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822. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 26. Juni 2013

 

 


Stenographisches Protokoll

822. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 26. Juni 2013

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 26. Juni 2013: 9.02 – 22.07 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en sowie der/s zweiten Schriftführerin/s für den Rest des 1. Halbjahres 2013

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005, das Universitäts­ge­setz 2002 und das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert werden (Bundes­rahmengesetz zur Einführung einer neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Päda­gogen)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozess­ord­nung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung geändert werden (Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988 geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und das Rechts­praktikantengesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrech­nungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, die Notariatsordnung, das Notariatsprüfungsgesetz, die Rechts­anwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Übernahmegesetz, das Verwertungsgesell­schaften­ge­setz 2006, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Strafvollzugsgesetz und das Liegenschaftsteilungs­ge­setz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz – VAJu)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schiedsverfahren in der Zivilprozessordnung und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Schiedsrechts-Änderungs­ge­setz 2013 – SchiedsRÄG 2013)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchs­muster­gesetz, das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Halbleiterschutzgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990,


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 2

das Patentamtsgebührengesetz, das Sortenschutzgesetz 2001, das Patent­anwalts­gesetz und die Jurisdiktionsnorm geändert werden (Patent- und Markenrechts-Novelle 2014)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Tele­kommunikationsendeinrichtungen geändert wird

10. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2011 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Sitz des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für inter­religiösen und interkulturellen Dialog in Österreich

12. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2013; Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten

13. Punkt: Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2013–2015

14. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europa­wahl­ordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz und das Wählerevidenzgesetz 1973 geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungs­gesetz 2013, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichts­bar­keits-Übergangsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungs­gerichts­hofgesetz 1953, das Amtshaftungsgesetz und das Bundesministerien­ge­setz 1986 geändert werden

17. Punkt: Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittel­versor­gung und die Forschung

18. Punkt: ORF-Jahresbericht 2012 gemäß § 7 ORF-Gesetz

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

20. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflich­tenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (WKG-Novelle 2013)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungs­gesetz 2014 – BiBuG 2014)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Emissionen aus Dampfkesselanlagen (Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen – EG-K 2013) erlassen wird


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26. Punkt: Bundesgesetz zur Einrichtung einer notifizierenden Behörde und betreffend die Durchführung von Notifizierungsverfahren gemäß Kapitel VII der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG (Bau­produktenotifizierungsgesetz 2013 – BPNG 2013)

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wett­bewerb 1984 geändert wird (UWG-Novelle 2013)

28. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2012

29. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der Ord­nerInnen für das 2. Halbjahr 2013

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Salzburger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................................................ 14

Angelobung der Bundesräte Mag. Susanne Kurz, Dr. Heidelinde Reiter, Josef Saller und Dr. Dietmar Schmittner .................................................................................................................... 16

Schlussansprache des Präsidenten Edgar Mayer ................................................... 16

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR .................................................................................................. 41

1. Punkt: Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en sowie der/s zweiten Schrift­führerin/s für den Rest des 1. Halbjahres 2013 .......................................................................................................... 42

Mitteilung des Präsidenten Edgar Mayer betreffend Abstimmungsergebnis über Tagesordnungspunkt 4     ............................................................................................................................... 84

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 121

29. Punkt: Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2013 ............................................................................................................ 222

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Fragestunde (162.)

Gesundheit ................................................................................................................... 20

Johanna Köberl (1835/M-BR/2013); Josef Saller, Cornelia Michalke, Efgani Dönmez, PMM

Ferdinand Tiefnig (1831/M-BR/2013); Ana Blatnik, Christian Hafenecker

Gerd Krusche (1830/M-BR/2013); Gregor Hammerl, Michael Lampel, Efgani Dönmez, PMM


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 4

Mag. Josef Taucher (1836/M-BR/2013); Franz Perhab, Monika Mühlwerth, Mag. Gerald Zelina

Mag. Christian Jachs (1832/M-BR/2013); Ewald Lindinger, Hermann Brückl

Efgani Dönmez, PMM (1834/M-BR/2013); Inge Posch-Gruska, Christian Poglitsch, Gerd Krusche, Mag. Gerald Zelina

Rene Pfister (1837/M-BR/2013); Martin Preineder, Mag. Reinhard Pisec, BA

Friedrich Reisinger (1833/M-BR/2013); Adelheid Ebner, Cornelia Michalke, Efgani Dönmez, PMM

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 41

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 41

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ (2949/J-BR/2013)                    122

der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Konkurs des Bau­konzerns „Alpine“ (2950/J-BR/2013)                  122

Begründung: Mag. Reinhard Pisec, BA ..................................................................... 122

Begründung: Gerd Krusche ........................................................................................ 129

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 132

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 140

Gemeinsame Debatte:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 146

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ... 150

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 152

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 155

Christian Hafenecker .............................................................................................. ... 156

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ... 159

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 159

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005, das Universitätsgesetz 2002 und das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert werden (Bundesrahmen­ge­setz zur Einführung einer neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen) (2348 d.B. und 2397 d.B. sowie 9006/BR d.B. und 9012/BR d.B.) ............................... 43

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ......................................................................... 43

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 44


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 5

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 47

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 49

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 50

Elisabeth Reich ....................................................................................................... ..... 51

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ..... 54

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................. ..... 57

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 59

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung geändert werden (Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013) (2319 d.B. und 2366 d.B. sowie 9007/BR d.B. und 9013/BR d.B.) ............................... 59

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 60

Redner/Rednerinnen:

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 60

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 61

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 62

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 64

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 66

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 70

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarif­gesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013) (2356 d.B. und 2368 d.B. sowie 9014/BR d.B.) ................................... 70

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 70

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 71

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 72

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ..... 73

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 74

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................................................................................  78, 84

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und das Rechtsprakti­kanten­gesetz geändert werden (2306 d.B. und 2372 d.B. sowie 9008/BR d.B. und 9015/BR d.B.) ......................................................................... 78

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 78

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG,


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 6

das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Ge­richtsgebührengesetz, die Notariatsordnung, das Notariatsprüfungsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Sachverstän­digen- und Dolmetschergesetz, das Übernahmegesetz, das Verwertungs­gesell­schaftengesetz 2006, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Strafvollzugsgesetz und das Liegenschaftsteilungsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-An­pas­sungsgesetz – Justiz – VAJu) (2357 d.B. und 2374 d.B. sowie 9016/BR d.B.) ...................................................................................................... 78

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 78

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schiedsverfahren in der Zivilprozessordnung und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Schiedsrechts-Änderungsge­setz 2013 – SchiedsRÄG 2013) (2322 d.B. und 2373 d.B. sowie 9017/BR d.B.) ............................................................................................................................... 78

Berichterstatter: Richard Wilhelm ................................................................................ 78

Redner/Rednerinnen:

Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. ..... 79

Christian Füller ....................................................................................................... ..... 81

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 81

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ..... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Patent­verträge-Einführungsgesetz, das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Halbleiter­schutzgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutz­ge­setz 1990, das Patentamtsgebührengesetz, das Sortenschutzgesetz 2001, das Patentanwaltsgesetz und die Jurisdiktionsnorm geändert werden (Patent- und Markenrechts-Novelle 2014) (2358, Zu 2358 d.B. und 2413 d.B. sowie 9018/BR d.B.) ...................................................................................... 85

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 85

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommuni­ka­tionsendeinrichtungen geändert wird (2359 d.B. und 2414 d.B. sowie 9009/BR d.B. und 9019/BR d.B.) ........................................................ 85

Berichterstatter: Michael Lampel ................................................................................. 85

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 86

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 87

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 88

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 90


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 91

10. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2011 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-497-BR/2013 d.B. sowie 9020/BR d.B.) ............................................... 92

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 92

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 92

Werner Stadler .............................................................................................................. 93

Christian Hafenecker (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 96

Mag. Christian Jachs ................................................................................................... 96

Michael Lampel ............................................................................................................ 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-497-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 99

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Sitz des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Österreich (2302 d.B. und 2420 d.B. sowie 9021/BR d.B.) ............................................................................................................................... 99

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ........................................................................ 99

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ..... 99

Walter Temmel ........................................................................................................ ... 101

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 102

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 103

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ................................................................... ... 104

Gregor Hammerl ........................................................................................................ 107

Monika Mühlwerth (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 108

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ......................................... 108

12. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2013; Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten (III-489-BR/2013 d.B. sowie 9022/BR d.B.) ...................................... 109

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 109

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 109

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 112

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ... 115

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 117

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-489-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 120

13. Punkt: Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2013–2015 (III-494-BR/2013 d.B. sowie 9023/BR d.B.) .................................................................................................... 120


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 8

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 120

Redner/Rednerinnen:

Christian Hafenecker ................................................................................................. 120

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 161

Richard Wilhelm ..................................................................................................... ... 162

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 163

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-494-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 164

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (2227/A, 2031/A, 2032/A, 337/A und 2380 d.B. sowie 9010/BR d.B. und 9024/BR d.B.) ................................................................................. 166

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 165

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 165

Josef Steinkogler .................................................................................................... ... 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 166

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahl­ordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz und das Wählerevidenzgesetz 1973 geändert werden (2381 d.B. sowie 9011/BR d.B. und 9025/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 166

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 167

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 167

Ing. Bernhard Ebner, MSc ..................................................................................... ... 168

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 171

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsge­setz 2013, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichts­barkeits-Übergangsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsge­richts­hofgesetz 1953, das Amtshaftungsgesetz und das Bundesministerien­gesetz 1986 geändert werden (2294/A und 2382 d.B. sowie 9026/BR d.B.) ............................................................... 171

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 171

Redner:

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 173

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfas-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 9

senden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittel­versorgung und die Forschung (2316/A und 2383 d.B. sowie 9027/BR d.B.)                            173

Berichterstatter: Ing. Bernhard Ebner, MSc .............................................................. 174

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 174

Mag. Josef Taucher ................................................................................................ ... 175

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 178

Christian Hafenecker .............................................................................................. ... 179

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ... 180

Richard Wilhelm ..................................................................................................... ... 181

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 182

18. Punkt: ORF-Jahresbericht 2012 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-492-BR/2013 d.B. sowie 9028/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 182

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................ 183

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 183

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 185

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 187

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-492-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 188

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2336 d.B. und 2428 d.B. sowie 9029/BR d.B.)                       188

Berichterstatterin: Angela Stöckl ................................................................................ 188

Redner/Rednerinnen:

Ing. Andreas Pum ................................................................................................... ... 189

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 190

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 191

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 192

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 193

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (2335 d.B. und 2430 d.B. sowie 9030/BR d.B.) .................................................................................... 194

Berichterstatterin: Sonja Ledl-Rossmann ................................................................. 194

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 194

Ferdinand Tiefnig .................................................................................................... ... 195

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ... 196

Johanna Köberl ....................................................................................................... ... 198

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 198


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 200

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (WKG-Novelle 2013) (2309/A und 2390 d.B. sowie 9031/BR d.B.) ............................................................................................................... 200

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 200

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Zivil­techniker­kammergesetz 1993 geändert werden (2310/A und 2391 d.B. sowie 9032/BR d.B.) .................................................................................... 200

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 200

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungs­gesetz 2014 – BiBuG 2014) (2308/A und 2392 d.B. sowie 9033/BR d.B.) ............................................................................................................... 200

Berichterstatter: Franz Perhab .................................................................................... 200

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ... 201

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 202

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 22, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 203

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 204

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (2337 d.B. und 2393 d.B. sowie 9034/BR d.B.)                    204

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 204

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Emissionen aus Dampfkesselanlagen (Emissionsschutz-gesetz für Kesselanlagen – EG-K 2013) erlassen wird (2321 d.B. und 2395 d.B. sowie 9035/BR d.B.) ............................................................................................................... 204

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 204

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 204

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 205


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 11

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 206

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 207

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorlie-genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 208

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorlie-genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 208

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer notifizierenden Behörde und betreffend die Durchführung von Notifizierungsverfahren gemäß Kapitel VII der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingun­gen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richt-linie 89/106/EWG (Bauproduktenotifizierungsgesetz 2013 – BPNG 2013) (2334 d.B. und 2396 d.B. sowie 9036/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 208

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 208

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 ge­än­dert wird (UWG-Novelle 2013) (2338 d.B. und 2394 d.B. sowie 9037/BR d.B.) .................................................................................... 208

Berichterstatterin: Dr. Angelika Winzig ...................................................................... 208

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 209

Christian Poglitsch ................................................................................................. ... 209

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 210

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 210

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 26, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .................... 211

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 27, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 212

28. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2012 (III-496-BR/2013 d.B. sowie 9038/BR d.B.) .............................................................................. 212

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................ 212

Redner/Rednerinnen:

Christian Poglitsch ................................................................................................. ... 212

Michael Lampel ....................................................................................................... ... 214

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 215

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ... 218

Klaus Konrad .......................................................................................................... ... 219

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................... ... 220

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-496-BR/2013 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 222


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 12

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Bedienstete bei Gericht (2947/J-BR/2013)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Rechtspfleger (2948/J-BR/2013)

Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ (2949/J-BR/2013)

Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ (2950/J-BR/2013)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Maßnahmen zur Unfallprävention (2951/J-BR/2013)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Justiz und homophobe Gewalt (2952/J-BR/2013)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vertretung angefochtener Bundesgesetze vor dem Verfassungsgerichtshof (2953/J-BR/2013)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Vertretung angefochtener Bundesgesetze vor dem Verfassungsgerichtshof (2954/J-BR/2013)

Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend schwere Gewalttaten durch vorbestrafte Angestellte von Bewachungsunternehmen (2955/J-BR/2013)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtspolitik des Außenministeriums in Bezug auf homophobe Gesetz­gebung in Uganda und Russland (2727/AB-BR/2013 zu 2945/J-BR/2013)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtspolitik des Außenministeriums in Bezug auf Unterstützung von PRIDE-Veranstaltungen in Europa (2728/AB-BR/2013 zu 2946/J-BR/2013)


 


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 13

09.02.11Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Edgar Mayer: Einen schönen guten Morgen allerseits! Ich eröffne die 822. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 821. Sitzung des Bundesrates vom 6. Juni 2013 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Hans-Jörg Jenewein, Monika Kemperle, Stefan Schennach und Gerhard Schödinger.

09.02.33 Einlauf

 


Präsident Edgar Mayer: Eingelangt ist ein Schreiben des Salzburger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 14

Schreiben der Präsidentin des Salzburger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 15

*****

 


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 16

09.02.54Angelobung

 


Präsident Edgar Mayer: Die neuen beziehungsweise die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen. Nach der Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel. – Bitte, Herr Kollege Saller.

 


9.03.19

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch den Schriftführer Josef Saller leisten die Bundesräte Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg), Dr. Heidelinde Reiter (Die Grünen, Salzburg), Josef Saller (ÖVP, Salzburg) und Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg) ihre Ange­lobung mit den Worten „Ich gelobe“. (Allgemeiner Beifall.)

*****

 


Präsident Edgar Mayer: Ich begrüße die neuen beziehungsweise die wiederge­wählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. Ich darf ersuchen, die Gratulationstour entsprechend kurz zu halten. (Die neu angelobten Mitglieder des Bundesrates werden zahlreich von ihren Kolleginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.05.27Schlussansprache des Präsidenten

 


9.05.29

Präsident Edgar Mayer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Einer guten Tradition folgend, beginnt die letzte Bundesratssitzung im Vorsitz eines Bundeslandes jeweils mit einer Abschlussrede des Präsidenten.

Sehr verehrte Damen und Herren an den Bildschirmen zu Hause und am Livestream im Internet! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch sehr, dass ich zwei besondere Gäste begrüßen darf. Der eine ist der Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer. – Herr Kollege, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Und der andere ist unser Bundesminister Alois Stöger, der sich jetzt auch meine Abschiedsrede anhören darf. – Herzlich willkommen, Herr Minister! (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In wenigen Tagen wird das Land Vorarlberg den Vor­sitz an Wien übergeben, nicht nur im Bundesrat, sondern auch in der Landeshaupt­leutekonferenz. „Gemeinsam Verantwortung tragen“ war das Motto des Vorarlberger Vorsitzes. Herr Landeshauptmann Markus Wallner und meine Wenigkeit haben ver­sucht, unter diesem Motto in unserem Österreich, in unserem Land Vorarlberg, aber auch im Sinne des Bundesrates einiges zu bewegen.

Ein abschließendes Urteil oder eine Bewertung überlasse ich gerne den Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, bei denen ich mich für die ausgezeichnete Zusam­men­arbeit herzlich bedanken möchte.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 17

Während dieses sehr umfangreichen halben Jahres hatte ich viele organisatorische und administrative Agenden zu bewältigen, habe aber auch sehr viele Kontakte zu anderen europäischen Staaten gepflegt, die auch das bikamerale System in ihrer Verfassung haben. Diese Gespräche haben wichtige Impulse für parlamentarisches Handeln auch in unserem Bundesrat ermöglicht.

Hervorheben möchte ich den Besuch beim Präsidenten des Tschechischen Senates Milan Štěch, anlässlich dessen es auch einen Gedankenaustausch mit Staats­präsiden­tem Miloš Zeman gab. Mit dem Schweizer Ständeratspräsidenten Filippo Lombardi wurden bilaterale Gespräche geführt, ebenso mit der Präsidentin des Russischen Föderationsrates Walentina Matwijenko.

Anlässlich der Tagung der europäischen Senatspräsidenten konnte ich mit dem deut­schen Bundesratspräsidenten Winfried Kretschmann, zugleich Ministerpräsident von Baden-Württemberg, und der Lord Speakerin des House of Lords, Baroness D’Souza, sowie dem slowenischen Senatspräsidenten eine Aussprache führen. Abschließend wird mich heute Nachmittag der italienische Senatspräsident Pietro Grasso besuchen.

Als Präsident des Bundesrates durfte ich auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei verschiedenen Anlässen sowie bei der Konferenz der europäischen Parla­ments­präsidenten in Nikosia und bei der Inauguration des Papstes im Vatikan vertreten – ein besonderes Erlebnis, das mir aufgrund der Ausstrahlung und Bescheidenheit von Papst Franziskus ewig in Erinnerung bleiben wird.

Ich darf mich bei der Nationalratspräsidentin für ihre Wertschätzung und die sehr gute Zusammenarbeit herzlich bedanken.

All diese Kontakte, Besuche und Einladungen waren von größter Anerkennung der Leistungen des österreichischen Staates getragen: das ausgezeichnete Krisenmana­ge­ment, unsere wirtschaftliche Entwicklung trotz Krise, ein im europäischen Vergleich intakter Arbeitsmarkt und eine besonders geringe Jugendarbeitslosigkeit, die inter­national immer wieder erwähnt und gelobt wurde.

Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz ehrlich, dass man sich darüber freut, wenn unser Österreich international besser dasteht, als wir es uns oft­mals schlechtreden. So viel Lob aus dem Ausland ist eigentlich nur mit alemannischer Zurückhaltung zu ertragen. (Heiterkeit.)

Besonders wird mir die Einladung des marokkanischen Königs Mohammed VI. in Erinnerung bleiben, als die österreichische Bundesratsdelegation in Marokko neben Premierminister Abdelilah Benkirane auch vom Außenminister, vom Staatsminister, vom Innenminister und von dem vom König ernannten Gouverneur der Provinz Marra­kesch empfangen wurde. Beeindruckend war auch der Festakt im Parlament mit beiden Parlamentspräsidenten anlässlich der Aufnahme der diplomatischen Beziehun­gen vor 230 Jahren.

Marokko hat es als einziger Staat geschafft, aus dem Arabischen Frühling mit ent­sprechenden Reformen und mehr Rechten für die Bevölkerung hervorzugehen, ohne dabei große Unruhen bewältigen zu müssen.

Der König hat eine Reform der Verfassung initiiert, die in 19 Kapiteln aufgearbeitet werden soll. Ein Kapitel davon soll sich mit der Regionalisierung von Provinzen, dem Einbau föderaler Elemente und dem Aufbau von Provinzparlamenten, ähnlich unseren Landtagen, befassen. In solchen Angelegenheiten kann ein Staat mit 32,5 Millionen Einwohnern vom kleinen Österreich lernen.

Wenn man jetzt gegenüberstellt, was bei uns die Forderung nach mehr direkter Demokratie bewirkt, wie schwer wir uns tun, das Volk stärker einzubinden, und wir hier


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 18

mit wesentlichen politischen Widerständen konfrontiert werden, so ist das auch eine besondere Facette.

Wir lancieren sogar ein Volksbegehren „Mehr Demokratie“, wir nennen es „Mehr Demokratie“, in dem dann aber der Bundesrat abgeschafft und den Ländern wesent­liche Kompetenzen weggenommen werden sollen, um eine nie dagewesene Zentra­lisierung herbeizuführen, die unsere Landesparlamente dann beinahe überflüssig machen würden.

Direkte Demokratie, sehr verehrte Damen und Herren, wird getragen von regionalen Aspekten, alles andere ist Unfug. Unser Volk weiß das und hat deshalb diesem Volks­begehren eine massive Absage erteilt. Noch nie hat ein Volksbegehren weniger Unter­schriften erreicht.

Ich lege als Präsident des Bundesrates an dieser Stelle ein klares Bekenntnis zu direk­ter Demokratie, zu starken Landtagen und ein Bekenntnis zu einem starken Bundesrat als Vertreter der Länder in Wien im Rahmen des bundesstaatlichen Prinzips ab. (Allge­meiner Beifall.)

Der Bundesrat hat sich deshalb auch in einer Enquete mit dem Thema „Mehr direkte Demokratie, mehr Chancen für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern und Gemeinden“ befasst und wesentliche Punkte dabei herausgearbeitet.

Auch das Hearing über das Feuerwehrwesen und dessen internationale Entwicklung und Bedeutung in Europa waren ein voller Erfolg. Dabei wurde auch eine Resolution beschlossen, die der Stärkung und Festigung des Feuerwehrwesens in Österreich dienen soll. Eine Maßnahme wurde bereits umgesetzt, andere werden diskutiert. Der Bundesfeuerwehrverband erhält aus dem Bundesbudget 8 Millionen € zusätzlich, um seine Aufwendungen zu finanzieren. In Anbetracht dessen, was Österreichs Feuer­wehrfrauen und Feuerwehrmänner im Rahmen der Flutkatastrophe geleistet haben, sind diese Mittel sehr, sehr gut angelegt. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an die freiwilligen Helferinnen und Helfer von den Feuerwehren im Rahmen der Flut­katastrophe! Als ehemaliger Feuerwehrmann darf ich hier anfügen: „Gott zur Ehr’, dem Nächsten zur Wehr!“

Europa war auch Thema eines Europatages im Bundesrat, den ich als Vorsitzender des EU-Ausschusses und bekennender Europäer Anfang April leiten durfte. Neben Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger kam auch der Präsident des Ausschusses der Regionen der EU Ramón Luis Valcárcel Siso im Bundesrat zu Wort. Seine Themen über die Entwicklung der Regionen waren höchst interessant und beispielgebend. Valcárcel Siso war der erste EU-Präsident, der im Bundesrat eine Rede gehalten hat; das zeigt große Anerkennung und Wertschätzung.

Der Bundesrat hat sich durch seine Aktivitäten im Bereich der Prüfung von Verord­nungen und Richtlinien auch immer mehr zur Europakammer entwickelt. Das wird auch in den Ländern der Europäischen Union sehr positiv zur Kenntnis genommen. Hier liegt auch eine neue große Stärke der Länderkammer, nämlich zu prüfen, ob die EU nicht unverhältnismäßig oder überbordend den Ländern und Gemeinden Vorschriften macht, die im eigenen Bereich wirksam erledigt werden könnten.

Ich möchte hier nur an die im Rahmen der Konzessionsrichtlinie vorgesehene Privati­sierung der Wasserversorgung und die Saatgutrichtlinie erinnern, wo der Bundesrat weit vor jeder Diskussion in unserem Lande rechtzeitig mit einer begründeten Stellung­nahme, also mit der sogenannten gelben Karte reagiert hat. Die von Kommissar Barnier angekündigte Rücknahme dieses Teiles der Richtlinie wurde auch von insge­samt 1,5 Millionen Unterschriften im Rahmen einer Europäischen Bürgerinitiative bestärkt. Der Saatgutrichtlinie bescheide ich ein ähnliches Schicksal.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 19

Neben diesen europäischen Aspekten war mir besonders der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen im Parlament ein Anliegen. Ich konnte viele Schulklassen empfangen, so etwa drei Vorarlberger Schulklassen, die sich im Rahmen des Jugendparlamentes mit Projekten qualifiziert hatten. Auch die Demokratiewerkstatt habe ich besucht, um mit Jugendlichen parlamentarische Abläufe zu diskutieren. So soll sich das Parlament auch mit seinen Abgeordneten darstellen. Das ist gelebte Demokratie und wichtig für das politische Verständnis junger Menschen.

Bevor ich zum Abschluss komme, möchte ich noch auf die Reform des Bundesrates zu sprechen kommen. Ich habe mich in meiner Antrittsrede dafür stark gemacht, die Reform intensiv zu verfolgen. Um es in der Fußballersprache zu sagen: Wir hatten eine starke Dominanz im Mittelfeld, sind aber nicht bis ans Tor gekommen. Den ent­scheidenden Pass in die Tiefe des Strafraumes hat ein gut gestellter Abwehrriegel verhindert. (Heiterkeit.)

Gespräche mit Bundeskanzler Faymann, Vizekanzler Spindelegger und Klubobmann Kopf haben mich eigentlich sehr positiv gestimmt. Es wurden Verhandlungen mit offe­nem Ausgang zugesagt. Die Finalisierung ist aber an der zu Ende gehenden Legis­laturperiode des Nationalrates und an vielen noch offenen und zu verhandelnden Punkten gescheitert. Diese Punkte gilt es in der nächsten Legislaturperiode des Nationalrates zu verhandeln. Ich werde jetzt keine Namen nennen, viele Klubobleute bleiben ja nicht übrig, deren Zustimmung es in der Koalition noch gebraucht hätte.

Ich sage offen: Mit etwas gutem Willen hätte eine erste Behandlung im Verfassungs­ausschuss des Nationalrates gelingen müssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Nationalrat bei einer derartigen Reform auch Rechte abgeben muss. Bundesrat und Nationalrat sind diesbezüglich kommunizierende Gefäße – sei es bei der früheren Einbindung in die Gesetzgebung oder bei einer Mitsprache im Rahmen der Verfas­sungs­gesetzgebung. Ich gehe jetzt hier nicht ins Detail, denn die Reformvorschläge der Länder und des Bundesrates sind ja bekannt. Mit alemannischem Tatendrang und alemannischer Ungeduld war hier leider nichts zu bewegen.

Wenn ich daran denke, dass es den Bundesrat bereits seit 1920 gibt, 1929 erstmals Reformen eingeleitet wurden und seit damals immer wieder Reformen andiskutiert wurden – 1984 ist zum Beispiel ein absolutes Vetorecht beim Eingriff in verfassungs­rechtliche Kompetenzen der Länder dazugekommen –, dann möchte ich hier nicht an eine Fortschreibung dieser Jahresschritte denken.

Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich mein Nachfolger Reinhard Todt, dem ich auf diesem Wege alles Gute wünschen möchte, intensiv für eine Fortsetzung unserer Bemü­hungen einsetzen wird. Vielleicht hat er auch einen besseren Zugang zum Klub­ob­mann und zusammen mit Landeshauptmann Michael Häupl mehr Möglichkeiten, diesbezüglich Überzeugungsarbeit zu leisten.

Bei der Landeshauptleutekonferenz im Mai haben sich jedenfalls die Landeshauptleute in meiner Anwesenheit neuerlich zum vorliegenden Reformvorschlag bekannt. Bei der Landtagspräsidentenkonferenz am 10. Juni, unter Leitung von Ing. Hans Penz, haben sich die Präsidenten für eine breite Unterstützung der Bundesratsreform ausge­sprochen und einen Beschluss gefasst, dass diese Reform auch in den nächsten Regie­rungsverhandlungen Aufnahme finden muss. Ich bedanke mich da bei Niederösterreich, das derzeit den Vorsitz hat, und bei Ing. Hans Penz ganz besonders.

Abschließend darf ich mich bei der Präsidiale, meinen beiden Vizepräsidenten, Susanne Kurz und Harry Himmer, sowie den Fraktionsobleuten Gottfried Kneifel, Reinhard Todt und Monika Mühlwerth für die konstruktive Zusammenarbeit herzlich bedanken. Ihr wart eine große Hilfe, es war ein sehr erfolgreiches Miteinander.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 20

Danke auch an meine Mitarbeiterinnen vom Bundesratsdienst, Frau Direktor Susanne Bachmann, Frau Vizedirektorin Alice Alsch-Harant und an meine persönliche Assis­tentin Doris Fritz, nicht zu vergessen meinen Pressereferenten Mag. Tho­mas Neu­hauser. Ich hoffe, ich habe euch nicht über Gebühr strapaziert.

Ich will auch den Internationalen Dienst des Parlamentes nicht vergessen, stell­vertretend für alle, Frau Dr. Brigitte Brenner. Ihr habt mich bei den vielen Einladungen und bei den Besuchen im Ausland hervorragend begleitet und gebrieft. Das ist unverzichtbar und trägt wesentlich zu einer sehr guten Präsentation unseres Landes im Ausland bei.

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir Vorarlberger haben versucht, gemeinsam Ver­ant­wortung zu tragen; ich hoffe, es ist gelungen. Der Bundesrat ist weit besser als der von den Medien transportierte Ruf. Wir sind die starke Stimme der Länder in Wien, das gilt es auszubauen und zu stärken. – Danke. Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

9.18

*****

 


Präsident Edgar Mayer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für den Applaus, er zeigt, dass wir miteinander versucht haben, dieses halbe Jahr erfolgreich zu gestalten.

09.19.02Fragestunde

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich darf an dieser Stelle den Herrn Bundesminister für Gesundheit nochmals recht herzlich begrüßen. Ich hoffe, er hat wesentliche Impulse aus meiner Abschlussrede mitgenommen. Herzlichen Dank. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Bevor ich jetzt – um 9.19 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundesministerium für Gesundheit

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1835/M, an den Herrn Bundesminister für Gesundheit.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Köberl, um die Verlesung der An­frage. – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Guten Morgen, Herr Bundes­minister! Wir haben hier vor gar nicht allzu langer Zeit die Gesundheitsreform beschlossen.

Meine Frage lautet:

1835/M-BR/2013

„Welche Aufgaben werden im Zuge der Umsetzung der Gesundheitsreform und nach Abschluss des Bundeszielsteuerungsvertrages auf die Länder zukommen?“

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 21

Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Frau Bun­desrätin! Wir haben ausgehend vom abgeschlossenen Bundeszielsteuerungs­ver­trag, der am Freitag der Bundeszielsteuerungskommission vorliegen wird, folgende Auf­gaben:

In den Bundesländern, in den Ländern ist bis zum 30. September ein Landes-Ziel­steuerungsvertrag zu erarbeiten und daraus ein Jahresarbeitsprogramm abzuleiten.

Was sind die großen Schwerpunkte der Gesundheitsreform? – Erstens: Wir wollen den Best Point of Service, das heißt, Patienten sollen dort behandelt werden, wo sie am besten behandelt werden können. Das führt dazu, dass wir auch Leistungen verlagern müssen, nämlich an den besten Punkt der Versorgung. Das bedeutet, dass wir die Primärversorgung im niedergelassenen Bereich stärken müssen.

Es sind neue Versorgungsformen, Versorgungsstandards zu definieren, insbesondere sind die Versorgungsprozesse bei chronischen Erkrankungen zu verbessern, Pro­gramme zu entwickeln. Das ist ein ganz zentraler Schwerpunkt. Und es geht darum, dass wir ein umfassendes, vergleichbares und systematisches Qualitätsmanagement nicht nur im Spitalsbereich, sondern auch im niedergelassenen Bereich umsetzen müssen.

Ein weiterer Punkt, der in den Ländern zu erarbeiten ist, ist, dass wir Finanzierungs- und Honorierungssysteme brauchen, die diesen besten Punkt der Leistung, des Services dann auch finanziell stützen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wünscht die Fragestellerin eine Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Sonst eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundesminister, meine Frage: Welche Festlegungen wird der Bundeszielsteuerungsvertrag, der Ende dieser Woche zu beschließen ist, enthalten, um im Kinderhospiz die Palliativbetreuung, die Hauskran­ken­pflege und die psychologische Betreuung der Kinder und der Angehörigen im notwendigen Umfang sicherzustellen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Es geht darum, dass wir im Bundeszielsteuerungsvertrag die Versorgung bewusst über Ziele festlegen wollen, und ein wichtiges Ziel im Gesundheitssystem ist die Versorgung von Kindern und Jugend­lichen. Ich habe in sechs Arbeitsgruppen im Kindergesundheitsdialog begonnen, diese Themen auch anzusprechen; gerade was Kinderrehabilitation und dergleichen betrifft, ist das ein Schwerpunkt.

Wir haben uns darauf geeinigt, eine gemeinsame Vorgangsweise auf der Bundes­ebene festzulegen. Wir haben auch den Schwerpunkt darauf gesetzt, dass sich die Bundesländer abstimmen sollen, inwieweit gemeinsame Leistungen angeboten wer­den. Ziel ist es, dass wir Versorgungseinrichtungen zustande bringen in jeder Versor­gungsregion, in jeder Versorgungszone – das meint immer Bundesländer gemeinsam; zum Beispiel kann die Versorgungsregion Oberösterreich und Salzburg gemeinsam ein Leistungsangebot setzen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz festschreiben lassen, dass sich für die Länder nichts ändert. Damit ist also klar: Die Steuerung verbleibt bei den Ländern. Die


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 22

Zielsteuerungskommission ist zur Einstimmigkeit verdammt, damit hat der Bund hinkünftig noch weniger mitzustimmen. Meine Frage lautet daher:

Welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es für Länder, die die Vorgaben der Ziel­steue­rungskommission nicht erfüllen werden, und wer genau wird diese Sanktionen aus­sprechen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich möchte etwas fest­halten: Wir haben eine neue Form der Steuerung entwickelt. Bisher haben wir hierarchisch versucht, zu steuern, im Gesundheitswesen kann das aber nicht funk­tionieren, weil es sich immer um einen ganz konkreten Patienten handelt. Wir haben daher Steuerungsformen entwickelt, die ein Zusammenspiel zwischen den Ländern, die für die Krankenhäuser zuständig sind, und dem niedergelassenen Bereich, für den die Sozialversicherung auch zuständig ist, ermöglichen. Dieses Zusammenspiel gibt es nur durch Verträge, durch partnerschaftliche Einigung, und damit haben wir eine Chance, dass das herauskommt, was die Patientinnen und Patienten wollen und brauchen, nämlich die beste Versorgung.

Ich bin froh darüber, wenn wir keine Sanktionen brauchen, denn wenn das Zusam­menspiel funktioniert, brauchen wir keine Sanktionen. Wir haben eine Schlichtungs­kommission festgelegt. Diese Schlichtungskommission wird auf Bundesebene tagen, und sie kann auch entsprechende Empfehlungen abgeben. Es ist vorgesehen, dass man die Transparenz erhöht, damit haben alle Gruppen Druck, ihre eigenen Aufgaben im Land zu erledigen; und wenn es da zu keiner Einigung kommt, gibt es eine Schlichtungsstelle.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Guten Morgen, Herr Minister! Meine Frage lautet: Wie sollen in Zukunft die Lehrpraxen finanziert werden?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Was die Frage der Finan­zierung der Lehrpraxen anlangt, ist es so, dass der Bund dafür knapp eine Million Euro zur Verfügung stellt. Das ist auch in Zukunft so vorgesehen und ist auch Teil des österreichischen Bundesbudgets.

Ich habe mit der Österreichischen Ärztekammer eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese Arbeitsgruppe hat Verbesserungen im gesamten Bereich der Ausbildung, der post­universitären Ausbildungen abgeschlossenen. Es wurde festgehalten, dass wir wollen, dass am Ende der Ausbildung von Allgemeinmedizinern eine mindestens sechs­mona­tige Lehrpraxis stattzufinden hat. Diese Lehrpraxis soll aus meiner Sicht umgesetzt werden.

Ich habe leider die Erkenntnis gewonnen, dass die Ärztekammer eine zwölfmonatige Lehrpraxis haben will, diese ist aus meiner Sicht aus dem derzeitigen System nicht finanzierbar. Ich bin in Verhandlungen, dass wir eine sechsmonatige Lehrpraxis um­setzen können, und diese soll durch Anteile des Bundes, der Sozialversicherung und auch der Ärzte finanziert werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1831/M, und ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Tiefnig, um Verlesung derselben.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister, meine Frage lautet:


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 23

1831/M-BR/2013

„Welche Festlegungen und Zielvorgaben im Rahmen der Gesundheitsreform wird der Bundeszielsteuerungsvertrag für die Stärkung der Versorgung durch niedergelassene freiberufliche Ärztinnen und Ärzte enthalten?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Sehr, sehr viele; die gesamte Gesundheitsreform geht in diese Richtung, die Primärversorgung in den Ländern, in den Regionen zu stärken. Ich nenne nur ein einziges Beispiel, etwas, das Sie beschlossen haben: das Elektronische Gesundheits­akte-Gesetz. Der elektronische Gesundheitsakt führt dazu, dass erstmals ein nieder­gelassener Arzt qualitative Informationen über die anderen Versorgungsprozesse hat. Das stärkt schon alleine die Primärversorgung.

Wir wollen stärken, dass Zusammenarbeitsformen zwischen Ärztinnen und Ärzten mit anderen Berufsgruppen auch in einer niedergelassenen Praxis möglich sind. Zum Beispiel geht es darum, dass wir multiprofessionelle Versorgungsformen organisieren wollen. Da sind große Schwerpunkte in dem Prozess enthalten, wir wollen das auch in den Jahresarbeitsprogrammen festhalten. Und – ich habe es schon gesagt – es geht darum, dass Patientinnen und Patienten gerade bei chronischen Erkrankungen im Zuge eines Behandlungsprozesses besser, qualitativ besser versorgt werden können. Dazu braucht es qualitätsgesicherte Leitlinien, die erarbeitet werden, und das ist ein Schwerpunkt der Gesundheitsreform.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Meine Frage: Was konkret haben Sie in der Gesetzesperiode unternommen, um die ärztliche Versorgung im länd­lichen Raum zu unterstützen, beispielsweise um bessere Honorare für die Wochen­enddienste und die Hausbesuche zu lukrieren, weiters auch um die Fortführung der ärztlichen Hausapotheken bei der Praxisnachfolge zu sichern oder auch bei frei gewordenen Arztpraxen zu lukrieren?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Im Nationalrat wurde be­schlossen, dass die Gemeindezusammenlegungen im Bundesland Steiermark nicht dazu führen, dass es bei den Hausapotheken zu Veränderungen kommt. Da hat es massive Verbesserungen auch für die Ärzteschaft gegeben, das ist auch schon im Nationalrat beschlossen worden.

Wie wollen wir die Ärzte stärken? – Ich erinnere daran, dass ich, was die Ausbildung betrifft, folgendermaßen gestärkt habe: zusätzliche Einrichtungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, neue Dienststellen sind eingerichtet worden, da hat es eine große Erweiterung gegeben. Ich habe auch den Ärzten der Allgemeinmedizin erlaubt, ein Additivfach zu lernen, nämlich das Additivfach der Altersmedizin, der Geriatrie. Damit wird der Arzt für Allgemeinmedizin gestärkt, der Spezialist für chronische Erkrankungen und deren Behandlung zu sein.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Blatnik.

 


Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Minister! Poštovani gospod zvezni minister! Meine Frage geht dahin, welche anderen Maßnahmen Sie für die Entlastung der stationären Behandlungen setzen werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 24

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin! Es geht darum, dass wir die beste Versorgung für Patientinnen und Patienten sicherstellen. Was heißt „beste Versorgung“? – Beste Versorgung ist erstens dort, wo man die beste Qualität für den Patienten erreichen kann, die er benötigt. Zweitens ist beste Ver­sorgung regional dort, wo für diese Leistung das auch angemessen ist, und wir haben sichergestellt, dass wir zum Beispiel die Leistungen einer Abteilung eines übergeord­neten, eines Schwerpunktkrankenhauses auch im Regionalkrankenhaus, im Standard­kran­kenhaus abwickeln können.

Es geht darum, die Behandlungsprozesse in den Regionen so aufzubauen, dass der beste Ort der Leistungserbringung erreicht wird, und das muss in der Region auch abgestimmt sein; das ist ein großer Schwerpunkt dieser Gesundheitsreform.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hafenecker.

 


Bundesrat Christian Hafenecker (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die von Ihnen so hochgelobte Ärzte-GmbH funktioniert bis heute de facto nicht, weil die Rahmenbedingungen einfach zu unattraktiv sind. Wir haben zum Beispiel in Wien bisher nur zwei Ärzte-GmbHs.

Warum ist man im Zuge der Gesundheitsreform nicht dazu übergegangen, das zu attrak­tivieren und zum Beispiel auch eine langjährige Forderung der Ärzte zu berücksichtigen, dass auch Ärzte Ärzte anmelden – also beschäftigen – dürfen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Das Gesetz über die Stärkung der ambulanten Versorgung ist im Einvernehmen mit der Ärztekammer entwickelt worden. Es sind insbesondere auch jene Punkte enthalten, die die Ärzte­kammer absolut wollte – ich sage das sehr deutlich dazu.

Es gibt mehrere Gruppenpraxen, auch in Wien, es sind mehr als zwei. Wir haben uns als einen Punkt vorgenommen, im Zuge der Gesundheitsreform diese neuen Versor­gungsformen zu stärken, und es gibt ein Ziel im geplanten Bundeszielsteuerungs­vertrag, in jedem Bundesland diese Versorgungsform auch zu stärken. Ich sehe da keine Hürden.

Als eine Hürde sehe ich sehr oft auch die Information, die durch die Österreichische beziehungsweise auch die unterschiedlichen Ärztekammern an ihre Mitglieder weiter­geleitet wird. Ich denke, dass diese Form eine gute Form ist. Für neu beginnende Ärzte ist es die ideale Form, hier eine Praxis zu starten. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1830/M. Anfragesteller ist Herr Bundesrat Krusche, und ich ersuche um die Verlesung der Anfrage, Herr Kollege.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1830/M-BR/2013

„Warum behaupten Sie immer wieder, dass alle Gebietskrankenkassen saniert sind, obwohl fünf der neun zwar einen Gebarungsüberschuss ausweisen, das gewöhnliche Geschäftsergebnis aber konstant negativ ist?“

Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Zunächst muss ich die Frage korrigieren: Es haben nicht nur fünf von neun


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 25

Gebarungsüberschüsse, sondern es haben alle positive Ergebnisse erreicht, was das Jahresergebnis betrifft.

Es gibt sehr gute Entwicklungen, und ich sage eines noch einmal ganz klar und ganz deutlich: Als ich am 2. Dezember 2008 Bundesminister geworden bin, habe ich Krankenkassen vorgefunden, die mehr als eine Milliarde Euro negatives Eigenkapital, sprich Schulden, gehabt haben. Ich habe in einer Maßnahme gemeinsam mit allen Beteiligten dafür gesorgt, dass diese Schulden haben abgebaut werden können, dass es positive Ergebnisse gibt. Es haben alle Krankenkassen positive Ergebnisse erreicht, und es haben alle die Schulden abgebaut, mit Ausnahme der Gebietskrankenkasse in Wien, weil dort der Schuldenstand zu hoch war.

Es war konsequent ein positives Ergebnis in den letzten fünf Jahren zu errechnen, und ich bin sehr, sehr stolz, darauf hinweisen zu können, dass die Gebietskrankenkassen positive Ergebnisse haben. Es stimmt, dass das Ergebnis der gewöhnlichen Ge­schäfts­tätigkeit sich in allen Bereichen massiv verbessert hat. Das ist überall besser. Es ist aber auch richtig, dass einige Kassen noch ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit haben. Insgesamt ist aber ein wichtiger Schritt zur Sanierung der Kassen gelungen, und alle haben ein positives Jahresergebnis erreicht.

 


Präsident Edgar Mayer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Hammerl. (Bundesrat Krusche: Darf ich auch noch eine Zusatzfrage stellen?) – Nein, eine Zusatzfrage zur Zusatzfrage gibt es nicht; das schließt das Wort an sich schon aus. – Ah, Sie sind Anfragesteller; Entschuldigung, ich nehme das zurück, Herr Kollege. Wird eine Zu­satzfrage gewünscht? (Bundesrat Krusche: Ich bitte darum!) – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Ich danke, Herr Präsident! – Herr Bundesminister, wenn 2014 die Vorsteuer für Medikamente nur mehr im tatsächlichen Ausmaß den Kassen ersetzt wird und auch ein Schuldenerlass nach BBG 2009 nicht mehr möglich ist, erwartet beispielsweise die Wiener Gebietskrankenkasse wegen der reduzierten außerordentlichen Erträge einen Bilanzverlust von zirka 30 Millionen € und für 2015 einen solchen von zirka 65 Millionen €.

Ist es das, was Sie unter Sanierung, unter nachhaltiger Sanierung verstehen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­des­rat! Was verstehe ich unter nachhaltiger Sanierung? – Ich verstehe unter nach­haltiger Sanierung, dass sich die Kassen mit der Frage auseinandersetzen, wie wir Kostendämpfungsprogramme fahren können, wie wir Kostendämpfungsprogramme umsetzen können. Das haben wir ausgehend von Sillian auch bewirkt.

Es ist gelungen, die Kostendämpfung umzusetzen. Der Sozialversicherung ist es gelun­gen, mehr zu erreichen, als die Bundesregierung insgesamt sich erwartet hat. Das ist dadurch gelungen, dass wir in sechs Parametern in jeder Gebietskrankenkasse Ausgabenobergrenzen definiert haben, der Verwaltung und der Selbstverwaltung dort die Ziele vorgelegt haben, wohin sie sich entwickeln müssen, und ich kann Ihnen versichern, dass dieser Weg ein sehr konstruktiver war.

Mit dem Kassenstrukturfonds ist es gelungen, die Kostendämpfung um- und durch­zusetzen, und was uns darüber hinaus gelungen ist – und das unterscheidet uns von vielen anderen europäischen Ländern –, ist Folgendes: Wir in Österreich haben ganz klar gesagt, wir wollen in das Gesundheitssystem investieren, wir wollen die Leistun­gen erweitern.

Wir haben die Leistungen erweitert, und wir haben die Kostendämpfung trotzdem geschafft. Und wir in Österreich sind in der angenehmen Lage, das, was zum Beispiel


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 26

Portugal gemacht hat, nicht machen zu müssen, nämlich Einschnitte im Gesund­heitswesen. Wir sind jenes Land in Europa, das den Menschen die Sicherheit gibt, dass, wenn sie Hilfe brauchen, sie sie durch die soziale Krankenversicherung bekom­men. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister. – Herr Kollege Krusche, ich bitte das Versehen meinerseits zu entschuldigen; das war keineswegs absichtlich.

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Hammerl.

 


Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage:

Wie hoch sind die finanziellen Mittel insgesamt, die die Wiener Gebietskrankenkasse direkt oder indirekt vom Bund, von anderen Krankenversicherungsträgern und von der AUVA im Wege der Struktur- und der Ausgleichsfonds, der Krankenanstaltenfinan­zierung, des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetzes und aufgrund des § 319a ASVG in den Jahren 2009 bis 2012 erhalten hat?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Also wenn Sie sich jetzt auf ein Zahlenspiel mit mir einlassen wollen, welche Zahl das in Summe ergibt, muss ich passen. Ich bin nicht der Buchhalter.

Aber worum geht es grundsätzlich? Welche Leistungen bekommt die Wiener Gebiets­krankenkasse beziehungsweise bekommen alle Gebietskrankenkassen? Die Wiener Gebietskrankenkasse bekommt Leistungen aus dem Ausgleichsfonds. Diese Leistungen aus dem Ausgleichsfonds sind in § 447f ASVG geregelt. Dort sind die Leistungen auch gesetzlich vorgesehen. Dieser Ausgleichsfonds ist dadurch, dass es gelungen ist, hier eine Änderung voranzutreiben – auch in dieser Gesetzgebungs­periode –, dass die Leistungen für das Hanusch-Krankenhaus auch gesamt abgegolten werden, höher als im Durchschnitt der anderen Kassen.

Wir haben sichergestellt, dass die Wiener Gebietskrankenkasse – beziehungsweise alle Krankenkassen, die ein negatives Eigenkapital gehabt haben, muss man vorsichti­gerweise sagen – jene Überdeckung bekommen hat, die den Kassen aus den GSBG-Mitteln zugeflossen sind. Das war ein außerordentlicher Beitrag.

Natürlich hat die Wiener Gebietskrankenkasse auch davon profitiert, dass der Bund auf Haftungen verzichtet hat. Dabei ist der Anteil der Wiener Gebietskrankenkasse natürlich höher gewesen, da dort die Basis der Schuldenstand war. Der Schuldenstand der Wiener Gebietskrankenkasse war am höchsten, daher hat sie dabei auch einen höheren Anteil bekommen.

Wenn Sie die Zahlen konkret haben wollen, kann ich Sie Ihnen nachliefern. Sie sind aus der Buchhaltung ersichtlich.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lampel.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister, meine Frage: In welchem Ausmaß konnte durch die von Ihnen genannten Maßnahmen die Verschul­dung der Gebietskrankenkassen reduziert werden?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Die Verschuldung der Gebiets­krankenkassen hat sich massiv verbessert, es sind nämlich – ich habe es schon angekündigt – die Schulden der Gebietskrankenkassen Kärnten, Steiermark, Burgenland, Tirol und Niederösterreich auf null gestellt. Sie hatten mit Ende des


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Jahres 2012 keine Schulden mehr. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat noch diverse Schulden in einer Größenordnung von knapp unter 200 Millionen €. Insgesamt hat das dazu geführt, dass wir den Schuldenstand von mehr als einer Milliarde Euro massiv reduziert haben.

Alle diese Maßnahmen – die Maßnahmen aus Sillian, die Maßnahmen der Vertrags­verhandlungen der Gebietskrankenkassen und auch die Unterstützung durch den Bund – haben dazu geführt, dass es diese positive Entwicklung gegeben hat.

Gleichzeitig haben wir die Leistungen erweitert. Ich nenne Ihnen nur eine ganz einfache Leistungserweiterung: Wir haben es in Österreich geschafft, dass jeder Mensch, der hier lebt, einen Anspruch auf Mindestsicherung und damit Zugang zum besten Sozialversicherungssystem weltweit, wie ich meine, hat. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Minister, Sie haben meine Frage teilweise schon mit der Antwort auf die vorhergehende Frage beantwortet.

Daher: Wie hoch sind die Zinsen für den Schuldendienst bei den Gebiets­kranken­kas­sen, wo noch Schulden angehäuft sind? Können Sie das vielleicht in Zahlen benennen, welche Gebietskrankenkassen welche Schulden haben und die Zinszah­lungen, die daraus resultieren?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: In den Abrechnungen aller Gebietskrankenkassen, die auch öffentlich zugänglich sind, findet man einen Posten, der lautet: Zinsen, Zinsaufwendungen und Zinserträge. – Ich bin nicht in der Lage, diese einzelnen Positionen aus dem Stegreif zu quantifizieren, aber sie sind öffentlich zugänglich. Ich kann Sie Ihnen nachreichen.

Bei der derzeitigen Zinssituation sind die Zinsbelastungen relativ gering. Sie bilden einen kleinen Teil der – ich nenne es jetzt so – Erfolgsrechnung. Generell haben wir auch durch verschiedene Finanzsteuerungsmaßnahmen geringe Zinsbelastungen in den Krankenkassen. Wir haben auch dadurch geringe Zinsbelastungen, dass natürlich viele Umsätze in den Gebietskrankenkassen stattzufinden haben und die Zahlungs­ziele klar definiert sind. Mit einem gesunden Cash Management, das in den Kassen auch vorgeschrieben ist, ist man dabei, diese Zinsbelastungen sehr, sehr gering zu halten.

Was die konkrete Zahl der Wiener Gebietskrankenkasse anlangt, ersuche ich aber um Nachsicht. Ich bin nicht der Buchhalter der Wiener Gebietskrankenkasse. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1836/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Taucher, um Verlesung derselben.

 


Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1836/M-BR/2013

„Wie ist der Anteil der Inanspruchnahme an Vorsorgeuntersuchungen pro Anspruchs­berechtigten beispielsweise bei der Wiener Gebietskrankenkasse im Vergleich zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 28

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Im Jahr 2012 nahmen bei der Wiener Gebietskrankenkasse 193 579 Personen an einer Vorsorgeuntersuchung teil; bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft waren es 61 529 Per­sonen.

Was bedeutet das bezogen auf die Anspruchsberechtigten? – Bei der Wiener Gebiets­krankenkasse haben 12 von 100 Anspruchsberechtigten eine Vorsorgeuntersuchung gemacht; bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft waren das 8 von 100.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird vom Fragesteller eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Sonst eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Kollege Perhab.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Vielen Dank, Herr Kollege Taucher, dass Sie sich solche Sorgen um die SVA der gewerb­lichen Wirtschaft machen und als Beispiel die Wiener Gebietskrankenkasse anführen, die sicherlich die bestgeführte Gebietskrankenkasse Österreichs ist. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber, Herr Minister, meine Frage lautet: Können Sie sich diese Maßnahmen – und nach unseren Aufzeichnungen in der SVA bei der letzten Evaluierung hat sich durch diese Maßnahme der Vorsorgeuntersuchungsanteil um 40 Prozent erhöht, das ist für selbständige Unternehmer natürlich eine sehr gute Entwicklung –, können Sie sich also dieses Anreizsystem auch bei den Gebietskrankenkassen in Österreich vorstellen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Bundesrat, da muss man ein bisschen ausholen.

Es ist richtig, dass sich die Inanspruchnahme bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft verbessert hat – allerdings ausgehend von einem schlechten Niveau. Es ist noch immer so, dass bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerb­lichen Wirtschaft weniger Selbständige zu einer Vorsorgeuntersuchung gehen.

Ich unterstütze alle Maßnahmen, die auch kleingewerbetreibende Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft dazu einladen, betriebliche Gesundheitsförderung, Maßnahmen der Vorsorge voranzustellen. Das ist wichtig. Da sind alle Instrumente durchaus unterstützenswert.

Das Modell der SVA zielt darauf ab, dass man einen Selbstbehalt reduziert – einen Selbstbehalt, der aus meiner Sicht in einem höheren Ausmaß für kranke Menschen ein Problem ist. Viele Selbständige können sich die 20 Prozent Selbstbehalt nicht leisten. Wenn Sie zu einem Sprechtag der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirt­schaft gehen, dann merken Sie, dass es eine Gruppe von Selbständigen gibt, die nicht so toll verdient, und für diese ist der Selbstbehalt ein Problem.

Ich bin also froh, wenn es gelingt, Selbstbehalte zu reduzieren. Das könnte die Selbst­verwaltung der Sozialversicherung selbst tun – sie hat das als Satzungsrecht geregelt. Man hat in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in einem Teilbereich davon Gebrauch gemacht und das für jene Personengruppe gemacht, die eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nimmt. Dort hat man den Selbstbehalt reduziert.

Das Übertragen dieses Modells zum Beispiel auf alle anderen Versicherten ist schon deshalb nicht möglich, weil wir Gott sei Dank – und ich sage das ganz deutlich: Gott sei Dank! – bei den anderen Versicherten die Selbstbehalte überwunden haben. Diese


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 29

Selbstbehalte führen dazu, dass manche gar nicht zum Arzt gehen können, und mir ist es wichtig, dass Menschen versorgt werden, daher ist dieses Instrument vor allem für die anderen Versicherungsarten nicht geeignet. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, noch einmal kurz zurückkommend auf den ersten Teil Ihrer Beantwortung: Zwölf von 100 bei der Wiener Gebietskrankenkasse, das ist jetzt auch nicht die Welt. Das zeigt, dass die Präventionsmaßnahmen nach wie vor nicht in ausreichendem Maße erkennbar sind.

Bei der letzten Gesundheitsreform haben Sie gerade einmal 150 Millionen € für die nächsten zehn Jahre (Bundesminister Stöger: Zusätzlich!), verteilt auf alle neun Bun­desländer, vorgesehen, was ja jetzt auch nicht wahnsinnig viel ist.

Meine Frage lautet: Welche sinnvollen Präventionsmaßnahmen sollen damit gesetzt werden, und haben die Länder dabei freie Hand, zu entscheiden, wofür sie diese zusätzlichen Gelder ausgeben?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Entschuldigung, Herr Präsi­dent, aber ich wollte eines anmerken: Wir haben zusätzlich 150 Millionen € zu dem, was die Sozialversicherung ohnehin leistet, und zu dem, was auch die Länder als eigene Informationspolitik leisten und was auch der Bund im Rahmen des Gesund­heits­förderungsgesetzes leistet. Das heißt, insgesamt sind die Vorsorgemaßnahmen in Österreich wesentlich weiter. – Wir haben zusätzlich 150 Millionen € in den zehn Jah­ren im Zuge der Gesundheitsreform festgestellt.

Was können gesundheitsfördernde Maßnahmen sein? – Ich habe in meiner Amtszeit einen großen Schwerpunkt auf Gesundheitsförderung gelegt.

Wir haben Gesundheitsziele entwickelt, Rahmengesundheitsziele, die alle in den Bereich der Gesundheitsförderung gehen – zum Beispiel den Kindergesundheitsdialog, zum Beispiel, dass man sich die Frage der Ernährung ansieht. Uns ist es mit dem Nationalen Aktionsplan Ernährung im Rahmen von Schulbuffets gelungen, die Versor­gungslage der Österreicherinnen und Österreicher, vor allem der Kinder, massiv zu verbessern. Wir sind jetzt in der Lage, für 200 000 Kinder ein zertifiziertes Schulbuffet zur Verfügung zu stellen. Da haben wir große Schritte gesetzt. Wir haben einen Natio­nalen Aktionsplan Bewegung ins Leben gerufen, weil wir wissen, dass eine der Ge­sund­heitsgefahren der Zukunft die Frage der mangelnden Bewegung und die zu intensive Nahrungsaufnahme ist. Das sind Schwerpunkte.

Ich habe sehr deutlich gesagt, dass wir die betriebliche Gesundheitsförderung stärken wollen. Da hat es große Aktionen gegeben, und es gibt sie weiterhin. Zum Beispiel sind alle Gebietskrankenkassen eingeladen, betriebliche Gesundheitsprogramme zu machen. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse macht das mit 1 700 Betrie­ben. Da hat es eine maßgebliche Ausweitung des Programmes gegeben.

Ich bedanke mich hier auch bei allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, bei allen engagierten Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, die in ihrer Gesunden Gemeinde dazu beitragen, dass Präventionsmaßnahmen in vielen österreichischen Gemeinden umgesetzt worden sind und weiter umgesetzt werden. Da hat es eine große Erwei­terung dieser Prävention gegeben.

Weiters sind wir dabei, das Mammographie-Screening umzusetzen, und darüber hin­aus habe ich die Kinderimpfungen ausgeweitet.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 30

Das alles zusammen sind Präventionsmaßnahmen, die ich, die wir gemeinsam um­gesetzt haben, und die sollen auch in Zukunft noch verstärkt werden. Und um das in diese Richtung weiterzuentwickeln, werden wir zum Beispiel am Freitag in der Bundesgesundheitskommission weitere Beschlüsse fassen.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat ein Gesundheitsbonusprogramm, „Selbständig Gesund“. Ich habe es selbst genossen. Die Ärzte sind sehr streng: Obwohl ich geglaubt habe, ich bin eigentlich recht fit, haben sie gesagt, drei Kilo müssen herunter. – Da muss man sich dann wirklich bewegen und auch gesund ernähren. Quasi als Bonus winkt dann eine Verringerung des Selbst­behalts von 20 auf 10 Prozent.

Welches Gesundheitsbonusmodell können Sie sich im ASVG-Bereich für ASVG-Ver­sicherte vorstellen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich kann mir vorstellen, dass wir einen Gesundheitsbonus nicht mit Geld abgelten, sondern der Bonus für Gesundheit ist und bleibt Gesundheit. Jeder ist eingeladen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass er die eigene Gesundheit erhält. Das ist, denke ich, ganz wichtig, das braucht Unterstützungsmaßnahmen.

Was wir zum Beispiel eingerichtet haben, ist, Kindern Hilfe anzubieten oder auch allen schwangeren Frauen Ernährungsinformationen zu geben. Damit stellen wir sicher, dass Menschen erst gar nicht krank werden, dass Menschen erst gar keine Schwierig­keiten bekommen. Und ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, dass alle Mütter, die zur Beantragung des Kindergeldes zur Gebietskrankenkasse kommen, österreichweit bei allen Dienststellen der Gebietskrankenkassen zum Beispiel Ernährungsinformationen bekommen – da machen auch alle anderen Sozialversicherungsträger mit. Das sind Maßnahmen, die aus meiner Sicht dort gut wirken können.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1832/M, und ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Jachs, um Verlesung derselben.

 


Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Mit einer medizinischen Fakultät will Oberösterreich einem drohenden Ärztemangel vorbeugen. Aus Patientensicht handelt es sich dabei um ein ganz beson­ders wichtiges Projekt.

Daher meine Frage an Sie:

1832/M-BR/2013

„Was trägt das Gesundheitsministerium zur Verwirklichung des Projekts einer medi­zinischen Fakultät in Linz bei?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Bundesrat, ich würde sagen, sehr viel. Das Erste, das wir dazu beigetragen haben, damit das verwirklichbar ist, ist, überhaupt davon wegzugehen, eine eigene medizinische Universität in Wien zu erreichen. Es war mein Vorschlag, zu sagen: Machen wir die Kooperation mit der Johannes Kepler Universität und bauen wir dort eine eigene Fakultät auf!


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 31

Ich halte diesen Schritt, die Universität mit der Medizin zu verknüpfen, für einen wich­tigen Punkt, der die Forschung stärkt. Das war ein Beitrag von meiner Seite, und ich bin sehr froh, dass dieser auch von allen Gruppen aufgenommen worden ist.

Der zweite Schritt ist, dass wir uns gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium damit auseinandergesetzt haben, wie der Ärztebedarf ist, wie der Ärztebedarf in der Zukunft ist, und da haben wir einen qualitativen Ärztemangel festgestellt. Das heißt, wir brauchen auch Ärztinnen und Ärzte, die in anderen, in neuen Feldern ausgebildet werden, wie zum Beispiel im Bereich der Versorgungsforschung, der in den zurzeit bestehenden medizinischen Universitäten aus meiner Sicht etwas unterbelichtet ist. Die Johannes Kepler Universität Linz mit einer neuen medizinischen Fakultät könnte Schritte in diese Richtung setzen.

Es geht auch um folgende Fragen: Wie können wir Gesundheitsökonomie stärken? Wie können wir mit den Ressourcen im Gesundheitsbereich besser umgehen? – Dies­bezüglich hat die medizinische Fakultät in Linz gute Perspektiven. Wir haben gemein­sam das Thema „Öffentliche Gesundheit“, „Public Health“ diskutiert. Auch dafür hat Linz ein besonderes Know-how, das eingebracht werden kann.

Natürlich bin ich auch ein Mitglied der Finanzierungsarbeitsgruppe, in der das Bundes­ministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, das Bundeskanzleramt, der Herr Landeshauptmann und Vertreter der Universität Linz versuchen, die Finanzierungsfragen zu klären.

Ich gehe davon aus, dass wir bald die ersten Studenten an einer medizinischen Fakul­tät in Linz haben werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Wir alle wünschen uns schon die ersten Studierenden in Linz. Im Juli wird der Fakultätsgipfel wieder tagen.

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Beantwortung die Finanzierungsgruppe ange­sprochen. – Werden Sie auch finanziell etwas aus Ihrem Ressort für die Medizin­fakultät in Linz beitragen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Der Bund hat klare Rah­men­bedingungen betreffend die Budgets. Die Budgets einer Universität ressortieren zum Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung – also nicht in der direkten Grundfinanzierung –, wir haben aber im Rahmen der gesamten Gesundheitsfinanzie­rung den Grundsatz, dass Forschungsarbeiten natürlich auch von anderen Ministerien, auch von der Sozialversicherung vergeben werden.

Wir haben das Ziel, im Gesundheitsbereich Forschungsaufträge zu vergeben. Natürlich haben wir auch Forschungsaufträge an alle Universitäten vergeben, und wir werden sie auch an die Universität Linz vergeben. Wir haben ganz klar gesagt, dass wir For­schungsarbeiten in allen Bereichen des Ministeriums stärken wollen.

Wir wollen im Gesundheitsbereich auch Forschungsinitiativen starten. Ich bekenne mich zu dem Prinzip der Bundesregierung: 2 Prozent des BIP sollen in Forschung investiert werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lindinger.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Die Ausbildung der Ärzte, die nach dem Studienabschluss mit „Dr. med.“ abgeschlossen und dann mit der Turnusausbildung – für den Arzt für Allgemeinmedizin drei Jahre oder


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 32

für einen Facharzt sechs Jahre – fortgesetzt wird und dann noch eine Spezialisierung durch Zusatzfächer ermöglicht, ist sehr komplex. Es stellt sich die Frage: Bleiben die Ärzte bei uns, wandern sie ab, bekommen wir genügend Allgemeinmediziner für den ländlichen Raum?

Herr Minister, glauben Sie nicht auch, dass die postpromotionelle Ausbildung in Österreich einer Reform bedarf, um ein Abwandern junger Medizinerinnen und Mediziner, junger Ärztinnen und Ärzte zu verhindern?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Ich sehe das so, dass wir immer einen Reformbedarf haben, was die Aus­bil­dung betrifft. Daher habe ich eine Arbeitsgruppe mit Ärzten, Vertretern der Universi­täten, der Sozialversicherung und meines Ministeriums eingerichtet, in der es darum geht, die medizinische, die postpromotionelle Ausbildung zu verbessern. Wir haben auch ein Ergebnis zustande gebracht.

Wir wollen die Ausbildung auf verschiedenen Ebenen verbessern. Einer meiner As­pekte ist, dass Ärztinnen und Ärzte, die in der Allgemeinmedizin ausgebildet werden, am Ende ihrer Ausbildung praktische Erfahrung in der Region sammeln. Dabei geht es auch darum, dass sie möglicherweise in einer Region heimisch werden. Das heißt, ich möchte am Ende der Ausbildung eine sechsmonatige Lehrpraxis haben. Das unterstützt junge Ärztinnen und Ärzte vielleicht auch bei ihrer Entscheidung, sich eine Praxis einzurichten. Das ist ein Aspekt.

Der zweite Aspekt, der wichtig ist, um sicherzustellen, dass wir in Zukunft gute Ärztinnen und Ärzte haben, ist, dass wir eine inhaltlich gute Ausbildung anbieten. Ich sage eines ganz deutlich: Mir ist es ein Anliegen, dass Ärztinnen und Ärzte praktische Erfahrungen im Krankenhaus sammeln, dass diese Ärzte gut qualifizierte Ausbildungen in der Lehrpraxis haben und dann auch die Chance haben, in der Region unter­zukommen.

Ich höre von vielen Turnusärztinnen und Turnusärzten, die einen Ausbildungsplatz suchen, und ich kenne viele Regionen, wo Turnusärzte gesucht werden. Ich lade nur ein, dorthin zu gehen.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Die Grundlage für die medizinische Fakultät in Linz soll eine Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Land Oberösterreich sein, die noch vor der Nationalratswahl am 29. September beschlossen werden soll. Am 2. Juli werden Gespräche geführt werden. – Wird es bei diesen Gesprächen über die Finanzierung der Medizinfakultät in Linz, wie medial transportiert, tatsächlich zu einer Einigung kommen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich hoffe, ja. Das hängt vom Verhandlungsergebnis ab. Es sind alle Gruppen daran interessiert, ein Ergebnis zustande zu bringen. Die Vorarbeiten und die Gespräche sind gut verlaufen. Ein Verhandlungsergebnis vorwegzunehmen, würde bedeuten, wir brauchen die Verhand­lung nicht. Es ist das Ziel aller Verhandlungspartner, zu einem Ergebnis zu kommen.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister.


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Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1834/M, und ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dönmez, um Verlesung derselben.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter, meine Frage lautet:

1834/M-BR/2013

„Durch welche konkreten Zielbestimmungen der Gesundheitsreform wird die Schaffung von Angeboten interdisziplinärer sozialmedizinischer Zentren zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs beschleunigt?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Ich bin mit dem Begriff etwas vorsichtiger. Was sind „interdisziplinäre sozial­medizinische Zentren“? – Da kann man sehr viel hineininterpretieren.

Worum geht es uns? – Wir wollen durch die Gesundheitsreform eine bestmögliche Leistungserbringung. Die beste Form der Leistungserbringung für Patienten findet dort statt, wo ein gesamtheitliches Leistungsangebot für eine Patientin/für einen Patienten vorhanden ist. Wir wollen im Zuge der Gesundheitsreform genau diese Punkte identifizieren.

Wir wollen auch sicherstellen, dass solche Zentren in allen Bundesländern vorgesehen werden, dass es dafür auch Angebote gibt. Wir wollen uns als Ziel setzen, eine Mindestanzahl in jedem Bundesland bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen.

Warum wollen wir das? – Wir wollen, dass auch im extramuralen Bereich ein Leis­tungs­angebot zu Tagesrandzeiten besteht, dass Leistungen auch an Wochenenden erbracht werden können. Daher braucht es eine Zusammenarbeit von Ärztin­nen/Ärz­ten. Wir wollen solche Einrichtungen, die eine bestmögliche Behandlung bieten, stär­ken, und es ist ein klares Ziel im Bundeszielsteuerungsvertrag 2013–2016, das auch umzu­setzen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird vom Fragesteller eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Sonst eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Posch-Gruska.

 


Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Minister! Bei der Gesundheitsreform sind schon viele wichtige Schritte gesetzt worden.

Mich würde interessieren, welche raschen Auswirkungen die Bevölkerung vor Ort demnächst zu spüren hat.

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Die Primärversorgung wird ausgebaut. Wir wollen nicht mehr dem Einzel­kämpfersystem unterliegen, sondern gemeinsame Versorgungsstrukturen erzielen.

Ich möchte, dass die Versorgung zu Tagesrandzeiten und zu Wochenenden umfas­sender, flächendeckender wird. Wir wollen unnötige Spitalsaufenthalte vermeiden. Niemand liegt zum Spaß im Krankenhaus, jeder ist froh, wenn er in seiner gewohnten Umgebung sein kann. Das heißt, nicht notwendige Krankenhausaufenthalte sollen vermieden werden.

Es geht bei der Kooperation von Ärztinnen/Ärzten darum, die Qualität zu verbessern. Wir wollen durch entsprechende Maßnahmen die Qualität verbessern, und Qualität


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verbessern bedeutet, die Integration der Versorgung zu verbessern. Wir wollen die Transparenz erhöhen, und wir wollen auch dazu beitragen, dass Menschen die Chance haben, ihre eigene Gesundheitskompetenz zu stärken, um selbst wahrzu­neh­men, wie sie sich im Sinne einer gesunden Lebensart richtig verhalten können.

Was heißt das zum Beispiel für einen 67-jährigen Diabetiker? – Es geht darum, dass die Versorgung in einem Netzwerk stattfindet, dass der Arzt auch weiß, was dieser Diabetiker bei der Diätologin macht, was er im Sportverein oder bei einer Physio­therapie macht. Die Behandlungskette spielt eine Rolle. Der Arzt soll auch wissen, wie der Patient mit dem Apotheker spricht, welche Medikamente er zu sich nimmt, wie viel Sport er betreibt. All das spielt eine entscheidende Rolle, und dazu muss es auch eine Leistungsdokumentation geben.

Es geht auch um die Messung der Ergebnisse. Wie wird der Gesundwerdungsprozess dieses Diabetikers gemessen? – Es geht darum, dass man neue Messergebnisse erzielt, die zugespielt werden. Damit kann der Behandlungsprozess besser verfolgt werden.

Wir arbeiten auch daran, dass es telefonbasierte Dienste gibt, dass wir auch mit Maß­nahmen wie etwa Telemedizin optimale Versorgung für chronisch Erkrankte anbieten können.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Poglitsch.

 


Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister! Diese interdisziplinären Zentren können zwar Spitalsambulanzen teilweise ersetzen, nicht aber die wohnortnahe Betreuung in einem persönlichen Vertrauensverhältnis insbe­sondere durch den Hausarzt und den Landarzt.

Das Regierungsprogramm sieht die Umsetzung des Hausarzt-Modells vor. – Was haben Sie zur Umsetzung des Hausarzt-Modells entsprechend dem Regierungs­programm unternommen, und welche Festlegungen trifft der Bundeszielsteuerungs­vertrag dazu?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Eines muss ich richtigstellen: Das Regierungsprogramm sieht vor, dass man sich mit Hausarzt-Modellen auseinandersetzt, es sieht nicht vor, Hausarzt-Modelle umzusetzen.

Wir haben uns mit Hausarzt-Modellen auseinandergesetzt, und zwar geht es darum – und das ist das, was ich möchte –, dass Allgemeinmediziner – manche nennen sie Hausärzte – die Spezialisten für den Erstkontakt der Patientinnen und Patienten sind. Ich möchte zweitens, dass die Allgemeinmediziner die Spezialisten für chronische Erkrankungen und für die Versorgungsprozesse bei chronischen Erkrankungen sind. Dazu braucht es Qualitätsleitlinien, dazu braucht es Unterstützung in der Information. Ich sage es noch einmal: Mit dem Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz haben wir dem Hausarzt zum Beispiel die Chance gegeben, alle Informationen für seinen Patien­ten zu bekommen.

Eine Absage erteile ich allen bürokratischen Maßnahmen, einem Patienten die freie Arztwahl einzuschränken. Ich halte von solchen Maßnahmen nichts. Warum? – Weil der Patient/die Patientin einen Arzt/eine Ärztin hat, der/die sein/ihr Vertrauen besitzt, und das ist der klassische Hausarzt. Ihm/ihr dann zu verbieten, zu einem anderen Arzt zu gehen, halte ich für kontraproduktiv. Gesundheit basiert auf Vertrauen. Der Patient schenkt einem Arzt/einer Ärztin sein Vertrauen, und das ist der Hausarzt/die Haus-


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ärztin, und der/die soll in seiner/ihrer Rolle gestärkt werden. Es gibt viele Maßnahmen, die das unterstützen.

Zweitens wollen wir den Hausärzten auch die Chance geben, die Qualität der Leis­tungs­versorgung zu stärken. Konkret in Plan haben wir, dass es auch eine Qualitäts­maßnahme in der niedergelassenen Versorgung geben wird.

 


Präsident Edgar Mayer: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine der wesentlichen und konkreten Zielbestimmungen ist die Kostensenkung auf 3,6 Prozent des BIP. Nun möchte ich fragen: Wie genau ist diese Zielbestimmung im Bereich der Kostendämpfung angesichts dessen, dass bereits einige Bundesländer angekündigt haben, dies unabhängig vom BIP machen zu wollen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Wir haben im Bundeszielsteuerungsvertrag vereinbart, dass wir mehr Geld für Gesundheit zur Verfügung haben. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wir wollen in Zukunft das gute österreichische Gesundheitssystem weiter ausbauen, wir werden mehr Geld haben. Wir haben sichergestellt, dass wir 3,6 Prozent Steigerungen bis zum Jahr 2016 erreichen können, und haben daher Ausgabenobergrenzen definiert – das deshalb, um die Leistungen ausbauen zu können.

Wir wollen die Leistungen ausbauen. Alle Bundesländer können in einem Bereich die Leistungen ausbauen, in anderen Bereichen Veränderungsprozesse starten, sollten Leistungen überholt werden müssen. Das findet auch statt. Es werden Veränderungen im Krankenanstaltengesetz vorgenommen, die einerseits Kosteneinsparungen bewir­ken und andererseits zu neuen Leistungen führen.

Wir haben alle Kostendämpfungen so festgelegt, dass insgesamt diese Zahl auch einzu­halten ist. Diese Kostensenkung ist Teil des Bundeszielsteuerungsvertrages, dazu haben sich alle Bundesländer und die Sozialversicherung verpflichtet.

 


Präsident Edgar Mayer: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal kurz zurückführen auf die Ärzteunterversorgung im Land und die Maßnahmen, die gesetzt werden, dass wieder mehr Bereitschaft gegeben ist, Praxen zu eröffnen.

Die Hausapotheke wäre ein wichtiger Einkommensbestandteil für Landärzte. – Ist geplant, dass Landärzte wieder Hausapotheken führen dürfen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Gesundheitspolitik geht nicht davon aus, wie hoch das Einkommen der Ärzte ist, sondern meine Gesundheitspolitik geht davon aus, was Patientinnen und Patienten brauchen. Das ist mein Zugang. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Tiefnig.) Ich habe nichts dagegen, dass alle Berufsgruppen im Gesundheitssystem für ihre Leistungen gut entlohnt werden. Das nützt uns allen. Sie erbringen auch alle eine gute Leistung.

Wie sieht die Regelung für Hausapotheken aus? – Wir haben bei den Hausapotheken folgende Regelung: In einer Ein-Arzt-Gemeinde kann ein Hausarzt eine Hausapotheke haben. Das ist eine klare gesetzliche Vorgabe. In einer Gemeinde mit weniger als zwei Hausärzten und einer Apotheke vor Ort braucht es keine Hausapotheke. Warum? – Eben weil eine Apotheke im Ort vorhanden ist und der Verfassungsgerichtshof klar


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gesagt hat, die bessere Versorgung für Patientinnen und Patienten ist die Apotheke. Wenn eine solche zur Verfügung steht, dann sind Hausapotheken für Ärztinnen und Ärzte nicht mehr statthaft.

Eigentlich ist die Versorgung für die Patientinnen und Patienten durch diese Maß­nahme sichergestellt. Wir haben darüber hinaus sichergestellt, dass in besonderen Fällen die Apothekerinnen und Apotheker die Patienten auch im Umkreis ihrer Apotheke versorgen können.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1837/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Pfister, um die Verlesung derselben.

 


Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1837/M-BR/2013

„Welche Auswirkungen haben die von VK Spindelegger vorgeschlagenen Senkungen des Krankenversicherungs-Beitrages um 0,15 und des Unfallversicherungs-Beitrages um 0,4 Prozentpunkte auf BeitragszahlerInnen und Unternehmen?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Würde man den Krankenversicherungsbeitrag um 0,15 Prozentpunkte redu­zieren, würde das bedeuten, dass den Gebietskrankenkassen 136 Millionen weni­ger zur Verfügung stünden. Und jetzt kann man schauen, welche Leistungen 136 Millio­nen € kosten, und die stünden dann nicht mehr zur Verfügung. Das würde also bedeuten, dass es Leistungseinschränkungen und auch keine Weiterentwicklung der Leistungen gäbe.

Weiters würde das bedeuten – das ist für den Bundesrat sehr wichtig –, dass ein Drittel aller Beiträge, die da von den Gebietskrankenkassen aufgebracht werden und direkt in die Finanzierung der Krankenanstalten gehen, fehlen würde. Das heißt, ein Drittel davon würde Ihnen zur Finanzierung der Krankenhäuser, der guten Versorgung in der Region fehlen.

Diese Maßnahme würde also insgesamt das Gesundheitssystem schwächen.

Zur zweiten Frage: Was würde eine Senkung des Unfallversicherungsbeitrages um 0,4 Prozentpunkte bedeuten? – Ich sage es dazu: Die Leute hätten davon nichts, weil diesen Beitrag der Arbeitgeber zahlt. Das spürt niemand im Geldtascherl. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab. – Gegenruf bei der SPÖ: Die Versicherten, Herr Kollege!) Die Leute, die Versicherten spüren es nicht im Geldtascherl, wenn man das reduzieren würde. Aber es würde bedeuten, dass nahezu eine halbe Milliarde Euro nicht für Prävention, nicht für Leistungen zur Verfügung stünde. Und da wären vor allem die guten Leistungen der AUVA infrage gestellt.

Da ginge es um die Fragen: Können wir die Unfallkrankenhäuser aufrechterhalten? Können wir die gute Prävention am Arbeitsplatz weiter ausbauen? – Diese Bereiche wären jedenfalls betroffen, wenn nicht andere Finanzierungsmöglichkeiten eingeführt würden. Es bestünde natürlich die Möglichkeit, Beiträge aus dem allgemeinen Budget aufzubringen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Pfister: Danke, nein!) – Das ist nicht der Fall.

Sonst noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Preineder.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 37

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Meine Frage bezieht sich auf die Gesundheitskosten im Zusammenhang mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Es gibt da zwischen den Bundesländern erheb­liche Unterschiede, weil zwei Drittel aller Mindestsicherungsbezieher in Wien zu Hause sind – das sind 10 Prozent der Wiener Bevölkerung. Das sind – umgelegt auf Nieder­österreich, weil ich niederösterreichischer Bundesrat bin – 15-mal so viele Mindest­siche­rungsbezieher wie in Niederösterreich bei ziemlich gleicher Einwohnerzahl.

Also meine Frage: Wie hoch waren im Jahr 2012 die Ausgaben der Wiener Gebiets­krankenkasse für Leistungen der Krankenversicherung, die von den 144 000 Bezie­herinnen und Beziehern der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Anspruch genom­men wurden?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Bei der Frage der Mindest­sicherung und der Finanzierung der Mindestsicherung muss man unterscheiden: Wir haben sichergestellt, dass alle Menschen Zugang zur Mindestsicherung haben. Und Ausgaben der Gebietskrankenkasse erfolgen für Personen mit Mindestsicherung nur dann, wenn diese keine sonstige Krankenversicherung haben. Es gibt ja viele Per­sonen, die eine Mindestsicherung beziehen, aber einen eigenen Krankenversiche­rungsanspruch haben. Warum? – Weil sie zum Beispiel mitversichert sind, weil sie zum Beispiel teilzeitversichert sind, aber trotzdem sogenannte Aufstocker sind nach einer arbeitslosen Geldleistung, wo ein Grundanspruch für die Mindestsicherung und auch ein Grundanspruch für die Krankenversicherung gegeben sind.

Wir haben im Rahmen der Gesetzeslage sichergestellt, dass die Leistungen, die die Gebietskrankenkassen aus dem Titel der Mindestsicherung aufzuwenden haben, aus dem Bundesbudget finanziert werden. Und ich habe dafür, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, 33 Millionen € als Ersatz in meinem Budget vorgesehen.

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Österreichs Gewerbetreibende, Österreichs Unter­nehmen zahlen zirka 30 Prozent ihres Einkommens an Abgaben an die SVA. Bekanntlich hat die SVA, die Sozialversicherungsanstalt, im letzten Jahr zirka 500 Mil­lionen € Gewinn gemacht. Dieser wird zur Verlustabdeckung zum Beispiel an die defizitäre Wiener Gebietskrankenkasse überwiesen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Beiträge an die Sozialversicherung als unternehmerische Abgaben offensichtlich zu hoch sind.

Sehr geehrter Herr Minister! Ist für Sie eine spürbare Senkung dieser SVA-Beiträge eine Option oder überhaupt die Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehalts?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Es ist leider nicht so, wie Sie sagen, dass die Einnahmen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirt­schaft so hoch gewesen wären, im Gegenteil, sie hat heuer leider ein negatives Jah­res­­ergebnis abgeliefert. Die Ausgaben der Sozialversicherungsanstalt der gewerb­lichen Wirtschaft sind gerade dadurch, dass sie neue Personengruppen hat, nämlich Neue Selbständige, höher, der Gesundheitsbedarf ist größer.

Es gibt keine Verschiebungen von Geldern der Sozialversicherungsanstalt der gewerb­lichen Wirtschaft zum Beispiel zu anderen Krankenkassen, es sei denn, es gibt eine konkrete gesetzliche Regelung. Und eine solche konkrete gesetzliche Regelung gibt es nur dafür, dass das Hanusch-Krankenhaus von allen Krankenkassen Österreichs


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gemeinsam mitfinanziert wird, weil dort auch von allen Versicherungsgruppen Patien­ten behandelt werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen nun zur 8. Anfrage, 1833/M, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Reisinger, um die Verlesung derselben.

 


Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage bezieht sich auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung, wie sie auch im Regierungsprogramm steht:

1833/M-BR/2013

„Was haben Sie unternommen, um die unzureichende Versorgung mit Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation insbesondere bei Kindern nach schwersten Erkrankungen in hoher Qualität auszubauen und zu verbessern?“

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Sehr, sehr viel, kann ich einmal sagen.

Ich habe die Kindergesundheitsstrategie entwickelt, habe bewusst gesagt, dass ich haben möchte, dass sich alle Träger in Österreich die Frage stellen: Was bieten wir für Kinder an? – Und ich habe gesagt: Wenn jede Institution nur eine Maßnahme für Kinder anbietet, dann haben wir am Ende Hunderte Maßnahmen, die zur Versor­gungsverbesserung für Kinder beitragen.

Im Zusammenhang mit der Rehabilitation wurde vom Hauptverband der Sozial­ver­sicherungsträger ein Rehabilitationsplan 2012 in Auftrag gegeben, der den schritt­weisen Ausbau des Angebots unter Berücksichtigung der regionalen Erfordernisse festlegt. Und es gibt eine unstrittige Bedarfsabschätzung durch die Gesundheit Öster­reich GmbH. Das Ergebnis kann auch auf der Homepage des Hauptverbandes als „Rehabilitationsplan 2012“ abgerufen werden.

Wir haben da eine Bedarfsschätzung bis zum Jahr 2020 gemacht und gehen von einer Bettenzahl von 343 Betten aus. Dazu kommen noch, wenn Angehörige dabei sein sollen, weitere 50 Betten.

Wir empfehlen, eine Bündelung verwandter Rehabilitations-Indikationsgruppen vorzu­neh­men, sodass gebündelte Rehabilitation stattfinden soll von Onkologie, Stütz- und Bewegungsapparat, dass es da eine Kooperation gibt. Wir haben Strukturqualitäts­kriterien im Bereich der stationären Kinderrehabilitation vorgesehen.

Das heißt, dieses Thema wurde bearbeitet und harrt einer Beschlussfassung bezieh­ungs­weise einer Weiterentwicklung.

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Kollege Reisinger, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Welche Maßnahmen haben Sie, Herr Bundesminister, gesetzt, um die Versorgung bei psychischen Störungen weiter zu verbessern und auszubauen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Herr Bun­desrat! Wir haben viele Maßnahmen betreffend die psychische Versorgung von Kin­dern gesetzt. Zum Beispiel ist Kinder- und Jugendpsychologie ein Mangelfach geworden, und wir haben dafür gesorgt, dass mehr Ärztinnen und Ärzte in diesem Feld ausgebildet werden können. Wir haben die Zahl der Ärzte im Bereich Kinder- und


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Jugendpsychiatrie insbesondere im Bundesland Niederösterreich – das ist Vorreiter – enorm erhöht und fünf zusätzliche Arztpraxen ausgeschrieben. Wir haben darüber hinaus in allen Bundesländern die Stunden, die für psychische Versorgung zur Ver­fügung stehen, ausgeweitet.

Ich habe dazu beigetragen, dass es eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Kinderarzneimittel vor allem im psychischen Bereich gibt und habe im Obersten Sanitätsrat auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Arzneimittel dieser Gruppe be­sonders im Auge hat.

Ich habe darüber hinaus sichergestellt, dass es mit der Pharmaindustrie, mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung betreffend Kinderarzneimittel eine neue Form der klinischen Forschung gibt. Wir haben auch ein Kinderfor­schungs­netzwerk eingerichtet.

Darüber hinaus habe ich – das geht über die psychischen Erkrankungen hinaus – zwei neue Impfungen eingeführt, nämlich Meningokokken- und Pneumokokken-Impfung. Das wird auch umgesetzt und bedeutet insgesamt, den Mutter-Kind-Pass zu erweitern. Wir werden in der nächsten Sitzung des Bundesrates – zumindest hat es die Bundes­regierung schon beschlossen – auch die Hebammenberatungen verbessern, Mutter-Kind-Pass.

Wir haben da also für Kinder einiges getan, und den Nationalen Aktionsplan Ernährung und den Nationalen Aktionsplan Bewegung habe ich schon angesprochen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Edgar Mayer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Ebner.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Es gibt immer mehr Defizite bei der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, sei es durch Bewegungsmangel oder Ernährung.

Daher meine Frage: Welche Leistungsverbesserungen wurden bereits initiiert, um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen generell zu verbessern?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Frau Bun­desrätin, alles, was ich jetzt gesagt habe, ist Leistungsverbesserung. Was mir auch gelungen ist, ist eine Leistungserweiterung im Bereich der Zahnmedizin – das trifft am meisten Kinder. Wenn die Gebietskrankenkassen in den Ambulatorien neue Leis­tungen oder alle Leistungen anbieten, schaffen wir es, dass sich die Eltern von Kin­dern, die eine Zahnspange brauchen und bekommen, diese Zahnspange auch leisten können. Auch das ist ein Feld, wo ich Schritte gesetzt habe, die Versorgung zu verbessern.

Ich sage noch einmal: Kindergesundheitsdialog. In sechs Arbeitsgruppen haben wir in den Feldern psychische Versorgung, Schwangerschaft und Geburt, Leistungsent­wicklung, Rehabilitation, Ernährung Maßnahmen gesetzt.

Ich bringe ein Beispiel: Ernährung. Wenn im September wieder ein neues Schuljahr beginnt, kann ich sagen: Wir haben 200 000 Kinder, die ein qualitatives Schulbuffet vorfinden. Sie wissen, ein Drittel der Kinder geht ohne Jause in die Schule, und wenn die kein qualifiziertes Schulbuffet haben, dann essen sie irgendetwas – und bekommen Krankheiten anerzogen.

Wir wollen eine gesunde Schule haben, und daher habe ich die Initiative der gesunden Schulbuffets aufgebaut. Ich möchte sie gerne weiterführen. Das sind Beiträge, die dazu


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führen, dass unsere Kinder erst gar nicht krank werden, dass sie gesunde Rahmen­bedingungen vorfinden, und das ist eine ganz klare Zielsetzung.

Es findet sich auch ein eigenes Gesundheitsziel für Kinder in den Rahmengesund­heitszielen, nämlich das Gesundheitsziel Kindergesundheit.

 


Präsident Edgar Mayer: Noch eine Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Geschätzter Herr Minister, Sie haben zwar in der Kindergesundheitspolitik einige kosmetische Ansätze gebracht, aber es gibt zum Beispiel in Wien noch immer keine niedergelassenen Kinderpsychiater mit Kassenvertrag, und auch betreffend die Zahnversorgung, zum Beispiel für ängstliche oder behinderte Kinder, wurde von Ihnen nichts unternommen. Die Wartezeit für eine Zahnbehandlung in der Großstadt Wien beträgt drei Monate.

Warum haben Sie nicht die Ambulatorien der Krankenkassen verpflichtet, auch Ein­griffe unter Narkose für diese Kinder anzubieten, um die monatelangen Wartezeiten für die Betroffenen, die ja von Schmerzen und Schmerzmittelgabe geprägt sind, endlich zu verkürzen?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Bundesrätin, genau das Gegenteil ist der Fall! Wir haben, gerade was die Kinderzahnversorgung in den Ambulatorien der Gebietskrankenkassen betrifft, auch Maßnahmen gesetzt, bei denen es darum geht, dass Kinder unter Narkose behandelt werden. Das findet in Österreich statt. Das ist je nach Zahnambulatorium unterschiedlich, weil nicht in jedem ein Anästhesist zur Verfügung steht, aber wir haben das, was die Kinderzahnversorgung betrifft, maßgeblich ausgebaut.

Ich habe auch schon gesagt, dass wir die Bereiche der Behandlung psychischer Erkran­kungen verbessert haben. Wien hat eine Sondersituation, Wien hat eine sehr gute Versorgung über Institutionen, gerade was den Bereich der psychischen Erkran­kungen betrifft. Da gibt es nicht den einzelnen niedergelassenen Arzt, sondern diese multiprofessionellen Versorgungsformen, beginnend mit der Magistratsabteilung 11 bis hin zu allen Maßnahmen der psychischen Versorgung von Kindern. Daher ist nicht entscheidend, die einzelne Arztpraxis im Auge zu haben, sondern wie es gelingt, die Gesamtversorgung sicherzustellen.

Wir haben gerade in den letzten Tagen in Kooperation mit Behinderteneinrichtungen, mit Einrichtungen der Kinderhilfe sichergestellt, dass neue Leistungen angeboten werden. So sind zum Beispiel vorige Woche mit den Heimen in Isidor die Leistungen für Kinder und Jugendliche ausgeweitet worden, und die Sozialversicherung erfüllt die Pflicht, die sie in diesem Feld hat, ausgezeichnet.

 


Präsident Edgar Mayer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Bis wann werden die Empfehlungen der Kindergesundheitsstrategie umge­setzt werden?

 


Präsident Edgar Mayer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Ich kann jetzt kein Enddatum sagen, sondern manche Dinge sind etwas intensiver, die brauchen auch mehr Zeit, aber wir haben alle Maßnahmen im Rahmen der Bundeszielsteuerung festgelegt; es wird in den Landes-Zielsteuerungsverträgen noch konkretisiert werden, in Kenntnis der regionalen Bedürfnisse. Ich würde mir jetzt nicht zutrauen, das für alle Bundesländer abschließend feststellen zu können.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 41

Das Ziel ist, der Kindergesundheitsdialog soll umgesetzt werden. Ich habe ein Komitee eingerichtet, das das auch verfolgt und überwacht. Wir haben schon begonnen und haben schon viele Bereiche umgesetzt, und Schritt für Schritt werden alle Punkte abgearbeitet; einige haben wir, wie gesagt, bereits positiv erledigt.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister Stöger, für die Beantwortung der Fragen.

Die Fragestunde ist beendet.

Bevor ich fortsetze, darf ich ein langjähriges Mitglied des Bundesrates, Herrn Prä­sidenten a. D. Alfred Schöls, recht herzlich begrüßen. Lieber Alfred, herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

10.40.02 Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Edgar Mayer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2727/AB bis 2728/AB verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

*****

(Liste der Anfragebeantwortungen: siehe S.12)

*****

Weiters ist der Zehnte Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eingelangt, der dem Umweltausschuss zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abge­schlos­sen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Edgar Mayer: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. Das ist Stimmeneinhelligkeit. Somit ist der Vorschlag gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich darf nun Frau Bundesminister Claudia Schmied sowie Herrn Bundesminister Karlheinz Töchterle recht herzlich begrüßen. Guten Morgen und herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und die Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en sowie der/s zweiten Schriftführerin/s für den Rest des 1. Halbjahres


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 42

2013 beziehungsweise die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das zweite Halbjahr 2013 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Edgar Mayer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 bis 7, 21 bis 23, 24 und 25 sowie 26 und 27 jeweils unter einem durchzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.42.10 Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Präsident Edgar Mayer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundes­rates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Pisec, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Krusche, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ an den Bundesminister für Arbeit und Soziales vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.43.031. Punkt

Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en sowie der/s zweiten Schriftführerin/s für den Rest des 1. Halbjahres 2013

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Salzburger Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gehen in den Wahlvorgang ein und kommen zuerst zur Wahl der/s ersten Vizepräsidentin/en für den Rest des 1. Halbjahres 2013.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 43

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Kurz lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Da die Gewählte nicht anwesend sein kann, frage ich den Fraktionsvorsitzenden, ob die Gewählte die Wahl annimmt. – Bitte.

10.44.11

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Susanne Kurz nimmt die Wahl an.

 


Präsident Edgar Mayer: Herzlichen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender.

Wahl der/s zweiten Schriftführerin/s

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen nun zur Wahl der/s zweiten Schriftführerin/s für den Rest des ersten Wahljahres 2013.

Es liegt mir hiezu der Vorschlag vor, der auf Bundesrat Josef Saller lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist daher angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


10.44.40

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich.

 


Präsident Edgar Mayer: Ich gratuliere, Herr Bundesrat Saller.

10.44.492. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005, das Universitätsgesetz 2002 und das Hoch­schul-Qualitätssicherungsgesetz geändert werden (Bundesrahmengesetz zur Einführung einer neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen) (2348 d.B. und 2397 d.B. sowie 9006/BR d.B. und 9012/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Somit gelangen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. Bitte um den Bericht.

 


10.45.03

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesrahmengesetz zur Einführung einer neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 44

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.46.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Wir behandeln heute eine Regie­rungs­vorlage, in der es um eine neue Ausbildung für Pädagogen geht. Die Vertreter der Regierungsfraktionen haben sich im Nationalrat ja in ihrer Euphorie geradezu überschlagen. Es wurden Begriffe wie „historisch“, „revolutionär“ und so weiter verwen­det.

Aus meiner Sicht ist dieser Gesetzentwurf weder revolutionär noch historisch, wenn­gleich ich der Meinung bin, dass es notwendig war, eine neue Ausbildung ins Auge zu fassen. Es stellen sich dabei aber wie üblich Fragen wie: Wie macht man das? Und: Was sind die Ziele?

Eines der Ziele ist die fortschreitende Akademisierung des Lehrberufs. Das ist aber schon der erste Punkt, an dem wir immer Kritik geübt haben, und ich bleibe bei meiner Kritik: Wenn wir den Lehrberuf generell akademisieren – vom Volkschullehrer bis zum AHS-Lehrer –, dann ist damit noch keineswegs gesichert, dass wir dadurch bessere Lehrer bekommen. Es gibt genügend Beispiele dafür, dass das nicht so ist. Es ist aber leider eine internationale Unsitte, dass, sobald die OECD zu schreien beginnt, alle sagen, ja, wir haben zu wenige Akademiker, wir müssen für mehr Akademiker sorgen, und man glaubt, dadurch wird alles besser – so ähnlich, wie das ja auch beim Thema Gesamtschule oft der Fall ist.

Ich glaube nicht, dass unsere Lehrer generell so schlecht ausgebildet sind, sondern ich glaube eher, dass es einerseits an den Umständen liegt und andererseits schon auch ein Problem ist, dass zum Teil nicht die geeignetsten Personen Lehrer werden. Ich würde also da ansetzen und sagen, Lehrer darf nur jemand werden, der das auch kann. Voraussetzungen sind Wissen, Didaktik, vor allem aber – und das ist für mich eigentlich der erste Punkt – Liebe zu den Kindern; ohne die geht gar nichts.

Es braucht außerdem eine gewisse Begabung. Man kann Wissen erwerben, man kann die didaktischen Fähigkeiten verbessern, dazulernen, aber ich sage: Entweder man kann es, oder man kann es nicht! Und wenn es jemand nicht kann, wird die beste Didaktikschulung keinen wirklich guten Lehrer aus ihm machen.

Ich möchte dieses Gesetz gar nicht in Bausch und Bogen verdammen und sagen, alles daran ist schlecht. Ein hochqualifiziertes Angebot zur Verfügung zu stellen ist ja durch­aus auch positiv, was ja die PH jetzt im Rahmen der Weiterbildung, sprich in den Masterlehrgängen, durchaus machen wird. Ob es damit gelingen wird – und das ist ja das Wirkungsziel, das im Gesetz steht –, dass das Bildungsniveau der Schüler ange­hoben wird und dass eine Verbesserung der Chancen und vor allem der Geschlech­tergerechtigkeit – was auch immer das heißt – erreicht werden wird, bezweifle ich.

Der Nationale Bildungsbericht hat ja schon gezeigt, dass die Neue Mittelschule nicht in der Lage war, die sozialen Unterschiede, die es gibt, aufzuheben. Es gibt in Deutsch­land viele Untersuchungen der unterschiedlichsten Institute, die uns allesamt nicht nahestehen, in denen immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die Gesamtschule, die es dort gibt, die sozialen Unterschiede nicht aufhebt, zum Teil sogar verschärft und dass die Schüler dieser Gesamtschule zum Teil einen Wissensrückstand von bis zu zwei Jahren gegenüber den Gymnasien haben. Im Nationalen Bildungsbericht ist übrigens zum Ausdruck gekommen, dass das schon bei den Volksschülern so ist, wo wir ja diese gemeinsame Schule schon hätten.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 45

Ich glaube, bei der Bildungsfrage – und das ist das, was ich an all diesen Gesetzen immer vermisse, so jetzt auch bei der Lehrerausbildung – sind die Ziele der Bildung wesentlich. Was heißt das überhaupt: Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit? Bei der Bildung geht es darum, dass Chancen genützt werden, und Chancen sind vorhanden – man muss sie nur nützen. Auch jene Schüler, die zu den 20 Prozent gehören, die die Schule verlassen und nicht ausreichend lesen und schreiben können, könnten diese Chancen nützen, tun es aber nicht. Es geht also um Chancen­nut­zung – und nicht um Chancenverteilung, durch die dann vermeintlich alles gerech­ter wird.

Auch der Bildungsforscher Josef Hitpaß hat schon 1981 festgestellt: Massenbildung fordert als Tribut Niveauverlust. – Das haben wir zu einem nicht unerheblichen Teil in den letzten Jahren schon feststellen können, vor allem in den Gymnasien, aber auch in den Hauptschulen. Sie nehmen das in Kauf. Frau Ministerin Karl hat ja einmal gesagt: Matura für alle. Dort soll der Zug hinfahren! Allen soll es möglich sein, die Matura zu machen. Das wird aber nicht gelingen, auch nicht mit der besten Chancengleichheit und der besten Chancengerechtigkeit, weil Menschen und auch Schüler nun einmal unterschiedlich sind.

Wir sagen natürlich, dass Lehrer bestmöglich ausgebildet sein müssen und dass wir auch wirklich nur die Geeignetsten nehmen dürfen. Das ist selbstverständlich, und das ist ja ein Grundsatz, dem sich ohnehin niemand verschließt. Das heißt aber nicht, dass es den Lehrern gelingen muss, alle Kinder gleich zu befähigen, weil es eben, wie schon gesagt, Unterschiede gibt.

Einer Ihrer Parteigänger, Frau Minister Schmied, ein Direktor einer großen HTL in Wien, hat schon in den neunziger Jahren gesagt – wofür er sich sehr viel Schelte der SPÖ eingehandelt hat –: Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass nicht alle Kinder gleich bildungsfähig und auch nicht alle gleich bildungswillig sind.

So wird es immer sein. Es wird immer Eltern geben, die ihre Kinder mehr fördern, die mehr Wert auf Bildung legen, die ihnen vorlesen et cetera, et cetera. Das werden Sie nicht nivellieren können, was auch immer Sie in Sachen Ausbildung, Gesamtschule et cetera tun. Das muss man eben einfach einmal zur Kenntnis nehmen. Man darf nicht immer so tun, als ob es das nicht gäbe.

Diese neue Lehrerausbildung orientiert sich natürlich auch an der Bologna-Struktur. – Auch diese beziehungsweise deren Umsetzung kann man durchaus kritisch hinter­fragen. Also das Gelbe vom Ei ist sie nicht, und sie bringt auch nicht das, was man sich von ihr erwartet hat. Es ist in Wirklichkeit nicht so, dass die Mobilität tatsächlich so stark gestiegen ist, und es stimmt auch nicht, dass die Bildungsabschlüsse so stark zugenommen haben. Also alle Hoffnungen, die man da hineingelegt hat, und alles, worauf man sich geeinigt hat, tritt gar nicht in dem erwarteten Maße ein. Wir orientieren uns jedoch jetzt beim Lehramtsstudium wieder an der Bologna-Struktur!

Wenn Sie schon sagen, der Lehrberuf soll akademisiert werden, dann frage ich Sie: Was glauben Sie, wird besser werden, und welchen Mehrwert werden wir dadurch haben, dass zum Beispiel die Lehrer der Primarstufe jetzt um ein Jahr länger studieren müssen? Es gibt übrigens interessanterweise manchmal ja doch Überschneidungen zwischen Parteien, auch wenn diese ideologisch sehr weit auseinanderliegen. Wir waren bei einem Gespräch in der Pädagogischen Hochschule Tirol, und es ging um Berufsschullehrer, die dieses Lehramt im berufsbegleitenden Studium angestrebt haben. Die Kollegin von den Grünen, nämlich Gabi Moser – die zwar nicht eure Bil­dungssprecherin ist, das weiß ich schon –, hat ein bisschen salopp, aber durchaus gerechtfertigt gefragt, was jetzt eigentlich die Regierung glaubt, dass diese Lehrer mehr werden können und was sie in den sechs Jahren eigentlich lernen sollen. Das


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war ihr nicht ganz klar – und uns auch nicht. Aber das kann man ja vielleicht noch beantworten.

Und noch eine Frage: Wenn man schon so auf die Akademisierung hinarbeitet – ich stehe dem nach wie vor kritisch gegenüber –: Warum hat man nicht gleich die Kinder­gartenpädagogen mit hineingenommen? Ich weiß, es ist gestern im Ausschuss dies­bezüglich gesagt worden, die Elementarpädagogik könne man ja in den Zusatz­qualifikationen erwerben, das ist ja nicht auszuschließen. Ich glaube aber, es wäre doch wichtig gewesen, das mit hineinzunehmen, wenn man schon anstrebt, einen großen Wurf zu machen. Die Kindergartenpädagogen kriegen ja die Kinder als Erstes in die Hand. Es wäre daher auch richtig und zielführend gewesen, diese mit hinein­zunehmen und auch Curricula zu machen, sodass sie wissen, was sie zu tun haben und was sie erwartet.

Übrigens – das gebe ich Ihnen jetzt noch mit – haben die Studierenden der Pädago­gischen Hochschule Tirol uns gesagt, dass es vor allem für die Berufspädagogen beim berufsbegleitenden Studium nicht ganz einfach zu erkennen ist, was jetzt eigentlich angerechnet wird und wie. Wenn sich jemand im Alter von 40 Jahren entschließt, Lehrer zu werden, dann muss er schon wissen, was auf ihn zukommt. Es ist ja durchaus positiv, dass auch Quereinsteiger kommen sollen. Ich finde das sogar sehr positiv, denn ich habe mir schon immer gedacht, wenn man direkt von der Schule auf die Uni geht und dann wieder zurück an die Schule, was vor allem bei den AHS-Lehrern so ist, dann lebt man in einer virtuellen Welt, die mit der realen nicht wirklich etwas zu tun hat. Ich möchte jetzt nicht alle AHS-Lehrer beleidigen, aber ich war immer der Meinung, dass ein gewisses Berufspraktikum dazwischen äußerst sinnvoll ist. Das tut sowohl den Lehrern als auch den Schülern gut.

Also Ja zu den Quereinsteigern, die da kommen sollen. Sie müssen aber wirklich wissen, worauf sie sich einlassen, denn gerade wenn man nicht mehr Mitte 20 ist, muss man wissen: Was an Zeit muss ich aufwenden? Will ich das? Lohnt sich das? Zahlt sich das aus? – Die Lehramtsstudenten der PH Tirol haben gesagt, da ist noch vieles offen. Vielleicht stimmt das so nicht, aber wenn doch, kann man das ja vielleicht noch ausbessern.

Es wäre für uns auch wichtig, klarzustellen, dass die Lehrer so früh wie möglich in die Unterrichtspraxis kommen. Sie machen jetzt ein Aufnahmeverfahren, und ich weiß, der Praxisanteil ist auch verbessert worden, aber ich glaube, es ist ganz wesentlich, dass sie bald Unterrichtserfahrung bekommen. – Das ist für mich aus dem Gesetz nicht so klar hervorgegangen, und auch im Ausschuss gestern ist die Frage meiner Meinung nach noch nicht endgültig geklärt worden, wann die jetzt wirklich in die Klasse gehen.

Es ist nämlich auch für die Studenten wichtig zu wissen: Kann ich das überhaupt? Komme ich mit einer Klasse zurecht? – Natürlich sollen sie das nicht alleine machen, sondern begleitet, aber es ist eben essenziell, gleich zu erfahren, ob man das kann oder nicht, um auch mit einem nicht allzu großen Zeitverlust umsteigen zu können.

Was uns bei dem Gesetz auch fehlt, ist Folgendes: Wir wollten ja immer eine richtige Pädagogische Universität. Es zeigt sich jetzt, dass es schon ein Fehler war, Unterricht und Wissenschaft zu trennen. Das war ja einmal beisammen, und das gehört unter ein Dach. Ich weiß, Sie haben sich vorgenommen zu kooperieren, und es wird ver­sprochen, dass das alles wunderbar funktionieren wird. Man weiß aber schon auch aus der Praxis, aus der Erfahrung: Wenn zwei kooperieren müssen, dann läuft das ohne­hin, solange alles gutgeht, aber wenn es Schwierigkeiten gibt, dann ist man versucht, das immer auf den jeweils anderen zu schieben. Also die Kooperation mag ein netter Gedanke sein, ich meine aber, ein wirklich gemeinsames Dach all dieser Studenten wäre richtiger gewesen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 47

Noch einmal: Wir wollen, dass Bildungschancen Chancen sind und keine Garantien, weil es keine Garantie für Bildung gibt. Das spiegelt sich nach unserem Dafürhalten nicht in dem Gesetz wider. Diese gemeinsame Universität ist auch ein Thema. Wir sehen das halt als typisch österreichische Kompromisslösung, die wir ja in vielen Fällen kennen: Die ÖVP will das eine, die SPÖ will das andere, und es kommt dann der kleinste gemeinsame Nenner heraus.

Ohne das Lehrerdienstrecht, das ja immer noch verhandelt wird, wünsche ich jetzt bei der Ausbildung wirklich „viel Vergnügen“! Die akademisierten Lehrer werden zu Recht verlangen, dass sie jetzt gleiche Bezahlung bekommen, und die Personalkosten sind ja in Ihrem Ressort jetzt schon sehr hoch, Frau Minister, und fressen eigentlich den größten Teil Ihres Budgets auf – und noch wissen wir gar nicht, wie dieses Lehrer­dienst­recht tatsächlich ausschauen wird.

Also alles in allem muss man sagen: Da sind wohl auch Chancen verspielt worden. Das Thema ist für uns nach wie vor eine Baustelle und der vorliegende Gesetzentwurf keineswegs revolutionär. Daher werden wir unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

10.58


Präsident Edgar Mayer: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich noch sehr herzlich die 3. Klasse der Kompetenztagesschule aus Haslach in Oberöster­reich samt PädagogInnen begrüßen. Mit ihnen freut sich ihre Direktorin, Frau Bundes­rätin Elisabeth Reich. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Nächster Redner: Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


10.59.06

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wünschen uns für unsere Kinder nur das Beste – die beste Erziehung, aber natürlich auch die beste Schulbildung. Um aber Kindern das Wichtigste fürs Leben mitgeben zu können, bedarf es natürlich nicht nur aktiver Eltern oder talentierter Kinder, sondern auch engagierter, höchstmotivierter und bestens ausgebildeter Päda­goginnen und Pädagogen.

Wir geben im internationalen Vergleich sehr viel Geld für den Bildungsbereich, aber auch für die Unterstützung von Familien aus. Wir können es uns letztendlich aber nicht leisten, dann bei den Ergebnissen nur im Mittelfeld zu landen.

Die heute zu beschließende neue PädagogInnenausbildung – um auf die Kollegin Mühlwerth zurückzukommen, ich werde den Begriff „revolutionär“ heute nicht verwen­den, damit es dich nicht vom Sessel reißt – ist aber trotzdem ein Meilenstein, der dazu beitragen wird, dass sich unser Bildungssystem und die Kinder im Spitzenfeld wieder­finden werden und wir es schaffen, dass kein Kind mehr auf der Strecke bleibt.

Unabhängig von Herkunft und entsprechend den Begabungen und Talente sollen die Kinder gefördert, motiviert und natürlich auch gefordert werden.

Natürlich werden Vergleiche angestellt, wenn Veränderungen eingeleitet werden sollen, und als Interessierter stelle auch ich mir die Frage: Was funktioniert im jetzigen bestehenden System? Was läuft vielleicht nicht ganz so optimal ab? Wo sind die Stärken und Schwächen in der bestehenden Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer, beziehungsweise wo liegen Stärken und Schwächen an den Pädagogischen Hochschulen und an den Universitäten?

Jeder von uns kennt aus seinem eigenen Erleben eine Vielzahl von außergewöhnlich motivierten Lehrerinnen und Lehrern, die in ihrem Beruf im wahrsten Sinne des Wortes


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 48

aufgehen und sich dort verwirklichen können. Ich habe es als Schüler selbst erleben dürfen, aber auch jetzt an der Volkshochschule, wo ich Leiter bin, wo sehr viele Pädagoginnen und Pädagogen auch als Kursleiterinnen und Kursleiter tätig sind, wie aktiv und motiviert sie an ihre Arbeit herangehen.

Je wohler man sich fühlt, desto leichter ist es, dem Unterricht zu folgen. Daher gibt es meines Erachtens einen nicht zu leugnenden Zusammenhang zwischen der Per­sönlichkeit von Pädagoginnen und Pädagogen und einem daraus resultierenden Lernerfolg.

Viele von uns haben auch das Gegenteil kennengelernt. Auf jemanden, der in einem Unterrichtsgegenstand topmotiviert erscheint, kann in der anschließenden Unterrichts­einheit auch das Gegenteil zutreffen, nämlich bereits existierende Frustration oder Resignation im Beruf.

Warum gibt es vielleicht im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen kaum eine Durchläs­sigkeit im Berufsschema von Lehrerinnen und Lehrern? Einmal Lehrer, immer Lehrer, muss das so sein? Wenn jemand erkennt, dass es nicht mehr geht, welche Möglich­keiten gäbe es für jenen, den Beruf zu wechseln? Wie kann man so jemandem weiterhelfen? Und umgekehrt: Wie bringt man bereits berufserfahrene und in der Wirt­schaft tätige Menschen dazu, in den Pädagoginnen- und Pädagogenberuf einzu­steigen?

Ich bin überzeugt davon, dass jetzt die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Fortschritt steht und fällt mit dem Lehrer. Was heute zur Beschlussfassung vorliegt, wurde durch die Mitarbeit von drei Wissenschaftsministern, nämlich Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle, und unserer Frau Bundesministerin Claudia Schmied bewerkstelligt.

Auch durch die Einbindung von Praktikern, Wissenschaftlern und Experten, die ihre Expertisen eingebracht haben, wurde dieses Paket, dieser Beschluss möglich. Sämt­liche Beteiligte äußerten sich positiv, dass wir dieses Ziel, kompetente, in Pädagogik und Didaktik auf dem Stand der Wissenschaften ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, erreichen werden.

Es wird eine tertiäre Ausbildungsschiene für Elementarpädagoginnen und -pädagogen, wie die Frühpädagogik in Zukunft genannt werden soll, geschaffen. Darüber hinaus soll es für Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen ein Masterangebot für Elementar­pädagogik geben, um qualifiziertes Personal für die Ausbildungsstätten, für die BAKIPs und den gesamten Elementarbereich zu bekommen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Jeder zukünftige Lehrer soll Sonder- und Heilpädagogik als einen Muss-Schwerpunkt gelehrt bekommen. Auch hier haben die zukünftigen Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit, sich zu spezialisieren und letztendlich mit dem Master abzuschließen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen – vier Land­tagswahlen bringen es mit sich, dass es in den letzten Tagen sehr viel an Wechsel in den Ausschüssen gegeben hat –, mich für die gute dreijährige Zusammenarbeit bei den Kolleginnen und Kollegen vom Unterrichtsausschuss zu bedanken. Diese vier Landtagswahlen haben zur Folge, dass ich mich in Zukunft anderen innenpolitischen Themen widmen werde. Es war eine schöne und angenehme Zusammenarbeit, und ich wünsche den neuen Mitgliedern im Unterrichtsausschuss alles Gute und viel Erfolg für die zukünftige Zusammenarbeit. Alles Gute! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

11.04



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 49

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


11.05.00

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Ministerin! Kollege Füller hat sicher recht, wenn er sagt „Meilenstein“, aber ich sehe das ein bisschen anders. Es ist gewiss der schmale Weg, den wir bisher gegangen sind, etwas erweitert worden, aber ich erkenne noch keinen Meilenstein. Ich erkenne eher Stolpersteine.

Ich möchte auch nicht wie Kollegin Mühlwerth diese Reform in Bausch und Bogen schlechtreden, sie enthält gute Ansätze, aber von einem Meilenstein oder von einem großen Wurf zu sprechen, das halte ich dennoch für übertrieben. – Insbesondere dann, wenn wir wissen, dass wir eines der selektivsten Bildungssysteme haben, wo nach wie vor die soziale Herkunft einen sehr großen Stellenwert einnimmt, wenn wir wissen, dass es unterschiedliche Ausbildungsformen gibt, auch trotz dieser Reform, wo an den PHs nach wie vor PädagogInnen für die Pflichtschulen und an den Unis für die Höhe­ren Schulen ausgebildet werden. Das ist doch etwas, was man kritisch hinterfragen darf.

Wir haben sicher eine der größten Baustellen in dieser Republik im Bildungsbereich, weil er sehr ideologiebehaftet ist. Die Frau Ministerin versucht hier schon seit Jahren, Reformen umzusetzen, und das ist genau das, was auch die Kollegin Mühlwerth angesprochen hat: Letztendlich kommt ein Kompromiss heraus, weil sich Rot und Schwarz einigen müssen. Und das, was hier jetzt vorliegt, ist ein Kompromiss. Es ist der erste Schritt in eine Richtung, wo man Verbesserungen erkennen kann, aber es ist sicher nicht der große Wurf. Das sagen auch sehr viele Experten und Expertinnen.

Ich darf den Österreichischen Wissenschaftsrat zitieren, der sagt: „Wenn in der gegenwärtigen Situation diese Ziele im Wege einer mehr oder weniger verpflichtenden Kooperation zwischen den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen umge­setzt werden sollen, trägt das den gegebenen, historisch gewachsenen Struk­turen Rechnung. Das kann ein gangbarer Weg für eine Erprobungs- und Übergangs­phase sein. Eine solche pragmatische Vorgehensweise sollte allerdings nur als ein Zwischen­schritt verstanden werden und den Weg zu künftigen, einheitlichen Organi­sations­strukturen nicht verbauen.“

Da gibt es noch sehr viele andere Stellungnahmen, von der Alpe-Adria Universität Klagenfurt, vom Qualitätssicherungsrat, von den Pädagogischen Hochschulen, die ich hier endlos zitieren könnte.

Faktum ist, dass auch meine KollegInnen im Nationalrat viele Abänderungsanträge, Entschließungsanträge gestellt haben, die leider Gottes keine Beachtung gefunden haben. Ich kann dem, was die Kollegin Mühlwerth bereits an Kritik vorgebracht hat, nur eines entgegensetzen: Chancen einzuräumen ist, glaube ich, unser aller Pflicht, und diese zu nutzen liegt in der Verantwortung der Schüler, Schülerinnen, der Eltern, aber auch der Pädagoginnen und Pädagogen. Und ich kann nicht oft genug betonen, dass ich an sehr viele Schulen komme und hautnah miterlebe, unter welchen Rahmen­bedingungen diese Lehrer und Lehrerinnen arbeiten müssen.

Das heißt, wir müssen da noch an sehr, sehr vielen Ecken und Ebenen arbeiten, vom Dienstrecht angefangen über die Ausbildung. Das ist meines Erachtens nur ein kleiner Zwischenschritt. Wie der Österreichische Wissenschaftsrat richtig angemerkt hat: Wir müssen in Zukunft zu einer einheitlichen Organisations- und Ausbildungsstruktur kommen, denn es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum PflichtschullehrerInnen


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 50

eine andere Ausbildungsform haben sollen als jene, die im Universitätsbereich tätig sind, und die Elementarpädagogik eigentlich nur so am Rande erwähnt wird.

Also wir haben noch sehr viel Aufholbedarf, es wird auch noch sehr viel Diskussions­bedarf geben, was das Lehrerdienstrecht betrifft. Da bin ich gespannt, wie sich die Gewerkschaft, der Herr Neugebauer im Konkreten, bewegen oder auch nicht bewegen wird. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall alles Gute dabei.

Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen, weil es aus unserer Sicht nicht ausreichend ist. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

11.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Saller. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.09.42

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst einmal feststellen, dass in der Bildungspolitik unheimlich viel in Bewegung geraten ist und sich sehr viel verändert hat im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte. Leistungsgedanke, Differenzierung, Vielfalt, Wahlfreiheit und vieles andere mehr haben im Bildungsbereich mehr oder weniger stark Eingang gefunden.

Ich denke da zum Beispiel daran – das ist noch vor nicht allzu langer Zeit fast nicht möglich gewesen –, dass die Neue Mittelschule kommt, das Gymnasium bleibt, und das mit vielen Differenzierungsmöglichkeiten, also nicht starr; oder an den bedarfs­orientierten Ausbau von Tagesbetreuungseinrichtungen. Dort, wo Bedarf ist, soll und muss es auch Angebote geben. Für ein hohes Niveau sorgt die neue Reifeprüfung. Schulautonome Schwerpunktsetzungen und Aufgabenstellungen sind auf dem Weg zur internationalen Spitze. Weiters zu erwähnen ist die neue Oberstufe mit einem Modulsystem, mit der Verankerung der Begabtenförderung. Und jetzt liegt eben die neue Lehrerinnen- und Lehrerausbildung mit einer gewaltigen Verbesserung vor. Das muss man einmal klarstellen.

Ich glaube, man sollte nicht immer nur die Akademisierung im Vordergrund sehen, sondern vielmehr den Weg zur Verbesserung der Ausbildung. Das ist ein wichtiger Faktor. Neben der Verbesserung der Ausbildung geht es gleichzeitig auch um die Erhöhung des Stellenwertes des Lehrberufes im Allgemeinen.

Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die gute Zusammenarbeit der Koalition im Nationalrat, das muss man sagen. Namentlich zu erwähnen sind hier Frau Katharina Cortolezis-Schlager von der ÖVP und Herr Elmar Mayer von der SPÖ, die hier sehr gut und kooperativ gewerkt haben.

In die Entwicklung dieses Gesetzes waren hochkarätige Persönlichkeiten aus der Wissenschaft mit eingebunden. Vertreter der Universitäten, Fachhochschulen, Päda­gogischen Hochschulen, Lehrerinnen und Lehrer, Schulpartner, alle waren dabei. Und wenn ich nach links schaue: Unser Bundesratskollege Dr. Schnider ist als fundierter Kenner dieser Sache da auch mit an vorderster Front dabei gewesen.

Nun zu den wichtigsten Elementen dieses Gesetzes:

Die Lehrer werden vier Jahre entsprechend ausgebildet und schließen dann ihre Ausbildung mit einem Masterstudium ab.

Ein besonderes Anliegen ist mir natürlich auch die Elementarpädagogik. Das ist ein besonders wichtiger Faktor, da man weiß, dass gerade bei den Kleinen die wichtigen Grundsteine für die spätere Schulbildung gelegt werden. Diesem Bereich muss man


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besonderes Augenmerk schenken, und da gehören auch die bestausgebildeten Pädagogen hin. Die Volksschullehrer werden an den Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten ausgebildet, je nach Kooperation. Ähnlich ist es bei den Hauptschul- und bei den Berufsschullehrern.

Also die Situation in unseren Schulen hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert. Das Spannungsfeld Lehrer, Schüler, Eltern, Schulpartner ist in vielen Bereichen neu zu bewerten. Ich war ja selber Zeit meines Lebens in der Schule, davon 18 Jahre Direktor einer Hauptschule, und ich weiß um die großen Veränderungen, die es im Laufe dieser Jahre gegeben hat. Wir brauchen auf alle Fälle die bestausge­bildeten Lehrer. Ob akademisiert oder nicht, das ist jetzt nicht der Hauptpunkt, es wird jeder Lehrer mit einem Master abschließen, aber ich glaube, wichtig ist der Qualitäts­schub in der Ausbildung.

Neben der Erhöhung – das muss man auch einmal festhalten – des Fachwissens, was natürlich besonders notwendig ist, gibt es auch Verbesserungen betreffend die vielfältigen gesellschaftlichen Aufgaben eines Pädagogen oder einer Pädagogin: Team­arbeit, Erziehungswissenschaften. Es gibt also viele Dinge neben der Wissens­vermittlung, die auch gesellschaftspolitisch großen Eingang finden. Ich denke daran, was die Gesellschaft alles an die Schule abschiebt, wofür die Lehrer auf einmal alles zuständig sind – und andere vielleicht nicht mehr, die eigentlich dafür zuständig wären.

Ansprechen möchte ich auch noch die unabhängige Qualitätskontrolle. Es gibt mehr Transparenz, es gibt Leistungs- und Zielkontrollen. Ein Qualitätssicherungsrat prüft auch die Pädagogenausbildung, da wird ja nicht im freien Raum herumgewerkt.

Es gäbe noch viele neue Punkte festzuhalten: Aufnahmeverfahren, ohne Abschluss kein Anschluss, die Erleichterung des Quereinstiegs, die Bündelung von Kompetenzen und vieles andere mehr.

Ich stelle abschließend fest: Im Vordergrund steht eine fundierte Ausbildung für Päda­goginnen und Pädagogen, und diese wird durch das vorliegende Gesetz gewähr­leistet, und das in erster Linie zum Wohle unserer Kinder, aber durchaus auch zum Wohle der Betroffenen selber, der Pädagoginnen und Pädagogen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Reich. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.16.02

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätztes Präsidium! Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe KollegInnen des Bundesrates! Heute ist es besonders aufregend für mich, da nicht nur die Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, sondern auch meine Schülerinnen und Schüler im Plenarsaal sitzen. Ich freue mich ganz besonders, dass sich das so ergeben hat, dass sie heute da sein können, und freue mich auch ganz besonders, dass ich meine zwei Kolleginnen, die für die Qualität der Schule stehen, begrüßen darf. Die eine ist die SQA-Koordinatorin und die Zweite die Leiterin der Tagesbetreuung. Ich freue mich. (Allgemeiner Beifall.)

Eines der zentralen bildungspolitischen Projekte der österreichischen Bundesregierung ist nun die PädagogInnenbildung Neu, die die Aus- und Weiterbildung aller Personen umfasst, die in pädagogischen Berufen tätig sind. Die neue Ausbildung soll den neuen Anforderungen an den Lehrberuf durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Das Ziel ist es, bestehende Kompetenzen zu nutzen, die Qualität zu erhöhen und die Durchlässigkeit unterschiedlicher Ausbildungs­wege zu gewährleisten.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 52

Die Ziele dieser neuen Ausbildung wurden im Positionspapier der Bundesministerin Schmied und des Bundesministers Töchterle so formuliert:

Erstens Qualitätssteigerung: Durch die PädagogInnenbildung Neu wird das Ausbil­dungs­niveau erhöht, durch mehr wissenschaftlich fundierte Theorie und Praxis in der Lehrerausbildung.

Qualitätssicherung: Erstmals wird die Qualität der Curricula der Lehrpläne von Päda­gogischen Hochschulen und Universitäten durch einen unabhängigen Qualitätssiche­rungsrat gewährleistet.

Kompetenzorientierung: Die heutigen Anforderungen an den Lehrberuf werden hier verankert.

Mobilität und Internationalisierung: Die neue Ausbildung entspricht der Bologna-Struktur.

Durchlässigkeit: Die neue Ausbildung ermöglicht Weiterqualifizierungen und ist zwi­schen Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten abgestimmt.

Steigerung der Attraktivität: Der Umstieg auf das Bologna-System macht nun den Lehrberuf für Quereinsteiger hoffentlich leichter zugänglich und auch attraktiver.

Und der letzte und für mich als Lehrerin bahnbrechende Punkt ist die Gleichwertigkeit. Durch die gemeinsame Qualitätssicherung und die Kooperation zwischen Pädagogi­schen Hochschulen und Universitäten werden Lehrerinnen und Lehrer über eine gemeinsame gleichwertige Ausbildung verfügen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun zu den Ausbildungsinstitutionen. Wie sollen sie aussehen? – Die Pädagogischen Hochschulen und Universitäten kooperieren unter Achtung ihrer bestehenden Kompetenzen in der PädagogInnenbildung Neu sehr eng. Die Ausbildung im Primarbereich, der Volksschule, erfolgt wie bisher an den Päda­gogischen Hochschulen. Die Ausbildung im Sekundarbereich erfolgt wie bisher an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Durch die Ausrichtung an gemein­samen Rahmenvorgaben und Standards werden die wissenschaftliche Komponente der Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen und die berufspraktische Kom­ponente an den Universitäten gestärkt.

Im Bereich der Allgemeinbildung ist für die Pädagogische Hochschule in der Sekun­darstufe eine verpflichtende Kooperation mit den Universitäten vorgesehen.

Geschätzte Damen und Herren! Frau Ministerin! Herr Minister! Erlauben Sie mir, dass ich nun aus der Perspektive einer Lehrerin auf einige Kernpunkte eingehe.

Meiner Überzeugung nach ist die PädagogInnenbildung Neu ein Meilenstein, vielleicht, Frau Kollegin Mühlwerth, sogar eine kleine Revolution in der Geschichte dieser. (Beifall bei der SPÖ.)

Gestatten Sie, dass ich sie aus meiner persönlichen, aus der Sicht einer Pflichtschul­lehrerin betrachte. Was hat sich in den letzten Jahrzehnten alles verändert? Von der Volksschule für alle Kinder im Ort, zu den Bürgerschulen, die nur in wenigen Orten eingerichtet waren, zu der zum Beispiel mein Vater täglich, Sommer und Winter, mehr als eine Stunde zu Fuß ging, bis hin zu den Gymnasien, die immer einen Aufenthalt in Internaten für Schüler erforderten  ganz wenig für Schülerinnen  und daher nur für bestimmte Schüler geöffnet waren, wurden die Kinder vom Anfang ihrer Schulaus­bildung an gesellschaftlich klassifiziert  und damit auch ihre Lehrer.

Wenn man die Geschichte der PädagogInnenausbildung betrachtet, so wurde diese immer an dieses System angepasst. Die Lehrerinnen und Lehrer der fünfziger Jahre starteten an der Volksschule, sofort nach ihrer Ausbildung an der Lehrerbildungs­an-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 53

stalt. Meine etwas älteren Kolleginnen und Kollegen wurden als VolksschullehrerInnen ausgebildet und erhielten dann berufsbegleitend ihre fachlichen Qualifikationen, um an den Hauptschulen zu unterrichten. Ich war im zweiten Jahrgang an der neu­organi­sierten Pädagogischen Akademie in Linz und kam, fachlich sehr gut begleitet durch äußerst motivierte Ausbildnerinnen und Ausbildner, mit meinen geprüften Fächern und einer sehr guten Praxisausbildung an meine Hauptschule und wurde damals wegen des Lehrermangels schon freudig erwartet.

Meine Freundinnen, die an den Universitäten studiert hatten, waren wohl auch fachlich sehr gut ausgebildet, doch mangelte es vielen an der Praxisorientiertheit, an Methodik und Didaktik; und sie arbeiteten woanders, nämlich an den Gymnasien. Liebe Kolle­ginnen und Kollegen, darum jetzt für mich dieser große Schritt: Nun gibt es ein Ausbildungsniveau, das im theoretisch-wissenschaftlichen Teil verbessert wird, und, für mich besonders wichtig, die Schulpraxis wird deutlich verstärkt.

Die Pädagogischen Hochschulen zeigen das schon lange vor, mit den Schulpraxen draußen an den Schulen. Ich persönlich habe nach meinen Praxiswochen am Land gewusst, dass das mein Beruf ist. Und alle meine Studentinnen und Studenten, die ich in den Erfahrungswochen begleiten durfte, haben das Gleiche geäußert und haben sich gewünscht, mehr Praxiswochen, mehr Schulalltag, mehr Bezug zu den Kindern zu haben  und das sobald wie möglich.

Wer sich in der Praxis an den Schulen nicht wohlgefühlt hat, dem haben wir als Ausbildungslehrerinnen und -lehrer immer empfohlen, etwas anderes zu machen, denn Lehrer und Lehrerin sein heißt, Kinder mit allen Facetten ihrer Persönlichkeit zu mögen und niemals Ferien – denn jede ernst zu nehmende Studie zeigt: Lernfortschritt und Bildungserfolg stehen und fallen mit den begleitenden LehrerInnen. Die Grundlagen der Schullaufbahn werden in den ersten Wochen an der Schule gelegt.

Daher: Aufwertung jener, die die Basis für den Bildungsweg legen! Diese Päda­gogIn­nen tragen mindestens die gleiche Verantwortung wie jene, die auf die Matura vor­bereiten.

Bestens ausgebildete, motivierte Lehrerinnen und Lehrer sollen das Schulgeschehen auf allen Ebenen gestalten und die bestmögliche Bildung und Ausbildung für unsere Kinder ermöglichen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz zur PädagogInnen­bil­dung Neu beenden wir nun endlich die Zweiklassengesellschaft unter den Lehrerinnen und Lehrern. Der Master of Education ist möglich, und dann, so hoffe ich, erübrigen sich alle Debatten um unterschiedliche Bezahlungen  und das ist gut so. Ein neues, attraktives, leistungsorientiertes und faires Dienst- und Besoldungsrecht muss der nächste Schritt sein.

Ich bedanke mich bei allen, die an der Umsetzung der PädagogInnenbildung Neu mit­ge­arbeitet haben, in Vertretung für alle besonders bei dir, Frau Bundesministerin Schmied, und bei Ihnen, Herr Minister Töchterle.

Die PädagogInnenbildung Neu ist ein Meilenstein in der Geschichte der österreichi­schen Pädagogik und ein großer Schritt auf dem Weg zu einem zeitgemäßen und modernen Bildungssystem. Gehen wir ihn, für eine gute Zukunft unserer Kinder! Wir stimmen gerne zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 54

11.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesminis­terin Dr. Schmied. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.25.30

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Lehrerinnen und Lehrer! Ich freue mich sehr, dass wir heute hier im Bundesrat das Gesetzespaket zur PädagogInnenbildung Neu diskutieren und  wie wir beide, Minister Töchterle und ich, hoffen  auch beschließen können.

Ich möchte mich gleich zu Beginn sehr herzlich bei allen bedanken, die an diesem Großprojekt mitgewirkt haben, und ich freue mich ganz besonders, dass Andreas Schnider, Leiter von vielen ExpertInnengruppen in der Vorbereitung dieses Groß­projektes, heute auch hier ist, und ich möchte ihm persönlich für die beispielgebende, parteiübergreifende Zusammenarbeit danken.  Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Das Ziel der Bildungspolitik oder die Ziele der Bildungspolitik einen uns über viele ideologische Grenzen, über viele parteipolitische Grenzen hinweg, und wenn wir über Ziele, auch hier im Parlament, im Bundesrat, diskutieren, sind wir uns meistens sehr rasch einig: Wir wollen die bestmögliche Bildung und Ausbildung für unsere Kinder, für die jungen Menschen in Österreich. Wir haben auch, denke ich, gemeinsam die Einsicht, dass neben einem fördernden Elternhaus die Lehrer und Lehrerinnen maßgeblich den Bildungserfolg der jungen Menschen mitbeeinflussen. Daher, das ist die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen, muss eine erstklassige Bildung und Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer auch unser Ziel sein erstklassig so definiert, dass sowohl die Erkenntnisse der Wissenschaft Berücksichtigung finden, als auch die Anforderungen der Praxis. Oder, wenn ich es in einem Satz formulieren soll: Es geht um die Verbindung von Profession und Wissenschaft.

Wie das der Herr Bundesrat Füller auch betont hat, ich möchte das noch einmal unter­streichen, ist gerade beim Lehrberuf die Persönlichkeit ganz entscheidend. Daher müssen wir die Persönlichkeitsbildung immer berücksichtigen, nicht nur in der Bildung und Ausbildung, sondern auch in der Fortbildung, vor allem aber auch im Umgang miteinander. Ich spreche hier von Wertschätzung und Respekt. Wertschätzung und Respekt müssen wir leben, jeder Einzelne von uns  und das sage ich jetzt dezidiert auch in Richtung von einigen Vertretern der Lehrergewerkschaft.

Was da auf der einen oder anderen Internetseite immer wieder zu lesen ist, kann ich persönlich nur als respektlos bezeichnen, und ich möchte Sie auffordern, daran mitzuwirken, dass Wertschätzung und Respekt im Umgang miteinander ein Grund­gesetz sind, gerade wenn man vielleicht da oder dort auch einmal inhaltlich anderer Meinung ist! Ich würde mir da insbesondere von den Vertretern der Lehrergewerk­schaft auch eine gewisse Vorbildfunktion erwarten. Das möchte ich an der Stelle betonen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Bevor ich auf die PädagogInnenbildung Neu noch im Detail zu sprechen komme  Frau Bundesrätin Reich hat das empathisch und so authentisch geschildert, dass ich da ja das eine oder andere aus meiner Sicht nur noch unterstreichen kann , möchte ich doch, Frau Bundesrätin Mühlwerth, Sie fordern mich nahezu jedes Mal heraus (Heiterkeit), auf ein paar Ihrer Aussagen direkt eingehen.

Stichwort Chancengerechtigkeit. Meiner Überzeugung nach heißt Chancengerech­tigkeit, kein Kind zurückzulassen. Bildungspolitik hat in meinem Verständnis die Auf­gabe, die Bedingungen der Möglichkeit zu schaffen, dass Bildungserfolge gelingen können. Und Bildungserfolge sind eben das Ergebnis von Interesse und konsequenter Arbeit. Das heißt, die Bildungspolitik muss an den Bedingungen der Möglichkeit ar­beiten. (Bundesrätin Mühlwerth: Da widerspreche ich gar nicht!)


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 55

Jetzt im Kontext zur Chancengerechtigkeit kann ich nur sagen, da haben wir an den Bedingungen der Möglichkeit noch intensivst zu arbeiten. Warum? – Ich bringe Ihnen jetzt ein paar Zahlen aus der Statistik: Von 100 Akademikerkindern schaffen 66 die Matura und 44 einen Hochschulabschluss. Von 100 Kindern aus Familien, wo die Eltern nur Pflichtschulabschluss haben, schaffen 15 die Matura und fünf den Hoch­schulabschluss. Also es kann mir doch niemand erklären, dass Interessen, Neigungen, Begabungen in der Gesellschaft so unterschiedlich verteilt sind, wie die Ergebnisse der Bildungsstatistik, bezogen auf die Bildungsabschlüsse in Österreich, immer noch bele­gen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Das heißt, das Thema Chancen­gerech­tigkeit plus Leistung muss das zentrale Anliegen in der Bildungspolitik sein. Das möchte ich hier nur noch einmal unterstreichen. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

Frau Bundesrätin Mühlwerth, das ist nicht nur eine Frage der ideologischen Einstellung und vielleicht der sozialen Zuwendung zu dem Thema, sondern das ist auch eine Frage der ökonomischen Vernunft; denn in 15, in 20 Jahren bestimmen alle Kinder, die in Österreich leben, wie es uns geht: gesellschaftlich, ökonomisch, demokratiepolitisch. Und wenn wir weiter in einem Wohlfahrtsstaat leben wollen, wenn es weiterhin so sein soll, dass ich Gott sei Dank keine Bodyguards brauche, weil wir in einem sicheren Land leben, dann müssen wir jetzt in Bildung investieren und müssen Chancen­gerechtigkeit und Leistung großschreiben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Aber nun zum Thema PädagogInnenbildung Neu: Was wollen wir verwirklichen? Ein paar Punkte werde ich herausgreifen: zum Beispiel eine erstklassige, umfassende Ausbildung mit Masterabschluss für alle Lehrerinnen und Lehrer und erstklassige Fort- und Weiterbildung. Ein weiteres Anliegen – aber da, denke ich, stimmen wir weit­gehend überein – ist ein Eignungs- und Aufnahmeverfahren am Beginn des Studiums, wo es vor allem auch um die Frage der Sozialkompetenz geht, Lehrberuf als Berufung. Es ist uns wichtig, dass die umfassenden Berufsanforderungen an Lehrer und Lehrerinnen bestmöglich auch schon in der Ausbildung Berücksichtigung finden, also nicht nur – unter Anführungszeichen – „fachliche“ Kenntnisse, didaktische, pädagogi­sche, sondern gerade auch im Bereich Sozialverhalten, bis hin zu Fragen der Organi­sationsentwicklung und Schulentwicklung.

Es ist mir sehr wichtig, dass wir in Zukunft attraktive, berufsbegleitende Studienan­gebote auch für Quereinsteiger haben. Das ist für die Schüler und Schülerinnen interessant, das ist aber auch für das Lehrerteam hilfreich, wenn da Persönlichkeiten mitarbeiten, die auch schon andere Arbeitswelten miterlebt haben.

Qualitätssicherung ist ganz entscheidend. Wir stellen uns eine Qualitätssicherung und Entwicklungsbegleitung durch den Qualitätssicherungsrat vor, den wir jetzt zügig – Minister Töchterle und ich – einrichten werden. Das ist jetzt der unmittelbar nächste Schritt, sobald die Entscheidungen hier im Bundesrat gefallen sind und auch der Herr Bundespräsident die Gesetzestexte unterschrieben hat.

Und es ist uns selbstverständlich wichtig, dass Universitäten und Pädagogische Hoch­schulen eng kooperieren. Das ist heute im tertiären Bereich eine Selbstverständlichkeit auf internationalem Gebiet. Da geht es vor allem darum, Parallelen zu vermeiden und Stärken entsprechend zu nützen. Klar ist uns allen, dass mit dem Gesetzesbeschluss viel Arbeit auf die verantwortlichen Akteure/Akteurinnen zukommt. Das Gesetz schafft die Bedingung der Möglichkeit für eine erstklassige PädagogInnenbildung.

Ein paar Punkte möchte ich noch herausgreifen, die aktuell auch immer wieder in den Medien diskutiert wurden. Es war uns beiden  wenn ich hier gleich ins „wir“ gehen darf, Herr Minister  ein Anliegen, dass die Elementarpädagogik aufgenommen wird. Das ist der wichtige nächste Schritt. Gleichzeitig breche ich die Lanze für die BAKIPs,


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für die berufsbildenden höheren Schulen, die den Schwerpunkt haben, Kindergarten­päda­gogen und Kindergartenpädagoginnen auf Maturaniveau auszubilden. Auch da sind wir nahezu einzigartig weltweit. Gerade gestern haben wir wieder ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt bekommen für unsere berufsbildenden Schulen, duale Ausbildung, aber auch berufsbildende mittlere und höhere Schulen  und da zählen die BAKIPs dazu. Daher möchte ich diese Schularten weiter stärken, und gleichzeitig werden wir auf tertiärem Niveau Curricula und Studienangebote selbstverständlich entwickeln.

Der zweite Punkt, ebenfalls ein großes Anliegen: In Zukunft, meine Damen und Herren, wird es eine verpflichtende Verankerung der inklusiven Pädagogik im Lehramtsstudium geben. Jeder, der Lehrer/Lehrerin wird, hat einen Pflichtteil im Bereich inklusive Päda­gogik zu absolvieren. Das ist ein Meilenstein – jetzt verwende ich auch den Begriff – in der Entwicklung, auch zu einer inklusiven, einer offenen Schule, die bestmöglich auf unterschiedlichste Anforderungen der Schüler und Schülerinnen eingehen kann.

Mit der deutlichen Anhebung der Studiendauer unterstreichen wir unsere Qualitäts­erwartungen, vor allem auch an den Primarbereich. Da weiten wir von drei auf fünf Jahre aus. Das entspricht auch der Initiative Volksschule, die ja von Vorarlberg aus gestartet wurde. Es ist ein wesentlicher Schritt, und auch da ist der Masterabschluss entscheidend.

Dann gibt es natürlich den Punkt, den Frau Bundesrätin Reich auch aus tiefster Betrof­fenheit angesprochen hat, wie ich wahrgenommen habe: die Schaffung des Sekun­darlehrers, Top-Qualität in der Sekundarstufe für alle Lehrerinnen und Lehrer. Das ist ein Durchbruch in der PädagogInnenbildung und ein sehr, sehr wichtiger Schritt, egal, ob dann in der Hauptschule, Neuen Mittelschule, AHS, BHS unterrichtet wird: Top-Ausbildungsniveau für alle. Das ist ein großer Vorteil für die Lehrerinnen und Lehrer, und natürlich – ich verhehle das nicht – auch ein Vorteil für den Dienstgeber, was flexiblen Arbeitseinsatz betrifft. Wir werden schon auch noch Zeiten erleben – die Schülerzahlen gehen ja zurück –, wo wir sehr froh sein werden, wenn wir die Lehrer auch möglichst flexibel einsetzen können, um weiterhin stabile Arbeitsplätze im öffent­lichen Dienst offerieren zu können.

Noch einmal kurz an Sie adressiert, Frau Bundesrätin Mühlwerth: Es ist uns selbst­verständlich ein Anliegen, die Anforderungen der berufsbildenden Schulen ent­sprechend zu berücksichtigen. Ich sage noch einmal: Platz 1 in der OECD-Wertung, maßgeblich auch für die hohe Jugendbeschäftigung in Österreich verantwortlich. Berufsbildende Schulen müssen wir weiter fördern, und daher wird es notwendig sein, die entsprechenden und vorhandenen berufspraktischen Kompetenzen höchstmöglich anzurechnen. Das werden Dinge sein, die jetzt in der Folge im Detail ausgearbeitet werden, aber darauf haben wir ein ganz besonderes Augenmerk.

Ich trete – das darf ich hier auch noch einmal bestärken – für einen erstklassigen öffentlichen Sektor ein. Wir haben marktwirtschaftliche Prinzipien und Grundregeln im Bereich der Wirtschaft, daher sage ich klar: Ja zur Marktwirtschaft. Wir haben aber bestimmte Bereiche in unserer Gesellschaft, die wir nicht den Prinzipien der Märkte aussetzen wollen – dazu zähle ich Bildung, Gesundheit und Sicherheit. Das sind öffentliche Güter und es ist ganz entscheidend für die Zukunft des öffentlichen Sektors und um neoliberalen Tendenzen entgegenzuwirken, dass der öffentliche Sektor erstklassig, qualitätsorientiert und zur Zufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen arbeitet.

Ich wünsche mir auch in Zukunft ein starkes Rückgrat an öffentlichen Schulen in Österreich, sage aber gleichzeitig, dass ich die Innovationskraft der Privatschulen sehr schätze. Stichwort neue Matura: Zwei Privatschulen werden 2013/14 die neue Matura im Vollbetrieb umsetzen und sind damit Eisbrecher für Fortschritt und Innovation.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 57

Gleichzeitig müssen wir aber an der Governance, an der Qualität und an der Leistung des öffentlichen Sektors arbeiten. Der öffentliche Sektor ist – verzeihen Sie mir einen Begriff aus meiner alten Welt – ein Dienstleistungsbetrieb und daher brauchen wir auch ein leistungsorientiertes, modernes Dienst- und Besoldungsrecht. Das muss das Ziel sein, und ich verspreche Ihnen, dass ich intensiv an der Umsetzung arbeiten werde. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Unterrichtsverpflichtung, sondern es geht darum, Vordienstzeiten für Quereinsteiger anzurechnen, es geht darum, dass Direktoren und Direktorinnen, Personen, die Spezialfunktionen übernehmen, auch ent­sprechend entlohnt werden, und es geht uns natürlich auch um eine faire Entlohnung, gerade als Konsequenz der PädagogInnenbildung Neu.

Abschließend betrachtet freue ich mich sehr, dass wir heute die PädagogInnenbildung Neu im Bundesrat behandeln und, wie ich hoffe, auch beschließen. Ich bedanke mich persönlich sehr bei Ihnen, Herr Minister Töchterle, dass wir dieses große Projekt mit vereinten Kräften ins Ziel gebracht haben. Ich möchte mich auch persönlich bei Frau Mag. Angela Weilguny bedanken, die dieses Projekt und auch mich persönlich jahrelang begleitet hat: Vielen, vielen Dank. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Töchterle. – Bitte, Herr Minister.

 


11.42.55

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Vorsitzender! Hohes Haus! Liebe Frau Dr. Schmied! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich könnte am Anfang in den Streit der Metaphern eintreten und mich fragen, was nun die passende Metapher ist. Ist es der große Schritt, ist es die Revolution, ist es der Meilenstein?

So großartig ist ein Meilenstein ja nicht, er stand auf den Römerstraßen jede Meile, also alle 1,6 Kilometer. Die Meile kommt ja von milia passuum, also von tausend Doppelschritten, das waren eben 1,6 Kilometer. So riesig ist ein Meilenstein also nicht, obwohl er heute in der Metaphorik eine andere Bedeutung bekommen hat.

Revolutionär ist die Reform wohl auch nicht, eher evolutionär. Wir wickeln etwas aus, evolvere, wir stürzen es nicht völlig um. Wir nützen die bestehenden Institutionen, wir nützen die Stärken bestehender Institutionen, führen sie näher zueinander und ver­suchen, aus beiden das Beste herauszuholen, das Beste zu machen und damit etwas zu tun, was der Bildung in Österreich so nützen wird wie sonst nichts. Das weiß man inzwischen zur Genüge, und es gibt moderne Studien – die berühmteste ist die von Hattie –, die sagen, der Schlüssel für eine gute Bildung sind natürlich gute Päda­goginnen und Pädagogen. Das ist eigentlich etwas, was einem der Hausverstand auch sagt, aber inzwischen haben wir auch vielfach wissenschaftlich belegt, dass es so ist.

Es gibt durchaus schon internationale Beachtung und Anerkennung für das, was wir hier tun. Was wir hier tun, ist also etwas Erfolgreiches, etwas Zukunftsweisendes.

Vielleicht ist die beste Metapher, die man dafür wählen könnte, die einer zukunfts­starken oder hoffnungsreichen Weichenstellung, die wir hier vornehmen – einer Weichenstellung zu verstärkter Kooperation der beiden von der Tradition her für die Lehrerbildung zuständigen Institutionen.

Das eine sind die pädagogischen Hochschulen, die, wie heute schon erwähnt wurde, aus den Lehrerbildungsanstalten hervorgegangen sind, die ihrerseits 1869 laut Reichs­volksschulgesetz als Bildungsinstitutionen entstanden sind. Das andere sind die Universitäten, die per se gerade nicht lehrerbildende Institutionen waren und auch nicht sind, sondern wo die Lehrerbildung aus einem bestimmten geistesgeschichtlichen


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 58

Konstrukt heraus entstanden ist, nämlich aus dem Neuhumanismus, in dem man einfach das Vertrauen hatte, dass ein guter Wissenschaftler, vor allem ein guter Philologe, auch ein guter Lehrer sein wird. Dieses Vertrauen konnte man im Neuhu­manismus durchaus haben. Heute darf man es nicht mehr haben, und zwar deswegen, weil die Universitätsfächer per se zwar für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft zentral sind – keine Frage –, aber nicht per se auch Schulzielen oder pädagogischen Zielen dienen.

Das Bewusstsein, dass ein Lehrer anders ausgebildet werden muss und dass die Fächer bei Lehrern eine andere Rolle spielen als bei einem universitären Studium an und für sich, hat sich an den Universitäten noch nicht so durchgesetzt, wie es generell wünschenswert wäre. Es hat sich in einzelnen Fächern durchaus durchgesetzt, zum Beispiel in meinem, der klassischen Philologie, wo ich selbst seit Jahrzehnten in der Lehrerbildung tätig und maßgeblich am Ausbau der Fachdidaktik beteiligt war. Dort ist dieses Bewusstsein sehr hoch.

Dieses Bewusstsein ist vor allem in Fächern hoch, die um ihre Anerkennung in der Schule immer ringen mussten, wie etwa Latein und Griechisch. In Fächern, die ganz selbstverständlich und hoch angesehen sind, wie in naturwissenschaftlichen Fächern, ist dieses Bewusstsein nicht ausgeprägt.

Und jetzt tun wir Folgendes: Wir erhöhen einerseits das Bewusstsein um die Bedeu­tung der Lehrerbildung in allen universitären Lehrerbildungsfächern, das heißt, wir erhöhen dort die Orientierung am Beruf des Lehrers, also an der Profession, anderer­seits erhöhen wir die Wissenschaftlichkeit in den ehemaligen LBA, die jetzt päda­gogische Hochschulen sind. Die LBA haben sich zwar zu pädagogischen Hochschulen weiterentwickelt, manche Dinge haben sich aber dennoch nicht geändert. Zum Beispiel gibt es keine wissenschaftlichen Fachinstitute in den pädagogischen Hochschulen.

Dort setzen wir an und erhöhen die Wissenschaftlichkeit, die Akademisierung. Es ist richtig und gut, dass die Leute diese Studien mit einem akademischen Titel ab­schließen. Das wird auch dazu führen, dass ihre Wertschätzung größer wird. Die Akademisierung ist aber kein Selbstzweck. Das Wichtigste ist, mehr Wissenschaft und mehr Professionsorientierung in die Lehrerausbildung zu bringen. Das sind die zwei ganz wesentlichen Schritte, die wir setzen.

Mehr Wissenschaft heißt dabei einerseits mehr Fachwissenschaft, also die Stärkung der Fachinstitute, die eben nur an Universitäten existieren, die man in den päda­gogischen Hochschulen auch gar nicht errichten kann – es wäre schlicht unmöglich, dort ein Physik- oder Germanistik-Institut mit allem, was dazugehört, zu errichten. Es gilt aber nicht nur diese Wissenschaft zu stärken, sondern andererseits auch die Wis­sen­schaft der Psychologie, der Pädagogik, der Hirnforschung, der Migrationsfor­schung, der Mehrsprachigkeitsforschung et cetera. Es gibt eine Fülle von neuen wissenschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen, die Lehrer einfach zur Kenntnis nehmen müssen, weil sie sonst nicht am Stand des Wissens sind und daher nicht so gut unterrichten, wie sie unterrichten könnten. Das ist das Wesen von Verwissen­schaftlichung in der Lehrerausbildung.

Diese beiden Dinge tun wir jetzt, wir stellen die Weichen dazu teilweise durch eine verpflichtende, teilweise durch angeregte Kooperation zwischen beiden Institutionen.

Wir haben natürlich auch die Elementarpädagogik, die heute moniert wurde, nicht vergessen – natürlich nicht. Es dürfte aber bekannt sein, dass die Kindergarten-Aus­bildung, der Kindergartenbetrieb Ländersache ist und auch von den Gemeinden finanziert wird. Das heißt, selbst wenn wir es wollten, könnten wir das gar nicht durch­gehend mit Bundesgesetzen regeln.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 59

Was wir aber tun können – und auch tun –, ist, den Weg zu öffnen und die richtigen Weichen zu stellen, damit es auch hier in Zukunft mehr Forschung, mehr Wissenschaft und dann auch eine entsprechende wissenschaftliche Lehre zur Elementarpädagogik gibt, damit es künftig und relativ bald akademisch gebildete Elementarpädagogen ge­ben wird, die dann – so nehmen wir fest an – von ambitionierten Gemeinden angestellt werden. Auch da erhöhen wir also sukzessive die Qualität.

Das sind, glaube ich, die wesentlichen Schritte. Es ist heute schon so viel Treffendes und alles Substanzielle zu dem neuen Gesetz gesagt worden, sodass ich das nicht alles zu wiederholen brauche.

Frau Dr. Schmied, ich bedanke mich für die treffenden Ausführungen und natürlich für die Zusammenarbeit, die wir in den letzten zwei Jahren hier gepflogen haben – wir haben sie schon vorher gepflogen, als ich noch Rektor war. Ich bin sehr stolz und sehr froh, dass wir es trotz mancher unterschiedlicher Auffassungen, die wir im Detail haben und die wir auch gar nicht leugnen wollen, geschafft haben, ein großes, gemeinsames neues Gesetz zu machen. Die Kunst der Demokratie ist es, aus den Gegensätzen heraus, die immer und unausweichlich bestehen, dann doch zu einem gemeinsamen Ziel zu kommen. Diese Kunst haben wir geübt und sie ist uns gelungen. Das freut mich sehr. Und dafür vielen, vielen Dank. – Das ist einen Applaus wert. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bedanke mich außerdem bei Herrn Bundesrat Saller und bei Frau Bundesrätin Reich für die überaus kundigen Kommentare und für die Zustimmung, die wir hier finden. Ich bedanke mich bei allen, die dem Gesetz hier weiterhin zustimmen. Das macht mich wirklich sehr dankbar, weil ich glaube, dass dieses Gesetz ein ganz, ganz wichtiger Schritt für eine gute Zukunft der Lehrerbildung ist.

Letztlich schließe ich mit dem Dank an alle, die vier Jahre lang in einer Fülle von Diskussionsrunden, Expertisen und vorbereitenden Arbeiten daran mitgewirkt haben, dass dieses Gesetz so geworden ist, wie es wurde. Ich freue mich darauf, dass wir jetzt, so das Gesetz heute hier beschlossen werden sollte, gemeinsam in eine gute Umsetzung gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.51.463. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung geändert werden (Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013) (2319 d.B. und 2366 d.B. sowie 9007/BR d.B. und 9013/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 60

Bericht.

 


11.51.58

Berichterstatter Richard Wilhelm: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Justiz stellt nach Beratungen mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich begrüße außerdem Frau Bundesministerin Karl.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf ebenfalls Frau Bundesministerin Dr. Beatrix Karl sehr herzlich zur Debatte über diesen Tagesordnungspunkt begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.53.06

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Justizministerin hat zu Recht in einem guten Schritt eine Strafrechtsreform­kom­mission eingesetzt, die bis zum Jahr 2015 das Strafgesetz durchforsten und durch­leuch­ten soll. Die Idee dahinter war – und ich sage das als Einleitung zu dieser Diskussion hier –, dass man das gesamte Gesetz durchforstet, auf neue Beine stellt, sich die Systematik anschaut und dabei überprüft, was uns als Gesellschaft besonders viel wert ist, was wir besonders schützen müssen, was wir mit besonderer Strafe bedrohen müssen.

Gerade das Strafgesetz, das in den letzten Monaten und Jahren immer wieder – teils aus Notwendigkeiten internationaler Verpflichtungen, teils aufgrund von Zurufen der Öffentlichkeit – Teilabänderungen erfahren hat, hat zum einen ein bisschen Staub angesetzt – es stammt ja ursprünglich aus dem Jahr 1975 –, zum anderen ist es ein bisschen ein Flickwerk geworden.

Meine Worte waren als Einleitung so gedacht, dass es nicht so sein soll, dass das Strafgesetzbuch einem ständigen Prozess der Veränderung unterliegt. Ungeachtet dessen gibt es gewisse Dinge, die besonders schützenswert sind, bei denen man auch ab und an zwischendurch reagieren muss, wenn sich Mängel auftun.

Einerseits haben wir mit dieser Reform internationalen Verpflichtungen Rechnung getragen, EU-Richtlinien umgesetzt, die ganz klar zum Schutz der Schwachen sind. Besonders hervorgehoben wurde der Schutz von Kindern. Ebenso ist in diesem Entwurf auch erstmals von psychisch beeinträchtigten Personen die Rede, die sich gegen sexuelle Übergriffe noch weniger wehren können als Kinder. Aus der EU-Richtlinie heraus kam es zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Es ist ja für uns, die wir in einem relativ guten und sicheren Land wie Österreich leben, schwer zu glauben, dass anderswo Handel mit Kindern betrieben wird, dies gerade zum Zweck sexueller Ausbeutung. Schon das Wort Kinderhandel alleine ist ja ein krasser Widerspruch in sich und wird bei jedem Menschen, der hier herinnen sitzt, Grauen hervorrufen.

Wir haben im Gleichklang mit den Partnerinnen und Partnern in der EU den Men­schenhandel und den Kinderhandel ganz klar bekämpft und auch entsprechende Bestimmungen eingezogen.

Wichtig ist auch die Frage – und das ist eine perpetuierte Diskussion, die wir ständig haben –: Was sind die Strafdrohungen? Auf der einen Seite steht das Eigentum, auf der anderen die körperliche Integrität. Wie stehen diese zueinander? Passen die Strafdrohungen überhaupt?


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Wir haben daher auch bei diesem Gesetz Strafrahmenerhöhungen vorgenommen. Ich erlaube mir die Anmerkung, dass noch so hohe Strafrahmen wahrscheinlich nicht immer verhindern können werden, dass es zu Straftaten kommt.

Ungeachtet dessen ist es aber eine Wertansage der Regierung, eine Wertansage der Justizministerin und auch des Nationalrates gewesen, zu sagen, es gehört grund­sätzlich bedroht, wenn jemand die sexuelle Integrität eines anderen verletzt, und es gehört höher bedroht als es das bisher war. Das ist ein Beitrag, um diese Diskussion auch entsprechend zu beantworten.

Grundsätzlich ist dieses Strafrechtsänderungsgesetz in der Form, wie es hier zur Debatte steht, einerseits aus den internationalen Verpflichtungen heraus, andererseits auch aufgrund unserer nationalen Wertebestimmungen ein gelungenes Gesetz. Ich beantrage daher, dass der Bundesrat keinen Einspruch dagegen erhebt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.57.05

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich, was die Kommission betrifft, die jetzt eingesetzt wurde, gleich den Ausführungen meines Vorredners anschließen. Diese Unverhältnismäßigkeit zwischen den körperlichen Delikten, also den Delikten gegen Leib und Leben, und den Vermögensdelikten gehört wirklich bekämpft – da sind die Strafdrohungen wirklich sehr unterschiedlich. Daher ist mein besonderer Wunsch, dass bei der Änderung im Gesamtpaket auch wirklich darauf Rücksicht genommen wird. Ansätze dafür gibt es hier ja schon, wie wir gerade gehört haben.

Beim Gesetz zur Angleichung des Strafrahmens bei sexuellem Missbrauch sind die Änderungen, die hier durchgeführt werden, mehr als notwendig, nicht nur deswegen, weil sich unsere Gesellschaft immer mehr und immer stärker verändert, sondern weil wir mit diesen Änderungen auch, wie mein Vorredner bereits gesagt hat, Vorgaben der EU, des Europarates und der Vereinten Nationen umsetzen.

Ich möchte einige dieser Änderungen im Einzelnen hervorheben: die Anhebung der Strafuntergrenze bei Vergewaltigungen, die Ausdehnung des Tatbestandes der verbotenen Adoptionsvermittlung, die Ausdehnung des Tatbestandes und die Anhe­bung der Strafdrohungen im Bereich des Menschenhandels, die Anpassung der Definition der Prostitution, die Ausdehnung der Altersgrenze bei Ausnützung einer Zwangs­lage im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch von Jugendlichen – hier wird das Schutzalter von 16 auf 18 Jahre erhöht –, die Ausdehnung des Tat­bestandes der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren, die Ausdehnung des Tatbestandes bei der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen, die Anhebung der Strafdrohungen bei der Förderung der Prostitution und von porno­graphischen Darbietungen mit Minderjährigen, die Anhebung der Strafdrohungen bei Zuhälterei, die Ausdehnung der Reichweite des Tätigkeitsverbotes von Sexualstraf­tätern, die obligatorische Gewährung von psychosozialer Prozessbegleitung bei Un­mündigen.

All dies sind sehr wichtige Dinge, die hier wirklich Berücksichtigung finden, was sehr lobenswert ist.

Was in diesem Gesetz leider fehlt, ist die Verschärfung der Bestimmungen beim sogenannten Po-Grapschen. Das ist wirklich sehr schade, und ich bedaure das, weil


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 62

ich mir denke, dass wir hier ganz eindeutig Menschen, die sehr oft gerade in diesem Bereich diskriminiert werden, nicht achten. Probleme, Ängste solcher Menschen ver­stecken wir einfach und beachten wir nicht.

Während wir in unserem Gesetz geregelt haben, dass üble Nachrede eine Beleidigung ist und auch bestraft wird, ist das Po-Grapschen da leider nicht dabei.

Po-Grapschen ist aber kein Kavaliersdelikt, es ist vielmehr eine wirklich massive Grenzüberschreitung bei Körperkontakten. 84 Prozent aller Frauen sind Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt. Jede zweite Frau ist Opfer von Drohungen und Schlägen. Da das Gesetz, wie ich schon erwähnt habe, aber wirklich außerordentliche Fortschritte enthält, werden wir und werde ich natürlich diesem Gesetz zustimmen.

Ich möchte aber noch einmal massiv darauf hinweisen: Diese ganze Diskussion über das Po-Grapschen – und ich habe da jetzt manches Zwischenmurmeln gehört – bedeutet nicht, dass wir das einfach runtermachen können – auch wenn es nicht das allergrößte Problem ist, das gebe ich schon zu. Aber es ist ein Problem von Frauen, und ich möchte, dass dem hier auch Beachtung geschenkt wird.

Bevor ich mich jetzt niedersetze, möchte ich noch einen Hinweis an meine Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ geben: Ich habe die Debatte im Nationalrat über dieses Thema mitverfolgt. Da sind die Wogen sehr, sehr hoch gegangen, vor allem bei den Vertreterinnen und Vertretern der FPÖ im Nationalrat. Die immer wieder von euch gestellte Forderung, dass alles verschärft werden muss, die Strafen erhöht werden müssen, dass immer alles mehr, ärger und schärfer gemacht wird, ist eine, die wir schon gewohnt sind. Aber das, was im Nationalrat geboten wurde – nämlich: nur dann, wenn es eure eigenen Kolleginnen und Kollegen betrifft, wird überhaupt von jeder Strafe abgesehen, und alles ist eigentlich immer in Ordnung –, verstehe ich wirklich nicht! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.01


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Michalke zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.01.50

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhöre­rinnen und Zuhörer an den Fernsehapparaten! Nur eine kurze Replik auf die Anmerkungen meiner Kollegin, die vor mir gesprochen hat. Ich glaube, es liegt ein bisschen in der Natur der Sache, dass immer jede Fraktion, jede Partei, jede Gesin­nungsgruppe gerade das Thema, das ihr am nächsten liegt, einfach entsprechend stark vertritt. Das ist, wie ich meine, nicht unbedingt eine Ausnahme, die nur für die FPÖ gilt, sondern das trifft auf die verschiedensten Themen und Themenkreise und immer auch auf die jeweiligen Fraktionen zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Was das Po-Grapschen betrifft, möchte ich sagen: Po-Grapschen gehört für mich absolut nicht zu den Kavaliersdelikten. Es gehört aber aufgrund der Schärfe dieses Gesetzes nicht in dieses Gesetz – das ist meine Meinung. Darüber wäre eine Diskussion zu führen, die etwas mit Anstand, mit Moral zu tun hat. Ich bin der Meinung, dass jemand, der meint, er müsse dem Gegenüber an den Po greifen oder ihn betatschen, grundsätzlich ein gewaltiges Erziehungsdefizit hat und dass derjenige, der betatscht wird, auch durchaus entsprechend darauf reagieren sollte.

Aber um zu dieser Änderung im Sexualstrafrecht auch noch unsere Meinung abzu­geben: Diese Gesetzesänderung enthält sehr viele richtige und wichtige Schritte und enthält Kernpunkte, die schon seit langer Zeit auch Anliegen der FPÖ sind und waren. Es sind von meinen beiden Vorrednern bereits die einzelnen Punkte angesprochen


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worden. Ich möchte trotzdem, weil sie einfach wirklich wichtig sind, doch noch hervorheben, dass es um die Ausdehnung der inländischen Gerichtsbarkeit auf Fälle des Sexualtourismus geht, die Anhebung der Strafrahmen bei Vergewaltigung und qualifiziertem sexuellem Missbrauch und die inhaltliche Erweiterung bei sexuellem Missbrauch von Unmündigen sowie Anpassungen in diesem Bereich im Zusammen­hang mit einer wehrlosen und psychisch beeinträchtigten Person, die Ausdehnung des Tatbestandes der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren und so weiter, um es nicht noch in die Länge zu ziehen; es wurde ja bereits von meinen Vorrednern angesprochen.

Bei Sexualstraftaten, insbesondere wenn diese Sexualstraftaten im Zusammenhang mit Kindern erfolgen, ist es in unseren Augen so, dass es nur härteste Strafen für solche Delikte geben kann. Deshalb haben wir im Nationalrat auch einen Ent­schließungsantrag eingebracht, der zum Beispiel den Ausbau von und die flächendeckende Versorgung mit Psychotherapieplätzen für Kinder, Jugendliche und Familien zum Inhalt hatte, um Opferhilfe zu gewährleisten und vorbeugend Aufklä­rungs­arbeit zu leisten. Weiters „Schaffung eines Straftatbestandes, welcher die Entlassung eines Staatsbediensteten oder einer Person, die im Dienste einer unter Staatsaufsicht stehenden Organisation ist, welche nach § 206 rechtskräftig verurteilt wurde sowie Rückfallstäter, die schon einmal nach den §§ 201, 202, 205, 207, 207a, 207b, 2011, 2012 StGB verurteilt wurden, ermöglicht.“ Ferner: „Die Schaffung eines Opferfonds für Opfer von sexuellen Straftaten, der auch zur Finanzierung der medizinischen und psychologischen Betreuung und Behandlung der Opfer dienen soll.“ – Wir bedauern sehr, dass sich weder die ÖVP noch die SPÖ diesem Antrag anschließen konnten.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang – also bei allem, was mit Kindesmiss­brauch zusammenhängt – darauf hinweisen, dass nicht nur das Strafausmaß, welches im Sexualstrafrecht festgelegt ist, zu sehen ist, sondern es muss auch viel mehr ein Augenmerk auf das Zusammenspiel von Polizei, Gerichten und Jugendämtern ge­richtet werden. Das funktioniert bis dato leider oft noch nicht, wie auch ein Artikel in der Zeitschrift „profil“ Nr. 25 vom 17. Juni zeigt. Ich möchte daraus nur auszugsweise einen kurzen Abschnitt vorlesen, der sehr, sehr eindrücklich zeigt, wie schlimm und dra­matisch diese Fälle tatsächlich gelagert sind. Da heißt es:

„Ein besonders tragisches Beispiel dafür ist der Fall von Yvonne K.“ – die Namen wurden selbstverständlich geändert – „geboren im April 2010. Als sie ihr Vater Ernst K. das erste Mal sexuell missbraucht, ist sie noch keine sechs Monate alt, als ihr Vater verhaftet wird, ist sie zwei Jahre und drei Monate und hat derart schwere vaginale und anale Verletzungen, dass sie unter anderem bis heute keinen Stuhl halten kann. ,Chronischer Missbrauch, vaginale und anale Penetrationen‘, beschreibt die Justiz das Martyrium von Yvonne K. Zumindest neun Monate davon hätte ihr die Staatsan­waltschaft St. Pölten“ – in diesem Fall – „ersparen können – wenn sie nicht ausdrück­lich darauf bestanden hätte, das Jugendamt nicht zu informieren. Und auch der Mutter von Yvonne nichts vom schwerwiegenden Verdacht gegen Ernst K. zu sagen. Diese Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft ist insofern besonders unverständlich, als Ernst K. den Missbrauch an anderen Mädchen bereits gestanden hatte.“

Details dazu sind für jeden in der genannten Ausgabe des „profil“ nachzulesen.

Für solche Menschen, die sich an Kindern vergreifen, an Kindern vergehen, ist unserer Meinung nach keine Strafe hart genug. Wir stimmen dieser Verschärfung des Geset­zes gerne zu. (Beifall bei der FPÖ.)

12.08



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 64

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.08.35

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Vor einigen Tagen ist der Grimme Online Award vergeben worden, und zwar an eine Gruppe von Frauen im gesamten deutschsprachigen Raum, die eine Kampagne ge­startet hat, die gar nicht geplant war, sondern die entstanden ist. Unter dem Hashtag „Aufschrei“ haben Tausende und Abertausende von Frauen ihre Erlebnisse zu sexu­ellen Belästigungen – egal, ob es in der Schule war, egal, ob es an den Universitäten war, egal, ob es in der Arbeitswelt war, ob es in den Familien war, ob es auf der Straße war –, kundgetan. Und ich selbst, der das damals vor einigen Monaten genau verfolgt hat, war zutiefst erschüttert, wie auch in meinem Bekanntenkreis Menschen sich auf Twitter dazu geäußert und erzählt haben, mit welcher Vehemenz solche Taten gesetzt werden – da kam nicht nur ein Tweet von einem Erlebnis, sondern da kamen teilweise 10, 20 Erlebnisse von einzelnen Frauen. Das hat mich zutiefst erschüttert.

Der Auslöser dieser „Aufschrei“-Debatte oder dieser „Aufschrei“-Kampagne, die es online gab, war ja auch eine Debatte, die in Deutschland und auch bei uns geführt wurde, und ich möchte mich daher auch bei meiner Vorrednerin, bei Frau Posch-Gruska für ihre Äußerung bedanken. Wir teilen die von ihr dargelegte Ansicht und wir bedauern es sehr, dass bei dieser doch relativ großen, eigentlich sehr großen Sexualstrafrechtsreform das Grapschen in § 218 des Strafgesetzbuches nicht Eingang gefunden hat.

Nichtsdestotrotz werden wir den vielen, vielen Verbesserungen, die in diesem Gesetz zu finden sind, zustimmen, und wir werden dem gerne zustimmen. Wir halten es für richtig, dass manche Dinge nicht nur im Sinne einer Straftat oder im Sinne dessen, welche Strafen verhängt werden, verschärft werden, sondern dass auch der Geset­zestext verschärft wird, dass es klarere Formulierungen im Gesetzestext gibt, die gewisse Zweifel, die es gegeben haben könnte, ausräumen.

Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch zahlreiche Punkte, die wir zu einem gewissen Grad anders sehen, und die möchte ich hier auch erwähnt haben.

Ich möchte aber zuerst noch einen positiven Aspekt hervorheben, weil das auch eine Initiative unserer grünen Kollegin im Nationalrat Helene Jarmer war und wir uns sehr freuen, dass diese Bestimmung Eingang in dieses Gesetz gefunden hat, nämlich § 205, wo es um den sexuellen Missbrauch von wehrlosen und psychisch beeinträch­tigten Personen geht. Hier gab es ja diskriminierende Elemente innerhalb dieses Gesetzes. Jetzt wird doch klar zwischen den Tatbeständen Beischlaf und geschlecht­liche Handlung unterschieden. Wir bedanken uns sehr, dass das Eingang gefunden hat, und wir begrüßen das sehr.

Ein Paragraph wird auch verändert, das ist § 207b. § 207b ist ja ein Paragraph, der durchaus auch umstritten ist, der politisch noch immer diskutiert wird, auch von meiner Seite her diskutiert wird, weil er historisch einfach eine eher dunkle Geschichte hat. Als 2002 sowohl vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg als auch vom Verfas­sungsgerichtshof, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, der berühmte § 209, der ja unterschiedliche Schutzalter für heterosexuellen und männlichen homosexuellen Sex vorsah, abgeschafft worden ist, wurde dieser Paragraph neu eingeführt. Das Gute an dem Paragraphen war, dass er neutral formuliert war, dass es für alle gleich gilt. Die Gerichtspraxis hat allerdings gezeigt, dass er in der Praxis dann doch sozusagen als Nachfolgeparagraph wahrgenommen worden ist. Wir haben unfassbar viele Anfragen über die Praxis eingebracht, die dann gezeigt haben, dass dieser Paragraph fast aus­schließlich gegen homosexuelle Männer verwendet worden ist, obwohl es so nicht


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intendiert ist. Eine Abschaffung und ein Aufteilen auf die anderen Paragraphen wäre da meiner Meinung nach sinnvoll gewesen, damit diese Gerichtspraxis ein für alle Mal abgestellt wird.

Leider muss ich jetzt eine doch scharfe Kritik in Ihre Richtung, Frau Bundesministerin, äußern: Wir haben bisher immer Anfragen gestellt, wie die Gerichtspraxis zum § 207b aktuell aussieht, weil das ja einfach diese Tradition hatte. Die letzte Anfrage, die ich diesbezüglich gestellt habe, haben Sie nicht mehr beantwortet mit dem Hinweis, Sie können das nicht beantworten, weil das den gesamten Betrieb lahmlegen würde. Also ich verstehe nicht, warum diese Anfrage, die jahrelang beantwortet worden ist, jetzt nicht mehr beantwortet werden kann, weil es ja auch ganz wichtig ist, sowohl für die Politik als auch für die Gerichtspraxis, dass man einfach feststellt: Wie schaut die Praxis aus? Gibt es da Diskriminierungen? Und kann man daraus politisch etwas lernen und diesen Paragraphen auch anders formulieren?

Was wir auch bedauern oder worüber wir zumindest nachdenken müssen – vielleicht sollte ich es so formulieren –, ist natürlich nach wie vor die Verhältnismäßigkeit von allen Strafen, die im gesamten Strafgesetzbuch zu finden sind. Hiezu gibt es ja eine Exper­tInnenkommission. Das finden wir sehr gut, weil sich diese ExpertIn­nenkom­mission alle Straftatbestände anschaut und so über die Verhältnismäßigkeit urteilen kann. – Ich traue mich jetzt nicht hier als Politiker am Rednerpult die Verhältnis­mäßigkeit von Strafen zu beurteilen. Umso wichtiger ist es, dass eine ExpertInnenkom­mission sich das anschaut.

Nur: Wenn man sich viele Straftatbestandspunkte anschaut, mit welchen Strafen diese vollzogen werden, dass zum Beispiel, wenn ein Mann eine Frau schlägt und ein Knochenbruch passiert, das mit weniger Strafe bedroht ist als ein sexueller Miss­brauch – ich will das jetzt nicht beurteilen und ich möchte jetzt nicht sagen, was als schwerer zu beurteilen ist –, dann besteht da so ein frappanter Unterschied, dass wir hier eindeutig noch nicht am Ende angelangt sind, sondern auf jeden Fall, wahr­scheinlich auch bei diesem Paragraphen, dann nach Abschluss der Arbeiten dieser ExpertInnenkommission noch nachschärfen, verändern oder zumindest die Relationen geradebiegen müssen.

Lassen Sie mich aber am Ende auch noch einen Appell an alle richten. Wir wissen ja aus Untersuchungen, dass von allen Straftaten und Sexualstraftaten nur 10 Prozent überhaupt vor Gericht behandelt werden und dass 90 Prozent der Straftaten nie vor Gericht landen, weil Menschen sich nicht trauen, Anklage zu erheben, weil Menschen sich nicht trauen, sich zu wehren, weil es Abhängigkeitsverhältnisse gibt, weil es Autoritätsverhältnisse gibt, weil es teilweise – das ist gerade bei Menschenhandel oft ein Problem – Angst hinsichtlich des Aufenthaltsstatus und der Arbeitserlaubnis gibt, vor allem wenn es sich um Angehörige von Drittstaaten handelt.

90 Prozent, die nicht vor Gericht gehen. Das heißt, man kann das Sexualstrafrecht wahrscheinlich noch so oft novellieren und noch so intensiv novellieren, es nützt nichts, wenn man nicht vor allem Frauen, aber im Grunde natürlich alle Menschen, die in diesem Land leben und sich hier aufhalten, darin bestärkt, aber ihnen auch hilft, dass sie solche Straftatbestände auch tatsächlich anzeigen, zur Anzeige bringen, und ihnen sozusagen das Rüstzeug dafür gibt, sich wehren zu können. Das muss in den Schulen beginnen, das muss in den Universitäten beginnen, das muss überall stattfinden, wo es nur möglich ist.

Und am Ende sei auch gesagt – es ist natürlich auch immer historisch interessant, sich das anzuschauen, weil das Sexualstrafrecht natürlich auch immer etwas über die Moralvorstellungen der Zeit erzählt –: Die größte Sexualstrafrechtsreform haben wir eindeutig Christian Broda in den frühen siebziger Jahren zu verdanken, und wir müs-


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sen ihm wirklich immer noch dankbar sein. Es gibt ja noch ältere Generationen, die sich an so etwas wie Sittenpolizei erinnern, wo also wirklich der Staat in die Schlafzim­mer hineingeschnüffelt hat, um eine Moralvorstellung durchzusetzen, die uns heute absurd vorkommt. Aber das ist noch gar nicht so lange her, das möchte ich nur betonen.

Da wir ja in der Politik, logischerweise, wenn wir von Sexualität sprechen, auch meis­tens vom Strafrecht sprechen und von dem, was schlimm ist, muss natürlich auch ganz klar immer noch das politische Credo sein: Wenn Ausbeutung, Missbrauch, Menschen­handel, all das, was wir heute behandeln, geschehen, dann ist das abzulehnen! Bei der freiwilligen Sexualität, wo früher – noch vor 40 Jahren! – in der Politik noch mit einer Moralkeule vorgegangen wurde, ist das zum Glück heute nicht mehr so. Und man muss auch die Sexualität manchmal von der Politik her bejahen – wir tun das ja sehr selten. Dass es gut ist, in einem freien Land zu leben, auch das sollte einmal gesagt werden, denn das tun wir sonst nie. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

12.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.18.12

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, einiges sollte vielleicht von meiner Seite noch hinzugefügt werden.

Mit dem Sexualstrafrechtsänderungsgesetz werden die Richtlinien der EU zur Bekämpfung des Menschenhandels und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen umgesetzt. Positiv ist weiters zu erwähnen, dass es hinkünftig einen besseren Schutz von wehrlosen beziehungsweise psychisch beeinträchtigten Personen vor sexuellem Missbrauch gibt. Das vorliegende Gesetzespaket bringt sehr, sehr viele grundsätzliche Verbesserungen.

Besonders möchte ich darauf hinweisen, dass es zur Ausdehnung bei besonders schwerem Missbrauch kommt und auch der Tatbestand der Anbahnung von Sexual­kontakten zu Unmündigen verschärft wird. Leider herrscht aber nach wie vor eine gewisse Diskrepanz zwischen den Strafrahmen, die bei Vermögensdelikten, und jenen, die bei Delikten gegen Leib und Leben zur Anwendung kommen. Hier besteht meiner Meinung nach durchaus Nachbesserungsbedarf.

Viele von Ihnen werden sich sicher noch an die skandalöse Fußfesselentscheidung erinnern, bei der ein Mann, der jahrelang eine ihm anvertraute Jugendliche sexuell missbraucht hat, bloß eine Zeitlang mit einer Fußfessel herumlaufen musste. Das diesem Mädchen zugefügte psychische Leid steht damit wohl in keiner Relation zu der über den Täter verhängten Strafe. Dass so etwas in der Bevölkerung auf Unverstän­dnis stößt und für Unmut sorgt, versteht sich von selbst – das ist fast logisch!

Der Gesetzgeber hat nach solchen Vorfällen einfach zu handeln. Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass sexuell strafbare Handlungen bloß ein Kavaliersdelikt sind. Das mag ohnehin noch in manchen Köpfen drinnen stecken, aber der Gesetz­geber darf so einem Denkansatz in keinem Fall durch zu milde Strafen Vorschub leisten. Daher ist es begrüßenswert, wenn es im Sexualstrafrecht nun zu einer Ver­schärfung kommt, die beispielsweise bei einer Vergewaltigung eine Mindeststrafe von einem Jahr vorsieht.

Das Sexualstrafrecht war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand von Novellen. Diese trugen den Veränderungen der gesellschaftlichen Werte und Rollen­bilder Rechnung. Das ist in Ordnung und gut so.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 67

Die Verschärfung der Strafbestimmungen darf aber nicht Anlass dafür geben, zu glauben, dass damit dieser gesellschaftspolitische Auftrag erfüllt ist beziehungsweise wäre. Es wäre traurig, wenn in einer Gesellschaft der Umgang miteinander einzig und allein auf dem Strafrecht aufbauend funktionieren würde. Für gegenseitigen Respekt und Anerkennung über die Geschlechtergrenze hinweg zu sorgen ist vielmehr ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag an jeden Einzelnen von uns. In einer Gesellschaft, in der dem Halbe-Halbe-beziehungsweise 50-50-Prinzip zum Durchbruch verholfen werden soll, darf es keinen Platz mehr für Machogehabe geben. Und dies hat für jeden zu gelten – egal, welcher ethnischer Herkunft jemand ist.

Wer bei uns lebt, muss mit den bei uns geltenden Regeln leben und darf keine Chance erhalten, sich auf kulturell bedingte Rollenbilder auszureden. Somit muss bei einer strafbaren Handlung gemäß dem Grundsatz „Gleiches Recht für alle“ verurteilt werden. Es darf die Justitia keinesfalls die Herkunft als Milderungsgrund anführen. Das wäre fatal.

Warum erwähne ich das heute und hier ausdrücklich? – Weil es im Jänner 2010 in Wien bei einer Verurteilung in einem Strafprozess bereits einen Tabubruch genau in diese Richtung gegeben hat. Der Richter meinte damals bei der Urteilsverkündung gegen einen österreichischen Familienvater türkischer Herkunft, der die scheidungs­willige Gattin mit zwölf Messerstichen attackiert hatte, dass für diesen im Hinblick auf seine Herkunft eine Scheidung eine gleichermaßen begreifliche wie heftige Gemüts­bewegung auslösen könne. Ich wiederhole: eine gleichermaßen begreifliche wie heftige Gemütsbewegung auslösen könne!

SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm und die Grünen Alev Korun und Judith Schwent­ner betonten damals, dass es unzulässig sei, Dutzende Messerstiche in den Kopf und eine anschließende Attacke mit einem Stahlrohr gegenüber einer scheidungswilligen Frau im Hinblick auf die ethnische Herkunft des Gewalttäters als kulturbedingte Affekt­handlung zu beurteilen. Ebenso unzulässig wäre es, bei einer Verurteilung im Sexual­strafrecht auf die Rolle zwischen Mann und Frau im Herkunftsland Rücksicht zu nehmen beziehungsweise abzuzielen, wie es leider mindestens in einem Gerichtsurteil in Deutschland vorgekommen ist.

Aus sozialdemokratischer Sicht gibt es bei dem heute zu beschließenden Gesetz einen Wermutstropfen, auch wenn es die Kollegin Michalke nicht so sieht. Dieser bezieht sich darauf, dass Po-Grapschen auch weiterhin erlaubt sein soll. Jemanden ungefragt einfach an das Gesäß zu fassen ist mehr als unhöflich, es ist eine unerträgliche Grenz­überschreitung und eine Demütigung und Erniedrigung. Gerade weil so etwas schon oft genug passiert ist, versichere ich Ihnen hier, dass für mich als Sozialdemokraten das keinesfalls damit erledigt ist, sondern dass es weiterhin auf der Agenda stehen sollte oder stehen bleiben wird.

Eine Beleidigung und eine üble Nachrede sind strafbar, Po-Grapschen nicht. Verstehe, wer das wolle! Ich verstehe es nicht. Da haben wir noch einiges zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


12.24.58

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute den Entwurf des Sexualstrafrechtsänderungsgesetzes 2013 vorlegen kann, der wirklich von einer breiten Mehrheit mitgetragen wird.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 68

Diese Änderungen im Sexualstrafrecht halte ich deshalb für notwendig, weil dem besonderen Unrecht schwerer Eingriffe in die Rechtsgüter der sexuellen Integrität und Selbstbestimmungsfreiheit angesichts der durch sie verursachten besonderen schweren Verletzungen, nämlich der besonderen seelischen Verletzungen, um die es da geht, in den geltenden Strafrahmen noch nicht das richtige Gewicht beigemessen wird.

Es war mir daher ein begründetes Anliegen, im Bereich des Sexualstrafrechts die Not­wendigkeit der Umsetzung von Richtlinien auf den Gebieten des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung zu nützen, um auch die Strafdrohungen im Bereich der Vergewaltigung und des qualifizierten sexuellen Missbrauchs aus Gründen der Systematik, aber natürlich auch entsprechend der gestiegenen Bedeutung des Rechts­guts der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung, anzuheben. So soll etwa die Strafuntergrenze bei der Vergewaltigung von sechs Monaten auf ein Jahr angehoben, also somit verdoppelt werden, und jene bei der qualifizierten geschlechtlichen Nötigung soll statt bisher einem bis zu zehn Jahren auf fünf bis zu 15 Jahren, bei Tod statt bisher fünf bis zu 15 auf zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslänglich angehoben werden.

Darüber hinaus habe ich auch auf eine rasche Umsetzung der heute bereits ange­sprochenen, im Nationalrat einstimmig angenommenen Entschließung gedrängt, wodurch im Bereich des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beein­trächtigten Person die Grundstrafdrohung von bisher sechs Monaten bis zu fünf Jahren auf eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren angehoben wird. Wir schaffen damit eine Gleichstellung bei Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträch­tigten Person mit der Vergewaltigung. Damit kann bei schweren Sexualdelikten ein grundsätzlich einheitliches Bild erreicht werden.

Der Missbrauch zu Beischlaf oder beischlafähnlichen geschlechtlichen Handlungen ist in der Grundstrafdrohung mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht, und zwar gilt das für alle drei Fälle, sei es, dass es sich um eine Nötigung handelt oder eben um einen Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person oder um einen sexuellen Missbrauch eines Unmündigen. Demgegenüber beträgt die Grundstrafdrohung beim Missbrauch durch eine andere geschlechtliche Handlung in allen drei Fällen nunmehr eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Die Qualifikation ist nunmehr für alle Fälle, das heißt, für sämtliche Formen des Missbrauchs einheitlich gestaffelt: nämlich Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren und Freiheitsstrafe von zehn bis 20 Jahren oder sogar lebenslange Freiheitsstrafe.

Ich glaube, dass ich damit ein wirklich wichtiges Signal in Richtung einer stärkeren Berück­sichtigung opferbezogener Faktoren im Rahmen der Strafzumessung setze und gleichzeitig in diesem Bereich auch für die systematisch richtige Abstufung sorge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der wichtigen Diskussion über Strafrah­men und deren Angemessenheit soll aber auch nicht übersehen werden, dass wir mit dem vorliegenden Entwurf auch wichtige internationale Rechtsakte und Empfehlungen umsetzen und damit auch unserem Auftrag entsprechen, einen angemessenen Schutz für die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu schaffen.

An erster Stelle ist hier die im April 2011 angenommene Richtlinie der EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels zu erwähnen. Die Vorgaben dieser Richtlinie werden in Österreich im materiellen Strafrecht bereits in weiten Teilen erfüllt, weil nämlich durch die Änderungen des StGB in der jüngeren Vergangenheit zur Umsetzung internationaler Vorgaben im Bereich des Menschenhandels bereits ein hohes Schutzniveau erreicht wurde.

Deshalb sind nunmehr nur geringfügige Änderungen des § 104 StGB erforderlich, nämlich die folgenden: bei erwachsenen Opfern eine Anhebung der Grundstrafdrohung


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von Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren auf Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; bei minderjährigen Opfern eine Anhebung der Strafdrohung, auch bei nicht qualifizierten Fällen, auf Freiheitsstrafen von einem bis zu zehn Jahren; schließlich auch noch die Erweiterung des Tatbestandes durch ausdrückliche Nennung der Ausbeutung zur Bettelei und zur Begehung von strafbaren Handlungen.

Die weiteren Änderungen im Strafgesetzbuch dienen der Umsetzung einerseits der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie und andererseits der Empfehlung der sogenannten GRETA-Expertengruppe des Europarates betreffend die Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung des Menschen­handels sowie der Empfehlungen des VN-Kinderrechtskomitees in Bezug auf das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Entwurf liegt Ihnen ein Gesamtpaket zur besseren strafrechtlichen Erfassung wirklich schwerwiegender Verlet­zungen von Menschenrechten vor, nämlich insbesondere von Verletzungen von Kindern und Frauen, mit dem wir den Kinder- und Frauenhandel und auch andere Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmungsfreiheit in Zukunft effektiv und noch besser verfolgen und bestrafen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte aber auch noch auf das heute mehrfach angesprochene Po-Grapschen eingehen. Ich möchte hier unterstreichen, dass Po-Grapschen kein Kavaliersdelikt ist! Und der Herr Bundesrat Novak irrt, wenn er sagt, dass Po-Grapschen weiterhin erlaubt sei. Es ist in Wirklichkeit nicht erlaubt. Es gibt da nämlich sehr wohl verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen. Ich erinnere Sie da an den Ausgangsfall, nämlich den Grazer Fall, der die ganze Debatte quasi eröffnet hat, in welchem bereits eine verwaltungsstrafrechtliche Sanktion verhängt worden ist.

Sie dürfen aber auch nicht vergessen, dass es in derartigen Fällen auch zivilrechtliche Konsequenzen gibt. Es besteht sehr oft in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass bei Strafen immer nur das gerichtliche Strafrecht gefordert ist. Man darf dabei nicht vergessen, dass das gerichtliche Strafrecht eine Ultima Ratio-Funktion hat. Das gerichtliche Strafrecht ist ja wirklich die schärfste Waffe des Staates. Da geht es um die Verhängung von Freiheitsstrafen. Da geht es um Eintragungen ins Strafregister.

Aber daneben gibt es auch noch andere Sanktionsmöglichkeiten, etwa im Verwal­tungsstrafrecht. Und es gibt auch noch zivilrechtliche Konsequenzen. Man muss sich immer überlegen: Wie reagiert man auf unerwünschte Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft? Reagieren wir mit gerichtlichem Strafrecht, mit verwaltungsstraf­recht­lichen Sanktionen oder mit Konsequenzen im zivilrechtlichen Bereich?

Da bei der ganzen Po-Grapsch-Debatte immer darauf hingewiesen wurde, wie vor­bildlich im arbeitsrechtlichen Bereich die Regelungen sind: Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dort sind keine strafrechtlichen Sanktionen vorgesehen, sondern rein zivilrechtliche Konsequenzen, nämlich Schadenersatzforderungen! Und Schadenersatzforderungen kann man natürlich auch außerhalb des arbeitsrechtlichen Bereiches erheben. Wie gesagt, hier möchte ich schon den Blick auch dafür schärfen, dass Po-Grapschen keineswegs erlaubt ist und dass es da sehr wohl Konsequenzen gibt.

Aber ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf eines hinweisen: Mir ist es auch sehr wichtig, dass wir nun in Kürze auch die Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umsetzen werden, die sogenannte CAHVIO-Konvention. Da ist schon eines bemerkenswert: Weder in den EU-Gleichbehandlungsrichtlinien noch in dieser CAHVIO-Konvention werden straf-


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recht­liche Sanktionen bei sexueller Belästigung gefordert. Auch da genügt es, wenn man im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes ansetzt oder im Bereich des Zivilrechtes, und das, obwohl diese CAHVIO-Konvention in anderen Bereichen sehr wohl durchaus weitreichende Kriminalisierungsverpflichtungen vorsieht – aber eben nicht im Bereich der sexuellen Belästigung!

Ich darf abschließend, weil gesagt wurde, dass die SPÖ dafür gewesen wäre, dass man das Po-Grapschen auch ins Strafgesetzbuch aufnimmt, auf das Justizprogramm des Abgeordneten Dr. Jarolim verweisen, der mir wirklich aus der Seele spricht. Ich zitiere wörtlich aus seinem Justizprogramm. Da heißt es:

Dort, wo mit den Mitteln des Zivilrechtes oder mit Verwaltungsstrafbestimmungen das Auslangen gefunden werden kann, bleibt für Strafnormen kein Platz. Die Erregung öffentlichen Ärgernisses im Zusammenhang mit dem Sexualbereich ist in polizeilichen Verwaltungsstrafbestimmungen besser aufgehoben als im gerichtlichen Strafrecht. Dies gilt ebenso für sexuelle Belästigungshandlungen, die den Bereich der geschlecht­lichen Handlung nicht erreichen. – Zitatende.

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

12.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich freue mich, Stimmeneinhelligkeit festzustellen. Der Antrag ist somit angenommen.

12.35.30 4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarifgesetz, das Rechts­anwaltstarifgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013) (2356 d.B. und 2368 d.B. sowie 9014/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Ich bitte um den Bericht.

 


12.35.49

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarif­gesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geän­dert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2013 – GesRÄG 2013).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form auf, daher erübrigt sich dessen Verlesung, und ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Justiz stellt nach Beratung mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 71

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.36.26

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Einer der Hauptfaktoren eines instabilen Wirtschaftssystems ist zu viel Fremdkapital und zu wenig Eigenkapital. Insbesondere bei Konjunkturrückgängen, wenn die Aufträge zurückgehen, bekommen die Firmen Probleme mit dem Zinsendienst und mit der Rückzahlung von Krediten.

Wir haben in Österreich einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Zum Bei­spiel: Niedermeyer, Eybl oder Sports Experts, die sich auf der Fremdkapitalseite übernommen haben, in die Expansion investiert haben und jetzt an das Ausland verkauft werden mussten. Auch die Firma Schlecker hatte ein ähnliches Problem. Und jetzt ganz aktuell die Alpine Bau.

Eine Wirtschaft wächst nur dann, wenn Unternehmen investieren und Bürger konsu­mieren. Wenn wir das Wirtschaftswachstum in Österreich wieder ankurbeln wollen und Arbeitsplätze schaffen wollen, brauchen wir vor allem zwei Dinge: die Stärkung der Kaufkraft der Bürger und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen für unsere Unter­nehmen, das heißt kostengünstige Standorte und niedrige Steuern. Mit diesen Strukturen schaffen wir es dann auch, dass wir wettbewerbsfähig sind und im Exportbereich expandieren. Und all das generiert Steuereinnahmen und Wohlstand. Und dann können wir es uns auch leisten, wieder in staatliche Infrastrukturprojekte zu investieren, wie eben im Bereich der Bauwirtschaft, was notwendig ist.

Zu investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen gehören kostengünstige Firmen­standorte und auch die Erleichterung von Unternehmensgründungen in Form von niedrigen Unternehmensgründungskosten. Ich freue mich sehr, dass Notariats- und Rechtsanwaltskosten oder -gebühren reduziert werden. Ich freue mich auch sehr, wenn die Mindest-KöSt gesenkt wird.

Anmerken möchte ich auch, dass bei der Errichtung der Gesellschaftsverträge die Gebühren momentan an die Höhe des Stammkapitals der GmbH gekoppelt sind. Das sollten wir entkoppeln, denn der Arbeitsaufwand eines Notars wird nicht dadurch größer, dass man mehr Stammkapital einbringt. Das ist kein sehr sinnvolles Gesetz. Vielleicht sollten wir uns das Notariatstarifgesetz auch einmal anschauen und etwas mehr Wettbewerb bei den Notaren herbeiführen.

Was die Mindest-KöSt betrifft, wäre es meiner Ansicht nach sinnvoll, wenn man diese überhaupt komplett abschaffen würde, denn entweder wir machen Gewinne, dann zahlen wir gerne eine Körperschaftsteuer auf Gewinne, oder wir machen keine Gewinne, dann brauchen wir auch keine Steuer zu zahlen. Daher ist die Mindest-KöSt meiner Meinung nach verfassungsrechtlich bedenklich.

Betreffend Eintragung von GmbH-Gründungen in der „Wiener Zeitung“ sollten wir in Zeiten des Internets auch darüber nachdenken, ob wir kostengünstigere Veröffent­lichun­gen auf einer Internet-Plattform machen, wo das vielleicht mehr Leute als im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ lesen.

Ich möchte auch noch erwähnen, dass wir zur Erleichterung von Unternehmens­gründungen eine One-Stop-Shop-Unternehmensgründung machen könnten. Das wäre auch eine Vereinfachung.

Im Gesellschaftsrecht unterscheiden wir zwischen Personengesellschaften und Kapi­tal­gesellschaften, die sich hauptsächlich dadurch unterscheiden, dass man bei den Personengesellschaften persönlich haftet, bei den Kapitalgesellschaften mit dem Kapital. Wenn wir jetzt Regelungen schaffen, bei denen gar kein Kapital mehr einge-


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bracht wird – oder sehr wenig –, dann stellt sich die Kapitalgesellschaft in Summe in Frage.

Die Haftung mittels Eigenkapital ist wesentlich, weil man für getätigte Entscheidungen mithaftet, für das eingegangene Risiko geradesteht und Mitverantwortung übernimmt. Wer eigenes Geld in ein Unternehmen steckt, der verhält sich in der Regel verant­wortlicher als jemand, der mit fremdem Geld arbeitet. Das gilt natürlich auch besonders für den Bankenbereich, wo es, wie ich schon erwähnt habe, sinnvoll wäre, das Eigenkapital auf 20 Prozent der Bilanzsumme in die Höhe zu bringen, damit nicht mehr so riskante Kredite vergeben werden und sich auch die Spekulationen aufhören.

Für Regierungsmitglieder gilt dasselbe: Wenn eine Mithaftung vorhanden wäre, dann würde man mit dem Geld der Steuerzahler etwas anders umgehen. Wer mit eigenem Geld selbst mithaftet, geht sorgfältiger mit fremdem Geld um als jemand, der für getätigte Entscheidungen keine Haftungen, keinen Selbstbehalt trägt.

Eine Absenkung des GmbH-Mindeststammkapitals von 35 000 auf 10 000 € ist ohne späteren verpflichtenden Aufbau von Mindesteigenkapital abzulehnen. Stammkapital bietet auch Schutz für Lieferanten. 1-€-GmbHs sind aus diesem Grund sowieso abzulehnen.

In Österreich dominiert komplett die Fremdkapitalfinanzierung über Banken. Wir haben viel zu viele Kredite, viel zu wenig Eigenkapital. Wir brauchen eine Entwicklung hin zur Finanzierung der Unternehmen via Eigenkapital und weniger über Fremdkapital und Schulden, das heißt eine Finanzierung aus dem eigenen Cashflow. Auf den Staat übertragen, hieße das auch: eine Finanzierung aus den Steuereinnahmen und ohne zusätzliche Kreditaufnahmen. Gesellschaften sollten ihre Investments überhaupt nur mit maximal 50 Prozent fremdfinanzieren dürfen.

Wir sind also für Mindest-Eigenkapitalanforderungen für GmbHs.

Gesundes, nachhaltiges Unternehmenswachstum entsteht parallel zur Zunahme des Eigenkapitals. Ungesundes, zu schnelles Wachstum über Fremdkapital ist möglich, birgt aber bei Konjunkturrückgängen das Risiko in sich, dass die Zinslast nicht mehr bedient werden kann und aufgrund dessen das ganze Unternehmen in seiner Existenz gefährdet ist.

Unser gesamtes System, bis hin zu den Banken, krankt daran, dass wir viel zu viel Fremdkapital haben, zu viele Schulden einsetzen, zu wenig Eigenkapital haben. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Wir unterstützen jede Entscheidung, die Eigenkapital stärkt und Fremdkapital reduziert. Aber eine Stammkapitalabsenkung einer GmbH ohne späteren verpflichtenden Aufbau eines Mindesteigenkapitals können wir leider nicht unterstützen. – Danke. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.43.48

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, man lernt nie aus im Gesellschaftsrecht, im Handelsrecht, wenn man sich das anhört. Es werden immer wieder neue Horizonte und Perspektiven eröffnet. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Man fährt, glaube ich, am besten damit, dass man sich seine eigene Meinung darüber bildet.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der wir merken, dass die Wirtschaft ins Stottern gerät, dass die Betriebsgründungen, die Firmengrün-


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dungen weniger werden, insbesondere die GmbH-Gründungen. Da ist, finde ich, der Staat gefordert, entsprechende Gegenmaßnahmen und entsprechende Schritte zu setzen.

Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf ist eine von vielen richtigen Maßnahmen, die gesetzt werden. Und ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf sich anregend auswirkt, damit wir wieder mehr Firmengründungen bekommen, damit mehr Menschen unternehmerisch denken, die Sicherung ihrer eigenen Existenz selbst in die Hand nehmen und sich nicht bei einem öffentlichen Dienst anstellen oder irgendwo sagen: Ihr müsst für mich sorgen!, sondern selbst Risiko auf sich nehmen – ein begrenztes Risiko, zugegebenermaßen –, selbst Schritte setzen und ihre Existenz absichern wollen. Darüber hinaus beweist uns die Statistik, dass jede Firmengründung in weiterer Folge auch unselbständige Arbeitsplätze, weitere Beschäftigte generiert und anregt und dass das eben ein wichtiger Schritt für mehr Beschäftigung insgesamt in unserem Land ist.

Mein Vorredner hat schon die Senkung des Mindeststammkapitals von 35 000 auf 10 000 € angesprochen, die ein wesentlicher Fortschritt ist. Es ist auch eine gewisse Anpassung an die europäische Personengesellschaft, die ein durchschnittliches Mindeststammkapital von etwa 8 000 € vorschreibt. Wir passen uns hier also dem internationalen Standard an, was auch wettbewerbspolitisch ein Fortschritt ist.

Die geringere Körperschaftsteuer: Ja, das ist nicht der große Wurf. Aber auch dann, wenn es darum geht, dass jemand ein Unternehmen gründet, läppern sich die Summen zusammen. Dies ist auch ein wesentlicher Beitrag dazu, dass mehr Gründun­gen generiert werden.

Die Notariatskosten wurden schon erwähnt. Die Veröffentlichung in der „Wiener Zeitung“ fällt weg. Da bin ich mit meinem Vorredner einer Meinung: Ich glaube, auch bei den anderen GesmbHs soll das wegfallen! Da hat uns der digitale Fortschritt, der informationstechnologische Fortschritt schon längst überholt. Ich glaube, dass es einen wesentlich größeren Öffentlichkeitskreis erreicht, wenn das auf einer Internet-Plattform veröffentlicht wird, die verschiedenen Bilanzen, als wenn das alles in der „Wiener Zeitung“ steht. Das erinnert mich irgendwie an die Steinzeit, dass das immer noch in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht werden muss.

Nichts gegen die „Wiener Zeitung“! Aber ich glaube, dass es andere Möglichkeiten gibt, dieses Blatt zu erhalten. Eine tolle Berichterstattung, hervorragende Journalisten, die dort tätig sind, bringen das ebenso zusammen, und man braucht keine Einkommen über die Veröffentlichung von Bilanzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Winkler. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.47.53

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Ich freue mich sehr, dass dieses Thema mein erstes Thema im Bundesrat sein darf, denn ich verbringe immerhin schon fast vier Jahrzehnte in der Wirtschaft.

Ich sehe dieses Gesetz mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich denke nämlich, dass jede Maßnahme, die Firmengründungen forciert, die die Wirtschaft belebt, zu begrüßen ist. Ich glaube, eine der wichtigsten Grundlagen, die dieser Staat hat, ist eine funktionierende Basis für Arbeitsplätze, und alles, was dazu dient, diese zu stützen, kann nur begrüßt und gefördert werden.


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Allerdings glaube ich – und das glaube ich auch aus meiner Erfahrung –, dass es nicht den erwünschten Effekt geben wird, den man sich erhofft. Man spricht hier nämlich von etwa tausend neuen GesmbHs pro Jahr. Das kann schon sein, das bezweifle ich nicht, aber ich denke, dies wird zulasten anderer Rechtsformen gehen, nämlich zulasten der Einzelunternehmungen.

Es gibt leider viele EPUs, und ich sage „leider“ deshalb, weil nicht jeder, der diesen Schritt wagt – ich glaube, das werden viele Kollegen hier im Saal bestätigen –, es tut, weil er wirklich den intensiven Wunsch empfindet, in die Selbständigkeit zu gehen, sondern weil es ihm aus persönlichen Gründen manchmal nicht anders möglich ist, als seinen Lebensunterhalt sozusagen in die eigenen Hände zu nehmen, aktiv heran­zugehen und zu sagen: Ich werde mich selbständig betätigen und versuchen, hier mein bisher in der Unselbständigkeit erworbenes Wissen einzusetzen.

Ich fürchte eben – das ist wirklich meine große Befürchtung –, je niederschwelliger diese Grenze ist, desto leichter wird dieser Schritt gesetzt werden. Deshalb bleibt zu hoffen – ich werde mich gerne davon überzeugen lassen, wenn es nicht in diese Richtung geht, was sein könnte –, dass wir damit nicht ein Insolvenzbeschleuni­gungsgesetz ins Leben rufen. Ich hoffe auch sehr, dass die im Justizausschuss zitierte Seriositätsgrenze, die hier mit jenem Betrag geschaffen wurde, wirklich dazu dient, diese GesmbHs stabil zu halten.

Ich denke, es ist wichtig, solche Schritte zu setzen, wiewohl ich auch glaube, dass man hier ein wenig eine Chance vertan hat. Es war richtig und wichtig, diese Änderung zu machen, aber ich glaube, es ist dies zu wenig intensiv angegangen worden. Ich würde mir wünschen, dass es auch noch andere Diskussionsfelder gegeben hätte. Ich könnte mir vorstellen, über das Venture-Capital-Gesetz zu diskutieren. Ich könnte mir eine „GesmbH light“ vorstellen, die nicht stigmatisierend ist – so, wie wir es besprochen haben –, sondern die vielleicht den Banken oder der Außenwelt signalisiert, dass es da um eine geringere Kapitalausstattung geht.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Alle Grundlagen, die wir hier schaffen, sind ein Teil – und ich betone es noch einmal: ein richtiger und wichtiger Teil! –, aber wir alle aus der Wirtschaft wissen, dass das Mindestkapital nur eine Facette der Selbständigkeit ist, denn wer immer selbständig ist und wirklich Kapitalbedarf hat, wird sich mit Banken auseinandersetzen müssen. Ich glaube, dass man es schon ein wenig schwerer hat, bei einer derartigen Kapitaldecke mit Banken zu verhandeln, wiewohl ich weiß (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Winzig) – ich weiß das schon, Frau Doktor –, dass das Stammkapital nicht die einzige Möglichkeit ist, mit einer Bank in Gespräche zu kommen. Sehr wohl wird darauf auch geschaut werden.

Ich denke daher, prinzipiell handelt es sich hiebei um einen guten Schritt, wiewohl ich denke, er könnte ein wenig mutiger und ausladender sein, als er es jetzt ist. Nichts­destoweniger wird meine Fraktion diesem Tagesordnungspunkt zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.53.15

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Wir Freiheitliche begrüßen in Grundsätzen ebenfalls das zur Beschlussfassung vorliegende Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz. Es bewirkt einen einfacheren Zugang zur GmbH-Gründung und, damit verbunden, auch eine Steuerreduktion bei der Mindest-


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Körperschaftsteuer. Es führt zu geringeren Gründungskosten, insbesondere Notariats- beziehungsweise Anwaltskosten. Der Wegfall der Veröffentlichungspflicht in der „Wie­ner Zeitung“ ist für uns ebenfalls ein positiver Schritt, der sicherlich auch dazu beiträgt, dass die Wirtschaft bis zu einem gewissen Grad insgesamt wieder gestärkt wird.

Nichtsdestoweniger, Frau Bundesminister, bemängeln wir – das wissen Sie ja aus dem Nationalrat –, dass bei dieser Reform insbesondere auf Bedenken der Gläubiger nicht Rücksicht genommen wurde beziehungsweise dem Gläubigerschutz ein Mindestmaß an Beachtung einfach nicht zugekommen ist. Auch wenn der Firmengründer heute ein geringeres Stammkapital einzahlen muss – das tut er ja auch, das muss er zur Firmen­gründung –, wissen wir: Wenn er will, kann dieses Kapital bereits am nächsten Tag wieder abgezogen werden, was im Falle von Liquiditätsproblemen sehr leicht dazu führen kann, dass im Falle eines Konkursantrages aus dem Vermögen nicht einmal die notwendigen Konkursanlaufkosten gedeckt werden können und dann der Konkurs­antrag mangels Masse abgewiesen wird.

Frau Bundesminister, Sie wissen, dass unser Vorschlag dahin gehend lautet: Unserer Meinung nach sollte das Stammkapital zumindest für einen gewissen Zeitraum sozusagen dem Zugriff der Gesellschaft entzogen sein, zinsbringend angelegt sein und lediglich im Falle eines allfälligen Konkurses für den Insolvenzverwalter zugänglich sein. Man kann dieses Kapital beispielsweise nach zehn – oder seien es auch fünfzehn – Jahren wieder sozusagen an die Gesellschaft zurückfließen lassen.

Diesen Vorschlag machen wir auch deshalb, weil wir der Meinung sind, nein, weil wir wis­sen, dass bei einem Großteil der Betriebe, die insolvent werden, die Insolvenz innerhalb der ersten Jahre nach Firmengründung eintritt. Wenn man dann Zugriff auf dieses Kapital hätte, wären zumindest die Konkursanlaufkosten gedeckt. Gegebenen­falls könnten vielleicht sogar noch einige Quotenzahlungen an Gläubiger ausgeschüttet werden.

Ich darf aber sagen, dass wir grundsätzlich diesem Gesetz, da es tatsächlich eine Verbesserung darstellt, auf jeden Fall zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


12.56.06

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Lassen Sie mich auf einige zentrale Aspekte des Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2013 eingehen.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass wir bei unserer GmbH rückläufige bezie­hungsweise stagnierende Zahlen bei den Gründungen verzeichnen. Auch wenn wir den europäischen Vergleich anstellen, zeigt sich, dass wir mit unserem Mindest­stammkapital in Höhe von 35 000 € vergleichsweise hoch liegen. Herr Bundesrat Kneifel hat bereits darauf hingewiesen, dass das Mindeststammkapital im euro­päi­schen Schnitt 8 000 € beträgt. Sie müssen zugeben, zwischen 8 000 € im europäi­schen Schnitt und 35 000 € in Österreich ist schon ein nicht unbedeutender Unter­schied!

Wir müssen auch sehen, dass wir in Europa eine Tendenz haben, dass in einigen Staaten, seit Kurzem auch in Deutschland, Gründungen von haftungsbeschränkten Gesellschaften sehr leicht möglich sind. In Deutschland ist etwa die Gründung einer haftungsbeschränkten Gesellschaft mit bloß 1 € möglich. Diese internationalen Tendenzen spiegeln sich natürlich auch bei uns in Österreich wider, wobei ich gleich sagen möchte: Von dieser Möglichkeit, mit 1 € eine Gesellschaft zu gründen, halte ich


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nicht viel. Ich bin schon sehr dafür, dass wir noch eine gewisse Seriositätsschwelle fordern; aber darauf gehe ich später noch näher ein.

Wir sehen in Österreich nämlich noch etwas, was es zu berücksichtigen gilt. Etwa vier Fünftel der österreichischen Unternehmen sind in der Dienstleistungsbranche tätig, und natürlich braucht man in der Dienstleistungsbranche eine geringere Kapitalausstattung als etwa in Unternehmen im produzierenden Bereich. Das ist auch völlig klar. Als Unternehmer im produzierenden Bereich werde ich mit den 35 000 €, die heute als Mindeststammkapital gelten, auch schon nicht das Auslangen finden. Aber ein Unter­nehmen im Dienstleistungsbereich erfordert in der Regel eine andere Kapitalausstat­tung.

Solche Entwicklungen können natürlich nicht unbeachtet bleiben. Solche Entwick­lun­gen muss man berücksichtigen, auf solche Entwicklungen muss man reagieren, vor allem auch, damit wir nicht den Anschluss an andere Staaten in Europa verlieren. Das Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz soll diesen geänderten Umständen Rechnung tragen und einen Impuls für die Entscheidung zur unternehmerischen Tätigkeit und damit natürlich auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen geben.

Im Einzelnen ist folgender flexibler Rahmen vorgesehen: Das Mindeststammkapital soll von 35 000 € auf 10 000 € reduziert werden; das heißt natürlich auch, dass die Mindest­bareinlage von derzeit 17 500 € auf 5 000 € reduziert wird. Dadurch soll der Einzelne die Möglichkeit haben, das Stammkapital wirklich abgestimmt auf die indivi­duellen Zwecke der Gesellschaft und auf den dafür notwendigen Eigenmittelbedarf flexibel zu wählen. Gleichzeitig behalten wir aber mit dieser 10 000-€-Grenze eben die von mir bereits angesprochene Seriositätsschwelle aufrecht und schützen uns damit vor übereilten Gründungen.

Zweitens ist es natürlich auch ganz, ganz wichtig, dass wir die Kosten und Steuern, die im Zusammenhang mit dem Mindeststammkapital stehen, reduzieren können. Denken Sie etwa an die Mindest-Körperschaftsteuer: Die Mindest-KöSt wird von derzeit 1 750 € auf 500 € reduziert. Es ist auch bereits darauf hingewiesen worden, dass mit den Notaren eine Vergünstigung betreffend die Notariatskosten erreicht werden konnte.

Das heißt – das gilt auch für die Rechtsanwälte –, künftig sind die Rechtsanwalts- und Notariatskosten für die Gründung einer GmbH zirka um die Hälfte niedriger, als sie es heute sind. Bei besonders einfachen Gründungen gibt es sogar einen noch günsti­geren Tarif. Das gilt vor allem für die Gründungen, die dem NeuFöG unterliegen, also für die Gründung von Ein-Personen-Gesellschaften. Da gibt es eine besonders billige Variante der Gründung einer GmbH. (Präsident Mayer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Weiters spart man sich auch die Kosten für die Veröffentlichung in der „Wiener Zei­tung“ – auch das wurde bereits angesprochen. Es bleibt dabei, dass eine Veröffent­lichung der Gründung in der Ediktsdatei erfolgt, aber die Gründungsanzeige in der „Wiener Zeitung“ entfällt. Dadurch erspart man sich 150 € an Kosten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich ist auch dieses Vorhaben, wie so viele andere Vorhaben, auf Kritik gestoßen, wobei die Kritik schon zeigt, dass wir meines Erachtens einen guten und richtigen Mittelweg eingeschlagen haben, denn die einen fordern die 1-€-GmbH, wie wir sie auch aus anderen Ländern kennen, und die anderen sagen, schon die vorliegende Regelung gehe zu weit. Wenn man all das betrachtet, dann zeigt sich deutlich, dass wir einen guten Mittelweg eingeschlagen haben.

Letztlich darf ich in diesem Zusammenhang, also wenn es um Kritik geht, auch noch zwei Überlegungen in den Mittelpunkt rücken. Das Mindeststammkapital sagt, bitte, nichts darüber aus, wie viel Kapital ein Unternehmen tatsächlich benötigt. Diese Ent-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 77

scheidung muss jeder Unternehmer abhängig von seinem Geschäftsmodell und natürlich auch abhängig von der Branche, in der er tätig wird, immer im Einzelfall selbst treffen. Und diese Entscheidung, wie viel Eigenkapital benötigt wird, kann auch der Gesetzgeber dem Unternehmer nicht abnehmen; diese Entscheidung muss der Unter­nehmer sehr wohl selbst treffen und tut dies auch im Einzelfall, wie wir es ja bei vielen Unternehmensgründungen sehen. Das heißt, schon jetzt und auch in Zukunft wird sich daher jeder Unternehmer mit der Frage der notwendigen Kapitalausstattung seines Unternehmens auseinandersetzen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Bürgerinnen und Bürger zeigen uns ja, dass sie diese Verantwortung im ganz alltäglichen Bereich immer wieder überneh­men. Denken Sie zum Beispiel an jemanden, der ein Haus bauen möchte oder eine sonstige größere Investition tätigt. Auch in einem solchen Fall muss man sich natürlich mit der Frage auseinandersetzen: Was wird das kosten? Wie viel Eigenkapital brauche ich dafür? Wie kann ich einen eventuellen Kredit absichern?, et cetera, et cetera. Auch im ganz privaten Bereich werden einem diese Entscheidungen abverlangt, und auch im privaten Bereich wird die dafür notwendige Verantwortung übernommen.

Zweitens möchte ich auch darauf hinweisen, dass das Mindeststammkapital natürlich auch kein Garant dafür ist, dass dieses Geld Gläubigern am Ende des Tages auch tatsächlich zur Verfügung steht. Wir erleben es ja auch heute immer wieder, dass im Ernstfall das Mindeststammkapital bereits verbraucht ist und eben nicht mehr zur Befrie­digung der Gläubiger zur Verfügung steht. Das gilt jetzt schon bei einem Mindeststammkapital von 35 000 €, weil natürlich dieses Mindeststammkapital jetzt nicht die Aufgabe hat, einen Haftungsfonds darzustellen, und es sollte auch nicht als eine Art Kaution zugunsten der Gläubiger verstanden werden.

Das heißt also, für Gläubiger gilt unabhängig vom Mindeststammkapital, dass sie im Einzelfall entscheiden müssen, ob und inwiefern sie sich für den Fall der Nichtzahlung der Verbindlichkeiten absichern. Das wird zum Beispiel jede Bank auch weiterhin so handhaben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also, das Mindeststammkapital ist in erster Linie als Seriositätsschwelle für die Gründung einer haftungsbeschränkten Gesellschaft zu sehen. Und diese Seriositätsschwelle liegt, wie ich bereits ange­sprochen habe, um 25 Prozent höher, als wir es im europäischen Schnitt sehen. Ich glaube, hier haben wir mit den 10 000 € eine sehr gute Grenze festgelegt.

Außerdem ist mir auch noch eines wichtig zu erwähnen: Ich wollte eine einheitliche GmbH und nicht zwei Klassen von GmbHs schaffen. Und ich wollte nicht, dass jenen Unternehmen, die mit entsprechend geringerem Kapital auskommen, eine Art Makel einer kapitalschwachen Gesellschaft anhaftet. Es soll nicht die gute GmbH und die böse GmbH geben, sondern es soll eine GmbH geben, für die auch weiterhin alle rechtlichen Rahmenbedingungen der GmbH gelten. Das heißt, das bereits geltende rechtliche Regime der GmbH behalten wir ja bei. Denken Sie etwa an die weiterhin notwendige Eintragung ins Firmenbuch mit ausgewiesener Höhe des Stammkapitals oder denken Sie an die Aufstellung und Veröffentlichung eines Jahresabschlusses oder eben an die Einbindung eines Notars bei der Gründung einer GmbH.

Da haben wir noch immer einen sehr guten rechtlichen Rahmen, und ich bin überzeugt davon, dass wir mit dieser neuen GmbH einen wirklich guten Weg einschlagen und dass es auch tatsächlich zu den bereits angesprochenen zusätzlichen Gründungen von GmbHs kommen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.05


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 78

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.05.29 5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und das Rechtspraktikantengesetz geän­dert werden (2306 d.B. und 2372 d.B. sowie 9008/BR d.B. und 9015/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz, das Dis­ziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Gerichts­gebührengesetz, die Notariatsordnung, das Notariatsprüfungsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Übernahmegesetz, das Verwertungsgesellschaften­gesetz 2006, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Strafvollzugsgesetz und das Liegenschaftsteilungsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz – VAJu) (2357 d.B. und 2374 d.B. sowie 9016/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schiedsverfahren in der Zivilprozessordnung und das Gerichts­gebührengesetz geändert werden (Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2013 – SchiedsRÄG 2013) (2322 d.B. und 2373 d.B. sowie 9017/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen somit zu den Punkten 5 bis 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.05.56

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Justiz stellt nach Beratung mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Bitte, Herr Kollege, es ist über alle drei Berichte von Ihnen Bericht zu erstatten.

 


Berichterstatter Richard Wilhelm (fortsetzend): Alle drei Berichte liegen in schrift­licher Form vor, und zwar Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und das Rechts­praktikan­tengesetz geändert werden; Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungs- und Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz,


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 79

das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das EIRAG, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Gerichtsgebüh­ren­gesetz, die Notariatsordnung, das Notariatsprüfungsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Sachverständigen- und Dolmetschergesetz, das Übernahmegesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das Bundesgesetz über die Gebühren für Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen, das Strafvollzugsgesetz und das Liegenschaftsteilungsgesetz geändert werden; weiters Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schiedsverfahren in der Zivilprozessordnung und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden.

 


Präsident Edgar Mayer: Sie müssen auch noch der Form halber die Antragstellung wiederholen.

 


Berichterstatter Richard Wilhelm (fortsetzend): Ich komme wiederum zur Antragstel­lung.

Zu Tagesordnungspunkt 5: Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 6: Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 7: Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.07.55

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In diesen Punkten ist eine erkleckliche Anzahl von verschiedensten Gesetzen, von verschiedensten Erfüllungen internationaler Verpflich­tun­gen und anderen organisatorischen Dingen enthalten, deren Erwähnung im Ein­zelnen, glaube ich, den Rahmen nicht nur der mir zur Verfügung stehenden Redezeit, sondern auch des Interesses des anwesenden wie vor dem Fernseher harrenden Publikums weit sprengen würde. Lassen Sie mich zwei, drei Dinge herausgreifen, die mit Sicherheit für Jus-Praktiker, aber auch für die Bevölkerung selbst von Bedeutung sind.

In den letzten Jahren sind bei den Gerichten Servicecenter eingerichtet worden, die eine erhebliche Verbesserung der Kommunikation zwischen dem einzelnen Rechts­hilfesuchenden und den Gerichten gebracht haben. Früher war es ja so, dass quasi das Rechtshilfe suchende Subjekt das Gericht betreten hat und nicht wusste, wohin es sich wenden soll, und im besten Fall in einer Reihe von 15, 20, 30 Leuten warten musste, ob es denn beim Amtstag in irgendeiner Form nach einer Zufallsmethode drankommt.

Das hat sich gerade bei den Gerichtszentren jetzt durch diese Justiz-Servicecenter wesentlich geändert. Man bekommt dort telefonisch wie bei Vorsprache relativ rasch einen Termin für eine Amtstagsberatung, auch für Scheidungstermine oder andere prätorische Vergleiche. Das alles hat sich nicht nur extrem gut bewährt, sondern es ist


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 80

gut und ist jetzt auch ex post sozusagen dadurch legitimiert worden, dass man es völlig zu Recht ins Gerichtsorganisationsgesetz aufgenommen hat.

Einen kleinen Kickback können wir dort verzeichnen, wo unsere jungen Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung wieder ein bisschen länger bei Gericht sein dürfen. Es war schon – und das wissen wir – ein maßgeblicher Schnitt von neun auf fünf Monate bei den Rechtspraktikanten.

Das war ein Punkt, der in einem Budgetbegleitgesetz versteckt war, der vielleicht nicht mit hundertprozentiger Sicherheit so den Erfolg gebracht hat, den es hätte bringen sollen, denn es ist wichtig, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen auch bei Gericht ihre Ausbildung machen, und sie leisten dort auch, wenn ich einen Kollegen aus dem Nationalrat zitieren darf, gute Arbeit und helfen den Richtern entsprechend.

Ein bisschen umschiffen wollte ich als Vertreter des betroffenen Standes die Ände­rungen der Rechtsanwaltsordnung, aber ganz komme ich natürlich trotzdem nicht darum herum. Die Rechtsanwaltschaft hat als autonomer Stand, als freier Stand sozusagen einen harten Kampf gefochten, um ihre unabhängige Disziplinarkom­mis­sion, ihre Disziplinargewalt bei sich zu behalten. Am Ende eines würdigen Kampfes sieht auch die Rechtsanwaltschaft letztlich ein, wenn sich alle Dinge im Zuge einer Verwaltungsgerichtsbarkeits- oder Gerichtsbarkeitsreform dem unterordnen, dass dies auch die Rechtsanwälte tun werden, und so haben sie es auch getan, wobei, glaube ich, im Endeffekt auch ein guter und würdiger Kompromiss erzielt worden ist.

Einen Punkt möchte ich auch noch kurz herausgreifen. Es gibt abseits von gericht­lichen Verfahren auch die sogenannten Schiedsverfahren, wofür Schiedskom­missio­nen gebildet werden. Das sind meistens handelsrechtliche Streitigkeiten, in denen es um nicht unbeachtliche Geldsummen geht, wo sich zwei Streitparteien eine Schieds­kommission suchen. Diese Schiedskommission ist auch gesetzlich geregelt. Österreich kann durch den Sitz vieler internationaler Institutionen auch einen sehr guten Ruf in diesem Bereich haben. Da ist uns die Schweiz beispielsweise ein wenig voraus. Wir hatten ein Manko bei diesen Schiedsverfahren.

Wenn Sie einen Schiedsgerichtsspruch bekämpfen wollten, dann konnten Sie das nach der Zivilprozessordnung bis jetzt auch tun, gingen aber dann den normalen gericht­lichen Instanzenzug, der bis zu drei Instanzen beinhaltet hat. Logischerweise haben viele gesagt, wozu nehme ich überhaupt eine Schiedskommission in Österreich in Anspruch, denn letztlich ist es, wenn ich mit dem Spruch nicht einverstanden bin, nichts anderes als eine massive Zeitverzögerung.

Diese neue Regelung, dass das Schiedsverfahren quasi danach nur noch ein einglied­riger Instanzenzug ist, dass jemand, der sich einer Schiedskommission unterwirft, diesen Spruch nur noch beim Obersten Gerichtshof bekämpfen kann, und das nicht in der Tatsachenfrage, da wird also nicht noch einmal beweisgewürdigt, was denn tatsächlich vereinbart war, sondern höchstens, ob dieses Schiedsverfahren ordentlich geführt worden ist, ob keine Verfahrensmängel vorliegen, grobe Verfahrensmängel sind dort wahrzunehmen. Diese Dinge, diese Regelung des Schiedsverfahrens, diese sukzessive Kompetenz des ordentlichen Gerichtes nur noch in Form des Obersten Gerichtshofes werden Österreich als Standort des internationalen Schiedsverfahrens wesentlich voranbringen.

Damit habe ich, glaube ich, drei Punkte herausgenommen, die sozusagen auch eine persönliche Betroffenheit da oder dort breiter darstellen können. Im Grunde sind diese drei Punkte mit sehr vielen wichtigen Notwendigkeiten und Neuerungen versehen, und ich ersuche daher auch um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.13



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 81

Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Füller. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.13.12

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Mag. Fürlinger hat im Wesentlichen schon einige wichtige Punkte angesprochen. Ich werde ver­suchen, in meinen Ausführungen diese Fragen nur kurz anzusprechen.

Die Novellen des Gerichtsorganisationsgesetzes und des Rechtspraktikantengesetzes sowie die weiteren unter den Tagesordnungspunkten 6 und 7 zu findenden Gesetzes­änderungen bringen wesentliche Verbesserungen, die den Justizbereich effizienter, flexibler, kostengünstiger und vor allem schließlich und endlich auch bürgerinnen- und bürgernäher machen sollen.

Mit dem Gericht in Kontakt zu kommen ist für die meisten Menschen sicherlich sehr unangenehm. Da reicht oft schon die Zustellung eines Briefes, wenn man nicht weiß, was einen erwartet, wenn man ihn öffnet. Daher muss, wie ich meine, oberstes Gebot letztendlich auch sein, die Akzeptanz des Rechtsstaates und des Justizsystems selbst immer in den Mittelpunkt der justizpolitischen Entscheidungen zu stellen. Dazu dienen auch die vorliegenden Novellen, besonders jene zum Gerichtsorganisationsgesetz, mit der auch die gesetzliche Grundlage für Justiz-Servicecenter-Einrichtungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften geschaffen werden soll.

Mittels einfacherer Kundmachungsmöglichkeiten und des Ausbaus des elektronischen Rechtsverkehrs wird dem Gebot der Effizienz Rechnung getragen und ein zeitgemäßer Standard eingeführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein großes Anliegen vieler, die am Zustan­dekommen dieser Gesetze beteiligt waren, ist die Möglichkeit der Verlängerung der Gerichtspraxis für Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten. Dieser Teil, er wurde bereits angesprochen, ist ein besonders wertvoller Bestandteil der juristischen Aus­bildung, denn da wird man mit einer großen Zahl von Fällen aus der Praxis kon­frontiert. Davon kann letztendlich auch der laufende Justizbetrieb aufgrund einer höheren Kontinuität und aufgrund einer damit einhergehenden reduzierten Rotation im Per­sonal­bereich einfach nur profitieren. Zusätzlich verbessert sich die Situation für die Ausbildungsrichterinnen und Ausbildungsrichter, die sich künftig noch besser und intensiver um junge Juristinnen und Juristen kümmern können.

Das neue Schiedsverfahren, das wir bekommen und das heute beschlossen werden soll, soll anstelle von drei Instanzen nur noch eine haben und einer höheren Rechts­sicherheit dienen. Für den Wirtschaftsstandort selbst ist natürlich Rechtssicherheit ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil. Das Maß an Rechtssicherheit ist auch eine Entscheidungsgrundlage für Betriebe in Standort- und Investitionsfragen.

Aufgrund der erwähnten Beispiele werden wir als sozialdemokratische Bundesrats­fraktion diesem Gesetzespaket zustimmen. Vielen Dank. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.16


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.16.12

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Das ist jetzt ein sehr umfassendes Justizpaket, das wir hier diskutieren. Ich darf auf die einzelnen Punkte kurz eingehen.


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Punkt 5 der Tagesordnung: Die Änderungen des Gerichtsorganisationsgesetzes mit der Schaffung der Grundlage für die Justiz-Servicecenter-Einrichtungen befürworten wir, no na, das hat sich in der Praxis bewährt und stärkt die Bürgernähe der Justiz. Es führt aber auch, das darf man nicht vergessen, zu einer Entlastung der Bediensteten in den Kanzleien.

Die Adaptierung der Geschäftsverteilung, sprich deren Anpassung an das Kalender­jahr, ist sinnvoll und erspart in Wirklichkeit unnötige Arbeit, weil man sich in der jüngsten Vergangenheit bereits sozusagen am Kalenderjahr orientiert hat und es in der Praxis so war, dass zum Jahresende die Geschäftsordnung erstellt und dann zum 1. Februar mehr oder weniger nur noch bestätigt wurde.

Auch die Anpassungen im Rechtspraktikantengesetz befürworten wir, wobei ich aber nicht verhehle, Frau Bundesminister, das hat auch Kollege Fürlinger schon ange­sprochen, dass es für die gesamte Juristenschaft, für jemanden, der eine juristische Laufbahn einschlägt, sehr, sehr wichtig ist, dass er im Zuge seiner Ausbildung die notwendige Praxis erhält. Es ist notwendig, dass man die Ausbildung an der Praxis und nicht an der Theorie orientiert, das ist durch nichts zu ersetzen. Daher wäre es dringend notwendig, Frau Bundesminister, dass man die Verkürzung von neun auf fünf Monate wieder zurücknimmt.

Zu Punkt 6 der Tagesordnung darf ich vorausschicken, hier werden wir nicht zustim­men, und zwar aus folgendem Grund: Das ist nicht ganz unkritisch, es hat ja auch Kollege Fürlinger angemerkt. Unser Justizsprecher im Nationalrat Dr. Fichtenbauer hat sich bei der Debatte schwer echauffiert gezeigt. Da findet sich nämlich in der Rechtsanwalts- und Notariatsordnung eine Bestimmung, die lautet:

„Sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, sind die aufgrund dieses Gesetzes ergehenden Bescheide  mittels Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes anfechtbar.“ Da geht es um Rechtsmittel zu Entscheidungen der Kammern im Rahmen der Selbstverwaltung.

Ich kann diese Aufgeregtheit schon ein bisschen nachfühlen. Da wandert sozusagen eine Bundeszuständigkeit entgegen der Verfassung mehr oder weniger zu den Ländern. Als Ländervertreter habe ich grundsätzlich nichts dagegen, wenn man hier Kompetenzverschiebungen vom Bund hin zu den Ländern durchführt, aber das Ganze sollte nicht an der Verfassung vorbeiführen. Für uns wiegt das so schwer, dass wir diesem Tagesordnungspunkt nicht zustimmen werden.

Abschließend darf ich noch zum Tagesordnungspunkt 7 Schiedsrechts-Änderungs­gesetz 2013 Stellung nehmen. Wie gesagt, da geht es um handelsgerichtliche Ent­scheidungen, da werden wir zustimmen. Durch die Verkürzung des Instanzenzuges im Aufhebungsverfahren gegen Schiedssprüche werden Strukturen verschlankt, wird Verwaltungsvereinfachung gelebt, und dies tut sicher auch dem Wirtschaftsstandort Österreich gut. Die Änderung basiert ja nicht zuletzt eben auf dem sogenannten Schweizer Modell und auch auf dem hohen Ansehen, das insbesondere der Oberste Gerichtshof in unserem Land genießt. Diesem letzten Tagesordnungspunkt in dieser Debatte werden wir daher zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.19


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte, Frau Ministerin.

 


13.20.05

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Lassen Sie mich einige Aspekte des bereits angesprochenen Schiedsgerichts-Änderungsgesetz 2013 ansprechen. Mit


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diesem Vorhaben setzen wir einen echten Meilenstein, wodurch es zu einer Auf­wertung des Rechts- und Wirtschaftsstandorts Österreich kommt. Ich möchte kurz erklären, was die Hintergründe dafür waren.

Ganz unterschiedliche Gründe können dafür ausschlaggebend sein, weshalb man sich als Unternehmer einem Schiedsgericht unterwirft. Für die Wahl des Schiedsstandortes ist das nationale Recht des jeweiligen Staates relevant, weil es die Möglichkeit der Anfechtung eines Schiedsspruches normiert. Das österreichische Recht sieht derzeit drei Instanzen für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schieds­spruch vor. In einem solchen Aufhebungsverfahren wird der Streit nicht inhaltlich geklärt, sondern es geht im Wesentlichen um die Prüfung, ob das Schiedsgericht gegen grundlegende Verfahrensgrundsätze verstoßen hat und ob der Schiedsspruch deshalb aufzuheben ist.

Dieser mehrgliedrige Instanzenzug, wie er im österreichischen Rechtsraum gilt, stellt doch einen erheblichen Nachteil im Wettbewerb der Schiedsorte dar. Nach dem Vor­bild anderer europäischer Rechtsordnungen sollte daher der Instanzenzug für das Verfahren über die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch verkürzt werden. Einen bloß eine Instanz umfassenden Rechtszug weist von den führenden Schieds­nationen etwa die Schweiz auf, während an anderen vergleichbaren Schiedsorten ein Rechtszug über zumindest zwei Instanzen vorgesehen ist.

Zwischen diesen beiden Modellen haben wir uns also entscheiden müssen. Das Schiedsrechts-Änderungsgesetz, das Ihnen heute vorliegt, sieht nunmehr die meines Erachtens attraktivste Lösung vor, nämlich die, dass über die Aufhebung der Schiedssprüche nur mehr eine Instanz, nämlich der Oberste Gerichtshof entscheidet. Das heißt, der Oberste Gerichtshof ist erste und letzte Instanz in derartigen Verfahren. Diese Konzentration der Verfahren entspricht dem in der Schweiz bewährten Modell und berücksichtigt natürlich auch das Ansehen, das der Oberste Gerichtshof genießt. Konzentriert man die Aufhebungsverfahren beim Obersten Gerichtshof, dann ist es nur zweckmäßig, auch alle anderen im Zusammenhang mit einem Schiedsverfahren stehenden Verfahren, wie etwa Angelegenheiten betreffend die Bildung des Schiedsgerichtes, ebenfalls dem Obersten Gerichtshof zu überantworten. Es soll also insgesamt eine Konzentration von im Zusammenhang mit Schiedsverfahren geführten Verfahren vor staatlichen Gerichten erreicht werden, womit nicht nur eine Beschleu­nigung verbunden ist, sondern auch die Ausbildung besonderer Fachkompetenz an zentraler Stelle.

Ich möchte aber auch erwähnen, dass es für Konsumenten und Arbeitnehmer bei der bisher geltenden Rechtslage bleibt, weil das die betroffenen Kreise so gewünscht haben. Dieses Vorhaben insgesamt ist wirklich ein wichtiger Schritt, den Schieds­standort und damit natürlich auch den Rechtsstandort Österreich im internationalen Wettbewerb zu stärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend noch ein kurzes Wort zu einem Thema, das heute mehrfach angesprochen wurde, nämlich zur Gerichtspraxis. Zutreffend wurde darauf hingewiesen, dass meine Vorgängerin im Zuge eines Spar­pakets eine Verkürzung der Gerichtspraxis von neun Monaten auf fünf Monate vorgenommen hat. Ich höre da immer wieder aus verschiedensten Bereichen Klagen darüber, dass das nicht sehr zweckmäßig war und dass die Gerichtspraxis wieder verlängert werden sollte. Das ist an sich eine gute Idee, die ich unterstütze, nur muss ich das – ehrlich gesagt – auch bezahlen können. Ich kann nicht mehr Geld ausgeben, als ich zur Verfügung habe.

Ich habe jedoch nunmehr einen Weg gefunden, der meines Erachtens ein sehr guter ist: Ich habe alle vier Präsidenten der Oberlandesgerichte angewiesen, dass sie bis zu


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50 Prozent der Rechtspraktikanten auf sieben Monate verlängern können. Ausschlag­gebend für diese Entscheidung soll die Leistung der Rechtspraktikanten und -praktikantinnen sein. Die Praktika derjenigen, die sich besonders einbringen, die eine besondere Leistung erbringen, sollen verlängert werden; die können dann längere Zeit bei Gericht verbringen. Und die, die sich weniger einbringen im Zuge ihrer Gerichts­praxis, bei denen bleibt es eben bei den fünf Monaten. Meines Erachtens ist das ein guter Weg, den wir hier gehen. Und wie gesagt: Auch ich hätte gerne die neun Monate beibehalten, aber ich kann nur Dinge einführen, die ich auch bezahlen kann. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.24


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Schiedsrechts-Änderungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.25.30 Berichtigung zu Abstimmungsergebnis über TOP 4

 


Präsident Edgar Mayer: Bevor wir zum Tagesordnungspunkt 8 gelangen, kommen wir zu einer Berichtigung, was den Tagesordnungspunkt 4 anlangt, über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz, die Insolvenzordnung, das Notariatstarifgesetz, das Rechtsanwalts­tarifgesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden.

Hier gibt es ein mehrheitliches Abstimmungsverhalten; Kollege Mag. Zelina hat dem Antrag nicht zugestimmt.

Dazu ist anzufügen, dass die Geschäftsordnung vorsieht, sein Abstimmungsverhalten klar zum Ausdruck zu bringen und, wenn denn erforderlich, auch couragiert Wider­spruch anzumelden. Das gilt für alle Fraktionen, auch für jene Fraktionen ohne Fraktion. (Heiterkeit bei einigen Bundesräten.) Auch für alle Mandatare ohne eigene Fraktion, wollte ich sagen. – Bitte, bei uns wird das auch entsprechend wahrgenom­men.


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Wir berichtigen allerdings das Abstimmungsverhalten: Es gibt diesbezüglich also einen mehrheitlichen Beschluss.

13.27.38 8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Patentverträge-Einführungsgesetz, das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Halbleiterschutz­ge­setz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990, das Patent­amtsgebührengesetz, das Sortenschutzgesetz 2001, das Patentanwaltsgesetz und die Jurisdiktionsnorm geändert werden (Patent- und Markenrechts-Novelle 2014) (2358, Zu 2358 d.B. und 2413 d.B. sowie 9018/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße dazu sehr herzlich Frau Bundesministerin Bures. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


13.28.01

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich bringe den Bericht über die diesbezügliche Gesetzesnovelle.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich gleich zur Antragstellung komme.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Edgar Mayer: Danke für den Bericht.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall; deshalb gibt es auch keine De­batte.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Dönmez meldet Widerspruch an.) – So kann es gehen! Danke schön. – Der Antrag ist somit mehrheitlich angenommen.

13.29.07 9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikations­endein­richtungen geändert wird (2359 d.B. und 2414 d.B. sowie 9009/BR d.B. und 9019/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


13.29.23

Berichterstatter Michael Lampel: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht über die erwähnte Gesetzesnovelle.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich gleich zur Antragstellung komme.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Lampel.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


13.30.01

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (ohne Fraktionszugehörigkeit, Salzburg): Sehr geehrter Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich melde mich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort, obwohl ich ja an den Ausschussberatungen noch nicht teilnehmen durfte und das jetzt daher für mich auch sehr kurzfristig ist. Das geschieht erstens aus dem Grund, dass die grüne Fraktion dieser Vorlage nicht zustimmen wird, und zweitens auch, weil es ein Thema ist, das mich schon im Salzburger Landtag viele Jahre lang beschäftigt hat. Mir war dabei ein Anliegen, was auch in dieser Vorlage wieder nicht befriedigend gelöst ist, nämlich die Wahrung der Nachbarschaftsrechte beziehungsweise die Rücksichtnahme auf Strahlungsexposition im Sinne des Vorsorgeprinzips.

Gerade in Salzburg hat uns dieses Thema sehr intensiv beschäftigt, weil es in Salzburg sehr engagierte Beamte in der Landessanitätsdirektion gibt, die sich mit dieser Frage über die Jahre hinweg immer wieder intensiv beschäftigt haben und es in dem Bereich wirklich nicht zu befriedigenden Lösungen gekommen ist, was die Nachbar­schafts­rechte betrifft, das heißt, wenn es Einsprüche gegeben hat. Wir befinden uns da in der Situation, dass wir einen ungeheuren Freilandversuch machen und den aber nicht entsprechend überwachen.

Es gibt da immer wieder Bedenken, die durchaus auch von wissenschaftlicher Seite geäußert werden, aber bei vielen Anlagen ist nicht einmal bekannt und auch nicht eruierbar, welche Strahlenexposition von der betreffenden Anlage überhaupt ausgeht und wie wer in welcher Form davon betroffen ist. Das kann also auch nicht wirklich rückverfolgt werden. Insgesamt heißt das: Unsere Datengrundlage ist über die Jahre hinweg nicht wirklich verbessert worden.

Im Sinne des Vorsorgeprinzips wäre geboten, dass erstens – Transparenz – die Daten von den Betreibern herausgegeben werden, dass es Beobachtungen der Strahlen­exposition der Nachbarschaft über die Jahre hinweg gibt und dass das auch ent­sprechend protokollarisch festgehalten wird, um wenigstens im Nachhinein oder in einigen Jahren sagen zu können, was die Effekte sind, ob es sie gibt und in welchem Ausmaß. Das erfolgt derzeit nicht beziehungsweise nur unter sehr großen Schwierig­keiten, was die Herausgabe der Daten und so weiter betrifft.

Der vorliegende Entwurf wird leider auch nicht dazu genutzt, auf dem Gebiet bessere Grundlagen zu schaffen für eine wissenschaftliche Überwachung dieses großen Frei­land­versuchs, der hier läuft; es geht in diesem Zusammenhang auch um eine Stärkung der Nachbarschaftsrechte. Das ist für mich der Hauptgrund, diese Vorlage abzulehnen.

Ich darf mich noch sehr herzlich für das Willkommen bedanken und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Ich freue mich auf meine Arbeit hier im Bundesrat, insbesondere im Hinblick auf eine Bundesstaatsreform beziehungsweise Reform des Bundesrates, ein Thema, das auch vom Herrn Präsidenten schon angeschnitten wurde. Es ist hochinteressant – meine Wahl in Salzburg ist ja noch nicht so lange her – auch der Bevölkerung draußen zu erklären, was man jetzt eigentlich tut, was man ist und auch


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mit welcher Ablehnung vonseiten der Bevölkerung man konfrontiert wird, wenn man sagt, man ist Bundesrat oder Bundesrätin.

Das gilt es auch zu ändern, und es würde mich freuen, wenn ich dazu auch meinen Beitrag leisten könnte, die Arbeit im Bundesrat transparenter zu machen und effektiver zu gestalten. Das Kompetenzwirrwarr, die Probleme, die sich diesbezüglich angehäuft haben, sind im Sinne des Föderalismus, der Durchsetzbarkeit der Gesetze und der Handhabbarkeit der Gesetze auf den niederen Ebenen beziehungsweise in den Ländern anzugehen.

Vielen Dank! Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit und freue mich darauf. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.34


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Kollegin! Der Applaus gibt Ihnen recht. Wir haben Ihre Wünsche sehr gerne angehört. Wir nehmen das auch auf. Wir freuen uns, wenn wir MandatarInnen aus den Bundesländern haben, die sich entsprechend für den Bundesrat einsetzen. Auch von meiner Seite noch einmal alles Gute und viel Erfolg!

Wir kommen damit zum nächsten Redner. – Bitte, Herr Bundesrat Pfister.

 


13.35.16

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Konsumentinnen und Konsumenten! Niemand von uns hier im Plenum, weder hier im Plenum noch zuhause oder irgendwo, kann es sich heute vorstellen, ohne Handy zu sein. Jeder Österreicher und jede Österreicherin hat im Durchschnitt 1,6 Handys, vom Säugling bis zum Greis, das heißt, jeder Österreicher trägt rund 1,6 Handys mit sich herum. Das ist eine Technologie, die mit einer Geschwindigkeit unsere gesamte Gesellschaft durchdrungen hat, wie wir uns das vor ein paar Jahrzehnten noch gar nicht vorstellen haben können.

In diesem Gesetz heute wird festgehalten, dass trotz Einführung neuer Technologien der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor damit verbundenen Gefahren im Mittelpunkt steht. Das gilt für alle Gesetzesmaterien des Telekommunikations­bereichs. Da werden nur jene Produkte zugelassen, die den strengen österreichischen und europäischen Normen entsprechen.

Heute behandeln wir also eine Novelle zum Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen. Das ist zwar ein sehr, sehr sperriger Titel, was sich aber hinter der Novelle verbirgt, ist etwas, was man ganz einfach auch als stärkeren Konsumentenschutz begreifen kann. Es werden einschlägige Verbesserun­gen eingeführt. Wir haben zwar jetzt schon hohe Standards, aber wir wissen, dass über den Internethandel immer mehr Handys auch auf den österreichischen Markt gelangen, die möglicherweise nicht den hohen Standards entsprechen, die wir gewohnt sind und auch haben wollen.

Im Urlaub E-Mails checken, im Krankenstand die Sprachbox abhören, abends noch schnell einen Entwurf fertigstellen, vor Dienstbeginn auf dem Weg in die Arbeit das Handy abheben – wer von uns kennt das nicht?! Immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit zu erledigen geht nur, indem Technologien verwendet werden, die jederzeit an jedem Ort verfügbar sind. Handys, Tablets, Smartphones und so weiter helfen uns natürlich auch, immer mehr Arbeit in die Freizeit zu verlagern. Das kann zwar auch die Arbeit erleichtern, kann aber natürlich auch zu gesundheitlichen Problemen bis hin zum Burnout führen.

Es sei mir in dem Zusammenhang ein kurzer Hinweis gestattet: Passend zu diesem Thema startet die Gewerkschaft der Privatangestellten diese Woche eine Initiative, die


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da lautet: „Schalt mal ab! Offline sein bringt wieder Leben rein!“ – Jeder von Ihnen hat die Möglichkeit, einmal auf die Homepage zu schauen, und kann sich dann ausmalen, wie abhängig wir alle tagtäglich von diesen Geräten sind. Es ist heute für jeden wie gesagt selbstverständlich, im Urlaub oder außerhalb der Normalarbeitszeit auf sein Handy zu schauen, E-Mails zu beantworten oder Termine auszumachen. Ganz besonders „freut“ es mich, wenn um 22.30 Uhr noch Termine für den nächsten Tag via Handy verschoben werden. Davon profitieren jedoch nicht nur die Hersteller und die Mobilfunk-Unternehmer, sondern natürlich auch alle anderen Unternehmen.

Was können wir dagegen tun? – Wir Unternehmerinnen und Unternehmer, Politike­rinnen und Politiker und letztendlich auch wir als Konsumenten, wir alle also haben solche Missstände zu vermeiden. Das gilt auch, wenn es darum geht, was der einzelne Konsument tun kann, was wir an den Zuständen ändern können. Derzeit spielt es für viele von uns keine Rolle, woher die Geräte stammen, wie sie produziert werden. Wenn die Käufer etwas sensibler für Umwelt- und Sozialaspekte werden, dann zwingt das natürlich auch die Konzerne zum Umdenken in der Herstellung. Das mag jetzt vielleicht etwas blauäugig klingen, doch gerade bei einem Produkt wie dem Handy, das stark mit modernen Kommunikationsformen verbunden ist, ist es möglich, ent­sprechende Informationen rasch und weit zu verbreiten.

Damit könnte sich auch der Kreis zur Politik wieder schließen mit Unterstützung nicht nur aus der Politik, sondern auch der Unternehmungen. Mit einem entsprechenden Gütesiegel würde man den Konsumenten und Konzernen ein weiteres Instrument in die Hand geben, diese Verantwortung nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern sie auch zu stärken.

Wir wissen, es kommen Handys auf den Markt, die nicht den Normungen entsprechen, mit Akkuüberhitzungen und so weiter. Da gibt es diverse Berichte; die kennen wir ja alle. Mit diesem Gesetz, dem wir über alle Parteigrenzen hinweg unsere Zustimmung geben können, werden wir der Marktüberwachung, die seit Langem sehr gut funktio­niert, neue Instrumente in die Hand geben, um beispielsweise diese gefährlichen Geräte ganz rasch vom Markt nehmen zu können.

Bei dieser Novelle geht es auf der einen Seite um eine Stärkung des Konsumenten­schutzes, auf der anderen Seite um die auch schon angesprochene Verwaltungs­verein­fachung. Daher glaube ich, dass das etwas ist, dem wir alle zustimmen können. Ich würde meinen, dass die Stärkung der Konsumentenschutzrechte etwas ist, was uns allen gemeinsam am Herzen liegt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.40.33

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte heute bei der Debatte zum Bundesgesetz über Funkanlagen und Telekommunikations­endein­richtungen die Gelegenheit nutzen, um zu einem Thema, das für mich grundsätzlicher Natur ist und sehr viel mit dem in der gegenwärtigen Zeit oft strapazierten Wort Gerechtigkeit zu tun hat, zu sprechen. Diese Thematik kann einen wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit leisten. Es geht darum, die digitale Infrastruktur flächen­deckend auszubauen.

Wir leben in einer Gesellschaft, die eine Wissensgesellschaft ist. Jemand, der vom Wissen ausgeschlossen ist, ist benachteiligt. Ich halte es für ungerecht, wenn jemand Wissen, das er braucht, um sein Unternehmen zu führen, um seinen privaten Bereich zu verbessern, nicht bekommt.


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Wir sind im Besitz von Studien, die besagen, dass bereits 60 Prozent der Kleinkinder im Alter von drei Jahren schon ein iPad oder ein ähnliches Gerät benützt haben. Ich bemerke das bereits bei meinen Enkelkindern. Die lernen das spielend, die kommen mit. Mein Vorredner hat das auch betont, als er von der Verbreitung der Handys gesprochen hat. Ich glaube, das sind Signale, die wir ernst nehmen müssen. Die Kinder und die jüngere Generation wachsen mit dieser digitalen Technik auf. Das Internet gehört mittlerweile schon zur Infrastruktur wie Kanal, Wasser, Telefon oder Stromanschluss. Das ist heute Standard, das gehört in unserer Gesellschaft dazu.

Wir wissen auch, dass 80 Prozent der Internetnutzung von zu Hause, vom Wohn­bereich aus erfolgt. Objektive und repräsentative Untersuchungen beweisen das. Deshalb ist der Anschluss der Wohnbereiche wichtig, und zwar auch der entlegenen. Das sage ich ganz bewusst: Das darf nicht nur für Ballungsräume recht und billig sein, sondern jeder, der in diesem Staat, in dieser Republik wohnt, braucht gleiche Chancen, gleiche Möglichkeiten, um sich an der Wissensgesellschaft und der Internetgesellschaft beteiligen zu können, was auch immer er erfahren will. Derzeit gibt es in jedem Haushalt bereits sechs internetfähige Geräte. Bis zum Jahr 2020 sollen es bereits 16 Geräte sein – Handys, Computer, iPads, Musikgeräte, Geräte zur Hauselektronik­steuerung, TV-Geräte natürlich und was es da alles gibt. Das besagen seriöse Unter­suchungen und Studien.

Diese Signale müssen auch von der öffentlichen Hand, die für Infrastruktur zuständig ist, entsprechend angenommen und behandelt werden. Wir brauchen wesentlich größere Bandbreiten für jeden Endkunden. Das ist durch unsere bestehenden Koaxialkabel nach oben hin nur technisch begrenzt möglich. Ich möchte das mit einem Vergleich verdeutlichen: Der Bandbreitenbedarf betrug vor zehn Jahren 2 Megabyte, jetzt sind es bereits 20 Megabyte. Nach zehn Jahren sind es also bereits 20 Megabyte. Laut Prognosen geht der Trend bis 2020 auf 100 Megabyte. Das schaffen konven­tionelle Kupferkabel, oder was auch immer das ist, nicht mehr. Wir brauchen Breit­band­glasfaserkabel, um diese Informationsgesellschaft in Zukunft zu versorgen.

Wir sagen selbst immer, dass der Bundesrat, die Länderkammer, die starke Stimme der Regionen ist. Das höre ich auch immer wieder von Rednerinnen und Rednern an diesem Pult. Daher hat das hier auch gesagt, gefordert und entsprechend beachtet zu werden. Wir brauchen entsprechende Glasfaseranschlüsse, damit wir die nächsten Jahre und die Anforderungen an unsere Informationsgesellschaft bewältigen können. Sonst wird es mehr Ungerechtigkeit geben. Wer weniger weiß, ist benachteiligt. Wissen ist Macht, heißt es. Wir wollen alle Mitglieder unserer Gesellschaft daran teilhaben lassen, so wie die Personen das haben wollen.

Ich glaube, dass das ein enormer Beitrag zur Ausstattung und zur Verbesserung der Lebensqualität unserer Gesellschaft, der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner sein kann. Ein Beispiel: Ein Kind, das krank zu Hause ist und nicht am Unterricht teilnehmen kann, kann sich in Zukunft, wenn entsprechende Kapazitäten vorhanden sind, mit dem Klassenraum in Verbindung schalten und so vom Krankenbett oder von der Wohnung aus, wenn das Kind an die Wohnung gebunden ist, am Unterricht teilnehmen. Und Teilnehmen ist in allen Bereichen einer demokratischen Gesellschaft ganz, ganz wichtig. Deshalb glaube ich, dass wir unser Augenmerk auf diese Anlagen und diese Infrastrukturbereiche lenken sollen.

Es gibt in Österreich eine Unzahl von Institutionen, Firmen und Einrichtungen, die bereits Glasfiberkabel und Breitbandanschlüsse verlegen. Es ist nicht nur die Post, es ist nicht nur die Bahn, es sind nicht nur die EVUs, die solche Glasfaserleitungen verlegen. Ich glaube, eine ordnende Hand ist hier wichtig, damit die Chancen für den einzelnen Bürger und für die Bürgerin in Zukunft erreichbar werden. Das ist ein großes Anliegen.


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Frau Bundesministerin, ich weiß, dass in Ihrem Ministerium daran gearbeitet wird. Mir geht das im europäischen Vergleich etwas zu langsam. Wir sollten Tempo machen und uns nicht zu sehr auf die verschiedensten Institutionen, die das jetzt schon machen, verlassen, sondern mit einer ordnenden, führenden Hand die Chancen unserer Bürgerinnen und Bürger in Zukunft verbessern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.48


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte, Frau Minister.

 


13.48.17

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn unabhängig von der Novelle, die heute zur Abstimmung steht, kurz auf diese grundsätzliche Debatte eingehen. Das BMVIT hat eine Breitbandstrategie 2020 entwickelt. Wir gehen davon aus, dass es gesellschaftlich, aber auch für den Wirtschaftsstandort wichtig ist, dass wir in ganz Österreich rasche Netze zur Verfügung stellen. Wir brauchen flächendeckend Hochgeschwindigkeitsnetze in ganz Österreich.

Herr Bundesrat, ich teile Ihre Einschätzung, dass das auch deshalb wichtig ist, weil wir eine digitale Kluft zwischen gesellschaftlichen Gruppen nicht zulassen dürfen. Es ist so, es gibt eine digitale Kluft zwischen dem städtischen und dem ländlichen Raum. Es gibt aber darüber hinaus auch eine digitale Kluft zwischen den Jungen und den Alten. Sie haben das Beispiel Ihrer Enkelkinder genannt, die mit diesen Kommunikations­technologien aufwachsen. Für sie ist das mittlerweile die vierte Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Umgang mit diesen Kommunikationstechnologien ist etwas Selbstverständliches. Bei den Anwendungen gibt es, wie gesagt, noch eine Kluft zwischen Jung und Alt. Und es gibt da auch eine Kluft zwischen Arm und Reich. Ihren Enkelkindern stehen die Anwendung des Internets und der Zugang dazu offen, aber es gibt trotzdem viele Kinder, deren Eltern sich das nicht leisten können. Diesen Kindern steht der Zugang zu den neuen Technologien nicht im entsprechenden Maße zur Verfügung.

Daher teile ich Ihre Auffassung, dass die zentrale Herausforderung jene ist, dafür zu sorgen, dass alle – unabhängig von ihrem Alter und ihrer sozialen oder geogra­phi­schen Herkunft – den gleichen Zugang zu diesen Technologien haben. Dafür braucht es eine Reihe von Dingen: Wir brauchen die Infrastruktur, um Stadt und Land zu verbinden und gleiche Chancen zu ermöglichen. Wir brauchen die raschen Netze, den Glasfaserausbau auch in den Regionen wesentlich stärker.

Ich habe daher – neben der Finanzierung von Forschungsförderungsprogrammen mit 80 Millionen € jährlich – eine klare Entscheidung getroffen. Wir werden die digitale Dividende, nämlich die Erlöse aus der Versteigerung freigewordener Funkfrequenzen, verwenden, um diesen Breitbandausbau vorzunehmen. Wir werden 250 Millionen € aus der digitalen Dividende für den Infrastrukturausbau, den Breitbandausbau in Öster­reich verwenden. Damit werden wir dafür sorgen, dass wir relativ rasch glasfaser­schnelle Netze in ganz Österreich haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Man kann die Infrastruktur sozusagen als die Hardware sehen, in die wir sehr viel investieren werden. Wir werden wirklich einen Schub vornehmen. Aber wir werden natürlich auch im Bereich der Anwendungen etwas tun. Wir haben die Kluft zwischen Alt und Jung teilweise auch deshalb, weil möglicherweise der Nutzen für die ältere Generation nicht so gesehen wird. Es geht nicht um das Handytelefonieren, beim Handytelefonieren haben wir eine Durchdringung, da kennt jeder den Nutzen. Aber bei Internetanwendungen ist das nicht so.


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Es geht natürlich auch darum, die Anwendungen und Technologien, wie etwa Tasta­turen, durch Forschung, durch Anwendungstechnologien und mit einfachen Zugängen auf die ältere Generation abzustimmen und diesen Mehrwert herauszuarbeiten. Wenn ältere Menschen diese Anwendungen beherrschen, haben sie möglicherweise auch die Chance, länger in ihren eigenen vier Wänden zu leben und sich in ihrem Wohn­umfeld weiter zu versorgen. Es sind ganz einfache Dinge wie die Erinnerung daran, Medikamente zu nehmen. Wenn das Leben älterer Menschen durch moderne Technologien erleichtert wird, dann haben sie auch einen Mehrwert davon. Aber wir müssen natürlich auch in diese Anwendungstechnologien investieren, und das werden wir auch tun.

Frau Bundesrätin Reiter – ich begrüße Sie als neues Mitglied des Bundesrates –, mir ist in dem Zusammenhang noch wichtig, dass man natürlich sehen muss, dass es einen großen Nutzen dieser Technologien gibt, und zwar nicht nur in der Kommu­nikation, wenn man sich das weltweit anschaut. Manchmal führen diese Technologien zur Demokratisierung ganzer Gesellschaften. Es gibt aber auch Gefahren und Risken. Es geht natürlich auch darum, diese Gefahren und Risken der Technologien zu erkennen.

Auch wenn dieses Gesetz, das wir heute beschließen, recht sperrig klingt – ich muss ja selbst nachschauen: Novelle zum Gesetz über Funkanlagen und Telekommuni­kations­endeinrichtungen. Dieses Wort hätte ich mir als Kind bei „Stille Post“ gewünscht. Es klingt so technisch, es geht dabei aber genau darum. Es geht genau darum, die Risken neuer Technologien abzuschwächen. Es wurde ja auch ausgeführt: Es geht darum, den Konsumenten und die Konsumentin zu schützen. Es geht darum, dass wir möglicherweise Handys am Markt haben, die nicht den strengen österreichischen und europäischen Normen und Grenzwerten entsprechen, die gefährlich sind, die heiß werden, wo Akkus explodieren. Es geht um all diese Dinge, die auch über das Internet zu einzelnen Menschen kommen.

In der Novelle machen wir eigentlich nichts anderes, als genau diesen Konsumenten­schutz zu stärken. Wir werden es erleichtern, dass Handys, die eine Gefährdung darstellen, schneller vom Markt genommen werden können. Wir werden der Behörde zur Marktkontrolle und Marktüberwachung stärkere Instrumente zur Verfügung stellen.

Daher meine ich, dass man bei Veränderungen, bei neuen Technologien, die Nutzen für viele Menschen bringen können, natürlich nicht aus dem Auge verlieren darf, wo Risken vorhanden sind. Wir müssen gesetzlich auf diese Risken eingehen und mit Konsumentenschutz, mit Instrumenten für die Behörden versuchen, dagegen vorzugehen. Das machen wir auch ganz stark in diesem Bereich.

Daher lade ich Sie trotz aller großen Diskussionen, die man über das Thema Infor­mations- und Kommunikationstechnologien führen kann, noch einmal ein, dieser Novelle, die stärkeren Konsumentenschutz und weniger Gefahren für die Nutzer dieser Technologien bedeutet, doch zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.55


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 92

13.55.53 10. Punkt

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2011 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-497-BR/2013 d.B. sowie 9020/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Damit kommen wir zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Beer. Bitte um den Bericht.

 


13.56.08

Berichterstatter Wolfgang Beer: Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Der gegenständliche Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt den Antrag, den Gemein­wirtschaftlichen Leistungsbericht 2011 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


13.56.49

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause an den Bildschirmen! Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2011 in Verbindung mit dem Bericht der SCHIG, der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft – das ist auch wieder ein etwas sperriger Begriff. Verzeihen Sie mir, aber als Erstredner muss ich versuchen, kurz mit einfachen Worten zu erklären, worum es dabei überhaupt geht. Sonst wird sich zu Hause an den Fernsehgeräten wahrscheinlich niemand eine Vorstellung darüber machen können, was diese Begriffe bedeuten.

Gemeinwirtschaftliche Leistungen im Eisenbahnverkehr sind vereinfacht gesagt Fahrten auf Eisenbahnstrecken, wo der Bund, also die öffentliche Hand, dazuzahlen muss. Im Gegensatz dazu sind die eigenwirtschaftlich betriebenen Strecken wie die Westbahn Wien–Salzburg beziehungsweise nach Passau, die Brennerachse, die Rheintalbahn und die Nord- und die Ostbahn von diesem Bericht ausgenommen.

Insgesamt wurden im Jahre 2011 für etwas über 77 Millionen Kilometer 642 Millionen € ausgegeben. Das sind etwas mehr als 8 € pro Kilometer. Darin sind zirka 6 Millionen für Privatbahnen enthalten. Es ist natürlich so, dass dieser Bericht 2011 behandelt. Wir haben jetzt Mitte 2013. Er ist wahrscheinlich schon etwas veraltet und vielleicht teilweise von der Realität überholt. Wie auch immer, in diesem Bericht, vor allem in dem der SCHIG, wird der Qualität ein sehr breiter Raum eingeräumt. Es gibt ein Qualitätsmanagementsystem in Verbindung mit einem Bonus-Malus-System. Das trifft allerdings nur auf die ÖBB zu. Für die Privatbahnen sei dies angeblich nicht anwend­bar. Die ÖBB haben aus diesem System im Jahr 2011 etwas über 4,6 Millio­nen € an Bonuszahlungen lukriert und einen Abzug von ungefähr 354 000 € zu verkraften gehabt. Das sieht auf den ersten Blick wirklich super aus.

Dieses ganze System ist mit Messgrößen, Kriterien und Gewichtungen hinterlegt. Unterschieden wird da zwischen objektiven Kriterien und subjektiven Kriterien, das sind also im Prinzip die Bewertungen durch die Kunden. Bei genauerer Durchsicht stellt sich natürlich schon ein bisschen die Frage, ob das gesamte System nicht zu sehr für die ÖBB maßgeschneidert ist und damit vielleicht etwas wettbewerbsverzerrend wirkt, weil man kann natürlich bei solchen statistischen Betrachtungen sehr wohl auch die Zielwerte an die Messwerte anpassen, um so zu hervorragenden Ergebnissen zu kommen. So ist beispielsweise bei der Pünktlichkeit im Fernverkehr eine 95-prozentige


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 93

Quote der Zielwert und im Nahverkehr eine 80-prozentige Quote. Worin sich der Unterschied begründet, wird allerdings nicht näher erläutert. Und siehe da: Die Messwerte liegen genau über diesen Zielwerten! Wunderbar!

Das Einzige, wo man schlecht wegkommt, auch in dem Bericht, was also zugegeben wird, ist die Information der Fahrgäste. Die lässt zu wünschen übrig, vor allem im Fall von Ausfällen, Schienenersatzverkehren und solchen Dingen.

Bei den subjektiven Parametern wird ein Zielwert von 2,5 definiert. Das Ganze geht nach dem Schulnotensystem von 1 bis 5. Auch hier liegt die ÖBB wunderbar, überall unter 2,5. 1 wäre das Optimum. Man kann also überhaupt keine Beurteilung treffen, wie das bei den Privatbahnen aussieht, und keinen Vergleich machen, und vor allem gibt es auch keinen Anreiz für die Privatbahnen, zu versuchen, eine optimale Qualität zu erbringen, weil ja dieses Bonus-Malus-System eigentlich in diesem Fall nur den ÖBB zugutekommt. Hier werden also – das wurde bereits gesagt – über 4 Millionen € ausgeschüttet.

Interessant wäre natürlich auch, einen Vergleich von Strecken zu haben, wo es wirklich eine Konkurrenz gibt, weil bei den Verkehren, die in diesem Bericht betroffen sind, ist es ja meistens so, dass es keine Alternative gibt und ich nicht die Wahl habe, ob ich mit der entsprechenden Privatbahn fahre oder mit den ÖBB. Da wäre es also schon interessant, einmal einen Qualitäts- und Leistungsvergleich zu haben, beispielsweise auf der Westbahnstrecke zwischen ÖBB und der Westbahn.

Für uns ist eigentlich der Teil des Berichtes gänzlich unbefriedigend, der die Rail Cargo Austria betrifft. Es fehlen eigentlich weitgehend die Ansätze und die Anreize, wie Güterverkehr verstärkt auf die Schiene verlagert werden kann. Wir wissen ja gerade auch aus der Diskussion in jüngerer Zeit, zugegebenermaßen nach 2011, aber das kann man natürlich nicht ganz ausblenden, dass die Rail Cargo Austria selber teilweise von der Schiene auf die Straße verlagert und zusätzliche Lkws anschafft. Eigentlich geht das an den wirklichen Zielen vorbei. Auch an die Debatte über die Schließung von etlichen Güterterminals, gerade was die Holzverladung betrifft, sei hier erinnert.

Vielleicht noch etwas: BahnExpress gibt es noch immer. Ich habe da nachschauen müssen. Ich habe da eigene Erfahrungen. Vor einigen Jahren hat meine Firma eigent­lich 80 bis 90 Prozent ihres Versandes mit BahnExpress abgewickelt, aber aufgrund des sich ständig verschlechternden Angebotes haben wir jetzt einen Anteil von genau 0 Prozent mit BahnExpress. Das ist sukzessive abgebaut worden wegen der Schließung von BahnExpressknoten oder der Beschränkungen. Beispielsweise werden nur mehr Güter bis zu einer Länge von maximal 3 Metern angenommen. Wenn ich also 3,05 Meter habe, wird das bereits nicht mehr angenommen. Im Straßenverkehr habe ich hier keine Probleme damit. Das ist in unseren Augen kontraproduktiv.

Daher werden wir diesem Bericht nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.05


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


14.05.24

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahrscheinlich schon Tradi­tion am Rednerpult, wenn es um öffentlichen Verkehr geht, wenn irgendwo die ÖBB dabei sind, dass in der Rednerliste auf Platz eins Krusche und auf Platz zwei Stadler kommt, aber das soll ja nichts Schlechtes bedeuten. (Bundesrat Köberl: Es ist immer interessant! – Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.) – Das stimmt. Ich habe ja schon letztes


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 94

Mal meine Meinung über diverse Aussprüche gesagt, verschiedene Meinungen kann man dazu haben.

Heute sind deine Worte, speziell was du bezüglich Rail Cargo Austria gesagt hast, eigentlich Balsam für meine Ohren. Ich habe ja schon sehr oft darauf aufmerksam gemacht, auf die Beförderung, speziell die Güterbeförderung. Gerade deine Fraktion ist ja nicht nur im Bundesrat, im Nationalrat, sondern auch in der Öffentlichkeit, wenn es gern gehört wird, beispielsweise in Bierzelten, immer eine, die Zahlenspiele macht, um zu zeigen, was denn die ÖBB für Verschleuderer sind, was die an Steuergeld ver­schlingen, und jetzt forderst du Sachen ein, so wie jetzt bei Rail Cargo Austria, wo ich dir zustimmen muss, wo ich sage: Leider haben die ÖBB so manchen Verkehr selber von der Schiene auf die Straße gebracht. Aber warum ist das so? (Bundesrat Kneifel: Sind wir schuld?) – Nein, das habe ich nicht gesagt, aber da hat es einen öffentlichen Druck gegeben, dass das Unternehmen wirtschaftlich arbeiten muss. Das hat es immer gemacht, aber sie haben auch den öffentlichen Auftrag gehabt, Beförderungen durchzuführen, die nicht so kostendeckend waren. Gerade das sind die Beförderungen gewesen, wo man einzelne Firmen, wenn sie nur einen Wagen einmal am Tag oder einmal in der Woche gehabt haben, auch immer bedient hat.

Das ist einfach nicht wirtschaftlich und das ist der Teil, den die Rail Cargo Austria jetzt abgeschlossen hat, weil sie nicht vergleichbar war mit den privaten EVUs, die mit Ganzzügen – ich glaube, es ist ja nicht das erste Mal, dass ich über Ganzzüge geredet habe und darauf aufmerksam gemacht habe – von Antwerpen bis Koper oder sonst irgendwohin fahren, wo man leicht kostendeckend fahren kann. Die ÖBB haben jetzt auch den Weg eingeschlagen und sich auch, neben vielen anderen Sachen, wo es den politischen Auftrag gibt, diesen Verkehren gewidmet. Das einmal zu deinen Ausführungen.

Zum Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht: Die SCHIG – du hast es ja schon aus­geführt –, die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft, wurde von der Frau Bundesministerin beauftragt, die Leistungen, das Grundangebot mittels Vertrag bei den geeigneten EVUs zu bestellen und auch diese Verträge abzuwickeln. Der Bericht, den wir heute diskutieren, ist, wie du ja schon gesagt hast, von 2011. Das ist der erste dieser Art nach dem neuen Bestellregime, das ja seit 2011 gilt. Der Bericht ist trans­parent, sehr umfangreich und übersichtlich. Mich wundert es ein bisschen, dass die FPÖ jetzt im Plenum des Bundesrates dagegen ist, weil ich war im Verkehrsausschuss des Nationalrates, dort, wo dieser Bericht enderledigt wurde, und dort haben die Kolle­ginnen und Kollegen der freiheitlichen Fraktion wohlwollend zugestimmt. Sie haben diesen Bericht gelobt, haben die Ausführungen, die Transparenz, alles gelobt. Auch gestern im Ausschuss ist ja von eurer Fraktion noch die Zustimmung gekommen. Was dich über Nacht geritten hat, dass du da heute wieder dagegen stimmst, weiß ich nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Erzähl keine Geschichten!)

Na bitte, als Ausschussvorsitzender weiß ich schon noch, wer gestern dafür oder dagegen gestimmt hat. Der gestrige Beschluss war einstimmig. Wenn du den Bericht gelesen hättest – auch für eure Fraktion gilt das, was der Herr Präsident heute gesagt hat –, würdest du wissen, dass dort „einstimmig“ steht. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann ist da ein Irrtum!) – Dann ist es wahrscheinlich ein Schreibfehler, aber als Vorsitzender weiß ich schon noch, wie abgestimmt worden ist. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bis die Verwirrtheit in eurer Fraktion wieder zur Ruhe kommt, vielleicht noch einmal zum Bericht: Wie der Kollege Krusche schon gesagt hat, ist die Mobilität der wesentliche Teil unserer Gesellschaft. Menschen legen täglich Wege zurück, um zu Arbeitsplätzen zu kommen, um zu Ausbildungsplätzen zu kommen. Güter des täglichen Bedarfs sollen möglichst uneingeschränkt verfügbar sein. Firmen versuchen, neue Arbeitsmärkte zu erschließen; Produktionsmethoden


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 95

werden immer spezialisierter und dadurch arbeitsteiliger. Das alles verursacht Verkehr. Die Aufgabe der Verkehrspolitik ist es daher, neben der Nutzung von modernen Technologien zur Verkehrsvermeidung, die notwendigen Verkehrsressourcen so scho­nend wie möglich zu gestalten. Im urbanen Bereich, bei großen Verkehrsaufkommen, in ökologisch sensiblen Gebieten und zur Erreichung einer Grundversorgung ist der öffentliche Verkehr oft die beste Möglichkeit zur Erfüllung dieser Ziele. Wie der Kollege schon gesagt hat, ist da oft die öffentliche Hand mit ihren Zuzahlungen notwendig. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie kommt seiner Aufgabe dabei durch die Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Schienenverkehr nach. Im vorliegenden Bericht können wir dann nachvollziehen, wie die Bestellungen der SCHIG durchgeführt wurden und welche Auswirkungen die bestellten Leistungen hatten.

Im Personenverkehr hat Kollege Krusche schon ein paar Dinge angesprochen. Dort ist mit den ÖBB im Jahr 2010 ein neuer Verkehrsdienstvertrag abgeschlossen worden, die Laufzeit endet 2019. Bei den Privatbahnen besteht ein solcher Vertrag seit 2011. Die Laufzeit ist dort dieselbe, nämlich bis 2020. Wie gesagt, dies bedeutet, 2011 ist das erste volle Jahr unter dem neu bestellten Regime.

Der vorliegende Bericht zeigt uns, dass auf der einen Seite die Empfehlungen des Rechnungshofes eingehalten und auch umgesetzt wurden, dass andererseits auch die EU-Vorgaben umgesetzt wurden. Es gibt eine klare Leistungsbestellung, aber keine Subventionen mehr. Es gibt eine langfristige Absicherung, die langen Laufzeiten der Verträge habe ich schon erwähnt, und es besteht eine Leistungskontrolle durch die SCHIG. Bei Leistungsstörungen gibt es auch Abzüge. Die Effizienz ist gegeben, die Kontrolle erfolgt durch unabhängige Wirtschaftsprüfer. Die durchgeführten Maßnahmen führten zu einer Qualitätssteigerung und auch zu mehr Pünktlichkeit. Bei der Pünktlich­keit – diese Frage hast du schon angesprochen, Kollege Krusche – hat es im Per­sonenverkehr von 2010 auf 2012 eine Steigerung von 95 Prozent auf 97 Prozent gegeben. Bei den Zügen im Fernverkehr ist es etwas schlechter. Dort erfolgte im Bereich der Pünktlichkeit ein Anstieg von 75 auf 87 Prozent. Da muss man bedenken, dass dieser auch von Nachbarbahnen abhängig ist. Für die ÖBB ist dann negativ, wenn es bereits beim Grenzübertritt zu Verspätungen kommt. Die Sauberkeit ist von 87 auf über 96 Prozent gestiegen.

Was, glaube ich, auch wichtig ist, weil davon viel abhängt, ist die Kundenzufriedenheit. Im Bericht ist angeführt, dass die Zufriedenheit – benotet man nach dem Schul­notensystem – 2012 auf 1,94 gestiegen ist. Was natürlich auch erfreulich ist: Die durchgeführten Maßnahmen haben auch zu Zuwächsen bei der Zahl der Fahrgäste geführt. Beim gemeinwirtschaftlich bestellten Verkehr waren das 1,64 Prozent, und insgesamt gab es im Personenverkehr ein Plus von 6,8 Prozent.

Ganz kurz nur zum Güterverkehr: Auch dort hat das österreichische Fördersystem Wirkung gezeigt. Österreich ist – abgesehen von den baltischen Ländern – das Land mit dem höchsten Modal Split. Das heißt, der Anteil zugunsten der Schiene beträgt rund 32 Prozent. Trotz schwieriger Entwicklungen hat sich der Modal Split im Jahr 2011 nicht verschlechtert, obwohl es eine Wirtschaftskrise gegeben hat. Da sind wir wirklich im Spitzenfeld. Auch im Jahre 2012 – da sind schon Zahlen bekannt gewor­den – liegen wir wieder erfreulicherweise über 30 Prozent, bei fast 32 Prozent.

Abschließend möchte ich bemerken, dass die aufgewendeten Mittel, circa 757 Millio­nen €, wie es Kollege Krusche schon erwähnt hat, zur Bestellung von gemeinwirt­schaftlichen Leistungen gut eingesetzt sind und die SCHIG als Vertragspartner den Auftrag des BMVIT und die Abwicklung ihrer Obliegenheiten bestens wahrnimmt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 96

Präsident Edgar Mayer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundes­rat Hafenecker zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten Redezeit nicht überschreiten darf. Sie hat sich auf die Wiedergabe der zu berichtigen­den Behauptung und die Darstellung des zu berichtigenden Sachverhaltes zu beschränken.

Bitte, Herr Bundesrat Hafenecker.

 


14.15.57

Bundesrat Christian Hafenecker (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Kollege Stadler, ich weiß nicht, welchen Bericht du gelesen hast, allerdings war auch ich gestern selbst in dem Ausschuss. Du warst Ausschuss-Vorsitzender, wie du richtig gesagt hast, und hast auch nachgefragt, wie das Abstimmungsergebnis ist. Und es ist auch dem Bericht zu entnehmen, dass die FPÖ dagegen gestimmt hat. Das nur zu deiner Information. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Siehst du, ich habe es dir gleich gesagt!)

14.16


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.16.00

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Nach der Diskussion über Ausschussberichte möchte ich gerne wieder auf das eigentliche Thema zurückkommen. Wir diskutieren den Leistungsbericht 2011. Wir diskutieren diesen Bericht in einer Zeit, in der sehr viele Zeugnisse geschrieben und auch überreicht werden. Ein solches Zeugnis ist auch der vorliegende Leistungsbericht. Analysiert man, diskutiert man diesen Leistungsbericht, dann sieht man, er stellt allen Beteiligten ein gutes Zeugnis aus: dem Bund und der öffentlichen Hand. Der Bund nimmt mit 757 Millionen € zur Sicherstellung eines öffentlichen Verkehrs sehr viel Geld in die Hand. Das ist eine dreiviertel Milliarde €. Das ist auch im internationalen Vergleich sehr viel Geld, das Österreich für den öffentlichen Verkehr hier zur Verfügung stellt.

Der Leistungsbericht hat auch noch eine zweite Seite. Er sagt etwas über die Qualität der erbrachten Leistungen aus. Auch die erbrachte Qualität ist hervorragend. Über dieses gute Zeugnis können sich die öffentlichen und die privaten Bahnen und alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr, sehr freuen.

Wo stehen wir in Österreich? – Österreich ist ein Musterland, wenn es um den Güter­transport geht. In Sachen Gütertransport liegen wir europaweit an zweiter Stelle. Jede dritte Tonne bei den Gütern läuft über die Schiene. Das ist ein Spitzenwert in Europa. Das muss man auch einmal ganz positiv und wertschätzend zur Kenntnis nehmen. Leider sind wir im Personenverkehr nicht so weit. Im Personenverkehr haben wir noch Aufholbedarf. Da ist Potenzial vorhanden, und da müssen wir auch alle Register und Hebel ziehen, damit wir in einer immer mobiler werdenden Gesellschaft nicht zurückfallen. Da haben wir Handlungsbedarf.

Wir haben aber die Weichen gut gestellt. Das sagt uns auch dieser Bericht, denn der Bericht ist auch ein Kursbuch. Da möchte ich auch die Konsumenten und die Fahrgäste heute mit in die Diskussion hereinnehmen. Auch die Fahrgäste, die täglich mit dem Zug unterwegs sind, stellen der Struktur, der Qualität der erbrachten Leis­tungen ein hervorragendes Zeugnis aus. Aufgrund der positiven Bewertung durch die Fahrgäste, durch die Konsumentinnen und Konsumenten gelingt es den Bahnen, über 4 Millionen € zu lukrieren. Das ist kein geschenktes Geld. Da machen wir es den


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 97

Bahnen auch nicht leicht, sich diese 4 Millionen € abzuholen. Es wäre in dem Topf nämlich noch viel mehr: 20 Millionen € könnten die öffentlichen Bahnen aus diesem Topf lukrieren. Ich bin zuversichtlich, dass – wenn wir diesen Weg weitergehen – sich die Bahnen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Bonustopf noch zur Gänze abholen werden. Das ist auch ein Ziel, weil sich mit den Bonuszahlungen auch konkrete Qualitätsstandards und – ich sage einmal so – Qualitäten verbinden.

Die Bahn ist heute wirklich sehr gut unterwegs, wenn es um Pünktlichkeit geht. Die Sauberkeit der Züge wird sehr geschätzt, die Zusammenstellung der Zuggarnituren mit barrierefreien, gut klimatisierten Waggons wird sehr positiv zur Kenntnis genommen. Schwächen gibt es noch beim Schienenersatzverkehr und bei der Fahrgastinformation, aber da werden wir uns steigern, und mit dieser Steigerung werden wir es auch schaffen, die Kunden bei der Stange zu halten.

Frau Minister, wir brauchen aber nicht nur diesen Vertrag, der den Bund in eine bessere Position bringt – er hat uns in eine gute Position gebracht. Früher, in der Vergangenheit waren wir nur der Zahler, heute sind wir auch Kunde, weil wir etwas bestellen und Zug um Zug dafür auch Gegenleistungen erhalten, aber es wird noch etwas brauchen. Wir brauchen auch den Ausbau der Infrastruktur generell. Das Bestellen ist die eine wichtige Sache, aber wir brauchen auch den Ausbau der Infrastruktur, damit möglichst viele Österreicherinnen und Österreicher ein modernes, attraktives Zugnetz, Bahnnetz nutzen können.

Ich schätze es sehr und es freut mich, dass im Zuge des Alpine-Konjunkturprogramms auch die Schiene ein Ausbau-, ein Investitionsschwerpunkt sein soll. Als Mühlviertler, als Bürgermeister von Freistadt würde ich es sehr begrüßen, wenn wir damit auch den Ausbau der Summerauer Bahn beschleunigen könnten, denn das ist wichtig: dass wir auch in den Regionen einen Zugang zur Bahn haben, einen Zugang zu einer leistungs­fähigen, zu einer modernen, gut ausgebauten Bahninfrastruktur, denn dann wird es uns gelingen, beim Gütertransport vorne zu bleiben und auch im Personenverkehr Gas zu geben, ganz vorne zu landen.

In diesem Sinne hoffe ich auf einen beschleunigten Ausbau der Summerauer Bahn mit Bahn und Schiene, und wenn wir dort Gas geben, sind wir auch gut unterwegs. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.22


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


14.22.09

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Herr Krusche, eine Ihrer Aussagen hat mich sehr stark irritiert. Da ich von der Eisenbahn komme, als Kundenberater im Güterverkehr tätig war und auch im Personenverkehr, hat mich folgende Aussage irritiert: Ich glaube, Sie haben gesagt, Güter über 3,05 Meter gehen nicht mehr. (Bundesrat Krusche: Bitte?)

Wenn ich bedenke, dass die Voest bekannterweise Schienen mit 120 Metern erzeugt und transportiert (Bundesrat Krusche: Aber nicht per BahnExpress aufgibt!), ist es für mich nicht ganz nachvollziehbar, dass größere Transporte bei den ÖBB beziehungs­weise bei der Eisenbahn nicht möglich sein sollen. Das heißt, es gibt nach wie vor sehr wohl Möglichkeiten, derartige Transporte durchzuführen, man muss sich nur mit dem entsprechenden Kundenberater unterhalten.

Jetzt aber zurück zum Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht: Wozu dient er, bezie­hungsweise wer profitiert eigentlich von den gemeinwirtschaftlichen Leistungen? – In Wirklichkeit, muss man sagen, profitiert direkt oder indirekt eigentlich jeder. Auf der


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einen Seite können durch diese gemeinwirtschaftlichen Leistungen die Preise der Fahrkarten attraktiv und leistbar gestaltet werden, und auf der anderen Seite profitieren die Menschen durch die Verlagerung von Gütern auf Schienen, speziell Gefahren­gütern auf Schienen, denn dadurch kann das Gefahrenpotenzial der Beförderung derartiger Güter auf Straßen wesentlich gesenkt werden.

Geschätzte Damen und Herren! Über 90 Prozent der Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer sind Nahverkehrsgäste. Der öffentliche Nahverkehr ist eine unverzichtbare gemein­wirtschaftliche Leistung, die keine Eisenbahn der Welt zur Gänze über den Ticket­verkauf erwirtschaften kann. Ohne Finanzierung durch die öffentliche Hand müssten die Tickets mindestens drei-, vier-, fünfmal so teuer sein wie jetzt, sodass Bahnfahren dann nur mehr den allerwenigsten Menschen möglich wäre beziehungsweise wahr­scheinlich nur mehr einem elitären Kreis. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes im Personenverkehr sind neben einer guten Infrastruktur der entscheidende Baustein, um die Verlagerung des Verkehrs auf die umweltfreundliche Schiene zu erreichen.

Von meinen Vorrednern ist schon sehr viel über diesen Leistungsbericht gesagt wor­den, daher werde ich mich – da ich von einer Privatbahn komme – auf die Privatbahn konzentrieren.

Was mich als Privatbahner besonders freut, ist die Entwicklung der bestellten gemein­wirtschaftlichen Leistungen bei den Privatbahnen im Güterverkehr. Da konnten die Privatbahnen – und das wurde ja im Bericht extra angemerkt – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise anscheinend besser ausgleichen, und das ist sicherlich eine besondere Leistung der Privatbahnen.

Im Personenverkehr wurden ja mit den Privatbahnen entsprechende Verkehrsdienste­verträge abgeschlossen, wobei – und das ist für diese Bahnen besonders wichtig – betreffend Qualitätsmanagement Übergangsbestimmungen eingeführt wurden. Das heißt, das Qualitätsmanagement kommt nach 2013; es ist nicht so, wie gesagt wurde, dass es bei den Privatbahnen kein Qualitätsmanagement gibt.

Die Privatbahnen sind als Zubringer zu den Hauptdestinationen ein wichtiger Partner in der Bewältigung des Regionalverkehrs – für Bund, für Land und natürlich auch für die ÖBB-Personenverkehr. Ohne gemeinwirtschaftliche Zuschüsse könnte der Regional­verkehr von den Privatbahnen sicherlich nicht aufrechterhalten werden. Die Privat­bahnen sind die Ader des Regionalverkehrs, ein wichtiges Verkehrsmittel für die Pendlerinnen und Pendler, ebenso für den Tourismus in der Region.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der öffentliche Verkehr erfüllt wichtige Funktionen für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Ohne gemeinwirtschaftliche Leistungen ist eine möglichst flächendeckende Erreichbarkeit der Regionen mit öffentlichen Verkehrs­mitteln und vor allem die Leistbarkeit des Angebotes nicht möglich. Ohne gemeinwirtschaftliche Leistungsabgeltung im Güterverkehr würden viele, viele Lkws – ich will es mir gar nicht ausrechnen – zusätzlich österreichische Straßen belasten. Da geht es ganz einfach um die Gewährleistung des Grundbedürfnisses der Mobilität, um die Verkehrssicherheit und vor allem auch um den Umweltschutz und den Klimaschutz.

Abschließend möchte ich dir, Frau Bundesministerin, und deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMVIT und der Tochtergesellschaft für die – vor allem auch in der Beilage enthaltenen – detaillierten, transparenten Beschreibungen über die gemeinwirt­schaftlichen Leistungen herzlich danken. Meine Partei wird diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.28


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 99

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.28.19 11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Sitz des Inter­nationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Österreich (2302 d.B. und 2420 d.B. sowie 9021/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


14.28.46

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zen­trum für interreligiösen und interkulturellen Dialog über den Sitz des Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Österreich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke für die Berichterstattung.

Bevor wir in die Debatte eingehen, begrüße ich sehr herzlich Herrn Staatssekretär Dr. Lopatka. Herzlich willkommen, Herr Staatssekretär, bei uns im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


14.30.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause! Heute sollen wir also alle diplomatischen Privilegien für das – ich sage es jetzt noch einmal, aber nicht so verschluckt wie bisher – König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog beschließen. Das Zentrum selbst haben wir ja bereits vor knapp einem Jahr beschlossen. (Ruf bei den Grünen: Wir nicht!) – Wir auch nicht.

Das ist ein Amtssitzabkommen, das aber sogar über das übliche Maß hinausgeht. Das übliche Maß, das sind ja eigentlich ausreichend Privilegien und Immunitäten: eine weitgehende oder man kann auch sagen komplette Steuerbefreiung nicht nur des Zentrums, sondern aller dort arbeitenden Personen – das reicht bis zur Mehrwertsteu-


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er­befreiung –, natürlich auch die Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen und der Gerichtsbarkeit.

Aber die Organisation, im Gegensatz zu anderen internationalen Organisationen, verpflichtet sich erst gar nicht, diese Privilegien nicht zu missbrauchen, sie stellt ja nur in Aussicht, dass sie diese vielleicht einmal nicht missbrauchen wird. Das ist eigentlich schon sehr bezeichnend und sehr typisch für die Vertreter und die Politik dieses Landes. Und es verwundert mich nicht, denn ich bin einer der wenigen, wenn nicht sogar der Einzige hier in diesem Raum, der in diesem Land praktische Erfahrungen machen konnte.

Ich bin Zeuge geworden, wie einem Kollegen von mir bei der Einreise das Gold­kettchen mit einem Kreuz vom Hals gerissen wurde. Ich bin Zeuge geworden, wie die Mutawwa – das sind die Religionswächter – in Einkaufszentren auch die westlichen Frauen bedrängten und dazu zwangen, dass sie eine adäquate Kopfbedeckung tragen.

Ich habe einen Kollegen, der – weil sein Freund eine Besprechung hatte, die etwas länger dauerte – die Ehefrau dieses Freundes zum Friseurtermin gebracht hat; beide haben dann einige Tage wegen Prostitution und Zuhälterei im Gefängnis verbracht. Nur der strategischen Bedeutung eines Projektes ist es zu verdanken, dass die Betref­fenden schlussendlich relativ glimpflich mit einem „Exit only“-Stempel im Pass auf Nimmerwiedersehen nach Hause geschickt wurden.

Ich hätte auch die Gelegenheit gehabt, an öffentlichen Hinrichtungen, Auspeitschungen und Amputationen am Freitag teilzunehmen, habe diese Gelegenheit aber nicht ergriffen.

Privilegien also sollen wir hier beschließen für ein Land, an dem gemessen die viel geprügelte, international geprügelte Islamische Republik Iran ja geradezu ein Hort von Demokratie und Toleranz ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ich kenne beide; im Vergleich dazu: Ja.

Das Land wird von den Wahhabiten, einer erz- und ultrakonservativen und dogma­tischen Richtung des sunnitischen Islam, beherrscht. Sie nehmen für sich in Anspruch, den Islam authentisch zu vertreten; auch die Taliban-Ideologie weist große Ähnlichkeit auf, und Salafisten ist im Prinzip eine Bezeichnung für nicht saudi-arabische Wahhabiten, die der Rechtslehre des Salafismus anhängen.

Der deutsche Verfassungsschutz kommt zu dem Schluss, dass das von Salafisten verbreitete Gedankengut den Nährboden für eine islamische Radikalisierung bildet und dass fast alle in Deutschland identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt sind.

Saudi-Arabien ist auch sehr eifrig im Missionieren. Von diesem Land ausgesendete Hassprediger sind darauf aus, auch deutsche Konvertiten zum Wahhabismus und zum Terrorismus zu erziehen, aus ihrer Sicht quasi zu bekehren. Die Gegenleistung für diverse Waffenlieferungen Deutschlands – die Panzer haben sie ja gut brauchen können, um beispielsweise die Bürgerrechtsbewegungen in Bahrain im Keime zu er­sticken – war die Gratisverteilung von 300 000 Koran-Exemplaren in Deutschland – was eigentlich im Sinne des Islam ein Sakrileg darstellt, weil es eine Entweihung des heiligen Buches ist, wenn dieses unkontrolliert verteilt wird.

Auch alle 9/11-Attentäter waren Salafisten. Bekanntermaßen haben die USA in der Folge den Afghanistan-Feldzug begonnen, dabei aber leider übersehen, dass 9/11 kein afghanisches, sondern ein saudi-arabisches Unternehmen war. Osama bin Laden, der ja selbst Saudi war, hat zwar Zuflucht in Afghanistan gefunden, aber von dort aus war er sicher nicht in der Lage, dies zu steuern. Das waren in den USA gut etablierte


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Saudis. Für die Amerikaner ist dieses Land in ihrer naiven Politik ein guter Verbün­deter, vor allem auch gegen den Schurkenstaat Iran.

Auch heute, gegenwärtig, sind saudische Kämpfer an allen Unruheherden der islamischen Welt an vorderster Front im Einsatz. Das reicht vom Maghreb bis Syrien. Mit Saudi-Geld werden Moscheen errichtet, auch in der Türkei, und man sieht beispielsweise auch in Bosnien, dass der bosnische Islam seit der Einflussnahme durch die Wahhabiten nicht mehr jene tolerante Prägung hat, die er einmal gehabt hatte.

Das Land, das dieses Zentrum finanziert und ihm den Namen gibt, schreibt auf der Home­page dieses Zentrums von einer „Vision“ – „Religion soll Respekt und Verständ­nis ermöglichen“ – und einer „Mission“.

Die Mission des Zentrums ist „die Förderung von Verständnis, Respekt und Vielfalt durch die Institutionalisierung des Dialogs zwischen den Anhängern von Religionen und Kulturen. Als internationale Organisation versteht sich“ das Zentrum „als Plattform und Gastgeber dieses interreligiösen und interkulturellen Dialogs“.

Und betreffend Ziele wird definiert: „Wissen im Bereich des interreligiösen und inter­kulturellen Dialogs schaffen, entwickeln und verbreiten“; den „gegenseitigen Respekt für Unterschiede () kultivieren und vorantreiben“; „Brücken bauen – Konflikte ansprechen und die Zusammenarbeit zwischen den () Gruppen fördern“.

Meine Damen und Herren, das soll irgendjemand glauben angesichts der Realpolitik, die von diesem Land gemacht wird?!

Wenn man wohlmeinend ist und es quasi optimistisch sieht, dann sagt man, es ist lediglich der Versuch der Saudis, sich hier ein moralisches Feigenblatt umzuhängen, wenn man aber weniger optimistisch – und ich fürchte, realistisch – ist, dann dient dieses Zentrum dazu, ein Brückenkopf für die Radikalisierung und Islamisierung im deutschsprachigen Raum und am Balkan zu werden. Und zu diesem Zweck sind die heute zu beschließenden Privilegien und vor allem auch die Immunitätsregeln wie geschaffen.

Wir werden uns nicht zum Handlanger einer solchen Entwicklung machen. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

14.40


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Temmel zu Wort. – Bitte.

 


14.40.54

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf aus Deutschland die Schüler der Martin-Luther-Schule recht herzlich begrüßen, die sich auch mit Politikwissenschaft beschäftigt. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrter Herr Kollege Krusche! Sie haben jetzt wirklich krampfhaft Argumente gesucht, um gegen dieses Zentrum zu polemisieren. (Ironische Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) In Wirklichkeit ist es ein internationales Zentrum, wegen dem Wien und Österreich keinen Nachteil haben. Die Gründungsversammlung hat ganz deutlich gezeigt, dass die Religionen und die internationalen Organisationen zu diesem Zentrum stehen und es auch begrüßen.

In Oberwart hat die Frau Nationalratspräsidentin mit den Religionsvertretern am vergangenen Sonntag eine sehenswerte Ausstellung eröffnet, die sich in erster Linie mit den sechs verschiedenen Friedhöfen beschäftigt, was für so eine Kleinstadt mit 7 000 Einwohnern schon beachtenswert ist. Oberwart ist bekannt für die verschie-


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denen Volksgruppen, für die verschiedenen Religionen und leider auch bekannt durch das schreckliche Attentat auf die Volksgruppe der Roma.

In seiner Erklärung hat der Künstler und Ausstellungsleiter Peter Wagner auf die Bedeutung des Zusammenlebens der Religionen in dieser Stadt hingewiesen. Bis zum Jahr 1938 hat es wöchentliche Treffen gegeben, bei denen immer alle Probleme angesprochen und gelöst wurden, also ein Austausch auf unterster Ebene, der auch heute wieder vorbildhaft funktioniert.

Deshalb will ich noch einmal auf die Bedeutung des Abdullah bin Abdulaziz Zentrums hinweisen und darauf eingehen. Das Zentrum sieht es als seine Aufgabe, Dialog und Verständnis im interreligiösen und interkulturellen Bereich zu fördern, um Zusammen­halt, Achtung für Vielfalt, Frieden und Gerechtigkeit zu stärken. Ebenso will das Zentrum ein Ort sein, wo sich der offene Dialog zwischen den Anhängern unterschied­licher Religionen und Kulturen entfalten kann. Es hat auch das Ziel, die Zusam­men­arbeit und Verständigung zu suchen und gegen den Missbrauch der Religion, Gewalt und Unterdrückung einzutreten. Es wurde bereits ein konkretes Arbeitspro­gramm ausgearbeitet und schon im November soll wieder ein großes Treffen stattfinden.

Dieses Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen König Abdullah bin Abdulaziz Zentrum soll die Tätigkeit der Einrichtung sowie die Gleichbehandlung mit vergleichbaren anderen internationalen Organisationen, wie dem Joint Vienna Institute, dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung, der Energiegemeinschaft oder der Internationalen Anti-Korruptionsakademie sicher­stellen.

Wir werden dieser Regierungsvorlage zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.44


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


14.44.20

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Bekanntlich trennen die FPÖ und uns Grüne ideologisch sozusagen Galaxien, aber in diesem Fall, muss ich sagen, hat der Herr Kollege Krusche außenpolitisch zwar nicht in allen Bereichen, aber bei fast allem ausgesprochen recht. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Der einzige Unterschied ist, dass der Herr Krusche Saudi-Arabien persönlich erleben konnte. – Ich werde es nicht erleben, weil ich in dieses Land gar nicht einreisen werde, weil ich als Homosexueller dort ohnehin schon die Todesstrafe zu erwarten habe. So schauen die Menschenrechte in Saudi-Arabien aus.

Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir den Außenpolitischen Bericht bekommen und hier diskutiert. In diesem Außenpolitischen Bericht des Außenministeriums wurde explizit festgehalten, dass das Außenministerium besonderen Wert darauf legt, in Zukunft weltweit auf die Frauenrechte und auf die Menschenrechte zu achten. – Und dann rollt man dem König von Saudi-Arabien hier einen roten Teppich aus: Er darf sich international als Hort des Liberalismus, der Offenheit und des Dialogs präsentieren, während in seinem Land, in Saudi-Arabien, Frauenrechte, Menschenrechte durch den Wahhabismus mit Füßen getreten und umgebracht werden. Das ist Realität, das sind Tatsachen, und das ist wirklich keine Außenpolitik, wie ich sie mir von einer österreichischen Außenpolitik erwarte. (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Von einer österreichischen Außenpolitik erwarte ich mir, dass sie, wenn sie sich schon für Menschenrechte einsetzt, das dann auch konsequent durchsetzt, konsequent bleibt, und dass nicht sozusagen Interessen, die wahrscheinlich irgendwie mit Wirt-


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schaft und Öl zu tun haben, einfach viel wichtiger sind als solche fundamentalen Grundrechte von Menschen.

Aber wir, und vor allem mein Kollege Dönmez, haben, das muss man auch zugeben, dieses Kapitel hier schon sehr wortgewaltig und emotional diskutiert. Es geht ja jetzt in diesem Fall um das Amtssitzabkommen, und da gibt es schon auch ausgesprochen merkwürdige Tatsachen, muss man festhalten.

Normalerweise – und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Grünen Klubs haben sich die Mühe gemacht und sich fast alle Amtssitzabkommen angeschaut, die es zwischen der Republik Österreich und internationalen Institutionen so gibt –, wenn es um die Privilegien und die Immunitäten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geht, ist es üblich, dass sich diese Institutionen mehr oder minder verpflichten. Und was passiert hier, beim Saudi-Zentrum? – Man „stellt in Aussicht“. Was soll das heißen, man „stellt in Aussicht“, dass die Privilegien und Immunitäten von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht in Anspruch ...!) nicht in Anspruch genommen werden?

Ich darf vielleicht etwas einer anderen Institution zitieren, eines vergleichbaren inter­nationalen Amtssitzes in Wien. Da steht im Amtssitzabkommen drinnen:

„Der Generaldirektor trifft alle Vorkehrungen dafür, daß mit den im Rahmen dieses Abkommens gewährten Privilegien oder Immunitäten kein Mißbrauch getrieben wird.“ – Und so weiter und so fort. Das sind schon ganz andere Töne.

Und entschuldigen Sie, Herr Staatssekretär, aber dieses Zentrum ist seit Jahren umstritten, und wir streiten politisch heftig – das gehört auch zu einer Demokratie dazu –, aber dann bei einem Amtssitzabkommen das auch noch so einfach hinzu­nehmen?! Diesen Passus, so salopp zu sagen: Vielleicht tun wir da etwas – vielleicht!, weil „in Aussicht stellen“ heißt nur: „Schauen wir einmal, vielleicht!“ – Mehr steht da nicht drinnen! Das heißt gar nichts!

Die ganzen Privilegien dieses Zentrums wurden ohnehin schon genannt, und wir reden hier nun wirklich von sehr vielen Privilegien: von der Steuerbefreiung, von der Befreiung von der Sozialversicherung und, und, und – und von der Befreiung der Gerichts­barkeit.

Und eine Frage wurde im Ausschuss im Nationalrat gestellt, und ich habe versucht, sie in unserem Ausschuss zu stellen, bloß hatte ich keinen Adressaten, dem ich sie stellen konnte. Ich stelle ganz einfach hier diese Frage: Wenn ein Wiener Caterer ein Buffet um 20 000 € ans Saudi-Zentrum schickt, und die bezahlen nicht, an wen wendet er sich, wenn dieses Saudi-Zentrum diese Rechnung nicht begleicht – der Caterer oder ein Möbellieferant oder wer auch immer? Die sind nicht in der Gerichtsbarkeit. Springen dann (in Richtung Staatssekretär Dr. Lopatka) Sie ein? Soll man sich dann an das Außenministerium wenden? (Ruf bei der ÖVP: Botschaft!) Zahlen Sie diese Rechnung? Das würde mich einmal interessieren. – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Dönmez und bei Bundesräten der FPÖ.)

14.49


Präsident Edgar Mayer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


14.49.31

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretár! Ich habe es mir nicht einfach gemacht. Ich habe viel überlegt: Sollte ich zustimmen, sollte ich ablehnen?

Ich bin Volksgruppenangehörige, und mit Dialog, mit Gespräch ist es mir durch ein­stimmigen Beschluss möglich geworden, dass ich hier zwei Sprachen sprechen darf.


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Durch Dialog, durch Gespräch ist es ermöglicht worden, dass die zweisprachigen Ortstafeln realisiert worden sind – zwar eine Kompromisslösung ... (Bundesrat Schreuder: Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen Dialog und einem solchen Zentrum!) – Moment! Darf ich trotzdem fortsetzen? Ich möchte die Bedeutung des Dialogs hier klarstellen, klarstellen, was Dialog für mich bedeutet.

Ich möchte nicht noch einmal das wiederholen, was Herr Kollege Temmel gesagt hat. Für mich ist dieses Dialogzentrum eine Möglichkeit für Österreich, die wir für den Prozess des Friedens, für das Miteinander – das Miteinander, wo sich Gespräche entwickeln und auch Probleme gelöst werden – nutzen sollten. Für mich ist das Dialogzentrum eine Möglichkeit, und ich glaube, dass Wien und Österreich als Staat beziehungsweise als Land zu fungieren hat, um zu zeigen, dass Dialog gepflegt wird, dass sich internationale Persönlichkeiten treffen, um dort im Dialog das Miteinander zu finden.

Was die Menschenrechte betrifft, gebe ich dir recht, Marco (in Richtung des Bundes­rates Schreuder): Menschenrechte – und vor allem Frauenrechte – werden dort mit Füßen getreten. Das ist ein ganz bitterer Beigeschmack. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Nur glaube ich – beziehungsweise bin ich davon überzeugt und ich erwarte das ganz einfach von den handelnden Personen in diesem Zentrum –, dass dieses Gespräch und dieser Dialog ganz einfach dazu führen, dass sich auch für Saudi-Arabien etwas zum Positiven ändert.

Unsere Partei wird dem zustimmen. Und ich sage es noch einmal: Ich habe es mir nicht leicht gemacht, und ich werde deswegen zustimmen, weil mir der Dialog sehr wichtig ist.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.52


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster gelangt Herr Staatssekretär Dr. Lopatka zu Wort. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


14.53.10

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Dialogzentrum ist natürlich ein Thema, das man sehr ernsthaft zu diskutieren hat, und das beginnt schon bei der Frage: Ist es überhaupt Aufgabe der Staatengemeinschaft, diesen Dialog zu führen, oder wäre es nicht Auf­gabe der Religionsgemeinschaften, diesen Dialog zu führen? – Das ist der erste Punkt.

Diese Frage ist nicht von uns, sondern von der UNO sehr eindeutig beantwortet worden: Jawohl, das ist eine Aufgabe der Staatengemeinschaft, und daher wird von der Staatengemeinschaft unterstützt, wenn solche Initiativen gesetzt werden. – Diese Frage ist am Beginn – denn das ist eine grundlegende Frage – zu beantworten.

Daher war es auch folgerichtig, dass UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bei der Eröff­nung hier in Wien dabei war und uns in einem bilateralen Gespräch mit Österreich sehr klar gesagt hat, als wie wichtig auch von seiner Seite diese Frage gesehen wird, weshalb er auch dieses Zentrum unterstützt. (Bundesrat Schreuder: ... vom Golan-Abzug!) – Schauen Sie, Sie verwechseln jetzt Äpfel mit Birnen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Bleiben wir beim Dialogzentrum, das ist Thema genug! Wenn ich das ernsthaft abhandle, kann ich jetzt nicht zu einer völlig anderen Konfliktlage kommen, die am Golan vorherrscht. (Bundesrat Schreuder: Ban Ki-moon hat auch ...!)  – Aber darf ich


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auch das mit einem Satz beantworten? Auch den Truppenabzug vom Golan werden wir im besten Einvernehmen mit dem UNO-Generalsekretär vornehmen.

Ich war gerade heute in der Früh bei einer Veranstaltung der Vereinten Nationen. Der stellvertretende Generalsekretär ist heute hier in Wien und genau zu dieser Stunde beim Außenminister, weil Wien vielfach ein Zentrum des Dialogs ist.

Heute ist es um ein anderes wichtiges Thema gegangen: Erstmals wird in Österreich und nicht in New York der Weltdrogenbericht vorgestellt. Dieser betrifft 250 Millionen Menschen auf diesem Planeten, die drogenabhängig sind. 211 000 sind – soweit bekannt – im letzten Jahr an ihrer Drogensucht gestorben. Auch in der Bekämpfung des Drogenhandels ist Wien ein internationales Zentrum.

Damit kommen wir zur zweiten Frage: Warum ist dieses Dialogzentrum bei uns und warum haben wir uns dafür beworben? – Weil Wien in den verschiedensten Bereichen als internationales Zentrum zunehmend an Bedeutung gewinnt. In der internationalen Staatengemeinschaft gibt es weltweit Regelungen, was Privilegien und Immunitäten für Diplomaten betrifft. Das haben wir auch zuletzt wieder im Ausschuss besprochen, wo massiv kritisiert worden ist, warum bei uns auch Vertreter von Mitgliedstaaten der Europäischen Union diese Privilegien erhalten, wo wir doch in einer Gemeinschaft sind, weil in Österreich ja auch europäische Agenturen angesiedelt sind.

Also die erste Frage lautet: Öffentliche Aufgabe? – Ja.

Die zweite Frage lautet: Findet das die Unterstützung der Staatengemeinschaft oder tun wir hier mit Saudi-Arabien und mit Spanien etwas, was von den anderen Staaten negativ gesehen wird? – Das Gegenteil ist der Fall, weil eine Reihe von anderen Staaten, zum Beispiel Nigeria – gemessen an den Einwohnern bald der drittgrößte Staat der Welt –, wo unterschiedliche Religionen aufeinanderprallen, großes Interesse hat, dieses Zentrum zu nützen, um ins Gespräch zu kommen – was Sie, Frau Bun­des­rätin Blatnik, als Ihr Hauptmotiv angeführt haben, warum Sie dieser Vorlage zustim­men.

Was in diesem Dialogzentrum passiert, wird weder von Spanien noch von Österreich, noch von Saudi-Arabien festgelegt – es wäre ein großer Irrtum, würde man das vermuten –, sondern es gibt ein Direktorium, wo die Vertreter der verschiedensten Religionsgemeinschaften mitarbeiten. Das Judentum ist da genauso vertreten, wie selbstverständlich christliche Religionsgemeinschaften vertreten sind, so wie auch Buddhisten oder Hindus. – Also das ist sehr, sehr breit angelegt, auch von der Themensetzung her.

Und weil diese Frage umstritten ist, weil Christen in Saudi-Arabien verfolgt werden, habe ich besonders den Dialog zum Vatikan gesucht und diese Frage mehrfach mit den zuständigen Vertretern im Vatikan besprochen. Der Heilige Stuhl ist diesbezüglich natürlich besonders hellhörig, weil es ja bis heute, und das ist vorhin auch ange­sprochen worden, für Christen in Saudi-Arabien nicht möglich ist, ihre Religion auszuüben. Gerade auch der Vatikan verbindet damit, dass es neben dem, was hier in Wien, in diesem Dialogzentrum passiert, auch in Saudi-Arabien zu Fortschritten kommt. Und bei meinen bilateralen Gesprächen mit saudi-arabischen Vertretern ist das jedes Mal der erste Punkt: Was unternehmen wir von diesem Dialogzentrum in Wien aus in Saudi-Arabien mit den Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften, um in Saudi-Arabien zu Fortschritten zu kommen?

Ich habe ähnliche Debatten geführt, was Frauen betrifft – und ich möchte jetzt nicht abschweifen –, als ich Sport-Staatssekretär war. Damals haben die Saudis noch keine Frauen bei Olympischen Spielen zugelassen; es waren reine Männermannschaften, die entsandt worden sind. Und auch dort konnten wir eine Brücke nach Saudi-Arabien


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schlagen, weil eine österreichische Olympiasiegerin bereit war, sich im Reitsport dafür auch zur Verfügung zu stellen, um Frauen entsprechend einzubinden. Der Reitsport ist in Saudi-Arabien bekanntlich ein Sport, der einen ganz hohen Stellenwert hat und wo es hinsichtlich der Bekleidungsvorschriften auch für die Saudis keine Probleme darstellt, dass Frauen diesen Sport ausüben.

Also haben wir zwei Möglichkeiten, nämlich zu sagen, hier ist der Dämon, das Böse zu Hause, und wir kapseln diese Staaten ab, oder aber wir versuchen dort, wo Menschen­rechtsverletzungen stattfinden (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), Brücken zu bauen, und unternehmen diesen schwierigen Versuch – da gebe ich Ihnen recht: diesen schwierigen Versuch! –, nicht nur hier den Dialog zu führen, sondern auch für die Menschen, die in Saudi-Arabien leben, konkrete Verbesserungen zu erlangen, um das ganz deutlich anzusprechen.

Die Grünen haben hier sicher einen anderen Zugang als die Freiheitlichen, denn wenn ich so streng bin, wie Sie es sind, dann darf ich den Herrn Kadyrow auch nicht besuchen und ihn als Demokraten hochleben lassen. – Es würde mich sehr interessieren, wie Sie die Rolle des Herrn Kadyrow und seine Menschenrechtssituation sehen. – Das sei nur am Rande bemerkt; das war immerhin Ihr Präsident des Nationalrates. (Bundesrat Krusche: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Daher sage ich Ihnen noch einmal ganz deutlich: Die Vertragsparteienkonferenz, die hier zusammentritt, legt nicht das Programm fest. Was dort passiert, wird innerhalb des Direktoriums ausverhandelt, und dort haben die Vertreter des Islams keine Mehrheit. – Das wollte ich meinerseits noch einmal deutlich ansprechen.

Jetzt komme ich zu den sogenannten Privilegien. Es ist sehr lobenswert, dass sich die Grünen den Vertragstext angesehen haben, aber Sie haben wahrscheinlich nur den Unterschied in der deutschsprachigen Variante bemerkt. (Bundesrat Schreuder: Ja, da waren wir tüchtig!) In der englischsprachigen Variante ist das Abkommen wortident mit dem mit der Anti-Korruptionsakademie, der IACA. (Bundesrat Krusche: Gibt es jetzt zwei Vertragstexte oder einen?) Da Sie den Unterschied in der deutschsprachigen Variante entdeckt haben, kann ich Ihnen sagen, dass die englische, was diesen Artikel 20, den Sie angesprochen haben, betrifft, wortident mit dem Abkommen mit der IACA abgefasst ist. Ich kann Ihnen das auch zeigen.

Es gibt weltweit Regelungen, was Diplomaten betrifft, und, jawohl, hier gibt es Steuer­vorteile. Ich darf Ihnen aber sagen, wir machen immer wieder Studien und diese Studien haben ergeben, dass wir pro Jahr rund 400 Millionen € – Sie hören richtig – an Mehreinnahmen haben, weil wir so viele internationale Organisationen bei uns haben. Es vergeht kein Tag, an dem nicht eine große internationale Konferenz in Wien stattfindet, es vergeht auch kein Jahr, in dem nicht neue Botschaften in Österreich eröffnet werden, weil immer wieder neue internationale Organisationen dazukommen.

Das heißt, Wien hat bereits 5 000 Diplomaten und im Umfeld dieser Diplomaten sind rund 20 000 Menschen beschäftigt, die einen Sonderstatus haben. Das entspricht der Bevölkerung einer mittleren Stadt in Österreich – 20 000 Menschen. Das hat eine große Bedeutung, und diese Zahl verdanken wir nicht nur der UNO, sondern eben auch dem Dialogzentrum oder der Anti-Korruptionsakademie.

Auch im Energiebereich ist Wien weltweit das Zentrum – beginnend bei der OPEC. Das heißt, im Gesamten gewinnt Wien als Standort.

In der konkreten Sache muss man das genau mitverfolgen, das sehen wir auch so, daher begleiten wir das seitens unseres Hauses auch politisch, einerseits natürlich durch ständige Kontaktnahme mit den Vertragsparteien, andererseits auch mit den Religionsgemeinschaften, die in diesem Direktorium vertreten sind.


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Daher sage ich Ihnen, ich halte diese Initiative, die hier gesetzt wird, für eine durchaus diskutable, denn das ist eine Entscheidung, die auch einen gewissen Mut erfordert. Ich sehe aber keine bessere Perspektive. Nicht in den Dialog zu treten, halte ich für keinen Fortschritt. In den Dialog zu treten und gleichzeitig aufzuzeigen, was es in Saudi-Arabien an Menschenrechtsverletzungen gibt, was der Wahhabismus auch innerhalb des Islams für extreme Positionen vertritt, halte ich für den besseren Ansatz. Da lassen wir uns den Mund nicht verbieten.

Wir sehen das Zentrum durchaus als eine Chance, und ich würde auch Sie bitten, das so zu sehen. Ich bin froh über Ihre Zustimmung, weil wir hier mitten am Weg sind. Wir sind noch lange nicht am Ziel, aber der Start dieses Dialogzentrums ist durchaus geglückt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.03


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Staatssekretär!

Bevor ich Herrn Bundesrat Hammerl das Wort erteile, darf ich die 7. Klasse des Gymnasiums  Mehrerau aus Bregenz in Vorarlberg mit den Pädagogen Markus Hämmerle, Paul Christa und Andreas Marte herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Bitte, Herr Bundesrat Hammerl.

 


15.04.11

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich stehe nicht auf der Rednerliste, es ist mir trotzdem ein Anliegen, heute hier ein paar Worte zu sagen. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir stehen hier vor einer großen Chance, denn: Kein Weltfrieden ohne Religi­ons­frieden. Das ist der Ausgangspunkt des bekannten Projekts Weltethos von Hans Küng. Dies gilt besonders angesichts der Tatsache, dass es heute zum Teil aggressive Formen von Religionen sind, die im Vormarsch sind. Gerade die Verbindung zwischen Politik und Religion stellt in manchen Fällen eine Verschärfung der Lage dar. (Vize­präsident Mag. Himmer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wenn fundamentalistische Formen der Religion mit Politik aufeinandertreffen, kann es leicht zu brutalen Formen von Religionsausübung – auch in unseren Ländern – kommen. Mit diesem Zentrum besteht vielleicht eine Chance für die Schaffung gegen­seitigen Respekts. Österreich ist das erste Land, in dem die Möglichkeit gegeben ist, diesen Dialog zur Entwicklung von gegenseitigem Verständnis und gegenseitigem Respekt unvoreingenommen zu führen. Wir müssen den Prozess, der mit diesem Zentrum entsteht, kritisch beobachten und begleiten. Ich betone noch einmal: kritisch beobachten und begleiten. Das ist unsere Aufgabe, damit das Ziel des Friedens zwischen den Religionen und Kulturen wirklich erreicht werden kann. Dass es für die Errichtung des Dialogzentrums einen Staatsvertrag und ein Abkommen gibt, zeigt die Bedeutung dieses Anliegens.

Für mich, meine Damen und Herren, verbindet sich mit dieser Einrichtung die Hoffnung, dass die derzeit in manchen Ländern – wie zum Beispiel dem Irak und Ägypten – gegebenen Christenverfolgungen endlich beendet werden. Religionsfreiheit ist ein Weg zum Frieden.

Ich denke besonders an das geschätzte Land Irak, das trotz seiner Bemühungen auf dem Wege zur ersehnten Stabilität und Versöhnung weiterhin ein Schauplatz von Gewalt und Anschlägen ist. Mir kommen die jüngsten Leiden der christlichen Gemeinde in den Sinn, insbesondere der niederträchtige Angriff auf die syrisch-katho­lische Kathedrale Unserer Lieben Frau Errettung in Bagdad vom 31. Oktober 2010, bei dem zwei Priester und über 50 Gläubige, die zur Feier der heiligen Messe versammelt


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waren, massakriert wurden. Diesem Anschlag folgten in den Tagen danach weitere Angriffe auf Privathäuser.

Das alles hat in der christlichen Gemeinde Angst ausgelöst sowie bei vielen Mitgliedern der Gemeinde den Wunsch geweckt, auf der Suche nach besseren Lebens­bedingungen zu emigrieren. Wir in der Steiermark haben so eine Familie mit vier Kindern aufgenommen. Wenn Sie von der Familie hören, was dort passiert ist, dann denken Sie nach. Da müssen auch wir ein bisschen nachdenken, wie wir im Bereich des Dialogs etwas verändern können.

Meine Damen und Herren, solche Formen von religiöser Gewalt darf es in unserer Welt einfach nicht mehr geben. Leider gibt es viel zu viel davon. Daher soll gerade dieses Zentrum zum Aufbau der Toleranz anderen Religionen gegenüber in unserem Land führen. Um das zu erreichen, ist es wichtig, die Konflikte, die es gibt, nicht zu ver­schweigen, sondern zu bearbeiten. Dieses Zentrum soll gerade für das gegenseitige Verständnis Voraussetzungen schaffen. Dafür müssen die Konfliktpunkte offen ausge­sprochen, aber auch bearbeitet werden. Damit meine ich auch die Konfliktpunkte, die Marco Schreuder aufgezeigt hat. Wenn wir schon so ein Zentrum haben, ist es wichtig, dass wir auch diese Punkte hier einbringen.

Meine Damen und Herren! Toleranz ist keine Einbahnstraße, sondern Toleranz be­deutet den Bau von Straßen, die zueinander führen. Ich wünsche mir, dass in diesem Zentrum solche Wege gebaut werden.

Ein weiterer Wunsch wäre, dass wir jährlich einen Bericht vom Zentrum für Inter­religiösen und Interkulturellen Dialog über seine Arbeit erhalten, denn in diesem Zentrum arbeiten immerhin 25 Mitarbeiter, und ich glaube, es ist auch gerecht, dass wir nach einem Jahr einen Bericht bekommen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.08.20

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Staatssekretär, kein FPÖ-Nationalratspräsident war bei Präsident Kadyrow und hat die dortige Demokratie hochleben lassen. Wer dort war, war der Wiener Klubobmann der FPÖ Johann Gudenus, und zwar mit Vertretern des Innenministeriums.

15.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 109

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.09.37 12. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2013; Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten (III-489-BR/2013 d.B. sowie 9022/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte um den Bericht.

 


15.10.02

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Ich bringe den Bericht über das EU-Arbeits­programm 2013 des Bundesministers für europäische und internationale Angelegen­heiten.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, das EU-Arbeitsprogramm 2013; Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.10.19

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bleiben gleich beim Thema. Wenn man sich das EU-Arbeitsprogramm anschaut, kommt man natür­lich auch an den Kapiteln über die Entwicklungen in der arabischen Welt nicht vorbei. Man hat schon den Arabischen Frühling hochleben lassen – seitens der Politik, aber auch seitens der Presse. Und auch wenn in diesem Bericht festgestellt wird, dass das halt Zeit braucht, bis man sich dort demokratisch entwickelt, dass Ägypten, der Jemen und Tunesien große Wirtschaftsprobleme und eine hohe Arbeitslosigkeit haben, geht schon auch daraus hervor: Das wird schon werden, man muss halt ein bisschen Zeit haben.

Wenn wir uns diese Länder ansehen, sehen wir aber, dass das Gegenteil der Fall ist. In Ägypten ist wirklich weit und breit keine Rede davon, dass dort tatsächlich eine Demokratisierung stattfinden wird. Ganz im Gegenteil, auch dort hat die islamistische Muslimbruderschaft das Ruder fest in der Hand. Man kann sagen, bei diesen Vor­habens­berichten ist – wie auch gerade vorhin bei der Diskussion über dieses Abdullah-Zentrum und seine Privilegien – schon eine gewisse Blauäugigkeit vorhanden.

Das zweite Kapitel ist, weil es halt auch so aktuell ist, der Sonderfall Türkei, der ja sogar in dem Vorhabensbericht als „Sonderfall Türkei“ bezeichnet wird. Kaum Fort­schritte – steht dort – seit Sommer 2010 in den Beitrittsverhandlungen, was natürlich – auch das geht aus dem Bericht hervor – damit zusammenhängt, dass mangelnde Fortschritte, die der Rat konstatiert hat, bei der Erfüllung der politischen Kriterien vorhanden sind. – Das haben wir uns ja im Fernsehen alle anschauen können, wie wenig diese erfüllt werden.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 110

Auch die Beziehungen zu Zypern sowie die schlechte Presse- und Meinungsfreiheit sind Gründe dafür, bei den Beitrittsverhandlungen auf der Bremse zu stehen.

Wir Freiheitlichen haben uns damit relativ leichtgetan, denn wir waren immer gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, weil wir finden, dass dieses Land nicht in die EU passt. Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, Assoziierungs­abkommen zu schließen, weil ja die Türkei durchaus ein interessanter Handelspartner ist und noch mehr sein wird, das heißt aber nicht, dass sie in die Europäische Union gleichberechtigt aufgenommen werden muss.

Am Sonntag haben Demonstrationen stattgefunden, wir haben gesehen, was in der Türkei mit Leuten passiert, die eine andere Meinung haben. 1 000 Verletzte, 1 700 In­haftierte, so weit die offiziellen Zeitungsmeldungen. Gegen die Demonstranten wird mit Tränengas, mit Wasserwerfern vorgegangen, wobei in den Medien Vermutungen angestellt werden, dass dem Tränengas auch Giftgas beigemischt worden sein soll. – Das ist ein Land, von dem man sich noch immer vorstellen kann, es als Partner in die EU aufzunehmen?!

Der Außenminister sagt – in der „Kronen Zeitung“ am 25. Juni –: „Diesen Konflikt von der Türkei nicht nach Wien hereintragen!“

„In Österreich“ – sagt der Außenminister – „könne jeder seine Meinung sagen, doch den Konflikt über den türkischen Regierungschef möge man gefälligst in der Türkei entscheiden – ,bei uns trägt man das nicht aus‘.“

Ich frage mich, wo der Herr Außenminister eigentlich lebt. Der Konflikt ist schon da, die Demonstrationen haben schon stattgefunden und finden schon statt. – Also schon auch eine sehr naive Sichtweise der Dinge.

Die falsche Integrationspolitik – vor allem in Wien, muss man sagen – hat auch zu sehr schönen Netzwerken geführt. „Die Presse“ hat dargestellt – ich zeige Ihnen das gerne (die Rednerin hält die entsprechende Ausgabe in die Höhe) –, wie vernetzt die Erdoğan-Befürworter in Wien sind, wie da wer mit wem kann, und das sind jetzt keine toleranten demokratisch-liberalen Vereine, sondern das sind schon auch die von der hartgesotteneren Sorte.

All das wird natürlich von Wien immer wieder finanziell unterstützt. Die SPÖ spielt da eifrig mit. Warum? – Da der SPÖ vor allem in Wien die Wähler in Scharen davon­gelaufen sind, muss man diese Lücke irgendwie wieder füllen; und da ja auch die Wähler nicht auf den Bäumen wachsen, hat man sich der Zuwanderer angenommen und glaubt, sie bedienen zu müssen, und es kommt da wirklich jeder recht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

Wenn man sich einige Abgeordnete der Wiener SPÖ anschaut, dann kommt man zu dem Schluss – und bekommt auch gleich den Beweis dafür geliefert –, dass sie keiner­lei Berührungsängste zu radikalen Islamisten haben. Deutsch, Baxant und Omar al Rawi – keinerlei Berührungsängste.

Man braucht sich nur anzuschauen, wie nahe der Schulterschluss zu dem Häupl-Rapper Nazar ist, der den 11. September feiert und sagt: „Es tut mir leid maman, doch ich werd mich nicht ändern, ich bleibe Straße“ – das ist jetzt wörtlich zitiert – „feier weiterhin den 11. September“.

Nazar bekommt dafür von den eigenen Genossen munter Beifall.

Wenn ich Ihnen vorlese – und das werde ich Ihnen vorlesen –, was er über Heinz-Christian Strache sagt, werden sich einige wieder freuen und sagen, das hat er verdient, das kennen wir ja, aber auch das ist in einer Demokratie nicht in Ordnung, wenn man derartige kulturelle Ausflüsse hat:


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„HC

Heinz kuck uns an

HC

Wir bereichern dein Land

HC

Guck ich spuck auf dein Verein

Und fick ich deine Mutter ist dein Blut auch wieder rein“

Also das ist schon ein neues Niveau einer SPÖ-Politik, wo sich offensichtlich einige durch (Rufe bei der SPÖ: Wer? Wer?)  – Ich habe es ja vorgelesen: Deutsch, Baxant, al Rawi spenden diesem Rapper Applaus. Man kann sich das auf YouTube und auch sonst überall anschauen. Das ist beweisbar, das ist nicht nur eine Behauptung.

Die Scharfmacher der Salafisten in Ägypten haben wir heute schon angesprochen. Es ist interessant, wie das geht. Ich habe hier einen Artikel aus der „Presse“. Es gibt natürlich auch Islamkritiker, zum Beispiel Hamed Abdel-Samad, von dem Abdel-Maged überhaupt noch nie etwas gehört hat. Das erinnert uns auch ein bisschen an die Cartoons in der dänischen Zeitung, diese Cartoons hat vorher auch niemand gesehen, auch nicht in der arabischen oder in der islamischen Welt. Irgendjemand hat sie dann zum Thema gemacht, und plötzlich war die Empörung riesengroß, und man hat auch diesen Cartoonzeichner mit dem Tode bedroht und mit allem Möglichen verfolgt. Das heißt, das hat auch immer wieder Tradition.

Der Salafist Assem Abdel-Maged wird befragt und sagt via TV, für Menschen wie diesen Abdel-Samad, der als Muslim geboren und dann konvertiert ist, gibt es keine Entschuldigung, „wenn sie der Religion abtrünnig würden. Auf ein solches Vergehen stehe der Tod. Schließlich habe er den Propheten beleidigt. Er forderte das Parlament dazu auf, ein Gesetz zu erlassen, das derlei Verstöße mit der Todesstrafe ahndet.“

Das sind aber alles Leute, die hier bei uns in Europa leben und über die nie irgend­jemand etwas sagt, abgesehen davon, dass doch ab und zu einmal „Die Presse“ etwas über sie schreibt.

Das ist aber nicht die einzige Drohung, denn sie richtet sich weiß Gott nicht nur gegen Islamisten, sondern auch gegen Anarchisten, gegen Kommunisten, gegen Vertreter des alten Regimes und gegen alle, die gegen die Herrschaft der Islamisten auftreten.

Das heißt also, da sind schon wirklich sehr viele Gefahrenpotenziale, auf die man immer wieder hinweisen muss.

10 000 Demonstranten – wobei einige gesagt haben, es waren 12 000, „Österreich hat von 15 000 berichtet – haben für Erdoğan protestiert. Jetzt kann man sagen, ja, in einer Demokratie kann man seine Meinung zum Ausdruck bringen, auch über eine Demonstration, aber was mich so besonders daran stört, ist Folgendes:

Wenn man sich am Sonntag in „Wien heute“ vor allem die Interviews mit den Türken angehört hat, war in Bezug auf Erdoğan durchgängig der Tenor: Das ist unsere Heimat, ja, wir sind für Erdoğan, der macht das Richtige in unserer Heimat! – Die Türkei ist ihre Heimat?! Sie wohnen hier in Österreich, sind zum Teil Staatsbürger, aber sie betrachten als ihre eigentliche Heimat immer noch die Türkei?! Dazu sage ich schon auch – ähnlich wie Efgani Dönmez, er hat es vielleicht ein bisschen überspitzt formuliert, aber recht hat er in der Sache dennoch –: Was, bitte, tun die da?

Dönmez ist von der eigenen Partei dafür geprügelt worden, auch von seinem Kollegen, der ihm finsterstes Mittelalter vorgeworfen hat. Heinz-Christian Strache hat das auch gesagt und ist natürlich auch dafür geprügelt worden. Denn man darf ja nichts sagen. Was nicht sein darf, kann ja auch nicht sein.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 112

Und mit denen führen wir immer noch Beitrittsverhandlungen und glauben immer noch, die sind alle gut.

Ich möchte Ihnen dazu noch etwas zur Kenntnis bringen, nämlich wie Erdoğan gegen­über Deutschland agiert: Erdoğan hat Frau Merkel ausgerichtet, sie möge doch bitte an die 4 000 türkischen Firmen in Deutschland denken und sie möge doch bitte an die 3,5 Millionen Türken in Deutschland denken, wenn sie die Wahlen gewinnen möchte. Und wenn sie nicht spurt – das kommt zwischen den Zeilen hervor –, kann sie sich ja anschauen, wie es Sarkozy in Frankreich ergangen ist. Erdoğan sagte wörtlich, dass man an Frankreich sehen kann, wie es einem ergeht, wenn man sich gegen die Türkei stellt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, war der Europaminister, genau.

Der kommt auch auf Samtpfoten daher, und in Wirklichkeit hat er alles andere als Samtpfoten. Er isst halt auch ab und zu Kreide.

Wenn man den Lebenslauf von Erdoğan anschaut – der ja eigentlich gar kein Türke ist –, dann erfährt man: Eigentlich gehört er ja der Minderheit der Lasen an, ist in Istanbul und an der Schwarzmeerküste aufgewachsen. Und wie das oft bei assi­milier­ten Leuten so ist, sind diese nationalistischer als nationalistisch; so auch Erdoğan.

Ich möchte jetzt die Zeit nicht über Gebühr beanspruchen, ich hätte dazu wirklich noch einiges zu sagen, möchte Ihnen allen, die Sie immer so gutgläubig, so blauäugig sind und immer an das Gute im Menschen glauben – das ist ja sympathisch und nett, aber man kann damit ganz schön einfahren –, aber schon noch sagen: Man muss sich diese Türken, auch diese Ausländer aus Drittstaaten, die aus islamischen Ländern kommen, wirklich sehr genau anschauen, schauen, ob sie sich hier wirklich integrieren können.

Und jemandem, der hier in Österreich in einem Fernsehinterview sagt, wie super er seine Heimat findet, wobei man dann draufkommt, dass mit seiner Heimat nicht Österreich gemeint ist, sondern die Türkei, kann auch ich nur sagen: Fahr bitte wieder nach Hause, dorthin, wo es so toll ist! (Beifall bei der FPÖ.)

15.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Köberl zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.22.05

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause! Frau Kollegin Mühlwerth, ich muss schon sagen, hätte ich mir nicht diesen Bericht durchgelesen und ein bisschen einen Überblick darüber, was in diesem Vorschaubericht drinsteht, zu eigen gemacht, dann hätte ich deinen Ausführungen jetzt nicht folgen können. Das auf so wenige Dinge herunterzubrechen, ist schon ein Kunststück durch Zuhilfenahme einer parteipolitischen Brille. Das darf ich an dieser Stelle sagen.

Meine Damen und Herren! Der Vorausschaubericht stellt die wichtigsten Themen dar, die im Jahr 2013 in den Ratsformationen „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Aus­wärtige Angelegenheiten“ zu behandeln sind. Die Grundlage dafür ist zum einen das 18-Monate-Programm des Rates für den Zeitraum 2013 bis 2014, welches vom irischen, litauischen und griechischen Vorsitz vorgelegt wurde, und zum anderen das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2013.

Zunächst zu einigen Punkten aus dem Bereich „Allgemeine Angelegenheiten“. Es geht um:

die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und die demokratische Legitimität;


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 113

den Vertrag über Stabilität, Koordination und Steuerung in der Wirtschafts- und Wäh­rungs­union – bekannt unter „Fiskalpakt“ –;

die Wahl des Präsidenten der Eurogruppe – wie bekannt, wurde am 21. Jänner 2013 der niederländische Finanzminister, ich hoffe, ich spreche ihn korrekt aus, Jeroen Dijsselbloem zum neuen Vorsitzenden der Eurogruppe gewählt; Kollege Schreuder schüttelt den Kopf, daher hat meine Aussprache wahrscheinlich nicht gestimmt –;

die Vorbereitung auf die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 – da der vorgesehene Termin für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 auf den Zeitraum 5. bis 8. Juni 2014 und somit auf das Pfingstwochenende entfallen würde, sprechen sich viele Mitgliedstaaten für eine Verschiebung aus, die meisten sprechen sich für eine Vorziehung auf den Zeitraum 22. bis 25. Mai 2014 aus.

Mit dem EU-Beitritt Kroatiens per 1. Juli 2013 wird die Zahl der Sitze im Europäischen Parlament bis zum Ende der Amtsperiode um die für Kroatien vorgesehene Zahl von 12 erhöht. Aufgrund der Obergrenze von 751 Sitzen wird jedoch für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 eine Neuverteilung der Sitze notwendig. Es gibt eine Obergrenze für das bevölkerungsstärkste Land mit 96 Sitzen und eine Untergrenze für den Mitgliedstaat mit der kleinsten Bevölkerungszahl von sechs Sitzen. Österreich wird bekanntlich einen Sitz verlieren.

Manches, was in diesem Bericht noch drin ist, hat sich sozusagen schon wieder geän­dert. Ich bedanke mich für diese Information, die ich kurz vor meiner Rede bekommen habe. Es war ja ursprünglich vorgesehen, dass ab November 2014 die Zahl der Kommissare/Kommissarinnen von einem pro Mitgliedsland, wie das derzeit der Fall ist, auf rund zwei Drittel reduziert werden soll. Das ist mit einem Beschluss am 22. Mai wieder geändert worden, sodass eine Veränderung der Zahl oder des Verhältnisses Mitgliedsland und Kommissar erst 2019 zum Tragen kommen soll, wenn es dafür eine Mehrheit gibt.

Es geht um die Überprüfung des Ratsbeschlusses über die Organisation und Arbeits­weise des Europäischen Auswärtigen Dienstes.

Ein weiterer Schwerpunkt: Finanz- und Wirtschaftskrise, weitere Maßnahmen – die Umsetzung und fortlaufende Überprüfung des zweiten Unterstützungsprogramms für Griechenland, die Situation in Spanien, Bankenprogramm, Reformen, Pensions- und Steuerungssystem, sowie die Situation in Zypern, Portugal, wohl auch in Italien.

Ein Punkt, der positiv herausgestrichen wird: Irland dürfte bis 2014 den Euro-Rettungs­schirm wieder verlassen können.

Es geht auch – und das ist ein Schwerpunkt, auf den ich auch näher eingehen möchte – um die EU-Erweiterung. Erinnern wir uns daran: EU-Beitrittsverhandlungen sind ein auf Einstimmigkeit basierender mehrstufiger und sehr komplexer Prozess. Vom Aufnahmeantrag bis zum Beitritt ist es meist ein langer, schwieriger Weg. Kroatien hat es ja geschafft und wird am 1. Juli 2013 als 28. Land in die EU aufgenommen.

Die übrigen Länder des Westbalkans – ein Schwerpunkt der österreichischen Außen­politik. Aufgrund der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen nehmen diese Länder einen traditionell hohen Stellenwert in der österreichischen Außenpolitik ein. Ein vorrangiges Ziel der österreichischen Außenpolitik ist es, die Entwicklung des Westbalkans zu einer Region der Stabilität zu unterstützen. Österreich prägt ent­scheidend den EU-Ansatz mit, die demokratisch gewählten reformorientierten Kräfte in den Westbalkanstaaten zu unterstützen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 114

Aus österreichischer Sicht gibt es für einen langfristigen Frieden auf dem Balkan nur einen einzigen Weg, nämlich die Einbeziehung der gesamten Region in den euro­päischen Integrationsprozess. Das stellt für die einzelnen Länder den wirksamen Anreiz dar, den jeweiligen innerstaatlichen Reformprozess voranzutreiben. So können die Länder des westlichen Balkans durch ihre eigenen Reformschritte auch die Ge­schwindigkeit der Annäherung an die EU selbst bestimmen.

Wie bekannt, sind bisher die höchste Stufe der Annäherung an die EU in den West­balkan­ländern die derzeitigen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Das sind maßgeschneiderte Verträge, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Landes im politisch-wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformprozess Bedacht nehmen. Solche Abkommen, wissen wir, wurden mit Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herze­gowina, Montenegro sowie Serbien unterzeichnet. Mazedonien erhielt 2005 den Status als EU-Beitrittskandidat. Montenegro genießt seit Ende 2010 den Kandidatenstatus.

Aktuell: Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich die EU dieser Tage darauf geeinigt, Serbien ein Datum – wahrscheinlich Dezember 2013 oder Jänner 2014 – für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu geben.

Zudem soll die EU grünes Licht für die Verhandlungen mit dem Kosovo über eine weitere Annäherung in Form eines Stabilisierungs- beziehungsweise Assoziierungs­abkommens erhalten.

Albanien wurde die Zuerkennung des Kandidatenstatus in Aussicht gestellt, sobald Tirana wichtige Maßnahmen im Bereich Justiz, im Bereich Verwaltung, aber auch in der Geschäftsordnung des Parlaments umgesetzt hat.

Nach meiner Auffassung müssen die politisch Verantwortlichen in manchen dieser Balkanstaaten aber über ihren eigenen Schatten springen und erst ihre Hausaufgaben machen, damit diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können.

Liebe Monika, lass mich auch kurz über den, wie du es genannt hast, Sonderfall Türkei sprechen – die Türkei gilt wirklich als Sonderfall der EU-Erweiterungspolitik. Wir wissen, seit 2005 gibt es Beitrittsverhandlungen. Insgesamt wurden die Verhandlungen in 13 von 35 Kapiteln eröffnet und nur in einem einzigen provisorisch abgeschlossen. Seit 2010 geht faktisch nichts. Wir alle haben die aktuellen Entwicklungen der letzten Wochen mitverfolgt. Für die Verhandlungen zwischen der Türkei und der EU sind die nächsten Tage und Wochen und die Reaktionen der türkischen Regierung wahr­schein­lich entscheidend.

Unser Vizekanzler und Außenminister hat es meiner Meinung nach treffend formuliert: Die EU müsse eine klare Haltung einnehmen und Ankara klarmachen, dass die Gewährleistung dieser Grund- und Menschenrechte ein Kernelement der europäischen Wertegemeinschaft und notwendige Voraussetzung für die Annäherung der Türkei an die EU ist. Andere haben es so formuliert: Die Tür ist offen, aber derzeit kommt keiner durch.

Es geht um den mehrjährigen Finanzrahmen bis 2014. Dabei geht es um die Frage, in welchen Programmen doch wesentliche Mittel für die Weiterentwicklung Europas verteilt werden können. Derzeit laufen ja die Verhandlungen dazu auch mit dem Euro­päischen Parlament, und es ist darauf zu drängen, dass auch da ein erfolgreicher Abschluss erzielt werden kann.

Es ist natürlich so, dass es einerseits Stimmen gibt, die sagen, es gäbe zu wenig Mittel, während einzelne Staaten immer wieder betonen, es gäbe zu viele Mittel für die EU. Da eine Balance zu finden, wird nicht einfach sein.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 115

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zu einem Bereich der auswärtigen Angele­genheiten kommen, und zwar zu den regionalen Strategien. An der sogenannten EU-Strategie für den Donauraum, der EUSDR, beteiligen sich insgesamt 14 Donau-Anrai­nerstaaten: acht Mitgliedstaaten – neben Österreich noch Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien –, Kroatien als künftiger Mitgliedstaat der EU, ein Beitrittskandidat, nämlich Montenegro, und vier sogenannte Drittstaaten – Serbien, Bosnien-Herzegowina, die Ukraine und das wohl ärmste Land auf dem europäischen Kontinent, Moldau.

Das alles entspricht einer Marktregion von rund 115 Millionen Einwohnern; das ist rund ein Fünftel der gesamten EU-Bevölkerung. Die vier Säulen des Aktionsplanes umfas­sen elf Prioritätsbereiche. Österreichische Institutionen sind in allen zwölf Themen­bereichen aktiv engagiert. Drei Bereiche werden von österreichischen Institutionen, vorwiegend von Ministerien, koordiniert. Die Vorlage des positiven Fortschrittberichts der EU-Kommission zur Umsetzung der EU-Donauraumstrategie ist aus österreichi­scher Sicht sehr erfreulich.

Die Donauraumstrategie der EU gilt für viele als wichtigster Weg zur Anbindung Österreichs an eine europäische Zukunfts- und Wachstumsregion. Ich erinnere nur kurz: Morgen und übermorgen gibt es dazu auch ein großes Treffen in Linz, wo vor allem ein besonderer Schwerpunkt auf die EU-Förderperiode 2014 bis 2020 gesetzt wird.

Die Entwicklungen in der arabischen Welt wären es wert, einen ganzen Tag darüber zu diskutieren. Lassen Sie mich mit einem Beispiel schließen! Herr Präsident Mayer hat es angesprochen: Wir waren gemeinsam in Marokko und haben dort ein bisschen einen Einblick hinter die Kulissen bekommen, trotz der offiziellen Termine.

Marokko gilt als jenes Land, das die Entwicklung des Arabischen Frühlings am besten bewältigt hat. Dort gibt es wirklich nachhaltige Reformen. Wir haben aber auch festge­stellt, dass das, was als Gesetz beschlossen wurde, das, was in der Verfassung niedergeschrieben wurde, Zeit braucht, bis es in den Köpfen und Herzen der Men­schen angekommen ist.

Noch immer gibt es dort Stammestraditionen, die nichts mit einer Verfassung zu tun haben, und deswegen ist der Weg zur Demokratie meist ein langwieriger, der nach­haltig unterstützt werden muss. Österreich und die EU leisten dort, wo wir es können, wo die EU es kann, sicherlich einen wertvollen Beitrag dazu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: It’s a pleasure to us to welcome the President of the Italian Senate, Mister Pietro Grasso. Mister President, big welcome to the Austrian Parliament! (Allgemeiner Beifall.)

Wir setzen in der Rednerliste fort.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte.

 


15.35.30

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zum Bericht des Bun­des­ministers für europäische und internationale Angelegenheiten sprechen, möchte aber eingangs ein paar Bemerkungen zu meiner Vorrednerin, Frau Bundesrätin Mühlwerth, machen.

Ich glaube, die Diskussion über den Bericht auf ein Thema zu fokussieren, ist sehr wenig. Pauschalverdächtigungen von Menschen, die hier bei uns leben, sind, glaube


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ich, überzogen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe keine Pauschalver­dächti­gun­gen ...!) So etwas sollte man etwas differenzierter sehen. Und auch Pauschalanschul­di­gungen von PolitikerInnen der Bundeshauptstadt, die nicht hier in diesem Hause sind, würde ich zurückweisen. Klären Sie das mit den Leuten vor Ort – oder Ihr Wiener Klub kann das sicher gerne mit den Politikern in Wien klären! (Bundesrätin Mühlwerth: Man braucht es sich nur anzuschauen!) Das ist nicht das Niveau, auf dem wir uns hier im Normalfall mit Themen auseinandersetzen! Das ist nicht das Niveau, auf dem wir hier im Dialog miteinander arbeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedanke mich bei meinem Vorredner Herrn Bundesrat Köberl, der schon einen sehr breiten Bogen über den Bericht gespannt und die meisten Themen heraus­gegriffen hat. Meine Themen sind ja meist Beteiligung, Green Growth, Green Jobs – all das ist natürlich in diesem Bericht angesprochen.

Was mich ein bisschen verwundert: Dieser Bericht ist in vielen Punkten sehr ungenau in seiner Zieldefinition, oft sehr vage. Er spricht zwar alle Themen an – er spricht die Beitrittskandidaten an, er spricht das Wirtschaftswachstum an, er spricht auch die Krise und die Zukunftsthemen an –, aber alles sehr unkonkret, in dem Sinne, dass man Verhandlungen aufnehmen oder Schwerpunkte setzen werde – aber wie genau, wann genau, wie das Prozedere ist, das konnte ich schwer herauslesen.

Zu betonen ist meiner Meinung nach, dass dieses Jahr das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger ist und dass es dieses Jahr auch darum geht, die Beteiligung der BürgerInnen, auch der Jugend an diesem europäischen Prozess zu stärken, die Jugend daran heranzuführen, was die EU ist, was sie leisten kann, was sie für uns alle bringt – nicht nur im Bereich des Marktes und der Wirtschaft, sondern auch im Bereich der sozialen Integration, des Friedensprojektes, der Bildung und der Mobilität von jungen Menschen in Europa. All das ist, glaube ich, ein wichtiges Thema und ein wichtiges Vorhaben. Für dieses Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger ist auch ein kleines Budget vorgesehen.

Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen möchte, obwohl Sie ihn schon genannt haben, ist die Integration der Balkanstaaten in die EU. Wir freuen uns sehr, dass Kroatien ab 1. Juli nun Mitglied in der EU sein wird und dass – das habe ich gestern den Medien entnommen – die Verhandlungen mit Serbien jetzt wieder aufgenommen, fortgeführt und intensiviert werden, um den Beitritt voranzutreiben.

Auf die Türkei gehe ich gar nicht mehr ein. Meine beiden VorrednerInnen haben gesagt, dass es durchaus hervorhebenswert ist, dass dieses Land einen immensen wirtschaftlichen Aufschwung und eine wirtschaftliche Modernisierung durchlebt, wir aber auf der anderen Seite durchaus auch Probleme haben, wenn es um Pressefreiheit, Menschenrechte und Demokratie in diesem Land geht. Deswegen wird man die Verhandlungen sicher weiterführen müssen, aber natürlich mit Auflagen.

Zum Thema Energiepolitik, die mir ebenfalls ein besonderes Anliegen ist: Ich habe in einer der letzten Sitzungen hier im Bundesrat ja schon einmal zur Wasserrahmen­richtlinie gesprochen. Ich meine, Energiepolitik ist auch eine Form der Daseinsvor­sorge­politik, denn wenn in unserer modernen Welt die Energieversorgung, die Roh­stoff­versorgung oder die Stromleitungsnetze nicht funktionieren, funktioniert unsere Gesellschaft nicht. Es ist daher ganz, ganz wesentlich, diese Themen auch in Europa voranzutreiben. Es ist auch in dem vorliegenden Bericht explizit als Schwerpunktthema angeführt.

Gleichzeitig ist auch die Überprüfung von Nachhaltigkeitskriterien bei Biotreibstoffen ein Schwerpunkt. Wir wissen, Biotreibstoffe waren vor zehn, 15 Jahren sozusagen ein Top-Thema – ich kann mich noch erinnern –, sie galten fast als Allheilmittel, um aus der Energiekrise herauszukommen. Plötzlich waren die Bauern nicht mehr „normale“


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Landwirte, Rüben- und Gurkenbauern, sondern Energiebauern, haben Gräser ange­baut, die man verestern kann, oder Raps verestert und so weiter.

Heute sehen wir deutlich, wo das mit den Biotreibstoffen zum Teil hinführt, dass in anderen Ländern oder sogar auf anderen Kontinenten Regenwälder abgeholzt werden, um Palmölplantagen aufzubauen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist in anderen Ländern!) – Ja, in anderen Ländern, aber bei Biotreibstoffen sind eben Nachhaltigkeitskriterien zu beachten. Es ist auch toll, dass das in diesem Bericht steht und dass man darauf eingeht, denn bei Biotreibstoffen geht es oft auch um Lebensmittel, und Lebensmittel soll man nicht einfach verheizen, sondern man soll sie essen und den Menschen zur Verfügung stellen.

Dieser Bericht geht auch auf den Klimawandel und die Nachhaltigkeitspolitik ein: Grünes Europa, Green Jobs. Die 2020-Ziele werden hervorgehoben, in Form einer Energieeffizienzrichtlinie und einer Roadmap bis 2050 für die Bereiche CO2-arme Wirtschaft, Ressourceneffizienz, Energie, Verkehr.

Auch wird in einem kleinen Kapitel die Durban-Plattform erwähnt. Das ist die Folgekonferenz der Klimakonferenz zu den Kyoto-Zielen. Auch da geht es darum, den Green Climate Fund, also den Klimafonds, mit Leben zu erfüllen und die grund­sätzliche Verpflichtung zur 2. Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll mit konkreten Zielen und einer Laufzeit zu versehen – aber das alles auch sehr, sehr allge­mein formuliert.

Der Bericht geht auch auf Rio+20 ein, also die 20 Jahre später durchgeführte Nachfolgekonferenz von Rio de Janeiro 1992. Damals wurde Nachhaltigkeit sozusagen auf die internationale Agenda gehoben, und 2002 in Johannesburg hat man nach der Agenda 21 die Local Action 21, also das Handeln, auf die Tagesordnung gesetzt. Auch in diesem Bereich sieht der Bericht vor, die Dimensionen der Nachhaltigkeit, also die Integration von Sozialem, Wirtschaft und Umwelt, um zwei Themen zu ergänzen. Das eine ist – das ist gerade für uns Sozialdemokraten ein wichtiges Thema – die Armutsbekämpfung, und das Zweite – ebenfalls ein sehr wichtiges Thema für uns – die Grüne Wirtschaft und Grüne Jobs.

Damit habe ich in meiner Rede den Schwerpunkt auf Energie, Umwelt und BürgerIn­nen gelegt. Der Rest wurde bereits berichtet. Ich kann nur sagen, meine Fraktion wird diesem Bericht ihre Zustimmung erteilen. Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


15.43.58

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Ursprünglich habe ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort gemeldet, aber die aktuellen Ereignisse und vor allem natürlich das, was wir seit einigen Wochen in Istanbul und in Ankara sehen, interessiert uns natürlich alle sehr. Das hat natürlich in ganz konkreter Art und Weise mit diesem Bericht zu tun. Deshalb will ich mich jetzt in meiner Rede auch einmal auf die EU-Erweiterungsfrage redu­zieren, obwohl ich natürlich weiß, dass in diesem Bericht unfassbar viele Themen behandelt werden. Deshalb bin ich auch dankbar dafür, dass die Umweltthemen, die Energiethemen jetzt sozusagen von der SPÖ übernommen worden sind. (Bundesrat Mag. Taucher hält seine rechte Hand mit nach oben gerichtetem Daumen in die Höhe. Bundesrat Todt: Die Wiener Koalition funktioniert! Allgemeine Heiterkeit.)


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Ich werde darauf in der Behandlung der Dringlichen Anfragen noch einmal eingehen, wenn wir dann über Konjunkturpakete reden.

Es besteht überhaupt kein Zweifel, in der Europäischen Union herrscht – ob man das jetzt gut oder schlecht findet – eine Erweiterungsermüdung. Die Europäischen Union ist mit sich selbst beschäftigt, sie hat Probleme zu bewältigen, die, seit es die Euro­päischen Union gibt, so in der Form noch nicht zu bewältigen waren. Man ist mehr mit sich selbst beschäftigt als damit, sozusagen den Erweiterungsradius zu vergrößern, und selbstverständlich – und das ist ja auch in gewissem Maße nachvollziehbar – wird natürlich jetzt auch stärker darauf geschaut, welche Probleme, aber auch welche Chancen durch Beitrittsverhandlungen mit den jeweiligen Staaten entstehen, wobei vielleicht die Chancen zu wenig beleuchtet werden.

Wir persönlich freuen uns sehr darüber – das steht ja jetzt unmittelbar vor der Tür –, dass Kroatien der Europäischen Union beitritt, aber es wurde auch der restliche Westbalkan angesprochen, und da gibt es noch viele Hürden zu überwinden, aber auch Chancen wahrzunehmen.

Ich bin ja in den achtziger und neunziger Jahre sozusagen politisiert und bin auch unter dem Eindruck der Balkan-Kriege gestanden und darunter, dass die Europäischen Union eine Perspektive darstellen kann, dass diese Nationalitätenkonflikte überwunden werden können, dass Grenzen überwunden werden können. Das ist sicher schwierig – Stichwort: Verhältnis Serbien und Kosovo; Stichwort: innerstaatliche Grenzen eigentlich innerhalb Bosniens; das ist sicher noch ein Riesenthema –, aber ich glaube, dass auch Österreich dazu einen ganz wertvollen Beitrag leisten kann.

Nicht ganz nachzuvollziehen ist die Problematik aber dort, wo sie fast zum Kinder-garten wird. Das ist bei der Namensbezeichnung Mazedonien der Fall. Da könnte sich Österreich vielleicht wirklich einmal als Mediator anbieten, Herr Staatssekretär! Griechenland würde wahrscheinlich eher aus der Europäischen Union austreten, als den Namen Mazedonien zu akzeptieren. – Das ist jetzt salopp dahergesagt, das gebe ich zu, aber das ist mittlerweile tatsächlich ein Kindergarten. Da braucht man wirklich einen Mediator, denn dass die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen an dem Namen Mazedonien scheitert, das ist ja geradezu absurd.

Den Hauptaspekt meiner Rede möchte ich natürlich der Türkei widmen. Ich möchte auf Frau Bundesrätin Mühlwerth replizieren – leider ist Sie jetzt gerade nicht da, aber es sind andere freiheitliche Abgeordnete anwesend. Die freiheitlichen Abgeordneten sind wirklich Meister und Meisterinnen darin, die schreckliche Situation in vielen Ländern darzustellen – sogar richtigerweise, damit habt ihr ja oft recht, aber ich glaube es euch erst, wenn ihr die Asylwerber und Asylwerberinnen, die aus diesen Ländern aus den Gründen, die ihr selber nennt, fliehen, um hier Schutz zu suchen, nicht generell und pauschal immer wieder mit Missbrauch, Kriminalität und dergleichen in Zusam­men­hang bringt und in einen Topf werft. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bun­desräten der ÖVP.)

Wenn Frau Mühlwerth sagt, wenn es diesen Türken in der Türkei doch so viel besser gefällt als bei uns, was von den Demonstranten keiner gesagt hat, muss man auch ganz offen sagen (Bundesrat Hafenecker: Gestern im „Report“ ...!), dann erkennt man daran aber auch eine gewisse Einstellung. – Ich bin auch ein Zuwanderer. Ich bin halt nicht so ein Zuwanderer, wie ihr es immer seht, nicht einer der „bösen“, denn ein Holländer ist ja ein „guter“ Zuwanderer. (Heiterkeit bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.) – Dijsselbloem übrigens.

Aber es geht offenbar nicht in eure Köpfe hinein – und das verstehe ich nicht! –, dass Identität nicht etwas ist, was man an- und ablegen kann. So funktioniert Mensch nicht! Ich werde immer ein begeisterter Österreicher sein, so wie ich eine holländische


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Herkunft habe. Wenn ich nach Amsterdam fliege, fliege ich nach Hause, und wenn ich nach Wien fliege, fliege ich nach Hause. (Zwischenruf bei der ÖVP.) So ist das nun einmal! Und beim Fußball ist es super, da kann man zu zwei Ländern stehen. Beim Fußball tue ich mir natürlich ein bisschen leichter mit den Holländern, das gebe ich zu (Bundesrat Tiefnig: Aber beim Skifahren mit Österreich!)  und beim Skifahren kann ich zu den Österreichern halten.

Dass das die FPÖ nicht begreift, das begreife ich wiederum nicht. Es ist einfach nicht so, dass man seine Herkunft ablegt und man sagt: Ich bin jetzt Österreicher, und das andere gibt es nicht mehr, das ist keine Identität mehr von mir! Deswegen übrigens auch mein leidenschaftliches Plädoyer – nach wie vor, dazu stehe ich – für die doppelte Staatsbürgerschaft; ich finde es schade, dass es das in diesem Land noch immer nicht gibt.

Zum Türkei-Beitritt. – Die Verlogenheit der Freiheitlichen Partei auch in dieser Frage ist sagenhaft. Auf der einen Seite begrüßen Sie – inhaltlich übrigens richtig – die Gezi-Park-Demonstrationen, unterstützen sie, aber gleichzeitig fordern die Wiener Kollegen ein Demonstrationsverbot auf der Ringstraße. Ihr sagt Richtung Türkei, sie sei so böse, weil sie die Demonstrationsrechte nicht gewähren will und die Versammlungsfreiheit beschneiden würde. Genau das, was die Freiheitliche Partei in Wien machen will. Sie will nämlich Demonstrationen auf der Ringstraße verbieten. Diese Doppelzüngigkeit finde ich so unerträglich, das muss hier auch einmal ganz deutlich gesagt werden.

Gleichzeitig muss ich, wenn es um den EU-Beitritt, die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei geht, auch die österreichische Regierung, Herr Staatssekretär, sehr heftig kritisieren. Nach diesen schrecklichen Ereignissen, die da in der Türkei passiert sind, wo die Demonstrantinnen und Demonstranten auf brutalste Art und Weise behandelt worden sind, wo Menschen, die bloggen oder twittern, verhaftet werden, wo es tatsächlich jetzt politische Gefangene gibt, hat man gesagt: Nein, wir verhandeln jetzt gar nicht mehr! Das waren Österreich, Deutschland und die Niederlande, da kritisiere ich diese drei Länder. Dann ist man draufgekommen, man muss einen Kompromiss schließen, und hat dann gesagt: Okay, wir verhandeln im Herbst wieder weiter, und zwar das Kapitel Regionalpolitik!, statt zu sagen – und das wäre meiner Meinung nach eine starke außenpolitische Seite der Europäischen Union gewesen –: So, Türkei, wir haben jetzt gesehen, was ihr tut! Wir verhandeln mit euch, und zwar gerne, ausgiebig und ausführlich, wir verhandeln ab sofort die Themen Demokratie, Menschenrechte, Versammlungsfreiheit, politische Gefangennahmen und Freiheit der Kunst! – Da sitzen ja jetzt sogar Künstler und Künstlerinnen im Gefängnis.

Zu sagen: Wir verhandeln jetzt nicht mehr!, das ist ja keine Waffe, damit sagt man: Das geht uns nichts an!

Herr Staatssekretär, ich finde das wirklich beschämend, sowohl von der deutschen als auch von der niederländischen und österreichischen Außenpolitik, dass man da nicht gesagt hat: So, Türkei, jetzt verhandeln wir Demokratie und Menschenrechte! Das müsst ihr jetzt machen, sofort! (Beifall bei den Grünen.)

15.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

15.53.36 13. Punkt

Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2013–2015 (III-494-BR/2013 d.B. sowie 9023/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Ich bitte um die Berichterstattung.

15.53.55

 


Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Ich bringe den Bericht über das Dreijahres­programm der österreichischen Entwicklungspolitik 2013–2015.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich stelle den Antrag, das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungs­politik zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Hafenecker. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.54.27

Bundesrat Christian Hafenecker (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Einige Worte von unserer Seite zur Entwick­lungspolitik. Ich möchte vorausschicken, dass die FPÖ sich selbstverständlich zur Entwicklungshilfe als Institut bekennt. Wir erkennen natürlich auch die soziale Ver­antwortung, die Österreich international zu tragen hat. Trotzdem stehen wir diesem Bericht kritisch gegenüber, weil da grundlegende Dinge gegen die Linie der FPÖ sprechen.

Wir haben zum Beispiel ein sehr großes Problem damit, dass es nach wie vor keine entsprechenden Kontrollmechanismen gibt, wo untersucht wird: Was passiert mit dem Geld? Wie kann vor allem sichergestellt werden, dass dieses Geld nicht auch in kriminellen Kanälen versickert?

Eine weitere Forderung, die gerade den afrikanischen Raum betrifft, ist ebenfalls eine Forderung, die schon lange von der FPÖ erhoben wird, bis heute aber leider nicht umgesetzt wurde, nämlich gleichzeitig zu dieser Entwicklungshilfe mit den ameri­kani­schen Staaten bilaterale Abkommen zu treffen, in denen klar festgelegt wird, dass illegale Einwanderer in die EU oder in Europa straffällig gewordene Einwanderer oder auch Einwanderer, deren Asylantrag abgelehnt wird, ohne Probleme und reibungslos wieder von ihrem Land zurückgenommen werden, wieder in ihr Land zurückgeholt werden. Leider Gottes gibt es bis heute kein derartiges Abkommen.

Ein großes Problem sehen wir Freiheitlichen bei den direkten Budgetzuschüssen. Hier sehen wir die Problemstellung, dass nur an demokratisch gut geführte Regierungen Förderungen vergeben werden können, und deren gibt es im afrikanischen Raum nicht sehr viele. Es müssen daher Förderungen an entsprechende Bedingungen gekoppelt werden, die auch Nachhaltigkeit garantieren. Das heißt, wir sprechen uns hier wirklich hauptsächlich für projektbezogene Förderungen aus.


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Weiters sollte man in diese Überlegungen auch miteinbeziehen, dass man hier nicht Anreize schaffen soll, immer auf Entwicklungshilfe zu warten, sondern darauf abzielen sollte, so rasch als möglich in die Eigenverantwortung überzugehen.

Es bleiben da, wie gesagt, nicht sehr viele Länder übrig, wo es die Handlungsfähigkeit und die Handlungswilligkeit der entsprechenden Regierungen gibt. Man muss hier auch erwarten können, dass die Legitimität der Regierungen auch an eine ent­sprechend große Zustimmung in den Ländern gekoppelt ist. Auch hier sehen wir Spannungsfelder. Funktionierende parlamentarische Kontrolle muss ebenso vorauszu­setzen sein wie entsprechend nachvollziehbare Reformvorhaben. Und zu guter Letzt muss man auch das Problem Korruption entsprechend im Griff haben.

Somit gibt es nicht viele Länder, in denen diese Garantien gegeben sind und wo man wirklich nachvollziehen kann, in welche Kanäle die Gelder gehen. Deswegen ist eben diese Budgethilfe eine brisante Sache und sehr vorsichtig einzusetzen, und wenn schon, dann sollte man die von mir erwähnten Kriterien auch entsprechend anwenden.

Was wäre also der FPÖ-Zugang zur Entwicklungshilfe? – Die Entwicklungshilfe als Ganzes zu überdenken und im Hinblick auf konkrete Projekte auch zu fokussieren. Wir würden vorschlagen, hier kleinere Länder ins Kalkül zu ziehen, wir würden vor­schlagen, praktische Machbarkeit konkreter Projekte entsprechend zu überprüfen, und wir würden vor allem vorschlagen, eine überschaubare Menge an Entwicklungshilfe­projekten in den Fokus zu stellen und vom Gießkannenprinzip wegzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt, aber, wie wir wissen, nicht das größte Land der Welt, und deshalb sind auch unsere Mittel entsprechend beschränkt. Helfen wir daher in Schwerpunktländern, deren Situation nachhaltig zu verbessern, aber ergehen wir uns nicht in dem Gedanken, dass wir auf der ganzen Welt den Samariter spielen können.

Abschließend noch ein Wort, auch, weil es die Aktualität gebietet: Vielleicht denken wir im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Wochen ein wenig mehr an unsere eigenen Leute und vor allem an die Opfer des Hochwassers. (Beifall bei der FPÖ.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Kollege Preineder, ich nehme an, 1 Minute ist für Sie zu kurz. – Gut, dann unterbreche ich jetzt die Sitzung bis 16 Uhr, um sie dann zum Aufruf der Dringlichen Anfragen wieder aufzunehmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

15.59.01(Die Sitzung wird um 15.59 Uhr unterbrochen und um 16.02 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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16.02.20Dringliche Anfragen

der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Konkurs des Baukonzerns „Alpine“ (2949/J-BR/2013)

der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Konkurs des Bau­konzerns „Alpine“ (2950/J-BR/2013)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag. Reinhard Pisec, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Mag. Pisec als erstem Anfragesteller zur Begründung der ersten Dringlichen Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.02.51

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben am heuti­gen Tag vom Wissenschaftsminister schon einen Exkurs über die Latinität in der Antike gehört, die Morphologie des Wortes „Meilen“, „miles“. Auch „Minister“ ist lateinischer Herkunft. „Minister“ heißt bekanntlich „dienen“. Ich glaube, es ist Zeit, nach fünf Jahren Wirtschaftspolitik der österreichischen Bundesregierung ein Resümee zu ziehen: Dient der Wirtschaftsminister der österreichischen Wirtschaft oder beherrscht er sie oder, wie wir leider Gottes in täglichen Berichten immer hören müssen, stört er sie sogar, behindert er sie sogar?

Anlass der heutigen Dringlichen Anfrage ist – wir alle mussten es aus den Zeitungen erfahren und täglich kommen neue Meldungen herein – der Konkurs des spani­schen/ehemaligen österreichischen Baukonzerns Alpine, der 15 000 Mitarbeiter auf leeren Baustellen hinterlässt und über 1 000 Zulieferbetrieben, österreichischen KMU-Betrieben schwere Kopfschmerzen verursacht, wobei wahrscheinlich Hunderte diese Großinsolvenz, die größte in Österreichs Zweiter Republik, nicht überleben werden.

Dazu kommt noch der österreichische Staat, der sich wieder einmal eingemischt hat in die Privatwirtschaft, eingemischt hat in die marktorientierte Wirtschaft, der mit 150 Millionen € auch zum Handkuss kommt. Natürlich nicht der österreichische Staat, denn der hat ja kein Geld, der bekommt das Geld von den österreichischen Steuer­zahlern, von uns. Wir alle kommen wieder einmal zum Handkuss.

Die Alpine ist nicht unbedingt ein Paradekonzern in der österreichischen Bauwirtschaft und bietet zu Dumpingpreisen an – zu Dumpingpreisen, die zur Folge hatten, dass alle österreichischen Mitanbieter, alle echten österreichischen Firmen praktisch nicht konkurrenzfähig waren, eben weil der österreichische Staat sich wieder eingemischt hat mit Bankgarantien und Haftungen, die er den Banken gewährt hat, damit sie Kredite an die Alpine vergeben, damit sie überhaupt anbieten kann.

Dieser Konkurs der Alpine ist die Spitze eines Eisbergs von Insolvenzen, Schließun­gen, Liquidationen und Abwanderungen österreichischer Betriebe in das Ausland. 2012 sind 25 000 Unternehmen in Österreich geschlossen worden, davon waren 6 000 In­solvenzen. Allein im ersten Halbjahr 2013 wird die Insolvenzrate in Österreich auf über 3 000 hochschnellen. Insgesamt stehen in Österreich 18 000 Mitarbeiter im ersten


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Halb­jahr auf der Straße, mehr als 85 Prozent im Vergleichszeitraum des letzten Jahres.

Dazu kommen noch Standortschließungen 2013, wie jene des österreichischen Traditionsunternehmens Pago, des Leiterplattenherstellers AT&S oder Standort­verle­gun­gen wie beim österreichischen Parade-Vorzeigeunternehmen Voest, das seinen Standort in die USA verlagert hat, weil es dort offensichtlich bessere Standortbedin­gungen gibt als in Österreich.

Internationale Unternehmen haben ihre Headquarters aus Österreich abgezogen: Heineken, Nokia, Japan Tobacco. Tridonic, haben wir heute erst gelesen, wird sein Werk in der Steiermark mit 100 Mitarbeitern mit Jahresultimo schließen. Frohnleiten in der Steiermark mit über 150 Mitarbeitern hat sein Werk Ende März geschlossen. Weitere werden leider Gottes folgen.

Das sind nur die publik gewordenen Fälle. Nicht publik geworden sind die Tausenden österreichischen Familienunternehmen, KMU-Betriebe, Klein- und Mittelbetriebe, die unter diesen Großkonkursen, Großinsolvenzen, Liquidationen, Schließungen und Abwanderungen leiden werden.

Das ist das Ergebnis einer Wirtschaftspolitik – und dies bedarf einer Analyse im Rah­men dieser Dringlichen Anfrage –, die aus Schulden und hohen Steuern besteht, einer Politik, die in Österreich seit über zehn Jahren nachhaltig verfolgt wird. Es geht also um die langfristige Fragestellung: Wirkt dieser Staat, repräsentiert durch unsere Bundes­regierung, mit seiner Wirtschaftspolitik mit steigenden Staatsausgaben und steigenden Steuerquoten unterstützend für unsere Wirtschaft oder lähmt er die Wirtschaft, ist er also kontraproduktiv?

Ich darf erinnern, wir hatten zwei Konjunkturpakete, zwei Belastungspakete, die groß publik gemacht worden sind, 2009 und 2011, und eigentlich ein Wachstum vorge­täuscht haben, wo sich jetzt herausstellt, dass es gar kein Wachstum war. Denn das Problem der gesamten Wirtschaftspolitik in Österreich ist: Man bringt kein Wirtschafts­wachstum mehr zusammen.

Wenn Sie, sehr geehrter Herr Minister, kein Wirtschaftswachstum mehr zusammen­bringen, wenn Österreich sogar in die Rezession schlittert, dann fallen die ganzen Verträge mit der Europäischen Union um, die immer nur auf Verhältniszahlen aufge­baut sind. Und das wissen Sie! Das ist praktisch die treibende Kraft, warum Sie alles tun, um die Optik eines Wirtschaftswachstums zu wahren – und sei es mit Schulden, Schulden und nochmals Schulden.

Auch das jetzige Konjunkturpaket, das am Wochenende publik gemacht wurde, erinnert mich ein bisschen an die BAWAG-Aktion vor einigen Jahren, wo an einem Sonntag innerhalb von zwei Stunden Milliarden in die USA überwiesen worden sind, und am Schluss sind alle pleitegegangen. Der österreichische Staat, wie wir wissen, kann nicht pleitegehen. Pleitegehen können nur die Steuerzahler und die KMU-Betriebe.

Aber zurück zum Konjunkturpaket. Es wurde jetzt ein Konjunkturpaket beschlossen. Für wen? – Zunächst einmal kommt es zu spät. Dass die Alpine hängt, wissen Insider eigentlich seit einem dreiviertel Jahr. Wem kommt es zugute? Warum nur der Baubranche? Warum nur dieser schrägen, immer gefährdeten und von Staatsnach­fragen abhängigen Baubranche? Es ist ein Mix von Unternehmen aller Branchen in Österreich, die in den letzten Monaten publik werden, ein Mix von allen, die unter dieser Wirtschaftspolitik leiden und keine Gewinne erwirtschaften können und in die Verlustzone geschlittert sind.


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Die Branche der Bauwirtschaft ist eine zu hinterfragende. Sie fördern aber nicht den bestehenden Alpine-Konzern, denn der ist jetzt Geschichte, Sie fördern die beste­henden Großen, die diese Bauaufträge ja ohnehin übernehmen von über 4 000 leer­stehenden Baustellen, die jetzt sowieso mehr Business bekommen, weil ja ein Mit­anbieter fehlt, der die Aufträge alle bekommen hat, weil er zu Dumpingpreisen ange­boten hat. (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) Die bekommen sowieso bessere Konditionen, und dazu werden sie jetzt mit Mitteln aus diesem Konjunkturprogramm gefördert, obwohl ich diese Förderung, ehrlich gesagt, nicht ganz verstehe.

Sie bezeichnen hier Kinderbetreuungsplätze und sogar  ich finde das sarkastisch, wenn man darunter leiden muss  den Hochwasserschutz als Konjunkturprogramm. Ob das jetzt ironisch oder ernst gemeint ist, ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich finde es unseriös, denn wir alle wissen, dass Hochwasserschutz Leid, Kummer, Sorge und Verlust mit sich bringt. (Bundesrat Kneifel: Der Schutz aber nicht! Der Schutz bringt keinen Kummer! Heiterkeit.)

Der Schutz war schon längst beschlossen, vor dieser Alpine-Pleite. Der Schutz war schon längst beschlossen. Drei Viertel dieses angeblichen Konjunkturpaketes, dessen, was jetzt als Konjunkturpaket verkauft wird, war schon längst beschlossen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist doch alles nichts Neues! Was soll denn das? Was soll man mit diesen ganzen Beträgen anfangen? Und dazu kommen noch diese ganzen Lohnzusatzkosten, die alle Arbeiter und Mitarbeiter zahlen müssen, über 100 Prozent. Da gibt es einen Insolvenz-Entgelt-Fonds, der nicht einmal 30 Tage Geld aufbringt, um die Mitarbeiter über die Runden zu bringen, obwohl da Millionen von den Mitarbeitern eingezahlt werden, praktisch 100 Prozent des Lohnes müssen die Mitarbeiter abgeben. Also wo kommen wir da hin?  Und dann verkaufen Sie den Hochwasserschutz  ich muss es noch einmal erwähnen, denn es war skurril, als ich das gelesen habe  als Konjunktur­programm  aber bitte, das ist Ihr Programm. Ihr Programm besteht aus Management durch Geldausgeben. Das ist die Theorie dieser Wirtschaftspolitik. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Die Ursachen der Unternehmensschließungen sind ganz andere. Die Ursachen, unter denen die Wirtschaft in Österreich leidet, sind folgende: viel zu hohe Unternehmens­steuern und Einkommensteuern, viel zu hohe Lohnzusatzkosten, wie soeben erwähnt. Alles zusammen ergibt ein investitionsfeindliches Klima in Österreich, und der österreichische Standort leidet, sonst würde es nicht diese zahlreichen und aberhun­derten Insolvenzen geben, wie soeben ausgeführt.

Es gibt keine investitionsfördernden und vermögensfördernden Maßnahmen. Da kann sich kein Betrieb halten, wenn er kein Eigenkapital aufbauen kann, denn das kommt ja durch den berühmten Trickle-down-Effekt sowieso allen zugute. Die Unternehmen zahlen ohnehin Steuern, die Mitarbeiter zahlen auch Steuern, es können mehr Arbeits­plätze geschaffen werden. Warum greift man immer die Unternehmen derart an, dass man ihnen eine dermaßen hohe Belastung und Steuergebarung aufoktroyiert  siehe Wien mit der gesamten Abgabenpolitik; Abgaben, die letztlich auch nur Steuern sind.

Was ist die Wirkung dieser Wirtschaftspolitik? (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ja, das Resümee tut weh, ein Resümee über fünf Jahre, um mehr geht es hier nicht. Das ist alles euer Werk: fünf Jahre Wirkung dieser Wirtschaftspolitik, kein Wachstum!  Sorry, ihr bringt das einfach nicht zusammen! (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Blatnik: Kärnten! Was war mit Kärnten?!)

Weitere Punkte sind: steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft, da kein Ein­kommen; sinkendes Einkommen ergibt geringe Kaufkraft, wie wir alle aus jeder Menge Analysen wissen. Daraus folgt geringerer privater Konsum und vor allem eine gerin-


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gere Sparquote. Was heißt geringere Sparquote?  Die Banken können weniger Kredite vergeben; weniger Kredite heißt wieder, die Unternehmen können sich nicht refinanzieren, können keine Außenfinanzierung beantragen und leiden darunter.

Ein kurzer Bericht, denn das ist ja ohnehin alles irgendwie nachvollziehbar: Ich kann mich noch erinnern, Anfang der neunziger Jahre gab es diese berühmte Goldgräber­stimmung im Osten, da geht es um die CEE-Länder. Da hat es Zinssätze von 10,12 Prozent gegeben, und die Unternehmen haben jede Menge Gewinn und Eigen­kapital thesaurieren können. Und jetzt gibt es Zinssätze von 2 bis 4 Prozent und alles hängt – es hängt ja alles!

Sie, sehr geehrter Herr Minister (in Richtung Bundesminister Dr. Mitterlehner) oder geschätzter Vize (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner. Heiterkeit und Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.Sagen wir: geschätzter  ich spreche es aus  Vizeminister! Es hat mir gefallen, dass er die Wirtschaft entfesseln möchte. Aber  jetzt nicht geschätzter  er hat sie selbst gefesselt. Das muss man auch einmal sagen: Er hat sie gefesselt! Das ist ja der Zustand, den wir jetzt haben.

Wenn ich den Schweizer Ökonomen Charles Blankart nennen darf  (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Der wird rotieren! Heiterkeit.– Es ist die Frage, wer am Ende rotiert. Ich zitiere:

„Eine Politik hoher Steuern und hoher Ausgaben funktioniert solange, wie ein Staat seinen Bürgern höheren Wohlstand vorgaukeln kann.“

Solange Sie das vorgaukeln, wieder: geschätzter Herr Minister, so lange funktioniert das, aber wehe, man schaut zwischen die Zeilen, wehe, man begibt sich einmal in eine Analyse hinein.

Die Stimulierung der Bauwirtschaft erinnert mich irgendwie an diese in Richtung Autokratie tendierenden asiatischen und afrikanischen Staaten, die immer dann, wenn es mit dem ganzen Land bergab geht, in die Bauwirtschaft und in die Rüstungs­industrie investieren und das Ganze dann als Wirtschaftswachstum verkaufen, was de facto eigentlich keines ist, denn wenn man aus dem Wirtschaftswachstum, aus dem Bruttoinlandsprodukt, diese Schulden herausrechnet, dann bleibt einfach nichts mehr übrig. Das ist so, das muss man einfach zur Kenntnis nehmen!

Die Wirtschaftspolitik der Regierung mit Schulden und hohen Steuern erinnert auch ein bisschen an die absolutistischen Regierungen in der Zeit kurz vor der Französischen Revolution, den Versuch von Alchemisten, dem hoch verschuldeten König Gold herzustellen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Das erinnert irgendwie daran, dass Sie versuchen, mit Ihrer Wirtschaftspolitik Wachstum zu erzielen.  Nein, das ist alche­mistische Wirtschaftspolitik, es ist nicht real.

Bereits damals hat ein anderer Franzose, Jean-Baptiste Say, die Bedingungen für ein stabiles Gleichgewicht für die Wirtschaft formuliert, denen heute viele Staaten folgen, die wir alle neidvoll beobachten müssen. Einer davon ist die Schweiz  Respekt, Hut ab vor dieser tollen Nation!

Was ist das Rezept?  Schlanker Staat ohne Staatsschulden; geringe Steuern; Pro­duktion, Distribution, Konsumption. Wenn Sie eine Reindustrialisierung propagieren, dann müssen Sie sich auch um die Distribution kümmern!  Okay, die Außenwirtschaft boomt in Österreich, das ist richtig, aber der Import boomt noch mehr, weil viele Produkte in Österreich gar nicht mehr hergestellt werden. Bei der Konsumption, dem dritten Parameter, hapert es extrem in Österreich, da die Realeinkommen sinken. Sie versuchen, das durch die staatliche Konsumption zu kaschieren, was man wieder an diesem Konjunkturpaket sieht, das eigentlich ein Belastungspaket ist.


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Das Ergebnis nach Jean-Baptiste Say wären Wachstum und Arbeitsplätze, so wie es die Schweiz seit Jahren, seit Jahrzehnten vorzeigt. Interessanterweise kommt auch Deutschland wieder auf diesen Kurs und sogar die USA. Das habe ich vor Kurzem in einem Wirtschaftsbericht gehört, die USA ist der up-and-coming State im dritten Jahrtausend, wird von vielen unterschätzt. Mit China geht es bergab, aber absolutis­tischen Staaten sollte man nie vertrauen!

Kurz ein anderes Thema, zur EZB (Rufe: Kurz!): Vor Kurzem gab es in Karlsruhe eine Anhörung vor dem Verfassungsgerichtshof, und da hat ein EZB-Vorstandsmitglied gesagt – ich zitiere –:

„Wir haben den europäischen Ländern durch unsere Anleihen-Kaufprogramme in den vergangenen fünf Jahren die Rahmenbedingungen vorgegeben, damit durch niedrige Zinsen die Wirtschaft stimuliert und der Staatshaushalt in Ordnung gebracht werden kann. Einige Staaten haben dies genützt, einige nicht.“

Wir Freiheitlichen sagen dazu: Österreich hat es nicht genützt! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Die Zinsen sind ein Problem, sie treffen vor allem die Realeinkommen, weil auf den Sparbüchern das wenige Geld der Menschen, das sie sich behalten können, nicht verzinst wird.

Zusammenfassung: Der Multiplikator-Effekt, das keynesianische System  eh nie verstanden, da permanente Schulden, permanente hohe Steuern, permanente anti­zykli­sche Politik, in der Kontinuität hineingebrochen  gibt es nicht, so ein Wirtschafts­system gibt es nicht. Daher darf man sich nicht wundern, dass man keinen Leverage-Effekt, also keine Hebelwirkung zusammenbringt, denn wenn Sie 1 € finanzieren, einen Kredit aufnehmen in Form einer Anleihe, müsste das Wirtschaftswachstum hoch­gerechnet um 2 € steigen oder um irgendetwas potenziert. Das tut es aber nicht, man bringt es einfach nicht zusammen.

Sehr geehrter Herr Minister, das müsste einem eigentlich zu denken geben, ob man nicht doch den Pfad der Wirtschaftspolitik, wie sie jetzt besteht, verlassen und kosten­orientiert, nutzenorientiert und vor allem orientiert in Richtung Bedürfnisse der öster­reichischen Klein- und Mittelbetriebe nachdenken sollte. Diese gesamte Pleitewelle, die über Österreich in den letzten Tagen, in den letzten Monaten hinweggerollt ist, muss einem  frei von politischer Werteorientierung  zu denken geben, ob das, wie es gestaltet worden ist, wirklich richtig ist. Wir Freiheitliche meinen: nein!

Zusammenfassung betreffend eine richtige, eine vernünftige, eine orientierte Wirt­schafts­politik, die Arbeitsplätze und vor allem nachhaltiges Wachstum für uns alle schafft: Lassen wir doch Unternehmen Gewinne machen! Beneiden wir sie doch nicht darum, dass sie diese Gewinne aus ihrer Wertschöpfung auch behalten können! Fördern wir sie!

Ich habe mir Ihr Konjunkturprogramm auch im Detail kurz angeschaut. Da führen Sie einen Freibetrag von 37 000 irgendetwas € ein, gedeckelt mit 5 Prozent der gesamten Investitionssumme. Das hat mich an den IFB erinnert, der ursprünglich einmal, ich glaube, 15 Prozent ausgemacht hat, dann 9 Prozent, dann 5 Prozent, dann wurde er überhaupt gecancelt.

Es ist doch wesentlich vernünftiger, wenn man sich aus einem bestehenden Geschäft, aus einem bestehenden Business das Geld behalten kann, selber investiert, weil man das Geld ja selber erwirtschaftet hat, und dann auch seinen verdienten Ertrag erzielt. Das ist doch wesentlich besser, als sich mühsam um Förderungen zu bemühen, die man bekommt oder vielleicht nicht. Viele haben gar nicht die Zeit dazu, sich mit diesen


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Formularen zu beschäftigen. Ob es dann zielorientiert ist, ist die nächste Frage. Jedenfalls ist es mühsam, Bürokratie, hemmend und vor allem kostet es sehr viel.

Es kostet in der Verwaltung unheimlich viel, Förderungen auszuschütten, wo man doch einfach einen IFB, einen Investitionsfreibetrag, einführen könnte, wo Sie nicht einmal irgendein zusätzliches Verwaltungsorgan anstellen müssten, den jeder Betrieb selbst errechnen und dann selbst die Früchte seiner Ernte übernehmen kann. Das ist wesentlich besser als immer diese Fördermodelle, immer diese Unterstützungs­model­le, die sicher nicht zielorientiert sind und sicher nicht den wirklich bedürftigen Unter­nehmen, die, wie in diesem Fall, hängen, zugutekommen, obwohl sie es könnten, sollten und vor allem müssten.

Dies fördert unternehmensseitig, wie schon erwähnt, die Bildung von Eigenkapital. Eigenkapital ist die Kennziffer, die heute hergezeigt werden muss. Wenn man zur Bank geht, Geld haben möchte, um seine Wirtschaft, um seinen Betrieb zu stimulieren, anzu­kurbeln, in Fahrt zu bringen, muss man Eigenkapital aufweisen. Das wird immer mehr nachgefragt, vor allem, weil für die Banken aufgrund des Basel-III-Abkommens selber die Eigenkapitalquote die wichtigste Kennzahl geworden ist. Einer spielt den Ball dem anderen zu – die Banken haben kein Eigenkapital, die Unternehmen haben kein Eigenkapital –, und im Gesamten kommt das dann nicht in Fahrt.

Die entscheidende Rolle spielt der österreichische Staat, die negative Hauptrolle, weil mit seiner Hauptgeldnachfrage, dem berühmten Crowding-out-Effekt mit schon über 200 Milliarden Staatsanleihen, verbraucht er das gesamte Kreditangebot. Vor allem sind diese Staatsanleihen nicht mit Eigenkapital hinterlegt, die sind extra ausge­nommen aus den Basel-III-Vorschriften, damit ja diese Staatenfinanzierung, damit ja diese Schuldenfinanzierung funktionieren kann. Und mit dieser Eminenz, mit dieser  ich möchte geradezu sagen  Brutalität drängt sich der Staat in die marktorientierte Wirtschaft, in die Realwirtschaft hinein. Das hat noch nie funktioniert, das wird nie funktionieren und das führt immer nur ins Gegenteil. Es gibt genügend Beispiele in der Geschichte. Warum Sie, sehr geehrter Herr Minister, nicht einmal versuchen, einen anderen Standpunkt einzubringen oder zu propagieren und natürlich auch umzusetzen, ist mir ein Rätsel.

Ich habe mir kurz den Leitantrag der Wirtschaftskammer angesehen, weil die Wirt­schafts­kammer ja letztlich jene Organisation ist, die eigentlich Unternehmer vertreten soll. Dieser wurde 2010 eingebracht und ist gültig bis 2015, ist also derzeit aktuell, sollte man glauben. Allein der erste Halbsatz  das sind drei Seiten, ich habe sie jetzt hier bei mir am Tisch liegen; ich rezitiere das jetzt frei , genügt, um zu wissen, wie Wirtschaftspolitik funktionieren könnte. Der ist ja gar nicht so schlecht. Da steht drinnen: Die angebotsorientierten Standortbestimmungen für Unternehmen sind zu unterstützen.

Das entscheidende Wort ist das Wort „angebotsorientiert“. Das ist die berühmte Supply-Side Economy. Ich weiß nicht, vielleicht ist Ihnen der Fehler  beziehungsweise nicht Ihnen, sondern der Wirtschaftskammer  passiert, es ist ihnen hineingerutscht, aber mit diesem einen Halbsatz haben Sie die gesamte Wirtschaftspolitik drinnen, und das ist buchstäblich das Gegenteil davon, was Sie propagieren. Also entweder nimmt die Wirtschaftskammer sich selbst nicht ernst, was ich manchmal auch vermute, oder der Satz ist ihnen irrtümlich hereingerutscht, denn angebotsorientierte Wirtschaft heißt  das ist auch von Jean-Baptiste Say, habe ich mir herausgesucht –, jedes Angebot schafft seine Nachfrage.

Wenn das Angebot nicht da ist, gibt es keine Nachfrage, siehe Alpine. Wenn die halt so aufgebläht sind, so viele Baustellen haben in einem Moment, im nächsten Jahr wieder nichts, ist klar, dass die keine Arbeit haben. Das Ganze muss sich selber rechnen.


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Angebotsorientierte Wirtschaft heißt, jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage und nicht: die Nachfrage schafft das Angebot, nicht: der Staat schafft das Angebot, nicht: der Staat unterstützt die Wirtschaft. Die Wirtschaft unterstützt sich selber mit niedrigen Steuern und niedrigen Belastungsquoten; und vor allem erzielt man dadurch Wirt­schafts­wachstum, was Sie mit dieser nachfrageorientierten Politik nie erwirtschaften werden.

Herr Minister, zusammenfassend ersuche ich Sie, diesen Leitansatz zu vergleichen! Ich habe den Präsidenten Leitl vor Kurzem im Fernsehen gesehen. Ich meine, das ist dann austauschbar, das ist die berühmte Sozialpartnerschaft. Offensichtlich bringt die der Wirtschaft nichts. Offensichtlich ist dadurch die Wirtschaftskammer paralysiert. Jetzt bespricht sie dort einen Leitantrag, der wird sogar mit allen Parteien abgestimmt, da habe ich auch mitgestimmt, und in der Praxis wird das einfach nicht umgesetzt oder nicht einmal beantragt, dass hier ein anderes Denken stattfinden könnte.

Präsident Leitl sagt auch, die Bauwirtschaft gehört gefördert. Entschuldigung, keinen KMU-Betrieb in Österreich interessiert die Bauwirtschaft so sehr. Es gibt 400 000 Mit­glieder, 400 000 Gewerbetreibende; die Bauwirtschaft ist nicht einmal 5 Prozent groß – abgesehen davon, dass die Alpine sowieso ein spanischer Konzern ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Also warum man permanent dieser Alpine Aufträge gegeben hat, ist mir auch ein Rätsel. Dies hätte sicherlich objektiver und vor allem nachhaltiger geschehen können.

Wichtig ist ein Branchenmix. Alle Betriebe gehören gefördert und unterstützt, nicht nur einer, nicht nur eine Branche, die sich gerade aus dieser Anlassgeschichte ergibt. Das ist eine Anlassgesetzgebung. Ich habe es kurz genannt: Es sind ja schon über zehn Insolvenzen, Abwanderungen, die hier passiert sind. Man sollte sich auch wieder einmal mit der Voest unterhalten, warum sie in Österreich offensichtlich nicht mehr den optimalen Standort sieht. Aber bleiben wir kurz bei der Wirtschaftskammer: Als Unternehmer erwartet man sich von der Wirtschaftskammer, dass sie ihre Grundsätze ernst nimmt. Das tut sie mit diesem Leitantrag nicht! Danke vielmals  (Bundesrat Stadler: Bitte! Ruf bei der SPÖ: Danke schön!)

Danke vielmals, dass Sie, sehr geehrter Herr Minister, Ihre Wirtschaftspolitik überden­ken, ob das hier umgesetzt werden kann, was offensichtlich nicht der Realität entspricht.

Die Ergebnisse einer vernünftigen Wirtschaftspolitik wären Wirtschaftswachstum, Preis­niveaustabilität, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleich­gewicht.

Wirtschaftswachstum findet in Österreich nicht statt, wie erwähnt.

Preisniveaustabilität: Wir wissen, die Lebensmittelpreise ziehen an, 5 bis 10 Prozent, weit über der offiziellen Inflationsrate.

Hoher Beschäftigungsstand: Letztlich ist die Arbeitslosigkeit jener Punkt, der als Para­meter für beide Minister gelten wird, wie sie die Wirtschaftspolitik in Österreich in den letzten Jahren dargestellt haben und was ihr Resümee ist.

Außenwirtschaftliches Gleichgewicht: Das Einzige, was wirklich funktioniert, sind tüch­tige, fleißige, leistungsorientierte österreichische Betriebe. Das ist der Mittelstand. Die Außenwirtschaft ist ein Paradebeispiel der österreichischen Wirtschaft, aber die ist unabhängig von der Hilfestellung des österreichischen Staates. Die bringt sich selber fort, das ist die eigene Leistung, sehr geehrter Herr Minister. Dies können Sie sich nicht auf Ihre Fahnen heften. Die Importquote steigt auch. Also von Gleichgewicht ist in diesem Sinne, im Sinne einer ausgeglichenen Handelsbilanz, nicht zu sprechen.


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Zusammengefasst (Ruf bei der SPÖ: Schon wieder!) analysiert und interpretiert: Das Wirtschaftsprogramm der Bundesregierung von Schulden und hohen Steuern ist das Gegenteil davon, wie es sein sollte  daher auch die traurigen Ergebnisse.  Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun erteile ich Herrn Bundesrat Krusche als erstem Anfragesteller zur Begründung der zweiten Dringlichen Anfrage das Wort.

 


16.30.09

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher vor den Fernsehgeräten zu Hause! Anlass­fall ist, wie bereits bekannt, die Pleite der Alpine – die größte Pleite in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg!

Über diesen Anlassfall war gestern in einer APA-Meldung zu lesen: Angesichts der Pleite des Baukonzerns Alpine und der nach wie vor schwachen Konjunktur hat die Regierung ein Konjunkturpaket beschlossen.

Hurra!, könnte man jetzt sagen.1,59 Milliarden € bis 2016 – das scheint für die Bundes­regierung ein willkommener Anlass zu sein, Aktivität und Kompetenz vorzutäuschen, vor allem angesichts der nahenden Wahlen! Damit soll die offensichtlich herrschende Panik innerhalb der Regierungsparteien verschleiert werden. Und diese Panik ist eigentlich nicht überraschend oder verwunderlich. Monat für Monat bereits werden steigende Arbeitslosenzahlen kolportiert beziehungsweise gemeldet. Derzeit haben wir ungefähr 330 000 Arbeitslose, Herr Minister. 80 000 Personen sind in Schulungen. Und wohlgemerkt: Jeder, der auch nur eine Stunde pro Woche arbeitet, fällt aus dieser Statistik hinaus.

In einer IFES-Untersuchung wurde gesagt, dass für 42 Prozent der Österreicher die Arbeitslosigkeit derzeit das wichtigste Thema ist. Vor der Wahl 2008 war es dies für fünf Prozent.

In einer aktuellen Studie von HUMANITAS heißt es, dass die Befragten für die Zukunft wenig optimistisch sind. 68 Prozent sehen die Zukunft des Arbeitsmarktes negativ, nur acht Prozent positiv. Ebenfalls stark ausgeprägt ist die subjektive Angst, den Arbeits­platz zu verlieren – gleich für 63 Prozent! 92 Prozent geben an, aufgrund der aktuellen Firmenpleiten beunruhigt zu sein. 87 Prozent verspüren einen allgemein steigenden Konkurrenzdruck im Arbeitsleben. 70 Prozent machen die aktuelle Wirtschaftskrise dafür verantwortlich, 62 Prozent die Instabilität der Europäischen Union. 75 Prozent geben an, dass die Politik nicht genug unternommen hätte, um Arbeitsplätze zu erhalten.

Herr Bundesminister Mitterlehner hat ja vor Kurzem sehr plakativ gesagt: Die Ein­schläge kommen näher!

April: Niedermeyer-Pleite. Derzeit: Entlassungen bei Schlecker-Nachfolger dayli; Hun­derte Arbeitsplätze werden diesen zum Opfer fallen. Ich hoffe nur, dass keine Pleite folgen wird. Die Zeichen stehen nicht gerade sehr positiv.

Ein steirischer Personaldienstleister ist gerade pleitegegangen – und jetzt eben die Alpine! Das erklärt natürlich die hohe Nervosität bei den Regierungsparteien jetzt vor den Wahlen, weil ein Unternehmen betroffen ist, das 1965 von den Pappas-Brüdern mit 28 Mitarbeitern gegründet wurde und das sein Wachstum bis zur Pleite zu einem Gutteil durch Übernahmen lukriert hat – nur einige namhafte Beispiele renommiertester österreichischer Unternehmen: Mayreder, Universale, Stump Spezialtiefbau, Beton- und Monierbau –, um schließlich selbst dann im vergangenen Jahr zu hundert Prozent vom spanischen Bauriesen FCC übernommen zu werden. Ausgerechnet zu diesem


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Zeitpunkt von den Spaniern, wo man wusste, dass der Boom der spanischen Bau­wirtschaft zu einem Gutteil auf der Immobilienblase und auf überdimensionierten Infra­strukturprojekten, die in Spanien errichtet wurden – Flughäfen, wo keiner abfliegen will, Hochgeschwindigkeitsstrecken, auf denen kaum ein Zug fährt –, basiert hat.

Diese Firma hat derzeit – sie hat sehr stark verloren – einen Börsenwert von 950 Mil­lionen €. Im Vergleich dazu: 700 Millionen € hat sie in die Alpine gesteckt. Und da wird von den in der Regierung Verantwortlichen dann behauptet, diese Pleite sei über­raschend gekommen.

Keinesfalls ist diese Pleite überraschend gekommen! Bereits im Oktober letzten Jahres stand die Alpine kurz vor der Pleite und ist durch eine letzte Finanzspritze von der spanischen Mutter gerettet worden. Das war nur mehr eine Verlängerung des Sterbens. Und alle Insider – nicht nur der Herr Zentralbetriebsobmann Haneder, der das auch so gesagt hat – wussten, dass das nicht gutgehen kann bei einer Firma, die auch im Inland ihre Aufträge zum überwiegenden Teil durch Dumpingpreise gewonnen hat, mit teilweise 20 Prozent unter den Zweitbietern, die im Osten einen Bauchfleck nach dem anderen hingelegt hat, und zwar bei Großprojekten nicht nur in Polen, in Tschechien und so weiter, sondern vor allem auch in China, in Singapur, in Indien, in Vietnam, wo man mit einer bemerkenswerten Blauäugigkeit und Naivität und vor allem auch Verkennung der örtlichen, lokalen Gegebenheiten, der Menschen, der Art und Weise, wie dort Geschäfte gemacht werden, der Mentalität an diese Projekte herange­gangen ist. Man hat eine negative Baustelle nach der anderen gebaut.

Und was sind jetzt die Folgen? – 4 900 Arbeitsplätze sind angeblich direkt in Österreich betroffen, 7 500 Arbeitsplätze bei 1 500 Lieferanten.

150 Millionen € wurden bereits von den Finanzierungspartnern nachgelassen, abge­schrieben. Und auch die Bundesregierung hängt mit zwei Konsortialkrediten – 50 Pro­zent – mit insgesamt 150 Millionen drinnen. (Bundesminister Hundstorfer: Er soll sich erst über Zahlen erkundigen und dann reden!)

Sie werden mich sicher berichtigen! (Bundesminister Hundstorfer: Reden Sie weiter!)

Vielleicht sind die Summen noch größer, als sie kolportiert worden sind. Das ist ja durchaus möglich. (Bundesminister Hundstorfer: Ja, ist schon gut! Passt schon!)

Zu allem Überfluss kann man in der morgigen Ausgabe des „NEWS“ lesen, dass die Alpine mit Offshore-Leaks-Projekten in Steueroasen auftaucht. Das wird noch span­nend werden!

Aber es gibt keine konkreten Infos. Bis jetzt war offensichtlich niemand in der Lage, zu sagen, wie viele Arbeitnehmer jetzt wirklich betroffen sind. Oder können Sie sagen, wie viele von den Arbeitnehmern auf Baustellen in Arbeitsgemeinschaften gebunden sind, wo ja die Chance, dass sie übernommen werden und weiterarbeiten können, relativ groß ist, da die ARGE-Partner solidarisch haften müssen? Wie viele von den zahl­reichen Tochterunternehmen, die die Alpine hat, sind ebenfalls vom Konkurs betroffen?

Insgesamt reden wir hier von ungefähr 1 400 Baustellen. Und es wird immer davon ge­sprochen, dass andere Baufirmen das übernehmen sollen, die PORR beispielsweise. Die große Lösung mit den vier oder fünf großen österreichischen Baufirmen ist ja gescheitert.

Keiner weiß, was dies schlussendlich den Steuerzahler kosten wird. Denn eines ist klar: Diese Firmen werden die Baustellen, die jetzt stillstehen oder teilweise stillstehen, nicht zu den Bedingungen übernehmen, die die Alpine dort gehabt hat. Erstens sind sie nicht mehr gebunden, und zweitens waren sie ja meistens als Zweitbieter auch erheblich teurer.


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Das fehlende Konzept der Bundesregierung hinsichtlich der Realwirtschaft rächt sich jetzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben EU-Schuldenstaaten und den Finanz­sektor mit Milliarden gerettet – und die heimischen Arbeitnehmer kommen jetzt unter die Räder!

Es ist mir schon klar, dass das besonders für Ihre Partei (in Richtung des Bundes­ministers Hundstorfer), die Arbeit plakatiert, besonders bitter ist. Aber wie schreibt es im Untertitel des heutigen Leitartikels der Zeitung „Die Presse“ Gerhard Hofer sehr treffend:

„Es ist geschehen, was viele befürchtet haben: Die Regierung nimmt die Alpine-Pleite zum Anlass, um Unsummen in fragwürdige Konjunkturpakete zu stecken.“

Obendrein ist dieses Paket ja auch noch eine Mogelpackung, denn 700 Millionen € von diesen 1,5 Milliarden € sind ja eigentlich bereits längst akkordiert. Die Wohnbau­projekte hat ja die Frau Minister Bures schon verkauft. Die Kinderbetreuungseinrichtun­gen sind im Rahmen des Familienpaketes ja auch schon paktiert. Der Pflegeausbau ist auch bereits beschlossen. Also hier will man den Wähler und den Bürger für dumm verkaufen, indem man sozusagen dieselbe Leistung gleich zweimal verrechnet und gleich zweimal verkauft. Aber das wird nicht funktionieren!

Die große Frage, die sich stellt, ist: Wem werden denn diese Millionen dann zugute kom­men? Sind das wieder dieselben Großen, oder werden dann heimische Arbei­tnehmer wirklich davon profitieren? Denn wie sieht denn die Realität derzeit in der österreichischen Bauindustrie aus?

Ich will den Namen der gemeinten Baustelle jetzt nicht nennen, sondern nur ein Beispiel bringen: eine Großbaustelle – da hören Sie kein deutsches Wort mehr! Wenn Sie dort nicht Polnisch können, sind Sie aufgeschmissen. Mit billigsten polnischen Arbeitskräften wird dort gearbeitet. Und warum? – Weil unterpreisig  (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist keine Alpine-Baustelle! – Weil unterpreisig ange­boten wird.

Da wäre es vielleicht einmal gescheit, wenn sich die österreichische Bundesregierung überlegen würde, dass man gerade in der Bauwirtschaft von diesem Billigstbieter­prinzip wegkommt zu einer anderen Vergabeordnung, zu anderen Vergaberichtlinien. In kleinen Bereichen gibt es das ja bereits. Die ASFINAG hat das bei kleinen Firmen schon gemacht. Da werden – Schweizer Modell im Prinzip – der Billigste und der Teuerste hinausgeworfen. Zwischen den Verbleibenden und der Amtsschätzung sozu­sagen wird ein Median gebildet, und der, der diesem Median am nächsten kommt, erhält den Zuschlag.

Das würde diese Dumpingpreispolitik verhindern! Denn dann weiß man, dass es so nicht mehr funktioniert, zu einem Auftrag zu kommen. Was hätte das zur Folge? – Es könnten in der Bauwirtschaft wieder für die Firmen Renditen erzielt werden.

Sie dürfen ja nicht glauben, dass die anderen großen Baufirmen jetzt um so viel besser dastehen und um so viel bessere Renditen haben als die Alpine. Ganz und gar nicht! Damit könnten anständige Löhne gezahlt werden, damit könnte die Qualität der Bauwerke ebenfalls gesteigert werden, und damit könnten vor allem die heimischen, die inländischen Arbeitskräfte beschäftigt werden, damit sie nicht durch die Finger schauen müssen.

Es sind in diesem Konjunkturpaket aber auch – gerade im Hochwasserbereich, aber auch im Bereich Tunnelsicherheit – Vorziehmaßnahmen drinnen. Das sind kurzfristige Effekte! Was kommt denn dann? Wenn ich jetzt etwas vorziehe, dann fehlt es mir danach.


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Der ASFINAG-Aufsichtsratsvorsitzende hat ja vor Kurzem gesagt, bereits in wenigen Jahren wird das Bauvolumen drastisch zurückgehen, weil es keine neuen großen Projekte mehr gibt. Also da tut sich jetzt bereits das nächste Loch, die nächste Lücke auf. Die Bundesregierung packt leider mit diesen Maßnahmen die Probleme nicht an der Wurzel, sondern versucht lediglich, kurz vor den Wahlen zu retten, was noch zu retten ist – aber nicht für den österreichischen Arbeitnehmer, sondern für die eigene Partei, meine Damen und Herren!

Nach den Wahlen werden wir dann alle die Zeche dafür zahlen müssen und mit neuen Belastungspaketen konfrontiert werden, weil die Budgetziele nicht zu halten sein werden. Das wird die Kaufkraft und den Konsum in Österreich weiter dämpfen und abwürgen, und die Abwärtsspirale wird sich munter weiterdrehen.

Das sind keine tragfähigen Zukunftsprojekte, Herr Bundesminister: nicht für die Arbeitsmarktlage in Österreich, nicht für die Zukunft Österreichs! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.47


Präsident Edgar Mayer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich zunächst der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Mitterlehner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


16.47.36

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An sich haben wir heute ein recht ernsthaftes Thema auf der Tagesordnung und auch als Gegenstand der Dring­lichen Anfrage.

Aber, Herr Bundesrat Pisec, ich habe mir auch anhören müssen, was Sie gesagt haben. Horchen Sie mir auch zu!

Herr Bundesrat Pisec, Sie haben sich wirklich gesteigert, denn so etwas an Befremd­lichkeiten im volkswirtschaftlichen Sinn – um nicht zu sagen: Unsinn – darzustellen, wie Sie das in so kurzer Zeit hier vorhin gemacht haben, ist ein echter Rekord! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich muss Ihnen auch sagen: Ich habe mir gedacht, dass Sie vielleicht, weil diese Dringliche Anfrage heute offensichtlich irgendwie überhastet eingebracht worden ist, hier stegreif geredet haben, aber Sie haben das ja schriftlich formuliert gehabt. Es ist auch protokolliert. Und ich würde wirklich vorschlagen: Verteilen Sie das irgendwo! Lesen Sie es vielleicht einmal in einer ruhigen Stunde nach! Das ist wirklich unüber­bietbar. Es könnte einem gefallen: Der, dem es relativ nahe kommt, ist der Frank Stronach. Der hat ähnliche Konzepte, so in Richtung: Die Wahrheit; die Wahrheit ist, und die Alchemie und Ähnliches. – Das ist ein „guter“ Ansatz!

Ich weiß aber nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, dass Sie sich – auch der Kollege, der nach Ihnen gesprochen hat – in Ihrem eigenen Bericht und auch in anderen Dingen eigent­lich ständig widersprochen haben. Da würde ich wirklich aufpassen, was Sie sagen und was Sie tun.

Zum Beispiel: Sie haben gesagt, die Bundesregierung hätte sich eingemischt und sei, weil eben entsprechende Kredite gegeben worden wären, die Ursache dessen, dass jetzt die Pleite von Alpine passiert ist.

Also ich weiß nicht, hätten Sie es lieber gehabt, dass das vorher passiert wäre – oder gar nicht? Was hätte also die Regierung tun sollen?

Nun zum Zweiten, das mir in diesem Zusammenhang als wirklich interessant aufge­fallen ist. Sie nehmen dann auf einmal die Alpine in den Mund und meinen: So ein


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spanischer Konzern, was kümmert euch der überhaupt?! – Also wie jetzt: Kümmert uns die Alpine oder kümmert uns die Alpine nicht?

Ist Ihnen vielleicht einmal der Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Planwirtschaft aufgefallen? – Wir haben die Privatwirtschaft, wo der Unternehmer oder eine Aktien­gesellschaft oder eine GesmbH im Rahmen der Gesetze das tut, was das Manage­ment für erforderlich hält. Wenn ein Verkauf stattfindet, findet er nach den entsprechen­den Gesetzen und Richtlinien statt, wie sie die EU vorsieht. Und wenn ein spanischer Eigentümer da ist, ist ein spanischer Eigentümer da.

Wie hätten wir, wie hätte die Bundesregierung das verhindern sollen? Was ist da Ihre Vorstellung? Steuern wir die Alpine? Wie ist das überhaupt?

Genauso wie der Kollege Vock. Sie kommen her, erklären hier, wie das eigentlich in Polen ist und wo die Alpine überall Managementfehler gemacht und unterpreisig ange­boten hat und sagen dann: Da muss man zu einem anderen Vergaberecht kommen.

Wir in Polen – oder wo? Sollen wir das Vergaberecht in Polen schreiben? Oder war das in Österreich dafür ausschlaggebend? (Bundesrat Krusche: Das Dumping war im Inland!) – Aha! Und ist jetzt die Ursache für den Konkurs im Ausland oder im Inland? (Bundesrat Krusche: Beides!)

Sie haben gerade dargelegt: Die Managementfehler waren im Ausland. Und die Maß­nahme, die wir treffen sollten, wäre das Vergaberecht im Inland, wie in der Schweiz und so fort. (Bundesrat Krusche: Es sind überall Fehler passiert!) – Aha! Ich habe es mir gedacht, dass überall Fehler passiert sind, aber dass das die Ursache sein könnte, das ist mir irgendwie neu.

Daher: Meine Damen und Herren! Wir leben in einer schwierigen Zeit, auch was der Kollege Pisec mit Wachstum angesprochen hat. Schauen Sie sich einmal die Daten an! Wir haben in den letzten zwölf Jahren – mit Ausnahme des Jahres 2009, als das Jahr der Krise war – immer besser abgeschnitten als der europäische Schnitt. Wir haben Wachstum gehabt, die anderen nicht. Wir haben auch jetzt noch Wachstum. Aber wir haben nicht Wachstum in dem erforderlichen Ausmaß, wie wir glauben, dass es eigentlich sein sollte.

Und jetzt zu den Konsequenzen und Folgerungen. Ich will mich mit dem anderen gar nicht mehr beschäftigen. Lesen Sie es einfach nach! Es ist irgendwie wirr durch­einander. Entschuldigen Sie den Ausdruck! Aber es geht „zickzack“, von was weiß ich welchem Jahrhundert bis heute.

Die Fragestellung ist auch nicht in diesem Kontext. Machen wir vielleicht jetzt ein Konjunkturprogramm, weil die Alpine als Problem, als Insolvenz aufgetreten ist? – Das wäre unsinnig.

Und zur Aussendung, die die Alpine-Mitarbeiter heute in Richtung einer Kritik gemacht haben, dass man jetzt gewissermaßen verspätet ein Konjunkturprogramm macht: Das ist falsch. Die Intention des Konjunkturprogramms, die wir haben, ist nicht, eine Hilfs­maß­nahme zu tätigen, sondern das, was wir machen wollen, ist, dass wir Domino­effekte vermeiden wollen.

Natürlich wird es in der Bauwirtschaft langsam einmal eine Umstrukturierung geben müssen, aber die muss langsam eingeleitet werden. Genau in der Situation, in der 1 Prozent prognostiziert war, haben wir momentan 0,4 Prozent. Da müssen wir gegen­steuern. Wir, die Bundesregierung muss sich auch darauf verlassen können, was die Prognosen der Wirtschaftsforscher anbelangt.

Daher: Wenn sich das verändert – ich will ihnen das gar nicht vorwerfen, aber es sind allgemeine internationale Entwicklungen, Probleme auf den Finanzmärkten –, dann ist


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es unsere Pflicht, hier entsprechend gegenzusteuern. Und Sie könnten vielleicht ein­mal auch Keynes zitieren. Der sieht eben in solchen Fällen vor, dass die Wirtschaft automatische Stabilisatoren im Arbeitsmarktbereich, aber auch im Investitionsbereich in Anspruch nimmt. Das tun wir.

Aber der Unterschied zum Jahr 2008 ist folgender: Wir machen das eben nicht auf Schuldenbasis, sondern durch entsprechende Vorziehmaßnahmen. Jetzt wird jeder sagen: Na, Vorziehmaßnahmen, irgendwo geht das Geld dann ab.

Der entsprechende Hintergrund ist, dass damit die Wertschöpfung und die Steuer­einnahmen, aber auch die Arbeitsplatzeffekte nach oben gehen sollen. Das ist in etwa die Philosophie, das ist auch der Hintergrund.

Und dann wird gefragt: Und was tun die anderen Länder? – Die anderen Länder wie Deutschland und andere überlegen auch, ob man nicht im Bereich der Infrastruktur – Sie brauchen heute nur die „Presse“ oder den „Spiegel“ von dieser Woche zu lesen – entsprechende Maßnahmen setzen müsste. Denn sonst werden wir in Europa ohne Wachstum dahindümpeln.

Wir haben Wachstum, wir haben Wachstum nicht auf der Basis „Management by Geldausgeben“, was Sie da gerade quasi in den Raum geworfen haben, sondern wir haben ein Konsolidierungspaket, das auch nicht geändert wird.

27 Milliarden € sind im Verhältnis zu dem, wenn Frankreich 30 Milliarden hat, ein Riesenbetrag, den wir ohnehin erst einmal erreichen müssen. Aber die werden uns im Jahr 2016 in Richtung eines Nulldefizits bringen, und damit sind wir anderen Ländern weit voraus.

Schauen Sie einmal, wo andere Länder noch eigene Handlungsfähigkeit haben, wo sie nicht vom IWF oder sonst jemandem beeinträchtigt sind! Fangen Sie an in Griechen­land! Gehen Sie nach Spanien, Ungarn, rund herum! Im Endeffekt ist es: Wir haben eine solide Politik.

Aber zum Zweiten ist natürlich klar: Wir können uns von internationalen Tendenzen nicht einfach abkoppeln. Und daher müssen wir tun, was möglich ist. Im Endeffekt ist eine Insolvenz eben ein bedauerliches Ereignis, das in der Marktwirtschaft leider vor­kommt, das man aber auch nicht überbewerten darf, weil man sich anschauen muss, wie denn die Gesamtentwicklung ist. Dann muss man vor allem die Fragestellung: Sind die Unternehmen gut oder schlecht aufgestellt?, in den Mittelpunkt rücken.

Und da glaube ich, dass unsere Betriebe gut aufgestellt sind, konkurrenzfähig sind und wir kein Problem haben werden, auch die Zukunft zu bewältigen. Sie haben es ja selber beschrieben und sehr umfangreich beschrieben. Das Problem der Alpine ist nicht die Qualität der Mitarbeiter, auch nicht die Qualität der Bauaufträge. Das Problem der Alpine war das Management, weil die spanischen Eigentümer im Sinne einer Konsolidierung halt im Osten eingestellt haben, wo sie keinen direkten Zugriff hatten. Das ist Faktum und deswegen glaube ich, dass die Vorgangsweise richtig ist, so zu agieren.

Was mit der Auffanggesellschaft wird – der Kollege Hundstorfer wird darauf noch ent­sprechend eingehen. Aber eine Auffanggesellschaft ist ja auch nur eine Illusion, dass man dann glaubt, die Firma könnte so fortgeführt werden. In Wirklichkeit war die große Auffanggesellschaft nichts anderes als praktisch die Vorgangsweise, dass man Bau­aufträge übernimmt und sie zu Ende führt. Und nachher wären die Mitarbeiter wieder dagestanden oder hätten im Laufe des Prozesses, wenn die Aufträge abgewickelt werden, ohnedies da oder dort Unterschlupf gefunden.


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Das kann nicht Sinn und Zweck der Vorgangsweise sein. Daher ist die jetzige Variante mit regionalen Vorgangsweisen, dass Angebote von den Baufirmen erstellt werden, dann auch geschaut wird, wie man die Aufträge übertragen kann und damit möglichst viele Mitarbeiter wieder in Firmen bringt, die richtige Vorgangsweise. Dass das möglicherweise nicht alle sein werden, aber sehr viele, ist Faktum. Faktum ist auch, dass man dort natürlich auch einen Prozess abwickeln muss, der nach dem Gesetz abgewickelt werden soll, nämlich in Form des Masseverwalters, mit dem Insolvenz­gericht und allen dafür zuständigen Instanzen, dass das nicht Angelegenheit der Politik ist, nicht meine, nicht jene des Kollegen Hundstorfer oder von irgendjemandem anderen.

Das sind die Spielregeln der Marktwirtschaft. Die kennen Sie, daher würde ich Sie ein­la­den: Vermischen Sie nicht das eine mit dem anderen! Das war ein marktwirtschaft­liches Ergebnis. Bedauerlich! Wir versuchen, die Probleme in den Griff zu bekommen und das zu tun, was die Politik anbieten kann.

In dem Sinne darf ich auch auf die Fragen, die Sie gestellt haben, etwas detaillierter eingehen.

Zur Frage 1:

Was die Insolvenzentwicklung anbelangt, muss man einmal generell beleuchten, wie sie wirklich ist. Wir hatten im ersten Halbjahr 2013 bis jetzt einen Rückgang der Unter­nehmensinsolvenzen um minus 7,3, bei den Privatinsolvenzen um minus 4,3 Prozent­punkte – auch was die Schadenssummen und alles andere anbelangt. Auch wenn man da eine Reihe von bedrohlichen „Einschlägen“, wie ich es selber einmal genannt habe, hat, so ist die Gesamtsumme, objektiv betrachtet, eine Gesamtsumme, die unerfreulich ist, aber eigentlich hinsichtlich des Ausmaßes durchaus noch nicht so erschreckend ist.

Zur Frage 2:

Die gefährdeten Arbeitsplätze, die Sie angesprochen haben, sind einmal die direkt betroffenen 4 900. Auf die Zulieferbetriebe komme ich noch zu sprechen. Aber von vornherein von 15 000 und überhaupt hochgerechnet zu sprechen, das würde ich einmal vermeiden wollen, um da nicht Unsicherheit entstehen zu lassen.

Ich würde an Ihrer Stelle auch nicht mehr Folgendes erwähnen – ist ohnehin Ihre An­ge­le­genheit, aber: Zum Beispiel die Voest, die plant, ein Pelletwerk in den Vereinigten Staaten zu errichten, in einem Atemzug mit Insolvenzen und Absiedelung zu nennen und als Beispiel des Misserfolgs herzunehmen, da stimmt irgendetwas im Zusam­men­wirken nicht, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Pisec: Das habe ich nicht gemeint! !)

Ich habe es nicht falsch verstanden. Lesen Sie es nach! Sie haben unter der ganzen Reihe von Pago und so weiter  (Bundesrat Mag. Pisec: Warum wird das nicht in Österreich gebaut?) – Bitte? (Bundesrat Mag. Pisec: Warum baut die Voest das nicht in Österreich? Um das geht es!) – Das ist eine andere Frage, die Sie aber nicht gestellt haben. Sie haben etwas ganz anderes gesagt. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Mag. Pisec.) – Lesen Sie es nach! Ist auch noch gar nicht umgesetzt, das ist geplant, das ist noch gar nicht durchgeführt.

Gut, also ich würde einfach bei den Fakten bleiben und versuchen, das eine vom ande­ren zu trennen und auseinanderzuhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich würde auch, was die Frage 2 und die Zulieferfirmen anbelangt, die wirklich betrof­fen sind, die Kirche im Dorf lassen. Es ist richtig, dass es eine Vielzahl von Unter­nehmen gibt, die mit der Alpine in Kontakt waren. Nach Angaben des KSV 1870 sind 1 400 Zulieferer und Subunternehmer betroffen. Aber nur zirka 80 Unterneh­mun­gen, die mit der Alpine Bau GmbH mehr als ein Drittel ihres Jahresumsatzes tätigen, sind


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besonders betroffen. Alle anderen Unternehmen werden ihre Ausfälle – teilweise durch Versicherungen abgedeckt, teilweise nicht abgedeckt – auch entsprechend verkraften können.

Wir haben aber im Rahmen des Konjunkturpaketes Vorsorge dafür getroffen, dass die Unternehmen, die hier beeinträchtigt sind, eine entsprechende Absicherung für Betriebs­mittelkredite haben, was Personalkosten und Sachkosten anbelangt, bis zu 2 Millionen €, Gesamtvolumen 50 Millionen €.

Wir haben das letzte Mal schon gesehen, dass das eigentlich sehr erfolgreich wirkt, und sind daher sicher, dass wir größere Insolvenzen und andere Ausfälle vermeiden können.

Zur Frage 3:

„Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die heimischen Zulieferfirmen zu retten?“ – Da darf ich noch einmal auf die von mir schon jetzt getroffene Antwort verweisen.

Das ist eine direkte Maßnahme, aber Sie müssen dann natürlich das Konjunkturpaket gesamt betrachten. Ich erspare Ihnen jetzt die Aufzählung aller Maßnahmen, weil man das ja auch nachlesen kann und weil es auch schon entsprechend verkündet worden ist, aber ein paar Maßnahmen, die intendiert sind, darf ich Ihnen in der Zusammen­fassung schon nennen.

Sie haben behauptet, die Maßnahmen, um Hochwasservorsorge zu treffen, hätten keinen konjunkturpolitischen Inhalt. – Ja was denn sonst? Jeder Wirtschaftsexperte sagt Ihnen das. Das hat einen doppelten Effekt: Sie haben damit Investitionen für die Bauwirtschaft, Sie haben damit aber auch Schutz vor kommenden Katastrophen, die leider immer wieder schneller kommen, als man glaubt. Und daher wirkt dieser dop­pelte Effekt auch positiv. Eines ist klar – und deswegen vermeiden wir auch den Zusam­menhang, wenn das direkt als Problemfall aufgetreten ist –: Derjenige, der den Schaden hat, kann natürlich mit der Darstellung, das sei eigentlich ein Konjunktur­programm, nicht wirklich etwas anfangen. Das ist eine sehr gefährliche Problematik.

Mittlerweile sind seit dem Hochwasser drei Wochen vergangen. Die Schutz- oder die Gegenmaßnahmen und auch die Aufräumarbeiten sind zum Teil abgeschlossen, zum Teil wurde die Schadeninstandsetzung in Angriff genommen. Daher glaube ich, dass man durchaus auch objektiv die makroökonomischen Gegebenheiten bewerten kann.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Betriebe hinweisen. Wir haben da ein Programm mit 400 Millionen € aus dem ERP, daher nicht budgetwirksam, womit wir den Unternehmen Kredite bis zu 7,5 Millionen €, tilgungsfrei für drei Jahre und zinsfrei für die gesamte sechsjährige Laufzeit, anbieten.

Das ist ein tolles Programm, nicht budgetbelastend. Da kann jemand wirklich auch überlegen, ob er nicht in dem Bereich vielleicht sogar etwas mehr tut, als der Schaden ausgemacht hat. Ich glaube, dass einfach die Garantie für sechs Jahre – die Zinsen werden irgendwann einmal ansteigen – schon sehr, sehr hilfreich ist.

Wir haben weiters Maßnahmen im Bereich der Bundesimmobiliengesellschaft und in der Kinderbetreuung vorgezogen. Bezüglich der Bundesimmobiliengesellschaft wird uns von den Wirtschaftsforschern gesagt: Ja aber im Endeffekt geht das Geld doch nachher ab. – Ich sage Ihnen den Hintergrund, warum wir das tun können: Wir haben für effizienzsteigernde Maßnahmen betreffend Energie Rücklagen gebildet.

Das Gesetz ist noch nicht beschlossen, daher haben wir auch die Möglichkeit, Projekte vorzuziehen. Das sind ganz konkrete Projekte, in der Steiermark, in Mödling, wo auch immer, auch bei Universitäten, und daher wird der Effekt der Konjunkturbelebung durch­aus eintreten.


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Wann wird er eintreten? – Er wird im Herbst eintreten, wenn die Bauwirtschaft auf der einen Seite auf entsprechende Umsätze und Aufträge angewiesen sein wird, und auf der anderen Seite werden wir das im nächsten Jahr unterstützen.

Auch da wieder ein Hinweis, was die Wirtschaftsforscher anbelangt. Wenn sie sagen: Wir haben ja ohnehin schon 1,4 oder 1,5 Prozent prognostiziert, so ist die Potenzial­analyse, wo wir sein sollten, beim Wifo 2 Prozent. Daher: Wenn wir da noch ein bisschen nach oben steigen, werden wir vielleicht auch auf dem Arbeitsmarkt die beleben­den Aspekte kennenlernen, sehen und erleben. Und wir brauchen sie auch dort. Daher: Etwas Kontraproduktives kann ich daran nicht erkennen. Ganz im Gegenteil! Es wird uns helfen.

Detto Kinderbetreuung: Wenn wir 50 Millionen € vorziehen, wird die Entschuldung des FLAF – das ist ein eigenes Sondervermögen – etwas länger dauern, aber der Effekt wird doppelt sein: Wir werden einerseits Bauaufträge haben und andererseits für Frauen, die in die Erwerbsarbeit gehen wollen, einfach dann, wenn die Konjunktur wieder etwas anzieht, auch wirklich gute und attraktive Angebote haben, in den Betrieben einerseits und andererseits bei den Kinderbetreuungseinrichtungen.

Wenn Sie den Wohnbau ansprechen und sagen, die Bauwirtschaft sei ohnehin zu groß, entgegne ich: Uns fehlen im Wohnbau Tausende Wohnungen. Sie sprechen immer von Angebot und Nachfrage. Wenn ich dort das Angebot erhöhe, dann werden wahrscheinlich die Preise wohin gehen? – Na, eher nach unten, was die Mieten anbelangt. Daher bemühen wir uns, auch dort das Angebot entsprechend zu erhöhen.

Die 274 Millionen € dafür kommen auch nicht aus dem Budget, sondern aus der Versteigerung der Frequenzen. Die Hälfte ist im Budget eingestellt, die Hälfte ist in der Form verwendbar. Ich glaube – auch die Ausrichtung ist auf mehrere Jahre geplant –, dass das eine sehr vernünftige Vorgangsweise ist, die man dann auch noch da und dort detaillieren könnte, aber ich glaube auch, dass die Wirtschaftsforscher nicht einfach alles abnicken können. Sie haben das jedoch zum Großteil auch sehr objektiv bewertet und sehen die Vorteile durchaus, wenn wir die Budgetkonsolidierung nicht gefährden. Und das wollen wir nicht!

Zur Frage 4:

Sie fragen dann noch etwas konkreter: Wie sind die Auswirkungen auf das BIP und auf den Arbeitsmarkt? – Da gibt es mehrere Berechnungsarten. Man rechnet insgesamt 110 000 gesicherte und neu geschaffene Arbeitsplätze langfristig, 75 000 Arbeitsplätze kurzfristig. Im Endeffekt gibt es einen BIP-Effekt in der Größenordnung von etwa 0,12 aufwärts gegen 0,2 Prozent.

Warum? – Weil wir diese Effekte auch 2009 und 2010 hatten. Daher: Jede Belebung, jede Wertschöpfungssteigerung hilft den Steuereinnahmen, hilft dem BIP, hilft dem Arbeitsmarkt. Ich bin mir sicher  (Bundesrat Mag. Pisec: Schulden!) – Schulden? Ich habe gerade versucht, Ihnen exemplarisch und breit darzulegen, dass wir keine Schulden aufgenommen haben.

Wenn ich eine Rücklage der BIG habe, dann ist die Rücklage vorhanden und keine neue Geldaufnahme, sondern ich mache das Geld in der Form auch mobil. Wenn ich vom FLAF Geld nehme, so ist das ein Sondervermögen, und der FLAF hat einen Überschuss. Wir hatten im letzten Jahr schon einen Überschuss pro Jahr. Ich nehme damit zwar etwas vorweg, ich habe sicherlich einen bestimmten Liquiditätseffekt, vielleicht auch einen Zinseffekt – die Zinsen sind momentan Gott sei Dank niedrig –, aber ich nehme deswegen keine neuen Schulden auf. (Bundesrat Mag. Pisec: Im neuen Budgetpfad ist das dargestellt!)


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Gut, also ich versuche, darzulegen, dass wir mit dieser Vorgangsweise budgetscho­nend vorgehen. Die Wirtschaftsforscher haben eines ja betont: Wenn wir etwas tun, sollen wir relativ rasch etwas tun. Es muss kurzfristig sein und darf die Konsolidierung nicht gefährden.

Daher ist das auch die Beantwortung Ihrer Frage 5:

„Wann werden die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen ihre konjunk­turelle Wirkung entfalten?“ – Wir gehen auch da sehr sorgfältig vor. Das ist nicht ein Geldhinausschmeißen. Man muss ja die Projekte prüfen. Man muss die Genehmi­gungsverfahren haben. Daher: Im September wird das alles gut anlaufen. Bis dahin sind im Baubereich ohnedies die entsprechenden Aufträge und deren Abarbeitung notwendig. Daher wird das zielgerichtet treffen.

Zu den Fragen 6 und 7:

Was die konkrete Beantwortung der anderen Fragen anbelangt, wie viel wir nämlich von der öffentlichen Hand für den spanischen FCC-Konzern gegeben haben, muss ich fragen: Wer unsererseits? – Ich bin ja nur für das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend zuständig. Eigentlich haben wir da gar nichts vergeben.

Sie haben es aber selber schon genannt, es ist in den Medien gestanden, dass die Kontrollbank über das Liquiditätsstärkungsgesetz und auch über, glaube ich, einen Kredit der Hypo Alpe-Adria da bestimmte Bundesmittel sozusagen angesprochen hat. Ich möchte es aber, da das nicht mein Verantwortungsbereich ist, nicht detaillieren. Da müssen Sie die Frau Finanzminister oder die anderen zuständigen Organe fragen.

Was wir auch bestätigen können, ist, dass wir seitens der Austria Wirtschaftsservice GmbH in den letzten Jahren keine Förderungen an den Baukonzern Alpine vergeben haben. Wir haben von der FFG, die zum Teil auch in unseren Bereich fällt, Förde­rungen in der Höhe von 46 000 € und von der ALPINE-ENERGIE Österreich GmbH in der Höhe von 122 000 € vergeben, wobei man zur ALPINE-ENERGIE überhaupt noch sagen muss: Da gibt es ja bestimmte Vorgangsweisen seitens der spanischen Eigentümer, die wahrscheinlich vom Masseverwalter in dem Sinne, ob diese Vorgangs­weise rechtmäßig war, auch noch hinterfragt werden. Ich glaube, dass bei der Schadensfeststellung und -abwicklung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Was die Steuerleistung des Konzerns anbelangt, habe ich keinen Überblick. Wir haben beim Finanzministerium informell angefragt, aber auch dort mit Hinweis auf Daten­schutz keine Auskunft erhalten. Daher müssen Sie die Anfrage bitte direkt an das Finanzministerium stellen, weil sie in dessen Verantwortungs- und Vollziehungsbereich fällt.

Zur Frage 8:

Wie wir dafür Sorge tragen, dass profitable öffentliche Projekte rasch und unbü­ro­kratisch von anderen Baufirmen übernommen werden können, das habe ich Ihnen eigentlich schon geschildert, nämlich indem wir versuchen – das ist auch mit dem Masseverwalter so besprochen worden –, dass möglichst rasch den Angeboten, die von den Firmen kommen, die in den einzelnen Bundesländern liegen, der Zuschlag gegeben wird. Soweit wir gesehen haben, ist das voll im Laufen. Es ist natürlich nicht einfach: Was die entsprechenden Fristen anbelangt, ist der Masseverwalter, obwohl, glaube ich, dort schon sieben Anwälte daran arbeiten, erst dabei, sich einen Überblick über die gesamten ausstehenden Forderungen und Angebote zu verschaffen, weil das sehr, sehr intensiv ist.


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Wir haben versucht, mit den Banken und allen anderen Beteiligten so koordinierend zu wirken, dass eben der Überblick einigermaßen gegeben war. Ich habe das geschildert, der Kollege Hundstorfer wird das vielleicht noch im Detail ausführen.

Was die Arbeitsgemeinschaften anlangt, so haben Sie, glaube ich, richtig geschildert – das kann ich unterstreichen –, dass die Situation im Endeffekt folgende ist: Dort besteht eine solidarische Haftung, dort wird dann auch entsprechend die andere, überbleibende Gruppe der ARGE-Teilnehmer den Auftrag zu Ende führen. Daher: keine Gefahr. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was das andere anbelangt, wird es so sein, dass öffentliche Aufträge in vielen Fällen übernommen werden können, wenn die entsprechende Reihung passt. Der seinerzeit zweitgereihte Bieter kann direkt beauftragt werden, wenn er innerhalb der ursprünglich angebotenen Konditionen bleibt. Das muss aber dann der Auftraggeber zum Teil nach seinen Vergaberichtlinien und Rechtsvorschriften entsprechend prüfen. Da sind die Länder, oder wer auch immer in diesem Bereich tätig ist, gerade dabei.

Auch die Subunternehmen können übernehmen, sofern sie bei der Ausschreibung die erforderlichen Befugnisse und Eignungskriterien erfüllen. Das heißt, in Wirklichkeit ist momentan auch in dem Bereich eine Detaillierung und dann eine Reihung und eine Entscheidung notwendig. Ich rechne damit, dass das in den nächsten Wochen pas­sieren wird.

Dass, wie Sie bemerkt haben – ich weiß nicht, ob Sie gestern den Fernsehbericht ge­sehen haben –, wenn eine rasche Abwicklung nicht erfolgen würde, praktisch dem freien Recht, dem Faustrecht Tür und Tor geöffnet wäre und dass man seitens der bisherigen Unternehmensvertretung dort schon sozusagen Wächter hinstellen muss, ist auch klar. Denn wenn jemand glaubt, im rechtsfreien Raum kann er einen Eigen­tumsvorbehalt dann sozusagen selbst einfordern oder dies auch dann tun, wenn er vielleicht gar keinen hat, dann ist damit natürlich genau jene Gefahr gegeben oder geschildert, die tatsächlich besteht, nämlich dass da de facto alles in Chaos und sonstigen Entwicklungen endet. Das wollen wir nicht, und deswegen ist eine rasche Vorgangsweise, glaube ich, genau das Richtige gewesen.

Zu den Fragen 9 und 10:

Was die Rücklagen anbelangt, so haben wir in meinem Ministerium insgesamt 375 Mil­lionen € Rücklagen, bei Familie und Jugend 11 Millionen €, bei Forschung 34 Millio­nen €, bei der Wirtschaft 330 Millionen €. Wobei ich Ihnen sagen muss – damit nicht der Eindruck entsteht, wir haben da irgendwo im Keller das Geld liegen –, das ist zum Großteil verplant. Da ist zum Beispiel für die Weltausstellung ein entsprechender Betrag von 9 Millionen € budgetiert, für die Fortführung der Förderaktion Filmstandort Österreich 15 Millionen €, für das Gewerberegister und Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung ein entsprechender Betrag, für die thermische Sanierung rund 26 Millionen €, und weitere Mittel für anderes mehr, wie zum Beispiel für die Fortfüh­rung und Übernahme von Verpflichtungen im Zuge der unternehmensbezogenen Arbeitsmarktförderung, wo wir Mittel haben, aber längerfristige Verträge, was die Ausbezahlung anbelangt. Das heißt im Endeffekt, ein Drittel – was frei verfügbar ist – werden wir jetzt dafür, im Rahmen des Konjunkturpakets, verwenden, der Rest ist zum Großteil entsprechend verplant und damit vorgebucht.

Zur Frage 11:

Was die Informationen betreffend Bundesbaustellen anbelangt: Der Masseverwalter prüft zurzeit alle Projekte. Alle Informationen laufen bei ihm zusammen. Wir haben jetzt noch keine Information über nennenswerte Verzögerungen. Aber Sie können davon ausgehen, dass auch das, was ich vorher gesagt habe, zutreffen wird. Im Rahmen


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dieser 30 Tage wird sich vieles klären. Und ich glaube, in österreichischer Art und Weise der Zusammenarbeit wird man vieles auch im Griff haben.

Daher, aus meiner Sicht: Alpine ist ein bedauerlicher Fall, aber im Sinne von markt­wirtschaftlichen Gegebenheiten und aufgrund von Managementfehlern offensichtlich und auch aufgrund der Eigentümerstruktur und der Planungen dort unvermeidbar gewesen. Ich kann mich dem durchaus anschließen. Es hat sich da und dort ja schon angedeutet, und einzelne Manager, die früher dort waren, sind bei anderen Firmen – was aber an sich nichts Schlechtes für die derzeitige Situation ist, da damit in der Praxis auch gewährleistet ist, dass wirklich viele Mitarbeiter bei diesen Firmen unterkommen werden. Man kennt sich untereinander. Das ist, glaube ich, im Sinne einer praktischen Vorgangsweise gut.

Dass wir aber, was die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und auch die Kon­junk­turmaßnahmen anlangt, grundsätzlich richtig liegen und dass wir auch die Wirtschaft entsprechend arbeiten lassen, das möchte ich schon sagen. Schauen Sie sich einmal an – Sie haben auch bestimmte Dinge wie den Export und Ähnliches angesprochen –: Wir konnten letzte Woche auf ein All-Time-High verweisen, was Exporte im letzten Jahr anbelangt. Wir haben andere, auch beschäftigungspolitische Erfolge, die andere Länder nicht haben, genauso wie auch bei der Jugendbeschäf­tigung. Ich möchte Ihnen das jetzt im Detail ersparen. Aber wenn wir wieder einmal so eine ähnliche Konstellation haben, würde ich Sie einladen: Schauen Sie sich einmal einfach die Fakten an, und dann kommen wir vielleicht wirklich zu einer sachlichen Diskussion. Alles andere ist da nicht zielführend, hilft keinem Alpine-Mitarbeiter, hilft keiner Zulieferfirma. Das ist leeres Hin und Her, Abwickeln von Theorien. Wir aber gehen eher in die Praxis. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke.

Ich erteile nun dem Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Beantwortung der zweiten Anfrage das Wort. – Bitte.

 


17.15.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Danke schön, Frau Vorsitzende. (Bundesminister Hundstorfer begibt sich von der Regierungsbank zum Rednerpult.) Ich muss von diesem Pult aus reden, da es – wie mir gleich, wie ich gekommen bin, mitgeteilt worden ist – auf meinem Platz derzeit kein Mikrofon gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch für meinen Teil diese Anfrage beantworten, und ich habe an die Freiheitliche Partei eine Riesenbitte:

Wenn Sie glauben, da Sie so sinkende Umfragewerte haben, dass Sie mit Panikmache auf etwas aufspringen können, dass Sie mit völlig falschen Zahlen argumentieren müs­sen – was wollen Sie damit erreichen? Allein wie Sie sich hier herstellen und erklären, die großen österreichischen Baufirmen gehören nicht Österreich! – Alle fünf großen österreichischen Baufirmen, die es derzeit gibt, sind, bis auf zwei, totale Familien­betriebe! (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) – Lesen Sie Ihre Rede nach, was Sie hier alles verzapft haben!

Wenn Sie die Firma Hinteregger als Großkonzern mit internationaler Beteiligung bezeich­nen, die Firma HABAU, die Firma Swietelsky – viel Vergnügen! Reden Sie einmal mit den Eigentümern! – Das ist doch, bitte, alles wirklich irgendwo an den Haaren herbeigezogen.

Und wenn Sie mit Horrorzahlen argumentieren, dann sei dazu festgehalten: Von den 7 500 österreichischen Alpine-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern sind einmal 2 615


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überhaupt nicht betroffen, denn die Firmen, in denen diese beschäftigt sind, bleiben bestehen. Die gibt es, die hackln, die sind da. Die sind davon nicht betroffen. Wir haben 4 905 betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Zwischenruf des Bundes­rates Krusche.) Nein, das haben Sie nicht gesagt. Ihr redet dauernd von 15 000 – lesen Sie doch Ihre Anträge durch! (Bundesrat Krusche: Das habe ich nie gesagt!) – Ist okay. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und wenn Sie jetzt meinen, hier Panikmache betreiben zu müssen, dann würde ich Sie jetzt wirklich um das bitten, worum Kollege Mitterlehner schon ersucht hat, denn es ist eine nicht einfache Situation, gar keine Frage. Das ist die zweitgrößte Insolvenz, die wir haben, das ist auch keine Frage. Aber wenn wir wirklich damit umgehen wollen, dann ist Panikmache das Falsche. Denn es wurde schon gesagt: Wir haben in Wahrheit weniger Insolvenzen.

Wenn Sie, Herr Bundesrat, hier in einem Nebensatz meinen, die Voest verlässt Öster­reich und sperrt zu (Bundesrat Mag. Pisec: Das hab ich nicht gesagt!) – das haben Sie gesagt! (Bundesrat Mag. Pisec: „Sperrt zu“?); ja, das haben Sie hier gesagt! (Bun­desrat Mag. Pisec: vom Standort geredet!); Sie haben vom Standort geredet, der zugesperrt wird (Bundesrat Mag. Pisec: Aber geh!); nicht „geh!“ –, dann erkundigen Sie sich einmal über die Planung! Erkundigen Sie sich einmal über die Planung des Voest-Werks in Amerika! Erkundigen Sie sich, wie viele Mitarbeiter dort geplant sind! Und dann erkundigen Sie sich über das Investitionsprogramm der Voest in Österreich! Und dann erkundigen Sie sich bitte, warum die Voest dieses eine Werk in den Vereinigten Staaten macht! (Bundesrat Hafenecker: Weil es dort billiger ist!)

Und warum ist es billiger? – Weil Sie unter anderem eine der Parteien sind, die sofort aufspringt, wenn irgendeiner in Österreich, in Europa das Wort „Schiefergas“ in den Mund nimmt. Das darf man bei Ihrer Partei nicht einmal ansatzweise in den Mund nehmen – und schon sind Sie die erste Bürgerinitiative! Und das ist der wahre Grund,  (Bundesrätin Michalke: Heute steht in der Tageszeitung, dass man vergiftet wird davon!) – Moment! Das ist jetzt ein zweiter Punkt. Aber dann sagen Sie dazu, warum die Voest dort hingeht! Sagen Sie doch dazu, die Energiepreise sind um 25 Prozent billiger!

Man lässt in Europa nicht einmal eine Debatte zu, ob es nicht alternative Energiefor­men zur Gewinnung dieses Gases gibt. Das wäre ja auch einmal ein interessanter Ansatz. Das würde viel an Forschung, viel an Innovation bedeuten. Sie könnten zum Beispiel hier sehr viel auch positiv gestalten.

Und wenn Sie sich hier herstellen und sagen, der Insolvenzentgeltfonds wird von den Arbeitnehmern bezahlt, dann – bitte seien Sie mir nicht böse, ich weiß nicht, was Sie studiert haben – sei dazu schon festgehalten (Bundesrat Mag. Pisec: Das hab ich nicht gesagt! 30 Tage! 30 Tage bezahlt!): Wir zahlen die ganze Vergangenheit! Wissen Sie, was wir über den Insolvenzentgeltfonds, der übrigens von den Arbeit­gebern in diesem Land gespeist wird, (Bundesrat Mag. Pisec: Das sag ich ja!) – Das haben Sie nicht gesagt! (Bundesrat Mag. Pisec: Trotz dieser hohen Lohnzusatz­kosten nur 30 Tage Geld!) Aber das stimmt doch nicht! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Pisec.)

Entschuldigung, wir zahlen die ganze Vergangenheit, die nicht ausbezahlt worden ist! Ich zahle alle Abfertigungsansprüche! Wir haben bei der Alpine 28 Millionen € allein an Abfertigungsansprüchen zu bedienen. Ich habe die ganzen Kündigungsentschädi­gungen noch zu bedienen. Wir haben bei der Alpine 700 Mitarbeiter, die länger als 25 Jahre beim Unternehmen sind. (Bundesrat Mag. Pisec: Das ist ein anderes Thema!) Nein, das ist kein anderes Thema! (Bundesrat Mag. Pisec: freigestellt! !) Die kriegen ja von uns Geld! (Bundesrat Mag. Pisec: 30 Tage!) Ja, Entschuldigung,


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und wenn er dann gekündigt wird, bekommt er die Kündigungsentschädigung! (Bun­desrat Mag. Pisec: Das ist was anderes!) Nein, es ist nichts anderes! Die Leute sind materiell abgesichert! – Das ist Ihr Problem, denn da kommen Sie nicht heran mit Ihrer Argumentation. Das ist Ihr wahres Problem. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Bei aller Tragik und bei aller Betroffenheit, die sich aus dieser Situation ergibt – das ist gar keine Frage, natürlich sind die Menschen betroffen –, bemühen wir uns, das abzuarbeiten, und wir forcieren jetzt diese Regionallösungen. Diese Regionallösungen haben aber auch einen Rechtsrahmen, und diesen Rechtsrahmen muss der Insolvenz­verwalter einhalten. Wenn sich um eine Region drei Firmen bewerben, muss er den Rechtsrahmen einhalten; er kann nicht freihändig vergeben, das geht nicht. Dadurch wird das jetzt ein paar Tage länger dauern. Das erfordert natürlich Toleranz von den Betroffenen. Bei diesen liegen aber die Nerven blank, denn das ist auch vollkommen klar: Auch wenn die alle abgesichert sind, auch wenn die Kündigungsentschädigungen, alles abgesichert ist, wollen die Menschen wissen, wie es weitergeht.

Aber machen wir doch nicht aus dieser schwierigen Situation jetzt noch ganz billiges Kleingeld, indem wir uns herstellen und sagen, es gibt 4 000 Baustellen. – Es gibt 1 400! 200 davon sind ARGE-Baustellen, die sind schon alle wieder erledigt. Da ist die Alpine draußen – die Rechtsnorm ist so, das haben Sie richtig beschrieben.

Und wir haben auch zum Beispiel keine 330 000 Arbeitslosen plus 80 000 Schulungs­teilnehmer. Ich würde Sie wirklich bitten: Die 330 000 sind inklusive der Schulungs­teilnehmer, denn wir weisen immer alle Zahlen gemeinsam aus – hat er (in Richtung Bundesminister Dr. Mitterlehner weisend) gesagt. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesminister Dr. Mitterlehner: Nein, das war eine alte Rede!) – Das war eine alte Rede.

Auch wenn Sie sich hier herstellen, Herr Bundesrat, und im Zusammenhang mit Ge­büh­ren von Steuern sprechen: Man kann über die Höhe der Gebühren streiten, gar keine Frage, aber Gebühren sind, bitte, keine Steuern. Eine Wassergebühr ist keine Steuer, eine Kanalgebühr ist keine Steuer. (Bundesrat Mag. Pisec: Der Rechnungshof hat das festgestellt!) – Aber, noch einmal, das sind ja keine Steuern! Man kann darüber streiten, ob eine Wassergebühr zu hoch ist oder zu niedrig ist. (Bundesrat Mag. Pisec: Wo es über die Kostenabdeckung hinausgeht, ist es eine Steuer!) – Das sind doch keine Steuern! – Lesen Sie bitte den Rechnungshofbericht wirklich ganz genau! Hätten Sie das gemacht, dann würden Sie es wissen.

Bevor ich zur Beantwortung meiner Fragen komme, noch ein paar Anmerkungen, weil hier ein paar Beispiele hochgezogen wurden, zum Beispiel die Sperre der Firma Zumtobel, des Werks Fürstenfeld. – Ich würde wirklich bitten, auch da einmal zu schauen, was die Firma Zumtobel wirklich entschieden hat, und zwar seit fünf Jahren!

In Fürstenfeld werden Bauteile hergestellt, die auf einer alten Technologie basieren, die 2017 weltweit nicht mehr verkauft werden dürfen – das sind so Magnetschaltungen für Neonröhren. Diese wurden vor über zehn Jahren nach Fürstenfeld transferiert. Und vor fünf Jahren hat man begonnen, den Personalstand abzubauen, weil ganz einfach – technisch kann ich Ihnen das jetzt nicht erklären – diese Magnetteilchen dann nicht mehr verkauft werden dürfen. Demzufolge hat man sich jetzt entschieden, dieses Werk zu schließen – mit einem Sozialplan, über den wir uns alle sehr freuen werden.

Was passiert drei Ortschaften weiter im Burgenland, im Werk Jennersdorf des gleichen Konzerns? – Dort werden die LED-Teile erzeugt, und dort fährt die Beschäftigung hinauf. Wir haben jetzt nur das Thema, dass wir die von Fürstenfeld irgendwie trans­ferieren müssen. Das ist unser Thema, darüber werden wir viel nachdenken müs­sen. Aber es ist der gleiche Konzern.


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Und wenn man sich hier herstellt und sagt, bei einem steirischen Personaldienstleister gebe es 800 Arbeitslose, dann würde ich wirklich bitten: Erkundigen wir uns vorher! – Es ist keiner dieser 800 arbeitslos, kein einziger! Warum sind die nicht arbeitslos? – Weil, als der steirische Personaldienstleister in Konkurs gegangen ist, sein Finanz­geflecht in Konkurs gegangen ist, aber nicht die 800 Menschen, die bei den Firmen gearbeitet haben und auch weiter dort arbeiten. Diese Menschen sind am nächsten Tag, am übernächsten Tag von anderen Personaldienstleistern übernommen worden und teilweise von den Firmen, wo sie arbeiten. Ein kleines Automobilwerk in der Steiermark hat die meisten, und sie werden dort teilweise übernommen. (Bundesrat Konrad: So klein sind wir gar nicht! – Heiterkeit.) Das heißt, die Menschen sind weiter in Beschäftigung.

Ja, es ist schwierig: Der Personaldienstleister hat seit fünf Jahren ein Problem, und ein Jahr nachdem das Problem begonnen hat, hat er sich gedacht, ich trete die Flucht nach vorne an und gehe nach Rumänien, nach Bulgarien, nach Ungarn. Also eine freie unternehmerische Entscheidung eines KMU. Die Eigentümer dieses Personal­dienst­leisters sind drei steirische Familien. Die haben entschieden, das zu machen. Ein klassischer Familienbetrieb! Es war eine Fehlentscheidung. Aber die 800 arbeiten, sie sind gesichert! Das Einzige, wo Sie den Staat anprangern: Wissen Sie, was passiert? – Ich darf die Mai-Gage, die Juni-Gage und die Sonderzahlung zahlen. – Damit Sie also sehen, was damit unter anderem ausgelöst wird.

Und wenn man hier sagt, die Firma Alpine kommt auch auf einer Offshore-Liste in China vor, dann würde ich dringlich bitten: Lesen Sie den gesamten Artikel im „NEWS“! Lesen Sie, wann das war: 2002. Wer war 2002 der Eigentümer? – Von einer FCC nicht einmal die Rede. Es war der alte Eigentümer, der mit einem ehemaligen österreichi­schen Manager diese Offshore-Geschichte gemacht hat. Das Gerichtsverfahren ist immer noch anhängig. – Das steht alles in diesem „NEWS“-Artikel drinnen.

Ich würde Sie wirklich dringlich bitten: Verquicken wir nicht die schwierigen Probleme der Alpine im Jahr 2013 – mit denen wir noch viel, viel zu tun haben werden, wo wir noch Gerichtsverfahren erben werden bis 2017 – mit einer Handlung, die im Jahr 2002 gesetzt wurde! Diesen Populismus haben sich die Menschen, um die es geht, nicht verdient. Die Menschen, um die es geht, haben sich eine Lösung jetzt verdient! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wobei ich sagen muss, dass ich bezüglich der Handlungen aus 2002 das nur gelesen habe; ich habe auch nicht den ganzen Artikel gelesen. – Ich würde also wirklich bitten: Verquicken wir nicht diese Dinge.

Tatsache ist, dass wir in den letzten drei Jahren in Österreich um 7 000 Arbeitsplätze mehr im Baubereich geschaffen haben. – Ich möchte jetzt keinen Vergleich mit der Zeit, in der die Freiheitlichen in der Regierung waren, ziehen. Man könnte das tun, aber ich tue es nicht. (Bundesrat Todt: Das wäre fürchterlich!) – In dieser Zeit sind 17 000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

Die einzelnen Offensivmaßnahmen wurden ja schon erwähnt. Ich will das auch nicht alles wiederholen, was hier in der Vergangenheit schon geschehen ist, worum wir uns bemüht haben. Und es ist vollkommen klar – und Kollege Mitterlehner hat schon ausgeführt, was wir alles mit diesen Konjunkturmaßnahmen beabsichtigen beziehungs­weise was wir alles damit tun –, dass es nicht nur ein Konjunkturpaket für die Bau­industrie ist, denn die ERP-Kredite beispielsweise haben mit der Bauindustrie wahr­scheinlich wenig zu tun, und was wir im Pflegefonds vorziehen, hat mit der Bauindus­trie auch nur teilweise zu tun. – Das möchte ich alles dazusagen.

Nun zur Beantwortung der Fragen.


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Zur Frage 1 – wie wirkt sich die Insolvenz auf den österreichischen Arbeitsmarkt aus? –:

Ich darf Ihnen mitteilen, dass gegenwärtig die Gesamtzahl der Beschäftigten in der österreichischen Bauwirtschaft trotz der schwachen Konjunktur noch immer leicht ansteigend ist. Und, was natürlich auch klar ist, die anstehenden Arbeiten der Baustellen der Alpine AG müssen auch weiter ausgeführt werden.

Faktum ist, dass die 4 905 MitarbeiterInnen zur Stunde in dieser 30-tägigen Frist drinnen stecken, wobei jetzt der sechste Tag vergangen ist. Das heißt, wir haben noch 24 oder 23 Tage zur Verfügung. Das bedeutet, dass in dieser Phase natürlich der Insolvenzentgeltfonds sämtliche Lohnkosten übernimmt. Wir müssen auch Ausstände aus der Vergangenheit bezahlen, denn die Angestellten haben das letzte Gehalt im Mai bekommen, die Arbeiter am 15. Juni. Was seit damals angefallen ist, müssen wir ebenfalls abdecken. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten 14 Tagen, vielleicht drei Wochen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der 30-Tage-Frist viele der Betroffenen noch den berechtigten Austritt erklären werden, womit sie alle ihre Ansprüche wahren, die die Beendigung des Dienstverhältnisses mit sich bringt.

Bis dahin wird das soweit abgeschlossen sein. Wir haben 3 500 Arbeiter, 1 400 An­gestellte. Demzufolge wird vor allem bei den 3 500 Arbeitern eine relativ geringe Zahl nach den 30 Tagen immer noch da sein. Sollten sie nach den 30 Tagen immer noch da sein, dann haben die Arbeiter eine fünftägige Kündigungsfrist und dann scheinen sie erst beim AMS auf.

Bei den Angestellten ist es sehr unterschiedlich. Die Angestellten haben von Haus aus fünf Wochen. Mit 700 Angestellten gibt es viele Angestellte, die bereits länger als 25 Jahre im Betrieb sind, das heißt, diese haben eine sehr lange Kündigungsfrist und demzufolge auch noch Entgeltansprüche. Die ersten drei Monate in der Arbeitslosigkeit können sie beides kassieren: das Monatsgehalt plus AMS-Bezug, und im vierten Monat wird gegengerechnet.

Demzufolge hoffen wir, dass wir hier so wenig wie möglich bekommen werden; es werden aber trotzdem einige sein. Es ist davon auszugehen, dass nicht alle über­nom­men werden können, aber wir hoffen, dass die Zahl jener, die dann vom AMS weiter­betreut werden müssen, gering sein wird.

Wir wissen nicht, wie groß diese Zahl dann sein wird. Alle acht Bundesländer, um die es geht, haben entsprechende Insolvenzstiftungen vorbereitet. Das ist immer gemein­sam mit den Bundesländern. Es stehen die Insolvenzstiftungen entsprechend zur Verfügung. Wenn sie angesprochen werden müssen, werden sie angesprochen. Der größte Teil dieser Angestellten verteilt sich auf drei Bundesländer: Salzburg, Ober­öster­reich, Linz und Wien. Der größte Brocken der Angestellten sitzt in Wien in der Zentrale in Oberlaa. Man hat zwar die Alpine immer nach Salzburg transferiert, aber seit vielen Jahren ist die eigentliche Zentrale in Wien Oberlaa, und demzufolge ist dort auch der größte Teil der Angestellten. Eine kleine Gruppe ist in Linz, dort ist das Lohnbüro. In Salzburg ist auch sehr viel, aber etwas weniger als in Wien.

Wir gehen davon aus, dass wir so viel wie möglich quasi erhalten können und dass vor allem die Bauarbeiter direkt übernommen werden oder sehr rasch wieder einen Arbeitsplatz finden. Selbstverständlich, wie ich schon gesagt habe, kann es bei den Angestellten eine gewisse Gruppe betreffen, wo wir die Hilfe des Arbeitsmarktservices etwas länger brauchen werden.

Zur Frage 2: Wie viele Zulieferbetriebe sind  gefährdet?


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Da kann ich nur auf die Aussendung des Kreditschutzverbandes verweisen, bezie­hungs­weise wurde diese Frage auch schon vom Kollegen Mitterlehner beantwortet.

Es ist natürlich klar, dass es in einigen Betrieben Schwierigkeiten geben kann, dass wir noch mit Anschlusskonkursen rechnen können. Wir haben bis zur Stunde einen einzigen Betrieb, der Zulieferer war und Kurzarbeit verlangt hat. Da haben wir schon einen, aber bei dem war der Alpine-Umsatz nur 25 Prozent. Dieser dürfte prophy­laktisch jetzt schon Kurzarbeit verlangt haben. Warum er es gemacht hat, werden wir sehen.

Zur Frage 3: Wie viele Arbeitnehmer dieser Zulieferfirmen sind von dieser Insolvenz betroffen?

Wir haben uns, glaube ich, schon bemüht, das zu beantworten. Diese Zahl ist zur Stunde nicht beantwortbar, nicht bemessbar. Sie können sicher sein, dass wir uns sehr bemühen werden, dass das so wenige wie möglich betrifft.

Zur Frage 4:

Allen Betroffenen steht natürlich das volle Programm der arbeitsmarktpolitischen Anbote zur Verfügung, ich habe es schon erwähnt, wenn es notwendig ist, mit Kurz­arbeit. Und natürlich bemüht sich der Insolvenzentgeltfonds derzeit, sehr rasch zu den entsprechenden Unterlagen zu kommen und diese aufzubereiten. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, werden sich die Entgeltansprüche beziehungsweise die Beendigungs­ansprüche mit Stichtag voriger Freitag auf 72 Millionen belaufen, wobei eine gewisse administrative Herausforderung damit verbunden ist, denn wir brauchen von allen 4 905 Be­troffenen eine Unterschrift, jeder muss unterschreiben. Sie können sich vorstellen, dass das jetzt für die gesamte Struktur, das heißt für die Betriebsräte, für das Lohnbüro, für die Lohnverrechner, die noch da sind, eine nicht gerade einfache Übung ist, denn die 4 905 sind verteilt auf acht Bundesländer, und das stellt eine gewisse Herausforderung dar.

Morgen gibt es die erste Detailversammlung, um das alles abzuarbeiten, denn ohne diese Unterschrift können wir zwar vieles vorbereiten, aber nichts abrechnen. Wir brauchen die Unterschrift jedes Einzelnen. Das ist notwendig. Das ist ein Rechtszug, und dieser Rechtszug kann nur dann gestartet werden, wenn der Einzelne sagt: Ich bin’s! Und die Unterschrift brauchen wir.

Zu den Konjunkturpaketen brauche ich hier nichts zu sagen.

Zur Frage 5: Wie hoch ist die Gesamthöhe der Rücklagen Ihres Ministeriums?

Mein Haus hat mit Mai 2013 ein Rücklagenvolumen von 132,8 Millionen. Von diesen 132,8 Millionen ist der überwiegende Teil fix verplant, man kann sagen, 75 Prozent für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, dann im Bereich des Bundespflegegeldes und für Projekte des Konsumentenschutzes. Ein gewisser kleiner Teilbetrag bleibt als Vorsorge für unvorhergesehene Mehraufwendungen.

Zur Frage 6: Wie viel Prozent dieser Rücklagen werden für das Konjunkturpaket aufgelöst?

Von den mir zugerechneten UGs wird in meinem Haus nichts für das Konjunkturpaket aufgelöst, denn der Pflegefonds, der zwar von uns verwaltet, gesteuert und ausbezahlt wird, ist administrativ dem Finanzministerium zugeordnet. Ich kann Ihnen aber trotz­dem sagen, dass dort Zahlungen der Jahre 2016/2017 auf 2013/2014 vorgezogen werden, dieser Betrag aber aus Mehreinnahmen aus dem Finanzausgleich abgedeckt wird. Dadurch werden keine Rücklagen bei uns belastet, denn das Gesamtvolumen des Pflegefonds in der Höhe von 1,85 Milliarden bleibt bis 2016 gleich. Wir haben nur die Möglichkeit geschaffen, dass die Länder vorher schon Geld ausgeben können,


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wobei in den Folgejahren ihr Anteil dann entsprechend geringer sein wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.37


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Danke, Herr Minister.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


17.37.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister, eines sage ich Ihnen beiden heute schon: Sie haben heute teilweise eine schon wirklich beachtenswerte Arroganz an den Tag gelegt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie, Herr Minister Hundstorfer, behaupten gerne, dass Sie irgendwelche Dinge nicht gesagt haben oder schon gesagt haben. Und das tun Sie ja mit einer ziemlichen Überzeugung und auch in der Hoffnung, dass der andere es nicht besser weiß bezie­hungsweise nicht nachprüft. Ich bin Ihnen aber schon auf die Schliche gekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben das bei meiner Kollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein im Nationalrat gemacht, wo Sie auch gesagt haben: Das habe ich so nie gesagt, Sie haben einen Satz aus meinem Zitat herausgerissen und das stimmt so nicht.

Ich bin gerade oben in meinem Büro gesessen, habe die Nationalratssitzung über den Lautsprecher verfolgt und habe mir gedacht: So, jetzt schaue ich mir das aber an, ob das stimmt. Ich habe das Protokoll herausgesucht, auf das Sie Bezug genommen haben. Und siehe da, es war genau so, wie es meine Kollegin zitiert hat, und nicht so, wie Sie es behauptet haben. Also das scheint bei Ihnen schon Tradition zu haben, dass Sie das tun, in der Hoffnung, man weiß es nicht besser. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.)

Ich habe den Herrn Minister Hundstorfer angesprochen, auch namentlich. Nein, ich habe gesagt: Herr Minister Hundstorfer. Sie, Herr Minister Dr. Mitterlehner, kommen noch dran!

Mein Kollege Pisec ist bei der Frage Wirtschaft immer mit großem Herzen dabei, und es kann durchaus sein, dass er dann im Eifer des Gefechts Dinge vielleicht nicht so klar ausdrückt, wie er sie meint oder wie er auch glaubt, sie gesagt zu haben.

Aber, Herr Minister, es ist auch nicht auszuschließen, dass Sie das eine oder andere nicht verstanden oder missverstanden haben. Das wollen wir jetzt einmal nicht aus­schließen.

Tatsache ist, dass wir hier von der größten Pleite des Landes sprechen – das haben wir ja schon gesagt. Zahlen sind ja jetzt auch schon hin- und hergeschupft worden. Wir haben uns, wie ich meine, darauf geeinigt, dass es sich um 4 900 Arbeitnehmer plus 1 400 Zulieferfirmen, auf die wir uns auch geeinigt haben, handelt. Was aber noch nicht gesagt worden ist, was aber das „WirtschaftsBlatt“ schreibt, ist, dass davon 164 290 Arbeitnehmer betroffen sind.

Sie haben jetzt gesagt, dass ein Teil ohnehin schon wieder einen Job hat und die sind es nicht, aber es wird trotzdem noch ein erklecklicher Teil übrig bleiben. (Bun­desminister Dr. Mitterlehner: Das ist unseriös!) Das schreibt das „WirtschaftsBlatt“. Das „WirtschaftsBlatt“ hat geschrieben, 164 290 Mitarbeiter sind betroffen. (Bundes-


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minister Hundstorfer: Da ist unter anderem die Firma Siemens dabei mit 7 000 Mit­arbeitern! Die spüren die Alpine nicht einmal!)

Aber es sind sehr, sehr viele kleine Zulieferfirmen, die das sehr wohl spüren werden. 80 davon sind schon von Konkurs bedroht.

Die Gläubiger, das sagt der Kreditschutzverband, das ist seine Einschätzung, können froh sein, wenn sie 10 Prozent bekommen, nachdem er vorgestern noch von einer Quote von 20 Prozent gesprochen hat.

Und die vielen Anleger, die Aktien gekauft haben – da reden wir auch von 290 Mil­lionen € –, können das Geld abschreiben. Das ist weg. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ja, natürlich, Frau Kollegin, man kann sagen, wenn sich jemand Aktien kauft, ist er selbst schuld, eigenes Risiko, das stimmt schon, aber da muss man immer wieder dazusagen, dass auch die Banken empfohlen haben, das in ein gemischtes Portfolio hineinzutun. Und da sind wir wieder einmal bei der Rolle der Banken und deren Seriosität bei der Beratung. Ich als kleiner Anleger – ich bin aber keine Betroffene – kann das nicht wissen. Auf wen kann ich mich dann verlassen? – Also muss ich mich auf einen sogenannten Fachmann verlassen. Und wenn mir der dann – ich hoffe, nicht wissentlich – vielleicht aufgrund von mangelndem Wissen oder mangelnder Information das Falsche rät, dann nützt mir das gar nichts, wenn ich mein Geld verloren habe. Man müsste daher schon auch einmal darüber nachdenken, wie die Beratertätigkeit eines Bankangestellten auszuschauen hat.

Die Firmen, die die Alpine vorfinanziert haben – da reden wir jetzt sehr wohl vom kleinen Tischler, da reden wir sehr wohl vom kleinen Elektriker, der 100 000 €, 200 000 € oder 300 000 € vorfinanziert hat –, werden dann, wenn sie sich das nicht leisten können, wenn sie nicht die entsprechende Kapitaldeckelung haben, das gleiche Schicksal erleiden wie die Alpine, sie werden in Konkurs gehen.

Das sind Zahlen, die halt immer ein bisschen abstrakt sind, und eigentlich betrifft es einen dann nicht wirklich, weil es ja nur eine Zahl ist, aber das sind eben Menschen, die ihr Leben bestreiten müssen, die einen Konkurs vielleicht hinnehmen müssen, was auch eine psychische Belastung ist, denn bei uns in Österreich ist es ja nicht so wie in den USA, wo man sagt: Okay, ich bin auf den Bauch gefallen, ich stehe wieder auf und mache weiter! Wenn man in Österreich in Konkurs geht, ist man meistens auch ein bisschen stigmatisiert. Daher ist das auch eine psychische Belastung.

Aber es geht ja auch um die Mitarbeiter, die nicht wissen, ob sie wieder bei Baufirmen unterkommen. Ja, ein Teil wird unterkommen, das ist sicher keine Frage, denn die Zahl der Baustellen wird ja nicht geringer, die bleibt gleich, und man braucht dort Mitar­beiter, weil gearbeitet werden muss. Aber es werden eben nicht alle unterkommen, weil es wahrscheinlich schon auch eine gewisse Überhitzung gibt.

Ja, auch Experten waren sich einig darin, dass die Pleite schon länger abzusehen war und dass das kein Überraschungsmoment war.

Zum Beispiel hat der Präsident der niederösterreichischen Arbeiterkammer, der in der Alpine den Aufsichtsrat begleitet hat, wo übrigens rote und schwarze Vertreter in trauter Zweisamkeit gesessen sind – man denke an Gusenbauer und Ferrero-Waldner –, in einem „Kurier“-Interview gesagt, er habe die Probleme kommen ge­sehen, aber er habe überhaupt nichts dagegen tun können.

Die Voest hat seit einem dreiviertel Jahr keine Aufträge mehr an die Alpine vergeben. Das ist vielleicht Zufall, es könnte aber auch sein, dass die auch schon etwas kommen gesehen und sich gedacht haben, sie lassen lieber die Finger davon.


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Natürlich muss man auch ein bisschen über die FCC sprechen. Klar, es ist nicht verboten, an einen ausländischen Investor zu verkaufen, aber ich zitiere jetzt einen bekannten österreichischen Unternehmer, der in einem Zeitungsinterview sagt:

„Von der EU wurden 400 Milliarden Euro nach Spanien und Portugal geschaufelt, ein großer Teil bauwirksam. Diesen Kuchen teilten sich vier, fünf Unternehmen auf, grob gerechnet mit 40 Milliarden Umsatz für jeden und Margen über zehn Prozent. Die haben also vier Milliarden Euro Ergebnis gemacht und bescheiden“ – bescheiden! – „Steuer bezahlt.“ – Das haben wir auch schon einmal diskutiert.

Und weiter: „Mit diesem ungeheuren Reichtum haben sie eingekauft – in Spanien Strom­firmen, Müllabfuhr, Fußballklubs, Medien. Dann gingen sie ins Ausland und kauften bei uns die Alpine, in Deutschland die Hochtief und so fort. Weil sie mit der spanischen Wirtschaftskrise unter Druck kommen, wollen sie die Auslandstöchter nicht mehr halten.“

Das sind aber auch Entwicklungen, die nicht von ganz ungefähr gekommen sind und auch nicht erst seit gestern bekannt sind, denn wir stecken seit 2008 in einer Wirt­schaftskrise. Wir zahlen seit 2009/2010 an Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und so weiter, also ist das auch nichts Neues.

Interessant dabei ist auch, dass ausgerechnet der lukrative Teil der Alpine, nämlich die Alpine-Energie, ganz kurz vor dem Verkauf herausgelöst wurde. Das wird Zufall sein.

Übrigens sagt derselbe bekannte Unternehmer, dass er sich gewundert hat, dass die Alpine jetzt erst pleitegegangen ist, denn nach seinem Dafürhalten hätte das schon viel früher passieren müssen.

Zu Ihrem Konjunkturpaket, weil Sie meinen Kollegen Krusche so sehr gegeißelt haben dafür, dass er Sie kritisiert hat und gesagt hat, dass das nur vorgezogene Maßnahmen sind – dem ist ja auch so –: Keiner hat etwas dagegen, dass der Bau des Hoch­wasser­schutzes vorgezogen wird, im Gegenteil, wir haben ja, wenn wir die Hochwasser­situation in Niederösterreich verfolgt haben, gesehen, dass er in einigen Fällen schon viel früher fertig hätte sein können, dass aber ein Teil des Baus auf Eis gelegen ist, weil man kein Geld hatte. Sie müssen es sich daher gefallen lassen, wenn wir Ihnen jetzt sagen, dass Sie es eben nur vorziehen.

Das ist im Grunde auch in Ordnung, die Frage ist nur: Profitieren jetzt wieder dieselben drei, vier großen Unternehmen? – Ich weiß schon, zum Zentralbahnhof werden wir jetzt stattdessen nicht irgendeine kleine Quetsche schicken können, aber der Punkt ist – und das ist auch ein Kritikpunkt aller –, dass sich im Wesentlichen ein paar Bau­konzerne das gesamte Geld geteilt haben, dass sie alle öffentlichen Ausschreibungen gewonnen haben, weil sie permanent 25 Prozent – das habe ich gelesen, du hast gesagt, 20 Prozent – unter Wert geboten haben. Jetzt frage ich mich: Wie geht das? Das sind Dumpingpreise, und die Wirtschaftsexperten sagen, das kann sich nicht gerechnet haben, das ist völlig unmöglich.

Die Alpine hat sich ja nicht darauf beschränkt, Straßen, Tunnels und so weiter zu bauen, sondern sie hat auch begonnen, in den kleinen Hausbau hineinzugehen, womit die regionalen kleinen und mittleren Bauunternehmer erst recht wieder auf der Strecke geblieben sind.

Das ist eine Wirtschaftsentwicklung, bei der die Regierung zugeschaut hat. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie in die Privatwirtschaft steuernd eingreifen, aber die Politik kann schon – darin sind wir uns hoffentlich einig – gewisse Regeln vorgeben, wie etwas geht. Aber das tun wir leider in manchen Fällen ... (Zwischenrufe des Bundes-


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rates Kneifel.) – Rahmenbedingungen, ich meine Rahmenbedingungen. Und da hat sich die Politik zurückgehalten.

Herr Minister, weil Sie gesagt haben, die österreichische Wirtschaft ist gut aufgestellt: Das stimmt, da gebe ich Ihnen recht, aber ich sage Ihnen jetzt, sie ist nicht deshalb gut aufgestellt, weil Sie in der Regierung sind, sondern sie ist gut aufgestellt, obwohl Sie in der Regierung sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kneifel: Wollen Sie, dass Baufirmen kein Haus bauen dürfen?)

Es geht der österreichischen Wirtschaft gut, weil die österreichischen Unternehmen Know-how und Esprit haben, Arbeitsleistung bringen und wirklich etwas weiterbringen wollen. Daher sind unsere Unternehmer und Unternehmen wirklich sehr gut.

Was die Arbeitslosenzahlen betrifft: Herr Minister Hundstorfer, Sie sagen immer gerne, wenn kritisiert wird, dass das alles nicht stimmt – jetzt lese ich einmal aus Ihrer OTS vor, die Sie herausgegeben haben; vielleicht sagen Sie jetzt auch wieder, die hat jemand anderer geschrieben, Sie waren es nicht –, unsere Arbeitslosenzahlen sind natürlich schon gestiegen. Und da heißt es:

Es gab „Ende Mai 2013 eine Zunahme der vorgemerkten Arbeitslosen um 20.818 bzw. +9,0 Prozent auf 251.895. Inklusive der Personen in Schulungsmaßnahmen nimmt die Zahl der Vorgemerkten um 28.594 bzw. 9,5 Prozent zu.“

Die Arbeitslosenquote liegt bei 4,9 Prozent, das ist, glaube ich, das Einzige, wo wir uns bei der Zahl einig sind, und damit haben wir die zweitniedrigste Arbeitslosenquote in der EU. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit sind wir gut aufgestellt. Aber mein Kollege Krusche hat schon recht, wenn er sagt, bei den Statistiken und vor allem, wenn es um den EU-Durchschnitt geht – es werden ja die EU-Statistiken herangezogen –, ist man kein Arbeitsloser, wenn man eine Stunde in der Woche arbeitet oder Arbeitslosengeld bezieht und einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Auch dann gilt man als mit einem Arbeitsplatz versorgt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitter­lehner.) – Ja, aber ich lese aus der Aussendung des Herrn Ministers vor! Ich sage nichts anderes, ich lese das vor, was der Herr Minister selbst ausgeschickt hat.

Natürlich haben Sie einen besseren Zugang zu allen Daten, Sie sind der Minister. Wenn Sie es nicht haben, wer dann? (Bundesrat Krusche: ... nicht, oder? – Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Ich glaube, wir müssen uns jetzt nicht auf Zahlenspiele einlassen und sagen: Wer hat recht, Sie oder ich oder er? (Bundesminister Hundstorfer: Mir geht es ja nur darum: Wir weisen die Schulungsteilnehmer mit aus, und mir geht es immer darum, reden wir hier über die Gesamtsumme! Und nicht ... 330 plus 80, hat sie hinausgerufen! – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesminister Hundstorfer: Ist okay, das stimmt ja! – Bundesrat Krusche: Das haben wir gesagt ...!)

Okay, aber wir haben trotzdem im Tourismus plus 7 Prozent. (Bundesminister Hundstorfer: Ja!) Wir haben im Fahrzeug- und Maschinenbau 10 Prozent mehr. Wir haben am Bau über 15 Prozent mehr. Wir haben eine gestiegene Arbeitslosigkeit von 10, fast 11 Prozent bei den Männern, in den männerdominierten Branchen; bei den Frauen ist es ein bisschen weniger, da sind es nur 6,8 Prozent. Ausländer: plus 15,9 Prozent, zum Teil auch, weil die ja in dieser Baugeschichte mit drinnen sind.

Bei den Jugendlichen schaut es zwar noch ganz gut aus, ist es sogar leicht rückläufig gewesen. Trotzdem kann man sich hier nicht zufrieden zurücklehnen, weil die Zahl der gemeldeten offenen Lehrstellen um 12,5 Prozent zurückgegangen und die Zahl der Lehrstellensuchenden um 2,7 Prozent gestiegen ist.

Das heißt also: Kein Grund, sich immer auf die Schulter zu klopfen und zu sagen, wir sind eh so super und eh so gut! Wir vergleichen uns gerne mit schlechteren Ländern


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und sagen, gemessen an diesen sind wir ja gut, auch wenn wir im Kontext zu Deutsch­land und den Niederlanden auch gut sind.

Aber ich glaube, ein Konjunkturpaket, das Sie jetzt schnüren wollen, kann nicht nur Großen zugutekommen, sondern muss vor allem den Arbeitnehmern, aber auch den kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen, und zwar insofern, dass man ihnen nicht einfach Geld in die Hand drückt, um das abzufedern, sondern man muss schauen, dass sie auch wieder Aufträge bekommen und in die Bresche springen können, wo die Alpine ein Loch gerissen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

17.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Fürlinger. – Bitte.

 


17.52.00

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Ich hätte Sie, Frau Fraktionsvorsitzende Mühlwerth, fast zu loben begonnen, weil Sie es doch immerhin als dritte Rednerin Ihrer Fraktion geschafft haben, zum Thema der Anfrage ein paar Sätze zu verlieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Eigentlich wollte ich damit beginnen, dass ich mir quasi lehrerhaft, germanistikhaft anmaße, von Themenverfehlungen zu sprechen.

Themaverfehlung Nummer 1 ist: Sie knallen uns eine Anfrage zur Alpine auf den Tisch, stellen sich heraus, Kollegen Pisec und Krusche, verlieren keinen einzigen Satz dazu und erzählen uns irgendwelche krausen, in sich schwer zusammenhängenden Histo­rien vom angeblichen wirtschaftspolitischen Versagen dieser Bundesregierung, was man sich in Wirklichkeit bei den Daten, die vorhanden sind, in dem Umfeld, das existiert, nur schwer vorstellen kann.

Ich mache Ihnen auch einen konkreten Vorwurf. Sie gehen schon heraus und sagen, na ja, die Arbeitnehmer sind arm, die Firmen sind arm, und so weiter und so fort. – Genau das ist der Punkt. Wir haben betroffene Arbeitnehmer. Zu den Zahlen: Herr Kollege Krusche hat sich bei 15 000 aufgeregt, das steht in Ihrer eigenen Anfrage drin. Es hat sich jeder Redner gesteigert. Wenn noch zwei, drei Redner von Ihrer Fraktion kommen, ist morgen wahrscheinlich ganz Österreich arbeitslos und von der Alpine-Pleite betroffen. Es gibt 1 500 Zulieferbetriebe, das ist richtig, und es gibt Kommunen, die morgen nicht wissen, wie weitergebaut werden soll. Diese, sage ich, Betroffen­heiten, diese Sorgen und Schicksale verwenden Sie hier dafür, ein bisschen politisches Kapital im Vorwahlkampf zu machen. Das ist nicht richtig, und das weisen wir zurück, weil das unordentlich ist! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Die zweite Themenverfehlung, die für mich besteht, ist, diese Alpine Bau, diesen Konkurs eines privaten Unternehmens, in irgendeinen Zusammenhang mit der öster­reichi­schen Bundesregierung zu bringen. Als ich die Anfrage zu lesen bekam, habe ich eine Firmenbuch-Recherche gemacht. Ich konnte nicht feststellen, dass in den letzten Jahren die Geschäftsführer der Alpine irgendwann einmal Faymann, Spindelegger, Hundstorfer oder Mitterlehner geheißen haben, sondern sie hatten ganz andere Namen. Die Bundesregierung ... (Bundesrätin Mühlwerth: Aber im Aufsichtsrat war Gusenbauer ...!)

Herr Gusenbauer war dort im Aufsichtsrat, da war er nicht mehr Mitglied dieser Bun­desregierung. Aber es geht um diese Bundesregierung, Frau Kollegin Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Er war schon im letzten Aufsichtsrat ...!) Es geht um hier und jetzt, nicht darum, irgendetwas zu waschen, was einmal in der Vergangenheit gewesen ist. (Bundesrat Mag. Pisec: Politiker im Aufsichtsrat ...!) Auch ein Aufsichtsrats­vor­sitzender allein kann es noch nicht machen, dass ein Unternehmen floriert oder nicht.


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(Bundesrat Todt: Er war kein Politiker zu diesem Zeitpunkt! Der Herr Gusenbauer ist aus der Politik ausgeschieden! So war es! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber ihr seht ...! – Bundesrat Todt: Aus der Politik ausgeschieden! Das ist die Antwort! Ende der Durchsage!)

Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie höflich, mir Ihr geneigtes Ohr zu leihen, damit ich mit meinen Ausführungen fortfahren kann.

Klar ist, dass wir, soweit ich weiß, in der Marktwirtschaft und nicht in der Planwirtschaft leben – die FPÖ ist mir auch nie aufgefallen als eine, die gemeint hätte, dass Ent­eignung von großen Unternehmen das Richtige wäre –, und in dieser Marktwirt­schaft hat es eine private Insolvenz gegeben. Diese Insolvenz ist bedauerlich, und das macht betroffen. Aber es war niemand von dieser Bundesregierung dort Geschäfts­führer, niemand dort in einer verantwortungsvollen Position, wo Dumping­preise hinaus­ge­schleu­dert worden sind, wo andere Mitkonkurrenten mit Unterbieten geschädigt worden sind, wo Missmanagement und Fehler passiert sind. Aber das hat nichts mit dieser Bundesregierung und auch nichts mit der Wirtschaftspolitik dieser Bundes­regierung zu tun!

Meine Damen und Herren, es ist auch nicht Aufgabe der Politik, Arbeit am Bau zu bestellen und die ganze Zeit nur aus dem Staatssäckel irgendwelche Arbeitsplätze zu zahlen. Das ist nicht Aufgabe, und das tut sie nicht. Ungeachtet dessen – und darauf möchte ich jetzt Ihren Blick richten – sind die Leute der Bundesregierung, angeführt die Spitze, aber ganz besonders die beiden hier anwesenden Minister, aufgesprungen, haben die Notsituation erkannt und haben sich die letzten Nächte um die Ohren geschlagen, um damit zu demonstrieren, dass die Politik, dass die Bundesregierung niemanden, der in dieser Republik in Not gerät, hängen lässt. Sie haben sich enga­giert, sie haben sicherlich viele, viele Stunden außertourlich damit verbracht, diese Krise mit zu managen. Da sollte man theoretisch einmal mit ein bisschen Goodwill Danke sagen, statt dass man immer nur draufklopft! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren, Sie können natürlich das Konjunkturpaket kritisieren. Man kann es zerlegen, man kann es von vielen Winkeln aus betrachten: Ist es gut, ist es nicht gut? Was wird damit gemacht? Was wird vorgezogen? – Ich kann immer überall irgendwo rummäkeln, wenn ich will. Aber Tatsache ist, dass dieses Konjunkturpaket unmittelbar Hilfe schafft, dass es ein bisschen Hoffnung und Sicherheit dort schaffen wird, wo jetzt Sorge und Betrübnis herrschen, bei Zulieferfirmen, bei Bauarbeitern, nicht zu vergessen die Familien der Bauarbeiter, die heute alle in Sorge zu Hause sitzen. Daher ist dieses Konjunkturpaket, gepaart mit einer Investition in Infrastruktur, die zurzeit an allen Ecken und Enden in der Form vorgeschlagen wird, vollkommen richtig.

Die Bundesländerpolitik hat sich genauso – und da zeigt sich auch der Wert der Bundesländer – sofort auf die Schiene geworfen. Schauen Sie, was beispielsweise in Niederösterreich passiert, wo bereits einige Konjunkturpakete vorgezogen werden, einige Dinge, Baumaßnahmen der öffentlichen Hand! Sehen Sie Salzburg und Ober­österreich! Es gibt gesunde Baufirmen – der Herr Sozialminister hat sie heute schon genannt –, seien es Hinteregger & Söhne in Salzburg, sei es die H-Bau oder sei es Felbermayr in Oberösterreich, die auch, über Koordination durch die Politik, durch entschiedenes, entschlossenes Handeln jetzt verhindern, dass es den Menschen schlechtgeht, dass die Zulieferbetriebe eingehen.

Da passiert so viel, und ich verstehe nicht, es geht mir einfach von vorn bis hinten nicht ein, wie man sich hier herausstellen und das in der Situation totmäkeln und für irgendeinen Wahlkampf missbrauchen kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Das versteht ihr ja nie! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das kann kein Mensch verstehen! Nein,


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bei aller gebotener Wertschätzung, meine Damen: Was hier von Ihrer Fraktion geboten worden ist, ist letztklassig! Seid mir nicht böse, so etwas habe ich überhaupt noch nie gehört. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es hat immer große Insolvenzen gegeben, das zeigt die Wirtschaftsgeschichte. Wirtschaftliches Handeln ist auch Handeln von Irrtümern, ist auch Handeln von Missmanagement, vielleicht von nicht wohlmeinenden Investoren. Aber noch nie, meine Damen und Herren, hat eine österreichische Bundesregierung auf so eine Krise so schnell und so entschlossen reagiert (Bundesrätin Mühlwerth: Aber wieso kommt ihr jetzt mit einem Konjunkturpaket daher, jetzt auf einmal?), sich darum gekümmert, dass die Betroffenen nicht im Regen stehen. Daher ist das, was hier passiert ist, genau das Gegenteil von dem, was Sie vorwerfen. Das ist kein Missmanagement, das ist entschlossenes Management, entschlossenes Handeln, daher ist die Kritik daran eine Themenverfehlung. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Schließen möchte ich mit dem Zitat eines nicht meiner Partei angehörenden Politikers, der einmal davon gesprochen hat, dass Wahlkampf­zeiten Zeiten „fokussierten Unsinns“ sind.

Herr Kollege Krusche und Herr Kollege Pisec, so viel Fokus hätten wir heute nicht gebraucht! – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.59


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


17.59.18

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ausgeschaut hat es, als ob da ein Sturm aufzieht; angekommen ist ein laues Vorwahlkampf-Lüftchen. Leider, muss ich sagen, ist es noch immer recht heiß hier herinnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Fürlinger hat etwas emotional reagiert – verständlicherweise. Der Vortrag der Freiheitlichen Partei war auch, muss ich sagen, anregend. Ich bemühe mich, sachlich zu bleiben und muss schon sagen, es ist ja legitim, denn es sind Vorwahlzeiten, und als Opposition versucht man klarerweise, alles, was man irgendwo an Themen erreichen kann, aufzugreifen, es herzuschleppen und der Bevölkerung, vornehmlich den Zuseherinnen und Zusehern zu Hause, so darzustellen, als ob es ein Regierungsversagen gäbe. Das ist das Vorrecht der Opposition, das darf man.

Sehr geehrte Frau Kollegin Mühlwerth, ich schätze Sie sehr, und ich bin kein Regie­rungsmitglied. Sie können sich selbstverständlich selbst verteidigen. Aber in der Art und Weise, wie ihr auftretet, sich hier herzustellen und den anwesenden Ministern vorzuwerfen, dass sie arrogant sind, ist ein bisschen überzogen. Schaut bitte eure Redebeiträge an, wie ihr agiert, und dann, bitte, urteilt über andere Menschen! Wenn Sie sich dann hier herstellen und von Seriosität sprechen, von Banken und Seriosität noch dazu, dann blicken Sie über Ihre rechte Schulter, denken Sie an die Hypo Alpe-Adria, wie viel der Staat Österreich dort schon gezahlt hat und noch zahlen wird! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: Da wird in Nieder­österreich ...!)

Kollege Pisec war sozusagen der Einpeitscher dieses Themas. Er hat eine äußerst düstere Wirtschaftspolitik skizziert. Von Tausenden Konkursen wurde gesprochen, von Tausenden Arbeitslosen. (Bundesrat Mag. Pisec: Leider!)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir sind nicht unbedingt in einem konjunkturellen Hoch. Wir sind in einer Phase, in der es schwierig ist, und ich glaube, die Regierung hat hier rasch Maßnahmen gesetzt. Irgendwie bin ich euch dankbar dafür, dass ihr das Thema aufgegriffen habt, denn das erlaubt es den zuständigen Regierungsmitgliedern und auch uns, zum Konjunkturpaket Stellung zu beziehen.

Das Konjunkturpaket ist ja in raschester Art und Weise beschlossen worden. Ich finde es eigentlich direkt interessant, dass es auf der einen Seite Stellungnahmen gibt, in denen es heißt: die Regierung ist zu langsam!, und auf der anderen Seite kommen genau diejenigen Stellungnahmen heraus, in denen es heißt: Panikartig wurde noch ein Paket beschlossen! – Was sind wir jetzt? Sind wir zu langsam? Oder haben wir zu schnell reagiert? Irgendwo wäre es dann ... (Bundesrätin Mühlwerth: Vorher zu lang­sam, dann panikartig!) Wir sind langsam zu schnell gewesen, oder wie? (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Es ist schwierig! Mit euch ist einfach manchmal schwer mitzukommen. Ihr habt eine andere Vorgehensweise zu dem Thema. (Bundesrätin Mühlwerth: Herr Kollege, hören S’ zu!) Manchmal ist es schwierig, ich muss es echt sagen.

Wenn Sie, Kollege Pisec, davon sprechen, dass Konjunkturpakete der Baubranche zugutekommen ... (Bundesrat Mag. Pisec: Ja!) Die Beschäftigten der Baubranche sind genauso Konsumenten wie alle anderen. Die Zulieferfirmen leben von der Baubranche. Die Bau-Hilfsgewerbe leben von dieser Baubranche. Es hat sehr wohl volkswirt­schaft­liche Auswirkungen, weil der Konsum mit diesem Entgelt, das die Menschen da ver­dienen, klarerweise angekurbelt wird. Das geht in alle Sektoren, in wirklich alle Sektoren.

Da komme ich dann schon zum Vorgaukeln; Vorgaukeln war so ein Thema: Es wird vorgegaukelt. – Da hätte ich fast gesagt: Beim Vorgaukeln seid ihr uns wirklich Nasenlängen voraus! Kollege Krusche, Sie haben gemeint ... (Bundesrat Hafenecker: Sie implizieren also, dass man selber gaukelt, oder?) Bitte? (Bundesrat Hafenecker: Sie implizieren, dass man selber gaukelt?) – Nein, nicht wirklich. In Panik versetzen, verschleiern, ausgeprägte subjektive Angst schüren und alles Drum und Dran, das ist wirklich eine Spezialität von dir, Kollege.

Wenn dann von Zehntausenden Betroffenen geredet wird – ja, es gibt Betroffene, selbstverständlich! Ich habe am Montag dieser Woche meinen Dienst verrichtet – ich bin in der Arbeiterkammer Steiermark berufstätig –, und es war einer dieser Betroffe­nen bei mir. Er hat gesagt: Was tue ich denn nächste Woche am Montag? Jetzt habe ich Urlaub. Ich muss ja wieder zur Baustelle, und die haben gesagt, die Subfirma oder die Firma, die dort ist: Arbeite weiter! Soll ich jetzt hingehen oder nicht? – Ja, klarer­weise soll er hingehen und weiterarbeiten!

Die Sorge der Leute ist: Wo melden sie ihre Ansprüche an, die noch aufrecht sind? – Da leistet die Arbeiterkammer sehr gute Dienste. Wir haben den Insolvenzent­geltsicherungsfonds, das funktioniert gut. Die Leute brauchen sich keine Sorgen zu machen, sie werden ihr Entgelt bekommen. Sie haben es auch im Mai noch bekom­men. Und weil Kollege Krusche Steirer ist wie auch ich: In der Steiermark sind aktuell – ich habe es um 13 Uhr, glaube ich, erfragt – rund 380 Arbeitnehmer mit den Forde­rungen herangetreten. Das heißt, so viele Leute sind jetzt aktuell betroffen; die anderen haben ihr Entgelt bekommen.

Klarerweise wird es, wie Minister Hundstorfer gesagt hat, im Angestelltenbereich etwas schwieriger werden. Die Bauarbeitnehmer sind ja über die BUAK, die Urlaubskasse, abgesichert. Sie sind abgesichert über ausgelagerte Zahlungen, welche sie für die Abfertigungen haben können.

Zu den Konjunkturpaketen, die geschnürt worden sind: Ihr stellt euch her und sagt, das sind fragwürdige Projekte.  Fragwürdig! Hochwasserschutz, das ist auch fragwürdig,


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klarerweise. Ich habe mit der Kollegin vorhin gescherzt, und sie hat gemeint: Hochwas­ser­schutzmaßnahmen sind fragwürdig, denn wir wissen ja nicht, ob ein nächstes Hochwasser kommt oder nicht. Da macht man große Dämme, es kommt 30 Jahre lang nichts, und dann heißt es: Warum haben die das gebaut, das ist ja für nichts?! – Wenn es dann kommt, heißt es: Gott sei Dank!

Fragwürdig sind alle Maßnahmen im Hochwasserschutz. Wir wissen nicht, wann das nächste Hochwasser kommt. (Bundesrat Mag. Pisec: Aber nicht Konjunkturpakete ...!) Kollege, das sind fragwürdige Projekte? Sollen wir Hochwasserschutz vorziehen oder nicht? – Ich weiß es nachher nicht. (Bundesrat Mag. Pisec: Das ist ja kein Konjunktur­paket, vor drei Wochen beschlossen! – Weitere Zwischenrufe.) Ihr stellt euch hierher und stellt pauschal die Projekte, die vorgezogen werden, als fragwürdig hin. Ich weiß nicht, was ihr da habt! (Bundesrätin Mühlwerth: ... als das Hochwasser eben nicht da war! – Zwischenruf des Bundesrates Stadler.)

Wenn dann Kollege Krusche mit Zumtobel in Fürstenfeld kommt – Minister Hundstorfer hat das schon angesprochen. Ich komme ja selber aus der Region. Ja, seit Jahren gibt es da schon diese Produktionsschienen. Das sind, wie er gesagt hat, magnetische Vorschaltgeräte von Neonanlagen, und dort sind auch LED-Einheiten gemacht worden. Diese sind mit dem Werk in Jennersdorf in Kooperation gemacht worden und werden jetzt in dem Werk in Jennersdorf konzentriert. Klarerweise muss für die betroffenen Arbeitnehmer – und es wird auch dort welche geben – ein ordentlicher Sozialplan verhandelt werden. Wir haben dort durchaus einen guten Betriebsrat, das wird funk­tionieren. Ja, Fürstenfeld – Jennersdorf, Luftlinie knapp 15 Kilometer.

Es ist schade um jeden einzelnen Wirtschaftsbetrieb, der in Konkurs geht. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Das ist für jeden betroffenen Arbeitnehmer und für jede Arbeitnehmerin eine ganz schwierige Situation. Glauben Sie mir, ich habe dort genug Leute, die ich kenne, die betroffen sind. Aber sich hier herzustellen und das zum Anlass zu nehmen, Österreich darzustellen, als ob wir eine Bananenrepublik wären, als ob bei uns alles im Argen läge, das stimmt einfach nicht!

Wir sind, wie man immer wieder hört, nahe an der Vollbeschäftigung. Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es stellt sich keiner her und tut so, als ob wir mit 4 oder 5 Prozent Arbeitslosigkeit zufrieden wären. Nein! Jede und jeder einzelne Arbeitslose ist einer zu viel, selbstverständlich, und wir müssen daran arbeiten, dass wir tatsächlich die Beschäftigung voranführen, ja! Aber sich herzustellen und einen Konkurs so darzu­stellen, dass da jetzt die Welt untergeht – ich finde das einfach schade, denn an und für sich sind wir da andere Töne und Vorgehensweisen gewohnt. Klarerweise ist Vorwahlkampfzeit, da wird das alles ein bisschen übertrieben.

Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend: Die konjunkturbelebenden Maßnah­men, die jetzt getroffen werden, sind größtenteils ein Vorziehen von Projekten, wie es das etwa im Hochwasserschutz ist. Wir haben ja heute noch den Tourismusbericht im Programm; auch dort geht es darum, dass man Betrieben hilft, die gerade speziell durch Hochwasser geschädigt worden sind, dass man versucht, die Aufbaumaß­nah­men voranzutreiben. Im Großen und Ganzen sind sehr viele positive Projekte dabei – bitte sehen wir das auch so!

Es ist natürlich eine schwierige Situation. Aber ich glaube, mit unserem System, das wir in Österreich haben, sind wir immer gut gefahren und werden wir weiterhin gut fahren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 155

18.09.27

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Als ich heute Morgen von Ihnen, Frau Kollegin Mühlwerth, gehört habe, dass wir eine Debatte zu einer Dringlichen Anfrage über die Konjunkturpakete führen werden, habe ich mir am Anfang gedacht: Das ist eine spannende Sache.

Die Diskussion, wie man Konjunkturpakete organisiert, was in einer bestimmten Situation gescheit ist, welche Einsparungen sinnvoll sind, führen wir mittlerweile in ganz Europa. Das ist eine Diskussion, die uns jetzt seit vielen Monaten auch hier im Haus begleitet. Da habe ich mir gedacht, ich finde es sehr gut, dass wir das diskutieren.

Mittlerweile muss man sich fast bei den Zuschauern und Zuschauerinnen in ORF III, wenn überhaupt noch welche zuschauen, für das Schauspiel, das wir hier jetzt abge­liefert haben, entschuldigen, denn ich fand das eine erbärmliche Debatte.

Ich bin Bundesrat und ich sitze hier, würde ich aber vor dem Fernseher zuschauen, würde ich mich verarscht fühlen, ganz ehrlich.

Dass eine Firma pleitegeht ist dramatisch, ist schrecklich, das finden wir alle ganz furchtbar. Jetzt aber einfach einmal zu sagen: Sie sind schuld!, ist billig. Das ist banal, es ist falsch, das weiß auch jeder. Die Menschen zu Hause machen sich zu Recht Sorgen. Herr Kollege Krusche, Sie haben dazu ja die Umfragen vorgelesen. Das stimmt auch, no na net! Die Arbeitsplatzsicherung ist Thema Nummer 1, das war sie auch immer. Das ist nichts Neues.

Sie stellen sich aber dann hierher und zählen einfach nur auf, was alles schiefge­gangen ist. Ich habe mir von der Freiheitlichen Partei auch nicht viel mehr erwartet, man ist es ja leider gewohnt. Man hofft aber trotzdem, vielleicht einmal einen ver­nünf­tigen Lösungsvorschlag zu hören. Man hört aber nichts dergleichen, keine Lösungs­vorschläge, nur Herumgeeiere, Wadelbeißerei, Geschimpfe, Old-School-Politik und Behauptungen, warum die Menschen da draußen bei Politiksendungen abschal­ten, warum sie der Politik keine Lösungen mehr glauben. Angesichts dessen, wie hier diskutiert wird, wundert es nicht, dass die Menschen tatsächlich nicht glauben, dass wir irgendeine Lösung hätten. (Bundesrat Mag. Pisec: Stimmt ja auch!) Das ist bedauer­lich, weil es nicht der Wahrheit entspricht. Es ist nicht wahr!

Ich mache jetzt etwas ganz anderes. Mein Vorredner hat gesagt, es ist normal, dass die Opposition in Vorwahlkampfzeiten versucht, Themen zu setzen und die anderen anzupatzen und sich irgendwie zu inszenieren. (Bundesrat Konrad: Nicht alle, aber doch viele!) Ich mache das jetzt einmal nicht.

Ich sage einmal, ich finde es richtig und gut, dass es jetzt ein Konjunkturpaket gibt, und ich bedanke mich ausdrücklich bei der Bundesregierung für dieses Konjunkturpaket. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Alles andere ist lächerlich. No na net könnte ich jetzt ins Detail gehen, ich habe mir das alles vorbereitet. Ich habe den Green New Deal vorbereitet, die Sanierungsgeschichten seit 2008, ich könnte jetzt das ganze grüne Programm zur Neustrukturierung der Finanz­wirtschaft, dazu, wohin investiert werden muss – natürlich in die Schiene, natürlich in die Sanierungen von Wohnraum, natürlich auch in Mietwohnungen, natürlich in die ökologische Nachhaltigkeit –, ausführen. Aber ich sage es ganz ehrlich: Bei diesem billigen Politikspiel, bei diesem traurigen Politikspiel will ich eigentlich nicht mitmachen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nächster Redner: Herr Bundesrat Hafen­ecker. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 156

18.13.08

Bundesrat Christian Hafenecker (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich nehme eindeutig zur Kenntnis, dass hier im Haus offenbar eine schlechte Akustik herrscht, sonst wäre nicht so viel schlecht oder gar nicht verstanden worden. Vielleicht kann man das eine oder andere noch zurechtrücken.

Herr Kollege Fürlinger, wenn du uns vorwirfst, dass wir hier politisches Kleingeld wechseln, dann müssen wir, denke ich, diesen Vorwurf gleich zurückgeben. Ich glaube nämlich, gerade dieses Konjunkturpaket ist das eigentliche politische Kleingeld, um das es hier geht, und ich werde auch ausführen, warum das so ist.

Wenn du uns vorwirfst, einen Konnex zwischen der Regierung und der Pleite der Alpine herzustellen, dann darf ich ganz kurz auf eine APA-Aussendung verweisen, die von der Regierung ausgegangen ist, in der dezidiert in der ersten Zeile steht:

„Angesichts der Pleite des Baukonzerns Alpine und der nach wie vor schwachen Wirtschaftslage hat die Regierung am Dienstag ein Konjunkturpaket beschlossen.“

Das ist der Konnex, Kollege Fürlinger, und ich glaube, damit ist es auch eindeutig klar.

Kollege Fürlinger, du widersprichst dir außerdem selbst, wenn du einerseits sagst, die Politik sollte auf die Pleite der Alpine keinen Einfluss nehmen, gleichzeitig aber gutheißt, dass sich die beiden Minister zusammengesetzt und dieses Konjunkturpaket geschnürt haben. Diesen Widerspruch, lieber Kollege Fürlinger, kann ich nicht verstehen. Da hast du dir selbst widersprochen.

Es geht die Politik sehr wohl etwas an, sonst wäre sie auch nicht tätig geworden.

Noch ganz kurz zum Kollegen von der SPÖ: Kollege Konrad, man braucht sich nicht an Begrifflichkeiten zu messen oder darüber zu debattieren, wer jetzt arrogant ist und wer nicht, aber es gibt sehr wohl ein Auftreten, wie es auch die beiden anwesenden Herren Minister an den Tag gelegt haben. Ich glaube, es muss, auch wenn man anderer Meinung ist und sich vielleicht als Minister angegriffen fühlt, möglich sein, hier diese Diskussion zu führen. Das fordere ich als Mandatar auch ein.

Kollege Konrad, du hast vorhin noch einen anderen Vorwurf gemacht, den ich mir auch herausgeschrieben habe. Du hast auf das Hochwasser und auf den Hochwasserschutz repliziert. Ich möchte nur ein Beispiel aus Niederösterreich bringen. Da haben wir erst vor zwei Wochen das Budget verhandelt und da waren es die SPÖ und die ÖVP, die für den Katastrophenschutz in Niederösterreich seit zehn Jahren gleichbleibend 10 000 € budgetiert haben. Das ist die Wahrheit darüber, was in den Katastro­phen­schutz investiert wird, und ich glaube, da sollten sich die Großparteien einmal selbst an der Nase nehmen.

Ganz kurz noch zum Konjunkturpaket: Herr Minister Mitterlehner, das Konjunkturpaket kann nicht so lange geplant gewesen sein, wie Sie es uns vorher weismachen wollten. Ich darf kurz daran erinnern, dass gerade die ÖVP noch kürzlich von Geldmengen ge­sprochen hat, die zirka 10 Prozent dessen betrugen, was nun tatsächlich beschlossen wurde. Ich glaube, Sie haben vor drei, vier, fünf Tagen selbst noch nicht gewusst, was es tatsächlich werden soll. Das ist für mich auch der Beweis dafür, dass das jetzige Paket sehr wohl eine direkte Reaktion auf die Alpine-Pleite gewesen ist.

Als gelernter Niederösterreicher erinnert mich das alles irgendwie ein bisschen an die Vorgehensweise, die unser Landeshauptmann Erwin Pröll immer wieder an den Tag legt. Er fährt in die Vierteln hinaus und verspricht dort die Viertelsmilliarden. In Wahr­heit sind das aber einfach Gelder, die ohnehin schon budgetiert waren. Er verkauft sie einfach nur dreimal über die „Kronen Zeitung“, in jedem Viertel und jeder Viertels­bei-


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lage extra. Fakt ist, das Geld ist nicht neu, das Geld ist alt, das Geld war beschlossen und ist in Wirklichkeit auch schon zweckgebunden.

In Wirklichkeit ist es also so – und das ist auch der Schmäh bei diesem Konjunk­tur­paket –, dass jeder Euro, der hier vergeben wird, in Wirklichkeit schon fünf Mascherln umgehängt hat. Da muss man die Ehrlichkeit besitzen, das den Leuten auch so zu sagen. Man sollte eben, und das wäre mein Wunsch, ehrlich werden. (Rufe bei der SPÖ: Oh! Ah! – Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) – Oh, die Aufregung ist groß. Hören Sie sich einmal an, was ich zu sagen habe!

Man sollte ehrlich sein und den Leuten nicht vorgaukeln, dass sich dieses Paket refi­nan­ziert. Das war bei den Eurofighter nicht der Fall und es ist – nur zur Information – auch bei den EU-Mitgliedsgebühren nicht so. Wir bekommen nicht mehr, als wir einzahlen, sonst hätten wir nämlich 100 Eurofighter bestellt und würden gleichzeitig dreimal so viel Beiträge an die EU zahlen, weil wir ohnehin alles doppelt und dreifach zurückbekommen.

Die Leute nehmen Ihnen diese Schmähs nicht mehr ab und haben den Hausverstand, um das auch zu erkennen. Bitte nehmen auch Sie das zur Kenntnis. Übrigens, diesen Hausverstand besitzen Sie ja auch selbst, denn Sie haben ja, wie gesagt, keine 100 Eurofighter bestellt und die EU-Beiträge nicht erhöht.

Eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt dieses Konjunkturpaket aber für mich schon auf: Man hat verstanden, dass es ein Problem gibt, wenngleich diese Problemlösung mit einer entsprechenden Verzögerung jetzt natürlich nichts bringt. Aber es ist eine Erkenntnis: Es gibt ein Problem.

Nur: Das eine ist, das Problem zu erkennen, und das andere ist, richtig zu handeln. (Bundesrat Stadler: Man kann auch erkennen und handeln!) Dieses Konjunkturpaket wird den Trend nicht umkehren, es wird den Trend nicht brechen. (Bundesrat Stadler: Was macht denn die Bundesregierung?)

Ja, Herr Kollege Stadler, reden wir doch offen darüber: Das Paket ist eine Beruhi­gungs­pille, damit Sie sich ins Fernsehen stellen können und vorgaukeln können, dass etwas getan wird. In Wirklichkeit sind die Gelder doppelt und dreifach gewidmet. (Bundesrat Stadler: Ich stehe gar nicht, ich sitze! Sie stehen!)

Es gibt in Österreich Probleme, die jedermann kennt und niemand außer der FPÖ anspricht. Ich nenne Ihnen jetzt nur zwei große davon:

Österreich ist ein Hochsteuerland, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Die Bürger leiden unter der Besteuerung des Verdienstes, und die Wirtschaft – und das ist unser eigentliches Problem – leidet unter der Besteuerung der Wirtschaft. Solange da keine einschneidenden Maßnahmen gesetzt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist unsere Wirtschaft nicht konkurrenzfähig und unsere Leute haben kein Geld im Börsel, das sie ausgeben können. Das ist die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht legen wir auch die notwendige Ehrlichkeit an den Tag und diskutieren objek­tiv darüber, dass viele im Hohen Haus darauf hereingefallen sind, dass man den Wirt­schaftsbetrieben in Österreich in der Goldgräberstimmung in der EU-Osterweiterungs­zeit einfach ein Goldvorkommen versprochen und eingeredet hat, das es tatsächlich nicht gegeben hat. – Überlegen wir einmal ganz kurz, wie viele Firmen eigentlich im Zuge der Osterweiterung mit ihren Ostgeschäften gescheitert sind.

Da möchte ich den maroden Bankensektor gar nicht dazurechnen, mit dem wir heute noch Probleme haben, wo die Rückzahlungen nicht in dem Ausmaß kommen, wie sie


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vorgesehen sind. Raiffeisen et cetera, et cetera, die Liste könnte man endlos fort­set­zen.

Dann geht es weiter über die Baufirmen und so weiter und so fort.

Warum schlägt man jetzt nicht einen anderen Weg ein und sagt: Okay, passt, wir haben uns vertan, Österreich war doch nicht das bessere Deutschland, vielleicht haben wir die Ostöffnung doch nicht so genutzt, wie wir uns das vorgestellt haben. Vielleicht waren die Deutschen doch ein bisschen gescheiter, weil sie eben nicht so blind inves­tiert haben, wie das in Österreich passiert ist. – Das wäre doch einmal die Möglichkeit, dass man darüber nachdenkt und sich hier auch ehrlich damit auseinandersetzt. (Bundesrat Konrad: Und warum hat Deutschland dann so viele Arbeitslose? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube immer, wenn so viel Unruhe im Saal ist, dass ich doch einen Nerv getroffen habe, und ich werde noch einen Nerv treffen. (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Nicht einmal ansatzweise!)

Wir könnten zum Beispiel auch über die Gruppenbesteuerung im Finanzsektor sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Gruppenbesteuerung im Finanzsektor hat genau dazu geführt, dass jene Banken, die hollodero in den Osten abgewandert sind und dort Kredite mit der Gießkanne verteilt haben, in Wirklichkeit bei uns weniger Steuern zahlen und den Verlust, den sie im Osten gemacht haben, bei uns abschreiben. (Bundesrat Konrad: Wer hat das denn eingeführt?)

Auch da wäre es an der Zeit, eine Initiative dahin gehend zu setzen, diese Grup­penbesteuerung im Finanzsektor zu überdenken. Da lade ich Sie einfach nur zur Diskussion ein. Ich glaube, wenn wir uns zu dieser Diskussion hinreißen lassen und uns damit auseinandersetzen, könnte das auch insgesamt für die Republik ein gutes Ergebnis in sich tragen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinkogler.) – Sehr einfach, Herr Kollege: Rückfluss von Kapital. Aber ich habe mir gedacht, ich habe es so erklärt, dass es auch verständlich war. (Bundesrat Steinkogler:  fällt uns schwer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bekennen wir uns ein: Die Ost-Blase ist geplatzt. Suchen wir uns andere Möglichkeiten! Das haben die Menschen verstanden. Das haben mittlerweile die Betriebe verstanden – manche erst, als sie in Konkurs gegangen sind. Ich glaube, wir müssen einen Paradigmenwechsel herbeiführen.

Klartext sollte aber auch in einem anderen Bereich gesprochen werden. Es geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, um die Arbeitsmarktöffnung. Wir haben vorher die Zahlen gehört. 330 000 Menschen, Herr Bundesminister, sind arbeitslos beziehungsweise in Schulungen. Und es gibt – ich habe diese Diskussion auch schon im Niederösterreichischen Landtag geführt – natürlich keinen Konnex damit, dass man die Ostgrenzen für die Arbeiter geöffnet hat, dass dadurch viele neue Arbeitskräfte ins Land gekommen sind, dass die Übergangsfristen ausgelaufen sind. Diesen Konnex gibt es nicht.

Da haben sowohl die Kameraden von der SPÖ als auch von der ÖVP immer wieder aufgeheult. (Bundesrat Todt: Da waren wir aber nicht alle dabei! – Bundesrat Stadler:  im eigenen Teich schwimmen!) Ich darf auch darauf verweisen, (Zwischenruf des Bundesrates Stadler.) – Ich verbessere mich: die Kollegen.

Ich darf aber trotzdem darauf verweisen, dass es sehr wohl eine Wirtschaftsbund­veranstaltung im Krems gegeben hat, bei der die Wirtschaftssprecherin der ÖVP vor versammelter Mannschaft gesprochen hat. Dort waren konkret Betriebe aus dem Bau- und Baunebengewerbe versammelt, Herr Minister, und deren Vertreter haben sehr wohl gesagt: Wir spüren die Ostöffnung. Wir spüren diese Leute, die mit dem eigenen


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Pick-up hereinkommen, die ihr Malerzeug mitnehmen und in Wien herinnen um 200 € eine ganze Wohnung ausmalen.

Es ist einfach so, dass Betriebe, die hier ansässig sind und hier Steuern zahlen, keine Aufträge mehr bekommen. Reden wir doch bitte auch ehrlich über dieses Thema!

Wenn man also rasch Lösungen für all diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir jetzt haben, ansatzweise herbeiführen will, dann könnte man mit einer vernünftigen Steuerpolitik ansetzen. Man muss aber auch überdenken, wie man in Zukunft mit den Leuten, die aus dem Osten zu uns hereinströmen, umgeht. Wenn man sich das über­legt, dann könnte man hier eine relativ schnelle Abhilfe schaffen, anstatt ein Kon­junk­turpaket auf die Reise zu schicken, das, wie gesagt, fünf Mascherln hat und das – wenn wir uns die Ausschreibungsfristen vor Augen halten – frühestens in einem Jahr wirksam wird. Das hilft uns jetzt nicht.

Eine Bitte zum Abschluss hätte ich noch, Herr Minister: Wenn dieses Konjunkturpaket jetzt wirklich in dieser Form auf den Weg geht – das wird ja nicht zu verhindern sein –, dann bitte ich darum, dass man im Zuge dieses Konjunkturpakets doch eine Möglich­keit einbringt, dass zumindest die Situation jener Betriebe, die jetzt als Zulieferer der Firma Alpine zum Handkuss kommen, entsprechend abgefedert wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.23


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


18.23.32

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präs­identin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Pisec, ich war schon oft deine Nachrednerin, aber heute habe ich mir wirklich Sorgen darüber gemacht, ob etwas im Essen war, so widersprüchlich waren deine Ausführungen. Auf diese Ausführungen möchte ich auch überhaupt nicht eingehen, aber eines finde ich schon eine Frechheit, nämlich dass man versucht, einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Managementfehler eines Unternehmens und einem vermeintlichen Versagen der Wirtschaftspolitik Österreichs herzustellen. (Bundesrat Hafenecker: Wo habe ich das gemacht? – Bundesrat Mag. Pisec: Und die Zulieferer?)

Ja, es ist in der Tat traurig, dass Zulieferbetriebe leiden. Mir tut jeder einzelne wirklich leid. Der Herr Minister hat aber schon ein Konjunkturpaket angesprochen, wobei ich für jeden Punkt mindestens 100 Betriebe finde, die da mitarbeiten können. Das geht nicht nur an die Großen, davon kann jeder kleine Betriebe ebenso profitieren.

Ihr habt da ja ganz genau erhoben, dass das offensichtlich alles ÖVP-nahe Zuliefer­betriebe sind. Da möchte ich dich aber beruhigen, denn wir werden uns das vor Ort ganz genau anschauen. Der Wirtschaftsbund ist ja schließlich die einzige wirtschafts­politische Interessenvertretung, die auf Ortsebene organisiert ist und die 365 Tage im Jahr für die Betriebe da ist. Wir werden den Betrieben im Rahmen unserer Möglich­keiten zur Seite stehen und sie auch unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nächster Redner: Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


18.25.15

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich heute noch einmal zu Wort melden. Es freut mich, dass auch ein Betriebsrat das Wort ergreifen darf, vor allem wenn man dem Kollegen Haneder, dem


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Betriebsrat der Alpine aus Niederösterreich, alle möglichen Dinge unterstellt. Wenn Sie nicht genau wissen, welche Möglichkeiten Betriebsräte in Aufsichtsräten haben, dann lesen Sie bitte nach. Man kann zwar als Betriebsrat auf Managementfehler hinweisen, aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Leider nur ein Drittel der Aufsichtsräte sind Betriebsräte, und dieser Hinweis funktioniert nicht immer.

Wenn man sich alleine die genauen Zahlen anschaut, dann geht es da um 4 905 Ar­beit­nehmer, und bevor Sie da Polemik betreiben, hören Sie mir bitte zu und rufen Sie nicht dazwischen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Hören Sie sich meine Ausführungen bitte bis zum Schluss an.

Es wurde darauf hingewiesen – und das waren nachweislich sehr, sehr wenige Menschen –, dass das Unternehmen, die Alpine in den letzten Jahren mit dem Osteuropageschäft 1 Milliarde € Umsatzsteigerung im Ausland erzielt hat und dass das von einer Mörderexpansion zeugt. Man muss aber auch darauf hinweisen, dass dort viele Baustellen mit einer hohen Qualität fertiggestellt wurden, dass dort viel Know-how aufgewendet wurde, dass aber viele Dinge uneinbringbar waren. Das ist ein Versäumnis des Unternehmens, des Managements.

Es gibt dort sehr, sehr viel Zulieferbetriebe, die natürlich auch in den Strudel mit hinein­gezogen werden. Aber eines möchte ich Ihnen schon sagen: Wenn wir uns den Geschäftsführer Herrn Schiefer anschauen, so ist dieser ja kein Unbekannter, den kennen Sie ja nur zu gut. Herr Schiefer ist ja sehr gut zuordenbar, und das gehört natürlich auch dazu. Er war bei den ÖBB, und ich glaube nicht, dass das, was er bis jetzt gemacht hat, sehr rühmlich war.

Wenn wir davon ausgehen, dass insgesamt 4 905 ArbeitnehmerInnen betroffen sind – allein in Niederösterreich sind über 800 ArbeitnehmerInnen betroffen –, dann zeugt es schon auch von Verantwortung, wenn das Arbeitsmarktservice gemeinsam mit der Landes­regierung in Niederösterreich heute in einer Blitzaktion nicht nur erste Maß­nahmen beschlossen hat, sondern auch den Zulieferern bereits Garantien abgegeben hat. Wir als Belegschaftsvertreter, als Betriebsrätinnen und Betriebsräte quer durch Österreich, erwarten uns, dass die Politik dort die Verantwortung übernimmt und nicht wegschaut, sondern dass sie zugreift und hilft. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt auch in Ihren Reihen sehr viele, die teilweise mit großen Problemen in Unter­nehmungen gekämpft haben. Die tun das meistens sehr, sehr einfach damit ab, dass das vielleicht Betriebsunfälle waren oder dass das eben einfach passiert ist. Es kann nicht sein, dass man sich einfach hinstellt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Regen stehen lässt, den Leuten diese Unterstützung verweigert und zusätzlich dann auch noch Möglichkeiten, die die Politik in die Hand nimmt, indem sie zusätzliche Pakete schafft, kritisiert.

Wenn Sie am Vormittag gut aufgepasst haben, so hat Frau Bundesministerin Bures schon ausgeführt, woher das Geld für die Wohnraumbeschaffung, für die zusätzlichen Wohnungen kommt. Dieses Geld kommt nicht aus dem laufenden Budget, sondern da handelt es sich um Einnahmen aus den Mobilfunklizenzen, und, und, und. (Bundesrätin Mühlwerth: Das geht sich hoffentlich alles aus!)

Es wäre vernünftig, wenn Sie zuhörten und nicht das Ganze in der Vorsommerphase für Ihren Wahlkampf nutzten. Ich habe da so ein bisschen den Eindruck, dass Sie hier Wahlkampf betreiben, und dass der bei der FPÖ ein bisschen so abläuft, als würden Sie zwar versuchen, die Touristen in wunderschönen Hotels unterzubringen, sich aber in Wirklichkeit damit begnügen, Ihnen den Reiseprospekt vorzulegen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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Wir sind es gewohnt – und auch dieses Konjunkturpaket ist ein erster Schritt in die richtige Richtung –, dass man der Bauwirtschaft und natürlich auch den Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern dort eine Zukunftsperspektive gibt, indem man genau richtig investiert, indem man die notwendigen Maßnahmen zeitnah ergreift. So gibt man den Unternehmungen und vor allem auch den Beschäftigten eine Zukunft. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bedanke mich bei den Herren Ministern für ihr Kommen.

18.29.42Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich nehme nun die Verhandlung zur Tages­ordnung wieder auf.

Wir setzen die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 13 – Dreijahrespro­gramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2013–2015 – fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


18.30.03

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Ich darf die unterbrochene Debatte fortsetzen mit einem doch etwas anderen Thema, aber vielleicht ist es gar nicht so weit weg von dem, was wir gerade besprochen haben, nämlich mit dem Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik betref­fend die Jahre 2013 bis 2015.

Geschätzte Damen und Herren, die Rahmenbedingungen ändern sich laufend, weil wir in einer sich verändernden Welt leben. Die Zentren des Wirtschaftswachstums haben sich verlagert vom europäischen Raum hin in Richtung Osten, in Richtung Südosten, und im Zuge dessen ist es in den letzten Jahren dazu gekommen, dass Schwellen­länder zu neuen Wirtschaftsmächten herangewachsen sind und damit dort auch eine bessere Versorgung der Bevölkerung stattfindet.

Was heißt das für die österreichische Entwicklungspolitik? – Dass hier nachgeschärft werden muss in der Entwicklungszusammenarbeit. Es wird dabei nach dem Prinzip Partner und Prinzipien gearbeitet. Kollege Hafenecker hat in seiner Rede schon darauf hingewiesen, dass wir nicht die ganze Welt entwickeln können, weil wir ein kleines Land sind, sondern gezielt, platziert Entwicklungspolitik betreiben wollen. Wir suchen uns also Partnerländer, die auf die Stärken Österreichs, auf unsere Möglichkeiten abgestimmt und damit auch überschaubar sind.

Worum geht es uns? – Es geht uns um Armutsbekämpfung, um eine gute Regierungs­führung und letztlich auch, weil das unseren Zielen entspricht, um die Erhaltung einer gesunden Umwelt. Der Fokus liegt auf Wasserenergie, Klimaschutz, auf Land- und Forstwirtschaft, auf der Wirtschaft und ihrer Entwicklung, auf der Sicherheit der Men­schen in dem Land, auf den Menschenrechten und vor allem, was wir in unseren Breiten als selbstverständlich ansehen, auf einer entsprechenden Rechtssicherheit.

Geschätzte Damen und Herren! In Entwicklungsländern kommt sicherlich der Landwirt­schaft besondere Bedeutung zu, weil ein jeder Mensch das Recht auf Nahrung hat, weil er diese braucht, und weil es notwendig ist, dass die Landwirtschaft auch in den Entwicklungsländern selbstbestimmt ihre Produktion entfalten kann, weil das für die


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Existenzsicherung der Menschen notwendig ist, aber auch deren Produktivität gestei­gert werden muss, damit in der Folge deren Produkte auch den Markt erreichen. Dazu ist notwendig, dass das Eigentum gesichert ist, dass Besitz- und Nutzungsrechte abgesichert sind und dass vor allem die Frauen, die in der Landwirtschaft tätig sind, gestärkt werden. Was uns in Österreich wichtig ist, wollen wir auch in diese Länder transferieren, nämlich eine soziale, ökologische, nachhaltige Landwirtschaft.

Wenn wir wollen, dass sich Entwicklungsländer selbständig ernähren können, wird das nur gehen, wenn die Nahrungsmittelpreise dort zumindest die Produktionskosten ab­decken oder etwas darüber liegen, weil letztlich nur kostendeckende Preise die Pro­duktion in den Entwicklungsländern entsprechend ankurbeln.

Was wollen wir? – Im gegenseitigen Austausch Erfahrung anbieten und nicht einen Weg vorgeben, Hilfe zur Selbsthilfe leisten, Einverständnis mit den Einwohnern dieser Region herstellen, und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das hat auch meine eigene Gemeinde verändert. Wir haben seit vier Jahren zwei Pater aus Nigeria, die im Rahmen des Dominikanerordens tätig sind und die aus einer anderen Welt kommen und uns damit einen besseren Zugang zur Dritten Welt, in diesem Fall zu Nigeria, verschafft haben. Es besteht auch eine Partnerschaft der Gemeinde Lanzenkirchen mit dem Orden dort, in deren Rahmen versucht wird, ein agrarisches Projekt, ein Schul­projekt zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Es ist auch für uns in Österreich interessant, was wir von diesen Menschen lernen können an Gelassenheit, an Sicher­heit, die wir ja hierzulande glauben, an jedem Eck suchen zu müssen. So kann es gehen, dass wir uns auch gegenseitig weiterentwickeln.

Neben der staatlichen Entwicklungspolitik gibt es auch viele private Initiativen und immer eine gute Zusammenarbeit, weil es eben persönliche Bekanntschaften gibt. Daher darf ich allen kleinen und großen privaten Initiativen im Bereich der Entwick­lungshilfe recht herzlich danken. Öffentliche und private Entwicklungshilfe sind auf einem guten Weg. Wir nehmen dieses Programm entsprechend zur Kenntnis. - Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.

 


18.35.24

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Minister! Werte Kolleginnen und werte Kollegen! Internationale Krisen, Kata­strophen, Hunger, Konflikte, das sind Herausforderungen, denen nur in internationaler Zusammenarbeit begegnet werden kann. Daher ist es wichtig, dass auch Österreich Solidarität übt und Verantwortung für die Entwicklungspolitik übernimmt und dazu seinen Beitrag leistet.

Wenn man sich zu globaler Verantwortung bekennt und sich den immer mehr wer­denden Herausforderungen stellt, muss auch der finanzielle Rahmen entsprechend eingestellt werden, um mit den verfügbaren Mitteln eine nachhaltige, effektive Arbeit zu ermöglichen. Bei solch einem Thema, das soziale Aspekte, also für den anderen im positiven Sinn etwas zu verändern, in den Vordergrund stellt, ist Geld zentral, und es liegt in der Natur der Sache, dass man lieber einen größeren finanziellen Spielraum hätte. Gibt es den nicht, bleibt die Entwicklungshilfezusammenarbeit immer ein Be­kennt­nis auf einem Blatt Papier und die Leidtragenden sind die betroffenen Menschen in den jeweiligen Armutsgebieten. Wer heute in der Entwicklungszusam­menarbeit spart, verursacht die Armut von morgen.


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Bekämpfung der Armut, Sicherheit für die Menschen, Umwelt, der Aufbau von Wohl­stand, Nahrung, medizinische Versorgung, Freiheit und Frieden sollten die wichtigsten Ziele der österreichischen Entwicklungspolitik sein. Österreich bekennt sich wieder dazu, seinen Beitrag zur Entwicklungspolitik zu leisten. Es sind in Zukunft jedoch noch große Hürden zu bewältigen.

Ein Thema, das uns in Zukunft immer mehr beschäftigen wird, ist das Bevölkerungs­wachstum. Die Themen Energie, Nahrung, Wasser werden dadurch weltweit an Be­deutung gewinnen. Natürliche Ressourcen sind immer mehr gefährdet, und ihre Ver­teilung wird immer mehr in den Vordergrund rücken. Weltweit ist heute schon über eine Milliarde Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser, ebenso über eine Milliarde Men­schen ohne Zugang zu elektrischer Energie. In den ärmsten Ländern der Welt sterben jährlich 10 Millionen Kinder an Krankheiten, die vermeidbar gewesen wären. Ebenso muss vermehrt in Bildung investiert werden. Bildung spielt meiner Meinung nach eine wichtige Rolle in der Armutsbekämpfung. Ohne Bildung ist menschliche Entwicklung nicht möglich.

Die Entwicklungspolitik ist auch ein wichtiger Beitrag zur Friedenssicherung. Trotz allem sterben jährlich immer noch bis zu einer Million Menschen durch Kriege. Mehr als 90 Prozent der fast 200 Kriege seit 1945 wurden in Entwicklungsländern aus­getragen.

Entwicklungspolitik heißt, Einfluss auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu nehmen und stellt eine internationale Verpflichtung dar. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dönmez zu Wort. – Bitte.

 


18.38.16

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Entwicklungs­zusam­menarbeit hat in der österreichischen Politik meines Erachtens wirklich nur einen sehr geringen Stellenwert. Wir erkennen das auch an den stetig sinkenden Mitteln, die wir hiefür zur Verfügung stellen. Es waren im Jahre 2012 noch 71 Millionen €, die die ADA erhalten hat, und 2014 sind es nur mehr 61 Millionen €. Die Talfahrt geht also weiter. Eine Prognose für 2015 gibt es bis dato noch nicht, und auch die Beiträge für die Vereinten Nationen sind im Sinken begriffen.

Das ist meines Erachtens in Anbetracht der Probleme, auch aufgrund der Globali­sierung, aber insbesondere des Klimawandels eine doch bedenkliche Entwicklung, weil viele Menschen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen ihre Existenzgrundlage verlieren.

Wir diskutieren Armut und Unterstützung immer im Kontext der Entwicklungszusam­menarbeit, wenn es um Hilfe und Unterstützung in anderen Ländern geht, aber was ganz, ganz wesentlich ist und was die meisten leider Gottes in diesem Kontext nicht beachten, ist: Wie kommt es überhaupt so weit, dass diese Länder unterstützt werden müssen?

Wie schaut es aus mit der Schuldenpolitik? – Damit bin ich zum Beispiel gleich beim Thema Finanzen. Wie schaut es mit unserer Exportförderung aus? – Wir vernichten mit unserer Art und Weise zu produzieren, Landwirtschaft zu betreiben und auch zu exportieren viele, viele Arbeitsplätze in diesen Ländern. Das ist ein Faktum. Das heißt, wir müssen uns die EU-Freihandelsabkommen auch im Hinblick darauf viel genauer anschauen. Wir müssen uns auch die bilateralen Abkommen zwischen Österreich und


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anderen Ländern viel genauer anschauen. Wir müssen uns die Investitionsabkommen, die wir abschließen, viel genauer anschauen.

Wo wir den Fokus ganz genau hinlegen müssen, ist insbesondere der Bereich der Landwirtschaftspolitik. Da machen wir sehr vieles mit unserer hochsubventionierten Exportpolitik zunichte. Gleichzeitig birgt das aber auch die Chance, dass man aufgrund der sich verändernden klimatischen Rahmenbedingungen die Aktivitäten dahingehend lenkt, dass zum Beispiel resistentere Getreide-Arten, Soja-Arten und so weiter zum Anbau kommen, was wieder bedeuten würde, dass man auch gentechnisch veränderte Samen in Umlauf bringen muss. Es ist nun einmal Faktum, dass es aufgrund der klimatischen Veränderungen zu Dürreperioden kommt, der Regen nachlässt, dass auch die Meere überfischt werden und viele, viele Menschen aufgrund dieser Rahmen­bedingungen ihre Existenzgrundlage verlieren, auch zum Auswandern, zum Migrieren gezwungen werden. Sie versuchen dann über die legale Form der Migration, was eher vernachlässigungswürdig ist, aber in den meisten Fällen über die Asylschiene, ihr Land zu verlassen, und nehmen dabei sehr große Risiken auf sich. Das ist der eine Punkt.

Ganz kurz möchte ich noch etwas zu dem anmerken, was Kollege Christian Hafen­ecker von der FPÖ gesagt hat. Es ist schon richtig, dass wir unseren eigenen Leuten helfen müssen, aber ich halte es für einen fatalen Denkfehler, dass man das eine gegen das andere aufrechnet. Es ist das eine wichtig, aber auch das andere. Und eine Politik, die vorausschaut, würde die Faktoren dahingehend lenken, dass es erst gar nicht zu diesen Umständen kommt.

Wir wissen zum Beispiel, dass wir in Österreich Flächen, die in der roten Zone liegen, einmal umgewidmet haben. Dort stehen jetzt Häuser, und wir müssen das um viel Geld sanieren. Und wir wissen, dass aufgrund der sich ändernden Klimabedingungen Katastrophen wie Muren oder Hochwasser nicht mehr in Hundertjahres-Abständen kommen, sondern in viel kürzeren Abständen. Das heißt, wir müssen uns schon Gedanken machen, wie wir dem auch präventiv entgegentreten können.

Ich finde auch nicht, dass wir ein Gießkannenprinzip in der Entwicklungszusam­men­arbeit haben. Wir haben Schwerpunktländer. Und da muss man dann halt genau schauen, wie diese Mittel eingesetzt werden. Es ist schon sehr viel geholfen, wenn in einem Dorf ein Brunnen gegraben wird und die Frauen und Kinder nicht mehr kilometerlange Fußmärsche auf sich nehmen müssen, sondern das Wasser direkt im eigenen Dorf abzapfen können. Und da gäbe es noch viele, viele andere Beispiele.

Zum Schluss möchte ich den vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die in diesem Bereich tätig sind und wirklich sehr vieles unter widrigen Bedingungen leisten, einen herzlichen Dank aussprechen und diesen Dank nicht nur im Namen der Grünen, sondern, wie ich glaube, aller hier vertretenen Fraktionen und auch Nicht-Fraktionen aussprechen, denn das kann man gar nicht mit Geld aufwiegen, was diese Menschen da leisten. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

18.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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18.44.1014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (2227/A, 2031/A, 2032/A, 337/A und 2380 d.B. sowie 9010/BR d.B. und 9024/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


18.44.23

Berichterstatter Josef Saller: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfas­sung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 25. Juni den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer ganz herzlich bei uns hier im Bun­desrat. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


18.45.07

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes ist immer ein besonderer Akt der Gesetz­gebung, der nicht umsonst mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit erhöhte parla­men­tarische Beschlusserfordernisse voraussetzt. Ich freue mich umso mehr, dass die heute vorliegende Neuregelung im Verfassungsrang vom Nationalrat nach ausführ­lichen Verhandlungen und verschiedenen Abänderungsanträgen einstimmig beschlos­sen wurde und damit von einem allgemeinen politischen Konsens getragen wird. Das Gesetz ergänzt die Reihe der Verfassungsreformen dieser Legislaturperiode durch die Einführung der sogenannten Gesetzesbeschwerde.

Bereits die Einführung der Landesverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungs­gerichtshofes verfolgte die Zielsetzung, den Rechtsschutz für die Bürger und Bürgerin­nen auszubauen.

Darüber hinaus soll aber auch die Rechtsbereinigungsfunktion des Verfassungs­gerichts­hofes in der Form gestärkt werden, dass dessen Anrufung mittels dieser Gesetzesbeschwerde bereits aus Anlass einer Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil ermöglicht wird. Auch bei vermeintlich gesetzeswidrigen Verordnungen soll eine Gesetzesbeschwerde zulässig sein.

Der Verfassungsgerichtshof kann bei unzureichender Erfolgsaussicht die Behandlung einer Gesetzesbeschwerde ablehnen. Genauere Verfahrensbestimmungen, wie ver­schie­dene Fristen, Ausnahmen hinsichtlich bestimmter Rechtsmaterien, zum Beispiel im Exekutions- und im Insolvenzrecht, müssen durch den Nationalrat noch einfach­gesetzlich geregelt werden, und zwar so rechtzeitig, dass die Gesetzesbeschwerde mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten kann.


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Damit wird ab diesem Zeitpunkt in einem ordentlichen Rechtsmittelverfahren eine Gesetzesbeschwerde gegen eine Norm möglich, auf der eine Entscheidung in erster Instanz in Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten aufbaut. Damit wird ein weiteres Instru­ment für mehr Rechtssicherheit geschaffen.

Meine Partei wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


18.48.40

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon gesagt worden: Der gegenständliche Beschluss des Bundes-Verfassungsgesetzes sieht die Einführung eines Parteienantrages auf Normkontrolle vor. Dadurch soll die Rechtsbereinigungsfunktion des Verfassungsgerichtshofes gestärkt werden.

Bei dieser Gesetzesbeschwerde geht es, ganz einfach gesagt, für die Menschen in unserem Land darum, dass niemand mehr aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes verurteilt oder im Zivilprozess beurteilt werden kann. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass niemand wegen eines verfassungswidrigen Gesetzes verurteilt oder im Zivilprozess beurteilt werden kann, aber wie es halt in Österreich so schön heißt: Gut Ding braucht Weile! Und es ist jetzt – Gott sei Dank! – im Jahre 2013 gelungen, diese so wichtige Bundes-Verfassungs-Bestimmung einzubringen.

Mit dieser Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes setzen wir wirklich einen Meilenstein in der Rechtsstaatlichkeit. Unser Rechtsstaatlichkeitssystem ist damit auf einem so hohen Standard, dass uns viele Länder der Welt eigentlich darum beneiden. Diese Rechtssicherheit ist nicht nur für unsere Bürger besonders wichtig und entscheidend, sondern auch für all jene Investoren, die nach Österreich kommen und bei uns investieren, und die können sich dann auf einen Rechtsstaat mit hohem Standard verlassen. In vielen anderen Ländern können sie einen solchen nicht vorfin­den.

Ich bin überzeugt davon, dass diese Gesetzänderung eine Erhöhung des Rechts­schutzes in unserem Land darstellt, und sie verdient daher auch unsere uneinge­schränkte Zustimmung. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.50


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.50.5515. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats-Wahlordnung 1992,


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das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungs­gesetz 1989, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz und das Wählerevidenz­ge­setz 1973 geändert werden (2381 d.B. sowie 9011/BR d.B. und 9025/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


18.51.16

Berichterstatter Josef Saller: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungs­gesetz, das Volksbefragungsgesetz, das Europäische-Bürgerinitiativen-Gesetz und das Wählerevidenzgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 25. Juni den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


18.52.15

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Berichterstatter hat eine ganze Menge an Wahlordnungen vorgelesen. Wahlordnungen sind einfach eine ganz wesentliche Voraussetzung zur Durchführung von Wahlen.

Ich bin sehr froh, in einem Land zu leben, in dem Wahlordnungen für alle Wahlen eine Selbstverständlichkeit sind. Ich denke bei Wahlen auch an jene Menschen, die sich freiwillig zur Verfügung stellen und am Wahltag als Beisitzer oder als Wahlzeugen tätig sind. Ich möchte bei dieser Gelegenheit all jenen aus allen Parteien, die das tun, meinen Dank aussprechen. Ich glaube, dass ihnen dieser Dank gebührt, denn sie sorgen dafür, dass Wahlen bei uns ordnungsgemäß durchgeführt werden. Das betrifft alle Wahlen – egal, ob das Nationalratswahlen sind, Gemeinderatswahlen, Wahlen der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, Hochschülerschaftswahlen. Alle diese Wahlen werden von Freiwilligen gestaltet.

Mit Wahlordnungen schaffen wir die Voraussetzungen, Wahlen ordnungsgemäß durch­führen zu können. Im Wesentlichen werden mit dieser Gesetzänderung bessere Voraus­setzungen für eine erleichterte Stimmabgabe für sehbehinderte Menschen im Rahmen des Vorzugsstimmenmodells geschaffen. Es gibt nun die Möglichkeit des Eintrags von Reihungsnummern bei der Wahl für Menschen mit Sehbeeinträchtigun­gen. Wesentlich ist auch, dass die elektronischen Abstimmungsverzeichnisse einer neuen Rechtsgrundlage unterliegen.

Alles in allem gesehen haben wir in Österreich ein breit aufgestelltes Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen. Im Vorjahr hat die EU-Grundrechtskommission festgestellt, dass wir ein sehr inklusives Wahlrecht für Menschen mit Behinderungen haben. Grundsätzlich ist noch anzumerken, dass das Bundesministerium für Inneres


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verpflichtet ist, entsprechende Information darüber an die Menschen weiterzugeben, wie die Vorgangsweise auszusehen hat. Ich gehe davon aus, dass das auch so geschehen wird.

Diese Wahlordnung ist ein Meilenstein für kommende Wahlen, und ich bin froh, dass wir das heute so beschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Nächster Redner: Herr Bundesrat Ing. Ebner. – Bitte.

 


18.55.48

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Mit dieser Novelle und dem damit verbundenen Wegfall des administrativen Instanzenzuges werden Wahlrechtskodifikationen angepasst. Dabei geht es um Zu­ständigkeiten und Fristen, und es geht um Vereinfachungen und Handhabungen für Behörden, für wahlwerbende Gruppen und schlussendlich für Bürgerinnen und Bürger, die zur Wahl gehen.

Klar ist: Eine moderne Demokratie hat Anforderungen, denen wir kontinuierlich Rech­nung tragen müssen – ob das Wählen mit 16 ist, ob das Wählen mittels Briefwahl ist, ob das einerseits mehr Gewicht für direkte demokratische Verfahren ist oder ob es auf der anderen Seite die Anpassung der Vergabe von Vorzugsstimmen ist, die wir heute beschließen.

Klar ist auch: Bund und Länder modernisieren sich, sie passen das Wahlrecht an und adaptieren dementsprechend. Es gibt aber einige Bereiche, wo das leider noch nicht in diesem Ausmaß der Fall ist, wo Wahlrechte noch um Jahrzehnte zurückhinken. Ich erinnere zum Beispiel nur an die ORF-Publikumsrats-Wahlen mittels Fax. Ich erinnere nur an die Patientenombudsmann-Wahl in Wien mit SMS, die vor Kurzem erst war. All das sind Zeichen. Der eine oder andere wird jetzt vielleicht überrascht sein, weil ich noch eine Wahl nenne, nämlich die Arbeiterkammerwahl. Auch da ist das Wahlrecht eines, das nicht wirklich modernisiert wurde, das vielleicht nicht wirklich angepasst wurde.

Ich möchte kurz auf die Unterschiede zwischen dem Wahlrecht zur Nationalratswahl und dem Wahlrecht zur Arbeiterkammerwahl eingehen: Während auf der einen Seite Bund und Länder am Puls der Zeit sind und Sebastian Kurz zum Beispiel bereits daran arbeitet, das nächste Wahlrecht und die nächsten Schritte zu adaptieren, ist das bei der Arbeiterkammerwahl bei weitem nicht umgesetzt.

Ich erinnere kurz an die Grundsätze unseres Wahlrechts: Da ist einmal die Allgemein­heit: Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, zu wählen, gemäß aktivem und passivem Wahlrecht gibt es das Wahlalter. Wählen kann man ab 16. Gleichheit: Jede Stimme zählt gleich viel. Unmittelbarkeit: Persönlichkeiten können direkt mittels Vor­zugs­stimme gewählt werden – und jetzt neu, was wir heute beschließen, mittels Nummerneinschreiben. Persönlichkeitswahlrecht: Das Wahlrecht ist nicht übertragbar. Frei und geheim: Das Wahlverhalten geht niemanden etwas an. Das Verhältniswahl­recht: Die politischen Vertretungen haben jeweilige Rechte, diese ergeben sich aus den dementsprechenden Stimmenanteilen.

So schaut es zurzeit auf Nationalratsebene aus. Das ist ein modernes Wahlrecht, keine Frage. Es wurde auch mehrmals adaptiert, das letzte Mal erst vor Kurzem, obwohl die Wahl, wie wir bereits wissen, am 29. September stattfinden wird. Das heißt, das war relativ kurz vor diesem Wahltag.


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Schauen wir uns aber an, wie das auf der anderen Seite beim Arbeiterkammer­wahlrecht ist! – Man muss bedenken, dass die Arbeiterkammerwahl die viertgrößte Wahl in Österreich ist, wenn man es bundesweit betrachtet. Zwar hat jedes Bundes­land für sich einen eigenen Wahltermin, aber in Summe betrachtet ist das die viert­größte Wahl nach der Bundespräsidenten-, der Europa- und der Nationalratswahl.

Schauen wir einmal den Wahlgrundsatz „Allgemeinheit“ an! – Bei der Allgemeinheit muss man feststellen, dass leider zirka 25 Prozent jener, die die Arbeiterkammer vertritt, schlussendlich nicht wahlberechtigt sind. Lehrlinge und Karenzierte sind vom allgemeinen Wahlrecht eigentlich ausgeschlossen. Sie müssen zuerst hineinreklamie­ren, damit sie schlussendlich ihre Stimme abgeben können. Das heißt, sie sind nicht von Haus aus dabei, sondern müssen sozusagen betteln, damit sie wählen gehen dürfen. (Bundesrat Todt: Aber bei der Wirtschaftskammer ist es genauso! Dort ist es sogar noch ungerechter!)

Ein Lehrling darf ab 16 Jahren sogar einen Bundespräsidenten wählen. Er darf sogar einen Bundeskanzler wählen, er darf einen Landeshauptmann wählen. Wen er aber nicht wählen darf, ist einen Arbeiterkammerpräsidenten. Da muss er sich hineinrekla­mieren – und das ist nicht richtig!

Schauen wir uns jetzt den Wahlgrundsatz „Gleichheit“ an! – Man muss ganz ehrlich sagen: Die Gleichheit ist gegeben. Jede Stimme zählt auch bei der Arbeiterkammer­wahl gleich viel. Das ist gut so. (Bundesrat Todt: Bei der Wirtschaftskammer ist das anders!)

Schauen wir uns den Wahlgrundsatz „Unmittelbarkeit“ – Stichwort: Vorzugsstimme – an! – Während bei Nationalratswahlen mittlerweile sogar mittels Nummer eine Vor­zugs­stimme vergeben werden kann, kann man bei der Arbeiterkammerwahl leider nur eine Liste wählen. Man kann keine persönliche Vorzugsstimme geben. Dabei wäre das gerade in der Arbeiterkammer so wichtig. (Präsident Mayer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir sagen immer, wir müssen zum Bürger, wir müssen zum Wähler hinkommen. Ge­rade in diesem Bereich wäre es wichtig, dass man Vorzugsstimmen vergeben kann. Gerade die Betriebsräte sind jene, die ganz nahe bei den Menschen sind. Gerade die Betriebsräte sind die, die nahe beim Bürger sind. Da müssen wir schauen, dass man eine Vorzugsstimme geben kann, denn die Menschen sollen denjenigen bei der Arbeiterkammerwahl wählen können, der sie dann schlussendlich auch vertreten soll. (Ruf bei der SPÖ: Betriebsräte? Betriebsräte oder Kammerräte?)

Nun zum Persönlichkeitswahlrecht und zum freien und geheimen Wahlrecht: Da möchte ich eines zum Thema „Briefwahl“ erwähnen, und zwar: Bei der Arbeiterkam­merwahl ist es leider nicht so, dass die Briefwahl anonym ist. Auf dem Wahlkuvert, das zurückgesendet wird, ist der Name des Wählers aufgedruckt. Das heißt, man kann keine Anonymität gewähren. Man sieht bereits am Kuvert, wer die Stimme abgibt. Das ist nicht gescheit. Unser Vorschlag ist, dass es da ein Überkuvert gibt. (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt ja gar nicht!)

Ein Letztes zum Verhältniswahlrecht: Bei der Arbeiterkammer bestimmt die Mehrheit darüber, was alle bekommen. Es ist nicht so wie zum Beispiel im Nationalrat oder im Landtag, wo auch den kleineren Fraktionen dementsprechende Rechte und Pflichten zukommen. (Bundesrat Todt: Also das Wahlrecht in Niederösterreich ist schon auch ein bisschen ungerecht!)

Wir in Niederösterreich haben diese und andere Probleme aufgezeigt, auch in der letzten Vollversammlung. Das wurde von der SPÖ klarerweise abgelehnt, weil sie kein modernes Wahlrecht wünschen, weil sie dort verhaftet bleiben wollen, wo sie sind.


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Es ist purer Hohn, wenn die SPÖ-Führung davon spricht, dass sie drei Millionen Stimmen vertritt, wenn ein Viertel davon nicht einmal wählen darf. Es ist purer Hohn, wenn die SPÖ-Führung in der Arbeiterkammer sagt, sie will mehr Verteilungsgerech­tigkeit, und das eigene Wahlrecht dermaßen ungerecht und ungleich verteilt ist.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass es gut und richtig ist, dass man das Nationalratswahlrecht ständig adaptiert. Es ist gut und richtig, dass man es moderni­siert und an die Gegebenheiten anpasst. Es wäre aber auch wichtig, dass man das bei der viertgrößten Wahl auf Bundesebene ebenfalls tut, dass man ebenfalls nachzieht, ebenfalls modernisiert, ebenfalls mehr Demokratie zulässt. Das täte nicht nur Öster­reich gut, sondern auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Daher bitte ich, dass das geändert wird! Die Zeit ist noch nicht abgelaufen, es ist noch Zeit. Der Nationalrat hat es bewiesen: Wir haben das heute erst für die Wahl am 29. September beschlossen.

In diesem Sinne bitte ich um die Änderungen – und danke fürs Zuhören. (Beifall bei der ÖVP.)

19.03


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Pfister. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.03.36

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Ich habe heute wirklich die große Herausforderung: Ich darf erst so kurz wie Bernhard da sein, und ich darf ihn zitieren, mit Bernhard gibt es diese Diskussionen.

Es gibt da ein paar Dinge, die nicht so sind, wie du sie von dir gibst. Die habe ich ihm auch schon erklärt. Erstens einmal: Das mit den Lehrlingen, die hineinreklamiert werden, das stimmt. Da gibt es aber auch die überbetrieblichen Ausbildungsstätten, die ein anderes Lehrverhältnis haben und dort nicht hineinkommen. – Das ist die erste Geschichte.

Die zweite Geschichte ist folgende: Ich sehe den Bundesrat da jetzt nicht als Haupt­zuständigkeitsgremium. Auch wenn es in der Bundesarbeiterkammer keine einheitliche Meinung zu diesem Thema gibt und diverse Bundesländer unterschiedliche Meinungen dazu haben, so glaube ich, dass die Arbeiterkammern in ihren verschie­denen Führun­gen – ob das in Tirol, in Vorarlberg, im Burgenland oder auch in der Steiermark ist – doch einheitliche Vorgehensweisen haben. Das muss in diesem Fall auch in der ÖAAB-Fraktion abgestimmt werden. Das ist auch nicht unbedingt das Thema hier.

Ich sage dir auch ganz bewusst, dass sich die Personalchefs in den Firmen die Betriebs­räte auch nicht aussuchen können. Genauso wenig stehen in der Arbeiterkam­mer Betriebsräte zur Wahl, das weißt du sehr genau. Bei der Arbeiterkammerwahl stehen die Kammerrätinnen und Kammerräte zur Wahl und nicht Betriebsräte und Betriebsrätinnen. Es stimmt schon, dass das eine oder andere Mal auch Betriebsräte Kammerfunktionäre sind, da gebe ich dir recht. Das weißt du auch. Dieses Thema ist aber auch in eurem Bereich noch lange nicht ausdiskutiert, und da gibt es auch keine einheitliche Meinung.

Ich würde mir wünschen, dass die Fraktionen der Bundesarbeiterkammer und die ÖAAB-Fraktion österreichweit eine einheitliche Meinung hätten. Ich sage das ganz bewusst. Die FSG hat dazu eine einheitliche Meinung, die wir auch vertreten. Ich ersuche dich auch in deiner Funktion als NÖAAB-Landesgeschäftsführer darauf ein­zuwirken, dass es auch da eine einheitliche Meinung gibt, anstatt das hier für eine billige Polemik zu missbrauchen, indem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dis-


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kreditiert werden, wenn es um Arbeitnehmervertreter geht. (Bundesrat Ing. Ebner: Was heißt da diskreditiert?)

Es gibt auch diverse andere Kammern, und ich stelle mich auch nicht hierher und diskutiere das Wahlverhältnis der Landarbeiterkammer oder sonst etwas. Das mache ich nicht. Wenn wir das machen, dann diskutieren wir das aus, aber wir nützen es nicht aus, indem wir einfach nur ein bisschen auf dem Parkett spielen und die eigenen Interessen, die klare parteipolitische Interessen und nicht Arbeitnehmerinteressen sind, in den Vordergrund stellen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Ebner.)

19.06


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.06.4716. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, das Verwal­tungs­­gerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsge­setz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshof­gesetz 1953, das Amtshaftungsgesetz und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wer­den (2294/A und 2382 d.B. sowie 9026/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir kommen nunmehr zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um den Bericht.

 


19.07.01

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz, das Verwal­tungsgerichtsverfahrensgesetz, das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Amtshaf­tungsgesetz und das Bundesministeriengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 25. Juni den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte, Herr Staatssekretär. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Soll ich jetzt die Seite wechseln?) – Bitte vom Red-


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nerpult aus zu sprechen, denn die Mikros auf den Regierungsbänken sind heute nicht funktionsfähig.

19.07.57

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Das habe ich bisher nur bei Hearings gemacht, hier von dieser Stelle aus zu reden. Ich danke herzlichst. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil es wohl die letzte Gelegenheit ist, hier im Bundesrat zum Thema Verwaltungsgerichtsbarkeit zu sprechen.

Ich war vor vier Wochen bei der Frühjahrstagung der Österreichischen Juristenkom­mission, wo drei Tage lang über genau diese Thematik geredet wurde. Dieses Thema wurde deshalb gewählt, weil es, wie es dort auch geheißen hat, eines der größten Rechtsstaatsprojekte in der Zweiten Republik ist, also ein Großprojekt. Der Herr Prä­sident des Verfassungsgerichtshofes hat diese Reform als Jahrhundertprojekt bezeich­net. Ich wollte einfach diese Gelegenheit nützen, Ihnen über den aktuellen Stand der Umsetzung zu berichten.

Wir haben hier die Gelegenheit gehabt, schon über viele Gesetzänderungen in diesem Zusammenhang zu reden. Das wirklich Schöne daran war aus meiner Sicht, dass die meisten Gesetzesbeschlüsse einstimmig gefasst wurden. Das ist auch insofern über­raschend, als mir am Beginn dieses Projektes, als ich mit dieser Thematik begonnen habe, viele gesagt haben, ich solle eher die Finger davon lassen, weil es ein Projekt ist, das 26 Jahre lang diskutiert wurde und immer gescheitert ist und es daher sozu­sagen viel Aufwand und wenig Erfolg bringen wird.

Es ist mir ähnlich gegangen; ich erwähne das auch, weil Gerhard Dörfler hier sitzt. Bei der Thematik zweisprachige Ortstafeln hat es damals warnende Stimmen gegeben, dass man ein Projekt dieser Art beginnt. Nachdem das Projekt „Ortstafellösung in Kärnten“ 55 Jahre lang gescheitert ist, sagten damals auch die eher Gutmeinenden, ich solle die Energien lieber in andere Projekte investieren. Wir haben beides gemacht, beides geschafft. Wir haben sowohl das Bundesverfassungsgesetz zur Neuschaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch das Verfahrensgesetz als auch das Organi­sationsgesetz hier einstimmig zustande gebracht, und dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken.

Ich möchte Sie informieren, dass wir parallel dazu ja viele Materiengesetze ändern mussten, und zwar knapp 300, die großteils ebenfalls schon beschlossen sind. Wir haben viele Vorarbeiten auch sozusagen auf der technischen Ebene machen müssen, nämlich was die Räumlichkeiten anlangt. Mit dem Bundesverwaltungsgericht erster Instanz wird ja das größte Gericht Österreichs geschaffen. Die Räumlichkeiten wurden angemietet, werden derzeit adaptiert und sollen im Oktober oder November bezogen werden, weil ja das gesamte Projekt mit 1. Jänner 2014 starten soll.

Wir haben im letzten Jahr schon, damit die entsprechenden Vorarbeiten geleistet werden können, die Stellen für die Präsidenten und Vizepräsidenten ausgeschrieben und nach Ausschreibung und Hearing auch in der Bundesregierung bestellt. Wir haben die Übernahmeverfahren für jene Richter und Richterinnen, die bisher in den soge­nannten Tribunalen tätig waren und einen Rechtsanspruch haben, übernommen zu werden, durchgeführt. Das ist mittlerweile abgeschlossen. Wir haben die weiteren Richter- und Richterinnenpositionen ausgeschrieben, die Assessment-Verfahren sind erledigt, die Hearings sind am Laufen. Geplant ist, dass in der Juli-Sitzung der Bundesregierung diese Bestellungen ebenfalls vorgenommen werden. Wir haben das zusätzliche juristische Personal, das notwendig ist, und wir haben auch die Stellen für das nicht-akademische Personal ausgeschrieben. Also wir sind dabei, die Personen dafür zu suchen. Das ist, wie gesagt, natürlich ein Riesenaufwand gewesen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 173

Wir haben uns, damit wir es tatsächlich bis zum 1. Jänner 2014 schaffen, einen Start­vorteil geschaffen, indem wir in der Bundesregierung beschlossen haben oder uns damals sozusagen committed haben, dass wir als Nukleus dieses neuen Bundes­verwal­tungsgerichtes den Asylgerichtshof nehmen. Viele Verfahren von diesen geschätzten 36 000 Verfahren pro Jahr, die dort laufen werden, sind ja auch Verfahren im Asylwesen, im Fremdenwesen und so weiter. Wir haben gesagt, nachdem das Mitte 2008 geschaffen wurde und gut funktioniert, wir wollen dort andocken und den Asylgerichtshof zu diesem Bundesverwaltungsgericht ausbauen.

Ich danke Ihnen nochmals ganz herzlich für die konstruktive Mitarbeit. Ohne Sie, ohne die Beschlussfassungen hier wäre es natürlich nicht möglich gewesen, dieses Gericht zu schaffen, und wäre es nicht möglich gewesen, die Materiengesetze entsprechend anzupassen. Aufgrund Ihrer Mithilfe ist es möglich gewesen, dass wir den Zeitplan einhalten. Und ich bin daher guter Dinge, dass dieses Gericht tatsächlich mit 1. Jänner 2014 startet.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nutzen, jenen Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern, die da ganz intensiv gewerkt haben, hier noch einmal zu danken. Das sind: im Kabinett des Bundeskanzlers Dr. Klingenbrunner, der hier anwesend ist, der extrem viele Nächte investiert hat, damit es so weit gekommen ist; natürlich Dr. Segalla im Büro des Vizekanzlers, der mit Alexander Klingenbrunner ganz intensiv zusammen­gearbeitet hat; der Verfassungsdienst, der natürlich die legistische Großarbeit zu leisten hatte, vertreten durch Herrn Dr. Hesse als Sektionschef dort; aber natürlich auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den parlamentarischen Klubs, die ja letzt­endlich dazu beigetragen haben, dass wir einstimmige Beschlüsse geschafft haben.

Wir hätten bei etlichen Materien eine Zweidrittelmehrheit gebraucht. Unser Ziel war es immer, dass dieses große Projekt möglichst breit getragen wird, und wir haben es geschafft, dass es einstimmig ist.

Mein Dank geht auch an die Verfassungssprecher, die sehr konstruktiv mitgearbeitet haben, und all jene Mitwirkenden, die ich jetzt nicht aufgezählt habe. Denen danke ich sozusagen pauschal. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.15


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.15.43 17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Um­weltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung (2316/A und 2383 d.B. sowie 9027/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Ebner. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.16.10


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 174

Berichterstatter Ing. Bernhard Ebner, MSc: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung.

Dieser Beschluss zielt darauf ab, den Tierschutz, die gesicherte Versorgung der Bevöl­kerung mit sauberem Wasser und hochqualitativen Lebensmitteln sowie das Prinzip der Nachhaltigkeit als übergeordnete Staatsziele zu verankern und die Bedeutung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung zu unterstreichen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


19.17.30

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bin gestern im Ausschuss gefragt worden, warum die Grünen hier nicht zustimmen und ob die Grünen dagegen wären, den Tierschutz, den Umwelt­schutz, die Nachhaltigkeit, die Wasser- und Lebensmittelsicherheit in die Verfassung aufzunehmen.

Ja, wir sind gegen diesen Beschluss, weil er viel zu unkonkret ist, viel zu wenig weit­reichend und zu wenig verpflichtend, weil dieser Gesetzesantrag überfallsartig von SPÖ, ÖVP und FPÖ in den Nationalrat eingebracht worden ist, mit einer Zweidrittel­mehrheit und ohne Begutachtung und ohne Verhandlung beschlossen worden ist, weil es in den letzten Jahren genau zu diesen Themen, die jetzt in dieser Gesetzesvorlage drinnen stehen, Anträge der Opposition gegeben hat – nicht nur von den Grünen, sondern auch von der FPÖ, auch vom BZÖ und von einer parlamentarischen Bürger­initiative. Diese Anträge sind alle in einen Unterausschuss vertagt worden. Dieser Unterausschuss hat nie inhaltlich getagt. Es hat eine konstituierende Sitzung gegeben und es hat vor eineinhalb Jahren eine Sitzung gegeben, nachdem sich SPÖ, ÖVP und FPÖ bereits geeinigt hatten.

Inhaltlich ist es ein reines Lippenbekenntnis. Es ist ein Lippenbekenntnis zur Nach­haltigkeit. Der umfassende Umweltschutz ist rein auf den Menschen bezogen. Es ist vor allem ein Bekenntnis – was gut ist und natürlich hineingehört – zur Reinhaltung von Luft, Wasser und Boden und zur Lärmvermeidung. Was allerdings komplett fehlt, ist die Natur selbst. Die Natur kommt nie vor: der Naturschutz, der Schutz von Ökosystemen, der Schutz der Artenvielfalt und was komplett fehlt, ist der Klimaschutz.

Zum Tierschutz, der ja hier sehr hervorgehoben wird und für den sich die Grünen auch schon seit Jahren einsetzen: Da gibt es gar keine Konkretisierung. Es steht wortwörtlich im § 2: „Die Republik Österreich () bekennt sich zum Tierschutz.“ Und aus – das war’s. Im § 5, gleich drunter, wird genau diese Aussage auch schon wieder


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relativiert, indem die „Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativen Lebensmitteln tierischen und pflanzlichen Ursprungs“ bekannt wird, ohne dabei noch einmal zu konkretisieren, dass diese Herstellung natürlich unter Wahrung des Tier­schutzes und des Umweltschutzes zu gewährleisten ist.

Weiters wird der Tierschutz im § 6 relativiert, indem sich Österreich zur Bedeutung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung bekennt. Was kann in diesem § 6 anderes gemeint sein als Tierversuche?

 Wir reden hier von einem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tier­schutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebens­mittel­versorgung – und mittendrin steht, total unmotiviert, die Forschung, knapp unter dem Tierschutz. Also was kann hier wirklich anderes gemeint sein als Tierversuche?

Es ist weiterhin auch noch in einem Paragraphen das Bekenntnis zur nachhaltigen Gewinnung natürlicher Rohstoffe in Österreich zur Sicherstellung der Versorgungs­sicherheit enthalten. In den Ergänzungen steht hiezu, dass damit seltene Erden und Holz gemeint sind. Natürlich soll diese Gewinnung sichergestellt sein, es ist aber auch hier viel zu wenig konkretisiert und es sind auch Tür und Tor offen für die Ver­schwendung von Ressourcen, um unseren Grund und Boden zum Anbau von Agro­treibstoffen zu verwenden. Es ist auch hier wieder viel zu wenig konkret.

Ein großer Punkt ist – das war natürlich in den letzten Monaten sehr aktuell – die Wasserversorgung. Hier ist auch ein Bekenntnis drinnen: die „Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge“. Es ist darin aber weiterhin überhaupt nicht geregelt, dass die Wasserversorgung wirklich in der öffentlichen Hand bleibt und nicht privatisiert wird. Daseinsvorsorge selbst ist auch keine Schutzkategorie und hat überhaupt keine konkrete Bedeutung.

Daher stimmen wir gegen diesen Antrag, in dem sehr viele unkonkrete Bekenntnisse stehen, einige Vorhaben, etwas zu bewahren, und ein Wort geht mir komplett ab, nämlich die Verbesserung von irgendwelchen Inhalten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.21


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Taucher. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.22.00

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist für mich wirklich ein guter Tag, denn ein guter Tag beginnt mit der Politik für die Menschen und deren Kinder. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat der Grasser auch gesagt!) – Ja, aber bei Zahlen und bei Geld. – Ein guter Tag beginnt bei mir also mit Politik für die Menschen und für deren Kinder und Kindeskinder, also mit Nachhaltigkeitspolitik und der Sicherung der Daseinsvorsorge.

Wir stehen heute hier, 300 Jahre nach Carlowitz. Carlowitz hat 1713 den Begriff und das Prinzip der Nachhaltigkeit für die Forstwirtschaft geprägt. Es darf nicht mehr gefällt werden, als nachwachsen kann. Es muss also gleich viel gepflanzt und gesät werden. 300 Jahre später macht Österreich ein Bundesverfassungsgesetz, in dem die Nach­haltigkeit festgeschrieben wird.

Ich spreche lieber von nachhaltiger Entwicklung, weil ich glaube, es ist ein dynami­scherer Begriff. Nachhaltigkeit klingt sehr starr, als ob das geregelt wäre und nie veränderbar wäre. Ich habe es heute beim EU-Bericht schon erwähnt, dass auch die EU diesen Begriff der nachhaltigen Entwicklung um die Themen Armutsbekämpfung und Green Economy erweitert hat. Deswegen ist es mir lieber von Entwicklung und von


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Dimensionen zu sprechen als von Säulen. Ich glaube, im Gesetz spricht man auch von den Säulen Soziales, Wirtschaft, Umwelt, also von etwas Dynamischem.

Der Begriff wirkt manchmal abgelutscht und wird schon übertrieben verwendet. Nachhaltigkeit – ich höre das manchmal sogar in den Werbungen für alles Mögliche, auch für Medikamente. Ich glaube, es wird heute immer mehr von Resilienz ge­sprochen, sozusagen die Anpassungsfähigkeit bezüglich Krisen, weil wir in einer Zeit leben, in der der Klimawandel begonnen hat. In Wien reden wir sehr viel von Smart City, also „intelligenter Stadt“. „Smartes“, also intelligentes Wachstum würde auch passen, aber ich glaube, wir können zufrieden sein, wenn wir die Nachhaltigkeit 300 Jahre nach Carlowitz in die Verfassung bringen.

Als Wiener Mandatar, vom Wiener Landtag entsandt, darf ich natürlich auf ein paar Erfolge der nachhaltigen Entwicklung und der Nachhaltigkeitspolitik in Wien hinweisen, zum Beispiel auf die Erfolge aus dem ÖkoBusinessPlan. Das ist ein Programm, wo Wirtschaft und Umwelt verflochten und sinnvoll miteinander kombiniert werden. Dieses Programm ist ein Erfolgsprogramm. Wir haben mit diesem Programm 113,6 Millionen € an Betriebskosten für die Unternehmen einsparen können. Es haben 974 Betriebe teilgenommen und rund 11 000 Umweltprojekte wurden durchgeführt. Dieses Pro­gramm ist natürlich, weil es schon viele Jahre läuft, auch extern evaluiert worden: 98 Prozent der Betriebe, die teilgenommen haben, sagen, sie sind hoch zufrieden mit diesem Programm.

Dieses Programm – Zahlen wirken immer erschlagend, aber verdeutlichen auch etwas – hat natürlich Auswirkungen auf die Umwelt. Wir haben in den Unternehmen durch dieses Programm zwischen 1998 und 2011 121 311 Tonnen weniger Abfälle produziert, das ist 1,5 Mal das Ernst-Happel-Stadion bis oben angefüllt. Das ist ein Erfolg.

Wenn wir 856 Millionen Kilowattstunden an Energieverbrauch eingespart haben – das entspricht dem Jahresverbrauch aller Haushalte im Bundesland Salzburg –, dann ist das ein nachhaltiger Erfolg. Wir haben 240 560 Tonnen weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben. Das sind 40 500 Heißluftballons. Wir haben 90,2 Millionen Transportkilometer eingespart. Das entspricht 2 250 Erdumrundungen. Also da kann man von einem erfolgreichen Programm sprechen, das nachhaltig ist.

Wir konnten auch den Trinkwasserverbrauch mit diesem Programm senken, weil wir natürlich in den Betrieben geschaut haben, wo man einsparen, Perlatoren und Stopp­tasten einbauen kann. Der Trinkwasserverbrauch konnte um 2 403 000 Kubikmeter gesenkt werden. Das ist ein Volumen von 775 olympischen Schwimmbecken, also eine ordentliche Leistungsbilanz.

Es gibt noch andere Programme, die das Bundesland Wien durchführt, zum Beispiel ÖkoKauf, also ökologische Beschaffung, die andere Bundesländer auch beginnen, zum Beispiel nimmt jetzt gerade das Burgenland einen Anlauf, das in die Landes­verwaltung aufzunehmen. Auch hier gibt es wunderbare Erfolge in der ökologischen Beschaffung für das Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachhaltige Entwicklung passiert in Öster­reich seit 1998 vermehrt auch auf lokaler und regionaler Ebene, das heißt, in den Gemeinden, in den Regionen. Bei uns in Wien sind es eben die Bezirke, in den Ländern sind es die Gemeinden oder Regionen, wo wir seit 1998 lokale Agenda-21-Prozesse laufen haben infolge der Rio-Konferenz von 1992.

Die großen Vorreiter waren da Oberösterreich, Steiermark und Wien. Heute können wir Bilanz ziehen, dass in Österreich zirka 500 lokale Agenda-21-Prozesse laufen, das heißt ganz einfach übersetzt, was vor Ort für eine nachhaltige Entwicklung lokal zu tun


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ist, unter Beteiligung der BürgerInnen. All das, glaube ich, sind Erfolgszahlen. 500 Ge­meinden und Regionen, das ist ein guter Anteil, wenn wir bedenken, dass wir in Europa zirka 5 700 solcher Prozesse haben.

Ein Hinweis auch auf die österreichische Strategie für nachhaltige Entwicklung: Im Mai 2009 beschloss die Landeshauptleutekonferenz die Bund-Länder-Strategie ÖSTRAT, wo sich die Länder darauf geeinigt haben, dass sie gemeinsam eine eigene Nach­haltig­keitsstrategie machen, natürlich basierend auf der österreichischen und auf der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie. Die Länder wollten praktisch etwas tun und nicht nur einen Papiertiger haben. Die Länder haben damals auch ein Arbeitspro­gramm dazu beschlossen. Also die Strategie war eher sehr schmal, auf die wesent­lichen Punkte konzentriert, und es gab ein ordentliches Arbeitsprogramm.

Wir hören ja hier in diesem Haus immer wieder von Projekten aus diesem Arbeits­programm. Heute hat unser Gesundheitsminister eines erwähnt. Der Kinder-Gesund­heits-Dialog ist so eine Initiative, die aus dem ÖSTRAT-Arbeitsprogramm kommt.

Mittlerweile hat es 2011 den ersten Fortschrittsbericht gegeben, der vom Ministerrat angenommen wurde, von der Landeshauptleutekonferenz angenommen wurde, und auch das neue Arbeitsprogramm mit 47 Initiativen ist beschlossen worden. Erst vor Kurzem sind fünf neue Initiativen aus den Ländern dazugekommen. Das Arbeitspro­gramm ist dynamisch. Wir haben hier eine Enquete zur direkten Demokratie gehabt. Eine Initiative ist zum Beispiel der BürgerInnenrat aus Vorarlberg oder der Ideenkanal, der in Vorarlberg und Tirol durchgeführt wird.

Das alles sind Projekte, wo wir die Bürger intensiv in diese nachhaltige Entwicklung einbeziehen wollen. Deshalb, glaube ich, können wir stolz sein, in diesem Land Politiker zu sein, wir können auch stolz sein, Vertreter dieser Länder zu sein, die immense Anstrengungen vollbringen, um dieses Thema unter die Leute zu bringen, um zu sensibilisieren für eine Entwicklung, die auch für unsere Kinder und Kindeskinder gut ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich habe ich nicht vergessen, dass dieses Bundesverfassungsgesetz nicht nur ein Nachhaltigkeitsgesetz ist. Es ist natürlich auch ein Gesetz, mit dem der Tierschutz festgeschrieben wird, der umfas­sende Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung.

Das ist auch gut so, denn zu einer nachhaltigen Entwicklung eines Landes gehört natürlich eine gesicherte Lebensmittelversorgung und eine gesicherte Trinkwasser­versorgung. Auch das haben wir hier schon diskutiert, vor zirka einem halben Jahr, als die EU-Verordnung zur Liberalisierung des Wassermarktes auf der Tagesordnung stand. Etwa 1,5 Millionen EU-Bürger haben dagegen unterschrieben – das wird nun überdacht, das wird überarbeitet. Da haben wir einen ersten Erfolg erlangt, und ich glaube, auch die Bundesregierung hat einen Erfolg erlangt, denn damals ist diskutiert worden, dass die Bundesregierung das Ziel hat, die Wasserversorgung in die Verfassung zu bringen und damit zu schützen.

Heute ist der Tag, an dem das stattfindet. Heute wird die Wasserversorgung verfas­sungs­gesetzlich geschützt. Das ist auch gut so, denn wir wollen nicht, dass die Daseinsvorsorge – Wasser, Abwasser, Lebensmittel – zu einem Gut wird oder zu einem Objekt von Finanzjongleuren, die international mit unseren Lebensmitteln und Lebensgrundlagen an den Börsen herumspekulieren und es den Leuten dann schlecht geht.

Abschließend: Ich denke, es ist ein Meilenstein, den wir erreicht haben, es ist ein Meilenstein dieser Bundesregierung, auf den ich stolz bin. Es ist ein Meilenstein und


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ein Bekenntnis, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind, ein Bekenntnis zu einem modernen Staat, der solche Dinge als Staatsziele in die Verfassung schreibt.

Im Sinne unseres Hauses bin ich stolz, und ich bin stolz auf die Republik, dass wir solche Gesetze zustande bringen. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

19.32


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Kollege. (Ruf:  10 Minuten!)

 


19.32.55

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein besonderer Tag, wenn wir ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, weil wir damit ein Staatsziel oder ein Staatszielgesetz verabschieden.

Ein Staatszielgesetz regelt im Normalfall unsere staatliche Ordnung oder die Men­schen­rechte und in diesem Fall – und das ist neu und auch besonders erwähnens­wert – die Bewahrung der Schöpfung, die nachhaltige Nutzung unserer Lebensgrundlagen Luft, Wasser und Boden. Und es irritiert mich etwas, wenn die Grünen, die eigentlich dafür sein müssten, heute nicht zustimmen können. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Schreyer.) – Das ist immer so in diesem Parlament (Zwischenruf bei der SPÖ): Wenn man mit etwas nicht ganz zufrieden ist, dann ist es zu wenig weitreichend.

Kennen Sie Artikel 1 der Bundesverfassung? – „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“

Das ist sehr wenig weitreichend, und trotzdem kommen wir gut damit zurande (Zwischenrufe der Bundesräte Brückl und Hafenecker), weil es eben Wesen eines Verfassungsgesetzes ist, dass es sehr klar und einfach ist und nicht ins Detail geht, denn alles, was Sie stärker eingrenzen, grenzen Sie noch stärker aus. Das sollten Sie mitnehmen.

Wenn Sie sagen, es sei überfallsartig, dann sage ich Ihnen Folgendes: Ich kann mich erinnern, dass bei der Diskussion um das Bundestierschutzgesetz 2004 die Forderung der Grünen war, das in die Bundesverfassung aufzunehmen. 2004 – 2013, das ist für mich kein Überfall. Und wenn eine Festschreibung in der Verfassung ein Lippen­bekenntnis ist, dann habe ich etwas falsch verstanden.

Aber ich bin froh darüber, dass die Nachhaltigkeit, die nachhaltige Nutzung unserer Lebensgrundlagen Luft, Wasser, Boden in der Verfassung verankert ist. Wenn ich Luft schütze, habe ich auch den Klimaschutz beinhaltet. Ich glaube, es ist auch gut, wenn wir eben den Tierschutz als Tierschutz verankern, wenn wir Wasser als Teil der Daseinsvorsorge für unsere Mitmenschen sichern und wenn wir uns – wie im § 5 – klar zur heimischen Landwirtschaft bekennen, nämlich zu qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aus heimischer Produktion und damit auch zur Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung.

Da gibt es Beispiele, die – und das wird bei Bundesverfassungsgesetzen immer wieder vorkommen – in sich manchmal einen Widerspruch bergen können. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass wir in Österreich drei Jahre früher als von der EU vorgesehen die Käfighaltung der Legehennen verboten haben – gut so. Mit einhergegangen ist ein Rückgang der inländischen Produktion, der Anstieg der Importe – und damit kein glückliches Huhn mehr auf unserer Welt. Da müssen wir eben überlegen, wie wir solchen Tendenzen entgegenwirken und wie wir uns vor diesen nicht unserer Verfas­sung entsprechenden Produktionen aus dem Ausland entsprechend schützen.


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Es ist auch die Forschung in der Verfassung festgeschrieben; das heißt meiner Auffas­sung nach nicht automatisch Tierversuche, weil Forschung wesentlich breiter ist als Tierversuche. Das ist vielleicht ein ganz kleiner Teil, und ich glaube, auch das ist im Tierschutzgesetz entsprechend geregelt, wie Forschung und Tierversuche durchzu­führen sind. Es ist also auch die Forschung in der Verfassung gut geregelt und fest­geschrieben.

Es würde mich freuen, wenn auch die Grünen zustimmen, denn ich glaube, es ist ein guter Tag für Österreich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.36


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hafen­ecker. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.36.32

Bundesrat Christian Hafenecker (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Aufgrund der vorgeschrittenen Stunde nur ein paar kurze Anmerkungen zu diesem Thema: Auch wir sind der Meinung, dass es sich hiebei durchaus um ein gutes Gesetz handelt.

Es ist ein Gesetz, das in erster Linie auch ein Kompromiss ist und vielleicht in gewis­sen Dingen nicht so weit geht, wie auch wir Freiheitlichen uns das gewünscht hätten. Wir sind aber trotzdem der Meinung, es ist eine gute Basis und eine Basis, auf der man auch entsprechend aufbauen kann, denn sie beinhaltet vor allem jene Dinge, die in den letzten Jahren einfach zu kurz gekommen sind. Wir haben im Bereich des Umwelt­schutzes, im Bereich der hohen Qualität der Lebensmittel, im Bereich der Nachhaltig­keit und im nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen in den letzten Jahrzehnten tatsächlich entsprechenden Raubbau betrieben, und es ist wichtig, dass es da zu einer Bewusstseinsbildung kommt.

Ich glaube, das ist auch die Grundintention dieses Gesetzes: dass diese Bewusst­seinsbildung über ein Verfassungsgesetz entsprechend in Gang kommt. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg.

Ich habe es vorhin bereits gesagt: Es wurden gewisse Dinge einfach vernachlässigt, und es soll meiner Ansicht nach auch ein bisschen als Startpunkt gesehen werden, daher auch mein Appell an die Grünen: Es mag durchaus richtig sein, dass das Gesetz nicht so spezialisiert ist, wie man es sich in gewissen Bereichen wünschen würde, aber nehmen wir es als Arbeitsgrundlage her und verfeinern wir es in den nächsten Jahren! Ich glaube, das wird uns gelingen.

Ein Wort noch zur Angelegenheit Wasser. Auch da sind wir froh darüber, dass wir das jetzt in diesem Bereich einmal abdecken konnten, vor allem aber auch darüber, dass die Europäische Union zumindest einmal angekündigt hat, die Pläne zur Privatisierung zurückzustellen. Wir sind der Meinung, dass mit Wasser einfach kein Handel betrieben werden darf. Wir sind der Meinung, dass das Wasser und die Wasserversorgung in unseren Kommunen in besten Händen ist, und deswegen sind wir auch stolz darauf, dass es uns somit gelingen wird, das sicherzustellen.

Wie gesagt: Alles in allem ist das ein sehr guter Gesetzentwurf, den wir gerne befür­worten, ein Kompromiss, eine Basis, auf der man aufbauen kann. – Danke. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Himmer.)


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19.38


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.38.55

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Das Thema Nachhaltigkeit liegt mir auch sehr am Herzen, und zwar nicht nur in öko­nomischer, sondern auch in ökologischer und auch in sozialer Hinsicht. Wir Politiker sind dafür da, dass es möglichst vielen Leuten gut geht, und zwar in einer Art und Weise, dass auch zukünftige Generationen aufgrund unserer heutigen Entscheidungen keine negativen Auswirkungen haben.

Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen bedeutet nachhaltiges Wirtschaften und das Treffen langfristiger, sinnvoller Entscheidungen, von denen auch noch zukünftige Generationen profitieren können. Der Bau der I. Wiener Hochquellenwasserleitung ist für mich ein Paradebeispiel, was nachhaltige Investitionen betrifft.

Der Wiener Gemeinderat beschloss den Bau im Jahre 1864. Die Hochquellenwas­ser­leitung war damals 90 km lang, kostete 16 Millionen Gulden, und 1888 waren über 90 Prozent der Wiener Haushalte bereits mit Wasser und Wasserleitungen versorgt. Die I. Wiener Hochquellenwasserleitung wurde heuer 140 Jahre alt, und wir profitieren heute noch von dieser damaligen Investition.

Den Wiener Kollegen möchte ich – weil die Wiener immer sagen, sie haben so gutes Wasser – als Bundesrat aus Niederösterreich sagen: Das gute Wiener Wasser kommt aus Niederösterreich. (Rufe bei der SPÖ: Steiermark!) – Steiermark. (Ruf bei der SPÖ: Aber ist eh fast daneben! – Ruf bei der FPÖ:  Niederösterreich! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ) – Aber es wird durch Niederösterreich transportiert. Danke, das wusste ich selbst nicht; ich dachte, das kommt aus dem Schneeberg-Gebiet.

Die Sicherstellung der Wasserversorgung und der Wasserqualität ist essenziell für unser Überleben. Unsere österreichische Wasserversorgung muss unbedingt in öster­reichischer Hand bleiben, und die Bereitstellung der Wasserliquidität sollte als gemein­nütziges Gut auf Non-Profit-Basis erfolgen.

Die Wichtigkeit der Sicherstellung leistbarer Wasserqualität für unseren Organismus entspricht der Wichtigkeit der Bereitstellung von Geldliquidität in unserem Wirtschafts­system. Wenn ich mir das Marktversagen bei unserem Bankensystem anschaue, dann wäre es vielleicht wirklich zu überlegen, ob wir nicht auch unser Bankensystem auf eine Non-Profit-Basis stellen: ein simples System, das die Spareinlagen der Bürger an kreditwürdige Kreditnehmer – Staat, Unternehmer, Privatpersonen – weiterreicht, ohne dabei selbst Gewinne durch Verrechnung zu hoher Zinsen und Bankgebühren anzustreben. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Banken, die keine hohen Renditen für ihre Aktionäre erwirtschaften müssen, müssen keine riskanten Spekulationsgeschäfte tätigen, müssen keine unverantwortlichen Kredite an Gläubiger mit schlechter Bonität vergeben, können gemeinnützig günstige Niedrigzinskredite anbieten und müssen aufgrund der konservativen Geschäfts­geba­rung nicht mit öffentlichen Steuergeldern gerettet werden.

Wir haben in Österreich bundesschatz.at, wo Staatsanleihen direkt an die Bürger verkauft werden; vielleicht könnte man in Kombination mit unseren maroden Banken, der Kommunalkredit, der Volksbank da ein neues Modell aufsetzen.

Unser Wirtschaftssystem ist dominiert von kurzfristigem Denken, kurzfristigen Ent­schei­dungen von Quartal zu Quartal; wir schauen nur von einer Quartalsbilanz zur nächsten und reagieren kurzfristig auf aktuelle Ereignisse. Langfristige, sinnvolle strategische Entscheidungen werden ungern getroffen, da sie heute Kosten verur­sachen und die Früchte erst in späteren Jahren zu ernten sind.


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Dasselbe gilt auch in der Politik: Das Entscheidungsverhalten von vielen Politikern ist vom Wahlzyklus geprägt – um Macht abzusichern, um Posten abzusichern, um Auf­träge Parteifreunden und Lobbys zuzuschanzen, und nicht, um Österreich langfristig sinnvoll zu managen.

Strategisches Denken ist Mangelware. Langfristig wichtige Entscheidungen und sinn­volle Reformen für unsere Zukunft, die dringend notwendig wären, aber unpopulär sind – zum Beispiel Schuldenabbau, Ausgaben nur im Rahmen der Steuereinnahmen, Reformen hinsichtlich schlanker und effizienter Verwaltung, Investitionen in Gesund­heits­vorsorge –, bei denen die Kosten heute anfallen, die Erträge aber erst in 20, 30 Jahren sichtbar werden, werden nicht getroffen, zu wenig getroffen oder immer wieder hinausgezögert.

Nachhaltigkeit bei der Nutzung unserer Ressourcen bedeutet auch nachhaltigen Einsatz unserer knappen Geldressourcen, dazu gehören besonders Investitionen in Bildung, in Forschung, in Umweltschutz und in schuldenfreies Wirtschaften, ohne Über­wälzung von Finanzierungskosten und Rückzahlungsverpflichtungen auf unsere Kinder und kommende Generationen.

Ja, wir stimmen dafür, dass die Themen Nachhaltigkeit, Sicherstellung der Wasser­versorgung, umfassender Umweltschutz, Sicherstellung der Lebensmittelversorgung und Forschung in die Bundesverfassung aufgenommen werden. Das sind sehr gute Staatsziele. Bei der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung sehen wir den Schwer­punkt in der Produktion hochwertiger, gesunder österreichischer Lebensmittel mit dem Ziel gesunder Ernährung – und für den Tierschutz stimmen wir auch. – Danke schön. (Ruf: Wer ist jetzt „wir“? – Bundesrat Mag. Zelina – zu seinem Sitzplatz zurück­keh­rend –: Team Stronach!)

19.45


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Kollege Mag. Zelina! Ich stelle dazu noch fest: Alle österreichischen Bundesländer verfügen über Quellen mit ausgezeichneter Wasserqualität. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ. – Ruf: Aber in Wien ist es schon besonders gut!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.45.46

Bundesrat Richard Wilhelm (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Der Bund, die Länder, die Gemeinden bekennen sich jetzt zu nachhaltiger Nutzung natürlicher Res­sourcen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensqualität zu gewähr­leisten.

Es geht zum Beispiel um die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage der Menschen vor schädlicher Einwirkung. Es liegt in der Natur der Sache, dass es einen hundertprozentigen Schutz bei natürlichen Ressourcen, was die Nachhaltigkeit betrifft, nie geben wird, da es auch Rohstoffabbau gibt, wie zum Beispiel bei Holz, Erdöl, Erdgas oder Erz. Jedoch ist der Begriff „Nachhaltigkeit“ mit den Elementen wie Ökonomie und Ökologie zu verstehen. Weiters wird auch einer Entschließung aus dem Jahr 2004 entsprochen und der Tierschutz in der Verfassung verankert, der Umgang des Menschen mit dem Tier als fühlendem Wesen.

Tierschutz ist nun einmal ein emotionales Thema, und es gibt natürlich unter­schied-liche Interessenlagen beim Tierschutz. Tierschutz gehört jedoch ernst genommen und sollte meiner Meinung nach kein Randthema sein. Papier ist geduldig, natürlich auch Papier, auf dem Bestimmungen stehen. – Es kommt letztendlich auf die Bundes-


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gesetzgebung, die Gesetzgebung in den Ländern sowie auf die Exekutive an, und die Kontrolle darf da auch nicht fehlen – ganz im Gegenteil.

Da es gemäß den EU-Verordnungen den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, Rege­lungen zum Beispiel für rituelle Schlachtungen ohne vorangehende Betäubung vor­zusehen, bleiben die diesbezüglich strengen österreichischen Gesetze jedenfalls unverändert aufrecht. Es ist ein wichtiger und richtiger Schritt, dass das Parlament das Staatsziel Tierschutz in die Verfassung aufgenommen hat, und es bedeutet eine Aufwertung des Tierschutzes in der Gesellschaft.

Was die Sicherstellung der Wasserversorgung betrifft: Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel, und die Vorsorge zur Sicherheit einer ausgezeichneten Qualität ist für die Menschen lebenswichtig. Nun sind Bund, Länder und Gemeinden dafür verantwortlich, dass sie in entsprechender Qualität erbracht wird.

In Summe sind dies wichtige Beschlüsse, mit denen zusätzlich zu Umweltschutz und Tierschutz auch die gesicherte Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln verankert wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.48


Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen somit zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungs­gesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

19.49.43 18. Punkt

ORF-Jahresbericht 2012 gemäß § 7 ORF-Gesetz (III-492-BR/2013 d.B. sowie 9028/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Damit kommen wir zu Punkt 18 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Ich bitte um den


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Bericht.

 


19.50.01

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den ORF-Jahresbericht 2012.

Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 den Antrag, den ORF-Jahresbericht 2012 gemäß § 7 ORF-Gesetz zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Kollege Dr. Brunner.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Brückl. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.50.26

Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des ORF ist sehr umfangreich – 181 Seiten –, er ist sehr gut lesbar aufbereitet. Ich darf das vorweg sagen und darf auch die positiven Aspekte an diesem Bericht zu Beginn erwähnen. Es zeigt sich nämlich, dass gerade die qualitativ wertvollen Sendungen, wie zum Beispiel „Universum“, hohe Zuseherzahlen genießen. Die „Lange Universum Nacht“ haben sich insgesamt 1,5 Millionen Zuseher angeschaut. Höhepunkte 2012 waren Sendungen eben wie „Unbekanntes China“, „Donau – Lebensader Europas“, „Wunderbares Österreich“ oder „Jahrzehnte in Rot-Weiß-Rot“.

Positiv ist ebenfalls der Marktanteil der ORF-Radios: Mit 74 Prozent bewegt er sich im europäischen Spitzenfeld.

Und manchmal, in manchen Punkten, hat die ORF-Führung auch richtig reagiert, nämlich wenn sich nahezu 800 000 Zuseher die Sendung „Der Bergdoktor“ anschauen und bis zu einer Million Menschen den „Tatort“ sehen. Wenn gleichzeitig aber „Chili“, dieses „Seitenblicke“-Format, von gerade einmal 100 000 bis 150 000 Zusehern be-trachtet wird, dann ist es verständlich, dass dieses „Seitenblicke“-Format eingestellt wird.

Wenn ich im Bericht zum Beispiel wortwörtlich lese, „Braunschlag“ wurde Kult, dann werde ich aber das erste Mal stutzig, denn Kult ist der „echte Wiener“, der nicht untergeht, aus den siebziger Jahren, Kult ist der „Club 2“ mit Axel Corti. Ich bezweifle, dass „Braunschlag“ – eine Serie, die heute kaum jemandem mehr in Erinnerung ist – tatsächlich Kult ist.

Und dass Hollywood-Schinken wie „Avatar“ oder „2012“ zu Publikumsmagneten wurden, ist nicht verwunderlich. No na net!, kann ich hier nur sagen. Das sind Welthits! Da kannst du nichts falsch machen, wenn du diese Filme kaufst und bringst.

„ORF III und ORF SPORT + entwickelten sich“ – im Jahr 2012 – „zu einem vollen Erfolg“, heißt es im Bericht. Das ist für mich nachvollziehbar, das darf ich auch so festhalten. (Zwischenrufe der Bundesräte Perhab und Günther Köberl.) Da wird der ORF auch seinem Auftrag tatsächlich gerecht, und zwar in kultureller, politischer, in allerlei Hinsicht, aber (Aber-Rufe der Bundesräte Perhab und Günther Köberl) – Herr Kollege Perhab, du kommst ohnehin nachher dran; ich habe ja schon auf die Rednerliste geschaut, wer nach mir kommt; da werde ich es dann wieder dick kriegen –, aber es gibt Bereiche, wo der ORF seinem öffentlichen Auftrag definitiv nicht nachkommt.

Es heißt zwar im § 4 ORF-Gesetz:


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„Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für (...) eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen; (...) die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommen­taren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksich­tigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen (...) zu sorgen.“

Und dann heißt es noch weiter:

„Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht.“

Aber diese Unabhängigkeit wird im ORF oftmals nicht gelebt, und ich bin sehr froh, dass es hiezu Medienanalysen gibt. Ich habe mir einige herausgesucht, zum Beispiel die „Zeit im Bild“- und die „ZIB 2“-Berichterstattung in der ersten Jännerhälfte. In der „Zeit im Bild 1“ stehen die Parteien im Fokus: Da erreichen Rot, Schwarz und Grün miteinander sozusagen eine Quote von 95 Prozent; die restlichen 5 Prozent teilen sich dann BZÖ, FPÖ und Team Stronach. In der „ZIB 2“ kommt die FPÖ dann gar nicht mehr vor – erste Jännerhälfte 2013.

Wir sind die größte Oppositionspartei! Das möchte ich einmal nur so hingestellt haben. (Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Dass es nichts zu berichten gegeben hat, Herr Kollege, ist nicht wahr. Es war, bitte, wir wissen das alle miteinander, die Wehrpflichtabstimmung, und ich glaube nicht, dass wir uns dazu nicht geäußert haben.

Bei der Originalton-Präsenz, beim Originalton-Ranking der Parteien und Bundes­politiker im gleichen Zeitraum kommt die FPÖ überhaupt nicht vor – aber wir sind ja nur die stärkste Oppositionspartei.

„Zeit im Bild“ und „ZIB 2“ im Mai 2013. – Da steht dann im Bericht von „media affairs“ unter anderem folgender Satz: „(...) FPÖ und BZÖ stehen im Mai quantitativ an der Schwelle zur Bedeutungslosigkeit“ in der Berichterstattung des ORF – aber wir sind ja nur die drittstärkste Oppositionspartei. (Bundesrat Mag. Himmer: Die stärkste, haben Sie gesagt!)

FPÖ, BZÖ und Team Stronach im Übrigen bewegen sich in der „ZIB“ im Mai an der Schwelle zur Bedeutungslosigkeit. Ich kann das wieder herzeigen (der Redner hält einen Ausdruck in die Höhe), jeder kann sich das anschauen.

„ZIB“-Analyse in der „Presse“ vom 8. Juni 2013 betreffend „Präsenz im ORF“: „Politik(er) in der ,Zeit im Bild‘ im Mai – Anteil an der Berichterstattung“: „Zeit im Bild 1“: 39 Prozent SPÖ, 33 Prozent ÖVP, Grüne 14 Prozent, FPÖ 8 Prozent. – Wir sind ja nur die drittstärkste Partei, wir sind ja nur die größte Oppositionspartei. (Zwischenruf des Bundesrates Konrad.)

„ZIB 2“: ÖVP 40 Prozent, Grüne 38 Prozent, SPÖ 10 Prozent – da seid ihr auch ein bisschen bedient worden –, FPÖ 3 Prozent. – Wir sind ja nur die größte Oppositions­partei, bitte sehr.

Als Oberösterreicher gehe ich auch noch kurz auf das Landesstudio Oberösterreich ein. – Erhebung vom Mai 2013; Parteipräsenz in „Oberösterreich heute“: ÖVP 32 Pro­zent, SPÖ 32 Prozent, Grüne 24 Prozent, FPÖ 11 Prozent. – Wir sind ja nur die größte Oppositionspartei, geschätzte Damen und Herren! (Bundesrat Schreuder: Überlegt einmal, warum ihr so fad seid! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir sind ja nur die größte Oppositionspartei! Aber der lieben SPÖ wird das Lachen noch vergehen. – Dazu komme ich auch noch.


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In Oberösterreich hält sich die Landeshauptmannpartei den ORF als eigenen Parteisender. Das darf ich so sagen, weil es einfach so ist. (Bundesrat Kneifel: Das stimmt doch gar nicht!) – Na, bitte, Herr Kollege, natürlich stimmt das! Da brauchen wir ja gar nicht darüber zu reden! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein wichtiges Thema im Herbst 2012 war die gespag-Geschichte, wo euer Landes­hauptmann den dritten Vorstand in die gespag hineinwählen lassen wollte – er hat das ja dann auch getan. Das war in allen Medien ein Thema, und da schreibt dann „media affairs“ im Bericht Folgendes: 

„Apropos gespag: Ginge es nach dem ORF, gäbe es das Thema anscheinend gar nicht. Was sich in den Printmedien zu einem wahren Hype entwickelte, war in OÖ Heute kaum Thema.“

Da braucht keiner mehr zu sagen, dass der ORF in Oberösterreich nicht der Landes­hauptmannsender ist, bitte! (Bundesrätin Dr. Winzig: Weil er am meisten ...!)

Und damit ich das auch auf den Punkt bringe, was die SPÖ betrifft: Im Oktober 2012 hat die SPÖ – und ich lese das jetzt vor, weil das nicht so uninteressant ist – nämlich offensichtlich auch ein Problem mit dem ORF in Oberösterreich gehabt: 

„Zuletzt gab es ja eine spannungsgeladene Auseinandersetzung über eine mögliche einseitige Berichterstattung des ORF in Oberösterreich Heute. Die SPÖ Oberösterreich (...) reichte diesbezüglich eine offizielle Beschwerde ein und hat nach eigenen Angaben auch einen Medienanwalt eingeschaltet.“

So, geschätzte Damen und Herren, schaut es im Landesstudio Oberösterreich aus. Wenn das eine ordentliche, eine gute Berichterstattung sein soll, dann sage ich Ihnen, das ist keine, und das ist ungerecht. Und wenn der ORF insgesamt samt seinen Mitarbeitern als Parteisender missbraucht werden soll, dann sollen auch die Parteien dafür bezahlen, aber nicht der Gebührenzahler mit seinen GIS-Beiträgen. Wir lehnen diesen Bericht daher auch ab. (Beifall bei der FPÖ.)

19.58


Präsident Edgar Mayer: Zu Wort gelangt Herr Fraktionsobmann Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.58.29

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Was Ihre Rede (in Richtung Bundesrat Brückl) anlangt: Sie haben ja den ORF im Prinzip gelobt. Ich kann jetzt also nur ein paar Ergänzungen machen, damit das für die Statistik interessant ist, aber im Prinzip war das ein großes Lob.

Dass Sie die Kritik anbringen, verstehe ich auch. Aus Sicht der Freiheitlichen Partei ist das sicherlich eine berechtigte Kritik, die angebracht worden ist. Man kann jetzt über vieles diskutieren: Warum war das so oder so? – Es gibt sicherlich Missstände, da gebe ich Ihnen wahrscheinlich schon recht.

Was ich nicht verstehe, ist, dass Sie aus diesem Grund einen Bericht ablehnen, der vorgelegt worden ist. Ist der Grund, weil es zu diesen Missständen gekommen ist, oder welchen Grund gibt es eigentlich dafür, einen Bericht abzulehnen vom Grundsatz her? (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist jedes Mal dasselbe! – Bundesrat Hafenecker: Wir lehnen die Unternehmensphilosophie ab!) Das ist das, was ich nicht ganz verstehe und was man vielleicht einmal erklären muss. (Ruf bei der FPÖ: Das haben wir schon gemacht!) Das habt ihr schon gemacht. Also den Bericht ablehnen ist ... (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn wir inhaltlich nicht zustimmen, bleibt ja nichts anderes übrig, dann kann ich ihn nur nicht zur Kenntnis nehmen, selbst wenn der Bericht formal in Ordnung ist!) – Danke für die Erklärung! Das war ein ganz wichtiger Teil.


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Aber vielleicht zur Ergänzung zum Österreichischen Rundfunk und zum Vergleich: Der ORF ist im europäischen Vergleich einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender, laut der Kernaussage des Jahresberichts 2012, den Bundeskanzler Werner Faymann dem Parlament vorgelegt hat. Mit einem Marktanteil von 36 Prozent für das Fernsehen, von 74 Prozent für die Radiosender hat der ORF Spitzenwerte erzielt. Auch das ORF.at-Netzwerk ist mit einer Monatsreichweite von 44,1 klare Nummer eins in Österreich. Mehr als 60 Auszeichnungen für ORF-Journalistinnen und -Journalisten sowie für ORF-Produktionen belegen überdies die hohe Qualität der Programme. 3 656 000 Menschen sehen täglich ORF-Programme.

„Das Jahr 2012 war ein herausforderndes, aber auch erfolgreiches Jahr für den ORF“, heißt es im Bericht. Ziel war es, den ORF auch in Zukunft als Leitmedium Österreichs zu erhalten.

Der Bericht weist in diesem Zusammenhang auf eine massive Investition in Eigen­produktionen sowie auf den Ausbau der News-Kompetenz hin. Mehr Menschen denn je haben 2012 die TV-Programme des ORF genutzt, und so erreichte das ORF-Fernsehen mit einem Schnitt von 3 656 000 Zuschauer die höchste Tagesreichweite seit 2007.

Es gäbe hier noch viele dieser Statistiken zu präsentieren – ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Teil –, aber vielleicht nur, um in Erinnerung zu rufen, welche Strukturelemente im ORF und für ein öffentlich-rechtliches Fernsehen wichtig sind: die Non-Profit-Orientierung, erst dadurch wird eine unabhängige Berichterstattung gewährleistet; die Repräsentanz der gesellschaftlich relevanten Gruppierungen in den Aufsichts- und Leitungsgremien – ich habe schon gesagt, die Kritik ist richtig, wenn das so gewesen ist und (in Richtung Bundesrat Brückl) Sie sich das herausgeholt haben; aber dafür ist auch ein Bericht da: um auch diese Dinge aufzuzeigen –, dies führt dazu, dass alle gesellschaftlich relevanten Gruppen Berücksichtigung finden; und ein gesetzlich festgelegter öffentlicher Auftrag, der für Meinungsvielfalt und ausgewogene und objektive Berichterstattung sorgen soll.

Für die Umsetzung dieser drei grundsätzlichen Prinzipien ist es notwendig, eine entsprechende Finanzierung sicherzustellen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass dem ORF die Gebühren, die ihm durch Befreiungen entgehen, refundiert werden. Ein Abgehen von diesem System wäre ein Indiz, dass sich Österreich nicht mehr an diese Kriterien eines unabhängigen österreichischen Rundfunks als öffentliche Aufgabe gebunden fühlt, und dies ist abzulehnen.

Ich erinnere daran, dass gerade jetzt in Europa eine Rundfunkanstalt von einer Regierung eingestellt wurde. In Griechenland hat eine Regierungspartei nach 75 Jahren die Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders ERT per Ministererlass angeordnet, ohne darüber eine öffentliche Debatte zu führen und die griechische Bevölkerung einzubinden.

Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt sind die wesentlichen Grundpfeiler einer plura­listischen Gesellschaft. Es sollte in jedem demokratischen Land klar sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht Spielball der Politiker sein darf, sondern aus­schließlich für die Bürger da ist – in Griechenland, in Österreich und in anderen Ländern. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04


Präsident Edgar Mayer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 187

20.04.08

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Da jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, dass – weil nach 20 Uhr – die Übertragung aus ist, kann ich hier im Bundesrat offen reden. (Heiterkeit.)

Präsident Edgar Mayer: Herr Kollege Perhab, der ORF zeichnet auf und sendet dann um 23.20 Uhr (neuerliche Heiterkeit), also ich würde mich da nicht zu weit hinaus­lehnen. (Bundesrat Kneifel: Zur Geisterstunde!)

Bundesrat Franz Perhab (fortsetzend): Herr Präsident, dann werde ich mich natürlich sehr zurückhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Herr Kollege Schreuder, Sie kommen schon noch dran! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen, da die Zahlen, Fakten und Daten doch dafür sprechen, dass wir auf unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk teilweise doch auch sehr stolz sein können. Und vor allem freut es mich auch als Vertreter der Wirtschaft, dass der wirtschaftliche Konsolidierungskurs im ORF auf gutem Wege ist, wie das auch der Rechnungshof in zwei Berichten bestätigt und in einer Follow-up-Prüfung wahrscheinlich auch in Zukunft bestätigen wird.

Der ORF arbeitet mit 3 115 Mitarbeitern – auf Neuhochdeutsch: Vollzeitäquivalente – und hat im Restrukturierungsprogramm 2012 um 46 Mitarbeiter weniger als 2011 und erwirtschaftet damit den besagten Umsatz.

Was die Problematik der ORF-Finanzierung anlangt: Da, muss man schon sagen, gibt es auch andere Beispiele, nicht nur die griechische Fernsehanstalt, Herr Kollege, son­dern zum Beispiel auch das ZDF. Im ZDF ist, glaube ich, das Werbevolumen im Verhältnis zum ORF wesentlich geringer. Der ORF erwirtschaftet aus Werbeein­nahmen ungefähr 260 Millionen €, was nicht zur Freude der Printmedien passiert, da sich der Verband der Zeitungsherausgeber natürlich dagegen wehrt, dass ein großer Teil von diesem Werbekuchen an den ORF geht, der natürlich einen klaren Wett­bewerbsvorteil hat.

Das ist meiner Ansicht nach positiv, das wird aber, glaube ich, ein ewiger Kampf sein, und von der Aufsichtsbehörde müsste, glaube ich, immer geschaut werden, dass die Balance gewahrt wird zwischen Werbung, öffentlichen Rundfunkgebühren und auch Werbung in den Printmedien, denn ich glaube, die Printmedien sind gleich wichtig – das wird niemand bestreiten – für eine unabhängige, objektive Berichterstattung in diesem Land. Ich glaube, es würde fatal sein, wenn wir bei den Printmedien noch mehr Konzentration am Markt hätten.

Für mich ist ORF III sehr positiv – er wurde bereits erwähnt. Dazu gilt es noch zu sagen, dass der Herr Chefredakteur sehr darum bemüht ist, hier auch für die Bundes­ratsübertragungen zu sorgen. Wünschen würde ich mir mehr Berichte über den Bundesrat in der Sendung „Hohes Haus“.

Sehr gut gefällt mir „inside Brüssel“, da wir alle wissen, dass es für unsere Bevöl­kerung nicht genug Information über die EU geben kann – aus meiner Sicht zumindest.

Was mich als Sportbegeisterter freut, ist der Sportkanal, und dort vor allem die Berichterstattung über die Randsportarten – ich denke dabei an die Paralympics, die Special Olympics und Sportarten, die man im Hauptprogramm natürlich nicht so sehen kann.

Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich bei den technischen Teams des ORF während der Ski-WM in Schladming: ausgezeichnete Bilder in Super-Superzeitlupe. Jeder, der das gesehen hat, hat gesehen, dass dort eine hohe Kunst an


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 188

Technik und Regie geleistet wurde. Dafür gibt es Dank und Anerkennung von meiner Seite.

Was mir trotzdem auffällt – und da hat Kollege Brückl nicht ganz unrecht –, ist, dass es viele Menschen in der Bevölkerung gibt, die tatsächlich die persönliche Wahrnehmung haben, dass der ORF natürlich versucht, gemäß dem Gesetz unabhängig und objektiv zu agieren, er aber in dieser Beziehung doch einen kleinen Linksdrall hat.

Und ich denke zum Beispiel auch, dass Herr Kollege Schreuder sehr oft im ORF ist. Ich meine, das muss einen besonderen Grund haben, denn es kann nicht der Stärke der Grünen im Bundesrat entsprechen, wenn Schreuder bei „Report“ ist, Schreuder in der Sendung „Hohes Haus“ ist, Schreuder in anderen Sendungen ist. Also, ich glaube, irgendetwas stimmt da in der Objektivität der Berichterstattung nicht. Ich glaube, wir sind die größeren Fraktionen, aber wir kommen eigentlich nicht vor.

Herr Kollege, können Sie uns vielleicht verraten, wie Sie das machen? (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke. – Bundesrat Schreuder: I’m so sorry!) Ich denke nur daran, dass bei der Nominierung unseres Kollegen Klug zum Verteidigungsminister Kollege Schreuder interviewt wurde. Das ist ja überhaupt ganz interessant gewesen, diese Kombination. Ich weiß nicht, wie man darauf kommen kann, aber es ist so. (Zwischen­ruf des Bundesrates Dönmez. – Bundesrat Schreuder: In der „BauernZeitung“ war ich noch nie! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ein Wort noch zu den Landesstudios. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zuge dieser Debatte und Diskussion um die Refundierung der Gebühren der gebüh­renbefreiten Hörer und Seher durch die Republik ist der ORF heuer gezwungen, doch ein Sparprogramm anzusetzen, und ich habe in den ersten Publikationen ent­nom­men, dass von der Generalintendanz da vor allem an die Landesstudios gedacht wird.

Ich möchte davor warnen, denn ich denke, die Landesstudios sind jene, die mit dazu beitragen, die dafür verantwortlich sind, dass die Reichweite und die Akzeptanz des ORF in derartigen Höhen liegen – noch immer. Bei 15 Prozent der Gesamtkosten des ORF-Budgets auch nur daran zu denken, ein Landesstudio zu schließen, würde ich der Generalintendanz nicht empfehlen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Todt.)

20.10

Präsident Edgar Mayer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.10.42 19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2336 d.B. und 2428 d.B. sowie 9029/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Wir gelangen zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Stöckl. – Bitte, Frau Kollegin.

20.10.57

Berichterstatterin Angela Stöckl: Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 189

über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird, liegt in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Edgar Mayer: Danke, Frau Kollegin, für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Sie ist nicht anwesend.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Pum. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.11.52

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld damit beginnen: Mut zum Kind darf nicht bei der ideellen Vorstellung enden. Professor Mazal hat das so formuliert: Kinder bedeuten uneinge­schränkte Bindung für das ganze Leben.

Kinder bedeuten vielseitige Aufgaben für Familien, für Erziehende, für Eltern, aber sie kosten auch viel Geld. Aber nicht der Staat ist verantwortlich, sondern das ist Aufgabe der Familie. 40 Prozent der ÖsterreicherInnen bestätigen das, und blicken wir ein wenig über die Grenzen Österreichs hinaus, so sind es in Frankreich 60 Prozent der Familien, die sich klar dazu bekennen, dass die Verantwortung bei der Familie liegt.

Unser Gesellschaftssystem baut auf den Generationenvertrag. Kinder sind Teil unserer zukünftigen Absicherung und auch Notwendigkeit zum Erhalt des Wohlstandes.

Eine Geburtenrate von 1,2 Kindern je Frau liegt weit unter dem notwendigen Durch­schnitt. Rund die Hälfte der Familien sind Ein-Kind-Familien. Wenn es um die Verein­barkeit von Familie und Beruf geht, sind vor allem die Frauen doppelt belastet. Daher ist es notwendig und richtig, das Kinderbetreuungsgeld im einkommensabhängigen Bereich von 6 100 € auf 6 400 € zu erhöhen.

Besonders prekär ist die Situation bei der Antragstellung gewesen. Hat sich einmal jemand geirrt, so war es unmöglich, eine Korrektur durchzuführen. Eine Fristerstreckung auf 14 Tage ab Antragstellung wird für rund 30 bis 50 Antragsteller pro Jahr eine Erleichterung bringen, indem sie ihnen eine Korrektur ermöglicht.

Ein Ja zum Kind darf nicht am finanziellen Nein scheitern. Unsere Gesellschaft muss den Wert erkennen und auch finanziell goutieren. Es ist daher dreifach zu unter­streichen, wenn Vizekanzler Spindelegger klarstellt: Mehr Geld und Sachleistungen für unsere Familien.

Es ist auch immer wieder notwendig, einen Blick über die Grenzen zu werfen. Scheuen wir uns nicht, uns auch mit Frankreich zu vergleichen, wo die Zielsetzung, eine höhere Geburtenrate zu erreichen, ganz klar umgesetzt wurde! Wir können auch in den skandinavischen Raum blicken oder vielleicht auch einen Blick in den Osten werfen, nach Russland. Es gibt viele vergleichbare Situationen, aber letztendlich zeigt sich eines immer wieder: dass wir gefordert sind, uns gerade die Anzahl der Kinder und die Größe der Familien betreffend nach oben zu lizitieren.

Es ist auch Tatsache, dass es erstmals in der Geschichte mehr alte als junge Men­schen hier auf unserem Planeten gibt. Daher ist es eine große Herausforderung, dem entgegenzuwirken, klare Zielsetzungen zu formulieren, um dem auch gerecht zu werden.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 190

Klar gesagt: Kinder müssen Platz haben in einer pluralistischen Gesellschaft. In diesem Sinne ein klares Ja zu diesem Änderungsantrag. (Beifall bei der ÖVP.)

20.15


Präsident Edgar Mayer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.15.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich würde sagen, das ist ein Reparaturgesetz, denn es sind schon sehr viele Änderungen vorgenommen worden. Das Kinderbetreuungsgeld fußt auf einer Idee der FPÖ – damals war es der Kinderbetreuungsscheck –, in der FPÖ/ÖVP-Regierung ist es dann als Kinderbetreuungsgeld eingeführt worden, heftigst bekämpft von Rot und Grün, aber mittlerweile haben sich offensichtlich diese beiden auch schon daran gewöhnt. Es sind bereits einige Änderungen vorgenommen worden, und auch mehrere Varianten gibt es mittlerweile. Diese mehreren Varianten waren immer schon ein kleiner Kritikpunkt von uns, weil wir gefunden haben, fünf sind einfach zu viel, man kennt sich fast nicht mehr aus. Jetzt gibt es wieder einige Änderungen, auch ein paar kleine Verbesserungen.

Eine Änderung, die ich durchaus begrüße, ist, dass man innerhalb von 14 Tagen, wenn man mit der gewählten Variante nicht einverstanden ist oder sich denkt, es war doch nicht richtig, diese gewählt zu haben, seine Entscheidung noch einmal ändern kann. Das ist zwar besser, als es jetzt ist, aber ich glaube, man müsste schon in die Richtung gehen, zu überlegen, ob ein Wechsel zu einer anderen Variante, wenn sich wirklich nachweislich Lebensbedingungen dramatisch verändert haben, nicht auch später möglich sein kann. Das könnte man zumindest einmal andenken.

Die Regelung der Rumpfmonate ist auch durchaus gut.

Die Erhöhung der Zuverdienstgrenze um 25 € ist eine nette Geschichte. Das ein­kommensabhängige Kinderbetreuungsgeld wird immerhin um 300 € erhöht. Der Grund dafür, dass wir dagegen sind, ist, dass wir immer gegen diese Zuverdienstgrenze waren. Wir haben immer gesagt: Weg mit der Zuverdienstgrenze! Die Befürchtung, die von den Regierungsparteien schon des Öfteren geäußert worden ist, dass dann die Väterbeteiligung weniger wird, teile ich wirklich nicht. Auch Professor Mazal hat nicht erst einmal gesagt, dass diese Zuverdienstgrenze keinerlei Lenkungseffekt hat.

Es stellt sich die Frage – noch einmal –, ob wir wirklich fünf Modelle brauchen. Schauen wir uns an, was die beliebtesten Varianten sind! – Die beliebteste Variante ist die längste, 30 plus 6, mit 43,7 Prozent, die zweitbeliebteste ist 20 plus 4 mit 26 Prozent, und die dritte ist das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld mit 18,53 Prozent, Tendenz steigend. Die anderen Varianten finden sich eigentlich auf den letzten Plätzen. 15 plus 3 Monate: 6 Prozent, 12 plus 2: 5,7 Prozent, die das in Anspruch nehmen.

Man könnte sich also schon überlegen, ob man sich nicht auf die drei Varianten, die am beliebtesten sind, konzentriert und die anderen zwei vielleicht außen vor lässt. Allerdings finde ich es nicht nur interessant, sondern auch bedauerlich, dass immer wieder diese Langzeitvariante von der Abschaffung bedroht ist. Wenn darüber geredet wird, ob man vielleicht die Anzahl der Varianten kürzt, dann ist immer die Lang­zeitvariante im Spiel. Und das ist Grund für mich – eine Kritik, die wir heute schon einmal geübt haben und wo wir uns ein bisschen in die Haare gekommen sind –, Ihnen zu sagen: Sie bekommen als Regierung nicht mit, was die Leute wollen!

In Ihrer eigenen Jugend-Monitoring-Studie sagen die jungen Menschen, ja, sie wollen länger bei den Kindern zu Hause bleiben, aber jedes Mal ist die Langzeitvariante die


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am heftigsten bekämpfte. – Das verstehe ich überhaupt nicht. Warum schaffen wir nicht ein Modell, mit dem wir den Eltern wirklich die Möglichkeit geben, lange genug bei den Kindern bleiben und dann auch wieder in den Beruf zurückkehren zu können? Bei jedem Arbeitslosen, bei jedem Umschuler können wir das, und wenn eine Mutter länger bei ihrem Kind bleiben will, soll das plötzlich nicht gehen. – Das kann mir niemand wirklich nachhaltig erklären.

Das heißt, wir wollen die Langzeit-Variante behalten, und – das ist im Nationalrat auch schon gesagt worden – wir wollen eine Valorisierung der Familienleistungen, denn das findet – bis auf einmal – eigentlich so gut wie nicht statt.

Wir finden, dieses ewige Herumdoktern bringt nicht viel. Einigen wir uns einmal auf etwas, was länger Bestand hat, aber drehen wir nicht alle zwei, drei, vier Sitzungen ein bisschen an diesem Gesetz herum! (Beifall bei der FPÖ.)

20.20


Präsident Edgar Mayer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.20.03

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Bevor ich auf die Gesetzesvorlage betreffend das Kinder­betreuungsgeld zu sprechen komme, nur einige Worte zu meiner Vorrednerin. Wenn ich höre, dass es ein „Reparaturgesetz“ ist, dass das Gesetz schon im Jahr 2002 eingeführt worden ist und Sie nicht verstehen, warum wir jetzt dafür sind, sage ich: Es hat Mut zum Verändern gegeben. Es hat Mut gegeben, den Leuten zuzuhören – was Sie uns absprechen, was aber getan wird –, es hat Mut zur Veränderung gegeben, und daher können wir auch hinter diesem Gesetz stehen.

Es hat mich nicht viel Mühe gekostet, von neun Beschlüssen, die wir heute noch fassen, findet nur einer Ihre Zustimmung. (Bundesrätin Mühlwerth: Stimmt ja über­haupt nicht! Das ist einfach unwahr! Was reden Sie da?) – Ich frage mich, ob Sie zuhören können! Aber dazu wollte ich eigentlich gar nicht so viel sagen, sondern lieber viel mehr zur tollen Familienförderung, die wir in Österreich haben.

Wir sind spitze in Österreich, wir sind bei der Familienförderung wirklich sehr, sehr gut. Heute geht es um eine Novelle, die eine Verbesserung und eine Vereinfachung bringt. Auf der Homepage des Bundesministeriums, wo man auch die Monatsstatistiken ablesen kann, steht, dass es im März 2013 134 107 Personen gegeben hat, die Kin­der­betreu­ungsgeld bezogen haben, davon 12 824 Personen, die das einkommens­abhängige Kindergeld bezogen haben. Ich denke, das zeigt, dass das Familien­ministe­rium sehr wohl dort ansetzt, wo es die Familien in Österreich auch brauchen, wo wir ihnen wirklich helfen können.

Zur Verbesserung und Vereinfachung, die wir heute beschließen:

Erstens kann man in Zukunft, wenn man seine Entscheidung für ein Kinder­betreu­ungsmodell ändern will, innerhalb von 14 Tagen wechseln, aber das ist schon ein paar Mal gesagt worden. Am 27. Oktober 2012 hat der Bürgeranwalt aufgezeigt, dass sich eine Familie beschwert hat, weil sie eben nicht wechseln konnte. Darauf ist jetzt Rücksicht genommen worden, es ist – weil wir auf die Menschen hören – wirklich eine Verbesserung herbeigeführt worden.

Zweitens erfolgt eine Vereinfachung beim Zuverdienst – auch das hat mein Vorredner schon gesagt –, nämlich eine Erhöhung der Zuverdienstgrenze und eine Verbesserung bei der Durchsetzung eines strittigen Anspruches.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 192

Es gibt noch einige Probleme, zu denen man sich noch etwas überlegen muss, zum Beispiel wenn Firmen unerwartet in Insolvenz gehen, wenn unberechtigte Kündigungen oder Entlassungen ins Haus stehen oder wenn der Krankengeldbezug länger als 14 Tage dauert.

Krisenpflegeeltern haben zurzeit auch keinen Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld, aber darüber werden wir noch nachdenken, und ich bin ganz sicher, dass wir auch da Lösungen finden werden.

Die Langzeitvariante beim Kinderbetreuungsgeld betreffend – Frau Mühlwerth hat es schon gesagt – sagt auch die Industriellenvereinigung, dass wir darüber nachdenken sollten, ob es nicht vernünftiger wäre, diese abzuschaffen. Da sie aber viele Menschen wollen, gibt es diese Variante noch, und wir stehen auch dazu.

Die Väterbeteiligung ist durch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld, das eingeführt wurde, gesteigert worden.

Die starke und große Nachfrage an Betreuungsplätzen ist natürlich etwas, worauf Rücksicht genommen wird, aber dazu kommen wir noch im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunktes.

Ich denke, dass meine Fraktion für diese Gesetzesänderung ein klares Bekenntnis abgibt. Ich möchte Ihnen, Herr Minister, zu Ihrer Arbeit und zu diesem Gesetzentwurf gratulieren, denn ich glaube, damit können wir vielen Familien in Österreich dort helfen, wo sie es auch brauchen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

20.23


Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter-lehner. – Bitte, Herr Minister.

 


20.23.54

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mittlerweile über 70 Novellen des ASVG, und niemand würde in dem Zusammenhang, wenn es um Weiterentwicklungen geht, sagen, das sei ein Reparaturgesetz. Daher muss ich sagen, ich bin enttäuscht, wenn Sie das als Reparaturgesetz bezeichnen, denn im Endeffekt ist das Gesetz insgesamt rund zehn Jahre alt, und was wir machen, sind lauter Verbesserungen in der Anwendung.

Meine Vorrednerin hat noch einige weitere Punkte angesprochen, worüber man disku-tieren kann, ob man das nicht auch entsprechend berücksichtigen sollte, was auf der anderen Seite aber zur Folge hätte, dass wir dann eher keine Vereinfachung haben, sondern eine weitere Komplikation, wenn man allen Lebensverhältnissen, allen Gegebenheiten in der Anwendung entsprechen möchte.

Sie haben über die Beliebtheit der Varianten und die Inanspruchnahme der Varianten gesprochen. Dazu muss ich Ihnen sagen, das ist nicht unbedingt der Maßstab dafür, ob das auch wirklich die geeignetste Umsetzung ist. Die Langzeit-Variante hat mittler­weile eine starke Tendenz nach unten. Früher galt mehr als die Hälfte aller Inanspruch­nahmen der Langzeit-Variante, die aber das Problem aufweist, dass es zwar mög­licher­weise beliebt ist, möglichst lang von der Firma weg zu sein, was aber den Wiedereintritt in das Unternehmen entsprechend erschwert, weil dann möglicherweise ein anderer Verlauf in den Unternehmungen gegeben ist und keine Einbindung während der Kinderbetreuungstätigkeit erfolgt ist. Dann ist es gar nicht so einfach, wieder einzusteigen. Die kürzeren Varianten sind darüber hinaus auch die, die Verein­barkeit von Familie und Beruf besser gewährleisten.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 193

Ich würde sagen, wenn wir jetzt schon fünf Varianten haben, schauen wir uns an, wie der Ausbau der Kinderbetreuung insgesamt funktioniert.

2015/2016 – wir ziehen jetzt vor – wird der Staat sich überlegen müssen, ob wir wirklich noch alle Varianten brauchen, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass wir auf der einen Seite Kinderbetreuungsgeld zahlen und auf der anderen Seite Gratis-Kindergarten und ‑Kinderkrippen anbieten. Es soll durchaus eine gewisse Wahlfreiheit möglich sein, aber beides wird wahrscheinlich nicht das Optimum darstellen. Ich nehme an, dass dann, wenn die Barcelona-Quoten wirklich erfüllt sind, auch eine berechtigte Grundlage dafür gegeben ist, eine sachliche Entscheidung zu treffen. Bis zu dem Zeitpunkt sind die fünf Varianten meiner Meinung nach tolle Angebote. Die Inanspruchnahme – soeben erwähnt – in über 133 000 Fällen bestätigt auch, dass wir richtig liegen.

Zu den konkreten Verbesserungen.

Die 14-Tage-Regelung ist eine konkrete Hilfestellung, denn natürlich hat der jeweilige Bezieher – in dem Fall meistens Bezieherin – das Interesse, mit Bekannten und Ver­wandten abzuklären, ob das auch wirklich die beste Entscheidung ist. Wenn man gerade unterschrieben hat und dann möglicherweise in den nächsten Tagen erfährt, es wäre vielleicht eine andere Variante besser, ist diese Fristerstreckung eine echte Hilfestellung. Dass wir das auf die gesamte Zeit ausdehnen und damit Unsicherheit für alle Betroffenen schaffen, das halte ich für eher problematisch. Aber auch darüber wird man eventuell diskutieren können, wenn sich wirklich die Lebensverhältnisse so gravierend ändern, dass ein komplett anderer Sachverhalt vorliegt. Sei’s drum.

Alle anderen Dinge, die wir entwickelt haben, was vor allem die Absicherung betrifft, wenn jemand ein Gerichtsverfahren anstrengt – vorher hat er gar nichts bekommen, mittlerweile erhält er eine entsprechende Pauschalabdeckung –, finde ich nur gerecht und ergeben eben, dass eine bestimmte Abdeckung vorhanden ist.

Sie haben die Anhebung der Zuverdienstgrenze angesprochen und kritisiert. Ich weiß nicht, ob Sie sich wirklich damit auseinandergesetzt haben. Der Hintergrund ist eben, dass das immer in bestimmten Abständen an die Geringfügigkeitsgrenze angepasst und abgerundet oder aufgerundet wird, um eine bestimmte Orientierung zu haben. Das ist der ganze Hintergrund.

Auch bei der Änderung der Zuverdienstberechnung gilt Ähnliches – auch eine Verein­fachung und eine Verbesserung.

Ich glaube, dass wir wirklich gut ausgestattet sind, was Kinderbetreuung anlangt, und auch eine solide Wahlmöglichkeit haben. Ich würde mir daher wünschen, nicht von Reparaturen, sondern von konkreten Verbesserungen zu reden. Ich hoffe, dass Sie dem alle zustimmen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

20.28


Präsident Edgar Mayer: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 194

20.28.5920. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (2335 d.B. und 2430 d.B. sowie 9030/BR d.B.)

 


Präsident Edgar Mayer: Nun kommen wir zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. Ich bitte um den Bericht.

 


20.29.23

Berichterstatterin Sonja Ledl-Rossmann: Der Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen liegt schriftlich vor; ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.30.17

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich kann Ihnen heute die Wünsche leider nicht erfüllen, vielleicht ein anderes Mal wieder. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab. – Abg. Stadler – in Richtung ÖVP –: Spar dir die Meldungen!)

Frau Kollegin Posch-Gruska, Pisa lässt grüßen! Wir stimmen von den neun Tages­ordnungspunkten bei vier Punkten zu, nicht bei zwei, wie Sie gesagt haben. (Bundesrätin Posch-Gruska: Dann reden Sie bei drei!) Das ergibt sich aber einfach daraus, dass man sich nur die Rednerliste anschaut und nicht darauf achtet, dass da einige Punkte unter einem abgehandelt werden. (Bundesrätin Posch-Gruska: Stimmt!) So kann man natürlich zu diesem Ergebnis kommen. (Bundesrätin Posch-Gruska: Okay!) – Okay. Ja, aber trotzdem. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska.)

Ja, schon, aber ihr steht auch immer so gerne am Rednerpult, und das kommt dann immer so rüber. Also müsst ihr halt damit leben, dass das dann auch zurückkommt. (Bundesrätin Posch-Gruska: Wir meinen das ernst, wenn es so rüberkommt!)

Seit 2009 gibt es den verpflichtenden Gratiskindergarten. Dieser soll eine sprachliche Frühförderung der Kinder bewirken beziehungsweise verstärken. Das ist durchaus in Ordnung und wichtig. Das, was wir jedoch immer kritisiert haben – und ich glaube, da bin ich, soweit ich das von früheren Aussagen noch im Gedächtnis habe, nicht ganz allein –, ist, dass das alle zwei Jahre neu verhandelt werden muss.

Außerdem wollten wir den verpflichtenden Kindergarten nicht so haben, wie er dann gekommen ist. Wir haben immer gesagt, verpflichtend für jene, die sprachliche Defizite


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haben, ob Kinder von Zuwanderern oder Inländern, denn es gibt auch inländische Kinder mit sprachlichen Defiziten.

Ansonsten sind wir immer für die Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung eingetreten, nämlich auch das Recht zu haben, sein Kind nicht in einen Kindergarten zu schicken – selbst dann, wenn wir uns im Grunde einig sind, dass es für die Kinder ganz gut ist, wenn sie ein Jahr vor der Schule in den Kindergarten gehen. Aber ich denke, Eltern haben das Recht, das nicht in Anspruch zu nehmen.

Wie auch beim vorigen Punkt plädiere ich auch da nach wie vor dafür, den Frauen die Möglichkeit zu geben, länger bei ihren Kindern zu bleiben, nicht immer diesen Druck auszuüben, der dann politisch kommt, indem man sagt, wenn ihr nicht sofort an den Arbeitsplatz zurückkehrt, dann wird das nichts mehr, dann kriegt ihr nicht mehr den entsprechenden Arbeitsplatz. Die Karriereleiter wird ständig bemüht, aber man könnte ja auch einmal darüber nachdenken, ob eine Karriere ein bisschen später beginnen könnte, ob das schon mit Anfang/Mitte/Ende 20 sein muss.

Kollegin Gartelgruber hat im Nationalrat einen Antrag nach dem Berndorfer Modell eingebracht, das wir durchaus spannend gefunden haben, wo ein ÖVP-Bürgermeister gemeint hat, warum nicht Frauen, die ihre Kinder selbst betreuen, auch eine Art Zuschuss bekommen sollen – was übrigens auch die ursprüngliche Idee unseres Kinder­betreuungschecks war.

Das ist natürlich in Bausch und Bogen abgelehnt worden, aber das haben wir ohnehin erwartet. Schade eigentlich, denn nicht nur wir finden das interessant, sondern auch andere.

Wir sehen, dass Wahlfreiheit für Sie nicht das Thema ist, auch wenn Sie das immer wieder betonen. Das ist wirklich sehr bedauerlich. (Bundesrätin Mag. Kurz: Das ist ja keine echte Wahlfreiheit!)

Wir finden es nach wie vor richtig, dass Familien unterstützt werden, egal, wie sie sich entscheiden. Da scheiden sich halt die Geister: Sie wollen die eine Richtung, wir wollen eine etwas andere Richtung. Aber das Salz der Demokratie ist es, dass man darüber diskutiert und auch unterschiedlicher Meinung ist.

Übrigens möchte ich noch etwas anmerken, weil es ja oft so rüberkommt, als ob die Kinderbetreuungsstätte das einzig Wahre wäre für kleine Kinder, nur dort würden sie etwas lernen, nur dann würden sie gut gedeihen und nur dann würden sie später auch bessere Bildungsabschlüsse erreichen: Eine amerikanische Studie besagt genau das Gegenteil. Sie sagt, je früher die Kinder auf einen Kinderbetreuungsplatz kommen, umso schlechter entwickeln sie sich. (Bundesrätin Mag. Kurz: Na geh!)

Das sind eben zwei Modelle, die wir immer wieder diskutieren und die wir noch ein paar Mal diskutieren werden. Das ist auch gut so. Wir werden halt in diesem Fall nicht dafür sein. (Beifall bei der FPÖ.)

20.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.34.43

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Mit der Verlängerung der Artikel-15a-Vereinbarung und den 70 Millionen € ist wieder ein richtiger Schritt in Richtung Investition in die Bildung von Kindern gesetzt worden, denn Investitionen in Kinder sind ein Wachstumspaket für die Zukunft. Ein herzliches Dankeschön dafür.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 196

Liebe Kollegin Mühlwerth, liebe Monika! Die Artikel-15a-Vereinbarung sieht Ausnah-memöglichkeiten vor, sodass man Kinder nicht unbedingt in das verpflichtende Gratis­kindergartenjahr schicken muss. Sie sollten sich vielleicht nicht so oft zu Wort melden, dafür aber die Berichte intensiver lesen.

Es geht aber, wie Sie gesagt haben, immer wieder um das Thema Verlängerung, um die zweijährige Frist. Wenn der Bundesminister das auf Bundesebene hätte, dann müsste er mit den Ländern kein Abkommen mehr schließen. Aber wir als Bundesrat, als föderalistische Kammer sind, denke ich, bestrebt, diesen Bereich auch in Zukunft föderalistisch abhandeln zu können.

Es hat sich in den letzten Jahren sicherlich viel verändert. Die Großfamilien sind nicht mehr vorherrschend, sondern das Thema ist einfach die alleinerziehende Mutter oder deren Arbeitstätigkeit. Dadurch wird es immer wichtiger, dass bei den Kindern eine entsprechende Frühförderung stattfindet.

Weitere Punkte sind natürlich auch die Zuwanderung, die Immigration von Menschen, die Sprachförderung, was auch in Bezug auf den Wirtschaftsstandort Österreich wichtig ist. Wir brauchen diese Menschen in Zukunft in unserem Wirtschaftsraum, in unserer Wirtschaft in Österreich.

Ein Beispiel aus Oberösterreich: Das Land Oberösterreich investiert in die Kinder­be­treu­ung im Jahr 2013 190 Millionen € aus Landesmitteln; Mittel fließen in den Personal­aufwand, in Kindergartenbetreuung, Sprachförderung, Fachberatung, Integration, Investitionsbeiträge gibt es auch für die Gemeinden.

Wie gesagt, dieser kostenfreie Gratiskindergarten kostet das Land Oberösterreich 46 Millionen €, was für die Eltern eine Ersparnis bedeutet, und zwar in Höhe von 1 000 € pro Jahr, was fast einem Monatsgehalt von Teilzeitkräften entspricht. Das ist eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Wer an der Jugend spart, der wird gesell­schaftlich verarmen. Somit sparen wir nicht an der Jugend, sondern wir investieren in die Jugend. Ich sage Danke schön, Herr Bundesminister, dafür, dass Sie diese 70 Millionen in den kommenden Jahren wieder zur Verfügung stellen. Und wir stimmen natürlich gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.37.43

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich wieder darauf eingehen soll, aber ich probier’s ganz kurz.

Wahlfreiheit gibt es, wie mein Vorredner ohnehin schon gesagt hat. Man braucht nicht darüber zu diskutieren, dass die FPÖ sagt, wir seien für die Verpflichtung. Es gibt auch jetzt die Möglichkeit einer Befreiung. Das heißt, die Kinder müssen nicht in die Kinder­betreuung gehen, aber wir stehen zu den Kinderbetreuungseinrichtungen, weil es notwendig ist. Kinder brauchen Kinder, Kinder brauchen den Kontakt, Kinder brauchen den sozialen Kontakt, und das können sie in Kinderbetreuungseinrichtungen ent­scheidend lernen. Daher werden wir das auch unterstützen.

Dazu, dass man von Verpflichtung spricht und davon, dass wir Kinder zwingen, in den Kindergarten zu gehen, muss ich sagen, das ist schon so althergebracht, dass es nicht mehr notwendig ist, dass wir uns das anhören.

Die Vereinbarung wird jetzt mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung und den 70 Millionen € wiederum fortgeführt. Ich habe schon in meinem letzten Redebeitrag darauf hinge-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 197

wiesen, was eine Artikel-15a-Vereinbarung bedeutet: Das heißt, mit viel Verhandlungs­geschick in vielen Besprechungen viele verschiedene Partner und Partnerinnen, die an einem Tisch sitzen, zu einem gemeinsamen Ganzen zu bringen. Auch hier ist es wie-derum gelungen. Heute verlängern wir das.

Dies bedeutet auch eine Aufwertung für die Kinderbetreuungseinrichtung Kindergarten. Dies ist die erste Bildungseinrichtung. Diese ist wichtig für die Kinder. Und diese Kinderbetreuungseinrichtung leistet eben mehr als eine Familie leisten kann. Es gibt die motorische Förderung, es gibt die soziale Förderung, die sehr wichtig ist. Es gibt die sprachliche Förderung, aber es gibt in der Kinderbetreuungseinrichtung auch die sprachliche Vielfalt, die sehr notwendig ist.

Was geschieht noch mit Hilfe dieser 70 Millionen €, die jetzt jährlich kommen? – Ich bin Bürgermeisterin einer Gemeinde und eigentlich schon sehr dankbar dafür, dass wir, wenn noch Geld übrig bleibt, die Gruppengröße wiederum etwas reduzieren können, dass wir eine Verbesserung beim Betreuungsschlüssel haben, dass wir eine zusätz-liche Qualifizierung von Kindergartenpersonal mit diesem Geld ermöglichen können und dass wir Stützmaßnahmen für Kinder mit Behinderungen mit diesem Geld organisieren können.

Das heißt, diese Artikel-15a-Vereinbarung ist nicht nur auf eine sprachliche Förderung ausgelegt, sondern diese Artikel-15a-Vereinbarung ist wirklich so ausgelegt, dass sie für die erste Bildungseinrichtung, die sehr, sehr wichtig ist, sehr viele neue Möglich-keiten bietet.

Das heißt aber auch, dass es somit gleiche Bildungschancen für die Kinder gibt und dass die Kinder eine gleiche Ausgangslage haben, wenn sie den Kindergarten ein Jahr vor Schuleintritt besuchen. Sie können somit mit gleichem Bildungsstand in die Schule eintreten. Auch das ist etwas, worüber ich wirklich sehr froh bin, dass wir es erreichen konnten.

Ich habe es in meinem ersten Redebeitrag schon gesagt, Österreich ist Spitzenreiter, nicht nur, was die finanzielle Unterstützung betrifft, sondern auch dann, wenn es um Kinderbetreuungsplätze geht. Ich komme aus einem Bundesland, aus dem Burgen­land, wo ich sagen kann, wir sind bei der Kinderbetreuung Spitzenreiter, was mich natürlich sehr freut. Es ist dem Ministerium dafür zu danken, dass die Sachleistungen verbessert werden. Was das Geld betrifft, waren wir früher sowieso im Spitzenfeld, sind aber jetzt auch bei den Sachleistungen, was die Kinderbetreuung direkt betrifft, heißt Kinderkrippen, Kindergärten, Nachmittagsbetreuung, sehr, sehr gut unterwegs.

Qualitätsstandards: Ich weiß, dass auch Sie darüber diskutieren, dass das auch im Ministerium ein Thema ist. Auch mir ist es ein Anliegen, auch meiner Fraktion ist es ein Anliegen, dass Qualitätsstandards österreichweit eingeführt werden, damit wir in dieser ersten Bildungseinrichtung auch einen gemeinsamen Schritt setzen und die Bedeutung hier auch noch unterstreichen können.

Wir, die SPÖ, werden diesem Gesetz sehr, sehr gerne zustimmen. Wir werden es aber nicht zulassen, auch wenn die FPÖ das noch so oft verlangt, dass man unsere Kinder aus dem Bildungssystem herauskauft. Dem werden wir uns immer entgegenstellen, aber diesem Gesetz mit Freude zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Köberl. – Bitte, Frau Kollegin.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 198

20.41.53

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja schon sehr viel gesagt wor­den, und ich möchte die Debatte nicht unnötig in die Länge ziehen, aber ich möchte in diesem Bereich auf einen ÖBIG-Bericht hinweisen, der im Auftrag des Bundesminis­teriums für Gesundheit, des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversiche­rungs­träger und des Gesundheitsressorts des Landes Steiermark erstellt wurde und eine Gesundheitsfolgenabschätzung zum verpflichtenden Kindergartenjahr zum Inhalt hat. Das Ziel dieser Gesundheitsfolgenabschätzung war die Identifizierung und Analyse möglicher positiver sowie negativer Gesundheitsauswirkungen eben dieser Artikel-15a-Vereinbarung zum verpflichtenden Kindergartenjahr mit besonderem Fokus auf die Gesundheit der Kinder im Sinne des umfassenden Gesundheitsbegriffes der WHO. 

In seiner Gesamtbewertung kommt dieser wissenschaftliche Bericht zu dem Schluss, dass das verpflichtende Kindergartenjahr potenziell eine Reihe von meist langfristig wirksamen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder hat. Ich zitiere aus dem Bericht:

„Besonders relevant sind die positiven Auswirkungen auf die Bildungspotenziale der Kinder, da frühkindliche institutionelle Bildung einen Beitrag zur Förderung der sozia­len, kognitiven, sprachlichen, emotionalen sowie motorischen Kompetenzen leistet.“ 

Es gibt auch sehr viele andere Studien, die besagen, dass Bildung ein zentraler Einf­lussfaktor auf unsere Gesundheit ist. 

Aus dieser Studie geht eindeutig hervor, dass die positiven Auswirkungen bei sozial benachteiligten Gruppen besonders stark sind und der verpflichtende Besuch daher auch einen Beitrag zur Reduktion von gesundheitlichen Ungleichheiten leistet. Die Studie weist auch darauf hin, dass die Investitionen in diesem Bereich einen hohen gesundheitlichen, gesellschaftlichen und ökonomischen Langzeitnutzen haben. Die Kinder erwerben im Kindergarten Kompetenzen im Zusammenhang mit Zahngesund­heit, Hygiene und Ernährung, und das regelmäßige Bewegungsangebot im Kinder­gartenalltag hilft auch, die motorischen Fähigkeiten zu steigern und Adipositas vorzu­beugen.

Dass der Kindergarten die soziale Integration der Kinder unterstützt, hat meine Vorred­nerin bereits gesagt.

Maßnahmen wie das verpflichtende Kindergartenjahr verbessern also die Bildungs­chancen unserer Kleinsten, haben damit langfristig positive Effekte auf deren Gesund­heit und können als nachhaltige Investitionen mit hohem gesellschaftlichem und volkswirtschaftlichem Nutzen gesehen werden, und das noch dazu zum Wohle unserer Kinder und Enkelkinder. Deshalb stimmen wir dieser Vereinbarung gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte, Herr Minister.

 


20.44.54

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Durchsicht der Redner­liste von heute Nachmittag ist mir eines aufgefallen: Ich habe Herrn Krusche mit einem anderen Kollegen verwechselt und falsch angesprochen. Tut mir leid! (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Ist Ihnen das nicht aufgefallen? (Bundesrat Krusche: Sie


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 199

haben sonst auch noch ein paar Sachen verwechselt, aber das macht nichts! – Heiterkeit.)

Herr Kollege, diesen Eindruck habe ich eigentlich nicht gehabt (Bundesrätin Mühlwerth: Wir schon!), und ich möchte die Debatte nicht wieder aufwärmen. Ich habe eher den Eindruck gehabt, dass Sie sich da durchgängig in einem falschen Themenbereich bewegt haben.

Ich darf aber jetzt zu diesem Thema kommen und freue mich, dass wir da eine sehr wichtige Thematik und eine sehr positive Lösung fortsetzen können. Wir haben die Vereinbarung seit dem Jahr 2009/2010 gehabt, was das Kindergartenjahr anlangt, das für alle Fünfjährigen als Verpflichtung eingeführt wurde, mit einer Ausnahmemög­lichkeit, wenn es notwendig ist. Im Endeffekt war das eine gute Voraussetzung wofür? – Dass wir einfach den Kindern, die entsprechende Sprachdefizite gehabt haben, im Kindergarten die Möglichkeit gegeben haben, ihre Deutschkenntnisse ent­sprechend zu verbessern, aber nicht nur das, sondern sich auch sozial zu integrieren.

Das Problem ist ja, dass viele Familien nur ein Kind haben, Kinder aber Kinder brauchen. In diesem Fall hat der Kindergarten für die soziale Eingliederung, für die Integration besondere Bedeutung. Im Endeffekt leben Kinder – mit wenigen Aus­nahmen – ja ihr Leben lang nicht in der Familie, sondern in der Gesellschaft. Die Integration hat daher einen ganz wichtigen Stellenwert.

Das kann man auch bei einer Evaluierung nachvollziehen. Wir haben zwischen den Jahren 2008 und 2011 einen Anstieg des Anteils der Fünfjährigen mit nichtdeutscher Umgangssprache in Kindergärten von 23,9 auf 26,5 Prozent gehabt. Das ist eine positive Entwicklung, die wir dann auch in der Gesellschaft spüren werden, weil man hier sicherlich die Solidarität, die Gemeinsamkeit mehr im Vordergrund hat.

Die Verlängerung kostet den Bund 140 Millionen €. Kollege Tiefnig hat es ange­sprochen, ich zahle dies ja nicht aus meiner eigenen Tasche, von meiner Weihnachts­remuneration (Bundesrat Kneifel: Das ginge sich nicht aus!), sondern der Bund geht eigentlich in Richtung der Länder. Ich finde das schon sehr positiv, wobei wirklich auch immer der Vorwurf oder manchmal das Gerücht da ist, die Stadt Wien würde über­dimensional von diesen Zahlungen profitieren. – Das ist nicht der Fall, denn die Zweckzuschüsse werden nach dem jeweiligen Anteil der kindergartenpflichtigen fünfjährigen Kinder pro Bundesland verteilt. Daher gibt es keine Bevorzugung eines Landes.

Es ist auch gerade von der Vorrednerin darauf hingewiesen worden, dass dort, wo die Mittel nicht zur Gänze gebraucht werden, weil der Ersatz der Elternbeiträge durch niedrigere Beiträge in den jeweiligen Ländern niedriger ist und dadurch Mittel frei werden, auch verwendet werden kann für qualitative Umsetzungen. Gerade diese qualitativen Umsetzungen – Betreuungsgröße, Gruppengröße und auch anderes wurde genannt –, und damit die Qualität werden in der Zukunft, nachdem wir quan­titativ ausgeweitet haben, immer wichtiger. Daher glaube ich, dass wir da eine sehr gute Entwicklung haben, und hoffe auf Ihre Unterstützung.

Zwangsverpflichtung und Ähnliches kann ich dem nicht entnehmen. Das ist eine sehr, sehr bewährte Maßnahme und muss daher fortgesetzt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 200

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.48.5021. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (WKG-Novelle 2013) (2309/A und 2390 d.B. sowie 9031/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und das Ziviltechnikerkam-merge­setz 1993 geändert werden (2310/A und 2391 d.B. sowie 9032/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe (Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 – BiBuG 2014) (2308/A und 2392 d.B. sowie 9033/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 21 bis 23 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 21 bis 23 ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um die Berichte.

 


20.49.16

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Herr Minister! Der Bericht des Wirt­schaftsausschusses über die WKG-Novelle 2013 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zweitens: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhand­berufsgesetz und das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert werden.

Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz über die Bilanzbuchhaltungsberufe.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antrag-stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 201

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


20.50.32

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle drei Gesetzesmate­rien –TOP 23, 22 und 21  – sind eigentlich im Grund genommen sehr vernünftig, weil sie Vereinfachungen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 betreffen.

Bei Beschwerden gegenüber Bescheiden ist ein Instanzenzug im Rahmen der neu geschaffenen Landesgerichte möglich. Das ist der Objektivität sicherlich näher als Berufungen gegenüber der Kammer, wie es bisher üblich war.

Übergeordnet ist diesen drei Gesetzen, wie gesagt, die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012.

Ich beginne beim TOP 23, der die Bilanzbuchhaltungsberufe betrifft. Dabei ist vielleicht interessant, dass von den Angehörigen der Bilanzbuchhaltungsberufe ja auch Steuer­beratungstätigkeiten ausgeübt werden dürfen.

Heute bei der Behandlung der Dringlichen Anfragen haben wir ja, wenn ich mir einen kurzen Exkurs erlauben darf, über die Staatsverschuldung und über die Auflösung von Rücklagen gesprochen und darüber, dass diese budgetneutral seien. Es gibt ja die implizite und die explizite Staatsverschuldung. Wir haben uns bekanntlich vor kurzer Zeit von der Kameralistik verabschiedet. Daher werden die Bilanzbuchhalter auch in Ihrem Ministerium ein- und ausgehen, sehr geehrter Herr Minister, weil Sie die Rück­lagen verbuchen müssen. Wenn Sie Rücklagen auflösen und damit zum Beispiel Förderungen ausschütten, sind das Ausgaben – das muss man einfach zur Kenntnis nehmen –, außer Sie schaffen andere Aktiva, indem Sie zum Beispiel irgendwelche Assets kaufen, dann ist es budgetneutral. Das sollte man also korrekt differenzieren.

Zurück zum Thema: Die Änderung des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes ist in weiterer Folge auch auf die schon erwähnte Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle zurückzuführen.

Zu TOP 23 muss man noch dazusagen, dass 8 000 Mitglieder in die Wirtschafts­kammer aufgenommen werden. Das ist auch förderlich im Sinne der Effizienz, im Sinne einer schlankeren Struktur und im Sinne einer einheitlichen Zertifizierung dieser Berufsgruppe der Wirtschaftstreuhänder, die ja alle umfasst.

Beim TOP 21, der WKG-Novelle 2013, wären wir gerne dafür, weil das ja auch die The­matik der Verwaltungsgerichtsbarkeit betrifft, aber da haben sich leider Gottes in der Gesetzgebung einige Punkte eingeschlichen, die wir Freiheitliche nicht so gerne übernehmen wollen.

Das ist für uns auch deswegen interessant, weil FPÖ pro Mittelstand, die freiheitliche Wirtschaft in Wien, ja jetzt de facto – nicht de jure, aber de facto – im Wirtschaftspar­lament eine eigene Fraktion bilden kann.

Die Sitzungen dort sind sicherlich interessant, und ein unternehmerischer Diskurs, eine Disputation auf einem angenehmen Niveau ist bestimmt spannend. Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt diese eigene Fraktion geschafft haben.

Der Punkt, der noch anzusprechen ist, betrifft jene Mitglieder, die weniger als 31 Tage im Kalenderjahr Mitglied sind und keinen Mitgliedsbeitrag zu zahlen haben. – Das ist gut und schön, aber im Ausschuss konnte mir die Frage nicht beantwortet werden, ob diese Mitglieder, die nur 31 Tage im Kalenderjahr Mitglied sind und keinen Mitglieds-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 202

beitrag zahlen, 2015 auch wahlberechtigt sind. Sollte das so sein, halte ich das nicht gerade für, wie soll ich sagen, objektiv, weil jeder, der wahlberechtigt ist, seine Mit­glied­schaft auch bezahlen sollte.

Wie auch immer, wir würden gerne eine Antwort auf die Frage bekommen, ob diese Mitglieder im Wahljahr 2015 bei der Wirtschaftskammerwahl wahlberechtigt wären.

Wie gesagt, im Grunde genommen würden wir allen Gesetzen gerne zustimmen, weil sie vernünftig klingen und die Wirtschaftskammer ja, was die Serviceorganisation betrifft, eine gute Institution ist.

Was die Wirtschaftspolitik anbelangt, habe ich ja heute schon meine Kritik ange­bracht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


20.54.58

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie schon von Herrn Pisec aus­geführt, geht es bei den vorliegenden Novellen in erster Linie um die Anpassung der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Es sind administrative Änderungen im Instanzenzug notwendig. Die Wirtschaftskam­mergesetz-Novelle reagiert auf die neu geschaffene Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz insofern, dass nunmehr sämtliche innerhalb der Wirtschaftskammer­organi­sa­tion bestehenden oder direkt zum Bundesminister führenden Instanzenzüge entfallen.

Gegen Bescheide der jeweiligen Verwaltungsbehörde erster Instanz wird nunmehr nur noch das zuständige Verwaltungsgericht angerufen werden können.

In dieser Novelle finden sich darüber hinausgehende notwendige und sinnvolle Maß­nahmen, so auch Suspendierungsbestimmungen für Funktionäre. Funktionäre sind bis zum Abschluss eines Strafverfahrens zu suspendieren, wenn über sie eine Unter­suchungshaft verhängt wird oder gegen sie eine rechtswirksame Anklageschrift wegen eines Vorsatzdeliktes, welches mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist, vorliegt.

Diese Bestimmung orientiert sich an den Bestimmungen für Beamte und ist daher uneingeschränkt zu unterstützen.

Weiters zu begrüßen ist die Neuregelung, dass das erweiterte Präsidium der Wirt­schaftskammer Österreich die Möglichkeit hat, in Anrechnung der Sondersituation von Alten- und Pflegeheimen die Umlage niederer zu bemessen, da diese teilweise aus öffentlichen Mitteln der Sozialhilfe finanziert werden.

Die 31-Tage-Kulanz wurde im Ausschuss sehr wohl besprochen, und der zuständige Beamte hat gesagt, wenn die Mitgliedschaft in den Zeitraum fällt, der für die Bestim-mungen zur Wahlberechtigung relevant ist, dann dürfen diese Mitglieder wählen, liegt sie jedoch außerhalb dieser Frist, dann dürfen sie nicht wählen. – Das wurde im Ausschuss schon so besprochen.

Die zweite Novelle, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, enthält eine Überarbeitung der Behördenstruktur. Unverändert bleiben die Bestimmungen zum Berechtigungs­umfang des Bilanzbuchhalters, des Buchhalters und des Lohnverrechners.

Neu ist, dass alle Angehörigen der Bilanzbuchhaltungsberufe – es sind rund 8 000 – seit 1. Jänner 2013 Mitglieder der Wirtschaftskammer Österreich sind und keine


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 203

Wahlmöglichkeit mehr zwischen Kammer der Wirtschaftstreuhänder und Wirtschafts­kammer Österreich haben.

Die durchzuführenden Fachprüfungen als wichtigstes Zugangskriterium werden der Meisterprüfungsstelle übertragen.

Bei der dritten Novelle, mit der wir uns heute befassen, jener des Wirtschaftstreuhand­berufsgesetzes und des Ziviltechnikerkammergesetzes, handelt es sich im Wesent-lichen um die Anpassungen, die durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nötig wurden. Es wird dem Instanzenzug Rechnung getragen.

Ich bitte um Zustimmung für alle drei Novellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


20.58.23

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich darf mich bei diesen drei Gesetzesnovellen kurz halten.

Meine Vorrednerin hat ja alles gesagt – auch dass die Frage des Herrn Kollegen Pisec schon im Ausschuss behandelt wurde.

Die Grundlage für diese Gesetzesnovelle waren Initiativanträge im Nationalrat, be-gründet durch die Auswirkungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, die großteils den Wegfall beziehungsweise die Änderung von Instanzenwegen bei Beru­fungen gegen Bescheide betreffen. Weiters gibt es Änderungen in der Behörden­struktur und noch einige kleinere Anpassungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Partei wird diesen drei Gesetzesnovellen zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend eine Wirtschaftskammergesetz-Novelle 2013.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhand­berufs­gesetz und das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 204

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.00.5524. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (2337 d.B. und 2393 d.B. sowie 9034/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Emissionen aus Dampfkesselanlagen (Emissionsschutzgesetz für Kesselan­la­gen – EG-K 2013) erlassen wird (2321 d.B. und 2395 d.B. sowie 9035/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 24 und 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Tagesordnungspunkten ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


21.01.14

Berichterstatterin Anneliese Junker: Herr Präsident! Herr Wirtschaftsminister! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewer-beordnung 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag-stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundes-gesetz über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Emissionen aus Dampf­kesselanlagen erlassen wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stim-meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


21.02.39

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen werden gegen diese beiden Beschlüsse stimmen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 205

Gegen die beiden Beschlüsse generell ist eigentlich nichts einzuwenden. Uns geht es dabei um die Umsetzung der Industrieemissionen-Richtlinie. Die Industrieemissionen-Richtlinie ist schon in vielen unterschiedlichen Gesetzen im österreichischen Recht umgesetzt worden. Wir haben das im Plenum auch schon im Rahmen des Abfallwirt­schafts­gesetzes und des Wasserrechtsgesetzes behandelt, und wir haben wieder die gleichen Einwände: Prinzipiell bringt die Umsetzung dieser Richtlinie einige Verbes­serungen, zum Beispiel eben in Bezug auf Emissionsgrenzwerte, und auch die Um­weltinspektionen sind besser geregelt.

Ein einheitliches System für Umweltinspektionen aufzubauen, wäre generell ein sehr sinnvoller Schritt. Unser Einwand richtet sich jedoch dagegen, dass die Aarhus-Konvention nicht eingehalten und nicht umgesetzt worden ist. Es gibt also keine beziehungsweise keine ausreichende Parteistellung für Umweltschutzorganisationen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Aarhus-Konvention Völkerrecht ist und unbedingt umgesetzt werden müsste.

Was außerdem nicht umgesetzt worden ist, ist die grüne Forderung nach einem Energieeffizienzkonzept, das der Antragsteller erstellen muss, sodass Anlagen wirklich nur dann genehmigt werden, wenn auch wirklich eine effiziente Verwendung von Energie gewährleistet ist.

Daher von unserer Seite leider keine Zustimmung bei diesen beiden Tagesordnungs­punkten. (Beifall bei den Grünen.)

21.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


21.04.22

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Kollegin Schreyer, ein bisschen pingelig sind sie schon, die Grünen! Da machen wir eine Novelle, die an und für sich nichts Weltmeisterliches oder Weltbewegendes enthält, und es wird trotzdem wieder verzweifelt versucht, irgendetwas zu finden, das eine Zustimmung verhindert. – Aber lassen wir das!

Wenn man wirklich darüber diskutieren wollte, dann müsste man über den Wirt­schaftsstandort, über den Industriestandort Österreich diskutieren (Bundesrätin Mag. Schreyer: Das ist Völkerrecht!) und darüber, ob Sie dafür sind, in Österreich eine Deindustrialisierung zuzulassen. Was das für die österreichische Volkswirtschaft bedeuten würde? Es ist heute schon die voestalpine erwähnt worden. Das ist sicher das modernste Stahlwerk Europas – mit Abstand wahrscheinlich –, hat aber, wenn man dem Generaldirektor Eder auch nur ein bisschen glauben darf, schon jetzt gewisse Probleme, in Europa und auf dem Weltmarkt voll wettbewerbsfähig zu agieren. Das sollte bei diesen Novellen im Hinterkopf ein bisschen mitspielen, und man sollte sich vielleicht pro Österreich entscheiden.

Grundsätzlich, glaube ich, sind beide Novellen ja relativ unproblematisch. Schon die vorhergehende Novelle hat dazu geführt, dass man beim Gewerbe eine Haftpflicht­versicherung zu führen hatte. Wenn diese Haftpflichtversicherung nicht verfügt wird, dann geht es nun bis zur Gewerbeentziehung. Das ist, glaube ich, ein logischer Schritt.

In einer zweiten kleinen Änderung wurde klargestellt, dass auch im freien Gastgewerbe die Nebenrechte des Gastgewerbes erlaubt sind. Die Änderung betrifft aber auch die Pflichten wie das Verbot des Alkoholausschankes, was ja für die Jugendlichen, glaube ich, nicht ganz unwichtig ist, denn in den kleineren Lokalen oder Ständen ist es ja heute ein bisschen leichter, Alkohol ausgeschenkt zu bekommen, als in einer Voll­gastronomie.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 206

Im Bereich des Gastgewerbes – und das ist auch schon Schnee von gestern, wurde aber heute erwähnt – haben wir die Sonntagsöffnung der Drogeriemarktkette dayli mehr oder minder saniert.

Ich stehe nicht an, als Wirtschaftskämmerer dazu zu stehen, dass auch Unternehmer sich an Regeln zu halten haben. Ich möchte aber schon betonen, dass ich das Vorgehen für unfair erachte, wenn auch nur zur Hälfte stimmt, was Herr Haberleitner vor 14 Tagen in der Sendung „Im Zentrum“ von sich gegeben hat. Wie die GPA gegenüber seinem Unternehmen vorgegangen ist, obwohl er ja im Grunde angetreten ist, eine insolvente Firma – nämlich Schlecker – zu übernehmen und damit möglicher­weise hunderte, vielleicht tausende Arbeitsplätze zu sichern, finde ich zumindest unfair, wie auch immer man dazu stehen mag. Meiner Meinung nach geht man mit potenziellen Unternehmern und Arbeitgebern so nicht um.

Mit der Industrieemissionen-Richtlinie hat die Europäische Union Verpflichtungen für industrielle Tätigkeiten mit Verschmutzungspotenzial aufgestellt. Die Grundlage für dieses Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen ist also diese EU-Richtlinie.

Unsere Fraktion wird natürlich grosso modo zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

21.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Konrad. – Bitte.

 


21.07.37

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Perhab, die Gewerkschaft zu kritisieren, wo wir eigentlich auch mit kirchlichen Verbänden, mit dem ÖAAB und der FCG und anderen, glaube ich, unisono dafür sind, dass wir die Nachschärfung gerade bezüglich der Situation der Sonntagsöffnung jetzt vornehmen (Bundesrat Perhab: Nicht wegen der Sonntagsöffnung!), das ist ein bisschen grob, wenn du das so ansprichst. Ich finde, da sind wir an und für sich immer einer Meinung gewesen. (Bundesrat Perhab: Sind wir auch!) Es gibt auch eine dementsprechende Umsetzung, und ich halte die Kritik am ÖGB in diesem Sinne für unangebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird immer Nachschärfungen geben. (Bundesrat Kneifel: Du verwechselst das!) – Bitte? (Bundesrat Kneifel: Du verwechselst das! Er hat das Vorgehen der Gewerbebehörde gemeint gegenüber dem Haberleitner! Nicht wegen dem Sonntag!) Der GPA, hat er gesagt. Die GPA ist nicht die Gewerbebehörde, das ist die Gewerk­schaft der Privatangestellten. (Bundesrat Perhab: Aber nicht wegen der Sonntagsöff­nungszeiten, sondern wie sie den Haberleitner und die dayli behandelt haben! Das ist das! Das hab ich gesagt! Bundesrat Kneifel: Nicht wegen dem Sonntag! Der Sonntag steht außer Frage!) – Ich glaube, es ist doch das Recht der Gewerkschaft, wenn es um Interessen der Arbeitnehmer geht, diese zu vertreten, wie auch die Rechte der Wirtschaft von der Wirtschaftskammer und anderen Interessengruppen vertreten werden. (Bundesrat Kneifel: Freier Sonntag ist außer Obligo!)

Ich glaube, man sollte die Kirche im Dorf lassen und sich in der Frage der Sonntags­öffnung an dem in Österreich gut gelebten Konsens orientieren. (Bundesrat Kneifel: Arbeiten eh schon genug am Sonntag!) Dort, wo an Sonntagen wichtige Arbeit geleis­tet werden muss, stehen wir natürlich auch dazu. Das ist im Tourismus notwendig, das ist im Gesundheitsbereich notwendig, darüber brauchen wir gar nicht zu reden, und in vielen anderen Branchen. Aber ich glaube, gerade bei den Öffnungszeiten haben wir uns immer gut getroffen, und wir werden das hoffentlich auch in Zukunft so halten.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 207

Im Grunde genommen gäbe es bei den Umsetzungen dieser Richtlinie aus unserer Sicht nichts Negatives anzumerken. Es war ja zum Teil auch eine Initiative unseres Wirtschaftssprechers Christoph Matznetter.

Ich glaube, wir sollten in gut gelebter Partnerschaft diesen Weg weiter vorangehen.

Ich möchte kurz noch eine Replik machen auf die letzte Sitzung. Der Herr Minister hat damals gemeint, ich hätte unterstellt, dass wir die Gesetze machen. Wir machen sie nicht, aber wir halten in der Öffentlichkeit, nachdem wir ja dem Ganzen zustimmen, unseren Kopf dafür hin. Ich glaube, das ist ein gutes Gesetz, und mit ruhigem Gewissen halte ich meinen Kopf dafür hin. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Minister.

 


21.10.31

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich relativ kurz fassen. Im Endeffekt geht es bei beiden Novellen um entsprechende Präzisierungen, die erfor­derlich sind, weil wir bei der ersten die Industrieemissions-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Im Endeffekt haben wir die sogenannte IPPC-Richtlinie schon gehabt, und das wird zum Teil präzisiert, zum Teil ergänzt, weil einige weitere Anlagen dazuge­kommen sind, wie etwa im Bereich der Spanplattenindustrie oder der Holzkonser­vierung. Im Prinzip also keine administrative Verschärfung, sondern eine Präzisierung.

Es sind auch von dem Abänderungsantrag die gewerblichen Betriebsanlagen betrof­fen, wo eine wiederkehrende Selbstprüfung durch den Anlageninhaber enthalten ist, die sogenannten 82b-Verfahren, und auch die Umsetzung dieser Ladenöffnungsan­ge­legenheit insofern, als da das Gastgewerbe betroffen ist, weil da bestimmte Anpas­sungen notwendig waren.

Den Disput kann ich jetzt nicht bewerten, aber an sich war das nur eine konsequente Umsetzung und hat mit dem anderen Verhalten nichts zu tun. Ähnlich ist es auch, was die Kesselanlagen anbelangt.

Zu den Anmerkungen der Grünen betreffend Aarhus-Umsetzung und Verbindlichkeit: Das hat an sich mit diesem Thema nichts zu tun und ist nicht Angelegenheit unseres Ministeriums, sondern des Umwelt- und des Justizministeriums. Das ist also kein Argument für die Nichtzustimmung. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Schreyer.) – Nein, es hat mit diesem Thema nichts zu tun, das ist eine ganz andere Materie, eine ganz andere Umsetzung. Wir haben das auch im Nationalrat schon diskutiert, und ich möchte das jetzt hier nicht noch einmal im Detail aufwärmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

21.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geän­dert wird.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 208

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen 2013.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.13.1626. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer notifizierenden Behörde und betreffend die Durchführung von Notifizierungsverfahren gemäß Kapitel VII der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG (Baupro­duktenotifizierungsgesetz 2013 – BPNG 2013) (2334 d.B. und 2396 d.B. sowie 9036/BR d.B.)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert wird (UWG-Novelle 2013) (2338 d.B. und 2394 d.B. sowie 9037/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 26 und 27 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 26 und 27 ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


21.13.36

Berichterstatterin Dr. Angelika Winzig: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz zur Einrichtung einer notifizierenden Behörde und betreffend die Durchführung von Notifizierungs­verfahren gemäß Kapitel VII der Verordnung Nr. 305/2011 vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 209

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 25. Juni 2013 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.15.00

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dem Wettbewerbsgesetz werden wir unsere Zustimmung erteilen. Dem ersten Gesetz in dieser Debatte können wir diese nicht geben.

Sofern ich richtig unterrichtet bin, wären das im vergangenen Jahr 32 Fälle gewesen, die von diesem Gesetz betroffen gewesen wären. (Bundesminister Dr. Mitterlehner: Das ist die gleiche Rede wie im Nationalrat!) – Sie werden mich korrigieren, wie viel es wirklich sind. Jedenfalls wird hier eine eigene Akkreditierungsstelle geschaffen, die sogenannte Akkreditierung Austria, die im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist.

Also da wiehert ja der Amtsschimmel wieder einmal kräftig. Von Bürokratieabbau, Ver­waltungsvereinfachung und Entlastung der Wirtschaft – Schlagworte, die ja durchaus auch aus Ihrem Haus und Ihrem Mund kommen – ist hier leider nichts zu merken, sondern genau das Gegenteil ist der Fall, auch wenn dies in Vollziehung einer EU-Richtlinie passiert.

Mit diesem Bauproduktenotifizierungsgesetz wird wieder eine Kostenbelastung verur­sacht, ungefähr 100 000 € zusätzlich für die öffentliche Hand. Vor allem aber werden auch wieder auf die Unternehmer zusätzliche Kosten zukommen

Wir haben heute schon ausführlich über ein Konjunkturpaket mit zusätzlichen Steuer­geldern gesprochen, und das alles, noch einmal, bei 330 000 Arbeitslosen, inklusive denen in der Schulung, bei einer Wachstumsprognose, die sich irgendwo zwischen 0 und 0,3 Prozent bewegt. Da wäre es eigentlich angebracht, die Konjunktur mit Entlastungen der Wirtschaft und nicht mit zusätzlichen Belastungen anzukurbeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch dürfte bekannt sein, in der Wettbewerbsstatistik, im Vergleich von 60 Ländern, ist Österreich vom Platz 11 auf Platz 23 abgerutscht, und das ist selbst für den Wirt­schafts­kammerpräsidenten Leitl – wörtlich – irritierend. Er fordert keine neuen Belas­tun­gen, sondern Reformen. Ich bin eigentlich überzeugt, dass Sie auch wissen, dass das klug wäre, ich frage mich nur, warum das dann nicht geschieht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Poglitsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.17.58

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bundesrat Krusche, ich verstehe nicht ganz, was Sie damit gemeint haben, als Sie davon sprachen, dass die Wirtschaft da belastet würde. Richtig ist vielmehr: Die Wirtschaft wird entlastet, und ich glaube, die Freiheitliche Partei weiß nicht ganz genau, worum es da geht.

Sie müssen sich eines vorstellen: Wenn wir heute das nicht beschließen würden, dann würde mit einem Schlag in Europa die österreichische Wirtschaft wirklich belastet, weil sie ihre Bauprodukte nicht mehr verkaufen könnte in der Form, wie sie es jetzt gewohnt


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 210

ist. Und ich sage Ihnen daher: Eine Nichtzustimmung wäre ein gravierender – ein wirklich gravierender! – Nachteil für die österreichische Bauwirtschaft, für 10 000 Unter­nehmer, 115 000 Mitarbeiter: 7 Milliarden € an Wertschöpfung. Ich glaube nicht, dass Sie das unbedingt wollen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Die ÖVP steht hier für eine klare Regelung, eine klare Entfesselung der Wirtschaft. Es ist eine Entlastung der Wirtschaft, und es wird hier in Zukunft nur mehr eine Behörde das Sagen haben. Das ist auch auf Wunsch der Länder so passiert und ein absolut richtiger Weg. Ich verstehe die Freiheitliche Partei überhaupt nicht, warum sie hier nicht zustimmt. Das zeigt auch, dass sie keine Wirtschaftspartei ist und auch keine Partei für die Arbeitsplätze hier in Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bun­desräten der SPÖ.)

Zum zweiten Punkt: unlauterer Wettbewerb. – Es ist gut, dass Sie da mitgehen. Es wird da endlich eine klare Regelung bei den Ausverkäufen geben. Es wird klar geregelt, was in Zukunft bewilligungspflichtig ist. Sie wissen, Geschäftsauflösung und -verlegung werden in Zukunft noch bewilligungspflichtig sein, der Rest, wenn es um einen Abverkauf bei Elementarereignissen geht, wird nur mehr anzeigepflichtig sein. Das ist wieder eine Maßnahme der Entbürokratisierung.

Herzlichen Dank, lieber Herr Bundesminister, dass du diesen Weg hier eingeschlagen hast! Es ist der richtige Weg für Österreich. Es ist der richtige Weg für die öster­reichische Wirtschaft. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

21.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Konrad. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.20.01

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur späten Stunde mache ich es kurz. Es freut auch mich, dass von der Freiheitlichen Partei zumindest zu einem dieser beiden wichtigen Punkte Zustimmung kommt.

Was den einen Punkt betrifft, so schließe ich bei dem vom Kollegen Poglitsch Ge­sagten an: Auch mir ist es unverständlich, dass ihr von der FPÖ trotzdem – ihr seid ja auch in der Ausschusssitzung gewesen, und euch wurde dort erklärt, worum es bei der Bauprodukteverordnung geht – in beharrlicher Art und Weise noch immer wider besseres Wissen, dass das für die Wirtschaft wichtig ist und dass das im Grunde genommen eine Vereinfachung ist, dagegen seid. Ich verstehe das wirklich nicht.

Noch dazu im Hinblick darauf, dass ihr hier vor nicht wenigen Stunden – ein paar Stun­den ist es doch schon her – Dringliche Anfragen gestellt habt, wo es eben darum gegangen ist, dass wir in der Bauwirtschaft Probleme haben. Und dann stimmt ihr gegen einen Punkt, der wirklich der Wirtschaft zugute käme! Ich weiß nicht, was euch da eingefallen ist. Aber okay, man nimmt zur Kenntnis, ihr seid da anderer Meinung. Schade nur, dass das in so einem wichtigen Punkt passiert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Minister.

 


21.21.00

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Novelle betreffend das Bundes-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 211

gesetz gegen unlauteren Wettbewerb anbelangt, war klar, es werden das die meisten mittragen. Es ist ja auch eine klare Verbesserung.

Was das erste Thema unter Tagesordnungspunkt 26 anlangt, muss ich schon sagen, das spiegelt offensichtlich ein bisschen die Art der Vorbereitung mancher Bundesräte auf die Bundesratssitzung wider. Was macht man? – Man nimmt sich das, was zu dem Thema der Kollege im Nationalrat schon gesagt hat, und trägt es dann da eins zu eins vor.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Herr Abgeordneter Themessl – aber nicht nur Kollege Themessl, sondern auch ein anderer Kollege aus Oberösterreich – diese Thematik für eine Brandrede gegen administrative und sonstige Verschärfungen, gegen Bürokratie genutzt hat. Unter anderem ist da auch das „Kronen Zeitung“-Zitat von Herrn Präsidenten Leitl gekommen, das der Herr Gradauer gebracht hat. Genau wie hier jetzt vorhin, nur etwas emotionaler vorgetragen.

Und dann haben wir dargestellt, wie es tatsächlich ist: Nein, es ist eigentlich falsch. Die 32 Konformitätsbewertungsstellen sind nicht die 32 Fälle. Und wie die Kollegen vorhin schon dargestellt haben, geht es um Vereinfachungen für die Wirtschaft und nicht um Erschwernisse für die Wirtschaft. Und wenn wir das nicht durchführen, dann haben alle einen entsprechenden Nachteil, wenn es um die Genehmigung von Exporten für Bauprodukte wie Zement, Verputz, Fliesen, Ziegel, Beschläge, Metallteile, Holzteile geht, in dem Wert, der gerade vorhin erwähnt worden ist.

Daher würde ich wirklich bitten: Wenn man schon Bestandteile von Reden von Kolle­gen nimmt, vielleicht auch die Antwort dazu zu lesen! Die Regelung hat nämlich nicht einmal einen ideologischen Hintergrund, sondern einen ganz einfachen sachlichen: eine administrative Erleichterung! Aber ich habe schon bei anderen Gelegenheiten erlebt, dass dann jemand doch noch sein Abstimmungsverhalten geändert hat, und das wäre dann eigentlich auch ein Hinweis darauf, dass man in der Diskussion durchaus auch weiterführend sein kann. Ich hoffe es. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

21.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 13. Juni 2013 betreffend ein Bauproduktenotifizierungsgesetz 2013.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst ausdrücklich die dafür erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 212

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichti­gung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 13. Juni 2013 betreffend eine UWG-Novelle 2013.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.25.51 28. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2012 (III-496-BR/2013 d.B. sowie 9038/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. Bitte um den Bericht.

 


21.26.04

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Herr Präsident! Herr Minister! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2012 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Poglitsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.26.26

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es ist wahrlich ein sehr, sehr umfangreicher Bericht, der uns heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, aber es ist auch ein sehr, sehr positiver und vor allen Dingen ein sehr erfolgreicher Bericht.

Ich habe mir eigentlich nur drei Zahlen herausgestrichen, und die möchte ich Ihnen hier auch kundtun, nämlich die Zahl 191 600, die Zahl 36,2 Millionen und die Zahl 131 Millionen. Das sind Rekordzahlen für den österreichischen Tourismus aus dem Jahr 2012: Wir haben 191 600 Beschäftigte über das Jahr im Tourismus gehabt. Wir haben 36,2 Millionen Ankünfte gehabt. Und wir haben 131 Millionen – und das soll man sich auf der Zunge zergehen lassen: 131 Millionen – Übernachtungen gehabt. Das ist absoluter Rekord. Das übertrifft auch das Rekordjahr 1992. Und das zeigt auch, dass der Tourismus speziell in Zeiten der Krise eine absolute Konjunkturstütze in Österreich war und ist.

Dass dem so ist, waren viele helfende Hände notwendig. Ich möchte hier nur ein paar herausstreichen. Das ist selbstverständlich unser Bundesministerium, das sind die Österreich Werbung, die Landeswerbungen der einzelnen Bundesländer, aber auch die Verbände in den einzelnen Gemeinden, aber – und das möchte ich ganz offen hier in diesem Haus sagen – in erster Linie waren es unsere erfolgreichen Betriebe draußen, unsere Touristiker. Und da möchte ich ganz besonders ein herzliches Danke-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 213

schön an unsere Familienbetriebe aussprechen, die diese Zahlen überhaupt ermöglicht haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir wissen aber auch, dass es die Betriebe gerade in Zeiten wie diesen nicht beson­ders leicht haben. Der Markt ändert sich im Tourismus unglaublich schnell. Alle fünf Jahre gibt es neue Trends. Und eines hat sich herauskristallisiert, auf das man wirklich stark reagieren muss: Die Aufenthaltsdauer wird jedes Jahr kürzer, vor allen Dingen wird die Qualität, die der Gast heute erwartet, immer höher. Es zählt nur mehr der beste Preis zu bester Qualität. Als Wirtschaftler muss man darauf reagieren – und das hat die österreichische Tourismuswirtschaft, das haben unsere Betriebe getan.

Ich möchte hier eine Zahl herausstreichen, die das auch beweist: In den 4- und 5-Stern-Betrieben haben wir in den letzten zehn Jahren eine Steigerungsrate von 40 Prozent gehabt. Das zeigt, dass die Investitionen in Qualität, aber auch die Förderungen für Investitionen in Qualität absolut richtig angesiedelt waren. Auch dir, Herr Minister, ein herzliches Dankeschön dafür, du hast das schon relativ früh erkannt und vor Jahren schon die Förderungen auf das hin dementsprechend ausgerichtet.

Der einzige Nachteil, der aus diesem Bericht herauslesbar ist, ist, dass die Umsätze und die Erträge nicht in dem Ausmaß standhalten konnten, wie die Nächtigungen gestiegen sind. Das hat aber auch einen Grund. Wir wissen ganz genau, dass der Gast heute extrem flexibel ist. Das Buchen über das Internet ist über Jahre hinweg schon stetig im Steigen begriffen. In meinem Betrieb kommen mittlerweile fast 90 Prozent der Buchungen über das Internet herein. Das heißt, hier bist du als Betrieb vergleichbar, hier kann der Gast die Preise vergleichen, und er kann über die Bewertungsplattformen auch deine Qualität vergleichen. Und darauf muss man reagieren.

Wir wissen auch, dass die Buchungsmaschinen im Internet alle auch eine Marge verlangen, wodurch der Preis und natürlich auch die Marge für den Betriebsinhaber oder für den Betrieb selber gedrückt werden. Das führt dazu, dass die Erträge in diesem Bereich dementsprechend sinken.

Das ist der einzige Nachteil, den das Internetbuchen im Tourismus bis jetzt gebracht hat. Man darf aber auch die Vorteile nicht vergessen. Wir wissen ganz genau, dass es, speziell im ländlichen Bereich und bei den kleinen Betrieben, ohne Internet nicht mehr möglich wäre, dass diese Betriebe über die Runden kommen und eine Auslastung erfahren.

Etwas, was dieser Bericht noch herausstreicht, auf das wir stolz sein können als Touristiker, ist, dass wir auch als Jobmotor in Österreich gedient haben, auch in Zeiten der Krise. Wir haben, wie ich schon gesagt habe, 191 606 Beschäftigte übers Jahr gehabt, das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahr von knapp 4 Prozent, das ist auch ein deutlicher Zuwachs. Was besonders herauszustreichen ist, ist, dass fast 60 Prozent der Jobs im Tourismus weiblich sind.

Ich will aber nicht nur den Bericht betreffend die Vergangenheit zitieren. Er zeigt auch, wie es in Zukunft weitergehen soll. Ich glaube, dass man gerade in Zukunft, extrem auf betrieblicher Ebene, aber auch im Destinationsmanagement, auf Qualität setzen muss. Das wird der wichtigste Punkt überhaupt werden: Der Gast bucht nicht nur das Zimmer und die Verpflegung allein, er bucht eine gesamte Destination, er bucht einen Erlebnisraum, und da müssen wir Schritt halten! Das heißt aber auch für die Gemeinden und für die Länder beim Thema Raumordnung, damit sie mithalten können, dass sie dementsprechend ihren Erlebnisraum so gestalten, wie er gehört.

Was der Bericht noch zeigt, ist, dass speziell im Kultur-, Wander- und Gesundheits­tourismus auch in Zukunft Wachstumschancen auf alle Fälle enthalten sind. Da hat Österreich einen gewaltigen Vorteil aufgrund seiner geographischen Lage. Das Bewe-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 214

gen zwischen Bergen und Seen ist nur im Alpenbogen möglich. Wir haben in Österreich unglaublich viele Seen, wir haben die Alpen-Naturlandschaft, wir haben die Kulturlandschaft; und ich glaube, dass gerade der Ausbau dieser alpinen Landschaften in Zukunft von besonderer Wichtigkeit sein wird. Wir brauchen Hütten, wir brauchen neue Wanderwege, wir brauchen dementsprechend Mountainbike-Wege, wir brauchen Outdoor-Erlebnisse, inszenierte Outdoor-Erlebnisse. Das zeigt dieser Bericht auch auf.

Wir können von diesem Wachstumskuchen, der bis 2030 prognostiziert worden ist, dass es weltweit fast eine Verdoppelung der Ankünfte geben wird, unglaublich stark profitieren, wenn wir auf unsere Stärken zurückgreifen, die wir im Tourismus haben  die ich vorhin gerade angedeutet habe. Es wird das Wichtigste überhaupt sein, die Chance, die Stärke zu erkennen und dementsprechend auch am Markt zu positionie­ren und zu vermarkten.

Ich will nicht zu lange ausholen, aber eines möchte ich vielleicht noch bringen: Österreich ist ein Kulturparadies. Wir haben Städte wie Wien, Linz, Salzburg und weitere Städte, die ein unglaubliches Kulturangebot haben. Auch das müssen wir in Zukunft dementsprechend vermarkten. Es passiert auch heute schon, weil wir wissen, dass die Kulturgäste unglaublich ausgabefreudige Gäste sind, die zwar nur kurz bleiben, aber mehr Geld ausgeben, und das ist auch zu beachten.

Etwas, was ich noch herausstreichen möchte für die Zukunft, ist die Generation 50 plus. Auf diese Generation werden wir besonders achtgeben müssen. Das sind Gäste, die besondere Herausforderungen für uns haben. Und wenn wir die demo­graphische Entwicklung in Europa anschauen, sieht man, dass – und das ist heute schon einmal angedeutet worden – bald die Hälfte der Menschen zur älteren Gene­ration gehören wird. Ich glaube, man muss ein besonderes Angebot auch für diese Gäste stellen.

Österreich ist sehr gut aufgestellt, die Tourismuswirtschaft ist sehr gut aufgestellt, und es gibt sicherlich eine gute Chance für den österreichischen Tourismus. Glück auf unserem österreichischen Tourismus.  Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Zelina.)

21.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


21.33.33

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der Bericht über die Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2012 in Österreich ist mit 87 Seiten sehr umfangreich, enthält viele Projekte, viele Themenfelder, die Entwicklung des Touris­mus im nationalen und internationalen Vergleich, Berichte zum Arbeitsmarkt, der Mobilität, Radtourismus und vieles mehr. Jedenfalls ist der Bericht sehr informativ und klar geschrieben.

Das Jahr 2012 war sicherlich im Bereich des Tourismus ein sehr erfolgreiches Jahr. Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds konnte der Tourismus in Österreich weiter zulegen und ist damit sehr wichtig für die Konjunktur. Der Tourismus, das zeigt es auch, ist bisher sehr gut durch die Krise gekommen.

Wie wichtig der Tourismus für die Wirtschaft ist, zeigt auch die Zunahme der Ausgaben der in- und ausländischen Gäste in Österreich. Mit fast 31,5 Millionen konnte die bisherige Bestmarke überschritten werden, das sind um 3,3 Prozent mehr als 2011, wobei die Wertschöpfung für den Tourismus bei einem Rekordergebnis von knapp 23 Millionen € liegt. Dies bedeutet ebenfalls ein Plus von 3,4 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 215

Wenn man sich die Nächtigungen ein bisschen genauer anschaut, sieht man, 2012 stieg die Zahl der Nächtigungen um beachtliche 3,9 Prozent, wobei die Zahl der ausländischen Gäste für dieses große Plus verantwortlich zeichnet. Es zeigt aber auch bei den ausländischen Gästen, dass Osteuropa und Asien auf jeden Fall zu den Hoffnungsmärkten zählen. Man muss bedenken, China hat die Nächtigungszahlen um 37 Prozent gesteigert, Russland plus 8,9 Prozent und Japan plus 16,1 Prozent. Das zeigt ganz einfach, dass hinkünftig in diesen Hoffnungsmärkten auf jeden Fall weiterhin intensiv seitens der Österreich Werbung gearbeitet werden muss.

Bei den tatsächlichen Zahlen wichtigster und größter Partner sind unsere Gäste aus Deutschland, die rund die Hälfte des Zuwachses aus dem Ausland darstellen. Mit rund 50 Millionen Nächtigungen wurde ein Plus von 4,7 Prozent erreicht.

Bei der Betrachtung der Nächtigungsentwicklung bei den einzelnen Bundesländern haben Wien und Vorarlberg den größten Zuwachs zu verzeichnen. Was mich als Burgen­länder aber besonders stolz macht, ist, dass außer der Steiermark nur mein Heimatland Burgenland seit 2005 einen stetigen Zuwachs bei der Nächtigungs­entwick­lung vorweisen kann. Das zeigt, dass sich die Investitionen im Gesundheitstourismus, Radtourismus und so weiter sehr positiv ausgewirkt haben.

Was ich bei diesem Bericht negativ anmerken möchte, ist, dass die Zahl der Lehrlinge in der Tourismusbranche leider abnimmt. So standen in den Tourismusberufen im Jahres­durchschnitt 2012 480 Lehrstellensuchenden 1 775 offene Lehrstellen gegen­über. Insgesamt waren im Vorjahr 11 304 Lehrlinge beschäftigt. Es dürfte so sein, dass das Image und das Ansehen der Lehrberufe nicht besonders hoch ist.

Aber man muss auch sagen, dass durch verschiedene Aktivitäten, wie eine Berufs­infor­mations- und Imagekampagne der Tourismuswirtschaft, die Glücksbringer-Lehrlingscard, das Projekt „GET A JOB“ und so weiter versucht wird, einerseits das Image des Tourismusberufes zu heben und andererseits junge Menschen für einen Job im Tourismus zu begeistern und sie zu qualifizierten und hochmotivierten Fachkräften heranzubilden. Es sollen der negative Lehrlingstrend und die hohe Fluktuation im Tourismus und der Freizeitwirtschaft unterbunden werden, wobei sicherlich auch die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung für die Entscheidung für einen neuen Job von besonderer Bedeutung sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei den Damen und Herren bedanken, die für die Erstellung dieses umfangreichen, mit Grafi­ken versehenen Berichtes verantwortlich zeichnen. Meine Partei wird diesen Bericht gerne positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


21.38.03

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mit einer Werbebotschaft für Österreich beginnen wollen: Österreich ist das schönste Fitnessstudio der Welt! Es lohnt sich, hier Urlaub zu machen.

Herr Bundesminister, es ist erfreulich – wenn man heute auch durchaus Diskussionen geführt hat, die nicht unbedingt nur Gemeinsames gezeigt haben –, dass eine aktuelle IMAS-Studie, die vor zwei Tagen veröffentlicht wurde, zeigt, dass nicht nur das letzte Jahr ein erfolgreiches im österreichischen Tourismus war, sondern dass die Österreicher bei der Umfrage „Urlaub im Heimatland“ 2012 gesagt haben, dass sie zu 18 Prozent in der Heimat Österreich Urlaub machen, und 2013 sagen das 26 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 216

Das ist eine sehr erfreuliche Fortsetzung im Inland, jedenfalls auf die Ergebnisse des letzten Jahres aufbauend.

Wir dürfen auch festhalten, wenn man in der IMAS-Studie „Urlaub im Ausland“ nachgefragt hat, dass 2012 45 Prozent der Österreicher gemeint haben, einen Urlaub im Ausland machen zu wollen, 2013 nur mehr 38 Prozent. Das heißt, sie wollen auch im schönsten Fitnessstudio der Welt bleiben.

Nun zum Bericht im Detail: Die Rekordzahlen sind erfreulich, und man muss auch festhalten, dass die Entwicklung, dass die Aufenthaltsdauer zum Beispiel der auslän­dischen Gäste 1990 fünf Tage, 2012 knapp unter vier Tage betrug, ein Minus von 20 Prozent bedeutet. Die Inlandsgäste hatten 1990 eine Aufenthaltsdauer von 4,6 Ta­gen und 2012 nur mehr drei Tage – ein Minus von 35 Prozent. Das heißt, wenn man dann Nächtigungsrekorde erzielen kann, zeigt es sich, dass sich unter schwierigen Marktbedingungen der österreichische Tourismus tatsächlich auch gut entwickeln konnte.

Dazu muss man wirklich den Tourismusbetrieben pauschal ein herzliches Danke aussprechen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wirklich hochkarätig sind, denn österreichische Tourismuswirtschaft heißt auch, Tourismusmanagement erfolgreich weltweit ins Ausland zu exportieren.

Ich möchte auch eine Lanze für die Ausbildung im österreichischen Tourismus brechen. Die österreichische Tourismusausbildung ist wahrscheinlich eine der besten weltweit, wenn nicht überhaupt die beste. Das heißt, die Erfolge sind nicht reiner Zufall, sondern sie bauen auf eine ausgezeichnete Ausbildung im Bereich der Tourismus-Agenda auf. Wir haben in Kärnten momentan die größte Hochbaustelle, das ist die Tourismusschule in Villach. Es ist eine Investition von 27 Millionen €, die auch erstmals grenzüberschreitend junge Touristiker aus Italien, Slowenien und Kärnten oder Österreich ausbilden wird.

Das zeigt, dass eine international hochkarätige Ausbildung auszubauen und fortzu­setzen ist, damit wir diesen Exportschlager Tourismus nicht nur in Form von Erlösen im Inland, sondern auch im Export hochwertigen Managements und Arbeitskräfte weiterführen können.

Es zeigt sich auch, dass der Städtetourismus im Gegensatz zum ländlichen Tourismus tatsächlich in einer Art Führungsposition ist. Wien und Salzburg sind, wenn man die Zahlen auch im Detail hinterfragt, tatsächlich die Trendsetter im österreichischen Tourismus. Ich nehme nur Wien her: 2003 plus 4,2 Prozent, Österreich bescheidene 0,6 Prozent plus; 2004 6,2 Prozent die Bundeshauptstadt, 7,1 Prozent zum Beispiel Salzburg, Österreich bescheidene 1,3 Prozent plus. Und so setzt sich das fort.

Interessant vielleicht auch noch eine Großveranstaltung: Die Fußball-Europameis­ter­schaft war immerhin das größte Sportevent, das jemals in Österreich stattgefunden hat. 2008 haben die Austragungsstädte folgende Nächtigungserlöse erzielt: Klagenfurt war in diesem Fall Sieger, wir hatten ja auch ein schönes Stadion, mit 11,3 Prozent Nächti­gungsplus, Salzburg hat erstaunlicherweise 2008 ein Minus von 2,2 Prozent aufgewiesen, Wien plus 6 Prozent und Innsbruck plus 2,5 Prozent. Aber Faktum ist, dass jedenfalls der Städtetourismus, wohl auch stark verbunden mit Kulturtourismus und Ganzjahrestourismus, eine tragende Säule ist, wir aber schon auch versuchen müssen, die Schwächen, die wir tatsächlich auch in Teilregionen haben, auszumerzen. Das wird sicher eine Aufgabe sein, die sehr, sehr wichtig ist.

Vielleicht noch der Vergleich der Marktanteile, die ich mir auch sehr genau angesehen habe, Österreichs Marktanteil im Vergleich der Tourismusexporte der EU 15. Öster­reich hatte da im Jahr 1995 einen Anteil von 8,12 Prozent, ist dann im Jahr 2000 auf


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5,39 Prozent abgestürzt und hatte letztes Jahr wieder 5,91 Prozent. Es zeigt sich aber, dass im Vergleich 1995 auf 2012 tatsächlich der Erfolgsanteil Österreichs kleiner geworden ist, also der Wettbewerb ist größer geworden, umso mehr muss man die Zahlen des Jahres 2012 positiv hervorstreichen; das möchte ich auch betonen, unter den erschwerten internationalen Marktbedingungen.

Was sich auch zeigt, wenn man die verschiedenen Quartalsergebnisse anschaut  denn trotz Erfolgszahlen muss man auch versuchen, dort, wo wir Aufholbedarf haben oder besser werden sollten, das auch zu hinterfragen –, ist Folgendes: Das erste Quartal ist immer der Wintertourismus, im Jahr 1995 hatten wir da einen Anteil von 14,2 Prozent, der ist gesunken auf 11,8 Prozent. Das heißt, es ist in der Tat so, dass der Wintertourismus insofern zu hinterfragen ist, ob wir noch Wintersportnation und Skisportnation Nummer 1 sind oder diesen Anspruch verloren haben.

Da gibt es viele Gründe: erstens die Geburtenentwicklung, weniger Schüler, weniger Jugend drängt zum Wintersport  ich sage bewusst nicht nur Skisport. Wir haben aber auch durch Zuwanderung viele junge Leute, die nicht aus Skinationen nach Österreich zuwandern, und wenn sie keinen Kontakt zum Schnee haben, diesen vielleicht überhaupt nie finden. Das heißt ich bin ein glühender Befürworter, ernsthaft darüber nachzudenken, dass unter dem Motto „Jugend zum Schnee“ die Wintersportwoche wieder verpflichtend eingeführt wird.

Wir reden ständig von Bewegungsmangel, und in dem Fall geht es um Bewegungs­mangel, es geht aber auch um den Wirtschaftsfaktor Tourismus. Für mich ist der Schnee so etwas wie das Grün des Winters, und junge Leute sollten die Chance haben, den faszinierenden Wintersport in all seinen Facetten erlernen zu können. Was du als Jugendlicher nicht lernst, wirst du vielleicht später als Tourist nicht nutzen. Es gibt viele Anstrengungen in diesem Bereich, und wir müssen versuchen, die Jugend tatsächlich wieder verstärkt zum Wintersport und zum Skisport zu bringen. Für mich wäre der Ansatz eindeutig und klar, dass die Wintersportwoche wieder verpflichtend eingeführt werden soll.

Wir haben teure Infrastrukturen, wir haben einen Sporthandel, wir haben eine Ski­indus­trie, da geht es um einen großen Zweig, der zusätzlich zum Tourismus daran parti­zipiert.

Der Winter war für mich ausschließlich Sporttourismus, ohne Skisport hätte es den Wintertourismus-Erfolgsweg Österreichs ja nie gegeben. Aber im Sommer kann man festhalten, dass das Thema Sport, Kultur, Kulinarik, aber besonders der Sport, der bewegte Mensch im Sommer, in diesem schönsten Fitnessstudio der Welt, auch letztendlich in den letzten Jahren einen Aufholprozess gebracht hat.

Ich sage nur klettern, ich sage nur wandern, ich sage pilgern, ich nenne den ganzen Bereich Radtourismus, aber auch die Großsportveranstaltungen wie einen Wien-Marathon oder auch bei uns in Kärnten den Iron Man, oder auch ein Harley Davidson-Treffen. Das ist zwar kein körperliches Bewegen, aber zumindest ein Bewegen auf zwei Rädern, was ein großer Wirtschaftsfaktor ist. (Bundesrat Kneifel: GTI-Treffen!) Auch das sehr umstrittene GTI-Treffen, das keine Landesförderung erhält, ist ein Erfolgsfaktor. Und wenn die Konzernchefs von VW, Audi und Škoda jedes Jahr in Kärnten weilen, dann ist das ein Zeichen, dass die Konzernlenker in Deutschland größten Wert auf diese Veranstaltungsserie legen.

Es ist schon sehr spät (Ruf: Hast recht!), aber auch die wirtschaftliche Entwicklung ist in diesem Bericht genau aufgezeigt. Wir sollten auch wissen, dass wir trotz Erfolgs­zahlen natürlich das Problem haben, dass viele Betriebe einen ständigen wirtschaft­lichen Überlebenskampf zu führen haben. Daher wird es auch darum gehen, die wirt­schaftlichen Rahmenbedingungen in vielen Betriebsbereichen, abseits der höchsten


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 218

Qualitäts­kategorien, die eine bessere wirtschaftliche Situation haben, auch nachhaltig zu verbessern.

Wenn wir dem Tourismus flächendeckend und vor allem im ländlichen Raum eine Zukunft geben wollen, muss es verstärkte und bessere wirtschaftliche Rahmenbedin­gungen für viele Betriebe, besonders in nichttouristischen Zentren geben, sonst wird der Tourismus in vielen Regionen in Österreich zum großen Problem. Das wird eine Aufgabe sein, die auch dieser Bericht, Herr Bundesminister, klar festhält, dass man nicht nur Erfolgszahlen publiziert, sondern dass man auch die wirtschaftliche Entwick­lung nicht nur in rosaroten Zahlen, sondern tatsächlich auch in Fakten bemessen darstellt. Ich bin sicher, dass das schönste Fitnessstudio der Welt auch in Zukunft eine wichtige Tourismusregion sein wird. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

21.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


21.47.52

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst einmal freue ich mich sehr über diesen sehr gut gemachten und informativen Bericht und möchte mich ganz herzlich dafür bedanken.

Was mich aber ganz besonders gefreut hat, als ich den Bericht das erste Mal in die Hand bekommen habe, ist das Titelbild des Berichts. Wenn Sie ihn zufällig da liegen haben, Titelbild des Berichts ist der Wilde Kaiser im Tiroler Unterland. (Die Rednerin zeigt ein Schriftstück.) Ich bin nicht nur am Fuß des Wilden Kaisers aufgewachsen, sondern bin als Biologin auch Schutzgebietsbetreuerin des Naturschutzgebietes Kaiser­gebirge. Von daher freut mich das natürlich. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Jetzt war ich natürlich auch sehr neugierig, warum im gesamtösterreichischen Bericht zur Tourismuswirtschaft genau dieses Sujet ausgewählt worden ist, und habe nach dem Ausschuss gestern die Frau Sektionschefin Dr. Udolf-Strobl gefragt. Und sie hat gesagt, das Bild ist deshalb ausgewählt worden, weil es einfach total typisch für den Tourismus in Österreich ist. Es ist stimmungsvoll, es ist die wunderbare Natur in Österreich dargestellt, ich hebe es noch einmal ganz kurz hoch. (Die Rednerin hält neuerlich ein Schriftstück in die Höhe.) Es sind Möglichkeiten für den Winter und für den Sommer darauf, und es ist vor allem auch der sanfte Tourismus darauf abgebildet. Ich freue mich sehr. Danke schön. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Im Bericht sind einige Studien zu zentralen Herausforderungen im Tourismus vorge­stellt, gerade im Bereich Mobilität. Es ist eine Studie zur Tourismus-Mobilität 2030 bei der TU in Auftrag gegeben worden und schon fertiggestellt. Es hat ein ExpertInnen-Treffen zur touristischen Mobilität im Alpenraum gegeben, was natürlich besonders für uns Tiroler sehr spannend ist. Wir freuen uns schon auf die Umsetzungsberichte zu den Empfehlungen und Ergebnissen daraus.

Ich bin gespannt darauf, welche Erfolge der Bund da gemeinsam mit den Ländern zur Mobilität im Tourismus noch wird verbuchen können. In Tirol werden im Bereich Mobilität sicher offene Türen eingerannt. Auch die angesprochenen Verbesserungen der Radweginfrastruktur für den Radtourismus begrüßen wir sehr. Davon profitieren natürlich auch alle AnrainerInnen in Österreich.

Zum Thema Nachhaltigkeit: Die Alpenkonvention hat den vierten Alpenzustands­bericht „Nachhaltiger Tourismus in den Alpen“ erstellt, der jetzt leider noch nicht veröf-


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 219

fent­licht ist. Ich bin sehr gespannt, wie Österreich im Alpenvergleich abschneidet und was das für den Tourismus in Zukunft bedeutet. Das werden wir sicher im nächsten Bericht detaillierter nachlesen können.

Zum Thema Klimawandel und Tourismus hat es gleich mehrere Arbeiten gegeben, auf die verwiesen worden ist. Das Ministerium hat eine Studie „Klimawandel und Tourismus in Österreich 2030“ erstellt, in der Chancen, Risiken und Anpassungs­möglich­keiten stehen. Österreich ist, wie schon oben erwähnt, Vertragspartner bei der Alpenkonvention, und da gibt es einen Aktionsplan zum Klimawandel in den Alpen, der mit unterschrieben und angenommen worden ist. Und schon vor einem Dreivierteljahr hat der Ministerrat die österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel verabschiedet, die ja auch den Tourismus beinhaltet.

Zur Umsetzung dieser Studien und Strategien steht im Bericht leider nichts. Daher möchte ich gerne an dieser Stelle anregen, dass in den künftigen Berichten gerade zu dem extrem wichtigen Thema Klimawandel, der den Tourismus in Österreich, vor allem den Wintertourismus, der vorhin schon angesprochen worden ist, einfach sehr stark beeinträchtigt oder beeinflusst, mehr Informationen drinnen stehen.

Abschließend möchte ich noch kurz auf einige Projekte im Bericht eingehen, die mir sehr positiv aufgefallen sind. Es sind Leuchtturmprojekte im Bericht enthalten, nämlich Förderinitiativen zu herausragenden Projekten in österreichischen Tourismusdesti­natio­nen. Von den sieben Siegerprojekten bei diesen Leuchtturmprojekten kommen drei aus Nationalpark-, Naturpark- und Naturregionen und eines aus einem nach­haltigen Hotelprojekt. Beim österreichischen Innovationspreis „Tourismus“ sind die beiden Siegerprojekte „Naturhautnah – Bauernhof erleben“ aus Vorarlberg und „Naturerlebnis Kärnten – Magische Momente“.

Diese Beispiele und der Bericht selbst zeigen sehr deutlich, dass der Tourismus in Österreich von unserer schönen Natur lebt. Der Umweltschutz ist also nicht der natür­liche Feind des Tourismus, sondern vielmehr der Garant für einen nachhaltigen und vorausschauenden Tourismus, damit in Österreich noch sehr viele Generationen davon profitieren können.

Wir begrüßen sehr, dass auch seitens des Ministeriums ein Weg in Richtung nach­haltige Tourismusprojekte eingeschlagen wird, und stimmen dem Bericht sehr gerne zu. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

21.52


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konrad. – Bitte, Herr Kollege.

 


21.52.57

Bundesrat Klaus Konrad (SPÖ, Steiermark): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass auch von den Grünen der Tourismusbericht zur Kenntnis genommen wird. Ich habe schon befürchtet, es kommt der oftmals ausgeübte Kampf gegen oder Angriff auf die Schneekanonen. (Bundesrat Schreuder: Beim Tourismusbericht?) Bei uns in der Steiermark kommt dann immer das Thema mit den Schneekanonen. Der Kollege Perhab weiß das ja. Es freut mich, dass diesmal  (Zwischenruf des Bun­des­rates Perhab.) – Ja.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Tourismusbericht ist durchaus positiv. Hinsichtlich der Entwicklung des Tourismus will ich aber nicht näher auf die Zahlen, Daten und Fakten eingehen. Es sind immer Veränderungen im Tourismus notwendig, und die muss man vornehmen. Klarerweise muss sich das Angebot immer ändern. Vor Jahren – das ist eigentlich schon ein bisschen länger her – war die Sommerfrische


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 220

noch ein heißes Thema. Mit Sommerfrische allein kann man jetzt keinen mehr hinter dem Ofen hervorholen. Jetzt ist der Eventtourismus angesagt. Aber auch das wird sich wieder ändern. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir das Thema Tourismus immer im Auge behalten, denn es geht, wie schon gesagt wurde, um viele Beschäftigte in diesem Sektor.

Kollege Poglitsch, dein Dank ist an die Unternehmer gegangen. Ich möchte dem noch hinzufügen: Ich bedanke mich natürlich auch bei den Beschäftigten im Tourismus. Die haben es auch nicht leicht. Und wenn man davon spricht, dass es schwierig ist, Personal in diesem Sektor zu rekrutieren, dann muss ich sagen: Es hängt halt nach wie vor an der Situation. Nicht bloß die Arbeitszeiten sind es, die da eine Rolle spielen, das ist ja in den anderen Sektoren auch so, sondern es ist nach wie vor die Entlohnung. Da haben wir, glaube ich, noch einiges zu tun.

Es wird zu wenig sein, wenn man im Tourismus Charme-Offensiven macht. Man muss auch schauen, dass man von der Entgeltsituation her entsprechende Verbesserungen vornimmt, dass die Menschen, die Jobs im Tourismus annehmen, ein gutes Umfeld vorfinden. Und da ich bei der Rechtsberatung im Bereich Arbeitsrecht tätig bin, muss ich sagen: Es ist aufgrund dessen, dass es „nur“ – unter Anführungszeichen – knapp 200 000 Beschäftigte im Tourismus gibt, der Anteil am Gesamtkuchen, was die Beschäftigungssituation in Österreich anbelangt, nicht ganz so gewaltig, wie er dargestellt wird.

Aber es sind auch Rechtsfälle im Tourismus nach wie vor prominent vertreten. Ich glaube, da muss man wirklich daran arbeiten und gemeinsam versuchen, den Betrie­ben quasi auch den Umgang mit den Beschäftigten – wie soll man sagen? – näher­zubringen, dass das nämlich in einer Art und Weise passiert, wie es auch den Gästen gegenüber üblich ist. Ich denke, wir sind in Österreich dafür bekannt, dass wir immer einen guten Umgang pflegen. Klarerweise sollte dieser Umgang auch zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein guter sein. Größtenteils ist das auch so, sage ich. Es gibt halt da und dort Problembetriebe. Aber ich glaube, mit der Zeit wird man auch das in den Griff bekommen.

Im Großen und Ganzen ist das ein sehr guter Bericht. Ich bedanke mich bei allen, die an dessen Erstellung mitgewirkt haben. Ich hoffe, dass auch in Zukunft solch gute Berichte abgeliefert werden können. Wir haben ja heute schon zum Konjunktur­belebungspaket beziehungsweise zum Thema ALPINE davon gesprochen, dass man im Tourismus auch Akzente setzen muss. Man muss den vom Hochwasser betroffenen Tourismusbetrieben unter die Arme greifen. Und auch das Thema der Eigenkapital­quote in der Hotellerie wird man entsprechend angehen müssen.

Ich glaube, es gibt noch einiges im Tourismus zu tun. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg und hoffen, diesen auch in Zukunft weitergehen zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


21.57.09

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Tourismusbericht ein paar Worte nicht nur deswegen sagen, weil der Tourismusbericht jetzt gelobt worden ist, dass er ein gut strukturierter Bericht ist, den unsere Sektion vorbereitet hat, sondern auch deshalb, weil er qualitative Inhalte vermitteln kann. Er zeigt, dass sich der Tourismus gut entwickelt hat und eigentlich unsere Konjunktur sehr stützt.


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 221

Mich freut es, dass Ihnen nicht nur der Bericht gefällt, sondern auch das Titelbild. Es war ein Zufall, dass wir dieses ausgewählt haben. Wir haben uns eigentlich bemüht, ein Bild zu finden, das die Lebenswelt des Herrn Bundesrates Perhab reflektiert. (Heiterkeit.) Aber das haben wir nicht gefunden. Und es wäre dann auch nicht in die Richtung gegangen, wie du, Gerhard (in Richtung des Bundesrates Dörfler), es jetzt geschildert hast, nämlich dass Österreich irgendwie das schönste Fitnessstudio ist, sondern es hätte dann auch beinhaltet, dass die Kulinarik einen entsprechenden Stellenwert hat.

In diesem Zusammenhang muss man überhaupt sagen, eine interessante Entwicklung ist ja, dass wir eigentlich den Trend haben, keinen Trend zu haben. Also wenn ich auf der einen Seite Fitness-Möglichkeiten und Wellness- und Gesundheitstourismus habe, und auf der anderen Seite sind Kulinarik und ein reiches Besuchsprogramm genauso im Trend, so meine ich: Das zeichnet vielleicht Österreich aus!

Herr Bundesrat Poglitsch und auch die anderen Redner haben schon vieles von dem abgebildet, was in diesem Bericht drinnen steht. Daher kann ich mich wirklich sehr kurz fassen. Ich möchte nur auf zwei, drei Punkte eingehen.

Wir haben in Österreich 131 Millionen Nächtigungen. Das ist ein Rekordwert! In diesem Zusammenhang wird immer eingewendet: Na ja, aber die Umsätze und die Gewinne! –Wir haben das erste Mal nach den Jahren der Krise wieder eine Drehung auch bei den Umsätzen erreicht. Das ist besonders wichtig. Trotz Buchungsplattformen und allem Drumherum kommt der deutsche Gast wieder. Das ist positiv. Die Gäste bleiben zwar kürzer bei uns, aber geben wieder mehr aus. Im Endeffekt ist der Trend: Man spart, Krise hin oder her, nicht am Urlaub, aber im Urlaub. Mittlerweile haben wir doch wieder eine Bewegung, wo mehr ausgegeben wird, was die Umsätze verbessert.

Interessant und positiv ist, dass wir neben der Belebung des Inlandmarktes vor allem die Ferngäste begeistern konnten. Jetzt kommen viele Gäste aus anderen Ländern. Japaner waren schon früher da, aber vor allem aus den USA und aus China kommen viele Gäste. Im Jahr 2012 hatten wir 37 Prozent Steigerung bei den Gästen aus Russland und aus anderen Ländern. Das zeigt, dass die Internationalisierung greift.

Zwei Problempunkte vielleicht zum Schluss, damit nicht der Eindruck entsteht, dass unsere Strategie so großartig war und es nur Positives gibt.

Wir haben mit Sorge die Entwicklung, was die Lehrlingsausbildung anlangt, verfolgt. Es ist die Tourismus-Card erwähnt worden. Ich glaube, man muss einen Mehrwert dazugeben, damit es attraktiv wird. Aber nicht nur, sondern es geht auch um die Entschädigung und es geht vor allem um die Zusammenführung von Wintertourismus und Sommertourismus in Richtung eines Ganzjahresangebotes. Wenn uns das gelingt, dann wird es, so glaube ich, noch attraktiver werden, die Lehrlingsausbildung zu machen.

Letzter und abschließender Punkt: Im Jahre 2013 haben wir auch da eine gute Ent­wicklung; allerdings gibt es durch das Hochwasser entsprechende Beeinträchtigungen. Wir haben uns nicht nur bemüht, Schadensbegrenzung und Schadensabbau zu betreiben – mit entsprechenden Angeboten über die ÖHT, das läuft –, sondern wir haben auch eine Marketinginitiative der Österreich Werbung gestartet, und zwar mit dem Arbeitstitel „Jetzt. Österreich“.

In den nächsten Wochen werden dazu Spots im Inland und im Ausland gestartet wer­den, um den Gästen zu signalisieren: Wir haben die Schäden schon aufgearbeitet, wir haben gute Angebote, und es lohnt sich, Österreich zu besuchen! Wir haben Rücksicht genommen auch auf die Gäste aus anderen Ländern, die selber durch Hochwasser beeinträchtigt waren. Daher wäre es kontraproduktiv gewesen, wenn er gerade in der


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Zeit, in der dieser Kunde selber noch in Deutschland unter Wasser steht, auf einmal den Hinweis bekommen hätte: Komm nach Österreich, da haben wir das schon bewältigt! (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt wieder den Vorsitz.)

Daher: Jetzt ist die richtige Zeit, jetzt müssen wir auch gegensteuern, denn der Mai hat wunderbare Ergebnisse im Tourismus gebracht, aber der Juni – er ist noch gar nicht zu Ende – wird eine leichte Beeinträchtigung bringen.

Neben den Erfolgen: Es gibt viel zu tun, aber ich glaube, wir sind insgesamt auf dem richtigen Weg. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

22.02.19 29. Punkt

Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2013

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tagesord­nung.

Da mit 1. Juli 2013 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Wien übergeht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Reinhard Todt, zum Vorsitz berufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.

Wahl der VizepräsidentInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich werde die Wahl der Vizepräsidentin beziehungsweise des Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich bedanke mich und nehme die Wahl gerne an.

 



BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 223

Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Kurz lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustim­men, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich bedanke mich sehr herzlich für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an.

Wahl der SchriftführerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftfüh­rerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Anna Blatnik, Anneliese Junker und Ewald Lindinger für das zweite Halbjahr 2013 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zu Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage nun die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesrätinnen Blatnik und Junker sowie die Bundesräte Saller und Lindinger nehmen die Wahl an.)

Wahl der OrdnerInnen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Wir kommen nun zur Wahl der Ordnerin und der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Ferdinand Tiefnig, Werner Stadler und Cornelia Michalke für das zweite Halbjahr 2013 zur Ordnerin beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage nun die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

(Die Bundesräte Tiefnig und Stadler sowie die Bundesrätin Michalke nehmen die Wahl an.)


BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 224

Ich bedanke mich bei allen und gratuliere sehr herzlich.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.05.49 Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen, 2947/J bis 2955/J, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, 18. Juli 2013, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 16. Juli 2013, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche gutes Nachhausekommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

22.06.32 Schluss der Sitzung: 22.07 Uhr

 

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