungsschema passt, dass der Tourismus den Stellen­wert findet.

Kollege Mitterer, du hast ja davon gesprochen, dass es Verschlechterungen bei den Anmeldungen im Tourismus beziehungsweise generell gibt. – Ich glaube nicht, dass es Verschlechterungen gibt. Sehr geehrte Damen und Herren, heutzutage ist das ein ein­facher Mausklick im Internet, wenn es darum geht, Menschen anzumelden. Oftmals werden sie trotzdem nicht angemeldet, und leider ist der Tourismus da, wie andere Branchen auch, nicht unbedingt rühmlich unterwegs, wenn es um die Moral bei den Anmeldungen geht.

Sozialleistungen und so weiter sind ja vom Einkommen abzuziehen. Wenn die Leute nicht angemeldet sind, dann haben sie keine Chance, weiterzukommen. Ich arbeite in der Rechtsabteilung in der Arbeiterkammer; und wenn dort Leute hinkommen und fest­stellen, dass sie irgendwo sechs Wochen beschäftigt, aber nicht angemeldet waren, und sie nur deshalb draufkommen, weil sie beim Arzt waren und auf einmal gemerkt haben, dass sie nicht einmal sozialversichert waren, dann hört es sich einfach auf!

Ich weiß auch, dass selbst die Wirtschaftskammer sehr bemüht ist, in diesem Bereich tätig zu werden und die schwarzen Schafe auszumustern, denn es hilft ja nichts. Es hilft ja nichts, wenn man die Schwarzunternehmer irgendwie beschützt oder versucht, da irgendwen mitzuziehen. Man muss das einfach ganz vehement angehen und die


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Unternehmen, die wirklich fernab der österreichischen Rechtsnormen arbeiten, aus­mustert! Es hilft nichts.

Das ist ja wettbewerbsverzerrend! Klar, der eine meldet an, der andere meldet nicht an: Wie soll der eine Wirt überleben, wenn der andere daneben seine Leute schwarz beschäftigt? Wie kann ein Unternehmen überleben, wenn der Mitbewerber Beschäftig­te für 20 Stunden anmeldet und den Rest schwarz auszahlt? Man muss das einfach ansprechen: Das ist leider im Tourismus in vielen Bereichen üblich. Man muss die Sa­chen ganz vehement angehen.

Wir haben, glaube ich, heute noch einen Punkt zur Arbeitsinspektion auf der Tagesord­nung. Man muss die Kontrollen verschärfen. Ich weiß, es ist einfach nicht klass, wenn man permanent kontrolliert wird, aber wir müssen einfach diese Dinge abstellen. Wenn wir im Tourismus erreichen, dass die Menschen ordentlich beschäftigt werden – und, wie schon gesagt wurde, der Mindestlohn liegt laut Kollektivvertrag jetzt bei der 1 300-€-Grenze –, dann kann das Einkommen normalerweise gar nicht so gering sein.

Da gibt es noch Bedarf, und ich glaube, wir sind alle angehalten, jenen Menschen, die es wirklich schwierig haben, die nämlich jetzt – wir haben ja schon bald Weihnachten – am 24. Dezember arbeiten werden – sie und die Unternehmer arbeiten am 24. Dezem­ber –, also allen Menschen, die bereit sind, so einen Job anzugehen, unsere Hochach­tung ausdrücken – den Unternehmern wie auch den Beschäftigten.

In diesem Sinn wünsche ich auch allen diesen ein frohes Fest. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.46


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte, Herr Minister.

 


17.47.03

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute, wie be­reits erwähnt wurde, den Tourismusbericht 2011. Kollege Mitterer hat angesprochen, das ist einigermaßen früh, aber doch nicht früh genug. – Stimmt, früher haben wir Be­richte behandelt, deren Daten drei Jahre alt waren. Ich möchte darauf verweisen, dass jeder auf unserer Homepage die monatsaktuellen Zahlen ablesen kann. Da stehen Da­ten über die Nächtigungen, die Ankünfte, aber auch über die Arbeitsmarktentwicklung drinnen. Wer das liest, ist über den Tourismusbereich voll informiert.

Was die Entwicklung anbelangt, haben die meisten Vorredner auch dargestellt, dass der Tourismus in Österreich eigentlich eine Erfolgsgeschichte ist, die nicht einfach da­mit erklärbar ist, dass das Wetter einigermaßen schön war. In diesem Zusammenhang sprechen die Zahlen für sich. Die sprechen aber auch dafür, dass die Rahmenbedin­gungen nicht falsch gewesen sein können beziehungsweise sind.

Die Zusammenhänge, die vor allem Sie hergestellt haben, Herr Mitterer, haben meiner Meinung nach nicht die Auswirkungen, die Sie haben wollen oder ablesen wollen, son­dern die Ursachen dafür, dass es uns so gut geht, sind vielleicht ganz andere.

Im Endeffekt glaube ich, dass die Entwicklung von den Zahlen her für sich spricht. Ich darf nur ein paar Zahlen erwähnen. Wir hatten im Jahr 2011 34,6 Millionen Gäste. Das waren so viele, wie nie zuvor, eine Steigerung von 3,7 Prozent. Das resultiert sowohl aus einer zweiprozentigen Steigerung bei den Inländern als auch bei den Ausländeran­künften, nämlich mit 4,6 Prozent auf 23 Millionen.

Wir hatten im Jahr 2011 126 Millionen Nächtigungen, was eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozentpunkte bedeutet. Damit liegen wir annähernd bei dem Ni­veau des Jahres 2008 – das war ein Hochkonjunkturniveau.


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Interessant ist, dass wir vor allem bei den inländischen Gästen mit 35,3 Millionen Nächtigungen einen neuen Rekord verzeichnen konnten, eine Steigerung um knapp 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das heißt nichts anderes, als dass es schon stimmt, dass in Zeiten der Nachkrise der mögliche Kunde seinen Radius einfach weni­ger weit zieht, sondern mehr im Inlandsbereich verbleibt.

Wir haben, wie der Kollege von den Grünen angesprochen hat, eine positive Entwick­lung, was den Städtetourismus betrifft. Da haben wir mehr als aufgeholt, was wir im Jahr 2009 verloren haben. Die Landeshauptstädte, allen voran Wien, liegen da sehr, sehr gut.

Die Branche sieht auch die gesamte Entwicklung positiv. Das merkt man an den Inves­titionen. Wir haben im Jahr 2011 eine Steigerung beim Kreditvolumen um 5 Prozent auf 212,4 Millionen € gehabt und auch die Förderungsfälle in etwa stabil gehalten, aber das Investitionsvolumen um 4,5 Prozent gesteigert.

Damit steht eine Frage im Zusammenhang, die mehrere, was die Negativ-Aspekte be­trifft, erwähnt haben: Wo werden wir, wenn wir wirklich das Einkommen bei den Be­schäftigten nach oben bringen wollen, Erfolg haben? Sicherlich nicht im Billigtourismus, sondern nur im Qualitätstourismus.

Wenn Sie merken, dass bei den Investitionen auch die Projekte von der Summe her nach oben gehen, dann merken Sie auch, dass wir in Richtung innovativer und qualita­tiv hochwertiger Produkte und Projekte investieren. Welche Chance wird damit stei­gen? Dass wir uns in Richtung Ganzjahresbeschäftigung entwickeln. Der Ganzjahres­tourismus nimmt also zu.

Es wurden vorhin die Anmeldesituationen und die entsprechenden Gegebenheiten an­gesprochen, und es wurde gesagt, dass das verschärft worden ist. – Ich kann dem Vorredner nur zustimmen. In dem Augenblick, wo Sie die Qualität dort steigern und scheinbar glauben, das wäre negativ, werden Sie einfach eine andere Entwicklung ha­ben. Die andere Entwicklung wird dann nicht mehr so sein, dass man immer nur auf Hilfskräfte zurückgreift, sondern auf wirklich qualitativ gut ausgebildete Kräfte, die wir teilweise eben erfreulicherweise aus dem Ausland bekommen, aber wir müssen auch das Potenzial im Inland nützen.

Selbst in Zeiten, als wir bei Lehrlingen einen Überschuss im Angebot hatten, war es teilweise in Bundesländern wie Salzburg, aber auch anderen Bundesländern nicht möglich, im Tourismusbereich die Lehrstellen zu besetzen. Das hängt damit zusam­men, dass wir dort eben attraktivere Angebote machen müssen. Wie kann ich die ma­chen? Zum Beispiel einfach durch eine Card, die der Tourismus anbietet, mit der man nicht nur die Lehrlingsentschädigung bekommt, sondern darüber hinaus auch kulturelle und unterhaltungsmäßige und sonstige Angebote, die es eben attraktiver machen, in diesem Bereich zu arbeiten.

Da wir im Jahr 2012 sind, geht es jetzt um die Frage: Wie geht es uns heuer? Es ist schon angesprochen worden: Wir haben wieder eine sehr, sehr positive Entwicklung. Herr Kollege, nicht nur weil jetzt Wien irgendwo in Rumänien Kaffeeduft verbreitet; aber bitte, das ist auch positiv. (Zwischenruf.) – Ja, das ist ein schönes Beispiel, aber der entscheidende Punkt ist, dass wir die Aktivitäten und vor allem den Marketing-Be­reich bündeln.

Wir leben in einer Zeit, wo Angebote nur mehr schwer wahrnehmbar sind, wo nur schwer wahrnehmbar ist, von wem das Angebot kommt. Daher müssen Sie ein Land, eine Region in den Vordergrund stellen, damit es im Wettbewerb mit den anderen überhaupt auffällt. Denn alle anderen Länder haben auch die Idee, dass man den Tou­rismus-Bereich und damit den Inlandskonsum entsprechend forciert. Daher ist die Ab­stimmung der Möglichkeiten dann auch eine Effizienzsteigerung der Mittel. Das ist uns gelungen.


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Herr Kollege Mitterer! Wenn dann jemand verantwortlich ist, dann meinen Sie, dass das sicher nicht die Politik ist, sondern nur die Betriebe. Ich aber glaube, den entspre­chenden Anteil hat wer? Die Österreich Werbung und natürlich auch die Landestouris­mus-Organisationen, weil die, gekoppelt mit der Österreich Werbung, mittlerweile die Potenziale gemeinsam nutzen, und nicht jeder gegen den anderen. Da ist aber noch sehr viel drinnen. Im Endeffekt sind, wie Kollege Perhab angesprochen hat, Ereignisse wie die kommende WM in Schladming und anderes genau der Punkt, wo Österreich sein Angebot entsprechend darstellen kann.

Ich darf mit einem abschließen: Sie werden bemerkt haben, dass wir – gemeinsam mit vielen anderen – eine neue Tourismusstrategie erarbeitet haben, und diese läuft schon seit drei Jahren. Das Interessante an einer Strategie ist ja nicht, ob sie am Papier schön aufbereitet ist, sondern ob sie gelebt wird. Wir haben diese Strategie gelebt, in­dem wir die USPs auch mit entsprechenden Marketing-Aktivitäten unterstützt und ver­breitet haben.

Da haben wir als Erstes den Bereich Alpen gemacht, heuer machen wir Donau und Seen, und nächstes Jahr werden wir den Kultur- und vor allem den Städteschwerpunkt noch weiter ausbauen. Da haben wir einiges im Angebot und das gemeinsam abge­stimmt. Daher können Sie damit rechnen, dass auch 2013 die Zahlen wieder nach oben gehen werden.

Der entscheidende Punkt ist auch folgender: Natürlich werden Brasilien, China – wer auch immer – Zukunftsmärkte sein, und im Winterbereich die ost- und zentraleuropäi­schen Staaten, aber jene Nation, die den Hauptteil der Nächtigungen bringt, ist nach wie vor welche? – Deutschland: rund 48 Millionen von rund 126 Millionen Nächtigungen.

Da ist es interessant, dass es uns im Jahr 2012 gelungen ist, die Situation wieder um­zudrehen. Wir hatten eine stagnative Entwicklung – nämlich eine Stagnation betreffend Deutschland, was die Zahlen der Gäste, der Ankünfte und der Nächtigungen anbe­langt –, weil die Urlaube immer kürzer werden. Mittlerweile hat sich die Lage gedreht. Wir haben wieder mehr Gäste, mehr Nächtigungen von Personen, die aus Deutschland und auch aus den Niederlanden kommen.

Daher: Die Strategie greift doppelt. Bewährte Gäste kommen immer wieder und neue Gäste kommen zusätzlich, aber ich sage noch einmal: immer im Wettbewerb mit den anderen. Damit wir die Marktanteile halten können, wird es nicht genug sein, nur selbstzufrieden tatenlos zu nicken, sondern man braucht noch mehrere andere Akti­vitäten. Die können aber nur in Richtung gemeinsames Marketing und Qualität gehen, und in diesem Sinn werden wir den Weg fortsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

17.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.55.4222. Punkt

Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerb­lichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2012) (III-477-BR/2012 d.B. sowie 8880/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 163

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Ich bitte um den Bericht.

 


17.55.51

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsaus­schusses über den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmun­gen der gewerblichen Wirtschaft, den Mittelstandsbericht 2012.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft (Mittelstandsbericht 2012) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.56.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über 450 000 Betriebe zählt der österreichische Mittelstand, das sind die KMU-Betriebe. 240 000 davon sind Ein-Personen-Unternehmen. Die haben sich einen guten und ausführlichen Bericht und ei­ne Bestandsaufnahme verdient. Ich glaube, das ist im Großen und Ganzen auch ge­lungen. Es war sicher viel Arbeit für das Wirtschaftsministerium, das darzustellen. Die wichtigsten und ausführlichsten Berichte kommen immer vom Wirtschaftsministerium.

Dennoch sei mir gestattet, einige Analysepunkte festzustellen und auszuführen, und das betrifft vor allem die Methodik. Beim Quellenverzeichnis ist nämlich auffällig, dass man nur auf das WIFO reflektiert, aber es gibt auch andere Forschungsinstitute, Prog­noseinstitute, die manchmal vielleicht mehr Treffsicherheit aufweisen als das WIFO-Institut: Ich erinnere an das IHS, an das EcoAustria, und man kann dazu durchaus auch einige universitäre Einrichtungen und Banken dazu nehmen. Es wurde im Wirtschafts­ausschuss auch versprochen, das in zwei Jahren vielleicht zu erweitern und zu ergän­zen, sodass die Prognosen weitere Perspektiven enthalten.

Ein weiterer Punkt ist vielleicht – weil das doch mit unheimlich vielen Daten gespickt ist –, dass man die Quellen in Fußnoten gleich in den Text einfügen könnte, dann könnte man auch nachvollziehen, woher dieser Text kommt.

Weiters darf ich anführen: Es gibt auch interne Widersprüchlichkeiten, was die Konkur­se beziehungsweise Insolvenzen betrifft. Auf Seite 16 ist die Rede von 5 100 In­solvenzen im Jahr 2011 in Österreich, auf Seite 118 wird auch für 2011 die Zahl von 5 869 Insolvenzen genannt. Irgendetwas stimmt da nicht. Vielleicht sollte man die Schluss-Redaktion noch einmal politisch durchgehen oder auslagern, damit solche Fehler nicht vorkommen. Beim Alpenländischen Kreditorenverband steht, dass es im Jahre 2011 tatsächlich 6 118 Insolvenzen waren. Das ist also nicht homogen.

Was die Datenlage betrifft, ist es nicht durchgehend auf 2011 bezogen – die erste Hälfte von 2012 könnte man auch nehmen –, viele Daten umfassen 2010. Auch das ist nicht durchgehend.

Man muss auch aussprechen, was da fehlt. Es fehlt die Kostenauflistung, die Belas­tung von Unternehmen, und es fehlen auch Lösungen. Positiv, muss man vermerken, ist der Small Business Act. Es ist positiv, Herr Minister, dass Sie diese zehn Grund­sätze des Small Business Act, die von Brüssel kommen, ernst nehmen, darzustellen versuchen und die ganze Problematik und Bestandsaufnahme in diesen Small Busi­ness Act hineinpacken. Das erleichtert die Lesbarkeit und die Analyse für Außenste­hende beziehungsweise Wirtschaftstreibende.


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Ich habe mir auch erlaubt, den Grundsatz 6 anzusehen. Das betrifft den wesentlichsten Punkt, nämlich die Finanzierung beziehungsweise den Zugang zur Finanzierung. Un­ternehmen können nur dann existieren und Umsätze machen, wenn sie Zugang zu Fi­nanzierung haben, wenn sie externe Finanzierungsmöglichkeiten haben.

Es gibt aber bekanntlich immer weniger Finanzierungsmöglichkeiten, denn einerseits steht Basel III vor der Tür. Basel III erschwert den Zugang zu Krediten, und im Zuge der allgemeinen Staatswirtschaftskrise oder, besser gesagt, Staatsschuldenkrise wis­sen wir alle, dass der Zugang für Kredite für KMU-Betriebe und für Ein-Personen-Un­ternehmen schwieriger wird.

Daher ist es wesentlich, diesen Punkt 6 der Grundsätze genauer zu lesen, und da, sehr geehrter Herr Minister, muss man sagen, dass Sie einen Punkt nicht angeführt haben, nämlich das geschäftliche Umfeld. Dieser Grundsatz betrifft nicht nur die Finan­zierung und das gesetzliche Umfeld, sondern auch das geschäftliche Umfeld. Dieses ist zwar im Grundsatz Nummer 6 enthalten, wird in Ihrem Bericht aber interessanter­weise nicht angeführt.

Das geschäftliche Umfeld beinhaltet die Stärkung der Eigenkapitalquote, und wir alle, die wir ein Unternehmen führen, wissen, dass man nur dann Zugang zu externen Fi­nanzierungsmittel hat, wenn man eine gute Eigenkapitalquote hat. Je höher die Eigen­kapitalquote, desto geringer sind die Zinsen bei der Bank. Bei einer Eigenkapitalquote unter 15 Prozent erhält man wahrscheinlich überhaupt keinen Kredit. Hier sollte man auf die Eigenkapitalquote fokussieren. Die Stärkung der Eigenkapitalquote ist praktisch die Lösung der gesamten Problematik der Schaffung einer gewissen Unabhängigkeit von den Bankenbeziehungen. Ein Unternehmer muss unabhängig sein, ein Unterneh­mer muss Geschäfte machen können, ein Unternehmer muss Gewinne machen kön­nen, damit er Arbeitsplätze schafft und damit es ihm selbst aufgrund einer hohen Ei­genkapitalquote besser geht.

Ich und die FPÖ sehen ein Lösungsmodell in der Stärkung der Eigenkapitalquote, in einer Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten (Bundesrätin Kerschbaum: Durch Zu­schüsse, oder wie?), und zwar der internen Zugangsmöglichkeiten.

Wir haben gerade von den Konkursen und Insolvenzen gesprochen. Wir wissen zum Beispiel, dass jeder vierte Konkurs aus einem Zahlungsverzug resultiert. Das zeichnet sich immer stärker ab. Früher wurden Rechnungen nach 14 Tagen beglichen, nach ei­nem Monat, nach zwei Monaten. Heute herrschen in Österreich praktisch italienische Verhältnisse, und die meisten bekommen ihr Geld erst nach 90 Tagen. Das ist eine Hauptursache dafür, dass sie zwischenfinanzieren müssen, weil sie kein Eigenkapital haben.

Die Schlussfolgerung aus diesem Mittelstandsbericht muss also die Stärkung der Ei­genkapitalquote österreichischer Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe und vor allem auch der Ein-Personen-Unternehmen sein. Das muss der Sinn sein!

Daher fordern wir die 15-prozentige Abschreibung aller Forderungen pauschal zum Bi­lanzstichtag. So ein Abschreibungsmodell hat es schon einmal gegeben, nämlich bis 1994. Das war damals für die Exportwirtschaft wichtig, heute wäre es besser, das für das Inlandsgeschäft zu machen, aber natürlich auch für die Exportwirtschaft – eigent­lich für alle. Damit kann die Eigenkapitalbasis gestärkt werden, falls jemand später zahlt, und zum Bilanzstichtag werden dafür keine Steuern fällig, denn das Geld ist ja noch gar nicht da. (Präsident Keuschnigg übernimmt den Vorsitz.)

Es muss also möglich sein, dass Firmen Geld thesaurieren, für schlechtere Zeiten sammeln können. Es geht immer irgendwie um eine Krise. Die Wirtschaft steckt in keiner Krise, die Wirtschaft lebt in Konjunkturzyklen. Einmal geht es besser, einmal schlechter. Ein Konjunkturzyklus dauert etwa vier Jahre. Derzeit sinkt das Ganze wie­der ab.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 165

Der zweite Punkt wäre eine geringere Steuerbelastung für den nichtentnommenen Ge­winn. Das ist auch förderlich, dadurch kann man mehr investieren, es bleibt mehr Ka­pital zurück, die Betriebe werden gestärkt, und die Unabhängigkeit von den Banken und von der externen Finanzierung wird erhöht. All das sind Gründe, die interne Finan­zierung zu erhöhen.

Die Lohnzusatzkosten führen zu einem weiteren Problem. Ich möchte es als die neue Armut in Österreichs Betrieben bezeichnen. Die neue Armut ist der hohe Anstieg an Ein-Personen-Unternehmen. Das ist ein wesentlicher Faktor. Praktisch jeder zweite Betrieb in Österreich ist bereits ein Ein-Personen-Unternehmen. Da stimmt etwas in der ganzen Usance nicht. Ein-Personen-Unternehmer hackeln 60 bis 80 Stunden in der Woche praktisch bis zum Umfallen, ohne entsprechende Möglichkeiten zu bekom­men, Mitarbeiter anzustellen. Möglichkeiten haben sie schon, aber das Geld dafür ha­ben sie nicht, weil einfach die Abgaben, die Kosten viel zu hoch sind.

Es gibt eine Statistik – interessanterweise ist das im Mittelstandsbericht 2010 gestan­den, jetzt haben Sie es herausgestrichen und nicht mehr angeführt –, laut welcher 80 Prozent der EPUs deswegen keine Mitarbeiter haben, weil die Lohnzusatzkosten viel zu hoch sind. Diese gehören massiv reduziert, sodass die EPUs weiterhin Mitarbei­ter anstellen können und der Unternehmer und die Unternehmerin entlastet werden. Entlastung betrifft auch die Gesundheit. Auch Unternehmer können krank werden, auch Unternehmer brauchen einmal Erholung. Daher wäre es vielleicht förderlich, wenn man den 10- oder 20-prozentigen Selbstbehalt bei der SVA einmal abschafft, da­mit Mitarbeiter und Unternehmer gleichgestellt sind.

Ein weiterer Punkt betrifft die Steuerfreibeträge auf Investitionen. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben das in der Einleitung schon richtig beschrieben, nur Förderungen alleine machen das nicht aus. Wenn man den Bericht zusammenfasst, ist er ein Who’s who der Förderungen: Wer erhält Förderungen? Wie bekomme ich Förderungen? – Sicher ist das positiv, aber wenn man die gesamten Unternehmen zusammenfasst, ha­ben nie mehr als 5 Prozent aller österreichischen Unternehmen Zugang zu den Förde­rungen. Hier fordern wir Gleichbehandlung aller, sodass jeder einzelne Zugang zu För­derungen hat, nicht im Sinne von überwiesenen Geldmitteln, sondern im Sinne von Steuerfreibeträgen für Investitionen. Das gab es schon einmal, wurde aber auch abge­schafft.

Ein letzter Punkt bezüglich der Stärkung des Eigenkapitals – um die geht es hier ja ei­gentlich –: Negativsteuern. Negativsteuern sind wichtig, weil sie dazu dienen, dass ein Unternehmer trotz mangelndem Eigenkapital dieses in seinen eigenen Betrieb ein­bringen kann. Warum muss man da 1 Prozent Gesellschaftssteuer zahlen? Das ist nicht ganz logisch, das ist nicht nachvollziehbar. Es ist doch sinnvoll, wenn der Betrieb durch eigene Mittel weitergeführt und vor allem gestärkt werden kann, sollte er einmal in eine Schieflage kommen. Das ist ein wichtiger Punkt zur Stärkung des Eigenkapitals der Unternehmen.

Solange in Österreich die Eigenkapitalquote statistisch im EU-Vergleich im unteren Viertel hängt, wird die Wirtschaft, werden die Unternehmen nicht prosperieren können. Da können Sie noch so viele Förderungen hineinpumpen, den Unternehmen wird da­durch nicht geholfen werden.

In dieser Hinsicht ist der Bericht sicherlich aufschlussreich, erkenntnisreich, bietet aber leider – da war der Bericht 2010 etwas besser – keine Lösungen an. Vor allem werden die gesamten Kosten komplett ausgeklammert, dabei geht es gerade darum. Ein Un­ternehmer lebt von Gewinnen, ein Unternehmer lebt von der Substanz (Bundesrat Kneifel: Wenn du von der Substanz lebst, geht es dir aber nicht gut!), von den jährli­chen Erträgen, und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leben vom Nettoeinkommen.


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Dies alles gehört erhöht. (Bundesrat Kneifel: Von der Substanz kannst du nicht leben! Eine Zeit lang ja, aber auf Dauer nicht! Dann ist es aus!)

Ja, aber es muss die Möglichkeit geben, dass du Eigenkapital in deinen Betrieb ein­bringen kannst. Es muss auch die Möglichkeit geben, dass man für schlechtere Zeiten praktisch das eigene Unternehmen mit dem eigenen Geld, das man vorher entnommen hat, wieder auffüllen kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.07


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Jun­ker. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.07.23

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren! Wenn wir von österreichischen Betrieben reden, dann sind damit zu 99,7 Prozent die Klein- und Mittelbetriebe gemeint. Es gibt in Öster­reich zirka 310 000 Klein- und Mittelbetriebe – das sind jene Betriebe, die null bis 249 Mitarbeiter beschäftigen – und zirka 1 100 Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern. Die Leitbetriebe sind zwar wichtig für Österreich, aber das Rückgrat unserer Wirtschaft sind die Klein- und Mittelbetriebe mit ihren zirka 1,8 Millionen Beschäftigten.

Der vorliegende Bericht liefert eine umfassende strukturelle und betriebswirtschaftliche Darstellung der Entwicklung der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe und analy­siert die konjunkturelle Entwicklung in Österreich und Europa. Der Bericht zeigt auch die Vielfalt der Klein- und Mittelbetriebe anhand eigener Kapitel zu den EPUs, zu den Familienunternehmen und zu den von Frauen geführten Unternehmen auf.

Der Zuwachs bei den österreichischen Unternehmungen ist auf die hohe Gründungs­rate bei den EPUs zurückzuführen. Der Anteil der neu gegründeten Unternehmungen an den gesamtaktiven Unternehmen lag im Jahre 2010 bei 6,5 Prozent, die Schlie­ßungsquote bei 5,9 Prozent. EU-weit haben wir zwar eine niedrigere Neugründungsra­te, aber eine höhere Überlebensrate als die meisten anderen EU-Staaten.

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass die Klein- und Mittelbetriebe die größten Lehr­lingsausbildner in unserem Land sind. Die Lehre ist in Österreich nach wie vor der Hauptgrund für unsere niedrige Arbeitslosenquote bei jungen Menschen. Nach wie vor ergreifen zirka 50 Prozent der Schulabgänger eine Lehre in den fast 200 Lehrberufen.

Meine Damen und Herren! Eine Imagestärkung der Lehre muss uns allen ein Anliegen sein, und in weiterer Folge muss der Meisterbrief auch der Zugang zu einer universitä­ren Ausbildung werden. (Bravoruf des Bunderates Kneifel.)

Die betriebswirtschaftliche Situation der Klein- und Mittelbetriebe hat sich laut der wich­tigsten Ertrags- und Rentabilitätskennzahlen leicht stabilisiert. So lag beispielsweise das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in Prozenten der Betriebsleistung im Wirtschaftsjahr 2011 zwischen 3,1 Prozent und 3,4 Prozent, je nach Größe der Unter­nehmungen.

Die gesamtwirtschaftliche Konjunkturlage in Österreich konnte sich nach Einbrüchen im Jahre 2009 wieder leicht erholen. Zerstören wir dieses zarte Stabilitätspflänzchen nicht durch eine mutwillige Erhöhung von Steuern!

Eine aktuelle Studie einer der größten österreichischen Wirtschaftsprüfungskanzleien PricewaterhouseCoopers belegt es schwarz auf weiß: Die heimischen Unternehmen müssen eine zu hohe Steuerlast tragen. Die durchschnittliche Steuerlast der Klein-
und Mittelbetriebe beträgt 53,1 Prozent, das ist um 10 Prozent mehr als im EU-Durch­schnitt.

Das Limit bei den Steuern und Abgaben ist in unserem Land erreicht. In wirtschaftli­chen turbulenten Zeiten brauchen unsere Unternehmen Rückendeckung und nicht Ab-


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zocke. Wer mehr zahlen muss, ist im Wettbewerb mit anderen Regionen im Nachteil. Es geht um stabile Betriebe und sichere Arbeitsplätze. Stärken wir unsere Klein- und Mittelbetriebe mit gezielten Förderungen, um die innovativen Tempomacher der Wirt­schaft langfristig zu stabilisieren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.11


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


18.11.55

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrtes Präsidium! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Hundstorfer hat mir die Pointe eigentlich jetzt weggenommen. Ich wollte schon sagen, man hätte vor Augen geführt bekommen, warum in Österreich die Wirtschaft eigentlich so erfolgreich ist. Es ist die gelebte Sozialpartnerschaft, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, auch auf Re­gierungsebene klarerweise. Deswegen habe ich gemeint, er hat mir die Pointe wegge­nommen. (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Der ist noch auf einen Kaffee gegangen! Jetzt kann ich !) Deswegen hat er gesagt, ich soll 10 Minuten reden, damit er dann rechtzeitig da ist. Nein, das war nur ein Scherz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es um Erfolg der Wirtschaft geht, wenn es um Standortsicherheit geht, dann leisten wir als Politiker auch einen großen, einen wich­tigen Beitrag dazu, dass diese Standortsicherheit gegeben ist. Was macht denn Stand­ortsicherheit für die Unternehmen aus? – Standortsicherheit, das ist zum einen die pas­sende Infrastruktur, dass es Menschen gibt, die den Job verrichten, der zu tun ist, und das sind zum anderen unternehmerischer Geist und auch die entsprechenden politi­schen Rahmenbedingungen.

Standortsicherheit heißt auch: Leben wir in einem Land – deshalb habe ich die Sozial­partnerschaft angesprochen –, wo ich, wenn ich ein Unternehmen gründe, davon aus­gehen kann, dass das in 10 Jahren gegebenenfalls auch noch am gleichen Standort ist? Da geht es um die Frage, ob es Terror in einem Land gibt, ob es Elemente gibt, die Krieg ins Land tragen. Denn was hilft einem das beste Unternehmen, was helfen einem günstige Facharbeiter, was hilft einem günstiger Strom, billiges Gas, wenn ich nicht wissen kann, ob mein Betrieb durch Terroranschläge oder Ähnliches zerstört wird?

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Politik leistet einen ganz entscheidenden, einen ganz wichtigen Beitrag für diese Standortsicherheit. Das möchte ich auch einmal vorweg sagen.

Bei der Standortsicherheit geht es aber natürlich auch um die Sicherheit der Energie­versorgung. Wir haben das heute schon beim Thema ElWOG gehabt. Wir haben einen großen Betrieb, einen Autozulieferer, und da ist es schon auch darum gegangen, nicht, ob ein paar Stunden der Strom ausfallen könnte, sondern, wie viele Sekunden er durch Netzschwankungen ausfallen könnte. Denn: Auch wenn nur ein paar Sekunden der Strom ausfällt, so ist das für viele Betriebe technisch ein Wahnsinn, was da an Kosten anfällt. Es sind die vielen Elemente, die da zusammenspielen, und ich glaube, wir sind da in Österreich gut aufgestellt.

Sehr geehrter Herr Minister, es freut mich, dass es wirklich eine gute Zusammenarbeit in der Sozialpartnerschaft innerhalb der Wirtschaft gibt. Ich weiß, es stößt die Sozial­partnerschaft oft an ihre Grenzen, wenn es um Verhandlungen über Einkommen geht, wenn es um Lohnnebenkosten geht.

Kollege Pisec, Senkung der Lohnnebenkosten, das wird so flapsig dahingesagt. Leider neigen manche Arbeitnehmer auch dazu, gleich zu fordern, dass die Lohnnebenkosten gesenkt gehören. Nur: Was sind denn die größten Brocken der Lohnnebenkosten? –


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 168

Das ist – weil Weihnachten ist – das Weihnachtsgeld. Zu den größten Brocken gehört auch das Urlaubsgeld dazu. Es ist der bezahlte Urlaub, es ist die Entgeltfortzahlung, wenn einer krank wird. Wollen wir diese Lohnnebenkosten senken? – Ich glaube nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die KMUs ein wesentlicher Bestandteil unserer Wirtschaft sind, wurde schon gesagt, und ich kann das nur unterstreichen. Und ich bedanke mich bei all jenen, die wirklich mit ihrem ganzen Herzen ihren Betrieb führen, aber man muss auch sehen, es gibt auch Probleme diese Ein-Personen-Unternehmen betreffend. Viele Ein-Personen-Unternehmen sind ja nicht gegründet worden, weil ei­ner gerade lustig war, sondern viele werden ja auch abgedrängt in diesen Bereich.

Es ist interessant, wenn Menschen zur Arbeiterkammer kommen, obwohl sie eigentlich Unternehmer sind, weil sie als Ein-Personen-Unternehmen letztlich gar nicht wissen, wo sie hingehören. Der war vorher vielleicht wo beschäftigt, und dann sagt der Chef auf einmal zu ihm: Gründe ein Unternehmen, dann kannst du bei mir als Subunter­nehmer weiterarbeiten! Das war vielleicht ein einfacher Fassader oder ein Maurer, und auf einmal sieht er sich als Subunternehmer bei einer großen Baustelle wieder. Ich glaube, dazu haben wir dieses Gesetz nicht geschaffen. Und dies sind nicht die Ein-Personen-Unternehmer, die wir brauchen, weil es da oft nur um die Aushebelung von Beschäftigungsverhältnissen geht. Und ich glaube, das sind auch nicht die Unterneh­men, die die Wirtschaftskammer haben will.

Was wir gemeinsam wollen, sind gesunde Unternehmen, die wirklich das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden. Und ich glaube, dass wir ungeteilt alles daransetzen müssen, die guten vor den nicht guten, vor den Schwarzunternehmen zu beschützen. Wir werden gerne dabei mitarbeiten. Und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft auf gute Unternehmen in diesem Land zurückgreifen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.17


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


18.17.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir sind prin­zipiell alle in diesem Haus sehr froh, dass Österreich eine doch eher kleinstrukturierte Wirtschaft hat und sehr viele Klein- und Mittelunternehmen, aber auch EPUs unsere Wirtschaft tragen. Das Team Stronach haben wir noch nicht in diesem Gremium hier, zum Glück, aber im Prinzip wissen wir es, glaube ich, alle zu schätzen, weil es einfach eine flexiblere Möglichkeit ist, wenn viele kleine Unternehmen arbeiten, als wenn es nur große Konzerne gibt, die ja auch dann die Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft manchmal nicht so optimal darstellen.

Ich möchte nun zum Mittelstandsbericht kommen. Was mich ein bissel irritiert hat, ist die Überschrift „Mittelstandsbericht 2012“. In diesem Fall sind wir ja unserer Zeit sehr voraus. Aber wenn man dann hineinschaut, sind es die Zahlen von 2010 und 2011. Ich weiß nicht, vielleicht ist nur die Überschrift ihrer Zeit voraus. Ich weiß nicht, wie das dann mit den Berichten weitergeht – werden da die Jahre immer so verdreht? Aber das war nur eine kleine redaktionelle Anmerkung.

Erfreulich am neuen Mittelstandsbericht ist, dass es ein eigenes Kapitel zu den EPUs gibt. Ich glaube, das war voriges Mal noch nicht der Fall. Es gibt einen relativ umfas­senden Berichtsteil. Es kommt ja bald Weihnachten, Sie haben zwar jetzt nicht die gro­ße Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann, aber ich probiere es trotzdem mit Wünschen. Was ich mir wünschen würde für den nächsten Mittelstandsbericht 2013 oder what­ever, das wäre doch ein bisschen weniger Beschreibung und ein bisschen mehr Pro-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 169

blemanalyse. Es ist wirklich erfreulich, dass es elf Seiten EPU-Berichtsteil gibt, aber es gibt so gut wie keine Problemanalyse in diesen elf Seiten EPU-Berichtsteil. Und ich denke mir schon, dass es sehr viele und, ich glaube, auch bekannte Probleme gibt, die insbesondere Einzelpersonenunternehmen so haben. Eines der am häufigsten ange­sprochenen Probleme ist die Sozialversicherung, die Fälligkeiten et cetera.

Übrigens, Herr Kollege Pisec, es steht drinnen, dass nur 63 Prozent der EPUs das hauptberuflich machen. Ein Fünftel macht das als Nebenbeschäftigung.

Insofern ist es natürlich gerade dann mit dieser Vermischung von möglichen Sozialver­sicherungsträgern auch nicht ganz einfach. Es wäre eine Möglichkeit, hier anzusetzen, um auch die EPUs zu stärken, dass man bei der Sozialversicherung gerade in diesem Bereich ein bisschen mehr für Gleichheit sorgt. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Nein, es geht darum, dass es verschiedene Sozialversicherungsträger gibt. Da ist im­mer die Frage: Ist es notwendig, dass es für jeden Bereich eigene Sozialversiche­rungsträger gibt, oder wäre es nicht einfacher, wenn es doch insgesamt eine Zentrale gäbe? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Nicht für die EPUs.

Ein weiteres Problem, das die EPUs in erster Linie haben, ist, wenn sie später nicht mehr EPUs bleiben wollen, sondern sich den ersten Beschäftigten nehmen. Es ist auch ein Problem, dass eben all diese Lohnverrechnungen et cetera relativ neu sind und es nicht einfach ist, einen ersten Beschäftigten anzustellen. Ich denke, das sind bekannte Probleme. Ich würde mir wünschen, dass in diesem Bericht auch auf diese Probleme eingegangen wird und vielleicht auch Problemlösungen angedacht oder beschrieben werden.

Ein Punkt, der ebenfalls sehr interessant ist, ist die Überlebensrate. Es klingt zwar ganz gut, wenn wir sagen, wir haben im EU-Schnitt eine höhere Überlebensrate der Betriebe in den ersten fünf Jahren. Es ist aber meiner Meinung nach trotzdem irgend­wie bedenklich, wenn man sagt, es sind fast 50 Prozent der Betriebe, die es nach fünf Jahren nicht mehr gibt. Auch wenn das insgesamt im EU-Schnitt vielleicht positiv ist, so geht es doch immer wieder um Einzelfälle. Da steht ein Schicksal dahinter. Und viele von diesen Einzelfällen haben dann einfach einen großen Einschnitt in ihrem Lebens­weg.

Das ist auch ein Grund dafür, warum viele Menschen gar nicht den Weg in die Selbst­ständigkeit nehmen wollen, denn wenn man einmal mit einem Betrieb oder mit der Selbständigkeit „baden geht“ – unter Anführungszeichen –, dann hat man sehr viele Jahre ein Problem. Umso erfreulicher ist es, wenn die Zahl der Insolvenzen zurück­geht.

Im Bericht steht auch, dass die Zahl der Privatkonkurse zunimmt und viele EPUs be­ziehungsweise Kleinunternehmen mehr oder weniger dauernd ein Problem mit diesen Privatkonkursen haben.

Auch betreffend Überlebensrate würde ich mir wünschen, Herr Minister – wenn wir bei Weihnachten sind –, dass dieser Bericht ein bisschen mehr in die Problemanalyse und weniger in das Beschreiben des Ist-Zustandes geht.

Ein Thema möchte ich noch ansprechen, da es ebenfalls im Bericht vorkommt. Das ist die Frage der Finanzierung. Auf Seite 163 vermerken Sie:

„Ausgelöst durch die Wirtschaftskrise verzeichneten nach Information der Europäi­schen Kommission viele europäische KMU trotz nachhaltigem Geschäftsmodell eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation und ihrer Kreditwürdigkeit.“

Das ist jetzt ein Thema, von dem ich weiß, dass Sie es nicht so gerne hören, aber ich werde es jetzt trotzdem noch einmal erwähnen. Es gibt derzeit den Streit der Firma


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GEA mit der FMA. Dazu kann man stehen, wie man will, aber das zeigt für mich schon auf jeden Fall auf, dass etwas im System fehlt, und zwar die Möglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen und auch für Ein-Personen-Unternehmen, außerhalb von Bank­krediten und privaten Mitteln zu Geld zu kommen und dieses möglicherweise auch ver­zinst zurückzuzahlen.

Es darf nicht so eine Abhängigkeit vom Bankensektor geben. Wir alle wissen, dass dem Bankensektor auch nicht unbedingt nur Rosen zu streuen sind. Und es muss schon Möglichkeiten für Kleinunternehmen und für Einzelunternehmen geben, auch auf andere Art und Weise Geld aufzunehmen, überhaupt wenn es Personen gibt, die die­ses Geld auch hergeben wollen.

Das Problem ist natürlich, dass die Regeln fehlen. Es kann nicht jeder Bank werden. Jeder Kleinunternehmer soll auch nicht Bank werden, aber meiner Meinung nach ge­hören Regeln geschaffen, wie es möglich ist, dass man solche Klein- und Mikrokredite auch  (Bundesrätin Dr. Winzig: Die gibt es eh!) – Nein, die gibt es nicht wirklich, denn sonst bräuchten wir nicht zu streiten. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Winzig.) Ja, aber es gibt nicht die Möglichkeit, dass ich mir von privaten Per­sonen Geld borge und es mit Zinsen zurückzahle. (Bundesrätin Dr. Winzig: Business Angels sind private Personen!) – Ja, aber nicht private Personen, die mir direkt das Geld borgen und mit denen ich direkt abrechne.

Diese Möglichkeit gibt es nicht. Und, Herr Minister, ich würde mir wünschen, dass es dafür Regeln gibt, dass man solche Finanzierungen auch ermöglicht, dass das trans­parent ist. Klarheit muss dabei vorhanden sein, Klarheit über das Risiko muss natürlich gegeben sein. Und es muss betragsmäßig maximale Beschränkungen geben. Aber letztendlich ist es einfach wichtig, dass es keine Konkurrenz zum Bankensystem gibt, sondern eine Alternative für Klein- und Mittelunternehmen.

Ich habe noch einen letzten Wunsch, Herr Minister, den ich auch äußern möchte, der jetzt nicht unbedingt etwas mit den kleinen und mittleren Betrieben zu tun hat, sondern eher mit einem größeren. Ich wüsste gerne – vielleicht können Sie zwei Sätze dazu sa­gen –, was momentan in Hohenau passiert, wo in einem Natura 2000-Gebiet Probe­bohrungen laufen, angeblich für konventionelle Gasförderung, andererseits werden aber Drillbohrer verwendet, die für Schiefergasförderung verwendet werden. Und auch die notwendigen Chemikalien stehen in der Gegend herum. Vielleicht können Sie zwei Sätze dazu sagen. Die Leute aus Hohenau würden sich freuen, wenn es dafür eine Er­klärung gäbe. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

18.25


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


18.25.54

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn das Thema sehr wichtig ist, möchte ich Sie jetzt nicht mit Daten über die mittleren Betriebe und allem, was sonst im Bericht steht, strapazieren, da Frau Anneliese Junker das eigentlich sehr schön zusammengefasst dargestellt hat.

Andererseits hat Kollege Pisec bewiesen, dass er den Bericht wirklich im Detail gele­sen hat, oder sein Mitarbeiter oder wer auch immer, denn das, was Sie angesprochen haben (Bundesrätin Michalke: Wir haben keine Mitarbeiter!) – selber, gratuliere –, fin­de ich sehr positiv, da Sie richtigerweise festgestellt haben, dass das, was bei den In­solvenzen an Zahlen enthalten ist, wirklich widersprüchlich ist. Da ist offensichtlich ein doppelter Datensturz vorhanden, und der gehört ausgeräumt.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 171

Zum Zweiten, was die letztgenannte Kritik am Titel betrifft: „Mittelstandsbericht 2012“. – Ist da etwas dran? Im Endeffekt ist das eine Fortschreibung von Berichten aus früheren Jahren. Es hat immer Mittelstandsbericht 2011, 2010, 2009, 2008 und so weiter gehei­ßen, immer mit Datenmaterial von zwei oder eineinhalb Jahren zurück, was natürlich auch in der Beschreibung dargestellt ist.

Zum Dritten muss ich sagen, wenn Sie mich mehr oder weniger damit befassen, ich sollte etwas tun, dann gebe ich diese Anregung gerne weiter. Es ist so, dass das Ins­titut für KMU-Forschung, Herr Voithofer – ich habe ihn gerade vorhin selber gesehen – den Bericht für unser Ministerium erstellt, wobei wir natürlich die Anregung, die gerade positiv erwähnt worden ist, im EPU-Bereich stärker strukturiert vorzugehen, auch auf­genommen haben. Und es ist hier auch erwähnt worden, dass Datenmaterial vorhan­den ist.

Was die Konsequenzen anbelangt – ich glaube, das ist der entscheidende Punkt –, muss man meiner Meinung nach die richtigen Konsequenzen aus dem Bericht ziehen. Und eine der Konsequenzen ist, dass Herr Voithofer und sein Team vorschlagen – es ist auch angesprochen worden –, dass die unternehmerische Orientierung, das Grün­dergeschehen breit von einer Gesinnung in der Öffentlichkeit und auch von den Rah­menbedingungen her unterstützt werden muss. Da sind einige Punkte erwähnt worden, die wir jetzt umsetzen, wie etwa der Gründerfonds, aber auch der Business Angel Fonds und andere Einrichtungen, oder die leichtere GesmbH-Gründung, die jetzt für Jungunternehmer scheinbar gar nicht so wichtig ist. Aber wenn Sie bedenken, dass mit Basel III die Kreditfinanzierung schwieriger wird, dann ist natürlich die GesmbH in Zu­kunft wesentlich attraktiver, um hier Angebote zu haben.

Darüber hinaus setzt es natürlich schon in den Schulen und in einem breiten Diskus­sionsprozess in der Gesellschaft an, dass man dort richtig aufbaut, dass eben nur die Unternehmen die Arbeitsplätze sichern und sonst niemand. Das wird leider viel zu we­nig bedacht.

In diesem Zusammenhang, Frau Kerschbaum: Natürlich bin ich nicht der Weihnachts­mann, aber Wünsche nehme ich immer gerne mit, wenn sie realisierbar sind. Da muss ich betreffend die Diskussion um die Firma GEA leider schon ein paar Feststellungen machen: Man kann durchaus richtige Ableitungen treffen, aber nicht in dem richtigen Zusammenhang.

Daher: Wenn ich feststelle, wir haben eine Bankenkrise, wir haben eine Finanzmarkt­krise, Griechenland und andere Länder haben Probleme, dann kann ich nicht für mich als Unternehmen oder als Einzelperson das Recht daraus ableiten, jetzt mache ich das Richtige für mich. Da bin ich im wilden – in dem Fall – Waldviertel – Wilder Westen ist da nicht angebracht –, und sage, ich mache das für mich.

Das Zweite ist, man muss natürlich auch den richtigen Schluss ziehen. Wenn jetzt ein Aspekt oder ein Ergebnis der Bankenkrise ist, dass die Banken viel stärkere Regle­mentierungen erhalten, was durchaus richtig sein mag, was Produkte anbelangt, dann kann man doch auf der anderen Seite nicht beim anderen Ende ansetzen und sagen, wer eine gute Idee hat, wer irgendwo im Klein- und Mittelbetriebsbereich tätig ist, der kann so eine Art Privatbank machen, ohne dass man da genauere Regelungen macht – umso weniger, als es in diesem Bereich natürlich schon Modelle gibt.

Diese Modelle – ob das jetzt ein Sparvereinsmodell ist, ob das ein Genossenschafts­modell ist, was auch immer – kann man natürlich anwenden. Das wollte dieser Herr aber nicht, sondern er wollte die Auseinandersetzung mit der Finanzmarktaufsicht füh­ren – und führt sie ja auch noch. Da muss man meiner Meinung nach schon die Mög­lichkeiten und auch die Grenzen sehen.

Wissen Sie, wo die Grenze ist? – Dass die vielen Leute, die jetzt Geld hergeben, in dem Augenblick alle zum Staat kommen – und da haben wir schon Beispiele erlebt –,


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wenn das nicht mehr funktioniert, und fragen: Wie kann es das geben, dass jemand so etwas macht, ohne dass das auch bestimmten Reglementierungen unterworfen ist? Und das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, wenn Sie die Firma GEA anspre­chen.

Was Hohenau und die Bohrungen anbelangt, kann ich Ihnen nichts sagen, weil wir – in dem Fall die Vollziehung – damit nicht befasst oder davon berührt sind. Das muss der­jenige erklären, der das macht, ich nehme an, Sie meinen die OMV; ich weiß es nicht. Die OMV hat ganz klare Regelungen, wie man vorzugehen hat, was Probebohrungen anbelangt. Ich nehme nicht an, dass sie sich darüber hinwegsetzt, aber das ist mit der OMV und mit den lokalen Behörden abzuklären. Das hat mit uns jetzt in dem Sinne nichts zu tun.

Ich darf mit ein paar Elementen abschließen, die meiner Meinung nach schon wichtig sind: Neben der Gründergesinnung und dem EPU-Teil gibt es jetzt auch ein paar Ver­besserungen im Sozialversicherungsrecht, aber es ist ja auch der Vergleich zu sehen: Wie liegen denn unsere Klein- und Mittelbetriebe im europäischen Vergleich? – Dazu hat ja auch die Kommission eine Bewertung abgegeben und hat gesagt, Österreich liegt überdurchschnittlich gut, was den Small Business Act, nämlich die zehn Grund­sätze der europäischen KMU-Politik anbelangt.

Wir liegen sehr gut, etwa was den Vorrang der KMUs anbelangt im Bereich Zugang zur Finanzierung, im Bereich Qualifikation und Innovation, im Bereich Umwelt, im Bereich Internationalisierung. Beispielsweise liegt der Anteil der österreichischen KMUs, die in Nicht-EU-Länder exportieren, mit 5,5 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt von 3,9 Prozentpunkten.

Das ist eigentlich der maßgebliche Aspekt, dass die österreichischen Klein- und Mittel­betriebe durchaus im internationalen Gefüge nicht nur mithalten können, sondern dass sie eigentlich im ganz positiven Vorderfeld an der Spitze agieren, natürlich das eine oder andere noch tun müssen, aber im Endeffekt eine Struktur haben, um die uns an­dere beneiden.

Abschließend das Beispiel, wer uns beneidet: Frankreich. Der französische Botschaf­ter – ich glaube, ich habe es sogar schon einmal angesprochen – ist gekommen und hat gefragt: Wie schafft Österreich die Zusammenarbeit von Großbetrieben und Klein­betrieben und die Struktur? Denn in Frankreich hat man alles relativ zentral, relativ viele Großbetriebe, keine Kleinbetriebe. Die Strukturdaten und die Wirtschaftsdaten sind in Österreich wahrscheinlich nicht nur deswegen besser. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Pisec.)

18.33


Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

18.33.3023. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1908 d.B. und 1963 d.B. sowie 8851/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 173

Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nunmehr zum 23. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Bitte um den Bericht.

 


18.33.50

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Der Bericht des Ausschusses für Familie und Ju­gend über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 18. De­zember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


18.34.36

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zuhause! Der Beschluss, den wir heute fällen können, macht bundesweit das möglich, was in der Ostregion, in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, be­reits eingeführt und getestet wurde, nämlich ein TOP-Jugendticket für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrlinge als Ergänzung und Ausweitung zur schon bestehen­den Schüler- und Lehrlingsfreifahrt.

Das bedeutet eine Entlastung für die Familien, etwa dahin gehend, wenn Kinder nicht nur einen Schulweg von A nach B zurückzulegen haben, sondern einmal auch zum oder vom anderen Elternteil in die Schule pendeln oder von den Großeltern, und auch, wenn es darum geht, dass Bahnfahrten im Rahmen von Schulausflügen nicht mehr ex­tra gezahlt werden müssen.

Es bringt auch ein Plus an Mobilität und Selbständigkeit für die älteren Schülerinnen und Schüler, die alleine unterwegs sind, auch für Lehrlinge, die damit Freizeitwege, etwa zum Fußballtraining, zur Vereinsstunde, zum Einkaufen oder zu Freunden erledi­gen können. Und es bringt ein Mehr an Freizeitmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und Familien, die mit dem Ticket auch in der Freizeit, an Wochenenden gemeinsam unterwegs sein können.

In der Ostregion – ich habe es vorhin schon erwähnt – wird das schon getestet. 60 € kostet das Ticket, also umgerechnet 5 € im Monat, und bedeutet freie Fahrt in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Das sind in Niederösterreich zirka 40 € Aufzah­lung zur bisherigen einfachen Schülerfreifahrt.

Das Ticket kommt gut an, weil es auch gut überlegt und gut verhandelt wurde zwi-
schen den Landesregierungen, den Landeshauptleuten und dem Herrn Bundesminis­ter. 270 000 Tickets wurden allein schon mit dem heurigen Schulanfang in Wien, Nie­derösterreich und dem Burgenland verkauft und kommen auch in der Verwendung sehr gut an.

Mit einer Zustimmung heute machen wir es gemeinsam möglich, dass es dann eine gesetzliche Grundlage gibt, damit aus dem Familienlastenausgleichsfonds eine Pau­schalabgeltung an die Verkehrsverbünde, an die Verkehrsbetriebe geleistet werden kann. Für den Fonds bedeutet das keine Mehrkosten, sondern, wenn man so will, nur eine technische Umstellung.

Mit dieser Zustimmung machen wir es auch möglich, dass ein TOP-Jugendticket in an­deren Bundesländern eingeführt wird. Ich weiß, dass es da in vielen Bundesländern


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 174

schon konkrete Überlegungen gibt. Wir wünschen auch den Kindern, den Jugendli­chen, den Familien, den Schülerinnen, Schülern und den Lehrlingen, dass es kommt – und damit auch eine gute Fahrt.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur noch einen Aspekt erwähnen, weil das Thema diese Woche nicht nur hier im Parlament im Ausschuss schon Thema war, sondern weil ich in Gesprächen seit der Einführung des TOP-Jugendtickets auch oft darauf angesprochen wurde und es auch hier gerne zum Thema machen möchte: Mein Ziel ist es auch – und ich setze mich sehr intensiv dafür ein –, dass wir in der Zukunft an weiteren Ermäßigungen für Studierende im öffentlichen Verkehr arbeiten, aber dazu drei Überlegungen.

Es passt thematisch zu diesem Thema, aber aus meiner Sicht nicht zuständigkeits­mäßig ins Familienressort. Ich kann auch sagen, warum: nicht nur, weil wir alle wissen, dass der Familienlastenausgleichsfonds finanziell die Mittel dafür derzeit nicht hätte, sondern vor allem auch deswegen, weil ich darin keine Familienleistung sehe, sondern vielmehr eine Unterstützung für Studierende, um sich selbst besser zu erhalten und ihr Studium besser finanzieren zu können, die in einem ganz anderen Alter sind als Schü­ler und Lehrlinge.

Ich sehe auch nicht, dass das eine Sache ist, die man in den einzelnen Bundesländern leicht lösen kann, weil gerade Studierende grenzüberschreitend viel mobiler sind und es daher eine einheitliche Regelung für ganz Österreich braucht. Und ich sehe auch nicht – diese Frage kommt auch öfters auf –, dass das Ticket in etwa nur 60 € kosten könnte, weil gerade Studierende viel mobiler sind und natürlich ein derartiges pauscha­les Ticket oder eine Ermäßigung viel mehr abdecken müsste.

Das sind Voraussetzungen, die momentan auf dem Tisch liegen, was aber nicht heißt, dass wir uns damit begnügen. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass das kommt. Ich denke, dass auch die Verkehrsministerin schon von diesen Initiativen weiß. Es gibt ja auch eine Petition, die im Parlament liegt, die vonseiten der Studentenver­treter, der AktionsGemeinschaft, eingebracht wurde. Es gibt weitere Initiativen dazu.

Ich werde am Ball bleiben, hoffentlich mit der Unterstützung aller hier im Haus, dass wir gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben und der Frau Ministerin da auch etwas für die Studierenden zustande bringen. – Herzlichen Dank schon im Vorfeld. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

18.38


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Grus­ka. – Bitte.

 


18.38.49

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Rausch hat es schon gesagt, das Pilotprojekt wird gerade durchgeführt. Ich habe das Vergnügen oder die Ehre, in einem Bundesland zu wohnen, in dem dieses Pilotprojekt durchgeführt wird. Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus wirklich ganz herzlich gratulieren, weil ich glaube, dass dieses TOP-Jugendticket eine Einführung für unsere Jugendlichen, für unsere Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge ist, die wirklich hervorragend ist. Die Verhandlun­gen mit den Ländern und den Landeshauptleuten waren sicherlich nicht einfach, aber sehr erfolgreich. Ich möchte Ihnen dazu sehr herzlich gratulieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

Besonders freut mich natürlich, dass es jetzt 40 Jahre her ist – es war am 1. Septem­ber 1972 –, dass unter Bundeskanzler Bruno Kreisky und Unterrichtsminister Fred Si­nowatz die Schülerfreifahrt eingeführt wurde – und jetzt 40 Jahre danach wiederum ein


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 175

weiterer toller Schritt gesetzt wurde. Ich denke, dass wir mit der Einführung der Schü­lerfreifahrt und jetzt wiederum mit dem TOP-Jugendticket wirklich sehr viel Gutes tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Vorteil ist auch schon angesprochen worden: Patchwork-Familien sind natürlich ganz eindeutig diejenigen, die davon profitieren werden. Wir haben heute schon bei ei­nem anderen Punkt über die Familien und über das geänderte Familienbild gespro­chen. Das Familienbild ist schon lange ein anderes und nicht mehr die Idealfamilie. Endlich kommt die Politik auch dieser Tatsache nach und setzt Rahmenbedingungen für diese Familien.

Ein Jahresbeitrag von 60 € ist natürlich sehr erfreulich und vor allem – und das, denke ich, ist wichtig –, dass dieses Ticket für die Schülerinnen, Schüler und Lehrlinge auch in den Ferien gilt. Umweltfreundlich, umweltbewusst und ein Hinführen dieser Perso­nen zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel – also wirklich alles sehr, sehr positive Dinge.

Die Kostenneutralität hat auch Kollegin Rausch schon angesprochen, darauf brauche ich nicht mehr einzugehen.

Was ich jetzt noch sagen möchte, ist: Im Nationalrat wurde diskutiert – ich weiß jetzt aber nicht, wie weit das schon aufgenommen wurde – bezüglich der behinderten Be­schäftigten, dass wir 2011 ja gerade in Arbeitsprojekten Behinderte beschäftigt haben und ob die jetzt auch schon diesen Bus benutzen können, ob hierfür schon Vorkehrun­gen getroffen wurden für jene, die in Projekten waren.

Und was ein Problem darstellt – und da glaube ich, dass wir gemeinsam eine Lösung suchen müssen –, sind die Bedarfslinien. Es ist so, dass die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrlinge im ländlichen Bereich zur Autobushaltestelle gehen und dort nicht unterscheiden können: Ist das jetzt ein Linienbus oder ist das eine Bedarfslinie, die ein­gerichtet wurde?

Wir haben im Burgenland die Situation, dass wir aus den Bezirken Neusiedl, Matters­burg und Eisenstadt die Schülerinnen und Schüler und die Lehrlinge in die Berufs­schule, in die Krankenschwesternschule und in die Bildungsanstalt für Kindergartenpä­dagogik nach Oberwart fahren. Das ist eine Bedarfslinie, und diese Jugendlichen sind natürlich sehr enttäuscht, weil sie das TOP-Jugendticket dort nicht nutzen können, weil diese Linie nicht im Verkehrsverbund ist.

Ich denke, dass wir hier auch eine Lösung schaffen müssen, nicht – und ich möchte es noch einmal sagen – weil sich diese Jugendlichen oder diese Eltern um nichts küm­mern, sondern es ist schon eine sehr lange Tradition – ich glaube, diese Bedarfslinie gibt es schon seit 20 Jahren –, sodass es für die Eltern, für die Familien eigentlich ganz klar ist, es ist ein Linienbus. Und jetzt werden sie nicht unterstützt. Ich denke, dass wir hier schauen müssen, dass wir auch diese Schüler – weil sie ja eine Ausbildung ma­chen: Kindergartenschule, Berufsschule – noch ins Boot holen.

Was das Burgenland betrifft, so weiß ich, dass über diese Sache schon diskutiert wird, dass hier auch eine Lösung gesucht wird. Das Land Burgenland zahlt jetzt schon 384 000 € zu diesem TOP-Jugendticket dazu. Ich möchte dafür den Landeshauptleu­ten ein herzliches Danke sagen, und allen voran natürlich meinem Landeshauptmann.

Ich freue mich, dass wir heute hier die Grundlage für hoffentlich – und da wünsche ich Ihnen bei den Verhandlungen wirklich alles, alles Gute – ein österreichweites TOP-Ju­gendticket schaffen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.43


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 176

18.43.14

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Änderung im Familienlastenausgleichsgesetz soll also die Voraussetzungen für eine teilweise ös­terreichweite Neuordnung für die Schüler- und Lehrlingsfreifahrten schaffen. Vorbild ist das Pilotprojekt VOR in Wien, Niederösterreich und Burgenland, wo das bereits durch­geführt wurde.

Diese Pauschalierung soll also eine Vereinfachung sein und wird auch deshalb von uns mit unterstützt. Unterstützung findet dieses Modell auch vom Familienbund, der diese Änderung ebenfalls begrüßt, weil es unter anderem, wie Frau Kollegin Rausch bereits angemerkt hat, eine finanzielle Unterstützung auch für die Eltern dieser Schüler und Lehrlinge darstellt.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, ohne das in die Länge ziehen zu wollen, aber trotz­dem den Wunsch des Bundeslandes Vorarlberg anbringen. Ich habe nämlich die Ehre, Frau Kollegin aus dem Burgenland, in einem Land zu wohnen, in dem diese Tarifge­staltung bereits seit Längerem besteht. Wir haben nämlich in Vorarlberg bereits ein Plus Ticket des Verkehrsverbundes Vorarlberg, und dieses Plus Ticket kostet – damit ich jetzt nicht Falsches sage – im derzeitigen Tarifmodell 30 € für eine Tarifzone – das gilt häufig für Gemeinden –, dann haben wir einen Tarif von 60 € für eine der neun Ta­rifregionen oder von 80 € für den gesamten Verbund.

Dieses Plus Ticket hat sich bisher in Vorarlberg sehr bewährt, und logischerweise wür­de Vorarlberg diese Form natürlich gerne beibehalten und erwartet sich, dass bei der Ausgestaltung dieses Jugendtickets nicht auf eine österreichweit einheitliche Lösung gedrängt wird, sondern dass eine Möglichkeit einer regionalen beziehungsweise preis­lichen Differenzierung offenbleibt.

Vorarlberg sieht auch bei der Einsparung von 4,7 Millionen € pro Jahr eine gewisse Problematik, denn auch im Falle einer Pauschalabgeltung würde dem Vorarlberger Verkehrsverbund ein beträchtlicher Verwaltungsaufwand verbleiben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.45


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


18.45.55

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist von den Vorrednern ja angesprochen worden, dass die nun vorliegende Regelung für die betroffenen Familien eine eindeutige Besserstellung darstellt und auch eine administrative Vereinfachung gegenüber der Situation, wie sie im Vorfeld gewesen ist, insofern, wie auch angespro­chen worden ist, als die Lebenssituation der Kinder und die Patchwork-Gegebenheiten und auch die Freizeitsituation teilweise eben etwas anderes erfordern, als vorher der Fall war.

Im Endeffekt muss ich auch sagen, dass das Angebot, das wir haben, mit 60 € für ein derartiges TOP-Ticket auch wirklich so ist, dass es nicht nur in Anspruch genommen wird – es sind ungefähr 300 000 allein im Bereich des VOR, also Wien, Niederöster­reich und Burgenland –, sondern dass auch das Interesse besteht, in den anderen Bun­desländern dieses Ticket einzuführen.

Und weil Sie, Frau Kollegin Michalke, gerade Vorarlberg erwähnt haben: Ich glaube, dass es auch in Vorarlberg einen Vorteil hätte, wenn man dort nicht drei unterschiedli­che Modelle haben würde, sondern eines, mit einer ganz klaren Kostenausrichtung von 60 €. Denn entsprechend unserem Wunsch, auch was die Verwaltungsvereinfachung


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 177

anbelangt, wäre das auch dort noch eine Möglichkeit, wäre ein Hintergrund für be­stimmte Einsparungen. Und wir müssen ja damit rechnen, was die Bundesländerum­setzungen anlangt, dass wir nicht mehr ohne Zusatzkosten über die Runden kommen.

Der VOR hat eine von der Größenordnung andere Konstellation, und dort war es mög­lich, das Gleiche zu machen, was vorher der Fall war. Wir rechnen mit Mehrkosten, wenn wir das auf ganz Österreich ausrollen, von etwa 20 Millionen € und müssen das auch so aufteilen, dass uns die Länder da einen Teil dazuzahlen. Da sind wir gerade in Verhandlungen, weil es doch so sein soll, dass in allen Bundesländern dann überall derselbe Betrag für die jeweils Betroffenen gilt – also nicht in einem Land über 100 € und im anderen Land 96, sondern unser Ziel wären die 60 €.

Wir sind da in recht guten Gesprächen mit Oberösterreich, auch mit Tirol. Mit Kärnten haben wir ja schon einen Versuch laufen. Also wir werden das mit den meisten Bun­desländern so ausrollen, und ich hoffe, dass dann auch in Vorarlberg eine ähnliche Konstellation besteht. Eine Verpflichtung, das dann zu machen, besteht nicht. Aber ich habe aufseiten der Betroffenen bemerkt, dass es kaum Maßnahmen gibt, die ähnlich gut ankommen wie das, was die Eltern einfach als Erleichterung spüren.

Frau Kollegin, wir haben ja schon einmal darüber geredet, und auch im Nationalrat ist das Thema angesprochen worden, wer alles noch in diese Kategorie der erweiterten Begünstigten hineinfallen soll. In dem Fall, was die Personen mit Einschränkungen an­belangt, verhandelt das Bundessozialamt ohnedies die Problematik und wird das wahr­scheinlich gelöst.

Auf der anderen Seite, wenn es darum geht, was den Bedarf anbelangt, neben der Li­nie noch ein zusätzliches Angebot zu haben, das werden wir nicht machen. Wir werden nicht zusätzliche Linien einbauen können, denn dieses Angebot ist sowieso gratis, und die Karte kann darüber hinaus jeder kaufen. – Also da tun wir uns schwer, eine Ver­besserung zu bewerkstelligen. Ähnliches gilt aber auch für den studentischen Bereich.

Unser Ziel geht einmal dahin: Wir wollen jetzt ausrollen auf ganz Österreich mit Ange­boten mit 60 €, und eventuell die Gruppen noch erweitern – aber nicht in Richtung der Studenten, weil das vom Gesamtumfang nicht finanzierbar ist. Wir haben das erst 1996 abgeschafft. Die Kosten waren 130 Millionen €. Wünschenswert wäre es allemal. Ich habe bei Diskussionen schon von Junglehrern die Forderung gehört, warum für diesen Bereich nicht ebenfalls diese Regelung gilt, weil man ja ebenfalls fahren muss.

Daher auch der Hinweis, dass wir natürlich eine Art Orientierung hin zum öffentlichen Verkehrsmittel vornehmen, insbesondere für junge Leute, damit eine Art Gewöhnung eintritt: Was man im jungen Alter tut, macht man dann auch, wenn man berufstätig ist. – Dieser Gedanke ist natürlich auch vorhanden.

Ich möchte Sie aber zeitmäßig nicht länger strapazieren. Es gäbe noch einiges zu sa­gen. Ich freue mich über die wahrscheinliche Zustimmung, möchte mich, da das wahr­scheinlich der letzte Redebeitrag hier in diesem Jahr ist, auch herzlich bei Ihnen für die faire Diskussion bei allen Sitzungen bedanken und wünsche Ihnen alles Gute für die Feiertage und vor allem auch für 2013. (Allgemeiner Beifall.)

18.49


Präsident Georg Keuschnigg: Herr Bundesminister, auch dir einen herzlichen Dank für die Teilnahme an dieser Debatte im Bundesrat, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch, Gesundheit und Wohlergehen im neuen Jahr! Alles Gute!

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Einstimmigkeit der Fall. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 178

18.51.0324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Arbeitsinspektions­gesetz 1993 geändert werden (1983 d.B. und 2024 d.B. sowie 8854/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf dazu den Herrn Bundesminister für Soziales Rudolf Hundstorfer sehr herzlich begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. Bitte um den Bericht.

 


18.51.39

Berichterstatter Reinhard Todt: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzge­setz und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht und den Antrag.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


18.52.22

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der Österreichische Ge­sundheitsmonitor weist darauf hin, dass fast 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen psy­chisch stark belastet sind. Hauptbetroffene von psychischen Belastungen sind nicht, wie wir es oft vermuten, leitende Angestellte oder LehrerInnen, vielmehr sind es Bau- und FabriksarbeiterInnen sowie Kassen- und Reinigungskräfte. Diese leiden stark un­ter Zeitdruck, monotonen Arbeitsabläufen und unsicheren Zukunftsaussichten. Starke psychische Beeinträchtigungen haben 39 Prozent der ArbeiterInnen, gegenüber 28 Pro­zent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und 27 Prozent der Angestellten.

Leistungsdruck und Wirtschaftskrise lassen die Zahl der psychisch belasteten Arbeit­nehmerInnen ansteigen. Mehr als eine Millionen Betroffene – das sind 29 Prozent aller Beschäftigten in Österreich – sind als psychisch höher belastet einzustufen.

Belastungsfaktoren sind unter anderem: Stressempfinden, Druck, Demotivation, Gefühl der Erschöpfung, widersprüchliche Arbeitsaufgaben, Arbeitsverdichtung, unangemes­sene Zeit- und Terminvorgaben, ständige Erreichbarkeit, unangemessene Wiederho­lungen immer gleicher Arbeitsvorgänge, Informationsmangel, auf der anderen Seite auch der Informationsüberfluss, Verwischen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, Flexibilisierung, häufige Umstrukturierungen, Angst vor Arbeitsplatzverlusten, isoliertes Arbeiten ohne soziale Kontakte – und diese Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.

Seit 1994 hat sich die Zahl der Krankenstandstage wegen psychischer Erkrankungen fast verdreifacht. Körperliche Folgen daraus sind dramatisch: 75 Prozent haben Mus­kelverspannungen und/oder Rückenschmerzen, 67 Prozent fühlen sich erschöpft, 62 Pro­zent leiden unter Kopfschmerzen, 58 Prozent haben Schlafstörungen und 53 Prozent werden von Nervosität geplagt. – Für die Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgeset­zes war es daher allerhöchste Zeit. Die Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ist ein Muss geworden. Durch verstärkte Prävention am Arbeitsplatz soll


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 179

der Zunahme von arbeitsbedingten Beeinträchtigungen und Erkrankungen sowie Invali­ditätspensionen aufgrund psychischer Erkrankungen gegengesteuert werden.

Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sieht in der geltenden Fassung vor, dass Arbeit­geber bei der Präventivbetreuung neben Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizi­nerInnen sonstige geeignete Fachleute, insbesondere jedoch ArbeitspsychologInnen zu beschäftigen haben, je nach der in der Arbeitsstätte gegebenen Gefährdungs- und Belastungssituation. Die vorliegende Regelung wird nach Einigung der Interessenver­tretungen – von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen – dahin gehend ergänzt, dass an mehreren Stellen die Prävention arbeitsbedingter psychischer Belastungen stärker betont wird und ArbeitspsychologInnen als bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren beizuziehende Fachleute nunmehr ausdrücklich genannt werden.

Aufgabe der ArbeitspsychologInnen ist die Durchleuchtung der Arbeitsprozesse und eine Beurteilung von Arbeitsplätzen, um Ursachen psychischer Erkrankungen zu ermit­teln und Gegenmaßnahmen zu erreichen. Ziel dabei ist auch die Vernetzung von Ar­beitsinspektion, Sicherheitsfachkräften, ArbeitsmedizinerInnen, ArbeitspsychologInnen und BetriebsrätInnen, was nicht verpflichtend ist, allerdings aufgrund der Gesetzesän­derung ein klares Signal an die Arbeitgeber abgibt, sich intensiver mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen auseinanderzusetzen. Dies kann allerdings nur ein erster Schritt sein. Diese Gesetzesänderung kann zu gesünderen Arbeitsplätzen beitragen, aber weitere Schritte müssen folgen, zum Beispiel eine Arbeitszeitverkürzung, Reduk­tion der Überstunden und einiges mehr.

Darüber hinaus sieht die Gesetzesnovelle unter anderem vor, den Strafrahmen für die Nichtbefolgung von Auflagen der Arbeitsinspektion um 15 Prozent zu erhöhen. Unter­nehmen, die sich nicht an bescheidmäßige Vorschreibungen halten, droht demnach künftig im Wiederholungsfalle eine Verwaltungsstrafe von bis zu 16 659 €. – Ich bin froh darüber, dass dieses Gesetz zustande kommt und vor allem auch, dass es den Strafrahmen erhöht hat.

Noch eine Bemerkung dazu in diesem Zusammenhang: Ich bin über jede Verbesse­rung im Bereich ArbeitnehmerInnenschutz froh, denn in letzter Zeit, wenn man über die Grenzen hinaussieht, merkt man, was ArbeitnehmerInnenschutz und Sicherheit am Ar­beitsplatz bedeuten. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass innerhalb von vier Tagen in drei Fabriken in Bangladesch ein Brand ausgebrochen ist, dort mehr als 300 Be­schäftigte in Firmen verbrannt sind, weil die Tore zugesperrt waren und die Menschen nicht herauskonnten.

Da das nicht der einzige und letzte Fall ist, sondern in letzter Zeit noch mehrere Firmen abgebrannt sind und wir mittlerweile in einem halben Jahr mehr als 600 Tote in diesem Zusammenhang zu beklagen haben, glaube ich, dass es notwendig und sinnvoll ist, darüber nachzudenken, ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen letztendlich nicht nur bei uns einzuhalten, sondern ich ersuche hier jene Unternehmen und Unternehmun­gen, die weltweit agieren, auch darauf zu achten, dass Unternehmen und Unterneh­mungen nicht nur hier in Österreich Sicherheitsbestimmungen zum Teil vorbildlich ein­halten, sondern dass diese auch im internationalen Bereich mit berücksichtigt und auch dort eingehalten werden. Und ich appelliere an die Verantwortlichkeit von uns selbst als Konsumenten und Konsumentinnen, letztendlich auch hin und wieder zu hinter­fragen, wie es denn um den Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Aus­land steht.

Meine Fraktion wird daher diesen Schutzbestimmungen, dem ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz, gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.59



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 180

Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte. (Bundesrat Köberl – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Mayer –: Kurz! – Heiterkeit. – Bundesrat Mayer – an das Rednerpult tretend –: Herr Kollege Köberl, ich werde mich daran halten!)

 


18.59.37

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke, liebe Frau Kollegin Kem­perle! Es wurde alles gesagt, es wurden auch alle Prozentsätze genannt – ich bin be­geistert.

Ich gehöre deshalb nicht mehr zu jenen 52 Prozent der arbeitenden Menschen, die un­ter Nervosität leiden – das brauche ich jetzt nicht für mich zu vereinnahmen.

Ganz kurz: Mit dieser Gesetzesänderung beim ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verfol­gen wir einfach das Ziel, die Prävention zu verstärken und eine bessere Vernetzung zwischen Arbeitsinspektoren, Sicherheitsfachkräften, Arbeitsmedizinern und Arbeits­psychologen zu erreichen. Dass hier die BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen miteingebunden werden, das sage ich auch als Arbeitnehmervertreter, ist natürlich auch ein guter Effekt dieses Gesetzes.

Auslösender Faktor ist: Wir verzeichnen einen massiven Anstieg an psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, hervorgerufen durch die bereits genau erklärten Faktoren am Arbeitsplatz. Das ist auch statistisch klar belegt. Das führt natürlich auch – bisher war das eine Nebenerscheinung – zu sehr vielen Frühpensionierungen, die wir jetzt, aber mit einem anderen Gesetz, auch entsprechend eindämmen; davon werden wir heute noch hören.

Ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass wir da gegensteuern und versuchen, unsere Kolleginnen und Kollegen länger und gesünder im Arbeitsprozess zu halten. Die demo­graphische Entwicklung – da wird mir der Herr Arbeitsminister sicher recht geben – wird bald erfordern, dass wir ältere ArbeitnehmerInnen, aber auch auf altersgerechten Arbeitsplätzen – das betone ich ganz bewusst –, im Erwerbsleben halten und so auch die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sicherstellen und diese vor allem auch absi­chern.

Das war es auch schon von meiner Seite. Wie gesagt, Frau Kollegin Kemperle hat das sehr klar und mit sehr viel Zahlenmaterial unterlegt – das muss ich jetzt nicht wieder­holen.

Insgesamt gibt es einige wesentliche Verbesserungen im Bereich des ArbeitnehmerIn­nenschutzes, denen wir gerne zustimmen.

Etwas, was sie nicht gesagt hat, am Schluss: Nach mir kommen noch 49 Redner. – Ich danke. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.02


Präsident Georg Keuschnigg: Tatsächliche Berichtigung: Es sind nur noch 48 Red­ner auf der Rednerliste.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


19.02.15

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen des Bundesrates! Im Grunde wurde – ich bin der dritte Redner – sowieso schon das meiste gesagt, ich werde das Thema nicht mehr überlange strapazieren. Aber eines ist auch klar: Bereits nach geltendem Recht ist schon viel an Arbeitnehmerschutz im Gesetz verpackt. Die Änderungen im


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 181

Gesetz greifen jetzt natürlich weiter und wollen versuchen, die psychischen Belastun­gen zu erfassen und einem Gesetzestext zuzuführen.

Ich glaube, dass das durchaus auch Probleme aufwerfen wird, denn wie man weiß, ist ja eine gebrochene Hand relativ leicht medizinisch festzustellen, aber bei psychischen Belastungen und Erkrankungen tut man sich insgesamt sowieso sehr schwer. Und da ist natürlich auch darauf zu achten, dass die Arbeitgeber nicht, lassen Sie es mich so sagen, in die Bredouille kommen und vielleicht hin und wieder als Sündenböcke hinge­stellt werden, selbst wenn sie nichts dafür können.

Interessanterweise ist es schon so, dass bereits heute Jugendliche nicht mehr ganz gesund in das Arbeitsleben eintreten. Sie haben ein Defizit in der Motorik und ähn­lichen Dingen, weil sie in der Schule kein Turnen mehr haben und weil sie allgemein zu wenig Bewegung machen. Und wenn man sich dann noch anschaut, dass sie sich zum Teil selbst Gefahren aussetzen – dass man in Diskotheken erstaunlicherweise Lärm ohne Ende aushalten kann, aber am Arbeitsplatz einem gleich einmal alles zu viel wird –, dann versteht man halt die Welt auch nicht wirklich.

Deswegen glaube ich, dass das Gesetz ein guter Schritt einer Weiterentwicklung ist. Es ist wahrscheinlich nicht die letzte Änderung, aber jedenfalls ist es eine Verbesse­rung für die Arbeitnehmer. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.04


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.04.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin Kemperle, danke für die Sachverhaltsdarstel­lung. Ich glaube, du hast uns damit viel an Wiederholungen erspart.

Prinzipiell finden wir es begrüßenswert, dass jetzt durch diese Novelle die psychischen Belastungen auch im Arbeitnehmerschutz ihren Niederschlag finden – sprich: dass sie einmal erwähnt werden, dass angesprochen wird, dass es sie gibt, dass sie definiert werden. Wie Kollegin Kemperle sehen auch wir das als ersten Schritt, denn es ist der­zeit leider noch nicht so, dass das auf einer gleichberechtigten Ebene mit den Ar­beitsmedizinern und den anderen Sicherheitsfachkräften in der Prävention verankert ist. Insofern lässt sich da noch einiges verbessern – und wir würden uns gerne an­schließen, wenn verbessert wird.

Ich möchte nur zu diesem Übergang vom „kann“ zum „muss“ sagen, dass das auch insofern ein bisschen Bedeutung hat, dass ich denke, wenn es gerade im Arbeitsleben einmal so etwas gibt wie: Es gibt eine Arbeitspsychologin und das ist selbstverständ­lich!, dann wird sich vielleicht auch das Selbstverständnis der Österreicherin und des Österreichers ein wenig ändern. Derzeit ist es bei uns ja schon so, dass es ganz nor­mal ist, dass die Leute massenhaft Schmerztabletten, Kopfwehtabletten und Sonstiges in sich hineinstopfen, aber wenn es einmal darum geht, über Dinge, die einen belasten, zu reden und vielleicht zu einem Therapeuten zu gehen, dann ist man in Österreich nach wie vor eher noch nicht so hoch angesehen, denn nur die Verrückten gehen zum Therapeuten oder zur Psychologin.

Insofern denke ich, dass es auch in dieser Hinsicht ein Zeichen ist, wenn man das im Arbeitsleben verankert und es im Berufsleben normal ist, dass es dort eine Psycholo­gin gibt, mit der man reden kann, wenn es irgendwo ein Problem gibt und die sich des­sen annimmt. Vielleicht kann das auch in der Gesellschaft einiges bewirken.

Darum: Danke für die Änderung, und wir hoffen, dass sie bald noch ein Stück weiter­geht. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.06



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 182

Präsident Georg Keuschnigg: Es liegen hiezu keine Wortmeldungen mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist angenommen.

19.06.2725. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpoli­tik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeit-und-Gesund­heit-Gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Nacht­schwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert wer­den (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 – SRÄG 2012) (2000 d.B. und 2028 d.B. sowie 8826/BR d.B. und 8855/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen somit zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte um den Bericht.

 


19.06.44

Berichterstatter Reinhard Todt: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarkt­politik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeit-und-Gesund­heit-Gesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Nachtschwerarbeitsge­setz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz geändert werden (Sozialrechts-Än­derungsgesetz 2012).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. 10 Minuten sind eingestellt, aber das kann auch unterschritten werden. – Bitte.

 


19.08.15

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 ist ja von der In­tention her als Gesetzentwurf durchaus in Ordnung, nämlich Menschen durch rechtzei­tige berufliche und medizinische Rehabilitation länger gesund im Erwerbsleben zu hal­ten und auf diese Weise das faktische Pensionsalter zu erhöhen. Es gibt auch einige Maßnahmen im Bericht, die durchaus positiv zu bewerten sind, wie zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation und Verbesserungen für Personen, die wegen der Pflege eines behinderten Kindes nicht berufstätig sind.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 183

Die vorliegende Novelle betrifft im Wesentlichen – außer dem Kompetenzzentrum zur einheitlichen Begutachtung – nur das ASVG-System, was im Grunde die Selbständi­gen, die Beamten und so weiter wiederum nicht erfasst.

Und jetzt zu den Stellungnahmen – und damit wir es ein bisschen komplexer –:

Da sieht zum Beispiel die Wiener Landesregierung „einen Rechtsanspruch auf Rehabi­litationsgeld für Personen vor, deren Pensionsantrag mangels dauernder Invalidität bzw.“ – beziehungsweise – „Berufsunfähigkeit abgelehnt wird, bei denen jedoch be­scheidmäßig das Vorliegen einer vorübergehenden Invalidität bzw. einer Berufsunfä­higkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten festgestellt wird.

§ 84 B-KUVG“ – also das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz – „nor­miert, dass die Bestimmung (...) auch auf Bedienstete (...) anzuwenden ist. (...) In der Kranken- und Unfallversicherung“ sind, so nicht eine Ausnahme nach gewissen Para­graphen gegeben ist, „Bedienstete der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden versichert, deren Dienstverhältnis auf einer dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 gleichartigen landesgesetzlichen Regelung beruht“. Vertragsbedienstete der Gemeinde Wien würden demnach zu Leistungen verpflichtet sein, die den Leistungen nach dem Berufs-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz zumindest gleichwertig sind.

„Die gegenständliche Regierungsvorlage sieht jedoch (...) vor, dass ein Kostenersatz für die Leistung von Rehabilitationsgeld an die ,Versicherungsanstalt‘ nur für ,nach die­sem Bundesgesetz krankenversicherte BezieherInnen von Rehabilitationsgeld‘ zu er­folgen hat. Damit ist ein Kostenersatz für die Vertragsbediensteten der Stadt Wien, die Mitglieder der KFA sind, ausdrücklich ausgeschlossen.“

So geht das eigentlich weiter, sodass letzten Endes der Arbeitgeber, die Stadt Wien, diesem Gesetzentwurf als Arbeitgeber keine Zustimmung erteilen kann.

Und hier noch eine Stellungnahme der Bundesarbeitskammer, die vielleicht auch nicht unbeachtet bleiben sollte:

„Die BAK“ – die Bundesarbeiterkammer – „unterstützt zwar die Intention des Entwurfs, die Zahl der Invaliditätspensionen durch eine Reform des Invaliditäts- und Rehabilita­tionsrechts zu senken, ist aber keineswegs (...) mit der konkreten Umsetzung einver­standen. Aufgrund der zwischen dem AMS, den Pensionsversicherungsträgern und den Krankenkassen geteilten Zuständigkeiten bei der Vollziehung von neuen Leis­tungen (...) entstehen Schnittstellen, die aufwändige Verwaltungsabläufe und für die Betroffenen statt Verbesserungen Belastungen durch Leistungskürzungen und Rechts­schutzdefizite mit sich bringen. Die BAK“ – die Bundesarbeiterkammer – „stimmt die­sen Verschlechterungen nicht zu.“

Wenn man vom Bundesland Wien spricht, dann ist es jedenfalls so, dass man ja auch, was die anderen Bundesländer anlangt, mit diesen gleichgeschaltet ist. Das geht hi­nein bis in das Mindestsicherungsgesetz, wo nicht alle rechtlichen Rahmenbedingun­gen berücksichtigt sind.

Zu den Fragen: Wurde dieser Kritik nun in der Gesetzesvorlage Rechnung getragen? Wurden die beschriebenen Stellen repariert? – Nein, weil Bundesminister Hundstorfer dort keinen Handlungsbedarf sieht.

Ich denke, dass dieser Handlungsbedarf durchaus gegeben ist, und aus diesem Grun­de wird die freiheitliche Fraktion diesem Entwurf nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stadler: Sensationell!)

19.13


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 184

19.13.10

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich heute schon anlässlich der Aktuellen Stunde von der Kollegin Winzig so charmant eingeladen wor­den bin, mich zu den Kernkompetenzen wieder zu Wort zu melden, nehme ich diese Einladung jetzt gerne an – wenngleich ich natürlich dazusagen möchte, dass dieser kurze Ausflug zur Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union auch für mich eine spannende Angelegenheit war. Aber ich gebe zu, ich war da natürlich gut gebrieft von unserem Bereichssprecher Robert Zehentner, denn das ist jemand, der sich da wirklich hervorragend auskennt.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum vorliegenden Punkt der Ta­gesordnung und zum Sozialrechts-Änderungsgesetz zurückkommen: Werter Kollege Pirolt! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit versucht herauszuhören, warum die Frei­heitlichen gegen das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 stimmen (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt), weil sich das für mich inhaltlich weder im Ausschuss noch heute gravierend nachvollziehbar gemacht hat. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dies insbesondere deshalb, Monika, weil die Freiheitlichen ja immer die I-Pensionisten, die Berufsunfähigkeitspensionisten ganz kritisch im Auge gehabt haben. Und jetzt gibt es einmal – ich gebe zwar zu, das ist Neuland, aber trotzdem – eine maßgebliche, sozialpolitisch interessante positive Entwicklung auf diesem Gebiet, und ich war eigentlich der Meinung, dass die Freiheitlichen das mittragen werden. (Bundesrätin Mühlwerth: ... eh mit allem, aber ...!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vom Kollegen Pirolt der wesentliche Inhalt schon angesprochen worden: Angesprochen sind die unter 50-Jährigen. De facto wird die befristete I-Pension abgeschafft; die unbefristete bleibt erhalten. Das ist im Wesent­lichen der Kern. An die Stelle dieser befristeten I-Pensionen tritt die Rehabilitation be­ziehungsweise treten Umschulungen, verbunden mit einer entsprechenden sozialen Absicherung.

Was aber steckt im Wesentlichen dahinter? Es ist meines Erachtens ein inhaltlicher Kontext auch mit dem vorherigen Tagesordnungspunkt herzustellen, weil psychische Erkrankungen am Arbeitsmarkt jetzt natürlich stärker erfasst werden. Man schaut rechtzeitig hin, fragt: Was ist da Sache, was ist da los? Man könnte es vielleicht etwas schnoddrig formulieren und sagen: Aufbauen statt ausmustern! – Auch das war in diesem Zusammenhang schon zu hören und auch zu lesen.

Meines Erachtens ist das insofern ein sozialpolitisch spannender Ansatz, als man ver­sucht, rechtzeitig Entwicklungen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erfas­sen, die für diese selbst dauerhaft gravierende Nachteile haben – ich nenne das Fak­tum, dass, wenn man früher in Pension geht, das für den durchschnittlichen Invalidi­tätspensionisten 957 € im Monat bedeutet, also auch eine an sich nicht gerade sehr hohe Pension –, dann wissen wir aus der Sozialpolitik und der Statistik, dass die I-Pen­sionistinnen und -Pensionisten eine kürzere Lebenserwartung haben, was auch kein sehr erstrebenswertes Ziel ist, und darüber hinaus, glaube ich, eint uns das politische und sozialpolitische Ziel in diesem Haus, dass wir versuchen, alles Mögliche zu unter­nehmen, dass alle Österreicherinnen und Österreicher, wenn sie einmal im entspre­chenden Alter sind, auch gesund in Pension gehen können.

Klar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – was du, Franz, angesprochen hast –, das Zu­sammenwirken der Pensionsversicherungsanstalt, des Arbeitsmarktservice, der Kran­kenversicherungsträger, all diese Institutionen jetzt zusammenzubringen wird natürlich eine spannende Aufgabe in der Vollziehung, da gebe ich dir recht. Das ist sicherlich eine sehr maßgebliche Herausforderung, weil, wenn es im Bereich der Invaliditätspen­sionen Veränderungen gibt, zweifelsohne grundsätzlich auch ein gewisser Unsicher-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 185

heitsfaktor vorhanden ist. Aber ich glaube, es gibt gute Chancen, diese Institutionen so zusammenzuspannen, dass sie zukünftig auch genau dieses Problemfeld erfassen, insbesondere – und das ist ja nicht gerade unbeachtlich – reden wir von rund 8 500 In­validitätspensionistinnen und -pensionisten jährlich. Ein Viertel dieser I-Pensionen sind unbefristet. Wenn ich das abzähle, ist das eine durchaus nicht nur interessante Ziel­gruppe, sondern auch sozialpolitisch eine beachtenswerte Erneuerung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch der Meinung, dass wir ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben insbesondere deshalb möglichst vermeiden sollten, weil natürlich, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, unglaublich viel an Humankapital verloren geht. Gerade viele, viele Jahre an in einer Branche erworbenem Wissen sollte möglichst auch so lange es geht in der Branche erhalten bleiben. Also viele, viele so­zialpolitische, wirtschaftspolitische, wenn man so will, Überlegungen, die hier im So­zialrechts-Änderungsgesetz neu angesprochen werden, die wir auf neue Art zu be­trachten versuchen.

Insofern bin ich der Meinung, dass es sich zweifelsohne um keine einfache Regie­rungsvorlage in einem sehr sensiblen Bereich gehandelt hat, aber um eine sehr, sehr tolle Ausarbeitung, die gemeinsam geschaffen wurde.

Zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch auf einen Um­stand aufmerksam machen, der im Zuge der politischen Debatte des Nationalrates ge­lungen ist. Da spreche ich konkret den sogenannten § 16 Urlaubsgesetz mit der Pfle­gefreistellung an: Ich glaube, dass wir mit dieser Modifizierung der Pflegefreistellung jenen geänderten Lebenskonkreta Rechnung tragen, von denen wir 2012 und 2013 aus­gehen müssen.

Wir haben diese sogenannte Pflegefreistellung auch für Patchworkfamilien erreicht, da­rüber hinaus auch für leibliche Eltern, wenn sie nicht im gemeinsamen Haushalt leben, und dann auch eine Klarstellung hinsichtlich der Begleitung in die Krankenanstalt, also für einen Krankenhausaufenthalt. Das hat uns in der arbeitsrechtlichen Beratung immer wieder Detailprobleme gemacht.

Ich freue mich, dass wir auf diese konkreten Veränderungen in der Gesellschaft, bei den Familienkonstellationen sozialpolitisch reagieren, indem wir ein modernes Arbeits­recht, eine moderne Sozialpolitik an den Tag legen. Und ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz ausdrücklich auch bei unserem Sozialminister bedanken.

Liebe Kollegin Winzig, ich habe versucht, mich jetzt wieder ein bisschen in der Kern­kompetenz zu betätigen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.20


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


19.20.31

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde gesagt, Kollege Klug hat schon ausgeführt, dass die Invaliditätspension ab dem Jahrgang 1964 schrittweise abgeschafft und durch das System der Rehabilitation in der Krankenversi­cherung und beim AMS ersetzt wird.

Das ist eine Idee, die wir, meine Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, schon vor längerer Zeit immer wieder zur Sprache gebracht haben. Diese Änderung ist begrü­ßenswert und hat auch den Vorteil, dass sich verwaltungstechnisch und auch statis­tisch die Möglichkeit ergibt, dass das effektive Pensionsantrittsalter quasi mit einem Schlag deutlich angehoben wird, nämlich um 16 bis 18 Monate.

Wir haben auch immer gefordert, etwas zu ändern, da die Rehabilitation im Pensions­bereich nicht optimal angesiedelt ist. Was wir aber kritisieren, ist die Umsetzung – Kol-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 186

lege Klug hat das auch kurz angesprochen. Das Zusammenspiel zwischen PVA, AMS und so weiter ist noch nicht ausgereift, da gibt es sicher noch Optimierungsbedarf.

Wo ich auch große Kritik anbringen möchte, ist der folgende Bereich: Was ist zum Bei­spiel mit jenen, die keinen Berufsschutz haben? – Die fallen ja eigentlich da nicht hi­nein, denn wenn man keinen Berufsschutz hat, kommt man nicht in diese Maßnahme hinein, und es gibt halt sehr viele, die keinen Berufsschutz haben, weil sie nichts ge­lernt haben.

Schauen wir uns die Zahlen genau an! Wer geht denn in Frühpension oder wer stellt die meisten Anträge? – Hand aufs Herz, das sind jene, die eine schlechte Ausbildung haben, die gerade einmal einen Pflichtschulabschluss haben oder die vielleicht der deutschen Sprache nicht besonders mächtig sind, die stellen dann einen Antrag auf Frühpensionierung, weil sie de facto kaum vermittelbar sind.

Die Wirtschaft braucht zwar Leute, aber qualifizierte Leute, und so werden sie dann in diesem Kreis herumgeschickt, damit die Zeit vergeht und das reguläre Pensionsan­trittsalter näher heranrückt. Für diese Leute gibt es aus meiner Sicht nach wie vor kei­ne Lösung.

Wie gesagt, der Schritt geht in die richtige Richtung, jedoch das Zusammenspiel zwi­schen AMS und PVA und den Rehabilitationszentren ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher noch optimierungsbedürftig. Aus diesem Grund und auch aus einigen Gründen, die Kollege Pirolt angesprochen hat, werden wir dem unsere Zustimmung nicht ertei­len. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.23


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


19.23.33

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde schon von meinen Vorrednern ge­sagt: Der Schwerpunkt des Sozialrechts-Änderungsgesetzes bei der Invaliditätspen­sion ist, dass künftig medizinische und berufliche Rehabilitation im Mittelpunkt stehen. Das ist wichtig und richtig.

Es wird in Zukunft erhöhtes Arbeitslosgeld, plus 25 Prozent, oder erhöhtes Kranken­geld geben, um da die entsprechenden Schritte einzuleiten, denn es ist unerträglich, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in letzter Zeit immer wieder vertröstet wurden, indem es geheißen hat, dass sie zwar für diesen Beruf nicht mehr geeignet sind, es aber den Ersatz als Portier oder Telefonist gibt – diesen Beruf hat es jedoch nie und nimmer mehr gegeben. Deshalb ist diese Maßnahme, glaube ich, der richtige Schritt.

Ein zweiter Punkt dieser Novelle ist, dass die Berufsfeuerwehr unter das Nachtschwer­arbeitsgesetz fallen. Auch das ist sehr wichtig.

Zum dritten Punkt, der Pflegefreistellung von Pflegeeltern und von Eltern von Kindern in stationärer Behandlung bis zum 10. Lebensjahr, wurde auch schon gesprochen. Auch das ist wichtig.

Es ist das ein gutes Paket für die Familien, ein gutes Paket für die Arbeitnehmer, die es nicht so leicht haben, die invalid sind, und daher können wir dieser Gesetzesnovelle mit bestem Wissen und Gewissen zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.25


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 187

19.25.07

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur auf ein paar Punkte eingehen. Es ist inhaltlich schon alles gesagt worden.

Ich weiß, die Freiheitlichen haben sich schon im Ausschuss schwer getan, Nein zu sa­gen (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und haben sich auch im Plenum schwer getan, Nein zu sagen, aber ich sage es noch einmal: Das Instrumentarium der Begutachtung ist ja dazu da, Meinungen einzuholen. Und Sie werden nach der Be­schlussfassung im Nationalrat von der Arbeiterkammer nur Positives gehört haben. Sie werden von der Stadt Wien überhaupt nichts mehr gehört haben, weil auch das gere­gelt wurde. Das ist ja das Wesen einer Begutachtung. Wenn es nur Zustimmung gäbe, bräuchte ich ja keine Begutachtung. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Es ist so, dass wir im öffentlichen Sektor, sowohl beim Bund als auch bei der Stadt Wien, ein paar Situationen haben, die halt so sind, wie sie sind. Es gibt in Wien Vertragsbedienstete als Mitarbeiter, die bei der Gebietskrankenkasse versichert sind, und Vertragsbedienstete, die bei der KFA versichert sind.

Beim Bund ist es auch so: Der Bund hat Vertragsbedienstete, die bei der jeweiligen Gebietskrankenkasse sind, und seit 2001 sind die neuen Vertragsbediensteten bei der BVA versichert. Das war 2001 eine riesige Novelle, die damals mit Beendigung der Pragmatisierungen gemacht wurde, um diese beiden Krankenversicherungen abzusi­chern. Das ist der ganze Hintergrund, und darum müssen wir auch hier Konstruktionen entwickeln, die dem Rechnung tragen.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist das ein wesentlicher Schritt, um diesen Menschen zu helfen. Denn es muss uns alle, glaube ich, wirklich interessieren, dass es 70 000 Men­schen pro Jahr in diesem Land gibt, die einen Antrag auf I-Pension unterschreiben. 40 000 lehnen wir ohnehin ab, 30 000 gehen positiv hinaus. Und von diesen 30 000 sind zirka 7 000 I-Pensionen befristet, der Rest ist unbefristet. Die unbefristeten I-Pen­sionen wird es weiterhin geben, aber es geht jetzt primär um diese befristete Gruppe und darum, dass wir versuchen wollen, diesen Menschen mit einem Bündel von Maß­nahmen zu helfen.

Dieses Helfen muss sehr frühzeitig erfolgen. Da gibt es ja auch das Projekt fit2work, das wir schon vor einem Jahr beschlossen haben. Jetzt führen wir mit diesem Sozial­rechts-Änderungsgesetz die Anpassung bei der Pension durch.

Und wir machen noch etwas – das ist auch an die Adresse der Grünen –: Wir schauen auch bei denen, die keine Qualifikation haben, nicht weg, denn das AMS hat ab nächs­tem Jahr zusätzlich zu dem Geld, das es ohnehin für Fördermaßnahmen gibt, noch einmal 150 Millionen, die nur für die Generation 50plus reserviert sind, da das natürlich unsere Hauptsorgengruppe ist – neben den Jugendlichen und anderen.

Der Generation 50plus kann man nicht mit normalen Maßnahmen helfen. Da muss man mit Eingliederungsbeihilfen arbeiten, muss man mit dem zweiten Arbeitsmarkt ar­beiten und so weiter.

Sehr erfreulich ist, und das haben wir in der Zwischenzeit erreicht: Bei der Genera­tion 60plus haben wir innerhalb von zehn Monaten einen Anstieg der Beschäftigten um 10 Prozent erreicht. Wir haben um 10 Prozent mehr Beschäftigte in den ersten zehn Monaten gegenüber dem Vorjahr. Das ist etwas sehr Erfreuliches, nämlich dass es uns gelingt, auch da Dinge weiterzuentwickeln.

Demzufolge heißt die Devise: Hinschauen! – Dieses Hinschauen ist mit diesem Gesetz verbunden. Dass wir es daneben noch zusammengebracht haben – das wurde schon erwähnt –, beim Pflegeurlaub eine Anpassung an die Realität vorzunehmen, ist erfreu-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 188

lich. Dass wir bei den Berufsfeuerwehren eine 25 Jahre alte Forderung jetzt umsetzen konnten, ist auch sehr erfreulich. Das heißt, es ist das ein Gesetz, bei dem wir es uns nicht leicht gemacht haben.

Wir haben es uns nicht leicht gemacht, da Dinge zu entwickeln. Wir haben es uns auch nicht leicht gemacht, als es darum ging, wer was macht, denn es ist sehr bewusst das AMS für die Fragen der beruflichen Rehab und es sind sehr bewusst die Gebietskran­kenkassen gemeinsam mit der PVA für die gesundheitliche Rehab ausgewählt worden. Und – das ist ganz neu – bei der Begutachtung ist nicht nur die Medizin vorgesehen, sondern es muss auch ein berufskundliches Gutachten während des unmittelbaren Be­gutachtungsprozesses von der Begutachtungsstelle erstellt werden.

Langer Rede kurzer Sinn: eine massive Änderung unserer Alterssicherungssysteme, eine massive Veränderung, um diesen Menschen zu helfen, denn uns sollte zu denken geben, dass jene, die in die Invaliditätspension gehen, im Schnitt eine um zehn Jahre kürzere Lebenserwartung haben als jene, die normal in Pension sind.

Unser Ziel kann nur sein, zu vermeiden, dass Menschen in Zukunft in diesem Ausmaß in Invaliditätspension gehen. – Ich danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

19.30


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die De­batte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.31.0226. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ziviltechnikergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bundesgesetz über die Sozial­versicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, das Betriebliche Mitarbei­ter- und Selbständigenvorsorgegesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – PF-ÜG) (1992 d.B. und 2033 d.B. so­wie 8827/BR d.B. und 8856/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Todt. Ich bitte um den Bericht.

 


19.31.15

Berichterstatter Reinhard Todt: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, das Ziviltechnikergesetz 1993, das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständi­genvorsorgegesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden – Pensionsfonds-Überleitungsgesetz. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 189

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.32.3927. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Bauar­beiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden (2012 d.B. und 2034 d.B. sowie 8857/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um den Bericht.

 


19.32.55

Berichterstatterin Monika Kemperle: Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezem­ber 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetz und das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Klubvorsitzender Mag. Klug. – Bitte.

 


19.33.38

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegin Winzig, deiner charmanten Einladung, mich im Kernkompetenzbereich einzubringen, konnte ich auch bei diesem Tagesord­nungspunkt nicht widerstehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Bei so viel Charme.

Gestatten Sie mir die eine und andere Anmerkung zur vorliegenden Regierungsvorla­ge, die auf einer Sozialpartnereinigung der österreichischen Bauwirtschaft beruht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang im Wesentlichen zwei legistische Verbesserun­gen und Modifizierungen besonders hervorheben.

Erstens: In Zukunft wird, wenn im Bereich der Baubranche festgestellt wird, dass es zu einer Unterentlohnung der BauarbeiterInnen, überwiegend natürlich der Bauarbeiter, kommt, nicht nur der Unternehmer hinlänglich angezeigt, sondern es wird dem betrof­fenen Bauarbeiter auch eine Information zukommen, dass er unterentlohnt wird.

Das bietet in diesem Zusammenhang eine äußerst interessante Weiterentwicklung im Arbeitsrecht im Wesentlichen, dass natürlich auch der betroffene Bauarbeiter die Mög­lichkeit hat, seine Ansprüche selbst weiter zu verfolgen.

Die zweite Maßnahme, werte Kolleginnen und Kollegen, die ich in diesem Zusammen­hang als durchaus beachtliche sozialpolitische Verbesserung hervorheben möchte, ist,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 190

dass Bauarbeiter, wenn sie in einem Schichtbetrieb eingesetzt werden, nach einer achtwöchigen Schichtarbeit zu einem Zusatzurlaub von einem Tag kommen. Rechnet man die ganze Sache zusammen, dann ist man als Bauarbeiter in einem 40-wöchigen Schichtbetrieb immerhin bei fünf Arbeitstagen Zusatzurlaub – sozialpolitisch eine tolle Verbesserung.

Ich gestatte mir, in diesem Zusammenhang noch einmal in Erinnerung zu rufen: Kolle­ge Edgar Mayer hat in diesem Zusammenhang im Sozialausschuss angemerkt: eine sozialpolitische Verbesserung in einem Bereich, in dem wirklich gehackelt wird – um das etwas salopp zu formulieren.

Ich glaube, dass wir alle sehr, sehr froh sein können, dass es für die Bauarbeiter da zu maßgeblichen sozialpolitischen Verbesserungen kommt. Unsere Fraktion wird dieser Vorlage selbstverständlich gerne die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


19.36.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Klug, ich habe es jetzt ein bisschen einfacher als du, ich muss Frau Winzig nicht fragen, ob ich im Rahmen mei­ner Kernkompetenz reden darf. (Heiterkeit.)

Kollege Klug, du hast das entsprechend beschrieben und natürlich auch vorwegge­nommen, worum es bei diesem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geht. Es ist eine gute sozialpartnerschaftliche Einigung zwischen der Bauwirtschaft und der Ge­werkschaft, das kann man in aller Form hervorheben.

Der zusätzliche Urlaubstag nach acht Wochen im Zweischicht- oder Dreischichtbetrieb wurde ebenfalls bereits erwähnt – eine gute Sache. Wenn man zehn Monate auf dem Bau in diesem Schichtbetrieb hackelt, hat man sich sozusagen eine zusätzliche Woche Urlaub verdient. Das ist sehr gut und auch erwähnenswert, eine gute Lösung!

Ich finde es auch gut, dass – eine bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bekannte Situation im Unternehmerbereich –, wenn der Kollektivvertrag oder der Grundlohn unterschritten wird, das an den Mitarbeiter weitergeleitet wird, dass es da nicht nur eine Anzeige gibt, sondern dass der Betroffene davon informiert wird. Ich denke, das ist auch eine sehr gute Sache.

Zu den Wetterunbilden, Schlechtwetter, was traditionell Regen, Schnee und Frost ist, kommt Hitze, extreme Hitze hinzu. Ich denke, das kann man auch unterstützen. Also eine Erleichterung für all jene Menschen, die nicht nur schwer arbeiten, sondern auch Wetterkapriolen ausgesetzt sind. Ich denke, die Kolleginnen und Kollegen, die am Bau arbeiten, haben schwierigste Arbeitsverhältnisse, und wenn dann noch Wetterproble­me dazukommen, soll es entsprechende Möglichkeiten geben, sodass es nicht nur län­ger Urlaub gibt, sondern man auch versucht, diese Menschen länger im Erwerbsleben zu halten.

Ich denke, schon aus diesem Grund ist das eine sehr wichtige Adaptierung dieses Ge­setzes in guter sozialpartnerschaftlicher Manier.

Ich möchte noch hinzufügen, nach mir kommen noch 40 Redner. – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 191

19.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


19.38.34

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen! Das erinnert mich jetzt schon kleinweise an das Militär, da haben wir auch ständig die aktuelle Lage heruntergezählt. (Bundesrat May­er: Ja! Ich habe gedient!) Detto, ich auch. Das hat mir damals auch durchaus Freude gemacht und hat meine Muskeln gestählt.

Zu dieser Gesetzesänderung ist im Prinzip nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich glaube, dass es in Ordnung ist, dass die Zugriffe letzten Endes über die Datenleitungen erfol­gen, um zu den entsprechenden Informationen zu kommen, wenngleich es durchaus auch Stellungnahmen gibt, die das sehr kritisch sehen, was den Datenschutz anlangt.

Das wird natürlich auch eine Kostensteigerung mit sich bringen. In der Bauwirtschaft ist mittlerweile auch der Index enorm gestiegen. Ich kann das jetzt als Bürgermeister sa­gen, denn ich sehe das bei unseren Bauvorhaben. Aber die Kostensteigerung wird nicht so wild sein, wenn es sich um Vorhaben im öffentlichen Bereich handelt, im Tief­baubereich, wo ein großer Maschineneinsatz am Ende, sage ich, die hauptsächliche Arbeit verrichtet.

Für die Mitarbeiter, die täglich Wind, Wetter und sonstigen Unbilden ausgesetzt sind, bringt dieses Gesetz eine wesentliche Verbesserung, und wir müssen vor allem auf jene schauen, die jetzt noch bereit sind, diese Arbeit vor allem mit der Hände Arbeit, mit der Hände Kraft, mit der Menschen Kraft zu erledigen, denn es wird zunehmend schwieriger, dafür Menschen zu rekrutieren.

Das ist Faktum, das wissen wir, da können wir beinahe 80 Prozent nur mehr durch aus­ländische Arbeitskräfte abdecken. Das ist absolut nicht im Sinne der Politik und auch nicht im Sinne der Wirtschaft. Die Wirtschaft würde wesentlich lieber Menschen aus dem unmittelbaren Bereich einstellen. Hier ist Handlungsbedarf gegeben, diese bes­serzustellen. In diesem Sinne gibt es da Zustimmung. (Allgemeiner Beifall.)

19.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


19.40.45

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist dem, was meine Vorredner gesagt haben, nichts mehr hinzuzufügen. (Ruf: Bravo!) Es freut mich insbesondere als ehemaligen Bauarbeiter, der doch sechs Jahre seiner Lebenszeit auf der Baustelle verbracht hat und weiß, unter welch widrigen Bedingungen man da ar­beiten muss, dass es zu Verbesserungen kommt. (Bundesrat Mayer: So alt bist du ja noch gar nicht!)

Früher hat es, wenn es kalt war, einen 60er gegeben. Jetzt gibt es ihn sozusagen auch, wenn es heiß ist, und das ist eine der Verbesserungen für die Menschen, die im Hoch- und Tiefbau oder auch im Straßenbau arbeiten. In diesem Sinne werden auch wir unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

19.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 192

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.41.5328. Punkt

Sozialbericht 2011–2012 (III-478-BR/2012 d.B. sowie 8858/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. Ich bitte um den Bericht.

 


19.42.02

Berichterstatterin Monika Kemperle: Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz über den Sozialbericht 2011–2012 liegt in schriftlicher Form vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Sozialbericht 2011–2012 zur Kennt­nis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


19.42.33

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sozialbericht 2011–2012 ist einer jener Berichte, die fertig sind, bevor das Jahr um ist. Das ist hochlöblich, es ist wichtig, dass das aktuell ist. Ich glaube, gerade in diesen Bereichen, in denen es darum geht, Men­schen in Beschäftigung zu halten, deren Umfeld zu erfassen, es zu durchleuchten, ist es notwendig, dass man ständig am Ball ist und bleibt.

Ich möchte diesen Bericht, der immerhin 350 Seiten aufweist und begrifflich durchaus sehr gut unterlegt ist, aber von unserer Seite nicht nur ungeteilte Zustimmung erhalten wird, auch kritisch betrachten. Ich möchte jetzt als Kontraredner auf ein paar Dinge hin­weisen, die aus unserer Sicht nicht das widerspiegeln, was der Markt und das Umfeld eigentlich ergeben.

Ich teile das jetzt in die drei großen Bereiche – die Redezeit erlaubt nicht mehr –: erstens: Arbeit und Arbeitsmarkt; zweitens: Renten, und drittens gibt es noch einen Be­reich, den man nicht ganz außer Acht lassen sollte, nämlich die Armut, die es trotz Ar­beit und sozialem Auffangnetz gibt; auch dem muss man sich widmen.

Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2010 war durchaus zu bemer­ken. Ich als Bürgermeister als Auftraggeber oder – umgekehrt – ich als Auftragnehmer als Unternehmer muss sagen, dass man das gespürt hat. Es ist nach den Jahren 2008 und 2009, in denen die Konjunktur eingebrochen ist, aufgrund der unternehmerischen Fähigkeiten, aber auch aufgrund der Programme der Bundesregierung zu einem An­stieg der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse gekommen. (Bundesrat Todt – Beifall spendend –: Da kann man nur applaudieren!)

Das ist durchaus klar, aber ich habe auch klar gesagt, dass die Unternehmer einen großen Anteil daran haben.

Der Erfolg war so groß, dass die Erwerbstätigenquote fast auf einem Rekordniveau lag, nämlich bei 3 323 000 Beschäftigten.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 193

Im Zusammenhang mit dem österreichischen Arbeitsmarkt heißt es unter „Ziele und Aufgaben“ im Arbeitsmarktförderungsgesetz:

„Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat mit allen zu Ge­bote stehenden Mitteln zur Erreichung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und zur optimalen Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes beizutragen.“

Das geschieht im Wesentlichen mit dem AMS, das aber gleichzeitig auch ein fürch­terlich holpriger Verband ist und im Prinzip teilweise an der realen Wirtschaft des Ar­beitsmarktes vorbeiarbeitet. Das ist einfach zu spüren. Deshalb gibt es ja Gott sei Dank private Unternehmer und Arbeitskräfteüberlasser, die in diesen Bereichen zum Teil mehr Erfolg haben und bessere Erfolge aufweisen können. (Zwischenruf des Bun­desrates Todt.) Ich habe das auch schon in der letzten Plenarsitzung gesagt, auch die Arbeitskräfteüberlasser werden so überwacht, dass sie sich keine Blitzer mehr leisten können. Das geht nicht mehr, lieber Herr Kollege.

Faktum ist, das Arbeitsmarktservice verwendet enorme Mittel, um Menschen in Berei­chen zu schulen, für die sie nicht geeignet sind. Das wird immer wieder festgestellt, und darauf muss man auch immer wieder hinweisen. Stattdessen würden wir aber För­derungen brauchen, die direkt bei der Wirtschaft ankommen, wo man Menschen quasi im System learning by doing hinschickt und diese Leute dann den Job mit der Hände Arbeit vor Ort erlernen. Einfach nur am Schreibtisch etwas zu lernen und nach drei Mo­naten dann eine umgeschulte Arbeitskraft für die Wirtschaft zu haben, ist aufgrund der heutigen Komplexität undenkbar.

Der Arbeitsmarktbericht beschäftigt sich auch mit der Situation der Frauen. Wenn gera­de von Ihrer Seite ständig gejammert wird, dass die Frauen im Einkommensbereich wesentlich hinter den Männern herhinken, dann muss ich schon einmal feststellen, dass, wenn ich eine Frau anstelle, diese bei mir in der Firma gleich viel verdient wie ein Mann. Ich habe noch nie gehört, dass es zwei Kollektivverträge gibt, einen für den Mann und einen anderen für die Frau, das geht auch nicht. Der Unterschied resultiert dann daraus, dass vielleicht jemand einen Halbtagsjob annehmen muss. Das sollte jetzt aber deshalb nicht auf die Erwerbsquote oder zumindest auf die Einkommens­quote heruntergebrochen werden. Es wird ja zum Teil auch frei ausgesucht.

Die Arbeitsintegration ist ein weiterer Punkt – wir sind ja vorher beim Invaliditätsgesetz gewesen. Es ist ja auch so, dass sich Unternehmer massiv schwer tun, Menschen, die zum Teil benachteiligt sind, in Dienstverhältnisse zu bringen. Das zwängt den Unter­nehmer praktisch so weit ein, dass er, wenn er ein Beschäftigungsverhältnis eingeht, damit auch sehr große Verantwortung übernimmt und vor allem Gefahr läuft, dass er auch dann, wenn es nicht wirklich funktioniert, das Arbeitsverhältnis nicht so einfach auflösen kann. Auch das ist ein manifestes Problem für die Wirtschaft, da man in diesem Fall auf momentane Situationen nicht leicht reagieren kann.

Da ich die Arbeitsintegration angesprochen habe: Es gibt auch noch das Thema der Asylanten. Dieses ist da drinnen überhaupt nicht berücksichtigt. Und da muss ich schon feststellen, dass das Asylantenproblem mit dem Nicht-Arbeiten-Können  (Bundesrat Todt: Das Innenministerium ist dafür zuständig! Das hatten wir schon!) Ja, ja, aber es ist trotzdem auch eine arbeitsmarktrelevante Angelegenheit, Herr Kollege. Es wird ja trotzdem nicht anders möglich sein, als dass diese Menschen, sobald sie in Österreich sind, auch dem Arbeitsmarkt zugeführt werden. Es kann doch nicht sein, dass wir, wenn Asylverfahren über Jahre dauern, Menschen vom Arbeitsmarkt einfach ausschließen. Das ist nicht in Ordnung, solange die Verfahren laufen. Da haben wir ein absolutes Pro­blem. Ich habe in meiner Stadtgemeinde auch Quartiergeber für Asylanten, und die Stim­mung ist fürchterlich schlecht, wenn diese Menschen über Jahre nicht arbeiten dürfen. (Bundesrat Mayer: Ich habe mir immer gedacht, ihr wollt sie ausweisen!) – Das hat da­mit nichts zu tun.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 194

Herr Kollege, du kannst mich dann später auf ein Achterl Wein einladen und dann kannst du dir deinen Kummer von der Seele reden. Aber bleiben wir doch jetzt bitte bei der Sache.

Faktum ist, wir müssen diese Menschen mit einbinden. Ich selbst habe es persönlich erlebt, dass vor mir ein Syrier sitzt, das ist Tatsache, der mich angrinst und mir erklärt, dass er in Österreich nie arbeiten wird. In diesem Fall ist auch entsprechend restriktiv vorzugehen, denn das sind genau die Punkte, bei denen die Menschen bei uns auf­grund des Bauchgefühls sagen: Na ja, das ist ja kein Zustand, wie man da mit Men­schen umgeht und sie vor allem auch gewähren lässt! – Das ist das eine, das war zur Arbeit.

Dann komme ich zum Punkt Renten, Pensionen und Pensionsantrittsalter und all den Dingen, die damit verbunden sind. Seit 1970 ist das durchschnittliche Pensionsantritts­alter bei den Direktpensionen um drei Jahre gesunken. Sehr geehrte Damen und Her­ren, damals wurde bei wesentlich geringerer Lebenserwartung länger gearbeitet als heute. Jetzt kann man das durchaus ein bisschen dem Wiederaufbau zusprechen, aber am Ende sollten wir  (Zwischenruf des Bundesrates Todt.– Kollege Todt, es ist so gewesen. (Bundesrat Todt: Aber im Bericht steht drinnen, welche Maßnahmen gesetzt worden sind!) – Es hilft ja nichts. Wenn Maßnahmen gesetzt worden sind, die dazu geführt haben, dass am Ende drei Jahre weniger gearbeitet wurde, dann, muss ich sagen, sind die Maßnahmen nicht besonders gut gewesen.

Zu der Tatsache, dass die Menschen drei Jahre früher in Pension gehen, kommt noch, dass sie aufgrund längerer Ausbildung auch wesentlich später ins Berufsleben ein­steigen. Also diese Schere ist ebenfalls auseinandergegangen. Daher muss man ver­suchen, sie zu schließen. Wir werden es auch auf Dauer nicht aushalten.

Wenn der Altersforscher Georg Wick sagt, dass wir letzten Endes zu einer Ein-Gene­rationen-Gesellschaft kommen müssen, dann meint er damit auch, dass wir die „akti­ven Alten“ – unter Anführungszeichen – brauchen werden, die einfach dann außerhalb des Erwerbslebens für die Familie, für Soziales und sonst etwas da sind, wo aber die Freiwilligkeit – da stimme ich durchaus mit Ihnen überein – einen entsprechenden Stel­lenwert haben muss.

Wenn ich jetzt ein norwegisches Beispiel bringen darf, was den Pensionsantritt an­langt: Mein Onkel, also Vaters Bruder, ist in Norwegen verheiratet. Er ist 70 Jahre alt und arbeitet zu 50 Prozent, seine Frau, diplomierte Krankenschwester, 69 Jahre, steht ebenfalls zu 50 Prozent im Erwerbsleben. Dann fragt man sich: Wie ist denn das dort möglich? – Die haben kein Problem damit, das ist dort Usus.

Und dann gibt es eine Statistik dazu: Wenn man länger arbeitet, bleibt man auch geis­tig und körperlich länger fit. Also auch das, die haben eine bessere Gesundheitsstatis­tik vorzuweisen, obwohl sie länger arbeiten.

Da geht es jetzt um Bewusstseinsbildung, denn wenn man heute mit 53-, 54-Jährigen redet, dann erfährt man, dass ihr einziges Ziel ist, möglichst schnell in Pension zu gehen. – Es tut mir leid, das kann doch kein Ziel sein. Das Ziel muss sein, möglichst lange im Erwerbsleben zu bleiben. Dann sind wir eigentlich schon wieder dort, wovon ich vorhin gesprochen habe, bei der Armut. Die Armut ist natürlich eine Katastrophe.

Auch dieser Bericht weist am Ende aus, dass die manifeste Armut, das heißt die Zahl jener Menschen, die nicht wirklich heizen können, die beim Lebensmittelkauf die billi­gen Güter, sage ich einmal, kaufen müssen, in Hinkunft weiter steigen wird. Dann ha­ben wir auch da eine Schieflage. Da ist durchaus auch Handlungsbedarf gegeben. Es ist halt ein Problem, wenn wir ein Einkommensgefüge von 1 200 € haben und dann da­von noch die Pension herunterbrechen. Wo sollen die Menschen überhaupt das Geld zum Überleben hernehmen?


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 195

Jetzt habe ich, glaube ich, lange genug gebraucht, das Licht leuchtet bereits rot. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freiheitlichen werden diesem Sozialbericht in dieser Form nicht zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


19.53.36

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Pirolt, zum Thema Einkommensunterschiede bei Frauen, die du angesprochen hast, wird dir meine Kollegin dann entsprechende Antworten geben.

Komischerweise sehe ich immer Statistiken, wo das natürlich drinnen ist. Die letzte, die ich gesehen habe, war die vom Rechnungshof, und zwar im Rahmen des Einkom­mensberichtes. Da sehe ich auch, dass die Männer mehr verdienen als die Frauen. Das ist also ganz komisch. Das wird in allen Statistiken erwähnt, du stellst das etwas in Abrede – die Kollegin wird dir die Antwort geben.

Aber jetzt zum Sozialbericht 2011 bis 2012. Vorerst möchte ich einmal meinen Dank an alle, die ihn erstellt haben, die also daran beteiligt waren, für dieses umfassende Werk aussprechen. Ich bitte dich, lieber Herr Minister, diesen Dank auch entsprechend wei­terzugeben.

Der Bericht wird alle zwei Jahre erstellt und herausgegeben und zeigt vom Grundsatz her in sehr anschaulicher Weise die sozialpolitischen Leistungen der Bereiche Arbeit, Beschäftigung, Soziales und Konsumentenpolitik sowie internationale Zusammenarbeit und sozialpolitische Grundsatzangelegenheiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen uns im europäischen Vergleich nicht zu verstecken. Die Bilanz kann sich sehen lassen und zeigt, dass unsere Regierung, da im Speziellen unser Bundesminister Rudi Hundstorfer, die Auswirkungen der Krise be­sonders gut gemeistert hat. Im Gegenteil, wir sind – und du sagst es ja immer – in vie­len sozialen Bereichen Europameister, ja sogar Weltmeister. Darauf können wir auch sehr stolz sein.

Alle Blickwinkel des Sozialberichts zu beleuchten würde meine Redezeit sprengen, und ich könnte es dann nicht mehr so kurz machen.

Ich möchte aus meiner Sicht als Generalsekretär des Pensionistenverbandes Öster­reichs, der größten Pensionistenorganisation in Österreich, ein paar Eckpunkte aufzei­gen. Neben den generellen positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt umfasst die Arbeitsmarktoffensive – und jetzt hör gut zu, Kollege Pirolt! – erfreulicherweise Maß­nahmen für 2013 bis 2016 mit einem zusätzlichen Volumen von insgesamt 750 Millio­nen €, und zwar insbesondere für die Zielgruppe älterer, gesundheitlich eingeschränk­ter ArbeitnehmerInnen, um ältere ArbeitnehmerInnen länger im Erwerbsleben zu hal­ten, unter anderem dadurch, dass Neuzugänge zur Invaliditätspension – wir haben heute schon darüber gesprochen – durch Gesundheitsprävention und Rehabilitation verringert werden.

Die Daten betreffend Art und Dauer des Übertritts in die Pension weisen darauf hin, dass verbesserte Erwerbschancen für ältere Personen und präventive Gesundheits­maßnahmen wesentliche Voraussetzungen für eine Anhebung des tatsächlichen Pen­sionsantrittsalters darstellen – was wir alle anstreben, Herr Kollege. Wir jammern nicht nur, sondern tun auch etwas in dieser Richtung.

Im Bereich der Pensionsversicherung wird die bisherige Parallelrechnung 2014 durch eine Kontogutschrift ersetzt. Das sogenannte Pensionskonto wird verwirklicht. Ab die­sem Zeitpunkt gilt nur mehr eine Berechnung für alle Pensionen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 196

Auch die Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Hacklerregelung, für die Korridorpension und die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sind keine populären Maßnahmen, die gesetzt wurden. Es muss aber zu einer Verringerung der Zahl jener, die diese Pensionen in Anspruch nehmen, kommen. Diese Maßnahmen sind notwendig, waren notwendig und sind ein guter Schritt unter der Ägide unseres Bundesministers Hundstorfer. Dieser Schritt dient auch zur finanziellen Absicherung im Sozialbereich.

Im Bereich des Pflegegeldes kam es in den Jahren 2011 und 2012 ebenfalls zu großen Änderungen zum Wohl der zu Pflegenden. Die Zugangskriterien zu den Pflegestufen 1 und 2 wurden geändert. Gleichzeitig wurde der Auszahlungsbetrag bei Pflegestufe 6 erhöht. Die Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz wurde dahin gehend geändert, dass neben den ärztlichen Sachverständigen auch Angehörige des gehobe­nen Dienstes für Gesundheit und Pflege für die Begutachtung im Bereich des Pflege­geldes herangezogen werden können. Die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompe­tenzen wurden von den Ländern auf den Bund übertragen, und damit wurde das Pfle­gegeld auf den Bund konzentriert.

Weiters wurde 2011 der Pflegefonds eingerichtet und jetzt auch klargestellt, dass dieser Pflegefonds steuerfinanziert bleibt. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Ent­scheidung.

Des Weiteren wurden wichtige Qualitätsmerkmale in der Pflege eingeführt, um die ho­hen Qualitätsstandards zu sichern. Im Rahmen der Qualitätssicherung in häuslicher Pflege erfolgten insgesamt bereits mehr als 100 000 Hausbesuche, etwa 20 000 davon im Jahr 2011.

Mit den neuen Qualitätsindikatoren wird die Qualität der häuslichen Pflege anhand ob­jektiver und intersubjektiv nachvollziehbarer Parameter beurteilt.

Einen Meilenstein in der österreichischen Seniorenpolitik stellt der Bundesseniorenplan für Seniorinnen und Senioren dar. Er ist eine zukunftsweisende Grundlage für die Ar­beit für die ältere Generation und soll der Herstellung, Wahrung oder Hebung der Le­bensqualität aller älteren Menschen dienen. Die Vertreter des Seniorenrates waren im Ministerium aktiv in die Erstellung eingebunden.

Eine der wichtigsten Grundlagen des Dokuments ist der Forderungskatalog des Öster­reichischen Seniorenrates mit Schwerpunkt auf Integration aller Alters- und Bevölke­rungsgruppen.

Der Seniorenplan umfasst alle Lebensbereiche. Er ist aktuell und gleichzeitig visionär, nicht nur der demographische Wandel, sondern auch die neuen Lebenswelten älterer Menschen werden durch ihn berührt.

Dadurch, dass der Plan keine tagespolitischen Forderungen enthält, sondern nur rich­tungsweisend wirken will, geht seine Bedeutung weit über die Gegenwart hinaus. Die unterschiedlichen Bedingungen des Lebens älterer Menschen und die subjektive Ein­schätzung dieser Bedingungen werden nicht nur dargestellt, sondern mit konkreten umsetzbaren Appellen an die Politik und Gesellschaft verbunden. – Ein Plan, der im Bereich der europäischen und auch der internationalen Seniorenpolitik einzigartig ist, ein Plan, um den man uns beneidet.

Ein wesentlicher Punkt im Hinblick auf Seniorenpolitik ist aber auch die Freiwilligen­arbeit. Freiwilligenarbeit bedeutet speziell für ältere Menschen nicht nur einen Dienst am anderen, sondern auch einen Dienst an sich selbst. Gerade Menschen, die nicht in einen familiären Verband integriert sind, und auch Menschen, denen der Übergang in die Pension Probleme bereitet, bietet sich so die Chance, sich sozial in neue Gefüge zu integrieren.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 197

Betrachtet man die Statistik der 50-plus-Generation in der formellen Freiwilligenarbeit, das heißt, in der Freiwilligenarbeit, die im Rahmen von Vereinen oder Institutionen erfolgt, so ist zu sagen, mit 31 Prozent sind diese Menschen gleichauf mit den unter
50-Jährigen. Mit fast sieben Stunden pro Woche leisten Seniorinnen und Senioren einen wertvollen Beitrag in der außerhäuslichen Freiwilligenarbeit.

Im Rahmen des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit unterstützte Bundesmi­nister Hundstorfer zahlreiche Maßnahmen, Projekte und Initiativen zur Förderung von Freiwilligenengagement und schuf mit dem unter seiner Ägide eingeführten Bundesge­setz zur Förderung von Freiwilligenengagement, welches am 1. Juni 2012 in Kraft ge­treten ist, erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Freiwilligentätigkeit in Österreich, das Fundament einer solidarischen und sozialen Gesellschaft.

Aktuell befinden wir uns noch im Jahr des aktiven Alterns. „Aktives Altern“ bedeutet, bei guter Gesundheit und als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft älter zu werden, ein erfülltes Berufsleben zu führen, im Alltag unabhängig und als Bürger engagierter zu sein. Ich sehe es täglich in meiner Organisation. Wir können unabhängig von unserem Alter eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen und höhere Lebensqualität genie­ßen. Wichtig ist, dass wir selbst das große Potenzial ausschöpfen, über das wir auch im hohen Alter verfügen.

Österreichs Sozialsystem, auf das wir stolz sein können, liegt an der Spitze. Bundesmi­nister Hundstorfer bietet der Bevölkerung einen wunderbaren institutionellen Rahmen und die Sicherheit, dass wir die Zeiten der Krise auch weiterhin so gut meistern.

Ich möchte mich bei allen Frauen und Männern, die im Sozialbereich arbeiten – ob be­schäftigt oder freiwillig –, bedanken und dem Bundesminister zu diesem hervorragen­den Bericht und seiner guten Arbeit gratulieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


20.05.00

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2012 ist noch nicht zu Ende, und schon liegt dem Bundesrat der Sozialbericht 2011–2012 vor. Mit dieser Aktualität ist der Sozialbericht ein Live-Bericht. Herr Bundesminister, ich möchte mich bei Ihnen, auch bei Ihrem Kabinett, bei den MitarbeiterInnen in Ihrem Ministerium recht herzlich für dieses großartige, umfassende Portrait unseres Sozialstaates bedanken! Es ist wirklich ein sympathisches Portrait, ein Erfolgsportrait, denn Österreich ist in Europa weltweit das Sozialland Nummer eins. Auf diese Qualität können wir zu Recht stolz sein.

Die aus meiner Sicht wichtigste Botschaft, die wichtigste Nachricht in diesem 350 Sei­ten umfassenden Bericht ist die Tatsache, dass der Anteil jener Österreicher, die ar­mutsgefährdet sind, sinkt. Das ist ein Erfolg! Die Armut sinkt in Österreich – das ist eine Erfolgsgeschichte, um die uns beinahe alle Staaten der Welt beneiden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wen definieren wir als „arm“ oder „armutsgefährdet“? – Armutsgefährdet sind in unse­rer Welt, in unserem Land Menschen, die jährlich weniger als 12 371 € zur Verfügung haben. In den letzten Jahren ist der Anteil der armutsgefährdeten Menschen in Öster­reich gesunken, und das trotz – sage ich einmal – einer international schlechten Ent­wicklung am Arbeitsmarkt, trotz einer Wirtschaftskrise, die wir noch in den Jah­ren 2010/Anfang 2011 durchstehen mussten.

Österreich – und das muss man auch sehen – ist ein Land mit beinahe Vollbeschäfti­gung, doch leider, Herr Bundesminister, schwindet der Anreiz, einer Arbeit nachzuge-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 198

hen, denn Österreich ist ein Hochsteuerland innerhalb der OECD-Staaten. Man darf nicht übersehen, dass wir mit einer Fiskalquote von beinahe 50 Prozent einen für Ar­beitnehmer teuren Platz 5 im internationalen Vergleich einnehmen. Das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist auch die Kehrseite, die andere Seite der Medaille un­seres Wohlfahrtsstaates. Wer für den Wohlfahrtsstaat sorgt, wer Verantwortung tragen will, der muss auch ein Bewusstsein für die Entwicklung der Arbeits- und Lohnkosten haben. Auf die Arbeits- und Lohnkosten dürfen wir im Ausbau, im Modernisieren, im Erneuern unseres Sozialstaates nicht vergessen.

Der Bericht zeigt, wo wir stehen, welche Qualität und welche Stärke unser soziales Netz hat. Er zeigt auch, dass der Wohlfahrtsstaat einen guten, einen starken Unterbau braucht. Ein guter Wohlfahrtsstaat braucht eine starke Wirtschaft, und diese Wirtschaft ist auch der Motor für die hohe Beschäftigung in Österreich. Im Jahr 2011 hatten beina­he 3,4 Millionen Österreicher eine Beschäftigung, im Jahr 2012 haben wir 50 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, und mit einer Arbeitslosenquote von rund 4,2 Prozent sind wir tatsächlich Europameister auch in Sachen Beschäftigung. Das ist eine Rate, um die uns Europa wirklich beneidet.

Aber der wirkliche Trumpf, das Ass in unserer Soziallandschaft ist die hohe Jugendbe­schäftigung. Österreich hat sich diesbezüglich wirklich hervorgetan mit der Ausbil­dungsgarantie für Jugendliche. Das, Herr Bundesminister, ist europaweit eine vorbildli­che Aktion, denn wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Und unsere Jugend in Österreich hat Zukunft, vor allem durch die Ausbildungsgarantie. Jeder kann darauf vertrauen, dass er eine Lehrstelle oder, wenn ihm vom AMS keine Lehrstelle angeboten werden kann, zumindest einen Lehrplatz erhält.

Diese Ausbildungsgarantie haben wir auch auf andere Bereiche ausgedehnt, auch auf andere Zielgruppen, auf Menschen in Österreich, die es nicht so leicht haben. Die Be­hinderten waren eine Zielgruppe in den letzten zwei Jahren. Wir haben auch sehr viel für die Frauenbeschäftigung getan, weil wir der Frau Chancengleichheit ermöglichen wollen (demonstrativer Beifall der Bundesrätin Blatnik), weil es uns auch darum geht, dass Frauen Familie und Beruf vereinbaren können, dass Frauen in Österreich Kar­riere machen können.

Der Bericht zeigt, das soziale Netz ist engmaschiger geworden, wir haben es dichter geknüpft, aber der Bericht zeigt auch auf, wo Lücken bestehen und wo sich Löcher auftun, Herr Bundesminister! Eine große Frage ist: Bleibt der Sozialstaat auch in Zu­kunft finanzierbar? Diese Frage bewegt viele Menschen in Österreich. Ich sage, und wir wissen: Ja, er bleibt auch in Zukunft finanzierbar, das setzt aber voraus, dass wir rechtzeitig handeln, reformieren und ständig modernisieren.

Es geht dabei aber nicht um immer mehr Geld, nein, sondern es geht darum, im Sys­tem anzusetzen. So können wir etwa auf Steuererhöhungen verzichten. So können wir auch der gestiegenen Alterslast begegnen, indem wir uns rechtzeitig auf eine älter wer­dende Generation vorbereiten, indem wir, Herr Bundesrat Todt, etwas tun, was das Pensionsantrittsalter betrifft. Wir haben bereits Maßnahmen gesetzt, aber ein Sozial­staat, der es geschafft hat, die Lebenserwartung so stark zu erhöhen wie unser öster­reichischer Wohlfahrtsstaat, der muss auch etwas tun in Sachen Pensionsantrittsalter. Leugnet er diese Entwicklung, dann läuft er Gefahr, sich abzuschaffen oder selbst zu zerstören.

Das ist ganz, ganz wichtig. In Sorge um den Sozialstaat, in Sorge um unseren Wohl­fahrtsstaat müssen wir uns wirklich mit der zunehmenden Alterung, mit dem Älter-Werden, das uns Gott sei Dank gelungen ist, beschäftigen. Dabei geht es natürlich ums Thema Pensionen, aber wir sind auch aufgerufen, etwas in der Pflege  (Bun­desrat Todt: Die Maßnahmen sind ja gesetzt!) – Ja, aber wir werden weitere Maßnah­men brauchen. Das zeigt uns auch der Bericht sehr deutlich auf. Vor dieser Entwick-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 199

lung dürfen wir die Augen nicht verschließen, auch dafür müssen wir ein Bewusstsein haben. Dafür werbe ich, dass wir wirklich vorausschauen auf die Jahre 2020 und 2030.

Was wir bei den Pensionen zu bewältigen haben, das haben wir auch im Bereich Pfle­gevorsorge zu bewältigen. Der Pflegefonds, der geglückt ist, war ein Meilenstein, ein weiterer Meilenstein war die Verlängerung des Pflegefonds. Das schafft über 1,3 Mil­liarden in die Kassen der Länder und der Gemeinden, die diese zur Finanzierung der Pflege dringend brauchen.

Wenn wir schon von der Pflege sprechen, dann müssen wir uns auch die Systeme, die Standards in den Bundesländern anschauen. Dabei fällt auf, dass ein Pflegeplatz in Wien den Steuerzahler viermal mehr kostet als ein Pflegeplatz im Land Steiermark oder im Land Oberösterreich.

Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen das Thema Pflege wirklich ernst nehmen. Wir könnten auch als Bundesrat, als Vertretung der Länder, die primär zuständig sind für die Pflege, die Initiative ergreifen und sagen: Kümmern wir uns um eine Harmonisierung der Pflegestandards, denn es ist ja egal, ob wir als Ober­österreicher oder als Wiener – das betrifft uns alle gleich – unseren Lebensabend in einem Heim verbringen werden! Da sitzen wir alle im selben Boot, und ich glaube, im Sinne einer Gleichberechtigung, einer Gleichbehandlung haben wir auch Anspruch auf dieselbe Qualität und denselben Standard. Also die Harmonisierung der Standards in der Pflege wird ein Zukunftsthema sein, um das wir uns zu bemühen haben werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht ist ein interessanter Bericht. Er lädt ein zum Weiterarbeiten, auch zum Reformieren und zum Runderneuern eines Sozial­staats, denn auch der Sozialstaat steht im Wettbewerb. Er ist einfach ein wichtiges Modell, für das wir gemeinsam Sorge tragen, über das wir in den nächsten Jahren in­tensiv weiterdiskutieren und an dem wir in den nächsten Jahren auch weiterbauen wer­den. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


20.14.46

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuschauerInnen zu Hause! Ich werde jetzt auch über den Sozialbericht 2011–2012 sprechen. Ich will das jetzt gar nicht bewerten, aber Kollege Jachs hat angeführt, dass die Armut sozusagen rückläufig ist. Ich werde jetzt aus dem gleichen Bericht zitieren und genau das Gegen­teil behaupten. Das verdeutlicht eigentlich nur  (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Der Standpunkt bestimmt die Perspektive.

Dieser Sozialbericht ist sehr ernüchternd, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Kernaussage ist, dass das österreichische Vermögen ungleich verteilt ist. Die Armut steigt und wird das weiterhin tun, und seit dem Jahr 2005 hat sich die Zahl der von ma­nifester Armut Betroffenen verdoppelt. Unter die Bezeichnung „manifest arm“ fallen je­ne Menschen, die sowohl über weniger als 60 Prozent des medianen Einkommens ver­fügen als auch finanziell benachteiligt sind, die also ihre Wohnung nicht ordentlich warmhalten können, sich Arztbesuche nicht leisten können oder denen nahrhaftes Essen und neue Kleidung zu teuer sind. Von dieser Situation, Kollege Jachs, waren im Jahr 2010 eine halbe Million Menschen betroffen, rund 140 000 Personen mehr als noch im Jahr 2005. Deshalb weiß ich nicht, wie du jetzt sozusagen auf eine „rück­läufige“ Armutsquote kommst.

Selbst die Armutskonferenz, die aus externen NGOs besteht, sagt immer wieder, dass die Armut im Steigen begriffen ist. Wir brauchen nur in die Obdachlosenzentren zu


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schauen – die Gruft, ein paar hundert Meter von hier entfernt –, die sind voller als voll. Die Armut ist aus meiner Sicht zunehmend, so wie ich das interpretiere aus dem Be­richt. (Beifall bei den Grünen.)

Noch deutlicher ist die Zunahme von langfristig verfestigter Armut bei den Jugendli­chen und Frauen zu erkennen. In den Jahren 2005 bis 2010 hat sich die Zahl der Men­schen, die in zwei aufeinanderfolgenden Jahren finanziell benachteiligt waren, mehr als verdoppelt. Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen hingegen nahm trotz der Wirtschaftskrise in den letzten Jahren ab. Da gebe ich dir vollkommen recht, Kollege Jachs! Im internationalen Vergleich stehen wir natürlich viel besser da als die anderen Länder.

Vorgestern wurde der Einkommensbericht des Rechnungshofes präsentiert, und selbst aus dem geht hervor, dass die Einkommensschere immer weiter auseinandergeht. Deshalb kann ich deine Einschätzung, ehrlich gesagt, nicht besonders gut nachvollzie­hen. Aber gut, ich lasse das jetzt einmal so im Raum stehen.

Am stärksten betroffen sind weiterhin Jugendliche und Frauen. Für Letztere gilt eine Gefährdungsquote um fast ein Drittel höher als für Männer. Aus dem Sozialministerium wird darauf hingewiesen, dass der Bericht die Veränderungen durch die Einführung der Mindestsicherung, die mit dem Jahr 2010 nach dem Erhebungszeitraum liegt, noch nicht berücksichtigt.

Ein weiterer Punkt des Sozialberichts umfasst das Thema der Verteilungsgerechtigkeit. Dafür möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, und auch Ihren Mitarbeitern sehr herzlich danken, denn auch darin wird festgehalten – und das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – und festgestellt, dass auf die vermögendsten 5 Pro­zent fast die Hälfte des Gesamtvermögens entfallen, während sich die untere Hälfte al­ler Haushalte nur 4 Prozent aufteilt. Auch innerhalb der Lohneinkommen würden Un­gleichheiten steigen, durch Steuern und Sozialtransfers werde die Verteilung der Brut­toeinkommen allerdings beträchtlich korrigiert.

Also Sie sehen, man kann den gleichen Bericht lesen und unterschiedliche Auffassun­gen haben, aber jedem das Seine. Ich möchte auf jeden Fall den MitarbeiterInnen Ih­res Hauses, sehr geehrter Herr Minister, für den ausführlichen Bericht recht herzlich danken! Wir werden ihm natürlich unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

20.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


20.19.24

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einiges ist schon gesagt worden, ich möchte trotzdem noch auf zwei Bereiche eingehen, die mir besonders wich­tig sind.

Der eine Bereich ist die Behindertenpolitik. Es waren zirka 50 000 Menschen, die von den Förderungen und Unterstützungen der Beschäftigungsoffensive profitiert haben. Das heißt, es waren 320 Millionen €, die als Unterstützung gegeben wurden.

2011 wurde auf großes Drängen der Arbeitgeber eingeführt, dass der Kündigungs­schutz von behinderten Personen erst später in Kraft tritt. Dem ist der Minister nachge­kommen. Die Arbeitgeber haben das als großes Hindernis für sich deklariert und haben gesagt, dass es daher sehr, sehr schwer sei, behinderte Menschen in ihren Betrieben einzustellen. Es ist jetzt so, dass der Kündigungsschutz erst nach vier Jahren in Kraft tritt, das war vorher innerhalb von sechs Monaten der Fall.


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Ich gebe Kollegem Jachs recht, wenn er sagt, der Sozialstaat sei vielleicht in Gefahr – aber nicht deswegen, weil die sozialen Einrichtungen und die sozialen Maßnahmen, die wir treffen, nicht finanzierbar sind, sondern deswegen, weil einfach ein Teil der So­zialpartnerschaft nachlässt, und das sind die Arbeitgeber, und das ärgert mich schon. Schauen wir uns das an: Je 25 Dienstnehmer muss ein Platz für einen begünstigten behinderten Menschen zur Verfügung stehen. Es ist so, dass 2011 die Ausgleichstaxe 93 Millionen € betragen hat. 102 000 Pflichtstellen wären in ganz Österreich zu be­setzen gewesen, nur 67 000 sind besetzt worden, das heißt, 35 000 Stellen blieben un­besetzt.

Ich glaube, dass Menschen, die eine Behinderung haben, Menschen, die in den Ar­beitsprozess nicht so eingebunden werden können, unsere Unterstützung brauchen, und ich bin davon überzeugt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer da gemeinsam an ei­nem Strang ziehen müssen.

Ich möchte dem Herrn Sozialminister dafür danken, dass er auf die Forderung einge­gangen ist, möchte aber die Arbeitgeber bitten, jetzt auch zu zeigen, dass sie zu ihrem Teil stehen. Das war der erste Punkt. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Mein Kollege hat mich aufgefordert, Herrn Pirolt eine Antwort zu geben. Ich mache das sehr kurz: Frauenerwerbsquote – ich denke mir, diese plakativen Meldungen lese ich in Massenmails, die daherkommen, lese ich in irgendwelchen Comics, bei denen ich mir denke: Okay, da ist halt nicht mehr Hirn dahinter. – Das wünsche ich mir nicht im Bun­desrat. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.) Wenn ich die Frauenerwerbsquote her­nehme, kann ich sicher sagen, nach dem KV wird alles gleich bezahlt – ganz richtig, und diese Massenmails kommen. Aber: Welche Arbeit verrichten Frauen? Wie wird diese Arbeit bezahlt? Wer bekommt die Zulagen? Und wer wird wo eingestuft? – Ich wünsche mir, dass darüber nachgedacht wird, und wenn das dann noch einmal gesagt wird, dann weiß ich, dass gar nichts mehr hilft. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Zum Thema Asyl sei nur ganz kurz gesagt – weil ich dieses Thema heute eigentlich schon fast nicht mehr hören kann; es bereitet mir teilweise körperliche Schmerzen –: Minister Bartenstein hat 2004 den Erlass herausgegeben, dass Asylwerber bei uns nicht arbeiten dürfen. Ich würde wirklich darum bitten, dass Sie sich nicht hier herstel­len, wieder einmal falsche Aussagen treffen und sagen, die nehmen uns den Arbeits­platz weg. Es hat die Industriellenvereinigung gesagt  (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt.) – Sie haben gesagt, im Sozialbericht fehlen im Teil „Arbeit“ die Asylwerber. Die Asylwerber können im Teil „Arbeit“ nicht vorkommen, weil sie nicht arbeiten dürfen. (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt.) Das ist sozial nicht in Ordnung, aber sie dürfen es nicht.

Ich habe wirklich den Eindruck, dass FPÖ, FPK, BZÖ aufgrund dessen, dass jemand ver­urteilt wurde und die Wässer jetzt vielleicht davonschwimmen, heute so stark auf Asyl­werber, auf Fremde in unserem Land hinhauen müssen, damit sie wieder eine Grund­lage bekommen, und ich möchte das wirklich nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen sowie bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Pirolt und Ertl.)

Eine Bitte hätte ich noch an den Sozialminister, damit ich jetzt nicht ganz vom Thema abkomme. Bei diesen sozialpolitischen Grundsatz- und Querschnittsmaterien – neben Gender Mainstreaming, Männerpolitik und so weiter – ist unter anderem die Besuchs­begleitung dabei, ich habe das heute schon einmal angeschnitten. Es wird jetzt mit dieser neuen Obsorgeregelung die Möglichkeit von Besuchsvermittlern geschaffen. Ich glaube, dass wir da wirklich schauen sollten, dass diese mit den Menschen, die bis jetzt in der Besuchsbegleitung gearbeitet haben, zusammenarbeiten können, weil ich glaube, dass die Menschen, die bis jetzt in der Besuchsbegleitung gearbeitet haben, sehr, sehr viele Erfahrungen haben und da sicherlich sehr gut mithelfen können.


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Die Freiwilligenpolitik hat mein Kollege schon angesprochen, ich möchte noch einen Satz dazu sagen. Laut dem letzten Freiwilligenbericht ist es so, dass 3 Millionen Öster­reicherinnen und Österreicher in ihrer Freizeit freiwillig aktiv sind, in Vereinen aktiv sind. Ich möchte daher an dieser Stelle nicht nur zu diesem ausgezeichneten Sozialbe­richt gratulieren – sowohl dem Herrn Minister wie auch allen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern –, sondern ich möchte auch zu dieser meiner Meinung nach wirklich absolut tollen sozialen Errungenschaft gratulieren, zu diesem Konzept, das vom Ministerium vorgelegt wurde, ein freiwilliges Sozialjahr in Österreich zu machen. Da wird endlich ordentlich entschädigt, es müssen nicht Zivildiener mit 310 € im Monat heimgehen, sondern es ist möglich, in einem freiwilligen Sozialjahr sozialen Dienst zu leisten und mit 1 300 € nach Hause zu gehen.

Ich wünsche mir daher, dass von allen anderen aufgehört wird, immer wieder zu er­zählen, dass wir dann zu wenig Leute haben, weil die Zivildiener dann nicht mehr kommen. Wir brauchen für dieses Projekt 8 000 Personen. Ich habe vorhin gerade ge­sagt, wie viele Personen freiwillig tätig waren. Das kann sich auch ein Kindergartenkind ausrechnen, dass wir diese 8 000 Personen ganz sicher zusammenbekommen, dass das freiwillige Sozialjahr sicherlich eine Errungenschaft wird, die sehr, sehr positiv ist.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der 20. Jänner eine soziale Errungenschaft wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

20.26


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte.

 


20.26.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur auf ein paar Punkte eingehen; vieles ist inhaltlich gesagt worden, aber ein paar Dinge muss man zurechtrücken.

Punkt eins: Es ist die Datenlage von 2010, Punkt. Und demzufolge haben alle recht, die meinen, bis 2010 haben wir einen Anstieg der Armut und ab 2010 haben wir einen Rückgang der Armut. Nur damit das einmal klar ist: Mit der BMS ist ein Rückgang der Armutsgefährdung in Österreich gegeben. Im nächsten Bericht werden Sie die Daten von 2011 komplett verarbeitet sehen, denn da ist noch einmal ein Rückgang drinnen, nämlich dadurch, dass wir die BMS-Bezieher krankenversichert haben und dadurch der volle Zugang zur Krankenversicherung gewährleistet ist. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Damit kein Missverständnis aufkommt, möchte ich auch zu dem, was Sie, Herr Bun­desrat, gesagt haben, zu den Pflegestandards und der Vereinheitlichung, etwas sagen. Sie wissen, ich habe gestern ein Reformpapier vorgelegt, einvernehmlich mit allen Bundesländern. Nur damit es kein Missverständnis gibt: Alles, was Sie hier an Zahlen zitiert haben, ist Landesbudget; das ist nicht der österreichische Steuerzahler, das ist Landesbudget. Und warum ist das in Wien so viel höher? – Weil Wien etwas tut, was alle anderen nicht tun, nämlich die Ärzte in den Pflegeheimen als ganz normale Dienst­nehmer voll zu beschäftigen. Das finden Sie in keiner oberösterreichischen Einrich­tung. (Rufe bei der ÖVP: Und das ist leistbar?) – Ja, Wien leistet sich das, Punkt. (Staatssekretär Mag. Schieder: Qualität!) Das ist die Qualität, die Wien sich leistet, das wird bezahlt. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass Ihnen das wehtut (Heiterkeit bei der SPÖ), aber reden Sie mit Ihren Kollegen, den Sozialreferenten. Ich bin gestern mit allen zu­sammengesessen, den ganzen Tag. Wir spielen das ja offen, das ist ja alles kein Ge­heimnis. Und wenn Sie sich mit der Materie nicht nur oberflächlich, sondern effektiv be-


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schäftigen würden, wüssten Sie auch, dass Wien ein Umstrukturierungsprogamm fährt – Großheime zurückfährt, Kleinheime etabliert – und den Personalstand nicht durch Kün­digungen abgebaut hat, sondern den Personalstand mitnimmt, wissend, dass es ein langsames Rationalisierungsprogramm gibt. Das würde man alles wissen, wenn man sich tiefer mit der Materie beschäftigen würde. Der wahre Hintergrund ist: Die Ärzte sind hauptberufliche Mitarbeiter der Pflegeheime. Das ist der wahre Hintergrund, und demzufolge kommt es zu diesen Personalkosten. – Punkt eins.

Punkt zwei: Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, ich habe eine Bitte an Sie: Herr Bundesrat, sagen Sie das, was Sie hier gesagt haben, bitte Ihrer Bundes­partei, sagen Sie das bitte Ihrem Generalsekretär, sagen Sie das bitte Ihrem Parteivor­sitzenden!

Sie stellen sich hierher und sagen, wir gehen zu früh in Pension. – Ich schicke Ihnen sämtliche Anträge Ihrer Partei, wonach ich die Hacklerregelung nicht hätte verändern dürfen, sondern noch hätte verbessern müssen, und, und, und. Das schicke ich Ihnen.

Sie stellen sich hierher und sagen, die Behinderten seien ein Problem. (Zwischenruf des Bundesrates Pirolt.) – Ja, sicher, hören Sie zu, was Sie sagen, Herr Bürgermeis­ter! Sie haben hier gesagt, die Behinderten seien ein Problem, denn wenn man sie fix an­stellt, weiß man nicht, ob man sie wieder loswird. – Wir haben in diesem Haus die sechs Monate auf vier Jahre ausgedehnt, und der Arbeitgeber, der nach vier Jahren nicht weiß, wie er mit einem Mitarbeiter zurande kommt, der tut mir leid; der tut mir wirklich leid. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum und Schreuder.)

Sie wissen auch ganz genau, dass wir die Schulungen mit der österreichischen Wirt­schaft, mit den Sozialpartnern abgestimmt haben. Was es vor ein paar Jahren gab – fünfmal „Wie bewerbe ich mich richtig?“ –, das gibt es alles nicht mehr! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Frau Bundesrätin, das Gesetz der Höflichkeit (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – nein, weil es nicht stimmt! – verbietet mir, Ihnen jetzt die wahre Antwort zu geben, aber ich lade Sie ein: Gehen Sie in ein AMS (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, genau!), schauen Sie sich um, und schauen Sie sich an, was dort geschieht! Sie wer­den in keinem Wiener AMS – in keinem Wiener AMS! – einen Kunden finden, der in den letzten drei Jahren fünfmal „Wie bewerbe ich mich richtig?“ gemacht hat. Sie wer­den keinen Kunden und keine Kundin finden – und das AMS hat 800 000 Kundinnen und Kunden pro Jahr! Sie werden niemanden mehr finden, der fünfmal „Wie bewerbe ich mich richtig?“ gemacht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Das ist so ein alter Hut, dass es ärger nicht mehr geht! Bitte, nicht böse sein! (Bundesrat Stadler: Die Kassette müsst ihr einmal austauschen!)

Zum Schluss kommend darf ich Ihnen noch mitteilen, dass die Asylwerber seit Sommer dieses Jahres, wenn sie Jugendliche sind, sehr wohl als Lehrlinge arbeiten dürfen – diesen Erlass habe ich unterschrieben –, sie dürfen auch als Saisoniers und Erntehel­fer arbeiten. Und ich glaube, wenn Sie Ihre Partei ernst nehmen, ist das alles Ihrer Par­tei schon zu viel, denn in Wirklichkeit gibt es von Ihrer Partei ganz massive Aussagen: einmal hineingeschnuppert und sofort wieder weg aus Österreich. – Das ist in Wirk­lichkeit das, was Ihre Partei zu leben versucht. Zum Glück kann sie es nicht leben, denn Sie sind eine Minderheitsfraktion und bleiben es! (Bundesrätin Mühlwerth: Das werden wir erst sehen!) – Ja, das werden wir sehen! (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden es sehen, das nächste Jahr wird ja vieles bringen!

Wie gesagt: Die Asylwerber können als Saisoniers, als Erntehelfer und auch als Lehr­linge arbeiten. Ob noch weitere Entwicklungen möglich sind, werden wir sehen, denn in einem sind wir uns, glaube ich, auch einig: Wir haben uns sehr bemüht, die Verfah­rensdauer, die in Wirklichkeit die Ursache vieler Probleme ist, wirklich radikal zu ver­kürzen.


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In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie gestatten: Friedvolle Weihnachten! Und für das Jahr 2013 wünsche ich Ihnen als Sozialminister, der in allen Ihren Lebenslagen Zuständigkeiten hat – wurscht, wo Sie sich bewegen, wir bewegen uns mit Ihnen (Heiterkeit bei der SPÖ); das ist so ähnlich wie beim Finanzressort, das ist auch immer bei uns –, nur eines: gesundheitliche Stabilität; der Rest ergibt sich von alleine! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grü­nen.)

20.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir wünschen dem Herrn Bundesminister auch sehr viel Gesundheit für das Jahr 2013, er wird es brauchen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.34.0829. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesfinanzgericht erlassen wird und die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsge­setz 2010, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz sowie das Zollrechts-Durchführungsgesetz geändert werden (Finanzverwaltungsgerichts­barkeitsgesetz 2012 – FVwGG 2012) (2007 d.B. und 2049 d.B. sowie 8859/BR d.B.)

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Bankwesengesetz und das Wertpapier­aufsichtsgesetz 2007 für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf und sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemein­schaft geändert werden (2006 d.B. und 2050 d.B. sowie 8860/BR d.B.)

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geändert wird (1987 d.B. und 2051 d.B. sowie 8861/BR d.B.)

32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Rechnungslegungs-Kontrollgesetz erlassen und das Finanz­marktaufsichtsbehördengesetz geändert wird (2002 d.B. und 2095 d.B. sowie 8862/BR d.B.)


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33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird (2144/A und 2096 d.B. sowie 8863/BR d.B.)

34. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz geändert wird (2097 d.B. sowie 8864/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zu den Punkten 29 bis 34 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um die Berichte.

 


20.35.02

Berichterstatter Michael Lampel: Verehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe Ihnen den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Bundesfinanzgericht erlassen wird und die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, die Abgabenexekutionsordnung, das Finanzstrafgesetz sowie das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz geändert werden – kurz: Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe gleich den nächsten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Bankwesengesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 über den zeitlichen und administra­tiven Ablauf und sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszerti­fikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treib­hausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum nächsten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zah­lungsdienstegesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum nächsten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Rech-


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nungslegungs-Kontrollgesetz erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Der nächste Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzie­rungsförderungsgesetz 1981 geändert wird, liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich kom­me gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum letzten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Na­tionalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhr­förderungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


20.38.40

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein Kon­volut von sechs Tagesordnungspunkten, und ich werde versuchen, in möglichster Kür­ze übergeordnet zusammenzufassen.

Tagesordnungspunkt 29 betrifft die Errichtung eines Bundesfinanzgerichtshofes. Es ist sicherlich sinnvoll, dass eine weitere Instanz dazukommt. Verwunderlich ist nur – ob­wohl es einen Allparteienbeschluss hier im Haus gegeben hat –, dass die Bestellung nicht gemäß oder analog dem Bundesverwaltungsgerichtshof erfolgt, sondern auf Be­stellung des Finanzministeriums. Oktroyierte Richter können sicherlich Fähigkeiten ha­ben, das ist keine Frage, aber ein öffentliches Hearing, der Rahmen einer Anhörung wäre uns Freiheitlichen angenehmer gewesen. Daher können wir diesem Gesetzt nicht zustimmen.

Die Tagesordnungspunkte 30 bis 32 darf ich zusammenfassen. Da geht es vor allem um die Finanzmarktaufsicht, die wir bei der letzten Bundesratssitzung schon behandelt haben. Ich habe mir damals erlaubt, darauf hinzuweisen, sehr geehrter Herr Staatsse­kretär, dass die Finanzmarktaufsicht mit immer weiteren Problemfeldern, Aufsichts­funktionen beauftragt wird.

Letztes Mal waren es die OTC-Produkte, die viel zu weit gefasst worden sind. Jetzt sind es weitere Sachen, die sie übernehmen soll: Das Treibhausgasemissionszertifikat soll beaufsichtigt werden, und dann vor allem für die kapitalmarktorientierten Betriebe die Jahresabschlüsse. Dies wäre eigentlich Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers, weil ja


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ein Wirtschaftsprüfer dazu da ist, dass er Jahresabschlüsse beaufsichtigt und den Stempel, die Ermächtigung dazu gibt, dass diese in Ordnung sind und ordnungsgemäß eingebracht wurden, um eben an der Börse publicitymäßig veröffentlicht und eingese­hen werden zu können.

Da wird wieder die FMA, die Finanzmarktaufsicht, dazwischengeschaltet. Das ist ir­gendwie eine Abgabe von Verantwortung. Diese sollte meiner oder unserer Meinung nach eher beim Wirtschaftsprüfer bleiben, denn der Wirtschaftsprüfer ist letztlich der Letztverantwortliche und sollte es auch bleiben. Die FMA als Tausendsassa, das klingt zwar gut, sie wird aber mit diesem Mitarbeiterstab, der sicherlich exzellent ist, gewiss nicht zu Rande kommen. Hier sollte man also doch extrem aufstocken, wenn nicht ver­doppeln, denn sonst wird das nicht zu schaffen sein.

Was eher interessant wäre, wo man ein Kontrollinstrument einrichten könnte, wäre eigentlich die Finanzgebarung bei Bund, Land und Gemeinden, weil es sich dort ja grauslich abspielt. Wie wir hören, gibt es jeden Tag neue Spekulations-Deals, die an die Öffentlichkeit geraten. Dazu muss man sagen, dass alle Deals, die hier gemacht worden sind – wenn man sich diese anschaut, von Linz beginnend über Wien bis Salz­burg, die Liste ist natürlich unvollständig, es werden wahrscheinlich jeden Tag neue Ge­meinden und Länder dazukommen –, ein gleiches System haben: Alle spekulieren auf die Währung!

Wer sich ein bisschen mit der Währung beschäftigt, weiß, dass Währungsgeschäfte das Gefährlichste überhaupt sind, dass Währungshandels-Deals immer ins Unendliche ausarten können. Zwei Drittel des gesamten Spekulationsvolumens in der Welt werden im Devisenhandel abgewickelt. Wenn Sie da einmal auf der falschen Seite liegen, ge­hen die Verluste ins Unendliche.

Wenn von Wien die Rede ist, darf ich auf die Wiener Finanzstadträtin Brauner verwei­sen, die gesagt hat, in Wien werde nicht spekuliert, und es seien nur Buchverluste. – Ich darf darauf hinweisen: Wenn die Stadt Wien ein Grundgeschäft hat ... (Zwischen­ruf.) – Spekulation ist einmal eine Erwartungshaltung, diese ist unabhängig vom Grund­geschäft. Sobald ein Geschäft abhängig vom Grundgeschäft ist, ist es keine Spekula­tion.

In Wien wurde also ein Kredit aufgenommen – was ja löblich sein kann, wenn etwas Funktionierendes, Funktionelles gebaut oder errichtet wird, wofür man einen Kredit braucht –, aber in einer fremden Währung. Damit beginnt die ganze Geschichte, denn in einer fremden Währung begebe ich mich auf einen unsicheren Boden. Jetzt hat die Stadt Wien einen Schweizer-Franken-Kredit – die Hälfte der gesamten Schulden in Wien sind Schweizer Franken – aufgenommen in der völligen, ja, ich darf es einmal so sagen, Gier, 1 bis 2 Prozentpunkte an Zinsen zu sparen gegenüber einem Euro-Kredit, der um 1 bis 2 Prozentpunkte höher verzinst ist, also höherer Kreditzinsen bedarf.

Auf der anderen Seite habe ich jetzt eine offene Währungsposition. Wenn nun der Schweizer Franken, wie man in der Fachsprache so schön sagt, abschmiert, also nicht mehr bei 1,20 bleibt, sondern hinuntergeht, kann das endlos sein. Das kann unendlich sein, da gibt es keinen Boden mehr. Da schaue ich mir noch an, wie diese Geschichte ausgeht, denn bei 300 Millionen € Verlust wird es sicherlich nicht bleiben!

Allen drei Deals gemeinsam ist, wie gesagt, dass alle drei gesagt haben – das war die Erwartungshaltung aller drei Städte und Länder –: Der Euro wird stärker. Das war der Beginn des ganzen Deals, darum wurde fleißig herumspekuliert. Aber nein, der Euro wurde schwächer! Daher kommen nun diese gigantischen Verluste, die eigentlich in keinem Derivatgeschäft aufzureißen sind.

Weil Frau Stadträtin Brauner und Herr Bürgermeister Häupl sagen, in Wien werden kei­ne derivativen Spekulationen gemacht: Wenn jetzt dieses offene Währungsgeschäft in


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 208

Schweizer Franken geführt wird, ist das eine Spekulation, die schlimmer nicht sein kann. Wenn ich darüber ein Devisentermingeschäft lege, also ein Derivat, dann ist das abgesichert. In diesem Fall ist das Derivat weniger spekulativ als ein offenes Wäh­rungsgeschäft. Bei diesem offenen Währungsgeschäft würde ich mir noch gerne an­schauen, wie es in den nächsten Jahren endet!

Was in Salzburg passiert ist, ist wirklich Kraut und Rüben von hinten bis vorn. Da wur­den ja nicht nur Swap-Geschäfte gekauft, sondern da wurden sogar Swaps begeben, Emissionen, die haben selber Bank gespielt. Haben die überhaupt eine Banklizenz? Da müsste man einmal die FMA fragen: Haben die Salzburger eine Banklizenz, dass sie da mit 32 Banken wild herumdealen?

Was ist ein Swap? – Ein Swap ist nichts anderes als ein Tauschgeschäft. Auch das ist eigentlich ein Absicherungsgeschäft und kein Spekulationsprodukt. Wenn zum Beispiel ein österreichischer Exporteur sein Produkt, sagen wir einmal, in Großbritannien ver­kauft, dann erhält er britische Pfund. Wenn ein britisches Unternehmen sein Produkt nach Österreich verkauft, dann erhält es Euro. Diese werden getauscht, das ist der Sinn und Zweck eines Swaps. Das ist die Grundlage eines Swaps. Es zählt als Derivat, ist aber ein Absicherungsinstrument. Das ist kein Spekulationsinstrument.

Wenn Herr Bürgermeister Häupl sagt: Wir haben in Wien nicht spekuliert!, ist das ein­fach falsch. Es tut mir leid, Herr Staatssekretär, das muss ich sagen.

Das Zweite, was in Wien bei dieser Pressekonferenz gesagt worden ist, ist: Es sind ja nur Buchverluste. – Da sollte man einmal sagen: Im Bund wird jetzt endlich die dop­pelte Buchhaltung eingeführt. Das zeigt viel mehr Transparenz. Die gehört veröffent­licht, wie jedes Unternehmen gezwungen ist, zu veröffentlichen, wenn es kapitalmarkt­orientiert ist, nämlich quartalsweise.

Das Gleiche sollte man bei Ländern und Gemeinden machen! Sonst kann man das niemals vergleichen. Deswegen werden auch diese riesigen Löcher aufgerissen, die ja keinem bekannt sind, weil es einfach nicht dargestellt und abgebildet ist. Hier müsste eine doppelte Buchhaltung eingeführt werden, eine Buchführung in Ländern und Ge­meinden, um alle öffentlichen Körperschaften miteinander zu vergleichen und vor allem transparent darzustellen. Darum geht es ja.

Jeder Unternehmer weiß, dass er am Bilanzstichtag bilanzieren muss. Am Bilanzstich­tag werden Spekulationen, oder sagen wir einfach börsennotierte Produkte, bewertet. Das ist ein Faktum, da kommt man nicht umhin. Damit ist die Bilanz erstellt, und von dieser Bilanz ausgehend werden dann die Steuern beglichen. Also sind es realisierte Verluste. Da sind Kontoauszüge, diese werden eingebucht.

Wenn jetzt die Stadt Wien 300 Millionen € auf der Verlustseite hat, dann muss dieses Konto abgedeckt werden. Da wird die Bank nicht sagen: Ihr könnt euch die 300 Millio­nen € behalten, ihr haftet – auch das kostet Geld, auch eine Haftung kostet Geld. Ob Cash oder Haftung, es gehört abgedeckt auf null. Damit wird sich keine Bank zufrieden geben, ein Verlustgeschäft selbst zu tragen und es nicht ausgleichen zu lassen.

Daher ist es einfach falsch; die Buchverluste sind, bitte, realisiert! Dass das in Wien keiner versteht, verstehe ich deswegen, weil sie dort keine doppelte Buchhaltung ken­nen, sondern immer nur diese Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, diese alte Kamera­listik. Die gehört dringend umgestellt, damit das transparent wird und keine große Ge­heimniskrämerei ist.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, zusammenfassend: Von solchen irren Geschäften wie in Salzburg habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht einmal gehört. (Bundes­rat Perhab: ... auch nicht besser gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja,


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im Detail wird wahrscheinlich keiner besser gewesen sein, das stimmt. Aber in Wien zu sagen, es wurde nicht spekuliert, ist unrichtig und falsch. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.47


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Greide­rer zu Wort. – Bitte.

 


20.47.39

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde versuchen, diese sechs Punkte irgendwo abzuarbeiten, und zwar zuerst einmal Tagesordnungspunkt 29: Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012.

Der Hauptgesichtspunkt dieses Gesetzes ist die Positionierung des Bundesfinanzge­richtes als unabhängige, qualitätsgesicherte Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es sollen die Rechtssicherheit gesteigert und die Rechtsmittelverfahren beschleunigt werden. Gleich­zeitig soll aber eine Erhöhung des internen administrativen Verwaltungsaufwandes ver­mieden werden und die Nutzung bewährter Strukturen des Unabhängigen Finanzsena­tes beibehalten bleiben. Durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle wird ab 1. Jän­ner 2014 das Bundesfinanzgericht an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates treten.

Der nächste Tagesordnungspunkt befasst sich mit dem Börsegesetz, dem Bankwesen­gesetz und dem Wertpapieraufsichtsgesetz. Wir haben im Jahr 2011 im Zertifikatehan­del etwas Seltsames erlebt: Es haben Hacker die Plattformen gehackt, der Handel hat plötzlich ausgesetzt werden müssen. Es hat sich gezeigt, dass dieses europaweite Handelsinstrument irgendwie angreifbar ist, dass es nicht entsprechend funktioniert. Damit man das in Zukunft ausschließen kann, hat Europa über eine Maßnahme nach­gedacht, wie man das eben besser regeln und sicherer machen kann.

Österreich setzt dies nun um. Wir werden in Zukunft gesetzliche Vorkehrungen treffen, die zur Folge haben, dass das eben nicht mehr so leicht passieren kann. Es werden Fünf-Tage-Futures und Zwei-Tage-Spots genau überwacht. Dies soll, wie mein Vorred­ner gesagt hat, die Finanzmarktaufsicht übernehmen.

Ein Problem ist, dass der Zertifikatehandel zwischen 2000 und 2003 eingeführt wurde. Damals waren die Heizölpreise, also die Ölpreise überhaupt noch sehr niedrig, und man hat Marktmechanismen erfunden, die das Öl oder auch die Kohle künstlich un­günstig stellen, und deshalb den ungünstigen CO2-Ausstoß durch diese Regelung fi­nanziell belastet. Mittlerweile ist das Öl aber viel teurer geworden, dreimal so teuer, kann man sagen, und deswegen müssen wir uns die Frage stellen, ob das Zertifikate­handelssystem in dieser Form überhaupt noch zeitgemäß ist.

Der nächste Punkt befasst sich mit der Änderung des Zahlungsdienstegesetzes. Hier geht es um die Einführung eines europaweit einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsrau­mes bis 1. Februar 2014. Dieses sogenannte SEPA-Verfahren ist ein wichtiger Schritt, um einen reibungslosen Ablauf der elektronischen Zahlungen im Euroraum zu gewähr­leisten. Ich finde das sehr vernünftig, weil Auslandsüberweisungen dadurch besser überwacht werden können, sicherer werden und einfacher verwaltet und kontrolliert werden können.

Es ist schon klar: Für die Anwender wird es in der Umstellungsphase komplizierter. Man muss die längeren BIC- und IBAN-Codes eingeben. Aber man wird sich auch da­ran gewöhnen.

Der nächste Punkt befasst sich mit dem Rechnungslegungs-Kontrollgesetz. Ich glaube, dass auch das ein wichtiger Schritt ist, dass börsenorientierte Unternehmen noch ein­mal durch die Finanzmarktaufsicht, also die FMA, und von einer Prüfstelle, der soge­nannten Bilanzpolizei, dahin gehend überprüft werden, ob Bilanzen und Jahresab-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 210

schlüsse den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Ich glaube, es gibt inzwischen mehr als genügend Beispiele für die Notwendigkeit dieser Maßnahmen. Die werden wir nicht im Einzelnen anführen, das hat ohnehin schon mein Vorredner angeschnitten.

Die beiden letzten Tagesordnungspunkte befassen sich mit den Änderungen im Aus­fuhrfinanzierungsförderungsgesetz und im Ausfuhrförderungsgesetz. Dazu ist zu sa­gen, dass auch das notwendige Schritte sind, um die bewährten Haftungsinstrumente für Österreichs Exportwirtschaft um jeweils weitere fünf Jahre zu verlängern.

Wir werden jedenfalls all diesen Gesetzen zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum zu Wort. – Bitte.

 


20.52.56

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Frau Kollegin Greiderer, danke für die Erläuterung der einzelnen Punkte, nun brauche ich nicht mehr so viel dazu zu sagen. Da ja heute alle nach Zeiteffizienz schreien, werde ich überhaupt allgemein das Lob jetzt ein bisschen weglassen und nur noch die Kritik anbringen. Tut mir leid, statt Lob ist heute Effizienz angesagt. (Staatssekretär Mag. Schieder: Jetzt ist es schon so spät, jetzt können Sie das Lob auch anfügen! – Heiterkeit.) Nein, das geht nicht, auch wenn Kollege Klug jetzt nicht hier ist.

Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz: Prinzipiell möchte ich schon betonen, dass wir zufrieden sind und dass wir es positiv bewerten, dass es einen Bundesfinanzge­richtshof geben wird. Das Problem oder der Makel, den wir sehen – ähnlich wie die FPÖ, wobei es schon ein bisschen anders ist –, ist die Bestellung der Präsidentin beziehungs­weise des Präsidenten, die jetzt direkt durch die Ministerin erfolgen soll beziehungswei­se durch einen vielleicht später folgenden Minister.

Ich habe im Ausschuss hinterfragt, ob nicht vielleicht doch irgendein vernünftiger Aus­wahlmodus erfunden werden soll, mit dem ein bisschen mehr Neutralität Einzug halten könnte. Da habe ich die Antwort bekommen: Erstens ist es ohnehin erst in zehn Jahren so weit, denn jetzt haben wir schon eine neue Präsidentin, und zweitens soll dann eben der künftige Minister oder die künftige Ministerin in zehn Jahren entscheiden, nach welchem Modus bestellt wird.

Hätte ich nicht vorher schon gewusst, dass ich nicht zustimmen werde, so hätte ich si­cher nach dieser Antwort erst recht nicht zugestimmt, denn ich denke, erstens einmal kann man nicht wissen, wenn jemand für zehn Jahre bestellt ist, dass derjenige auch zehn Jahre im Amt sein wird; Punkt 1. Und Punkt 2: Es war noch nie förderlich, wenn man erst relativ kurzfristig vor einer Neubestellung den Modus dieser Neubestellung festlegt. Insofern war das, denke ich einmal, nicht wirklich eine Antwort.

Die zweite Frage, die ich gestellt habe, war, warum es gerade in diesem Fall zu einer derartigen Bestellung kommt: zu keinem Hearing, zu keinen Expertenvorschlägen et cetera, wie das bei oberen Gerichtshöfen üblich ist. Da war die Antwort: Der Grund da­für ist, dass dieser Gerichtshof sich ja nur mit Materien aus einem Ministerium be­schäftigen soll. – Auch da muss ich sagen, genau das ist eigentlich ein Grund dafür, es gerade in diesem Fall anders zu machen und nicht die MinisterIn die Gerichtshofprä­sidentIn bestellen zu lassen.

Aus diesem Grund werden wir den Tagesordnungspunkt beziehungsweise die Vorlage des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes ablehnen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 211

Zwei weitere Punkte, die wir ablehnen, denen wir also nicht zustimmen werden, sind das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz und das Ausfuhrförderungsgesetz, und zwar einfach aus folgendem Grund: Es werden hier Grenzen für Haftungen weiter er­höht. Es werden vor allem auch bei Großprojekten Grenzen für die Einholung von Begutachtungen und Stellungnahmen von NGOs erhöht, und zwar von 200 000 auf 500 000 €.

Es ist bekanntlich so, dass gerade bei der Ausfuhrförderung oft auch Projekte indirekt mitgefördert werden, die nicht unbedingt in unserem Interesse sind, sprich, die nicht unbedingt umweltfreundlich sind und die auch bei den Menschenrechten nicht unbe­dingt Vorzeigeprojekte sind. Zusätzlich wäre vielleicht auch noch ein Manko – wobei es das allein nicht wäre, das kommt öfter vor –, dass es keine Begutachtung dieser Ge­setzesvorlage gegeben hat, weil es in der Begutachtung vielleicht doch zu viel Kritik gegeben hätte.

Eine Vorlage, der wir zustimmen werden – die ich aber, so wie auch die FPÖ, schon sehr kritisch sehe –, ist das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz. Da ist die Rede von dieser Bilanzpolizei. Auf die Nachfrage im Ausschuss, wie denn das mit diesem Verein funktionieren soll, den die Finanzmarktaufsicht bestellt, um diese börsennotierten Un­ternehmen zu prüfen, war die Auskunft irgendwie noch sehr schwammig. Ich habe den Eindruck gehabt, eigentlich weiß man noch nicht so genau, wie das dann funktionieren kann.

Meiner Meinung nach ist auch die Finanzierung dieser Prüfungen ein bisschen eigen­artig bis schwammig. Sprich, 7 500 € soll jedes Unternehmen bezahlen, und 10 000 € soll jedes Mitglied in dem Verein, der dann prüfen soll, bezahlen. Ob das wirklich sinn­voll ist oder ob dann nur die Großen zum Zug kommen, wird sich zeigen. Stimmt, das wird sich zeigen, deswegen werden wir auch zustimmen.

Ein Problem, das sich auch noch zeigen wird, ist die Veröffentlichung der Fehler, die da gefunden werden könnten. Es wäre ja schön, würden keine Fehler gefunden wer­den, aber es werden wahrscheinlich Fehler gefunden werden. Die Veröffentlichung die­ser Fehler ist eine Kann-Bestimmung und keine Muss-Bestimmung, sprich, es ist auch ein bisschen schwammig und ein bisschen latschert.

Insofern werden wir zwar zustimmen, weil es prinzipiell natürlich schon ein Fortschritt ist, wenn ein zweites Mal geprüft wird. Aber im Prinzip habe ich den Eindruck, dass der Ablauf dieser Prüfungen und vor allem der Ablauf der Beauftragungen dieser Vereine, die es noch nicht gibt, noch nicht so wirklich durchdacht ist. Wir werden sehen, wie es ausgeht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Lindinger zu Wort. – Bitte.

 


20.58.29

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatsse­kretär! Es ist schon sehr vieles gesagt. Ich werde mich bemühen, in kurzen Worten zu­nächst zum Thema Bundesfinanzgericht Stellung zu nehmen.

Mit der Schaffung eines Bundesfinanzgerichtes, das den Unabhängigen Finanzsenat mit 1. Jänner 2014 ablösen oder ihm folgen wird, wird die zweistufige Verwaltungsge­richtsbarkeit auch in Abgabenangelegenheiten des Bundes vollzogen. Es wird also dem Steuerzahler dienen, der Gerechtigkeit, und jene, die sich von der Finanz unge­recht behandelt fühlen, werden dort ihre Klagen einbringen können.

Was den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten betrifft, dient dieses Gesetz der Kontrolle. Die Finanzmarktaufsicht soll in Zukunft genau die Regeln für den Zertifi­katshandel am Markt festlegen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 212

Zur SEPA-Verordnung, also den Finanzüberweisungen, insbesondere jenen ins Aus­land, haben Kollege Mayer und ich festgestellt, dass wir wahrscheinlich dieselben Pro­bleme damit haben werden, uns diese langstellige Nummer zu merken. Wir werden vielleicht Systeme finden, damit wir uns die Nummer schneller merken und dann das Überweisen schneller geht. Sicherheit ist dadurch gegeben, dass es hier in Zukunft keine Fehlüberweisungen mehr geben kann. Eine falsch eingegebene Kontonummer wird nicht angenommen. Dies dient also der Sicherheit bei Finanzüberweisungen so­wohl ins Ausland als auch ins Inland.

Beim Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz wird für das Prüfverfahren ein Verein „Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung“ einge­richtet. Das ist dann die sogenannte Bilanzpolizei, und diese dient der Kontrolle des Fi­nanzmarkts.

Bei der Änderung des Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetzes 1981 dient der Siche­rung der Arbeitsplätze, dass die Oesterreichische Kontrollbank für weitere fünf Jahre, also bis 2018, mit einem Haftungsrahmen bis 45 Milliarden € Obergrenze Garantien übernehmen kann.

Auch beim Ausfuhrförderungsgesetz geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze in der österreichischen Wirtschaft ebenso wie von österreichischen Interessen bei Auslands­projekten. Es dient der Ausfuhrförderung, also unseren Arbeitsplätzen im Inland. Auf­grund dessen werden wir diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Schie­der. – Bitte.

 


21.01.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige der Vorrednerinnen und Vorred­ner haben sich schon bemüht, die zahlreichen Punkte zusammenzufassen, die wir heute hier unter einem diskutieren. Wenn man es zusammenfassen will, kann man auch sagen, es geht um zwei große Blöcke, nämlich mehr Regulierung, mehr Aufsicht und Verbesserung in Bereichen, wo es Lücken gegeben hat, wie zum Beispiel beim Emissionshandel. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Es geht da nicht um die Fragen: Wie ist das Pricing beim Emissionshandel? Wie viele werden vergeben? Wie ist das mit dem CO2? Das ist eine Angelegenheit des Landwirt­schaftsressorts. Hier geht es um die Fragen: Wer beaufsichtigt diesen Handel? Wer schaut darauf, dass der richtig und transparent abläuft und all diesen Kriterien ent­spricht? In der Vergangenheit hat es da europaweit durchaus Probleme gegeben, auf die es notwendig war, zu reagieren und die FMA als zuständige nationale Behörde für die Erteilung der Genehmigungen wie auch zur Überwachung hinsichtlich Marktmiss­brauchs, vor allem in den Bereichen Fünf-Tage-Future, Zwei-Tage-Spots und so wei­ter, zu ernennen.

Der andere Bereich, „Bilanzpolizei“ im Volksmund, also sprich die Kontrolle und Über­prüfung der Richtigkeit der gelegten Bilanzen und der Testate der Bilanzprüfer, wird jetzt umgesetzt. Es ist dies eine Richtlinie, die die Europäische Union schon vor Län­gerem herausgegeben hat und deren nationale Umsetzung wir hiermit beschließen.

Das Wesentliche und Gute daran ist, dass die Finanzmarktaufsicht die Behörde ist, die die Prüfung bestimmt, die auch den Prüfungsablauf bestimmt, die Pläne bestimmt und auch jederzeit die Prüfung selber an sich ziehen kann, aber gleichzeitig trotzdem in einem quasi eineinhalbstufigen Verfahren die Entbürokratisierung oder die Vermeidung unnötiger Bürokratisierung durch die Schaffung dieses Prüfungsgremiums, Prüfungs­ausschusses gegeben ist, der auch dazu befugt ist, nicht immer gleich zu strafen,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 213

sondern kleine oder kleinere Verfehlungen zu verbessern. Das Ziel ist ja, dass die nächste Bilanz dann diese Fehler von sich aus schon nicht mehr aufweist. Es ist da also die ganze Bandbreite von Verbessern bis hin zu Strafen dort, wo große Fehler ge­geben sind, möglich.

Das Zahlungsdienstegesetz ist – vielleicht auch das den Zuschauern kurz erklärt, die vielleicht schon den ganzen Tag die Bundesratssitzung verfolgt haben (Heiterkeit eini­ger Bundesräte) oder zumindest jetzt zuschauen – der Bereich, wo wir uns im Zwie­spalt befinden. Da geht es um diese neuen Erlagscheine, auf die wir jetzt IBAN und BIC und all diese langen Zahlenwürste draufschreiben müssen. Das ist eine Umstel­lung. Jeder, der das das erste Mal sieht, denkt sich: Das gibt es ja nicht! So lang? Nach mehrmaligem Gebrauch kommt man drauf, dass die Kombination der Zahlen Kontonummer plus Bankleitzahl plus nationaler Code ist, und wenn man sich einmal in das System hineingedacht hat, dann wird es auch wieder leichter handhabbar und ent­spricht dann dem gleichen Aufwand wie das Merken einer Kontonummer.

Die neue Form hat aber einen großen Vorteil: Sie ermöglicht europaweiten Zahlungs­verkehr, also das, was bisher für viele Firmen, für viele kleinere Unternehmen auf ein­fache und standardisierte Weise nicht möglich war. Daher ist das, was am Anfang viel­leicht als Umstellungsärger rüberkommt, mittelfristig von großem Vorteil für den Konsu­menten in Europa. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass heutzutage über Internethandel nicht nur von nationalen Firmen etwas bestellt wird, sondern man bestellt sich ja auch einmal etwas aus Deutschland, ein englisches Buch aus England und dergleichen mehr, und das alles lässt sich auch aus Sicht des Konsumenten mit diesen europa­weiten Erlagscheinen, wenn Sie so wollen, problemlos bewerkstelligen, und das ist da­her an sich auch eine sinnvolle Maßnahme.

Ausfuhrförderungsgesetz – das ist der zweite große Brocken neben der Regulierung. Da geht es um Wirtschaftswachstum. Man darf nicht vergessen, die österreichische Volkswirtschaft ist eine, die sehr stark auf Export und Exportwirtschaft aufbaut. In vielen Bereichen sind wir auch Marktführer, in vielen Nischen sind wir – wir, die öster­reichischen Firmen, die österreichischen Facharbeiter – sehr nachgefragte Lieferanten und Exporteure.

Mit dem Ausfuhrförderungsgesetz schaffen wir es übrigens auch aus Verwaltungssicht, das nach dem One-Stop-Shop-Prinzip abzuwickeln, indem nämlich über die Kontroll­bank die Garantie und die Ausfuhrfinanzierung aus einer Hand ermöglicht werden. Wir schaffen damit die Möglichkeit, den österreichischen Export auch in Länder, in denen es ein bisschen riskanter ist beziehungsweise wirtschaftlich eine etwas unsicherere Si­tuation herrscht, zu fördern und zu unterstützen.

Man muss gleichzeitig auch dazusagen: Das ist einer jener Bereiche, die sehr gut funk­tionieren, in denen die Republik zwar Risiken und Haftungen übernimmt, am Schluss aber die Rücklaufquote eigentlich extrem gut und extrem positiv zu sehen ist. Darin zeigt sich nicht nur die Qualität der Förderung, sondern auch die Qualität der Unter­nehmen.

Abschließend noch abseits der Tagesordnung zur Diskussion um den gesamten Spe­kulationsbereich, zu dem also, was uns in den letzten Tagen auch stark beschäftigt hat. Dazu vielleicht ein paar Anmerkungen: Bevor wir es uns zu leicht machen in der Diskussion über Spekulation, muss man einmal sagen, was Spekulation ist. Spekula­tion ist das Eingehen von Risiken, die nicht notwendigerweise eingegangen hätten wer­den müssen.

Da muss man fair bleiben, auch wenn wir das jetzt schon an vielen Orten und in vielen Bereichen beobachten konnten. Es hat sich eben die Welt auch in den letzten vier Jah­ren geändert. Vor zehn Jahren wurde noch bei jeder Kleingärtnerversammlung der


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 214

Fremdwährungskredit als die Lösung der Finanzierungsfrage hingestellt. Richtigerwei­se haben wir das inzwischen verboten. Wir sind alle gemeinsam gescheiter geworden, nur stecken natürlich noch immer Leute in den Verträgen drinnen. Genauso passierte es auch mehreren Exponenten der öffentlichen Hand, dass die das damals eben auch geglaubt haben.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Rechnungshof vor Jahren noch in die Be­richte reingeschrieben hat: Das Veranlagungsergebnis ist uninteressant; da muss ja viel mehr drinnen sein, noch mehr Prozente. – Jetzt sind wir alle gescheiter und finden: Weniger Prozente sind vielleicht auch sicherer.

Wichtig ist aber, heute für die Zukunft die richtigen Regeln festzulegen. Das heißt: Kei­ne unnötigen Risiken eingehen als öffentliche Hand; sich auch klar darüber sein, dass die öffentliche Hand – egal ob Bund, Länder oder einzelne Städte und Gemeinden – ei­gentlich keine großartigen Veranlagungsnotwendigkeiten hat außer der Überbrückung der Zeit zwischen Auszahlungstermin und der Bereitstellung durch den Finanzbereich. Wir brauchen nicht zu versuchen, Millionen und Hunderte Millionen € zu noch mehr Hunderten Millionen € zu machen.

Das heißt, es geht auch darum, wie wir die Kontrolle verbessern können: Vier-Augen-Prinzipien zu echten Vier-Augen-Prinzipien machen, Sechs-Augen-Prinzip oder andere Methoden der stärkeren Einbindung von mehreren. Mehr Transparenz ist immer auch ein Schutz vor kriminellem oder nicht absolut den Governance-Richtlinien entsprechen­dem Vorgehen von einzelnen Leuten.

Wir müssen dazu auch die Erfahrungen nutzen, die wir bei UBS, den verschiedensten Banken beobachten können, wo ja manchmal auch einzelne Leute die ganzen Institute niedergerissen haben, was die dann für Kontrollmechanismen eingezogen haben, um dadurch auch die Gefahr negativer Auswirkungen des Handelns einzelner Personen zu reduzieren.

Spekulationsverbot ist der eine Begriff. Das ist das Bekenntnis, das inzwischen auch die Länder, viele Gemeinden und der Bund für sich abgelegt haben, nämlich: Wir wol­len nicht mit Steuergeld spekulieren, und es soll auch in Österreich mit Steuergeld nicht spekuliert werden.

Zweitens: gläserne öffentliche Kassen, sprich mehr Transparenz in die Prozesse, damit die Bürgerinnen und der Bürger, jeder Einzelne mehr Information haben kann. Wir ha­ben im Bund mit dem Bundeshaushaltsrecht sehr positive Erfahrungen gemacht. Das muss ich ganz offen dazusagen.

Letztlich geht es auch noch darum, ein Reporting einzuführen, ob das jetzt beim Staat­schuldenausschuss oder bei der Statistik Austria oder wo auch immer angesiedelt wird, damit die Frage der Haftungen, der Risiken, die Frage des Vollzugs für alle auch so einem Monitoring unterzogen werden kann, dass man auch sagen kann, es wird kon­trolliert. Ich denke nicht, dass es darum geht, einzelne Länder oder Gemeinden dazu zu zwingen, dass sie nur mehr das machen können, was der Bund ihnen per Gesetz vorgibt, sprich, dass die OeBFA alles für sie machen kann. Es soll weiterhin die finan­zielle Autonomie gegeben sein. Was es allerdings nicht mehr geben soll, ist, dass spe­kuliert werden kann. Am besten geschieht das so, dass auch nicht mehr einzelne Fi­nanzberater, Investmentbanken und so weiter dem Bürgermeister, der Geld sucht für seine Investitionen, immer wieder Veranlagungen einreden können, die dann angeblich alle Probleme lösen.

Das ist ein Lernprozess, der sehr schmerzhaft ist, und es wird sicherlich noch vieles diskutiert werden in diesem Bereich. Wir befinden uns aber auch in einer Diskussion, die am Schluss für die Sicherheit der öffentlichen Verwaltung und die Sicherheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einiges bringen wird.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 215

Abschließend vielleicht noch zu einem Punkt, nämlich zur Schaffung der Finanzgerich­te: Das ist auch eine Verwaltungsreform, die den Vorgaben der Menschenrechtsbe­stimmungen entspricht, indem sie unabhängige Gerichte auch in diesem Bereich schafft.

In der Diskussion ist so der Eindruck entstanden, als würde die Präsidentin oder der Präsident des Bundesfinanzgerichts, das es ja dann ab 2014 sein wird, jetzt einfach so bestellt worden sein, nach dem Gutdünken des Ministeriums. Nein! Es ist erstens eine Behörde, die auch überprüft, ob das, was das Ministerium beziehungsweise die Fi­nanzämter als Bescheide ausgestellt haben, rechtens ist. Es handelt sich also auch um die Kontrolle der Arbeit des Finanzministeriums im weiteren Sinne. Natürlich hat es ein Hearing gegeben bei der Bestellung der jetzt amtierenden Richter. Daher wird man sich auch bei einer zukünftigen Bestellung, wann immer die sein wird, in zehn Jahren oder so, natürlich an diesen transparenten Vorgangsweisen orientieren. Das möchte ich schon dazusagen, damit nicht der Eindruck entsteht, als wäre jetzt einfach nur so bestellt worden, sondern es ist selbstverständlich mit Hearing, unter Anwendung all dieser Bewerbungsverfahren, bestellt worden.

Es würde mich freuen, wenn Sie zu diesen vielen Punkten Ihre Zustimmung geben würden beziehungsweise Ihre Nichtzustimmung nicht zum Ausdruck bringen würden – es ist ja in Wahrheit das Entscheidungsprozedere im Bundesrat, keinen Einspruch zu erheben. Das würde mich also sehr freuen. Wir kommen dann noch zu wirtschaftspoli­tisch ebenfalls wichtigen Punkten, nämlich Außenhandel, Doppelbesteuerung und der­gleichen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geän­dert wird.

Ich ersuche abermals jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Das scheint Stimmeneinhelligkeit zu sein. Ich stelle Stim­meneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zu Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungslegungs-Kontroll­gesetz erlassen und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 216

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsför­derungsgesetz 1981 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrförderungsgesetz ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.15.5335. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem der Artikel 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 betreffend die steu­erlichen Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der „Körperschaf­ten öffentlichen Rechts“ geändert wird (2096/A und 2098 d.B. sowie 8828/BR d.B. und 8865/BR d.B.)

36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Jerseys über den Informationsaustausch in Steuersachen (1916 d.B. und 2100 d.B. sowie 8866/BR d.B.)

37. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Protokoll zwi­schen der Republik Österreich und Rumänien und Zusatzprotokoll zur Abände­rung des am 30. März 2005 in Bukarest unterzeichneten Abkommens zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1934 d.B. und 2101 d.B. sowie 8867/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 35 bis 37 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 35 bis 37 ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte um die Berichte.

 


21.16.53

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Artikel 34 des Bud­getbegleitgesetzes 2001 betreffend die steuerlichen Sonderregelungen für die Ausglie­derung von Aufgaben der „Körperschaften öffentlichen Rechts“ geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 217

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum nächsten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Jerseys über den Informationsaustausch in Steuersachen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme zum dritten Bericht des Finanzausschusses, über den Beschluss des Natio­nalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Rumänien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 30. März 2005 in Bukarest unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin­derung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher auch gleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


21.19.11

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Diese Abände­rung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Rumänien wurde deshalb notwendig, weil es nicht mehr den neuesten OECD-Standards entspricht und deshalb eine Anpas­sung erfordert, was die steuerliche Transparenz und Amtshilfebereitschaft betrifft.

Österreich hat inzwischen über 100 solcher Abkommen zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung beschlossen. Es wird nicht gewollt, dass doppelt besteuert wird, es soll aber auch Steuerumgehung verhindert werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für gu­te Handelsbeziehungen, kommt der österreichischen Wirtschaft und Exportwirtschaft zugute und schafft und sichert Arbeitsplätze. Die FPÖ befürchtet zwar leider immer den gläsernen Menschen, hilft damit aber den Steuersündern und Geldwäschern.

Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern diese Abkommen werden ja lau­fend vom Global Forum der OECD überprüft und einem sogenannten Peer Review un­terzogen. Das ist eine regelmäßige Expertenüberprüfung zur Einhaltung dieser Fragen. Es ist also, wie schon gesagt, für uns wichtig, hier eine positive Bewertung zu haben und keine wirtschaftlichen Nachteile zu erleiden.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 218

Damit wir in Österreich nicht nur aus den Handelsbeziehungen mit Rumänien und vom dortigen Wirtschaftswachstum profitieren, sondern überhaupt aus dem Welthandel Nut­zen ziehen können, ist es ganz wichtig, solche Verträge zu haben.

Was den Punkt Informationsaustausch in Steuersachen zwischen Österreich und Jer­sey betrifft, ist zu sagen, dass mit Steueroasen wie Jersey keine Doppelbesteuerungs­abkommen geschlossen werden können. Um jedoch den von der OECD geforderten Transparenzstandards bei der Amtshilfeleistung zu entsprechen, geschieht dies in die­sem Fall auf dem Wege von Vereinbarungen zum Informationsaustausch. Der Informa­tionsaustausch betrifft zum Beispiel die Themen Ertragssteuern, Eigentumsverhält­nisse von Trusts, Gesellschaften, Stiftungen oder ähnlichen Rechtskonstrukten. Es be­steht auch die Möglichkeit von Steuerprüfungen in dem jeweiligen Staat.

Beide Abkommen sind Schritte in die richtige Richtung für mehr Transparenz und weni­ger Möglichkeiten, die Finanzströme zu verschleiern. Deswegen bitte ich um Ihre Zu­stimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Lindinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.22.16

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Jahren hat man den Gemeinden gesagt: Gründet KGs aus steuerlichen Gründen, damit ihr vorsteuerabzugsberechtigt seid und dann noch Maastricht-schonend euren Schuldendienst macht!

Na ja, so schnell ändert sich die Zeit. Die KGs werden wir wieder zurückführen, und jetzt müssen wir halt eine Sonderregelung im Steuergesetz treffen, um nicht wieder sämtliche Abgaben zahlen zu müssen, damit es für die Gemeinden bei der Rückfüh­rung an die Kommunen, also wieder an die ehemaligen Eigentümer, an die Körper­schaften des öffentlichen Rechts, steuerschonend ist. Das heißt, wir werden nach dem Vorsteuerberichtigungszeitraum die KGs wiederum zurückführen in das Eigentum der Gemeinden, und aufgrund dessen ist es notwendig, hier Sonderregelungen zu treffen.

Schön wäre es natürlich gewesen, wenn wir uns vor zehn Jahren das alles erspart hätten. Das hätte den Gemeinden viel Geld für Beratungskosten erspart. Die ganzen Wirtschaftskanzleien haben fest mitverdient, die waren froh, dass es diese Konstrukte gegeben hat, und alle haben uns gezwungen, das zu machen. Ich bin froh, wenn das wieder zurückgeführt werden kann, indem wir heute diese Regelung treffen.

Vielleicht finden wir dann auch noch für die Kooperationen Steuerermäßigungen. Denn jetzt haben wir dieselben Probleme. Wir müssen kooperieren in den Gemeinden, die größeren mit den kleinen, die kleinen mit den großen, und jetzt sollen auch die Ko­operationen steuerpflichtig sein. Also wo sollen wir dann noch sparen, wenn wir für al­les Steuern zahlen?

Herr Staatssekretär, der Wunsch der Gemeinden wäre, in diesem hoheitlichen Bereich überhaupt umsatzsteuerbefreit zu sein. Das wäre wirklich eine gute Regelung. Man muss schauen, dass man für die Gemeinden eine Lösung findet, denn die Gemeinden blasen aus dem letzten Loch. Wir kennen die Finanzsituation in allen Bereichen, und ich glaube, jede Verbesserung kann nur den Kommunen dienen, den Gemeinden die­nen, aber insbesondere auch den Bürgerinnen und Bürgern, indem die Finanzsituation der Gemeinden verbessert wird.

In diesem Sinne werden wir auch diesem Gesetz zustimmen.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen noch ein paar geruhsame Tage und dass wir uns nächstes Jahr wieder so gesund sehen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.25



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 219

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schie­der. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


21.25.16

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Mei­ne Damen und Herren! Ich möchte die Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen. Nach­dem die Vorrednerin und der Vorredner genau das gesagt haben, was meiner Meinung nach zu den Themen zu sagen ist, schließe ich mich diesen Meinungen einfach an.

Ich erlaube mir nur noch, Ihnen auch schöne Feiertage und alles Gute für 2013 zu wünschen, aus meiner Sicht Ihnen persönlich, Ihren Familien, aber auch Ihren Ge­meinden und Ländern. Hoffen wir, dass das Jahr 2013 ein besseres wird, als es das Zwölferjahr war. (Vizepräsident Mag. Himmer: Auch für Rapid!) Auch für Rapid. (Hei­terkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Artikel 34 des Budgetbe­gleitgesetzes 2001 betreffend die steuerlichen Sonderregelungen für die Ausgliederung von Aufgaben der „Körperschaften öffentlichen Rechts“ geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. De­zember 2012 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Jerseys über den Informationsaustausch in Steuersachen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Dezem­ber 2012 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und Rumänien und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 30. März 2005 in Bukarest unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steu-


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erumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.28.3838. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (1988 d.B. und 2020 d.B. so­wie 8871/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 38. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um den Bericht.

 


21.28.52

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Frau Ministerin! Herr Präsident! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird, bringen und komme sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke Ihnen für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


21.29.32

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute beim BIFIE-Gesetz, dass die Basisförderung von 13 Millionen € jährlich bis 2015 weiterge­führt wird.

Zum Zweiten ist es ein Reparaturgesetz. Nachdem der Rechnungshof massive Kritik an diversen Dingen geübt hat – zum Beispiel mangelnde Kontrolle, wenige Aufsichts­ratssitzungen, zum Teil auch politische Einflussnahme –, hat man sich entschlossen, dieses Gesetz auch zum Anlass zu nehmen, um Reparaturen vorzunehmen.

Jetzt ist es natürlich löblich, da es nicht so oft der Fall ist, wenn der Rechnungshof Kri­tik übt, dass dann sofort eine Reparatur erfolgt, wenn auch nur in Teilbereichen, denn immerhin hat der Rechnungshof 48 Kritikpunkte angeführt. Vier davon werden jetzt


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repariert, was ich ein bisschen wenig finde, aber es ist schon einmal besser als gar nichts.

Die 13 Millionen Basisförderung haben wir schon 2009 kritisiert. Wir haben auch da­mals schon gesagt, dass sei zu viel. Jetzt haben wir erfahren, dass das BIFIE Rückla­gen von rund 9 Millionen hat; also zwischen 8,5 und 9 Millionen kursieren die Zahlen. Jetzt ist es natürlich nicht grundsätzlich schlecht, wenn jemand Rücklagen bildet, und ich war immer ein Gegner dessen, dass man sagt, wenn jemand sich ein bisschen et­was spart, dann kürzen wir ihm gleich als nächstes die Mittel. Aber es zeigt sich trotzdem, dass die Mittel 2009 schon sehr üppig waren, was auch damals der Grund für unsere Ablehnung war und auch diesmal sein wird.

Wobei ich sagen muss, das BIFIE hat ja jetzt im Großen und Ganzen so schlecht nicht gearbeitet. Wir haben Kritik geübt, was die Zentralmatura anbelangt, speziell daran, wie die Reifeprüfung in Mathematik und in Deutsch sein wird. Trotzdem muss man sa­gen – vor allem gemessen an den jüngsten Ergebnissen – hat das BIFIE die Standards gut erarbeitet, aber auch gut geprüft. Jetzt erst haben wir in den Zeitungen lesen dür­fen, unsere Schüler können nicht ausreichend lesen. Das haben wir gewusst. Jeder Zweite kann nicht ausreichend rechnen. Das haben wir zwar auch gewusst, aber jetzt haben wir es schwarz auf weiß.

Aber geschehen ist trotz allen Wissens in den letzten Jahren nichts. Ich weiß, Sie ha­ben sich bemüht, Frau Minister. Trotzdem ist es meiner Meinung nach immer am zen­tralen Punkt vorbeigegangen, und der zentrale Punkt heißt, dass gewisse Leistungen erbracht werden müssen, der zentrale Punkt heißt, dass man in der Schule auch lernen muss, mit Versagen umzugehen, mit dem eigenen Versagen umzugehen. Man muss daraus lernen und es das nächste Mal besser machen. Man muss auch lernen, sich anzustrengen, denn lernen ist auch anstrengend, es ist aber auch schön, wenn man dann den Erfolg sieht. Die Kuschelpädagogik hat nach unserem Dafürhalten an der Schule nichts verloren.

Was ist die Conclusio aus der ganzen Geschichte? – Jetzt sind diese Tests schwarz auf weiß da. Jetzt weiß man, wie welches Bundesland abgeschnitten hat und so weiter, und einige sind jetzt aufgewacht und haben gesagt, da müssen wir etwas tun.

Die Wiener Stadtschulratspräsidentin hat gesagt, es wird halt mehr Tests geben. Von 15 Tests hat sie gesprochen. Ich bin nicht sehr oft mit ihr einer Meinung, aber die Idee finde ich jetzt einmal grundsätzlich nicht schlecht, da ich immer schon für mehr Schul­arbeiten, auch für mehr Tests war, zum Teil auch unangekündigte. Ich bin nämlich der Meinung und habe das auch aus Erfahrung gesehen, wenn mehr Tests sind, dann habe ich öfter ein Ergebnis. Das heißt, ich kann auch viel schneller reagieren und ich kann mich auch viel schneller verbessern, worum es ja eigentlich geht.

Was ist die Reaktion? – Der Elternverein hat sofort geschrien, kommt überhaupt nicht in Frage, das ist ganz furchtbar mit diesen 15 Tests und das möge doch die Frau Prä­sidentin des Stadtschulrates gefälligst überdenken. Das heißt, wir haben hier auch ein Spannungsfeld zwischen Schule und Eltern. Das betrifft weniger die Schüler, denn die Schüler richten sich meistens nach dem, was man ihnen vorgibt. Wenn man ihnen sagt, so machst du das, dann machen sie es auch meistens. Ein Problem sind oft die Eltern, die dann sofort auf der Matte stehen und sagen: Um Gottes Willen, das darf alles nicht sein! Das ist ein Feld, das für die Schule manchmal ein Minenfeld ist, und wo ich Se auch nicht beneide, durch dieses Minenfeld wandeln zu müssen, möglichst ohne auf eine Mine zu treten.

Aber trotzdem muss etwas passieren. Und darüber sind wir uns einig. Wir sind uns nicht immer über die Methoden einig, aber wir sind uns grundsätzlich schon darüber einig, dass wir unsere Schüler bestmöglich auf das Leben, auch wissensmäßig, vorbe­reiten wollen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 222

Leider sind alle guten Dinge, die ich jetzt angesprochen habe, die eine Seite, die hohe Mittelausschüttung ist die andere Seite. Sie wird der Grund für unsere Ablehnung sein, was ich irgendwie bedauere. (Beifall bei der FPÖ.)

21.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.

 


21.35.00

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Das mit 1. Jänner 2008 errichtete Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Ent­wicklung des österreichischen Schulwesens, genannt BIFIE, wurde gegründet mit dem Ziel, die Entwicklung des österreichischen Schulwesens voranzubringen und eine Stei­gerung des Umfanges und der Qualität bildungswissenschaftlicher Tätigkeiten zu er­reichen.

Das BIFIE leistet professionelle Arbeit, die von einem Aufsichtsrat prüfend und geneh­migend begleitet und von einem wissenschaftlichen Beirat beratend unterstützt wird. Die bisherige gesetzliche Regelung sah vor, dass der Bund dem BIFIE für die Erfüllung seiner Aufgaben bis 2012 eine jährliche finanzielle Basiszuwendung gewährt. Ab dem Jahr 2013 wäre die Finanzierung des BIFIE nicht gesichert, wenn nicht eine Auswei­tung des Zeitraumes für die zu leistende Basiszuwendung erfolgen würde. Mit der No­velle zum BIFIE-Gesetz wird nunmehr das neue Budget bedarfsgerecht für 2013 bis 2015 festgelegt.

Einer Anregung des Rechnungshofes folgend werden dem Direktorium und dem Auf­sichtsrat strengere Pflichten hinsichtlich der Aufgabenstellung, der Finanz- und Perso­nalplanung sowie der Berichtslegung auferlegt. Außerdem erscheint es im Sinne der Transparenz der Aufgabenerfüllung durch das BIFIE geboten, die Informations- und Beratungsleistungen des wissenschaftlichen Beirates auch dem BMUKK direkt zur Ver­fügung zu stellen. Daher sollen die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates ver­pflichtet werden, ihre Fachexpertise auf Verlangen auch dem BMUKK zukommen zu lassen.

Da die neue Regelung die Kontinuität wichtiger bildungspolitischer Entwicklungen wie die Reife- und Diplomprüfung oder die Bildungsstandards sicherstellt und diese Novelle die Bestrebungen unterstützt, beantragen ich und meine Fraktion die Zustimmung durch den Bundesrat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

21.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Kollege Dön­mez. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


21.38.02

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem nicht unsere Zustimmung erteilen, denn die Basisfinanzierung soll um drei weitere Jahre ver­längert werden, aber laut Rechnungshofbericht gibt es – so wie es Kollegin Mühlwerth auch schon angesprochen hat – da Rücklagen, und zwar nicht gerade wenig, nämlich in der Höhe von 8,9 Millionen €. Dennoch sollen jährlich bis zu 21,6 Millionen ausge­schüttet werden, davon 13 Millionen an Basisförderung.

Es gibt aus unserer Sicht schwere kaufmännische Mängel und Probleme bei den Basisaufgaben des BIFIE, die an der Notwendigkeit der Förderhöhe Zweifel aufkom­men lassen. Aus diesem Grund werden wir dem unsere Zustimmung nicht erteilen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 223

Nur einen kurzen Nebensatz erlauben Sie mir noch. Kollegin Mühlwerth, ich verstehe nicht, was ihr euch immer unter Kuschelpädagogik vorstellt. Ich kenne diese Richtung nicht. Es gibt Montessori, es gibt andere pädagogische Reformbewegungen und Strö­mungen, Reggio zum Beispiel, aber die Kuschelpädagogik kenne ich nicht. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Und eines möchte ich schon sagen: Wenn jemand der geschätzten Frau Ministerin das Leben in der Bildungspolitik schwer macht, dann sind das unsere KollegInnen in der Kammer nebenan. Dieses ideologische Hickhack auf Kosten unserer Kinder und Ju­gendlichen, wo es teilweise nur mehr darum geht, ob irgendwelche Interessen von Lehrergewerkschaften bedient werden oder nicht  (Bundesrat Kainz: Oh, oh! Sach­lich bleiben!) Der Zwischenruf kommt genau aus der richtigen Ecke. Es fühlen sich eh schon die Richtigen angesprochen.

Ich sage es noch einmal: Das einzige Potenzial, das wir in diesem Land haben, ist das Wissen. Unser Wohlstand wird abgesichert durch die Innovationen im Wirtschafts- und Dienstleistungssektor. Da brauchen wir die bestausgebildeten Leute.

Wir brauchen vom Kindergarten bis zu den Universitäten einen Zugang zum Bildungs­system und kein selektives Bildungssystem. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber man muss auch was tun dafür!) Unterschiedlichste Studien bestätigen uns, dass wir da massiven Aufholbedarf haben.

Ich war selbst im Besonderen Ausschuss des Bildungsvolksbegehrens. Da herrschte wirklich eine sehr harmonische Atmosphäre. Nur, wie es dann so üblich ist: Verlässt man den Raum, schaut die Geschichte schon wieder anders aus.

So werden wir keine Meter machen, weder im Bildungsbereich noch bei den Zusehe­rInnen zu Hause. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Bitte nicht auf Kosten der Kinder Politik betreiben! – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

21.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Köberl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.41.07

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Es ist 21.40 Uhr, und Sie verzeihen mir, wenn ich Sie – scherzhaft gemeint – bei der ganztägigen Form des Bundesrates heute bei uns will­kommen heiße. (Bundesministerin Dr. Schmied: Das ist ja die lange Nacht!) – Es gibt auch die lange Nacht des Bundesrates.

Wir haben schon einige Fakten zur heutigen Änderung des BIFIE-Gesetzes gehört, und ich möchte diese nicht wiederholen.

Das BIFIE, haben wir gehört, ist das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens. Manche bezeichnen es ironisch auch als die Glaubenskongregation des heimischen Schulwesens. So wie viele von uns halte ich das BIFIE für eine sinnvolle und notwendige Einrichtung, zu der wir uns gemeinsam bekannt haben. Wir werden auch der heutigen Novelle zustimmen.

Gerade nach Vorlage der Ergebnisse der Bildungsstandard-Erhebung in Mathematik, der flächendeckenden Einführung der Mittelschule-Neu, des Ausbaus des Angebotes ganztägiger Schulformen und der Vorbereitung der Zentralmatura zeigt sich, dass es noch viel zu tun gibt, meine Damen und Herren!

Über das Wie und über die Struktur des BIFIE hat seit Vorlage des Rechnungshofbe­richtes eine berechtigte Diskussion eingesetzt. Man kann dabei nicht an den Eckpunk­ten der Kritik und den Vorschlägen des Rechnungshofes vorbeireden. Wir haben ge-


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hört, es liegen insgesamt 48 Empfehlungen vor, und es zeigen sich teilweise gravieren­de Mängel in den internen Abläufen der Organisationsstruktur des BIFIE. Frau Kollegin Mühlwerth hat es schon ausgeführt: Personalanstieg um 258 Prozent, massive Kritik des wissenschaftlichen Beirates im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Zentral­matura, kostenintensive Doppelstrukturen in Wien und in Salzburg.

Auch nach der Ausgliederung des BIFIE aus dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur fällt das BIFIE in Ihren Zuständigkeitsbereich, Frau Ministerin. Sie wissen um den Handlungsbedarf beim BIFIE und Sie haben – das möchte ich positiv herausgreifen – bereits Maßnahmen gesetzt, zum Beispiel im Bereich der Geschäfts­führung. Diese wurde in der Zwischenzeit ja neu ausgeschrieben. Die Überliquidität wurde abgebaut durch Rechnungsabgrenzungen. Diese wurden zurückgenommen. Zu­dem soll es eine bedarfsgerechte Finanzierung geben.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wir unterstützen Sie bei allen Maßnahmen, welche darauf abzielen, die vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel abzustellen und das BIFIE für 2013 bis 2015 auf eine neue effiziente Basis zu stellen. Dazu gehören vor allem Transparenz, die Nachvollziehbarkeit der Aufgabenerfüllung, der mittelfristigen Planung, auch mit einem Personalplan und einem Quartalsbericht.

Als praktizierender Lehrer sage ich Ihnen unter dem Eindruck vieler Gespräche mit Schulleitern, Kollegen und Schülern: Es ist nicht immer leicht, jenen zu widersprechen, die behaupten, dass in unserem Land zwar viel für den Bereich Bildung eingesetzt wird, aber zu wenig dort ankommt, wo es am notwendigsten gebraucht wird, nämlich in den Schulen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zu den aktuell vorliegenden Ergebnissen der Bil­dungsstandards in Mathematik kommen, die auf der achten Schulstufe erstmals flä­chendeckend im Mai dieses Jahres abgefragt wurden. Die Ergebnisse dieser Überprü­fung – Sie kennen sie – sind aufschlussreich. Sie müssen ernstgenommen werden, denn sie zeigen Schwachstellen und den Handlungsbedarf im Pflichtschulbereich auf. Es gibt interessante Themen wie den Bildungshintergrund und den Bundesländerver­gleich – hier meine Gratulation nach Oberösterreich zu den tollen Ergebnissen. Auch was den Anteil der Migranten betrifft, gibt es interessante Werte. Die AHS-Unterstufen­schüler erreichten im Schnitt 600 Punkte. Die Vorbilder sind vor allem auch hier in Oberösterreich zu finden.

Ich möchte mich kurz fassen. (Ruf bei der ÖVP: Das geht jetzt nicht mehr! – Bundes­rätin Mühlwerth: Dafür ist es schon zu spät!) Die von manchen reflexartig als Reaktion darauf gestellte Forderung, nur mit der Einführung eines verschränkten Ganztagesun­terrichts werde alles gut, halte ich persönlich für ebenso falsch wie den Schluss, im Gymnasium sei alles in Ordnung. Wichtig und richtig ist auch in Zukunft die Wahlmög­lichkeit zwischen Gymnasium, Neuer Mittelschule und Schulen mit ganztägigem Schul­angebot. (Ruf bei der ÖVP: Das glaub’ ich!)

Das Erfolgsgeheimnis für Oberösterreich hat der zuständige Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer in vier Punkte zusammengefasst: standortbezogene Schulentwicklung und auf den Standort zugeschnittene Entwicklungsziele. Es gibt dort schon lange Out­putmessungen, die bisher schon einen Verbesserungsbedarf gezeigt haben. In Ober­österreich gelingt die Förderung von besonders talentierten Schülern, und es ist dort anscheinend gelungen, auch die Lehrer bestens zu motivieren.

Bei all diesen schwierigen Aufgaben wünsche ich Ihnen, Frau Minister, eine gute Hand, viel Durchsetzungskraft und die notwendige Konsequenz. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.46



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 225

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Dr. Schmied. – Bitte, Frau Minister.

 


21.46.51

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Hohes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zunächst muss ich zu ein paar Punkten vor allem auf Sie, Frau Bundesrätin Mühlwerth, ganz besonders eingehen. Sie fordern mich da immer ein Stück heraus.

Zur Novelle des BIFIE im engeren Sinn: Sie, Herr Bundesrat, und auch Frau Bundesrä­tin Grimling haben das ja sehr genau geschildert. Es geht im Wesentlichen um drei Punkte. Es geht erstens darum, die Basiszuwendung des BIFIE abzusichern. Die hatte bisher ein Ablaufdatum. Wir wollen, dass das BIFIE weiterarbeitet, also geht es um ei­ne entsprechende Verlängerung 2013 bis 2015.

Zweiter Punkt: Ich glaube, ein bisschen kennen Sie mich jetzt auch schon in meinem Zugang, Dinge anzupacken, wenn ich Missstände erkenne und wahrnehme. Selbstver­ständlich nehme ich den Rechnungshof ernst. Ich habe auch schon reagiert. Wir haben die Finanzprokuratur eingeschaltet. Ich bitte jetzt um Verständnis dafür – wir haben laufende Verfahren –, dass ich zu einzelnen Details hier jetzt nicht Stellung nehme. Aber es sind bereits Konsequenzen gezogen worden und wesentliche Punkte wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Dreijahresplanung, Personalplanung, Quartalsbe­richterstattung und der dritte Punkt, nämlich Schärfung der Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrates, bereits eingearbeitet. Ich betone es noch einmal: Ich nehme den Rech­nungshof sehr ernst, habe bereits gehandelt und nehme meine Verantwortung wahr!

Was die Überliquidität betrifft, so ist das bereits behoben worden. Das wurde vom Herrn Bundesrat bereits richtig dargestellt. Das war Ergebnis einer nicht korrekt ange­setzten Rechnungsabgrenzung im Jahresabschluss, und diese Überliquidität ist nicht mehr gegeben.

Gleichzeitig möchte ich betonen – und da weiß ich mich mit der Mehrzahl in diesem Raum einer Meinung –, dass das BIFIE für uns wichtige Arbeit leistet. Das BIFIE ist in seinen Aufgabenstellungen für die Schulentwicklung in Österreich unverzichtbar. Bil­dungsforschung, Bildungsmonitoring, Qualitätsentwicklung, nationale Bildungsbericht­erstattung sind wesentliche Aufgaben, die erfüllt werden müssen.

Zur Durchführung der Bildungsstandards: Zum ersten Mal in der österreichischen Schulgeschichte, immerhin seit Maria Theresia, haben wir eine Vollerhebung über die Ergebnisse an den einzelnen Standorten. Und ich kann Ihnen sagen: Allein schon bei der Präsentation der Ergebnisse waren Unterschiede in der Wahrnehmung spürbar, ob man über eine Stichprobe redet, bei der man noch überlegt, wie sie gezogen worden ist und ob das wirklich so ist oder ob eine Vollerhebung daliegt. Ich bin sehr stolz auf alle Mitwirkenden, und jetzt werden auch entlang der Verantwortung die entsprechen­den Schlüsse gezogen.

Diesen Punkt möchte ich doch noch ein bisschen ausführen, weil es natürlich sehr nahe liegt, jetzt über Rankings und Ratings zu sprechen. Wir leben in einer Welt der Rankings. Das zieht sich ja bis in die Kunst und Kultur hinein: Literaturlisten, der beste Film, das meistgelesene Buch. Wir zählen, messen, wiegen, machen ständig Reihen­folgen.

Die wichtigen Aufgaben der Bildungsstandards sind zweierlei, und die möchte ich hier kurz darlegen. Das ist zum einen der Rechenschaftsbericht über die erreichten Kompe­tenzen. Das erfordert Transparenz, Klarheit, Fakten. Auf der anderen Seite wollen wir Schulentwicklung – breitest, österreichweit – in Gang setzen. Schulentwicklung braucht Vertrauen. Schulentwicklung braucht damit auch Vertraulichkeit im Umgang mit den


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Daten. Daher werden wir den Fehler, den der angelsächsische Raum bei der Einfüh­rung vor 15 Jahren gemacht hat, genau nicht machen, nämlich zu sagen: Den Schwächsten kriegen wir dran! Es geht jetzt, ganz im Gegenteil, darum, sich gezielt der Schulentwicklung am Standort zu stellen, wo wir eben sehen, wie eng der Zusam­menhang zwischen Migrationshintergrund und sozialer Armut ist. Besonders krass wird es, wenn die beiden Komponenten zusammenfallen. Da müssen wir ansetzen!

Es werden jetzt 500 Experten und Expertinnen österreichweit zu den Schulstandorten kommen, mit den Schulpartnern Gespräche führen, mit den Pädagogischen Hochschu­len. Es werden Fortbildungsveranstaltungen konkret am Standort durchgeführt werden. Im morgigen „Kurier“-Interview spricht Frau Christine Marek, die Nationalratsabgeord­nete und neue Bildungssprecherin, das auch schon an. Ich glaube, genau dahin geht es, nämlich differenzierte Maßnahmen im Bereich der Bildungspolitik zu setzen und sich jetzt den Standorten besonders zu widmen, nachzuschauen, woran es liegt und was wir tun können und müssen, damit es dort, wo die Probleme ganz besonders auf­tauchen, besser wird.

Das hat jetzt gar nichts mit Kuschelpädagogik, oder ich weiß nicht, welche Begriffe man da verwenden will, zu tun. Wir können es uns nicht leisten, 15 bis 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung von morgen zurückzulassen, denn die Schüler von heute sind die Erwerbsbevölkerung von morgen – schon gar nicht sozial, von den Aspekten spreche ich gar nicht, aber auch nicht ökonomisch. Wenn wir unter den Top 5 der Europäischen Union und unter den Top 10 der Weltwirtschaft bleiben wollen, dann muss Bildung erst­klassig gelingen in unserem Land. Die Ziele sind auch rasch formuliert: Es muss zu­mindest jeder Schüler/jede Schülerin die Kompetenzstufe eins erreichen. Wir müssen zumindest die Grundkompetenzen absichern. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Klatschen ist nicht zeitökonomisch!)

Frau Bundesrätin Mühlwerth! Ich kann es ja auch nachvollziehen: Sie sind in der Rolle der Opposition, sind einmal gegen alles und sagen einmal: Stillstand!

Also ich sage: 54 Regierungsvorlagen, 54 Maßnahmen, angefangen vom verpflichten­den Kindergarten bis zum Nachholen von Bildungsabschlüssen kostenfrei. Das ist eine Dynamik, die müssen wir fortsetzen, darum geht es! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Am Kernproblem geht das aber vorbei! Das habe ich gesagt! Das geht am Kern vorbei!)

21.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.55.1139. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrper­sonengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Pädagogische Hoch­schulen und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden (1989 d.B. und 2021 d.B. sowie 8872/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 227

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 39. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


21.55.24

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Päda­gogische Hochschulen und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt vor. Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen dazu liegen keine vor.

Wüscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.56.3940. Punkt

Kulturbericht 2011 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-469-BR/2012 d.B. sowie 8873/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 40. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Schweigkofler. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


21.56.49

Berichterstatter Johann Schweigkofler: Mein letzte Berichterstattung: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Kulturbericht 2011 der Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 den Antrag, den Kulturbericht 2011 der Bundesministerin für Un­terricht, Kunst und Kultur zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.

 


21.57.26

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur legt jährlich einen Kulturbericht vor, der einen Überblick über die Tätigkeiten der Kultureinrichtungen des Bundes und die Förderungen aus dem Kulturbudget des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur im Berichtsjahr bietet.

Der Bericht für das Jahr 2011 stellt dabei eine durchwegs positive Entwicklung dar. So konnte trotz der bekannten Budgetlage das Bundes das Kulturbudget 2011 auf dem


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Niveau der Vorjahre gehalten und die Finanzierung der Kulturaktivitäten des Bundes abgesichert werden.

In den Bundesmuseen und in der Österreichischen Nationalbibliothek wurden die Re­formen mit transparenten Regeln für die Aufsichtsgremien fortgesetzt, und die im Re­gierungsprogramm vorgesehene Evaluierung der Bundestheater wurde erfolgreich ab­geschlossen.

Das Bundesdenkmalamt hat ein neues Statut erhalten, mit dem auch die Organisa­tionsstruktur reformiert wurde. Auch hier war das Ziel eine straffere Organisation und klare Verantwortlichkeiten sowie eine Verbesserung des Qualitäts-und Serviceniveaus und raschere Verfahrensabwicklungen.

Der Bericht umfasst auch Weiterentwicklungs- und Fördermaßnahmen außerhalb der Bundeskompetenz, etwa im öffentlichen Büchereiwesen, im Bereich der Volkskultur und der Regionalmuseen. Dargestellt sind zudem zahlreiche Maßnahmen der kulturel­len Bildung und Kulturvermittlung, wie etwa die Wien-Aktion, die Europa-Aktion oder Kooperationen zwischen Schulen und Kulturpartnern.

Der Kulturbericht 2011 stellt in übersichtlicher und instruktiver Form die wichtigsten In­formationen über die Tätigkeit des Kulturressorts dar.

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung des Berichtes mitgear­beitet haben, sei hier ausdrücklich gedankt.

Meine Fraktion und ich beantragen daher die zustimmende Kenntnisnahme des Kultur­berichtes 2011 durch den Bundesrat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

22.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Köberl. – Bitte, Herr Kollege.

 


22.00.40

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätz­
te Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause, die es so lange ausgehalten haben, es ist immerhin schon 22 Uhr! Kunst und Kultur sollen ihren Platz haben, auch in diesem Hohen Haus. Lassen Sie mich meine Ausfüh­rungen mit einem Zitat von Theodor Heuss, dem deutschen Politiker und Schriftsteller und dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, beginnen. Er hat gesagt: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“

Auch ich möchte mich namens unserer Fraktion sehr herzlich bei allen Beteiligten für die Erstellung dieses umfangreichen Kulturberichtes für das Jahr 2011 bedanken. Ich danke aber auch allen Künstlerinnen und Künstlern, allen Kulturschaffenden für ihr Engagement, für ihren Einsatz, für ihre Kritik, für ihren Mut, denn sie sind es letztlich, die die Pluralität der Kultur in unserem Land ermöglichen.

Eine zentrale Aufgabe Ihres Ministeriums ist es, die Rahmenbedingungen für die Künstlerinnen und Künstler sowie die Kulturinstitutionen finanziell sicherzustellen. Die­ses klare Bekenntnis zur Verantwortung des Staates für die Förderung der Kunst ist untrennbar verbunden mit einem solchen zur Wahrung der Autonomie von Kunst und Kultur. Es gilt – und da sind wir uns einig – zu fördern, zu unterstützen, zu ermutigen, aber all das, ohne die Freiheit der Kunst zu hinterfragen beziehungsweise in diese ein­zugreifen.

Positiv ist, dass auch im Jahr 2011 trotz einer schwierigen Situation hinsichtlich des Budgets jenes Niveau gehalten werden konnte, das dem der Vorjahre entspricht. Aus


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der Auflösung von Rücklagen, erfährt man, sind sogar mehr finanzielle Leistungen zur Auszahlung gelangt.

Es wäre jetzt verlockend, auf einzelne Kapitel des Kulturberichtes einzugehen, aber in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit darf ich mir das ersparen und nur zwei kleine Dinge herausgreifen, die oft unbeachtet untergehen.

Lesen ist Abenteuer im Kopf – das öffentliche Büchereiwesen. Die öffentlichen Büche­reien haben ihre Leistungszahlen deutlich steigern können. Rund 10,6 Millionen Me­dien standen in den erfassten öffentlichen Büchereien zur Verfügung. Die Zahl der Be­sucherInnen stieg von 8,9 Millionen auf 9,2 Millionen, und insgesamt wurde bei den Entlehnungen die 20-Millionen-Grenze überschritten.

Ein kleines Detail zur Volkskultur, wo ich mich immer wieder frage, warum noch immer zwischen Volkskultur und Hochkultur unterschieden wird: Im Bericht erfährt man, dass die Gruppe Maul- und Trommelseuche für ihre Konzertreise nach Jakutien, ein Teil der Russischen Föderation, zur Teilnahme am 7. Internationalen Maultrommel-Festival in Jakutsk unterstützt wurde. Auch das gibt es. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar persönliche Anmerkungen machen. Vielen von uns ist es schon so ergangen, mir zumindest schon öfter, wenn man in an­dere Länder oder in andere Kulturkreise kommt: Über die Eckdaten und die geografi­sche Lage unseres Landes herrscht oft Unklarheit und Unwissenheit. Österreich ist aber weit über seine Grenzen hinaus als Kulturland bekannt. Und ich darf einen weiten Bogen spannen, von Mozart über Klimt bis zuletzt zu Michael Haneke. Daher ist es wichtig, dass es in Österreich auch die Rahmenbedingungen dafür gibt, dass die Kunst- und Kulturschaffenden in entsprechender Form unterstützt werden.

Kunst und Kultur, meine Damen und Herren, geben oft Anlass zur Diskussion und zu Auffassungsunterschieden, und auch ich habe bei so manch moderner Kunst manch­mal Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. Aber halten wir es mit Johann Wolf­gang von Goethe, der gesagt hat: „Die Kunst ist die Vermittlerin des Unaussprech­lichen.“ – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

22.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


22.05.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Die De­batte über den Kulturbericht möchte ich zum Anlass nehmen, mich natürlich auch für den hervorragenden und detaillierten Kulturbericht zu bedanken. Wir nehmen ihn sehr gerne zur Kenntnis und stimmen natürlich zu.

Wir können ja über so viele Details und über so viele Punkte streiten, diskutieren, wie es halt in der Demokratie üblich ist, aber ich glaube, die Punkte, über die wir uns immer wieder streiten, sind bekannt. Wir finden, dass die großen „Kulturtanker“ zu viel be­kommen, wir hätten gerne ein bisschen mehr Umverteilung dorthin, wo interessante soziokulturelle Experimente stattfinden. Aber ich will jetzt einmal etwas anderes sagen, statt zu streiten – es ist ein bisschen weihnachtlich –, ich will sagen, wie froh ich bin, dass wir in Österreich darüber diskutieren, wohin das Kulturbudget fließen soll und wie wir es verteilen sollen, wenn ich sehe, was in anderen Gemeinden, in anderen Städten und in anderen Staaten passiert. (Bundesrat Schennach: Italien!)

In den Niederlanden wurden gerade Orchester einfach aufgelöst, von einem Tag auf den anderen, wirklich gute Orchester. In Italien wurde unfassbar gekürzt, in Spanien wurde unfassbar gekürzt. Und ich war völlig überrascht – ich habe das letztens gele-


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sen –, in einer Stadt wie Newcastle gab es ein Kulturbudget von 2,5 Millionen Pfund, und das Kulturbudget wurde um 2,5 Millionen Pfund gekürzt. 100 Prozent cut, kein Kul­turbudget mehr!

Das ist nicht die Zukunft, wie ich sie mir für Österreich vorstelle, und ich glaube, darin sind wir uns einig, und ich finde, es ist auch wichtig, dass wir uns da einig sind. Natür­lich soll Kultur immer allen Menschen in einem Land zur Verfügung stehen, und der Reichtum eines Landes ist ja auch daran erkennbar, wie es sich intellektuell damit aus­einandersetzt, mit dem Heute, mit der Vergangenheit, mit dem Erbe und mit dem Jetzt und mit der Zukunft. – Jetzt habe ich den Faden verloren. Das kann auch einmal pas­sieren. (Bundesrat Schennach: Du könntest noch Spanien anführen!) Das habe ich bereits gesagt.

Wir haben heute Nachmittag auch über den Tourismusbericht gesprochen, und wir wis­sen, dass jeder in die Kultur investierte Euro – leider wird da auch hierzulande oft politi­sches Kleingeld gemacht – zigfach zurückkommt. Wir wissen, dass Österreich auch deswegen ein solch attraktives Land ist, weil hier so viel Kultur passiert, und diesen Ruf gilt es auch zu verteidigen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Zum Schluss möchte ich noch eine mir und den Grünen sehr wichtige Botschaft loswerden. Es sind in den letzten Tagen sehr viele Gerüchte, Papiere aus dem Justiz­ministerium durchgesickert, bekannt geworden, und zwar zum Urheberrecht. Das Ur­heberrecht ist – keine Frage! – eine der großen Herausforderungen für das digitale Zeitalter, ein Urheberrecht, das noch in einer Zeit entstanden ist, in der es das Internet und eine digitale Welt noch nicht gab, und es geht jetzt darum, dieses in die Jetztzeit herüberzuführen. Das, was wir da an Arbeitspapieren aus dem Justizministerium gese­hen haben, finde ich nicht gut.

Wenn ich höre, dass die Vorratsdatenspeicherung dafür verwendet werden soll oder zumindest Verkehrsdaten von Providern abgefragt werden sollen, um zu schauen, ob da irgendjemand irgendwo etwas upgeloadet hat, und wir da sozusagen wieder in solch eine Schnüffel-Software hineinkommen, bitte ich Sie, Frau Ministerin – bis jetzt ist ja nur die Justizministerin aktiv –, hier auch einzugreifen. Wir brauchen eine völlig neue Debatte, wenn es um das Urheberrecht im Internetzeitalter geht, wir müssen da völlig neu denken und dürfen nicht mit irgendwelchen Schnellschüssen agieren – oder mit Arbeitskreisen arbeiten, die einseitig besetzt sind, wo nur eine Interessenvertretung dabei ist. Das sollten wir nicht tun. Da brauchen wir eine gute Debatte, und darum würde ich einfach einmal bitten. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bun­desräten der SPÖ.)

22.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


22.10.12

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zunächst danke ich für die sehr wertschätzende Aufnahme des Kulturberichtes 2011. Ich möchte das bekräftigen, was meine Vorredner bereits betont haben. Ich denke, wenn wir jetzt über Kulturpolitik im Allgemeinen sprechen, so ist die Freiheit der Kunst entscheidend, Autonomie, freie Entfaltung. Das ist aber gleichzeitig auch nur möglich mit einem klaren Bekenntnis zur Finanzierung von Kunst und Kultur. Und ich werde jetzt noch präziser: mit einem klaren Bekenntnis der öffentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur. Das ist nämlich absolut notwendig.

Wenn wir uns international umschauen, dann, glaube ich, können wir auch ein Stück stolz sein – ich beziehe mich jetzt auf den Kulturbericht, auf die Kulturinstitutionen, und


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ich spreche hier im Besonderen über die Bundesmuseen, die Österreichische National­bibliothek, die Bundestheater, die weltweit in der Oberliga mitspielen können, sowohl was die künstlerische Gestaltung betrifft, als auch was die Ausstattung der Institutionen betrifft, auch die Infrastruktur. Da haben wir erstklassiges Niveau, höchste Qualität, und so soll es auch bleiben. Daher müssen wir auch weiterhin dieses Bekenntnis zur öf­fentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur ablegen. Das ist mir ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Damit verbunden ist natürlich die Teilhabe an Kunst und Kultur. In diese Richtung ge­hen auch die Vermittlungsprogramme, die Kooperationen mit den Schulen, der freie Eintritt in die Bundesmuseen bis zum 19. Lebensjahr. All die Maßnahmen wollen wir fortsetzen, und ich freue mich auch sehr, dass die großen Investitionsprojekte gut un­terwegs sind, dass wir im Februar die Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums eröffnen können, dass wir das 21er Haus für die zeitgenössische Kunst schon eröffnet haben und dass auch der Umbau des MUMOK gut abgeschlossen werden konnte.

Weil wir im Bundesrat sind und weil ich weiß, dass sehr viele von Ihnen hier auch ein großes Anliegen haben, möchte ich auch den Denkmalschutz erwähnen, wo wir auch auf konstante Förderungen achten. Und einmal mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, möchte ich Sie auffordern und bitten, auch darauf zu achten, dass bei den Programmplanungsdokumenten, die jetzt in den Bundesländern für die EU-Strukturfonds, für die Regionalfördermittel entwickelt werden, Kunst- und Kulturprojekte berücksichtigt werden. Wir haben ja gerade auch die ländliche Entwicklung als einen Schwerpunkt, und es ist bitte wichtig, dass in den Programmplanungsdokumenten Kunst und Kultur vorkommt. Denn was bezweckt das? – Dann können wir die natio­nalen Mittel durch EU-Kofinanzierungen erhöhen. Und da bitte ich Sie einfach, in den Bundesländern darauf zu achten. Das ist sehr wichtig, denn ab 2014 wollen wir hier noch mehr Mittel, vor allem für die regionalen Kulturinitiativen, durchsetzen. Vielen Dank.

Und weil das meine letzte Wortmeldung dieser Sitzung ist, zumindest nach meiner jet­zigen Planung, möchte ich mich sehr, sehr herzlich bedanken für die gute Zusammen­arbeit mit Ihnen hier im Bundesrat, für Wertschätzung und Respekt, die ich immer fühle und wahrnehmen darf, und ich darf Ihnen allen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr wünschen. Und 2013 machen wir dann engagiert weiter bei Bildung, Kunst und Kultur! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

22.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist somit angenommen. (Rufe bei der FPÖ: Mehrheitlich!) Mehrheitlich angenommen.

22.15.1341. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Ernährungshilfe-Übereinkommen (2017 d.B. und 2074 d.B. sowie 8868/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 41. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. Ich bitte um den


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Bericht.

 


22.15.23

Berichterstatterin Mag. Bettina Rausch: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige An­gelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betref­fend ein Ernährungshilfe-Übereinkommen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Zur Debatte über den Tagesordnungspunkt darf ich sehr herzlich Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wortmeldungen liegen dazu keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

22.16.4142. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Internationa-
les Übereinkommen von 2001 über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölver­schmutzungsschäden (1996 d.B. und 2072 d.B. sowie 8869/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 42. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


22.16.57

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezem­ber 2012 betreffend Internationales Übereinkommen von 2001 über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte. (Rufe: Zurückgezogen! Zurückgezogen!)

Wenn Frau Kollegin Kerschbaum ihre Wortmeldung zurückgezogen hat, dann liegen mir keine Wortmeldungen dazu vor. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Wünscht jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 233

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

22.18.2643. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Re­publik Österreich (1997 d.B. und 2073 d.B. sowie 8870/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 43. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Greiderer. Ich bitte um den Bericht.

 


22.18.48

Berichterstatterin Elisabeth Greiderer: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezem­ber 2012 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersamm­lung Esterházy an die Republik Österreich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 


22.19.34

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Abkommen zwischen der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation betreffend die Übergabe der Büchersammlung Esterházy an die Republik Österreich wurde fast 15 Jahre verhandelt, und deshalb gilt mein Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern des Außenministeriums und dir, sehr geehrter Herr Staatssekretär, für diesen poli­tischen Erfolg.

Die Geschichte der ungarischen Adelsfamilie Esterházy von Galántha reicht bis weit ins 13. Jahrhundert zurück. Zum Dank für seinen Einsatz im Kampf gegen die Türken und wegen seiner Loyalität den Habsburgern gegenüber, die insbesondere von der Forchtensteiner Linie bis zum Ende der Habsburger-Dynastie hielt, wurde Paul I. Pala­tin des Königreiches Ungarn und habsburgischer Reichsfürst durch Kaiser Leopold I. Die Familie Esterházy prägte mit ihren Magnaten, Diplomaten und Mäzenen die Ge­schichte Österreich-Ungarns wesentlich mit. Einige Fürsten ragten aus diesem Ge­schlecht ganz besonders hervor: Fürst Paul I. war auch Impulsgeber zur Schaffung der umfassenden Bibliothek. Die Familie Esterházy galt als die wohlhabendste Familie Un­garns beziehungsweise früher Österreich-Ungarns.

Erwähnenswert ist auch, dass die Esterházys als Schutzherren der Juden galten.

Die Familie ist auch weit über die Grenzen unseres Landes wegen ihres kulturellen En­gagements bekannt. Nikolaus I. war ein Mäzen vieler Künstler. Er engagierte von 1761 bis 1790 Joseph Haydn als obersten Kapellmeister. Im Auftrag des Fürsten schuf Haydn in über 30 Jahren seine wichtigsten Werke.


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Das Talent von Ferencz Liszt, Franz Liszt, dessen Vater als Gutsverwalter auf den Esterházyschen Gütern tätig war, wurde von der Familie entdeckt und in die Welt hi­nausgetragen.

Fürst Paul III. Anton Esterházy, der lange als Gesandter und als Diplomat tätig war, trat sogar als ungarischer Minister zurück, weil er die Illoyalität gegenüber den Habsbur­gern nicht akzeptieren konnte.

Der Besitz in Ungarn wurde 1947 enteignet. Fürst Paul V. wurde zu 15 Jahren Ein­zelhaft verurteilt, ihm gelang 1956 die Flucht. Seine Gattin Melinda als Alleinerbin hat das gesamte österreichische Vermögen in mehrere Stiftungen eingebracht, um den Besitz zusammenzuhalten.

Die Esterházy Privatstiftung zählt mit ihren bedeutenden kulturellen Denkmälern, Schlös­sern, Burgen und Kulturstätten zu den wichtigsten privaten Kulturträgern Österreichs. Gerade deshalb ist es sehr wichtig, dass die 977 Bücher aus den Beständen der Es­terházyschen Büchersammlung, die 1945 von der sowjetischen Armee in das Gebiet des heutigen Russlands verbracht wurden, mit diesem Abkommen zurückgegeben werden. Die Bestände der Bibliotheca Esterházyana, die insgesamt an die 70 000 Bän­de umfasst, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Diese Bestände beinhalten wertvol­le Ausgaben und gehören zu den bedeutendsten Büchersammlungen Österreichs.

Die Esterházy Privatstiftung sieht es als ihre Aufgabe an, das kulturelle Erbe zu erhal­ten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Haydn Festspiele sind bekannt, sie werden nächstes Jahr sogar um eine Woche verlängert. Die Förderung zeitgenös­sischer Kunst durch die Errichtung moderner Bauten, die Unterstützung junger Musiker und die Verleihung des Jugendkulturpreises ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen.

Viele Grundstücke werden auch in den Nationalpark Neusiedler See, der zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt, eingebracht.

Ich danke deshalb nochmals allen für die mühevollen Verhandlungen auf österreichi­scher Seite und selbstverständlich auch auf Seiten der Russischen Föderation, die mit­geholfen haben, dass dieses Abkommen zustande gekommen ist.

Die 977 Bücher befinden sich derzeit in zwei Bibliotheken in Moskau und sind in gutem Zustand, voraussichtlich im Sommer 2013 werden sie zurückgegeben. Als Burgenlän­der freue ich mich natürlich, dass dieses wertvolle Kulturgut in unser Heimatland zu­rückkommt.

Wir stimmen dem Antrag daher gerne zu. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der SPÖ.)

22.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


22.24.34

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Ein interessanter Auftrittsapplaus. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Sie sehen ein Plenum des Bundesrates in voller Aufmerksamkeit dem Thema gegenüber.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr alle versteht sicher, dass ich diesem Kniefall vor der Familie Esterházy hier nicht unbedingt folgen kann. Aber es ist richtig, die Bücher kommen zurück. Wenn die Republik schon 15 Jahre für die Familie Esterházy verhan­delt hat, so wäre es ein schönes Zeichen der Familie Esterházy, mit den Gemeinden und Städten im Burgenland und mit den kulturellen Einrichtungen nicht diesen Kultur­krieg anzufangen, den sie in den letzten Jahren geführt hat, nämlich dass die Haydn Festspiele zum Teil aus dem Schloss müssen, dass im Haydn-Jahr der Vertrag ge-


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kündigt wurde. All das ist unfreundlich, was die Familie Esterházy durch ihren Verwal­ter macht. Und jede einzelne Gemeinde, in der die Familie Esterházy Grundstücke und Vermögen hat, kann eine Latte von Unannehmlichkeiten mit dieser Familie erzählen.

Insofern ist dieser Kotau vor dieser Familie hier völlig unangebracht, muss ich sagen, weil sich die Familie Esterházy nicht so verhält, wie sie sich eigentlich aus Dankbarkeit dafür, dass die Republik 15 Jahre für sie verhandelt hat, verhalten sollte.

Allerdings geht es hier um einen ganz anderen Hintergrund. Der Hintergrund ist die Restitution von geraubtem Kulturgut. Immerhin haben zwei große Gruppen des Zwei­ten Weltkriegs, die Nationalsozialisten und die Rote Armee, den größten Kulturraub ge­genseitiger Art von 45 Millionen Kulturgütern organisiert und durchgeführt. Beide Sei­ten wollten gigantische Museen eröffnen. Das eine wäre das Führermuseum in Linz gewesen, das andere wäre das Weltmuseum in Moskau gewesen. Dafür sind Tro­phäenbrigaden ausgebildet worden, und diese Trophäenbrigaden haben lückenlos bis zu den Uffizien gestohlen, geplündert und geraubt. Und da fällt auch diese Bücher­sammlung der Familie Esterházy hinein.

Es gibt heute noch Kulturgüter, die nicht restituierbar sind, da es sich zum Beispiel beim Gold des Priamos um eine ganz schwierige Besitzfrage handelt. Wahrscheinlich wird sich das Gold des Priamos, das ja eigentlich an den Zaren verkauft und von der Roten Armee aus Berlin gestohlen wurde, aufgrund ungeklärter Besitzverhältnisse nie mehr bewegen können.

Einen Monat, nachdem ich hier im Bundesrat angelobt worden war, wurde ich zum Me­diator zwischen Deutschland und der Ukraine betreffend Rückführung von von der Ro­ten Armee geraubten Kriegsgütern. Ich habe damals im Auftrag der österreichischen Bundesregierung, nachdem diese Restitution im Wert von 10 Milliarden US-Dollar ge­lungen ist, in Kiew für Österreich die Rede halten dürfen und kann nur sagen, dass ich die Leistung des österreichischen Außenministeriums bewundere. Diese Verhandlun­gen sind blutig, denn es geht auch um die Ehre und um das Verständnis von Sieger­mächten. Aber eines müssen Sieger lernen: dass Kulturgut niemals geraubt werden kann und dass Kulturgut niemals Beute von Siegern eines Krieges sein darf.

Im Ausschuss habe ich gehört – und dafür bin ich auch sehr dankbar –, dass kein Geld geflossen ist. Das ist, so glaube ich, eines der ganz wichtigen Dinge. Und das Window of Opportunity, solch eine Restitution zu schaffen, ist oft nur ganz kurz offen.

Eines muss man jetzt sagen: dass zum Beispiel die Ukraine Österreich einen Katalog mit ungefähr 400 geraubten Kulturgütern übergeben hat, die im Raum Linz bis heute verschollen sind. Dazu gehören unfassbar schöne Gemälde, die nach wie vor nicht da sind. Weiters kommt natürlich auch von der anderen Seite dazu, dass der berühmte Marschall Schukow so viel geraubt hat, dass man, als nach seinem Tod seine Datscha geöffnet wurde, mit dem Inhalt dieser Datscha ein ganzes Museum hätte ausstatten können.

Das heißt, wir haben bis heute noch Hunderttausende dieser Kulturgüter irgendwo. Sie sind geraubt – und Kultur raubt man nicht! Deshalb ist das ein ganz wichtiger Punkt zur Aufarbeitung der Geschichte. Das hat überhaupt nichts mit der Familie Esterházy zu tun, mit ihrer Seriosität oder nicht, sondern es geht darum, dass es eine Restitution von einem Staat an einen Privaten ist. Und das ist auch das völkerrechtliche Prinzip. Eine Restitution von Staat zu Staat gibt es nicht, sonst würde Nofretete noch heute nach Hause kommen. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

22.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Lopat­ka. – Bitte.

 



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22.30.01

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Zur Familie Esterházy hat Herr Bundesrat Temmel alles gesagt. Zu den Streitereien zwischen der Familie Esterházy und den Ge­meinden im Burgenland möchte ich nichts sagen.

Was die Restitution betrifft – in aller Kürze –: Es ist ja kein Einzelfall, dass diese Res­titution möglich ist. Wir sind hier mit der russischen Seite in sehr gutem Kontakt, daher war es auch möglich, diese 977 Bücher wiederzubekommen.

Wir konnten ja davor auch schon wertvolle Papiere für die Österreichische National­bibliothek wieder erhalten. Auch die Israelitische Kultusgemeinde hat wertvolle Bestän­de wieder zurückbekommen, aber, wie richtigerweise gesagt wurde, sind wir noch nicht am Ende der Arbeit. (Präsident Keuschnigg übernimmt wieder den Vorsitz.)

Jetzt sind wir – vor allem unsere Vertreter in der Botschaft in Moskau, aber auch mit Unterstützung von dritter Seite – sehr bemüht, noch weitere geraubte Kulturgüter wie­der zurückzubekommen. Das Gesprächsklima mit der russischen Seite ist ein sehr gu­tes. Daher bin ich zuversichtlich, dass das nicht das letzte Stück sein wird, das wir hier im Bundesrat behandeln, wenn es um Restitutionen geht.

In diesem Sinne danke ich für die Redebeiträge. Ich nehme an, dass Sie hier einen einstimmigen Beschluss fassen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundes­räten der FPÖ.)

22.31


Präsident Georg Keuschnigg: Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

22.32.1144. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden (2011 d.B. und 2078 d.B. sowie 8852/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen nun zum 44. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Bitte um den Bericht.

 


22.32.25

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Der Ausschuss für Wissenschaft und For­schung stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhellig­keit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Danke für den Bericht.

Ich begrüße den Herrn Wissenschaftsminister sehr herzlich hier im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 237

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


22.33.05

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben heute Vormittag in unseren Postfächern eine OTS der ÖH vorgefunden, die an den Bundes­rat appelliert, man möge die Studiengebührennovelle nicht beschließen, denn sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig.

Untermauert ist das Ganze mit einem Rechtsgutachten von einem der renommiertes­ten Juristen Österreichs, von Professor Theo Öhlinger, der hier eben mehrere Fragen abhandelt und auch Antworten findet.

Bei den meisten Antritts- und Abtrittsreden der geschätzten Präsidenten und Präsiden­tinnen des Bundesrates wird unter anderem immer wieder appelliert, wir sollten doch als Länderkammer sehr selbstbewusst auftreten. Wir haben jetzt bei diesem Gesetz, bei diesem Tagesordnungspunkt die Möglichkeit, wirklich selbstbewusst aufzutreten und das dem Nationalrat zurückzuschicken, denn  (Bundesrat Tiefnig: Das wollen wir nicht!) – Was tun wir nicht? (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) – Nein.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahr 2011 Teile des Universitätsgesetzes für ver­fassungswidrig erklärt und gleichzeitig eine Empfehlung zur Reparatur dieser Passa­gen abgegeben. Der Minister hat dieser Reparatur nie zugestimmt und hat den Univer­sitäten empfohlen, ohne rechtliche Grundlagen Studiengebühren autonom einzuheben. Einige Universitäten sind dieser sehr eindringlichen Empfehlung im Wintersemes­ter 2011/2012 tatsächlich gefolgt. Daraufhin hat die ÖH Studierende unterstützt, diese Studiengebühren bis vor dem Verfassungsgerichtshof einzuklagen. Vor einigen Wo­chen hat der VfGH dazu ernsthafte Bedenken geäußert und ein Urteil Anfang 2013 in Aussicht gestellt.

Obwohl dieser Vorstoß als verfassungswidrig zu qualifizieren ist, werden ÖVP und SPÖ dem die Zustimmung erteilen. Ich kann nur an euch appellieren, dass wir nicht einem Gesetz die Zustimmung erteilen, von dem wir jetzt schon wissen, dass es höchst­wahrscheinlich verfassungswidrig ist.

Da sind wir meiner Meinung nach unglaubwürdig, denn es gibt Probleme auf drei Ebenen. Erstens wird durch dieses Gesetz in ein bestehendes Verordnungsprüfungs­verfahren eingegriffen. Zweitens wird der Vertrauensgrundsatz verletzt. Es ist nämlich so, dass, selbst wenn der Verfassungsgerichtshof entscheidet, dass die autonom ein­gehobenen Studiengebühren unrechtmäßig waren, die betroffenen Studierenden trotz­dem Studiengebühren zahlen müssen. Drittens sind dadurch Universitäten, die ziem­lich sicher rechtswidrig Gebühren eingehoben haben, im Vorteil. Diejenigen jedoch, die sich nicht vom Minister auf rechtlich dünnes Eis haben treiben lassen, sind im Nachteil.

Und diese Argumente, die ich hier anführe, werden vom Rechtsgutachten von Profes­sor Theo Öhlinger untermauert. Ich selber bin kein Jurist, wie der Großteil hier herin­nen auch schon gar keine Verfassungsjuristen sind. Wir haben einige Kollegen, die Ju­risten sind.

Ich glaube diesem Gutachten von Professor Theo Öhlinger. Ich kann nur wirklich an euch, insbesondere an Kollegin Rausch und an Kollegin Kemperle, die ja zu diesem Tagesordnungspunkt reden werden, den Appell richten, dass wir es bitte zumindest schaffen, dass bei euch nicht alle zustimmen, denn die Bedenken der Studierenden und auch der Menschen, die an den Universitäten tätig sind, sollten und müssen wir ernst nehmen. Dass wir hier ein Umfeld haben, das suboptimal ist, liegt auch ganz klar auf der Hand. Die berechtigten Zweifel der ÖH möchte ich hier noch einmal unterstrei­chen und auch zur Sprache bringen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 238

Wir von der Fraktion der Grünen werden dem unsere Zustimmung nicht erteilen. Ich bin jetzt einmal gespannt darauf, was Kollegin Rausch dazu sagen wird. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

22.38


Präsident Georg Keuschnigg: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


22.38.15

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir sind jetzt mittlerweile schon nach der Primetime und dennoch hier, haben aber ein spannendes Thema, zu dem ich gerne Stellung nehmen möchte.

Die Geschichte, warum es zum heutigen Beschluss kommen soll, ist klar und bekannt. Der Verfassungsgerichtshof hat die Regelung von 2008 betreffend Studienbeiträge auf­gehoben, es gab dann eine Zeit der Rechtsunsicherheit. Das ist ja unbestritten, was das Einheben von Studienbeiträgen betrifft. Heute geht es nicht darum, etwaige rechts­widrige Zustände, die mit der individuellen Einhebung der Studienbeiträge an den ein­zelnen Unis bestanden hätten, zu beenden, aus unserer Sicht, aus meiner Sicht, aus der Sicht auch vieler juristischer Experten gab es da nie Rechtswidrigkeit, aber es gab Rechtsunsicherheit.

Ziel der heutigen Regelung ist es, diese Rechtsunsicherheit rückwirkend, aber auch pro futuro zu beenden und möglich zu machen, dass wieder alle Universitäten von be­stimmten Personengruppen Studienbeiträge einheben können, nämlich von jenen, die länger als die Mindeststudienzeit und zwei Toleranzsemester brauchen, von außeror­dentlichen Studierenden und von Studierenden aus Drittstaaten, wobei Letztere, dort, wo es zumutbar ist, auch die doppelte Höhe des Beitrages von 363,36 € zahlen sollen. Das ist die Grundlage des heutigen Beschlusses.

Uns allen ist das Schreiben bekannt, das mein Kollege Efgani Dönmez vorhin ange­sprochen hat. Dazu möchte ich sagen, dass das, was die ÖH da schreibt, nur eine Mei­nung von vielen ist und dass das Papier, auf dem Gutachten gedruckt sind, auch ge­duldig ist. Uns allen ist bewusst, dass die jetzige ÖH-Führung ganz eindeutige Ab­sichten verfolgt: Es ist klar, dass man dort keine Studienbeiträge will. Und wenn man Beiträge nicht will, dann kann man ein Gutachten auch so lesen, dass dieses Gutach­ten besagt, dass das problematisch wäre.

Ich möchte nur eines sagen: Es gibt mehrere Rechtsmeinungen zu diesem Thema, klar ist aber eine Rechtswidrigkeit, die aufgetreten ist, und deshalb stelle ich die Glaubwür­digkeit der ÖH-Führung auch im Namen vieler Studierender, die mich darauf anspre­chen, infrage. Rechtswidrig ist nämlich gewesen, dass 400 000 € von der ÖH rechts­widrig verwendet wurden (Beifall bei Bundesräten der ÖVP), in ein Café investiert wurden und damit Geld veruntreut wurde. (Ruf bei der ÖVP: So schaut’s aus!) Das war rechtswidrig. Ich denke, das muss man an dieser Stelle auch sagen. Ich weiß, es geht um etwas anderes, aber das ist das, was passiert ist. Und das ist eine ÖH-Führung, die uns „buseriert“ mit einer Rechtsmeinung, die nicht fundiert und nicht konkret ist, und die kann ich dann, mit Verlaub, auch nicht entsprechend ernst nehmen.

Wir werden heute zustimmen, dass Studienbeiträge von bestimmten Personengruppen eingehoben werden, weil wir überzeugt davon sind, dass es wichtig ist, dass ein Status der Rechtsunsicherheit beendet wird, rückwirkend und pro futuro. Und ich sage auch dazu – und ich glaube, diese Meinung kennen Sie auch –, dass wir vonseiten der ÖVP mit unserem Bundesminister der Meinung sind, dass ich auch als Jugendvertreterin der Meinung bin, dass das nur ein erster Schritt ist und dass wir weiter daran arbeiten


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 239

müssen, auch auf breiterer Basis wieder Studienbeiträge einzuheben – in einem Sys­tem, das jenen Studienbeiträge abverlangt, die sich das leisten können, das abgefedert ist mit einem System, das jene fördert, die diese Förderung verdient haben und brau­chen; einem System, das nicht nur den Unis wieder mehr Geld bringt, sondern das die Studierenden auch unterstützt und auch – und das soll man auch sehen – einen Aus­gleich schafft zwischen Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungsbiografien in Ös­terreich.

Daran werden wir arbeiten. Ich weiß, der Herr Bundesminister hat dafür viele Argu­mente und auch noch viel Kraft in seinem Rucksack. Wir wünschen ihm dafür viel Er­folg und bedanken uns für die Verhandlungen, die zum heutigen Beschluss führen konnten, mit dem Koalitionspartner, der diesen Beschluss unterstützt.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, weil es brandaktuell ist, dem Herrn Bundesminister auch dazu gratulieren, dass es ihm gelungen ist, die Verhandlungen mit 22 Universitä­ten zu den Leistungsvereinbarungen positiv abzuschließen – ein gutes Signal für die Unis, für Forschung und Lehre, für Studierende und Lehrende, für unseren Standort Österreich, weil es mehr Qualität, mehr Internationalität, mehr Kooperation geben wird. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich und freuen uns auf die weiteren Diskussionen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

22.43


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


22.43.11

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Minister! Ich weiß, die Studiengebühren und die Studiengebührenregelung sind immer ein sehr heiß umstrittenes und ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Was für uns aus sozial­demokratischer Sicht wichtig ist, ist natürlich, dass mit dieser Gesetzesvorlage nun­mehr Rechtssicherheit geschaffen wird und es letztendlich keine allgemeinen Studien­gebühren geben wird – mit den bereits von Kollegin Rausch erwähnten Ausnahmen – und dass rund 15 Prozent aller Studierenden insgesamt mehr bekommen.

Was für uns auch wichtig ist: dass durch die höheren Freibeträge für unselbständig Be­schäftigte in der Studienbeihilfe gerade ArbeitnehmerInnen-Familien profitieren und das natürlich einen erhöhten Zugang und wieder mehr Rechtssicherheit auch für diese Studierenden ergibt.

Wir wissen auch, dass diese Regelung natürlich im Ersten nur einmal eine Art Befris­tung darstellt, denn sollte nicht bis zum 31. Mai 2014 letztlich tatsächlich eine Neurege­lung kommen, bleibt diese Regelung in Kraft und wird das festgeschrieben.

Klar ist auch, dass wir künftig oder bis dorthin, bis es dann tatsächlich zu weiteren Ver­handlungen kommt, mit der ÖVP differente Meinungen haben, was Studiengebühren betrifft. Das ist nicht zu verhehlen, und das ist auch bereits angesprochen worden. Was wir aber in Österreich brauchen, ist eine weitere Verbesserung der Studienförderung und keine allgemeinen Studiengebühren, die Bildungshürden für junge Menschen dar­stellen, von denen gerade jene aus finanziell schwächeren Familien am meisten betrof­fen sind. Wir brauchen auch keine sogenannte Bildungselite reicher Eltern, sondern einen Hochschulzugang für alle. Das nützt der Allgemeinheit und vor allem auch unse­rer Gesellschaft am meisten.

Was das Gutachten betrifft, ist, glaube ich, doch einiges daraus abzulesen, denn selbst Öhlinger schreibt in seiner Bewertung, dass dem Gesetzgeber auch während jener Zeit, in der es Prüfungsverfahren gibt beziehungsweise verfassungsgerichtliche Ver­fahren eingeleitet sind, nicht verwehrt ist, letztendlich Reparaturen durchzuführen be­ziehungsweise Änderungen vorzunehmen. Und selbst in seinem Ergebnis oder in sei-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 240

nen zehn Zeilen der Ergebnisbewertung traut er sich nicht, tatsächlich darauf hinzuwei­sen, dass es verfassungswidrig ist, sondern führt aus, dass es so sein könnte. Das heißt, letztendlich ist ein Verfahren abzuwarten.

Bis dahin haben wir durch dieses Gesetz Rechtssicherheit, zumindest was die Studien­gebühren und den Zugang für unsere jungen Leute betrifft. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

22.46


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Töch­terle. – Bitte.

 


22.46.54

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Sachlage ist bekannt. Was man vielleicht noch einmal betonen muss: Dadurch, dass der Verfassungsgerichtshof Teile des 2008 beschlosse­nen Gesetzes aufgehoben hat, waren wir nicht in einem gesetzesfreien Raum, sondern nur der Interpretationsspielraum des Gesetzes war größer. Ich habe mich auf Basis der Auffassung eines ebenfalls hoch anerkannten Verfassungsjuristen und des besten Kenners des Universitätsgesetzes, Professor Heinz Mayer, Dekan der juridischen Fa­kultät der Universität Wien, der Meinung angeschlossen, dass der Interpretationsspiel­raum so auszulegen wäre, dass man auf Basis des Gesetzes Gebühren auch autonom einheben könne.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Herbst dann angekündigt, diese Auslegung zu überprüfen, und gleichzeitig hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes einen Ap­pell an die Politik gerichtet, hier Klarheit zu schaffen.

Diesen Appell habe ich sehr ernst genommen, deshalb habe ich – entgegen meinen eigenen Vorstellungen, die ich bereits im September 2011 dem Koalitionspartner vor­gelegt hatte, über die aber nicht verhandelbar war – versucht, mit dem Koalitionspart­ner zu einer Rechtssicherheit zu kommen, die wir jetzt erlangt haben. Diese Rechtssi­cherheit bedeutet, dass eben Langzeitstudierende und Studierende aus Drittstaaten wieder, wie ab 2008, 363,36 € zahlen. Neu ist, dass wir von Drittstaaten den doppelten Beitrag einheben, allerdings nicht, wenn es Entwicklungsländer sind, die sind natürlich befreit.

Wir haben, dem Wunsch nach Rechtssicherheit Rechnung tragend, auch versucht – und ich glaube, es ist gut gelungen –, die autonome Einhebung mehrerer Universitäten zu legitimieren, indem wir deren Satzungen legitimiert haben. Und wir haben auch, was auch schon erwähnt wurde, gleichzeitig die Studienförderung verbessert, vor allem in­dem wir die Bemessungsgrundlage erhöht haben, was vor allem für unselbständig Er­werbstätige einen Vorteil darstellt, der vielen BezieherInnen, 20 000 insgesamt, eine hö­here Studienbeihilfe bringt.

Ich gestehe allerdings – auch das ist schon angedeutet worden –, dass ich nach wie vor der Meinung bin, dass das derzeitige Gesetz nicht das Optimum ist. Das Optimum für mich wäre, wenn Universitäten autonom entscheiden könnten, Studienbeiträge bis zu einer bestimmten Höhe einzuheben, und das begleitet wäre von einer entsprechend sehr, sehr guten, sozial treffsicheren Studienförderung. Wir haben eine gute Studien­förderung, aber sie ist verbesserbar. Es gibt zwei Arbeitsgruppen, die daran arbeiten, das noch zu verbessern. Die eine ist von der SPÖ im Anschluss an ihren Parteitag ein­gerichtet worden, die andere ist von uns in der Hochschulkonferenz eingerichtet worden.

Deswegen meine ich, wenn die Ergebnisse dieser beiden Arbeitsgruppen vorliegen, kann man das Thema auch noch einmal diskutieren, denn ich bin nach wie vor erstens der Meinung – das ist das Wichtigste –, dass Studienbeiträge, in maßvoller Höhe und


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 241

sozial verantwortlich eingehoben, niemanden vom Studieren abhalten. Dafür gibt es auch viele empirische Belege, dass das so ist.

Ich bin auch der Meinung, dass Studienbeiträge in dieser Form sozial gerecht sind, weil ja viele, viele andere Ausbildungsgänge sehr, sehr hohe Kosten verursachen und nicht einzusehen ist, warum gerade die Universität, die oft zu den bestbezahlten Be­rufen führt, kostenfrei sein muss.

Jedenfalls bin ich auch der Meinung, dass der österreichische Steuerzahler nicht ver­pflichtet sein muss, für alle Studierenden aus der gesamten Europäischen Union die österreichischen Universitäten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass zum Beispiel ein Maurer mit seinem Steuergeld das Studium einer reichen Bankierstochter mitfinanzieren soll.

Es gibt also viele Gründe, die dafür sprechen, sozial gerechte Studiengebühren zu ha­ben. Das hat auch Vorteile für die Universitätenfinanzierung, die in Österreich sehr stark von der öffentlichen Hand und unterdurchschnittlich, also schwach, von privaten Händen getragen wird. Es gibt also viele Gründe dafür.

Gleichwohl bin ich derzeit mit dem, was wir gemeinsam erreicht haben, zufrieden. Ich danke auch dem Koalitionspartner für die konstruktiven Verhandlungen, und ich danke all denen, die dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung geben, dafür, dass sie das tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

22.51


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit der Fall. Der Antrag ist angenommen.

22.52.1945. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Tierversuchsgesetz 2012 erlassen wird sowie das Arzneimittel­gesetz, das Biozid-Produkte-Gesetz, das Futtermittelgesetz 1999, das Gentech­nikgesetz sowie das Tierschutzgesetz geändert werden (Tierversuchsrechts­änderungsgesetz – TVRÄG) (2016 d.B. und 2080 d.B. sowie 8831/BR d.B. und 8853/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir gelangen nun zum 45. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hensler. Bitte um den Bericht.

 


22.52.31

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bun­desrat! Der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz erlassen wird sowie das Arzneimittelgesetz, das Biozid-Produkte-Gesetz, das Futtermittelgesetz, das Gentechnikgesetz sowie das Tierschutz­gesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor; ich beschränke mich daher auf den Antrag.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 242

Präsident Georg Keuschnigg: Vielen Dank für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


22.53.33

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! In Anbetracht der vorgeschrittenen Stunde werde ich darauf verzichten, jedes einzelne Schicksal der über 153 000 Mäuse, die im Jahr 2011 Tierversuchen zum Opfer gefallen sind, aufzurollen. (Heiterkeit des Bundesrates Todt.) Aber dieser vielleicht etwas flapsige Vergleich zu einem ernsten Thema veranschaulicht, dass wir es hier doch EU-weit mit beträchtlichen Zahlen an Tierversuchen zu tun haben.

Was wir hier heute beschließen, ist die Umsetzung einer mit über zwei Jahren Verzö­gerung vorliegenden EU-Richtlinie. Es ist grundsätzlich richtig, dass das Niveau des Tierschutzes in Österreich ein hohes ist, dass der Tierschutz bei uns einen hohen Standard hat und dass die ganze Materie Tierversuche und Tierschutz im Spannungs­feld zur Wissenschaft steht, sehr komplex ist und natürlich auch sehr oft emotional be­legt ist.

Wir werden diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung erteilen, vor allem weil unter an­derem zwei auch wesentliche Forderungen von uns nicht umgesetzt wurden. Das ist einerseits die Stärkung der Rechte der Tierschutzombudsmänner, und auch die Forde­rung nach einem Ethikkriterienkatalog in diesem Bereich wurde nicht erfüllt.

Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung am Rande: Es ist für mich ei­gentlich völlig unverständlich, dass hier durchaus beachtliche Anstrengungen im Tier­schutz, in dieser sehr komplexen Materie unternommen werden, aber auf der anderen Seite gewisse Dinge, Tierquälereien – ich meine hier das Schächten – faktisch sakro­sankt sind. Dagegen wird einfach nichts getan, das wird zugelassen. Das kann ich nicht ganz verstehen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Todt – zu dem auf seinen Sitz­platz zurückkehrenden Bundesrat Krusche –: Das ist aber kein Tierversuch, Schächten!)

22.55


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


22.55.58

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf auch zum Tierversuchsgesetz und zur Novelle Stellung nehmen. Es ist eine Anpassung an die EU-Gesetzgebung, eine Anpassung, wo wir in Österreich eigentlich schon Vorreiter waren, insofern als wir ein sehr strenges Tierver­suchsgesetz haben, das dadurch nicht aufgeweicht wird, das seit 1989 besteht. Seit dieser Zeit sind die Tierversuche und das Leiden der Tiere um 60 Prozent zurückge­gangen.

Es ist eine kontroverse Materie. Dort, wo Tierversuche der Humanmedizin dienen, wer­den wir sie brauchen. Dafür stehen wir – für nicht mehr und nicht weniger und nichts darüber hinaus. Damit stimmen wir dieser Vorlage zu. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

22.56


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


22.56.54

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 243

dass wir uns prinzipiell in den Zielen einig sind, sprich darin, dass Tierversuche in mög­lichst geringen Mengen durchgeführt werden und absolut auf ein Minimum beschränkt werden sollen. Ich glaube, darin sind wir uns einig, und das habe ich jetzt auch sogar von Kollegem Preineder gehört.

Der Grund, warum wir heute nicht zustimmen, ist, dass die europäische Richtlinie nicht in dem Ausmaß umgesetzt worden ist, in dem sie hätte umgesetzt werden können. Es sind vier Punkte, die wir kritisieren, die uns fehlen.

Das Erste ist die rückblickende Bewertung, die laut dem Tierversuchsgesetz nur für Versuche mit starken Schmerzen erfolgen soll. Prinzipiell – und das merkt auch die veterinärmedizinische Uni an – wäre es sinnvoll, diese nachträgliche Bewertung von Tierversuchen überhaupt und bei jedem Tierversuch zu machen, insbesondere bei solchen, wo neue Methoden ausprobiert werden, einfach deshalb, weil man nicht weiß, ob das wirklich so ist, wie man es im Vorhinein bei der Planung und bei der Zulassung gedacht hat. Das wurde leider in den Gesetzestext nicht mit aufgenommen – für uns ein schweres Minus.

Ein zweites schweres Minus ist, dass Tierversuche, die starke Schmerzen und schwe­re Leiden oder schwere Ängste verursachen, die voraussichtlich lange anhalten und nicht gelindert werden können, nicht generell verboten werden, sondern dass es eine Ausnahmeregelung gibt, die auch nicht unbedingt notwendig wäre, nämlich: wenn es aus wissenschaftlich berechtigten Gründen – was eine etwas schwammige Formulie­rung ist – notwendig sei.

Der dritte Punkt ist, dass Tiere, die schon einmal Tierversuche mit starken Schmerzen, schweren Ängsten und vergleichbaren Leiden haben erleiden müssen, noch einmal zu Tierversuchen herangezogen werden können. Das hat es im alten Tierversuchsgesetz in dieser Form nicht gegeben, sondern da hat es dann nur geheißen, für Folgeversu­che, bei denen die Tiere dann zu guter Letzt sterben, sprich für Finalversuche. Das ist auch nicht schön, aber zumindest nicht noch zweimal schweres Leiden und starke Schmerzen.

Und der vierte Punkt, den wir kritisieren, ist, dass es keine unabhängige Kommission gibt, die bei der Entscheidung: soll dieser Tierversuch jetzt noch einmal zugelassen werden oder nicht?, unterstützt. Und „unabhängige Kommission“ heißt: bestehend in erster Linie aus Vertretern von Tierschutzvereinen, aber natürlich auch von wissen­schaftlichen Organisationen, die derzeit eben nicht so direkt in die Entscheidung ein­gebunden sind. Da die Zulassung für diese Tierversuche innerhalb einer relativ kurzen Frist erfolgen soll, wäre hier eine Stellungnahme von einer Kommission und nicht von einzelnen Fachexperten wünschenswert.

Auch das ist nicht möglich gewesen, dass man das in das Gesetz mit aufnimmt. Die Verhandlungen waren, soweit ich gehört habe, überhaupt eher nicht so wirklich kons­truktiv. Und deshalb werden wir der Novelle sicher nicht zustimmen. (Beifall des Bun­desrates Dönmez.)

22.59


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte.

 


23.00.03

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar schon sehr spät, aber ich ersuche trotzdem um ein bisschen Geduld. Ich möchte ein paar Anmer­kungen zu diesem Gesetz machen. Meine Vorrednerin hat ja schon kurz darauf hinge­wiesen, dass Tierversuche sozusagen per Definition genehmigungspflichtige experi-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 244

mentelle Eingriffe an lebenden Wirbeltieren sind. In der vorliegenden Gesetzesvorlage kommt es jetzt zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Kopffüßler – das sind Kraken, Tintenfische, Tintenschnecken – und auch auf Föten von Säugetieren im dritten Drittel ihrer Entwicklung. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Voraussetzung für Tierversuche waren bisher sozusagen die drei „R“, die in Österreich im Tierschutzgesetz ja schon gegolten haben und die jetzt EU-weit in Umsetzung sind. Das bedeutet Reduce, Refine, Replace – „Reduce“ steht für eine Beschränkung der Anzahl der Versuche und Versuchstiere auf das unbedingt notwendige Mindestmaß, „Refine“ steht für die Optimierung der Haltungs- und Lebensbedingungen der Ver­suchstiere vor, während und auch nach dem Versuch, und „Replace“ meint die Anwen­dung von bereits entwickelten Ersatzmethoden ohne Tiere. Auch das ist sehr, sehr wichtig.

Da gibt es ja unterschiedliche Möglichkeiten, wie Simulationen in Modellen, Tests an Zellen in Petrischalen oder auch die Entnahme von Organen von Schlachttieren, die wir sowieso zur Nahrungsversorgung schlachten. Diese Organe werden sozusagen am Leben erhalten – diesbezüglich gibt es ja auch Versuche hier in Wien an einer Fach­hochschule –, und auch damit werden Medikamente getestet. Das Tier muss nicht ex­tra gequält oder getötet werden für diese Versuche.

Ich habe im Vorfeld auch mit der Tierschutzombudsstelle gesprochen und mich auch ein bisschen beim Verein gegen Tierfabriken erkundigt. Es gibt ein paar Wermutstrop­fen, wo das Gesetz weiter hätte gehen können. Es wurde trotzdem sehr viel erreicht, denn es gibt jetzt diesen Kriterienkatalog für die Genehmigung von Tierversuchen, und der wird vom Messerli Forschungsinstitut entworfen. Da gibt es eben die Kritik einer­seits, dass das wieder so lange dauert, dass dieser Kriterienkatalog erst mit 31. De­zember 2015 fertig ist, also ab 2016 hat man ihn erst – das dauert ein bisschen lange –, aber es wird ihn geben, und das ist ein Fortschritt. Das sagen auch die Tierschützer, und das begrüßen sie auch.

Zukünftig müssen Tierversuche auf einer Webseite veröffentlicht werden, und es müs­sen auch sozusagen Ziel und Nutzen der Versuche und der Schaden, der angerichtet wurde, veröffentlicht werden. Die Tierschützer kritisieren, dass die Qualen nicht genau angeführt werden, aber ich glaube, darauf kann man verzichten. Es will, glaube ich, niemand so genau lesen, welche Qualen das tatsächlich waren.

Ich denke mir, die Umsetzung dieser Neuerungen bedeutet einen wesentlichen Fort­schritt und ist sehr zu begrüßen.

Ich möchte meine kurze Rede – meine erste Rede hier im Bundesrat – vielleicht mit ei­nem positiven Bild beschließen. Ich denke, bei allem, was zu kritisieren ist, beginnt jede Reise mit den ersten Schritten in die richtige Richtung, und dieses Gesetz leistet ein gutes Stück Weg zum Schutz von Versuchstieren und verdient daher unsere Zu­stimmung. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Posch.)

23.03


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Töch­terle. – Bitte.

 


23.04.00

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Es war hier kein neues Tierversuchs- und schon gar kein neues Tierschutzgesetz zu machen, sondern es war das Tierversuchsgesetz an eine EU-Richtlinie anzupassen. Die zeitliche Vorga­be war Ende dieses Jahres. Die halten wir, wenn es heute beschlossen werden sollte – was ich hoffe – ein, denn wir sind wie andere Länder im Zeitplan. Kein Land ist früher dran, wir sind gerade noch im Zeitplan.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 245

Die Gesetzwerdung war schwierig, auch wenn es eben nur um die Anpassung an eine EU-Richtlinie geht. Eine solche Anpassung ist aber sehr wichtig. Warum? – Wenn alle EU-Länder ähnliche Bedingungen bei Tierversuchen haben, dann gibt es innerhalb der EU auch kein Ausweichen mehr in Länder, die weniger strenge Regelungen haben, so­dass eine ähnliche Konkurrenzsituation entsteht.

Es gibt im Tierversuchsbereich ja naturgemäß immer zwei Gegenpole. Das eine sind die Tierschützer, deren Anliegen ich sehr ernst nehme. Ich habe sehr, sehr viele Ge­spräche mit Tierschützern geführt, mit verschiedensten Institutionen. Ich war deswegen heuer auch Teilnehmer am Philosophicum Lech, bei dem es gerade um Fragen des Tierrechtes, der Tiere generell und der Tier-Mensch-Beziehung ging und wo man ler­nen konnte – wenn man es nicht schon wusste –, dass der Mensch mit seinem Logo- und Anthropozentrismus mit dem Tier natürlich selten so umgegangen ist, wie er es heute tut.

Im Lichte neuerer Erkenntnisse gehen wir mit Tieren viel sensibler um, als es frühere Zeiten getan haben. Das ist gut so. Wir haben da also durch wissenschaftliche Er­kenntnisse viel gelernt, und ich selber bin diesbezüglich sehr sensibel. Ich darf einfach sagen, dass ich auch aus Tierschutzgründen viele, viele Jahre Vegetarier gewesen bin und dieses Prinzip derzeit nur aufgrund meiner Funktion bei mir selbst etwas gemildert habe. Also ich verstehe die Anliegen der Tierschützer sehr gut.

Die andere Seite ist aber die Seite der Wissenschaft und auch der Pharmaindustrie. Als Wissenschaftsminister ist es mir natürlich aufgetragen, die Anliegen von Wissen­schaft und Forschung zu sehen, und es ist klar – das bestreitet nahezu niemand –, dass die Wissenschaft und die Forschung in vielen Bereichen einfach noch nicht ohne Tierversuche auskommen.

Tierversuche sind vor allem wichtig zur Entwicklung und zur Testung neuer Medika­mente. Jeder kranke Mensch hat natürlich das Recht, zu fordern, dass er das bestmög­liche und das bestgetestete Medikament bekommt, und dafür dienen eben nun auch einmal Tierversuche – das ist so.

Und das zweite, weniger ethische, aber durchaus wichtige ökonomische Argument, das man eben auch nicht vom Tisch wischen darf, ist, dass wir in Österreich in den letzten Jahren eine starke Entwicklung bei den Life Sciences durchgemacht haben. Die sind in Österreich ein Bereich, wo wir wissenschaftlich an der Weltspitze sind, weswe­gen sich auch viele, viele Pharmafirmen bei uns ansiedeln, hier forschen, hier entwi­ckeln – auch zum Nutzen der Menschen, natürlich auch zum Nutzen von Arbeitsplät­zen. Und wenn wir hier dieser Seite überhaupt nicht Rechnung trügen, dann würden wir viele, viel Standorte in Österreich gefährden. Auch das muss man – und darum bitte ich einfach – bedenken.

So war es also nötig, eine Gratwanderung zwischen diesen beiden Extremen zu wa­gen. Ich glaube, diese ist gut gelungen.

Wir haben folgendes Prinzip durchzuhalten versucht – und es ist uns gelungen, das durchzuhalten! –: Die EU-Richtlinie erlaubt uns, da, wo wir bereits strengere Regelun­gen hatten, diese beizubehalten. Das haben wir getan. Wir sind nirgends weicher ge­worden, und wir sind da, wo es die Richtlinie verlangt, eben strenger geworden. Das al­les ist im Rahmen des Tierschutzes geschehen.

Wir haben aber auch versucht, den Aufwand und das Ausmaß an Bürokratie möglichst gering zu halten, deswegen haben wir manche weiteren Kontrollmechanismen, die von den Tierschützern gewünscht wurden, nicht eingezogen. Teilweise ist das auch gesetz­lich gar nicht möglich, aber es gibt natürlich die Tierombudsleute, die Tierschutzom­budsleute, und diese sind auch in die Kontrollen mit einbezogen und werden über die Kontrollen informiert.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 246

Der Kriterienkatalog, der mehrfach angesprochen wurde, ist ein Desiderat, das wir er­füllen – wir werden also diesen Wunsch erfüllen –, das ist nur eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Ich habe dazu mehrere Dissertationen gelesen und festgestellt, dass eine stimmige, objektiv handhabbare Erstellung eines solchen Kataloges eine hohe wissen­schaftliche Aufgabe ist, und die braucht einfach Zeit.

Wir haben dafür mit dem Messerli Forschungsinstitut an der VetMed eine sehr, sehr gute Institution, die ja die Erforschung der Tier-Mensch-Beziehung zu ihrem Programm erhoben hat, und dieses Institut wird uns diesen Kriterienkatalog machen. Wir haben die Hoffnung, dass wir mit diesem Kriterienkatalog, was den Tierschutz und seine Ob­jektivierbarkeit betrifft, in Europa ganz vorne mitspielen werden – aber das dauert eben seine Zeit, dafür bitte ich um Verständnis.

Ich würde zusammenfassend sagen, es ist uns hier gelungen, beiden Extremen eini­germaßen Rechnung zu tragen. Es ist klar, dass sehr radikale Tierschützer – und das sehe ich durchaus in einem positiven Sinn – nicht zufrieden sein können, aber ich bitte alle, zu bedenken, dass wir eben diesen Grat gehen mussten, und ich glaube, wir sind ihn gut gegangen, ohne abzustürzen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

23.09


Präsident Georg Keuschnigg: Mir liegt hiezu keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

(Präsident Keuschnigg verabschiedet Bundesminister Dr. Töchterle, der frohe Weih­nachten und ein gutes neues Jahr wünscht und sich für die gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat bedankt – was die Mitglieder des Bundesrates mit allgemeinem Beifall quittieren –, woraufhin Präsident Keuschnigg die Glückwünsche und den Dank erwi­dert.)

23.10.3046. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Be­amten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversi­cherungs-Änderungsgesetz 2012 – SVÄG 2012) (2001 d.B. und 2102 d.B. sowie 8832/BR d.B. und 8874/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen zum 46. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Ich bitte um den Bericht.

 


23.11.34

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ge­sundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das


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Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der gegenständliche Bericht des Gesundheitsausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich begrüße den Herrn Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger sehr herzlich hier bei uns im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


23.12.25

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Geschätztes Präsidium! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Das gegenständliche Gesetz ist vor allem eine Anpassung an die Rechtsentwicklung innerhalb der Sozialversicherung, und ich glaube, dass es einige Inhalte gibt, die es wert sind, hier letztendlich auch erwähnt zu werden.

Unter anderem sind folgende Maßnahmen davon betroffen: der Entfall des Service-Entgelts für anspruchsberechtigte Angehörige und ein Vorsehen einer jährlichen Valori­sierung sowie der Entfall der bisherigen Beschränkungen des Leistungsangebots von Zahnambulatorien.

Ich glaube, gerade das ist auch wichtig zu erwähnen, denn die bisherige Beschränkung des Leistungsangebots von Zahnambulatorien soll mit dem vorliegenden Gesetz künf­tig entfallen. Diese können dann letztlich auch Implantate, Zahnspangen et cetera an­bieten, also alle Leistungen der Zahnbehandlung, des Zahnersatzes sowie Maßnah­men zur Vorbeugung der Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer, ein­schließlich der dazugehörigen Gewebe.

Der bisherige Wettbewerbsnachteil durch diese Beschränkung des Leistungsangebots fällt weg. Es ist sicher nicht einzusehen, dass letztendlich die Zahnambulatorien, die ja voll ausgerüstet sind, im Grunde genommen eine sehr gute Leistung erbringen und auch die Fachärzte und -ärztinnen dafür haben, dieses nicht wahrnehmen dürfen und letztendlich in diesen Bereichen die Patienten/Patientinnen zu niedergelassenen Ärz­ten schicken mussten. – Ich denke, dass diese Angebotserweiterung auch einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.

Weiterhin natürlich verboten sind beziehungsweise nicht akzeptiert werden sogenannte kosmetische Luxusleistungen. Es ist auch weiterhin nicht geplant, diese zu machen be­ziehungsweise auch diese anzubieten.

Der erweiterte Unfallversicherungsschutz bei Wegunfällen ist natürlich ein weiteres Thema – und ein sicher sehr wichtiges Thema, da immer wieder Anpassungs- oder Auffassungsunterschiede aufgetaucht sind, wenn es zu Unfällen von und zur Arbeits­stätte gekommen ist, wenn dabei auch Kinder in die Schule oder in den Kindergarten gebracht wurden und damit ein Umweg verbunden war. In diesem Zusammenhang kam es immer wieder zu Diskussionen darüber, ob der Weg auch tatsächlich dem ge­setzlichen Ausmaß entsprochen hat.

Hier gab es eine Klarstellung dahin gehend, dass nicht nur Personen, die zur Auf­sichtspflicht letztendlich gesetzlich verpflichtet waren, dies wahrnehmen können, son­dern auch jene Personen, die eine schlichte Aufsichtspflicht haben, und das sind zum Beispiel Lebensgefährten/Lebensgefährtinnen – was letztendlich auch wichtig ist, weil


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es gerade auch in diesem Bereich immer wieder zu Problemen gekommen ist –, Stie­feltern, Großeltern und Tageseltern. Das heißt, letztendlich fallen auch diese unter den Unfallversicherungsschutz.

Und was für uns aus ArbeitnehmerInnensicht natürlich auch wichtig ist, ist, dass letzt­endlich auch die Berufskrankheitenliste geprüft und aktualisiert wird. Ich glaube näm­lich, dass auch, so wie wir heute ja schon ein Gesetz beschlossen haben, durch das psychische Erkrankungen mit berücksichtigt werden, die Berufskrankheitenliste zu überprüfen beziehungsweise zu aktualisieren ist und letztendlich auch die EPUs – das heißt, die Ein-Personen-UnternehmerInnen – von dieser Gesetzesmaterie erfasst sind. Diese erhalten nämlich künftig auch Krankengeld, was ihnen auch mehr Rechtssicher­heit bietet und was auch eine Verbesserung betreffend die Existenzsicherung darstellt.

Zusammenfassend gesagt glaube ich, dass dieses Gesetz notwendig ist, um hier An­passungen vorzunehmen. Ich glaube darüber hinaus, dass dies ein richtiger Schritt dazu ist, nicht erst zu agieren, wenn etwas passiert ist oder ein Krankheitsfall oder ein Unfall bereits eingetreten ist, sondern auch schon im Vorfeldbereich, in der Prävention zu handeln, wodurch dies, wie bereits gesagt, ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist.

Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage gerne zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.17


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


23.17.36

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Es ist schon spät, deswegen mache ich es ganz kurz.

Wir behandeln heute die Gesundheit zum Schluss, aber es heißt ja in einem Sprich­wort, das Letzte ist das Beste. Durch dieses Gesetz kommt es zu einigen Verbesse­rungen – das haben wir schon gehört. Und wenn ich letztes Mal davon gesprochen ha­be, dass gerade die e-card ein Erfolgsprojekt in Österreich ist, so wird die e-card dies­mal weiter verbessert. Wir haben auch schon von meiner Kollegin gehört, dass für die Angehörigen das Entgelt in Höhe von 10 € abgeschafft wird, was jetzt jährlich valo­risiert wird. Das ist eine sozialpolitisch sehr sinnvolle und gute Sache, die wir hier schaffen.

Es wurde auch schon angesprochen, dass der Unfallversicherungsschutz um die Per­sonen, die Kinder zum Kindergarten bringen, erweitert wird. Und so möchte ich gerade das Thema Kinder – wir haben auch heute schon öfter darüber gesprochen – noch­mals in den Vordergrund rücken und möchte hier speziell die medizinische Betreuung der Kinder ansprechen, denn gerade in der psychischen Behandlung gibt es Mängel. Aber auch in der Kinderrehabilitation fehlen Plätze, und das Kinderhospiz, wo es um schwerst kranke Kinder geht, das ist momentan größtenteils von Freiwilligenorgani­sationen organisiert. Da wäre eine flächendeckende Regelversorgung natürlich etwas sehr Sinnvolles.

Die Ausweitung des Leistungsumfangs der Zahnambulatorien hat meine Kollegin ja schon ausführlich erwähnt.

Ein weiterer Punkt, der auch ganz gute Auswirkungen haben wird, ist, dass Kleinst- und Kleinunternehmer in Zukunft ab dem 43. Tag Krankengeld erhalten sollen. Es ist im Ausschuss schon angesprochen worden, dass der 43. Tag relativ spät ist, aber es ist uns auch gesagt worden, dass im Rahmen der Krankenversicherung eine Zusatz-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 249

versicherung möglich ist, sodass der Leistungsempfang schon ab dem vierten Tag er­folgen kann.

Anführen möchte ich noch den für mich besonders wichtigen Teil in diesem Gesetz: Mit 1. Jänner 2013 findet eine Erhöhung des Wochengeldes für die Bäuerinnen, die Un­ternehmerinnen und die Freiberuflerinnen statt. Das ist eine langjährige Forderung der Bauern und auch der Wirtschaft, denn die unselbständig tätigen Frauen gehen in den Mutterschutz, ihr Einkommen wird weiterbezahlt, die Selbständigen jedoch erhielten bisher lediglich acht Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt 27 €. Sie leisten aber wertvolle Arbeit auf ihren Betrieben und auf den Höfen, und daher ist es höchst notwendig und auch gerechtfertigt, diesen Betrag von 27 € auf 50 € aufzu­stocken – das dient zur Absicherung unserer Familien und gibt Mut, sich wieder ver­stärkt für ein Kind zu entscheiden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Diese Gesetze sind eine gute Sache, und daher werden wir diesen Gesetzen zustim­men. (Beifall bei der ÖVP.)

23.21


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


23.21.28

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehschirmen! Heute be­grüße ich ganz besonders jene Menschen, die in meinem Ort, in dem Ort, in dem mein Elternhaus steht, Allerheiligen im Mühlkreis, die Sitzung via Fernsehen verfolgen, denn sie haben mir diese Kleidung, diese Tracht geschenkt, abgeleitet von einem Berg­mannskittel.

Und es lässt sich da gerade zur Gesundheitspolitik ein Zusammenhang herstellen, denn es waren die Bergarbeiter, die vor mehr als 130 Jahren damit begonnen haben, ein solidarisches Gesundheitssystem aufzubauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute am Schluss der öffentlichen Debatte im Hohen Haus über das Thema Gesundheit sprechen, so bedeutet das, dass wir die Gesundheitspolitik und auch das Leistungsrecht an die heutigen Gegebenheiten anpassen müssen.

Wenn Sie heute diesem Gesetz die Zustimmung erteilen, dann machen wir einen ganz essenziellen Schritt: Wir stellen sicher, dass Kinder, Jugendliche die Möglichkeit haben, eine kostengünstigere Zahnversorgung zu bekommen, indem wir es den Ge­bietskrankenkassen ermöglichen, in den Zahnambulatorien das gesamte Leistungs­spektrum anzubieten, dass die Ärztinnen und Ärzte in diesen Zahnambulatorien ihre Leistungen erbringen können. – Ein großer, wichtiger Schritt.

Zweitens stellen wir sicher, dass Menschen, die selbständig arbeiten, die in ihrer Selb­ständigkeit gar kein so hohes Einkommen haben, dann, wenn sie krank werden, einen Gesundheitsschutz haben, Krankengeld bekommen. Auch diesen Schritt setzen wir. Wir passen das Sozialrecht den veränderten Bedingungen an.

Wir führen aber auch noch einige andere Verbesserungen durch, zum Beispiel kommt es zum Entfall der Gebühr für Angehörige bei der e-card. Das sind nur ein paar Bei­spiele, aber diese zeigen, dass Sozialpolitik, dass Gesundheitspolitik dort ansetzen muss und ansetzt, wo die Lebensbedingungen der Menschen tatsächlich betroffen sind.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zur Gesundheitsreform. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir in der letzten Sitzung, in der ich anwesend war, den Elektro­nischen Gesundheitsakt beschlossen haben, haben wir jetzt eine Artikel-15a-Vereinba­rung abgeschlossen, und zwar zwischen den Ländern, der Sozialversicherung und dem Bund, durch die wir das solidarische Gesundheitssystem weiterentwickeln. Länder


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 250

und Sozialversicherungen arbeiten zusammen, damit wir in Zukunft das Gesundheits­system besser planen, besser steuern und auch gemeinsam finanzieren können und dadurch langfristig absichern.

Da es schon spät ist, möchte ich nicht mehr ins Detail gehen, aber eines ist mir noch ganz wichtig: Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Menschen, die in Österreich im Gesundheitsbereich arbeiten. Sie haben ein ganzes Jahr lang tolle Arbeit geleistet, waren einfühlsam und haben mit ihrem beruflichen Engagement dafür gesorgt, dass Österreich ein Gesundheitssystem hat, um das es andere Staaten beneiden.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Gruß an Sie richten: Ich wünsche Ihnen al­les Gute im Neuen Jahr. Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund sind – mir als Gesund­heitsminister ist es besonders wichtig, dass Sie gesund sind –, aber ich wünsche Ihnen auch, dass Sie, sollten Sie einmal nicht gesund sein, Menschen finden, die Ihnen hel­fen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in einem solidarischen Gesundheitssystem behandelt werden können, wo einfühlsame Menschen für Sie da sind, Menschen, wie wir sie in Österreich kennen, und dass Sie dann ein Gesundheitssystem vorfinden, zu dem Sie Zugang haben und durch das Ihnen geholfen wird. Die österreichischen Menschen im Gesundheitssystem tun das.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und danke! (Allgemeiner Beifall.)

23.26


Präsident Georg Keuschnigg: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

23.26.4647. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz und das Anti-Doping-Bun­desgesetz 2007 geändert werden (2010 d.B. und 2103 d.B. sowie 8875/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Wir kommen zum 47. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisinger. Ich bitte um den Bericht.

 


23.27.05

Berichterstatter Friedrich Reisinger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht des Gesundheitsausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Georg Keuschnigg: Ich danke für den Bericht.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


23.27.29

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister, Sie machen es mir heute schon fast schwer, einen Antrag von Ihnen abzulehnen,


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 251

nachdem Sie den Bergmannsstand so hoch geehrt haben. Trotzdem in aller Kürze die Begründung dafür, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können.

Es geht um einen wesentlichen Punkt und betrifft den Fernabsatz von zwar rezept­freien Medikamenten, aber immerhin. Ich sehe eigentlich keine Notwendigkeit dafür. Im Inland haben wir ohnehin eine entsprechend gute Versorgung, und wir wissen, dass über unsere Apotheken keine gefälschten Medikamente in Umlauf kommen.

Anders sieht die Situation vielleicht EU-weit aus. Und wir bieten nun auch die Möglich­keit, bei solchen Apotheken via Internet einzukaufen. Wir alle wissen, Internethandel ist problematisch, ist in gewisser Weise auch betrugsanfällig. Wir sollten dem eigentlich nicht Vorschub leisten und eine Hintertür quasi öffnen.

Außerdem ist auch die Frage der Kontrolle aus unserer Sicht nicht ganz geklärt. Das soll die AGES übernehmen, die eigentlich ohnehin schon ausgelastet ist. Diese zusätz­liche Aufgabe wird daher wahrscheinlich nicht ohne Qualitätsverlust in anderen Berei­chen zu verwirklichen sein. Deshalb werden wir zu diesem Antrag Nein sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.29


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte.

 


23.29.17

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Änderung, die wir heute beschließen, ist laut einer EU-Richtlinie, die umgesetzt werden muss, erforderlich. Mit dieser Änderung soll einer möglichen Bedrohung der öffentli­chen Gesundheit durch gefälschte Arzneimittel begegnet werden. Herr Kollege Kru­sche hat ja schon gesagt, dass in Österreich noch kein gefälschtes Medikament in Um­lauf gekommen ist, und damit das so bleibt, wollen wir dieses Gesetz heute beschließen.

Für Arzneimittel, welche besonders fälschungsgefährdet sind, wird es Sicherheitsmerk­male geben, und es wird auch eine klare Rechtslage geben, die wir jetzt nicht haben, damit öffentliche Apotheken auch in Österreich wettbewerbsfähig gegenüber anderen sind und eben auch über Internet verkaufen dürfen.

Das Internet ist in unsere Haushalte eingezogen, wir verwenden es täglich. Auch der Einkauf über das Internet ist für uns selbstverständlich geworden; es ist ja auch sehr bequem. Ich denke, im Sinne unserer eigenen Gesundheit sollten wir beim Medika­menteneinkauf vorsichtig vorgehen und keine Medikamente aus dem Ausland kaufen.

Der heutige Beschluss dient der Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Liebe Zu­seherinnen und Zuseher, man sollte sich gerade beim Kauf von Medikamenten überle­gen, ob nicht beim heimischen Apotheker ums Eck die persönliche Beratung und das persönliche Gespräch besser sind als ein Klick im Netz. Und man sollte bedenken, dass auch bei rezeptfreien Medikamenten Nebenwirkungen entstehen können, die nicht ungefährlich sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.31


Präsident Georg Keuschnigg: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


23.31.25

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Wir haben es schon gehört: Die Sicherheit und der Schutz der österreichischen Bevölkerung sind uns wichtig. Im Internet gibt es ja jetzt schon die Möglichkeit, Medikamente im Ausland zu kaufen. Daher ist es gut, dass wir unseren österreichischen Apotheken auch diese


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 252

Möglichkeit bieten, denn damit wissen wir, dass Qualität und Sicherheit angeboten werden. Es gibt auch ein spezielles Logo für die österreichischen Internetapotheken und es können nur nicht rezeptpflichtige Medikamente über das Internet angeboten werden, daher glaube ich, dass diese Regelung gut ist.

In der letzten Sitzung haben wir ELGA beschlossen und damit auch die E-Medikation. Und nun haben wir die Sicherheit, dass die Medikamente, die über das Internet gekauft werden, mit aufgezeichnet werden, um eine Überprüfung auf Wechselwirkungen durch­führen zu können.

Diese gesetzliche Regelung bringt eine Chance für unsere österreichischen Apotheker.

Herr Minister, ich möchte zum Schluss noch anführen, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, noch einmal darüber nachzudenken, welche Substanzen wir da alle freigeben, und zu überlegen, ob wir Substanzen, die einer besonderen Beratung bedürfen, nicht vielleicht doch EU-weit aus dem Internethandel herausnehmen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

23.33


Präsident Georg Keuschnigg: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung vor.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

23.33.2348. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Tiermaterialiengesetz geändert wird (Tiermaterialiengesetz-No­velle 2012) (2013 d.B. und 2105 d.B. sowie 8876/BR d.B.)

49. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes (2014 d.B. und 2106 d.B. sowie 8877/BR d.B.)

 


Präsident Georg Keuschnigg: Nun kommen wir zu den Punkten 48 und 49 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Hensler. Ich bitte um die Be­richte.

 


23.36.00

Berichterstatter Friedrich Hensler: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Tiermaterialiengesetz geändert wird. Ich beschränke mich auf den Antrag. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 be­treffend ein Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtli­cher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 253

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 18. Dezember 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte.

 


23.36.09

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Tiermateria­liengesetzes ist nicht mehr und nicht weniger als eine Rechtssicherheitsfeststellung, also eine Anpassung von Verweisen und Textpassagen, die auf EU-Recht Bezug neh­men, sowie Ergänzungen und Klarstellungen in einzelnen Formulierungen, die sich aus der bisherigen Vollzugserfahrung ergeben haben.

Daher steht vonseiten unserer Fraktion einer Zustimmung nichts entgegen.

Ich komme sogleich zum zweiten Punkt, der jetzt in Behandlung steht: Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tier­schutzes. Auch bei den Durchführungsbestimmungen hinsichtlich der unionsrechtli­chen Bestimmungen ist besonders wichtig, dass die strengen österreichischen Bestim­mungen des Tierschutzes aufrechtbleiben und die hohen Standards in Österreich nicht unterlaufen werden. Das ist unserer Fraktion besonders wichtig. Daher erteilt unsere Fraktion auch diesem Gesetz und diesen Durchführungsbestimmungen die Zustim­mung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


23.36.49

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir haben schon gehört, es handelt sich bei diesen zwei Gesetzen eigentlich nur um Umsetzungen europäischer Verordnungen. Bei dem einen Punkt, dem Tiermaterialiengesetz, geht es nur um Textanpassungen und beim zweiten um die EU-Verordnung betreffend Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tö­tung.

Wir haben in Österreich eigentlich sehr strenge Bestimmungen und diese bleiben auch aufrecht.

In Österreich sind rituelle Schlachtungen erlaubt, das Schächten. Und diese Ausnah­meregelung wird es auch in Zukunft geben.

Wir stimmen diesen Gesetzesanträgen zu.

Und weil das heute meine letzte Rede ist und das kurz vor Ende der Sitzung, möchte ich auch allen ein frohes Weihnachtsfest, einige besinnliche, ruhige Tage wünschen und alles Gute im Jahr 2013! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

23.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Pirolt zu Wort. – Bitte. (Unruhe.)

Ich darf um etwas mehr Ruhe im Saal für die letzten Reden bitten!

 


23.37.56

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Meine Damen und Herren, ich kann ruhig et­was lauter reden, wenn es nicht anders geht. Aber nichtsdestotrotz: Diesem Gesetzes-


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 254

vorschlag ist durchaus zuzustimmen – aber weil Weihnachten ist, darf ich auch einen Wunsch äußern.

Hier herinnen haben wahrscheinlich auch etliche zugestimmt, als man das Schächten erlaubt hat. Und mein Wunsch an das Christkindl wäre, diese Bestimmung wieder ab­zuschaffen.

Ich wünsche Ihnen schöne Weihnachten, und dir, lieber Herr Präsident Keuschnigg, danke ich herzlich für deine umsichtige Führung als Präsident. (Allgemeiner Beifall.)

23.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Dezember 2012 betreffend eine Tiermaterialiengesetz-Novelle 2012.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. De­zember 2012 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung unmittelbar anwendbarer unionsrechtlicher Bestimmungen auf dem Gebiet des Tierschutzes.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

23.39.4850. Punkt

Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 1. Halbjahr 2013

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen zum 50. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Jänner 2013 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Vorarlberg über­geht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle ent­sendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Edgar Mayer, zum Vorsitz be­rufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der Vizepräsidentin und des Vizepräsidenten

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin be­ziehungsweise des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wäh­lenden Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 255

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Kurz lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich bedanke mich und darf Ihnen sagen, dass ich die Wahl gerne annehme. (Allge­meiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich sehr herzlich und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gratuliere!

Wahl der SchriftführerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführe­rInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Josef Sal­ler, Ewald Lindinger und Martina Diesner-Wais für das erste Halbjahr 2013 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und Diesner-Wais sowie die Bundesräte Saller und Lin­dinger danken für das Vertrauen und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Ich gratuliere allen Gewählten und wünsche viel Kraft für die Funktionen.

Wahl der OrdnerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordner und der Ordnerin.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Werner Stadler und Cornelia Michalke für das erste Halbjahr 2013 zur Ordnerin be­ziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zu­stimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.


BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 256

(Die Bundesräte Tiefnig und Stadler sowie Bundesrätin Michalke danken für das Ver­trauen und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

Auch Ihnen gratuliere ich sehr herzlich und wünsche viel Vergnügen bei Ihrer Aufgabe.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.43.39Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 2935/J-BR/2012 bis 2936/J-BR/2012, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 7. Februar 2013, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 5. Februar 2013, ab 14 Uhr vorge­sehen.

Ich wünsche allen einen sicheren Heimweg, schöne Feiertage, einen guten Rutsch ins Jahr 2013 und viel Kraft für die weitere politische Tätigkeit.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.44.29Schluss der Sitzung: 23.44 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien