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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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841. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 7. Mai 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

841. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 7. Mai 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Mai 2015: 9.04 – 18.56 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird

2. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der europäischen Kommission für 2015 und des Programms des Ra­tes (Lettland und Luxemburg)

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens

4. Punkt: Vertrag über die Vierte Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien be­treffend die Einführung eines internen Steuersystems

5. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Burundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkun­den von der Beglaubigung

6. Punkt: Erklärung über die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen

7. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2015; Bericht des Bundesministers für Europa, Inte­gration und Äußeres

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Öffentlicher Personennah- und Regionalver­kehrsgesetz 1999 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte erlassen wird und das Eisenbahngesetz 1957, das Kraftfahrlinienge­setz, das Luftfahrtgesetz, das Schifffahrtsgesetz und das Verbraucherbehörden-Koope­rationsgesetz geändert werden (Passagier- und Fahrgastrechteagenturgesetz – PFAG)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird

12. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates

13. Punkt: Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 2

14. Punkt: EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2015

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Op­ferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Be­hinderteneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mut­terschutzgesetz 1979 geändert werden

17. Punkt: Sozialbericht 2013-2014

18. Punkt: Jahresbericht 2015 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG und § 7 EU-InfoG auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 und des let­tischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2015 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des italienischen, lettischen und luxemburgischen Ratsvorsitzes

19. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bundes­rates

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 52

20. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schlummernde Talente: Per­spektiven für Jugendliche und junge Erwachsene (NEETs)“ (212/A-BR/2015)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Slowenien zur Änderung des Vertrages zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammen­arbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 40

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über die Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) durch den Herrn Bundespräsidenten           ............................................................................................................................... 43

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kunst und Kultur durch den Herrn Bundes­präsidenten                  48


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 3

Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 212/A-BR/2015 der Bun­desräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schlummernde Talente: Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachsene (NEETs)“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ...........................................................................................  52, 52

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Fragestunde (166.)

Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ................................................................. 10

Martin Preineder (1865/M-BR/2015); Johanna Köberl, Mag. Reinhard Pisec, BA, Dr. Heidelinde Reiter

Reinhard Todt (1862/M-BR/2015); Dr. Magnus Brunner, LL.M, Gerd Krusche, Mag. Nicole Schreyer

Gerd Krusche (1868/M-BR/2015); Josef Saller, Ing. Hans-Peter Bock, Marco Schreuder

Marco Schreuder (1869/M-BR/2015); Ferdinand Tiefnig, Michael Lampel, Monika Mühlwerth

Josef Saller (1866/M-BR/2015); Stefan Schennach, Christoph Längle, Dr. Heide­linde Reiter, Mag. Gerald Zelina

Ilse Fetik (1863/M-BR/2015); Ing. Andreas Pum, Mag. Reinhard Pisec, BA, Mar­co Schreuder

Mag. Christian Jachs (1867/M-BR/2015); Ingrid Winkler, Monika Mühlwerth, Mag. Nicole Schreyer

Elisabeth Grimling (1864/M-BR/2015); Mag. Ernst Gödl, Hermann Brückl, Marco Schreuder, Mag. Gerald Zelina

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .............................................................. 51

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 52

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 39

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1029/A und 532 d.B. sowie 9351/BR d.B. und 9368/BR d.B.)                53

Berichterstatter: Dr. Andreas Köll ................................................................................ 53


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 53

Angela Stöckl ................................................................................................................ 55

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 55

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 58

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes – Ab­lehnung ....................  57, 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 60

2. Punkt: Jahresvorschau des BMG 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der europäischen Kommission für 2015 und des Programms des Rates (Lettland und Luxemburg) (III-539-BR/2015 d.B. sowie 9369/BR d.B.)                                                                                                     60

Berichterstatterin: Angela Stöckl ............................................................................ ..... 60

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 61

Johanna Köberl ............................................................................................................ 62

Friedrich Reisinger ...................................................................................................... 64

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 66

Ing. Bernhard Ebner, MSc ........................................................................................... 68

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-539-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 71

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens (293 d.B. und 493 d.B. sowie 9352/BR d.B.) ................................................................. 71

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 71

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Vertrag über die Vierte Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien be­treffend die Einführung eines internen Steuersystems (310 d.B. und 494 d.B. so­wie 9353/BR d.B.) ................................................................................................................. 71

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 71

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Bu­rundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung (373 d.B. und 495 d.B. sowie 9354/BR d.B.)                            71

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 71

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung über die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Kon­vention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen (489 d.B. und 496 d.B. sowie 9355/BR d.B.) ................................................................................................................. 71

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 71


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................... 72

Günther Köberl ............................................................................................................. 74

Marco Schreuder .......................................................................................................... 76

Ana Blatnik .................................................................................................................... 77

Bundesminister Sebastian Kurz ................................................................................ 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................ 81

7. Punkt: EU-Arbeitsprogramm 2015; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres (III-546-BR/2015 d.B. sowie 9356/BR d.B.) ........................................................................ 82

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck ............................................................................... 82

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ....................................................................................................... 82

Edgar Mayer .................................................................................................................. 85

Mag. Susanne Kurz ...................................................................................................... 87

Efgani Dönmez, PMM .................................................................................................. 91

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 93

Bundesminister Sebastian Kurz ................................................................................ 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-546-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 97

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (510 d.B. und 547 d.B. sowie 9358/BR d.B.) ........ 98

Berichterstatter: Günther Novak .................................................................................. 98

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsge­setz 1999 geändert wird (511 d.B. und 548 d.B. sowie 9359/BR d.B.) ................................................................................................................. 98

Berichterstatter: Günther Novak .................................................................................. 98

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 98

Michael Lampel ............................................................................................................ 99

Gerhard Schödinger .................................................................................................. 100

Gerd Krusche ............................................................................................................. 102

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................... 102

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahr­gastrechte erlassen wird und das Eisenbahngesetz 1957, das Kraftfahrlinienge­setz, das Luftfahrtgesetz, das Schifffahrtsgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (Passagier- und Fahrgastrechteagenturge­setz – PFAG) (460 d.B. und 551 d.B. sowie 9360/BR d.B.) ................................................... 107

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 107

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 107

Günther Novak ........................................................................................................... 108

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................... 109

Gerd Krusche ............................................................................................................. 111

Anneliese Junker ........................................................................................................ 111

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 112

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (492 d.B. und 554 d.B. sowie 9361/BR d.B.) .......... 113

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................ 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 113

12. Punkt: Jahresvorschau des BMVIT 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-547-BR/2015 d.B. sowie 9362/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 113

Berichterstatter: Günther Novak ................................................................................ 113

Redner/Rednerinnen:

Michael Lampel .......................................................................................................... 113

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 115

Gerd Krusche ............................................................................................................. 117

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 118

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-547-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 120

13. Punkt: Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegs­kontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-551-BR/2015 d.B. sowie 9363/BR d.B.) ............................................................................................................... 120

Berichterstatter: Michael Lampel ............................................................................... 120

Redner/Rednerinnen:

Günther Novak ........................................................................................................... 121

Anneliese Junker ........................................................................................................ 122

Christoph Längle ........................................................................................................ 123

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 124


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-551-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 124

14. Punkt: EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft 2015 (III-542-BR/2015 d.B. sowie 9357/BR d.B.)                                   124

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig ............................................................................ 124

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler .......................................................................................................... 125

Martin Preineder ......................................................................................................... 128

Stefan Schennach ...................................................................................................... 130

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 132

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 134

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ....................................................... 136

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-542-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 140

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorge­gesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behin­derteneinstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesge­setz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, er­lassen wird (527 d.B. und 564 d.B. sowie 9364/BR d.B.) ............................................................................................................... 140

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 141

Redner/Rednerinnen:

Ilse Fetik ....................................................................................................................... 141

Josef Saller ................................................................................................................. 142

Christoph Längle ........................................................................................................ 142

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 143

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 144

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mutterschutz­gesetz 1979 geändert werden (528 d.B. und 569 d.B. sowie 9365/BR d.B.) .................................................................................................... 144

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 144

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 145

Ana Blatnik .................................................................................................................. 146

Sonja Ledl-Rossmann ............................................................................................... 147

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 149

17. Punkt: Sozialbericht 2013-2014 (III-538-BR/2015 d.B. sowie 9366/BR d.B.)          149

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 149

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dietmar Schmittner ............................................................................................. 149

Reinhard Todt ............................................................................................................. 151


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 8

Walter Temmel ........................................................................................................... 153

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 154

Ing. Bernhard Ebner, MSc ......................................................................................... 158

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-538-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 164

18. Punkt: Jahresbericht 2015 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Kon­sumentenschutz gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG und § 7 EU-InfoG auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 und des lettischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2015 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des italienischen, lettischen und luxemburgischen Ratsvorsitzes (III-543-BR/2015 d.B. sowie 9367/BR d.B.) .............................................................................. 164

Berichterstatter: Richard Wilhelm .............................................................................. 164

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dietmar Schmittner ............................................................................................. 165

Stefan Schennach ...................................................................................................... 166

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................ 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-543-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 168

19. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsord­nung des Bundesrates (211/A-BR/2015 sowie 9370/BR d.B.) ............................................................................................................... 169

Berichterstatter: Ing. Hans-Peter Bock ...................................................................... 169

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ..................................................................................................... 169

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 170

Reinhard Todt ............................................................................................................. 172

Marco Schreuder ........................................................................................................ 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, der dem Ausschussbericht ange­schlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungs­mäßige Zustimmung zu erteilen                   173

20. Punkt: Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schlummernde Talente: Per­spektiven für Jugendliche und junge Erwachsene (NEETs)“ (212/A-BR/2015)      ............................................................................................................................. 174

Annahme des Antrages 212/A-BR/2015 ...................................................................... 174

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen be­treffend eine parlamentarische Enquete des Bundesrates gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schlummernde Talente: Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachse-
ne (NEETs)“ (212/A-BR/2015)

Anfragen der Bundesräte

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend finanzielle Situation der Landespolizeidirektionen (3075/J-BR/2015)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 9

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsreform – wichtige nächste Schritte (3076/J-BR/2015)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Hans-Jörg Jene­wein, Kolleginnen und Kollegen betreffend fälschliche Behauptung einer illegalen Kund­gebung (2839/AB-BR/2015 zu 3062/J-BR/2015)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schlechterstellung der Öffentlich Bediensteten durch die Dienst­rechtsreform 2015 (2840/AB-BR/2015 zu 3063/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 10

09.04.09Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 841. Sitzung des Bundesrates.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen wunderschönen guten Morgen! Ich begrüße recht herzlich unseren Staatssekretär Dr. Harald Mahrer. Herr Staatssekretär, danke für dein Kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 840. Sitzung des Bundesrates vom 9. April 2015 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Christian Füller, Mag. Ha­rald Himmer, Elisabeth Reich, Werner Stadler und Hans-Jörg Jenewein.

09.05.26Fragestunde

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich darf mich noch einmal recht herzlich bei dir, Herr Staatssekretär, dafür bedanken, dass du uns heute bei der Fragestunde zur Verfügung stehst.

Ich weise darauf hin, dass die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vize­präsidenten bis zu 120 Minuten erstreckt werden kann, um die Behandlung aller münd­lichen Fragen zu ermöglichen.

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1865/M, an den Herrn Staatssekretär, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Preineder, um die Ver­lesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Staatssekre­tär! Wesentlich ist, dass die Wirtschaft investiert und somit auch entsprechend aktiv ist.

Meine Frage lautet:

1865/M-BR/2015

„Wie wurden die Bedürfnisse der Unternehmen im Alternativfinanzierungsgesetz, das derzeit in Begutachtung ist, berücksichtigt?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Wir haben uns bei der Regierungsklausur in Krems darauf geeinigt, ein derartiges Alternativfinan­zierungsgesetz auf den Weg zu bringen, nachdem die Kritik zunehmend stärker und darauf hingewiesen wurde, dass in der jetzigen Wirtschaftssituation mit der normalen Unternehmensfinanzierung, die in Österreich historisch bedingt sehr stark bankenlastig ist, nicht mehr das Auslangen gefunden werden kann.

Alle unter Ihnen, nicht nur diejenigen, die einen starken Wirtschaftsbezug haben, wis­sen, wie ich meine, dass sich aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise die regulato­rischen Vorschriften für die Banken verändert haben, und zwar sehr zum Nachteil einer kleinstrukturierten Wirtschaft, wie es die österreichische ist, sehr zum Nachteil aber


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auch einer mittel strukturierten Wirtschaft wie in Deutschland, denn bis zu einer be­stimmten Betriebsgröße kann man bestimmte Finanzierungsinstrumente einfach nicht mehr so einsetzen, wie das früher möglich war. Große Industriebetriebe können sich über Anleihen, über Bonds und andere Kapitalmarktinstrumente finanzieren, kleine Be­triebe eben nicht.

Außerdem haben wir natürlich bei Unternehmensgründungen und Projekten von klei­nen Unternehmen, die in Richtung Wachstum gehen, die ein bisschen risikointensiver sind, die zusätzliche Spezialität im Bankfinanzierungsbereich, dass natürlich sehr risi­kogetragene Finanzierungsvarianten noch weniger finanziert werden können. Hürden sind also einerseits die Eigenkapitalvorschriften und andererseits die Risikoproblematik.

Eine dieser Methoden, die ein Lösungsansatz sein könnte – und da gab es im Vorjahr einen Entschließungsantrag im Nationalrat –, war, ein Crowdfunding-Modell zu entwi­ckeln, das wir jetzt in dieser Form auch schon in Begutachtung geschickt haben. Die Vorteile, die sich da für Unternehmen ergeben, muss man immer in Balance bringen mit Anlegerschutz auf der einen Seite und Konsumentenschutzüberlegungen auf der anderen Seite. In Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, wo ich mich auch noch einmal sehr bedanken möchte, ist meiner Meinung nach jetzt ein sehr sinnvolles Mo­dell entstanden, das vor allem primär eines schafft, nämlich Rechtssicherheit.

Sie kennen alle den Fall Staudinger, der intensiv durch die Medien gegangen ist. Das neue Modell soll jetzt allen Interessierten, die so einen alternativen Finanzierungskanal verwenden könnten, die Möglichkeit bieten, sich leichter über die Crowd, also über „wen auch immer“ – unter Anführungszeichen –, der Interesse hat, zu finanzieren.

Das Wen-auch-immer birgt aber das Problem des Anlegerschutzes in sich. Man muss sicherstellen, dass es keine Pyramidenspiele gibt, dass niemand als Anleger über den Tisch gezogen wird. Gleichzeitig muss immer kommuniziert werden, dass es sich um eine Hochrisikogeschichte handelt. Wenn man sozusagen in ein Unternehmen inves­tiert, dann kann das Geld auch verlorengehen. Das ist sozusagen das Risiko des Wirt­schaftens.

Vielleicht ein paar Eckpunkte: Bis 1,5 Millionen € ist lediglich eine Informationspflicht desjenigen, der emittiert, also desjenigen, der sozusagen das Geld einwirbt, gegeben. Entweder funktioniert das über eine Internetplattform, oder es macht das Unternehmen direkt. Von 1,5 Millionen € bis 5 Millionen € wird es eine erleichterte Prospektpflicht ge­ben, diese ist schon deutlich strenger und auch mit ordentlichen Kosten für Unter­nehmen verbunden. Ab 5 Millionen € wird es die ganz normale Kapitalmarktprospekt­pflicht geben.

Sie sehen also, das ist ein Modell, das für sehr kleine Unternehmen wie Start-ups ge­nauso funktionieren kann, die vielleicht 30 000, 50 000 € einwerben wollen. Es ist üb­rigens auch für PPP-Modelle in Gemeinden, die etwas machen wollen – eine Photo­voltaikanlage oder etwas im Sportbereich –, verwendbar. Es gilt ja der KMU-Begriff für dieses Gesetz. Wenn eine Gemeinde unter diesen europäischen KMU-Begriff fällt – also weniger als 250 Mitarbeiter hat, 42 Millionen € Bilanzsumme und so weiter –, dann kann theoretisch auch eine Gemeinde über dieses Tool Geld aufnehmen.

Um dem Anlegerschutz gerecht zu werden, haben wir lang und intensiv verhandelt und uns auf ein sehr vernünftiges Modell geeinigt, wonach pro Jahr und pro Projekt maxi­mal 5 000 € investiert werden können, oder – und das war, glaube ich, ganz wichtig, dass es da auch eine Zusatzmöglichkeit gibt –, wenn das doppelte Nettoeinkommen höher als 5 000 € ist, dann kann man auch mehr investieren. Oder, wenn die frei ver­fügbaren Finanzmittel zum Beispiel – ich nenne irgendeine Summe – 100 000 € betra­gen würden, dann gilt dort eine 10 Prozent-Grenze und dann könnten Sie 10 000 € in­vestieren.


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Das ist jetzt, sage ich, ein guter Mittelweg zwischen dem Beschränken des Risikos – nicht zu viel Klumpenrisiko in einem einzigen Projekt –, und den 5 Millionen €, ab de­nen eine Prospektpflicht notwendig wird – diese werden angesammelt pro Unterneh­men. Das heißt, wenn einer jetzt Geld einwerben will und er beim Einwerben über 5 Millionen € drüberkommt – das gilt über sieben Jahre –, dann gilt automatisch die Prospektpflicht. Damit ist sichergestellt, dass keine Pyramidenspiele kommen und dass sich nicht jemand aus dieser Variante herausstiehlt und eigenartige Sammelaktionen macht.

Von der Branchenvertretung selbst, von den Start-ups, von jenen, die bislang schon sol­che Modelle gemacht haben – wir sind gerade in der Begutachtung, ein paar Ergeb­nisse kennen wir schon –, kommt im Grunde genommen ein ganz gutes Feedback. Die Begutachtung läuft noch. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt. – Danke.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat Preineder?

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Die Zusatzfrage ist an sich schon beantwortet. Ich wollte wissen, ob die Anleger entsprechend geschützt sind. Aber das hat der Staatssekretär schon ausgeführt.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ergänzend möchte ich festhalten, es gibt den Punkt der In­formationspflicht. Das ist ganz wichtig zu wissen. Ich habe gesagt, bis 1,5 Millionen € ist das jetzt keine Prospektpflicht light oder Prospektpflicht, sondern eine Informations­verpflichtung. Das heißt, dass entweder der Emittent selber, also der, der als Unter­nehmen einwirbt, oder die Plattform bestimmte Informationen zur Verfügung stellen muss. Das sind aber im Falle eines Unternehmens solche, die ein redlicher Kaufmann oder Unternehmer ohnehin haben muss, vom Firmenbuchauszug über die Gewerbebe­rechtigung, den Jahresabschluss, plus, plus, plus. Falls er das nicht hätte, hätten wir ohnehin große Bedenken, ob der unternehmerisch überhaupt alles richtig macht.

Aber wir haben in diesem Zusammenhang versucht, eine Abwägung zwischen dem Gut der wirtschaftlichen Freiheit auf der einen Seite und dem Schutz von Konsumen­ten- und Anlegerinteressen auf der anderen Seite zu treffen. Das muss man halt bei so einem Risiko-Tool – was es zweifellos ist, es muss auch ganz klar als solches gekenn­zeichnet sein – in Abwägung bringen. Es ist immer eine Gratwanderung. Daher waren die Debatten, glaube ich, auch so lange und schwierig. So sieht es jetzt aus.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Köberl.

 


Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär, bis das alles ins Laufen kommt, wird es noch ein bisschen dauern. Was werden Sie tun, damit die Unternehmen, vor allem unsere KMUs, in Zukunft nicht auf Crowdfunding angewiesen sind, sondern von ihrer Hausbank einen Kredit bekommen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wir hoffen, dass wir bei nicht allzu großem negativem Feed­back – ich gehe davon aus, dass dieses im Zuge der Begutachtung sehr positiv sein wird – im Juni oder Anfang Juli ins Plenum des Nationalrats damit kommen können und vielleicht noch vor der Sommerpause dann auch zu Ihnen in den Bundesrat. Im Idealfall wird dieses Gesetz dann im Herbst zügig in Kraft treten.

Aber Sie haben natürlich recht, aufgrund der starken Konzentration in Richtung Bankfi­nanzierung bei uns ist das ein großes Thema. Wir setzen uns natürlich auf Ebene der Europäischen Union ganz stark für die Themen ein, die die Europäische Kommission


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im Februar mit ihrem ersten Entwurf zur Kapitalmarktunion vorgelegt hat. Unser Anlie­gen angesichts der sehr strengen Risikovorschriften und Eigenkapitalvorschriften ist, wenn es besonders um den KMU-Bereich geht, um Finanzierungen im kleinvolumi­geren Bereich und dort, wo es um Wachstumsfinanzierung geht, einen Spielraum für die Banken zu schaffen.

Das ist nicht nur ein österreichisches Thema, sondern das ist ein Thema, das vor allem Deutschland ganz stark betrifft, das Italien und auch die Beneluxländer betrifft, jene Länder, wo Bankenfinanzierung bis zu einem gewissen Grad eine größere Tradition hat. Und da setzen wir uns jetzt ganz massiv dafür ein. Das macht der Finanzminister meines Wissens auch über den ECOFIN.

Das ist einfach eine Belastung für unsere Wirtschaft. Jetzt, da die Wirtschaft in der ge­samten Eurozone wieder ein bisschen mehr anzieht, hören wir vermehrt aus dem KMU-Bereich, dass es, wenn man wirklich einen Wachstumsschritt setzen möchte, schwierig ist, dafür auch einen Kredit zu bekommen.

Das liegt an den ganz, ganz engen Vorschriften, die unsere Banken zurzeit haben – unabhängig davon, dass sie vor unfassbaren Verwaltungsauflagen und vor echter Bü­rokratie stehen.

Aber wenn man das einmal weglässt, muss man sagen, ist es tatsächlich ein Problem für die KMUs. Diese Ideen der Kommission gehen unserer Meinung nach in die richtige Richtung, müssen aber noch weiter verstärkt werden.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ursache dieses Gesetzes ist ja, dass Österreich eine ziemlich geringe Gründerszene im Vergleich zum EU-Schnitt hat. Berlin hat da, glaube ich, Vorbildwirkung. Wien ist da weit hinten nach.

Ein Problem ist natürlich die Finanzierungslücke, die Sie mit diesem Gesetz zu schlie­ßen versuchen. Aber glauben Sie wirklich, dass 5 000 € genügen und die Anleger in Österreich so viel dümmer sind als jene in Deutschland – denn in Deutschland liegt dieser Höchstbeitrag bei 50 000 €? Da kann man sicher etwas bewegen. 5 000 € wer­den meiner Meinung nach zu wenig sein.

Meine Frage an Sie: Ist es möglich, diesen Höchstbeitrag in Zukunft zu erhöhen, damit junge Menschen die Finanzierungslücke schließen können?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: 5 000 € sind es ja pro Anleger pro Projekt. Das heißt, wenn ein Start-up 500 000 € einwerben will, dann braucht es halt 100 Leute, die zum Beispiel € 5 000 einbringen. Es können im Übrigen auch ein, zwei Investoren dabei sein: Wenn es sich um professionelle Investoren nach dem AIFMG handelt, wenn diese üblicher­weise ohnehin mit größeren Geldbeträgen hantieren, dann können diese dort ohnehin mehr hineinlegen.

Aber da geht es ja speziell um die Variante, Kleinanleger zu schützen, und für die gibt es eine Beschränkung von 5 000 €. Das hängt aber davon ab, wie ich vorhin schon ge­sagt habe, wo groß ihr liquides Finanzvermögen ist.

Das halte ich aus Sicht des Anlegerschutzes schon für eine sehr kluge Sache. Überle­gen Sie sich: Jemand hat 100 000 € und setzt alles, auch wenn er gutgläubig ist und das Projekt auch gut klingt – das mag ja sein –, die gesamten 100 000 € auf eine Karte und es ist dann weg. Das ist die Güterabwägung.


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Aber was das Argument betrifft, dass man damit nicht durchstarten kann: Unsere Re­gelung ist, ganz im Gegenteil, eigentlich besser als die deutsche Regelung, denn dort gilt ja die 50-Grenze, und zudem in cumulo. Das ist bei uns deutlich höher. Wir sind der Meinung, dass das eigentlich extrem wettbewerbsfähig ist. Und wir haben auch schon das Feedback während der Begutachtungsphase aus Deutschland. Ich war vor zwei Wochen in Großbritannien, die Spezialisten wollten dort einen Informationsaustausch darüber, was man für die Gründer im Innovationsbereich, im Wissenschaftsbereich ma­chen kann. Auch dort ist das Feedback gekommen, die Variante klingt total interessant und ist vermutlich wesentlich marktnäher als andere.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Welche Erleichterungen für Ge­nossenschaftsgründungen planen Sie im Licht dieses geplanten Alternativfinanzierungs­gesetzes? Wird es da Erleichterungen geben, und wie schauen diese aus?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Im Zusammenhang mit dem Alternativfinanzierungsgesetz gibt es im Prinzip in diesem Sinn keine Erleichterungen, sondern es gibt ganz im Ge­genteil keine Erschwernis, denn es gibt ja schon jetzt die Möglichkeit, über die Genos­senschaftsregeln einzusammeln.

Bei den möglichen Änderungen wird die Höhe des Einsammelns, wo Genossenschaf­ten benachteiligt gewesen wären, angepasst. In Wirklichkeit gibt es dann geplanter­weise eine Gleichstellung, wenn Sie es so wollen. Schauen wir einmal, wie die Begut­achtung ausgehen wird.

Es ist so, dass Genossenschaften nicht benachteiligt werden. Sie haben nach wie vor das Modell, dass sie natürlich eine Genossenschaft machen können, und das andere Modell ist, sie fallen unter diese KMU-Regelung. Da gilt übrigens eindeutig, dass sie das Geld nicht zu Veranlagungszwecken oder sonst irgendwas sammeln dürfen. Es muss für ein konkretes unternehmerisches Projekt sein. Aber es soll für die Genos­senschaften keine Benachteiligung geben. Es war auch den bestehenden Genossen­schaften wichtig, dass es da quasi eine Fairness auf dem Markt für die Modelle zum Einwerben gibt.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1862/M, und ich bitte Herrn Bundesrat Todt, seine Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1862/M-BR/2015

„Welche finanziellen und rechtlichen Initiativen im Bereich Ausbau von Energieinfra­struktur gibt es in Ihrem Ressort konkret in Hinblick auf die Umsetzung der Energie­infrastrukturverordnung der Europäischen Union?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Das ist eine etwas komplexere Thematik. Sie verfolgen ja alle die breite Diskussion zum Thema Netzausbau in Europa. Das hat deswegen eine gewisse Komplexität, weil es natürlich unterschiedliche Herangehensweisen an das gibt, was denn die Energiewende ist.

Es gibt einerseits die Herangehensweise, dass für manche Energiewende Abkehr von der Atomenergie bedeutet, für andere bedeutet Energiewende Abkehr von hauptsäch-


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lich fossilen Energiequellen, und für Dritte bedeutet zum Beispiel Energiewende mög­lichst viel Ausbau im Bereich Alternativenergie. Andererseits gibt es auch noch welche, die sagen, im Sinne einer Energiewende reicht es schon, wenn man energieeffizienter ist.

Nichtsdestotrotz: Aufgrund der gesamteuropäischen Entwicklungen und im Sinne des­sen, was als Vorschlag für die Energieunion auf dem Tisch liegt, und allen voran na­türlich der Entscheidung in Deutschland, die wir sehr begrüßen, dass man in Wirklich­keit einen Atomausstieg durchführen möchte, auch wenn das leider noch eine Zeit lang dauern wird, und des intensiven Aufbaus von alternativen Energieproduktionen braucht es eine andere Netzinfrastruktur in Europa. Das ist evident, an dieser Diskussion führt im Prinzip kein Weg vorbei. Zu diesem Behufe gibt es sozusagen eine Verordnung – das ist die Leitlinie für transeuropäische Energieinfrastruktur, TEN-E-Verordnung, wie das richtig heißt –, und die sagt in Wirklichkeit nichts anderes, als dass man versucht, über ein neues Modell Verfahren zu beschleunigen, um genau so eine Energieinfra­struktur europaweit umsetzen zu können.

Sie haben gefragt, welche finanziellen und rechtlichen Initiativen es gibt. Ich beginne mit dem Finanziellen. Wir haben bei uns im Ressort keine eigene Förderung dafür. Es gibt aber wohl auf europäischer Ebene zwei, für die man sich für solche Projekte im Ausbau bewerben kann. Das ist zum einen die Connecting Europe Facility und zum anderen der EFSI, der nach dem Juncker-Paket neu geschaffene European Fund for Strategic Investments. Das ist, wie in den Medien beschrieben, ein bisschen ein magi­scher Fonds, der mit einem geringeren Eigenkapitaleinsatz möglichst viele Hebelwir­kungen generieren soll, um dann über 300 Milliarden € Investitionsvolumen zu gene­rieren.

Das ging auch ein bisschen über die Medien, jetzt kann man ein bisschen mehr dazu sagen. Wir haben das im Wettbewerbsfähigkeitsrat auf EU-Ebene immer wieder als Thema. Es gibt eine sogenannte Projektpipeline, und so kann man sehen, welche Pro­jekte aus welchen Ländern kommen. Die Deutschen zum Beispiel haben mehrheitlich Projekte zum Leitungsausbau und zum Thema Energieinfrastruktur. Bei uns ist das nicht so sehr der Fall; das heißt aber nicht, dass das nicht auch sein wird, weil diese Liste nicht abgeschlossen ist. – So viel einmal zum finanziellen Teil.

Beim rechtlichen Teil geht es ganz stark darum, wie diese Verordnung unser Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetz beeinflusst. Dazu kann ich nur sagen, dass es einer­seits in der gesetzlichen Verankerung eine neue Energieinfrastrukturbehörde geben wird – das ist in dem Sinn dann unser Ressort –, und es wird ein spezieller Anwen­dungsbereich für sogenannte PCI, für Projects of Common Interest – das sind im Prinzip Projekte, die im Sinne des Allgemeinwohls und der breiten Öffentlichkeit ste­hen –, es wird eine eigene Klassifikation und auf europäischer Ebene auch eine eigene Liste eingeführt, was denn solche Projekte zum Beispiel sind. Wir haben es zum Bei­spiel geschafft, durchzusetzen, dass unsere Pumpspeicherkraftwerke auf diese Liste kommen, damit sie sozusagen auch einem speziellen Verfahren unterliegen.

Jetzt wird im Prinzip herumgetüftelt, wie in Zukunft das Verfahren im Detail ausschau­en soll. Es gibt einen Entwurf, wie wir die gesetzliche Änderung umsetzen werden. Auf juristischer Ebene ist es so, dass ein Artikelgesetz geplant ist, nämlich diese Ver­ordnung in Artikel 1 umzusetzen, und eine Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungs­gesetzes, wo eben kleine Änderungen notwendig sind, in Artikel 2. – Das sind die bei­den Punkte. – Danke.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Die Zusatzfrage betrifft die Fernwärme und Fernkälte.


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Warum wird die Höchstförderung nicht ausgenutzt, obwohl im Bereich des Fernwärme­leitungsausbaus förderfähige Projekte mit einem Fördervolumen von 100 Millionen € vorliegen, welche Investitionen von 300 Millionen € auslösen würden?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Im Bereich Fernwärme/Fernkälte ist das sehr unterschied­lich. Sie wissen, es haben je nach Bundesland die jeweiligen technologischen Anbieter sehr unterschiedliche Erfahrungen und Lösungen. In Wien ist das ein ziemlich großes Thema.

Es ist auch eine Frage, wer welche Anträge stellt. Es gibt unterschiedliche Kriterien, nach denen diese Anträge dann jeweils immer bearbeitet werden, wobei in dem Zu­sammenhang zu sagen ist, es gibt auch Verfahren, die unter eine Prüfgenehmigung fallen. Es gibt manche, die in Wirklichkeit auch UVP-genehmigungspflichtig sind, je nachdem, ob es kurze Leitungen sind, die freigestellt sind, oder nicht.

Wie viele Anträge es derzeit gibt und welche Projekte sozusagen ausharren, weiß ich nicht. Wenn Sie das Ausmaß wissen möchten, kann man das im Prinzip nachliefern, das ist kein Problem.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Brunner.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Vielleicht zurückkommend zu der Hauptfrage von vorhin: Es scheitert oft auch an der europäischen Zusammenarbeit, wenn es vor allem um Netzinfrastruktur geht. Die Bayern beispielsweise blockieren den Netzausbau seit einigen Jahren.

Wie steht Österreich, wie steht die Bundesregierung zu einer europäischen Zusam­menarbeit, zu mehr Koordination in der EU?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich habe es anfangs schon erwähnt: Wir bekennen uns da­zu, dass wir diese Netze europaweit ausbauen müssen. Es kann nicht sein, dass wir, wenn der Strompreis niedrig ist – so wie jetzt, obwohl man eigentlich angenommen hat, dass er wieder steigen wird –, wahnsinnig viel Stromproduktion haben und damit dann irgendwelche Seen aufgeheizt werden. Das wird nicht besonders umweltverträglich sein und kann auch nicht Sinn des Marktes sein, wenn man den Strom anderswo brauchen könnte.

Wir brauchen europaweite Netze, und wir werden sie auch deswegen brauchen, weil der technologische Fortschritt sehr zügig voranschreitet. Sie kennen alle – wenn Sie in die Zeitungen und Magazine hineinschauen – die Ideen, dass Häuser als Batterien funk­tionieren, dass bei Passiv- und Aktivhäusern ganz andere Smart Grids möglich sind. Da sprechen wir noch gar nicht von den Technologien, die dann pro Einzelhaushalt in Richtung Smart Home möglich sind, welche Endgeräte welche Funktionen erfüllen kön­nen.

Das wird eine neue Netzleitungs- und ‑steuerungstechnologie bedingen, die auch bald kommen wird. Diese neuen Möglichkeiten brauchen einfach diese Netze, daran führt kein Weg vorbei. Wir stehen dem total positiv gegenüber. Im Übrigen versuchen wir auch im europäischen Konzert andere Länder oder Teile in anderen Ländern, die dem kritisch gegenüberstehen, davon zu überzeugen, mitzumachen.

Die Netzinfrastruktur ist, wenn Sie so wollen, so etwas wie die Blutbahnen im Körper. Wenn die nicht vernünftig funktionieren, kann auch das Blut, in dem Fall der Strom nicht fließen. Das betrifft aber nicht nur den Strom, zum Teil geht es auch um Gas-


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leitungen und Ölleitungen. Wenn diese Energien nicht transportiert werden können, wenn bestimmte Regionen nicht vernünftig erschlossen werden können, sind sie vom Blackout bedroht. Das ist ein Wahnsinn. Das ist genauso wie beim Breitbandausbau, auch das ist etwas, das wir tatsächlich brauchen. Es geht um den zukünftigen Wohl­stand, um die Teilhabe. – Wir unterstützen das natürlich voll.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, an­knüpfend an die Frage des Vorredners: Wir wissen, dass der österreichische Konsu­ment mit ständig steigenden Netztarifen konfrontiert ist. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der internationalen Netze ist Österreich bereits jetzt ein Stromtransitland. – In­wieweit ist daran gedacht, Regelungen herbeizuführen, die sozusagen eine Art „Be­mautung“ – unter Anführungszeichen – des Stromtransites zum Ziel haben, um die Netz­ausbaukosten in Österreich entsprechend zu berücksichtigen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Im Sinne des europaweiten Leitungsnetzes ist es vollkom­men klar, dass bis auf wenige Randländer die Mehrheit der Länder in Europa, und zwar nicht nur im Strombereich, sondern auch im Öl- und Gasbereich, natürlich Netze braucht, wenn wir über ein Gesamteuropa reden, darüber, dass auch Durchleitungs­kapazitäten da sind, die auch von unterschiedlichen Händlern, Produzenten und Lie­feranten genutzt werden.

Im Vorschlag zur Energieunion, der in der Form noch nicht abgeschlossen ist – aber das ist so wie bei der Kapitalmarktunion ein gesamteuropäisches Projekt –, werden diese Fragen meines Wissens intensiv debattiert. Das ist nicht nur ein österreichisches Thema, Tschechien zum Beispiel hat auch dieses Thema oder die Slowakei zum Bei­spiel. Ob man eine einheitliche Regelungsstruktur findet, die für Gesamteuropa gleich gilt – Sie wissen, wie schwierig es ist, einen einheitlichen riesigen Topf zu schaffen –, und auch alle Entgelte abführen und gleichzeitig wieder herausbekommen, ist wie beim Sozialtransfer gesamteuropäisch eine schwierige Frage, wird aber in der Diskussion der Energieunion debattiert.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mag. Schreyer.

 


Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie sind vorhin schon auf die Schaffung des Artikelgesetzes eingegangen – dazu mei­ne Zusatzfrage: Warum wurde von Ihrem Haus als Lösungsansatz ein neues Gesetz gewählt, anstatt einfach im Sinne der Verwaltungsvereinfachung auch eine Ergänzung des UVP-Gesetzes durch einen Abschnitt für die PCI, also für die Projects of Common Interest zu schaffen?

Als Ländervertreterin sehe ich darin einfach auch die potenzielle Gefahr der Aushebe­lung der UVP-Verfahren, die in Länderhand liegen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Bei dem Artikelgesetz ist es so, dass nur das im UVP-Gesetz geändert wird, was einer Änderung bedarf, wenn diese Projekte hinsichtlich ihrer Klas­sifikation unter das UVP fallen. Also eine Aushebelung gibt es in gar keiner Art und Weise, das Verfahren wird nur sozusagen konzentriert und beschleunigt, wenn es um sogenannte PCI-Projekte geht. Aber es verändert jetzt in dem Sinne, wenn das ganz normale UVP-Projekte sind, überhaupt nichts.

Es gibt zum Beispiel die ganz besondere Frage der Trassensicherung durch die neue Trassensicherungsverordnung. Es können quasi Verbauungsverbote ausgesprochen wer-


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den, um Trassen zu sichern. Es gibt eine neue Form der Zusammenarbeit, aber die Län­der werden genauso wie alle Stakeholder weiterhin eingebunden. Und für klassische UVP-Angelegenheiten, sprich UVP alt, wenn sie nach wie vor in diese Klassifikation fallen – darum auch die Änderung des UVP –, gibt es keine Beschneidung der Rechte, in keinster Art und Weise.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1868/M-BR/2015, das ist die des Herrn Bundesrates Krusche. – Bitte.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mei­ne Frage lautet:

1868/M-BR/2015

„In welcher Höhe werden die von der Wirtschaftskammer mit 100 Millionen € beziffer­ten Investitionen in getrennte Raucherbereiche von Gastronomielokalen nach Ihren Plä­nen im Zuge der zugesagten Kompensationen bei Einführung eines totalen Rauchver­botes in jeweils welchem Bundesland zurückerstattet?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Die 100 Millionen € sind ein von der Wirtschaftskammer kol­portierter Betrag, der so mit Zahlen nicht hinterlegt ist und nach unseren Schätzungen und den Schätzungen des Finanzministeriums auch deutlich geringer ist. Es ist auch noch gar nicht endgültig beschlossen, ob die Rückerstattung, die Kompensation über­haupt in Form von Prämien erfolgen soll. Ich kann Ihnen jetzt nur sagen, wie der ak­tuelle Stand ist, was geplant ist. Wie Sie wissen, ist ein Gesamtpaket geplant, und die­ses beinhaltet auch Präventionsmaßnahmen. Es soll auch eine eigene Kampagne ge­startet werden, die die Frau Gesundheitsministerin beim Fonds Gesundes Österreich in Auftrag gegeben hat.

Das neue Regelwerk soll ab 1. Mai 2018 gelten; es gibt also so etwas wie drei Jahre Übergangsfrist. Für Betriebe, die dieses generelle Rauchverbot bereits bis zum 1. Juli 2016 umsetzen, soll es eine 10-prozentige Prämie geben, basierend auf dem Rest­buchwert, auf jenem Wert, der noch nicht abgeschrieben, der noch übrig ist von den Mitteln, die aufgewendet worden sind, um die erforderliche Trennung herzustellen, et­wa durch Lüftungsanlagen, Trennwände und was auch immer.

Dann gibt es natürlich die Möglichkeit der quasi vorzeitigen generellen Abschreibung, die ohnehin immer besteht. Wenn sozusagen keine betriebliche Nutzung mehr vorhan­den ist, kann das sofort abgeschrieben werden.

Es gibt keinen Plan, wie dies auf die Bundesländer aufzuteilen ist. Dies hat auch nichts mit den 100 Millionen zu tun, die da kolportiert worden sind.

Faktum ist, jeder Betrieb, der bis 1. Juli 2016 das Rauchverbot umsetzt, bekommt die­se Prämie, und für alle anderen bestehen die Abschreibungsmöglichkeiten. Die Prämie bekommt er im Übrigen unabhängig davon, ob er einen Gewinn oder einen Verlust macht. Man muss dafür keinen Gewinn schreiben, die 10-prozentige Prämie des Restbuch­werts wird im Zuge der Veranlagung ausbezahlt.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Abgesehen davon, dass die 10 Prozent natürlich sehr niedrig zu sein scheinen – kennen Sie das Gutachten beziehungsweise die Stellungnahme von Universitätsprofessor Beiser, der darauf hinweist, dass diese Abgeltung auch bei zwischenzeitlichem Kauf der Betriebe, sprich auch für den neuen Besitzer eines Betriebes anrechenbar ist, was im derzeitigen Entwurf nicht der Fall ist?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr


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Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Anmerkungen zum derzeitigen Entwurf. Soviel ich weiß, ist das eine von einer ganzen Reihe von Ideen, die noch gekommen sind, respektive ein weiterer Aspekt, der noch zu berücksichtigen sein wird. Das wird jetzt gerade endverhandelt. Das ist keine Materie, die nur unser Ressort betrifft, sondern sozusagen ein großes Paket, das auch die Frau Gesundheits­ministerin, auch das Gesundheitsressort betrifft. Ich glaube, am Ende des Tages wird man eine vernünftige Regelung finden müssen.

Ich glaube, der zentrale Punkt ist: Gehen wir weg von einem Raucherschutzgesetz, das wir bislang hatten, das Freiraum für Raucher schafft, hin zu einem klaren Nichtrau­cherschutz! Das kostet gesamtstaatlich etwas. Das ist eine unserer Meinung nach rich­tungsweisende Entscheidung, die aufgrund der intensiven öffentlichen Debatte auch nicht ohne Schrammen über die Bühne gehen wird, weil natürlich sehr konträre Posi­tionen bezogen werden und wir auch noch einige Schritte vor uns haben. Aber ange­sichts der Zahlen und der unwiderlegbaren Argumente – wenn man es sozusagen aus einer gesamtstaatlichen Sicht beurteilt – ist es klug, jetzt diesen Nichtraucherschutz vernünftig zu verfolgen und zu implementieren. Man wird versuchen, die Argumente, die jetzt noch alle auf den Tisch kommen, vernünftig einzubauen. Wenn die Verhält­nismäßigkeit stimmt und es ökonomisch machbar und sinnvoll ist, wird man sich Ar­gumenten nicht verschließen. Aber das ist, wie gesagt, eines von vielen, die zurzeit vorliegen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Zusatzfrage ent­spricht einer Frage, die sehr oft auch bei Stammtischen gestellt wird: Warum wird die bestehende Regelung mit Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereich eigentlich nicht beibehalten?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich habe auch ganz persönlich ein tiefes Verständnis für diese durchaus quasi komplexe Situation. Ende der 2010er-Jahre wurde mit der dama­ligen Regelung versucht, eine Lösung zu erzielen, mit der alle leben können. Es hat sich aber herausgestellt, dass eben nicht alle damit leben können. Das war damals schon eine Kaugummilösung, und eine Kaugummilösung ist keine gute Lösung.

Das muss man einfach einmal konstatieren, das Miteinander hat nicht funktioniert. Es hat auch nicht funktioniert, tatsächlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Be­trieben zu schützen, weil sie keine Wahlfreiheit haben. Das Miteinander in diesen Lo­kalen hat de facto auch nicht funktioniert. Sie wissen es, Tausende Anzeigen wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen! Das ist also sichtlich keine vernünftige Regelung gewesen. Daher – gesamtstaatlich gesprochen, ich habe es vorhin angesprochen – muss man einmal Schritte setzen. Irgendwann einmal ist das Debattieren, ist das lei­dige Herumschieben von Argumenten, glaube ich, vorbei. Wir haben uns als Regierung gemeinsam dazu entschlossen, diesen Schritt zu setzen, und das wird jetzt auch durchgezogen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Bock.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Herr Staatssekretär! Der Herr Vize­kanzler hat sich seit Amtsübernahme sehr stark für den Nichtraucherschutz in der Gas­tronomie eingesetzt. Die Frau Gesundheitsministerin hat jetzt ein Gesetz vorgelegt be-


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ziehungsweise in Begutachtung geschickt, das ein völliges Rauchverbot in der Gastro­nomie vorsieht.

Wie beurteilen Sie diesen Entwurf?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wie ich zu Beginn schon erwähnt habe, stehe ich dem sehr positiv gegenüber. Wir befinden uns jetzt sozusagen in weiteren Gesprächen, ob noch ein Feintuning notwendig ist. Ich glaube, dass man im Sinne der Ausgewogenheit durchaus berechtigte Interessen der Wirtschaft, dass diejenigen, die Investitionsmaß­nahmen vorgenommen haben, nicht gänzlich vor den Kopf gestoßen werden, soweit sie sachlich vernünftig umsetzbar sind, miteinfließen lassen kann. Ich habe die Va­riante mit den 10 Prozent schon angesprochen. Das wird – wie immer – manchen Leu­ten zu wenig sein, anderen Leuten vielleicht zu viel, weil sie meinen, die hätten das vo­raussehen können.

Im Grunde genommen stehe ich zu dem Entschluss, ich finde das vernünftig. Wir könn­ten jetzt auch alle Argumente durchgehen, etwa wie viele Menschen an Lungenkrebs sterben, was das Hauptargument dafür ist, dass Aktiv- und Passivrauchen nicht gleich­zeitig funktionieren, aber wir beschränken ja nicht die Wahlfreiheit des Einzelnen, in seinen eigenen vier Wänden zu rauchen oder dort, wo auch immer sonst er das tun kann. Es geht um Orte, wo unterschiedliche Gruppen zusammenkommen und wo die Wahlfreiheit – das war immer ein Hauptargument – für die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter in der Form nicht gilt.

Man muss in einer demokratischen Struktur immer eine Güterabwägung zwischen Frei­heit auf der einen Seite und Schutz und Sicherheit auf der anderen Seite vornehmen, und das ist in der Frage des Rauchens, weil es um eine Einschränkung der persön­lichen Freiheit einerseits und des persönlichen Schutzes andererseits geht, extrem schwierig. Aber ich glaube, der Entwurf, so wie er vorliegt, ist einmal ein Schritt in die richtige Richtung, vor allem deshalb, weil wir auch über begleitende Präventionsmaß­nahmen ab Schuleintritt nachdenken.

Ich glaube, dass die Anzahl der Personen, die rauchen, nach Einführung dieses gene­rellen Rauchverbotes in der Gastronomie tatsächlich zurückgehen wird. Die berühmte Argumentation, der Staat verliere dann Tabaksteuereinnahmen und was weiß ich alles, halte ich eher für Humbug, weil in Wirklichkeit die volkswirtschaftlichen Folgekosten aufgrund vermehrter Erkrankungen um ein Vielfaches höher sind. Es gibt, glaube ich, eine IHS-Studie dazu, wenn auch schon zwei oder drei Jahre alt, die das mit 750 Mil­lionen € beziffert, vielleicht mittlerweile schon ein bisschen mehr, was gewaltig ist, wenn man das brutto und netto gegeneinander aufrechnet.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Guten Morgen, Herr Staatssekretär! Wie wollen Sie im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen, die Gastronomen treffen werden und die sie auch zum Anlass nehmen könnten – das würde ich auch machen –, gleich mehrere Renovierungsarbeiten zu erledigen, die zu tun sind, sicherstellen, dass die Kompensationszahlungen ausschließlich für den Nichtraucherschutz aufgewendet werden?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Die Zahlungen, diese 10 Prozent vom Restbuchwert, werden ja nicht für die anstehenden Umbauarbeiten getätigt, sondern für diejenigen, die schon vorgenommen worden sind. Das heißt, wenn jemand investiert hat, bekommt er das


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nur für diese Investition. Er bekommt keinen Ersatz, wenn er jetzt umbaut. Zum Bei­spiel: Wenn jemand, sagen wir einmal vor drei Jahren, in seinem Lokal mehrere Trenn­wände, Glaswände aufgestellt und eine eigene Belüftungsanlage eingebaut hätte, das auf sieben Jahre abgeschrieben hätte, dann blieben noch vier Jahre und er hätte noch vier Siebentel Restbuchwert auf diese Abschreibung. Das heißt, diese 10 Prozent be­ziehen sich auf die vier Siebentel Restbuchwert.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1869/M, und ich bitte dich, Marco, um deine Frage.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Meine Frage lautet:

1869/M-BR/2015

„Mit welcher Begründung wird die Forschungsprämie auf 12 Prozent erhöht, anstatt die­se 80 Millionen jährlich der Grundlagenforschung über den Wissenschaftsfonds (FWF) zur Verfügung zu stellen?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Prinzipiell ist anzumerken, dass man eigentlich zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung keine Gegenrechnung anstellen sollte. Wir brauchen beides und investieren in beides intensiv beziehungsweise schaf­fen Anreize dafür.

Eine vernünftige angewandte Forschung ist in Österreich ohne eine stabile und sich ständig erweiternde Grundlagenforschung gar nicht möglich. Speziell wenn es um die Forschungsprämie geht, hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese ein Instru­ment ist, das in dieser Form von Betrieben, weil es fast schon eine Spezialität in Euro­pa ist, gerne angenommen wird, auch von sehr großen Betrieben; interessanterweise auch von sehr großen Betrieben, die ihr Headquarter irgendwo im Ausland haben, gar nicht in Österreich, die aber aufgrund dessen ihren Forschungsstandort in Österreich ausbauen und hier die Forschung im angewandten Bereich intensivieren.

Es ist also keine Frage von Entweder-oder – wir haben auch die Mittel für den FWF kontinuierlich erhöht und erhöhen diese ja auch in Zukunft –, denn die Forschungs­prämie ist auch im Sinne der Steuerreform ein Anreiz, vor allem um im Bereich High­tech und Mediumtech Akzente zu setzen, dass dort im betrieblichen Bereich mehr ge­forscht wird.

Warum? – Als kleine offene Volkswirtschaft, die 6 von 10 € Bruttowertschöpfung im Ex­port verdient, sind wir von der Innovationstätigkeit unserer Betriebe existenziell abhän­gig – 60 Prozent von der gesamten Wirtschaftsleistung. Es sind viele kleine, mittelgro­ße Nischenplayer und Großindustrieplayer, die auf den Weltmärkten ihre Produkte ver­kaufen, manche zu 90, 95 Prozent, manche zu 100 Prozent.

Wir haben nicht die wahnsinnig niedrigen Lohnnebenkosten und auch nicht wirklich we­nig bürokratische Auflagen, es liegt also sichtlich an der Innovationskraft und der Wett­bewerbsfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen. Und diese Innovationskraft zu stärken, das ist eigentlich ein Ziel der Forschungsprämie.

Wir haben schon jetzt sehr viel positives Feedback bekommen, auch aus dem Aus­land. Ich kenne auch schon die ersten Entscheidungen von großen Unternehmen – die werden in den nächsten Wochen, Monaten veröffentlicht –, die sagen: Wir werden dann mehr in Österreich investieren!

Das ist sehr zu begrüßen, wir erwarten uns sehr viel davon.

 



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Präsidentin Sonja Zwazl: Wünschst du eine Zusatzfrage? (Bundesrat Schreuder: Nein!)

Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Tiefnig gestellt. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Oberösterreich hat die geringste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer, trotzdem ha­ben wir zurzeit eine der höchsten Arbeitslosenraten der letzten zehn Jahre und rut­schen im Ranking stetig zurück.

Welchen Stellenwert hat dadurch die Forschungsprämie überhaupt für den Wirtschafts­standort Österreich?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Über die Wettbewerbsfähigkeit habe ich schon ein paar Wor­te verloren.

Die Frage, die man sich grundsätzlich stellen muss, lautet: Wo ist in Zukunft Job­wachstum möglich beziehungsweise was müssen wir machen, um Jobs abzusichern? Am Ende des Tages ist aber eigentlich die beste Sozialpolitik, die diese Bundesre­gierung gemeinsam mit allen Fraktionen im Nationalrat und Bundesrat für Österreich verwirklichen kann, immer, Arbeit zu schaffen und Arbeit zu generieren.

Dafür sind eine Reihe von Dingen notwendig: Ein weiterhin auf hohem Niveau befind­liches Bildungssystem, da dürfen wir das Niveau nicht abrutschen lassen. Wir müssen auch darauf achten, dass wir da mit einer vernünftigen Bildungsreform zukunftsfit wer­den, daran arbeiten wir alle gemeinschaftlich.

Dann geht es aber immer auch um die Verwertung von Wissen und Innovationstätigkeit der Unternehmen, ich habe das vorhin angesprochen. Da sind wir aufgrund der be­grenzten Mittel öffentlicher Haushalte immer auf eine Multiplikatorwirkung oder Anreiz­wirkung angewiesen, darauf, dass auch private Unternehmen investieren.

Ich habe mir die Zahlen jetzt noch einmal genau herausgesucht: Die öffentliche Hand tätigt zurzeit 37,3 Prozent der gesamten F&E-Ausgaben, der private Sektor 62 Prozent, und das Ausland, wenn Sie es herausrechnen, 15,1 Prozent. Diese 15,1 Prozent sind zum Teil fast ausschließlich Forschungsausgaben, die aufgrund der Forschungsprämie getätigt werden; nicht alle, aber ein Teil, denn das ist ein sehr spannender Anreiz für Betriebe.

Das ist in Österreich im Bereich der pharmazeutischen Forschung so, aber auch im Bereich der Hochtechnologieforschung. Ich denke an ein Kärntner Beispiel in Villach: Infineon, der größte Arbeitgeber in Kärnten überhaupt, hat dort ein ganz großes For­schungszentrum; aber es gibt auch Beispiele in anderen Bundesländern.

Sie haben Ihr Heimatbundesland Oberösterreich angesprochen. Es gibt dort eine enge Vernetzung mit der deutschen Automobilindustrie entlang der Wertschöpfungsketten, Stichwort „Industrie 4.0“ – da muss überall investiert werden, wir kommen daran nicht vorbei. Ich halte das für ein ganz essenzielles Mosaikstück für zukünftigen Wohlstand und wirtschaftlichen Erfolg.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lampel.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Herr Staatssekretär, es ist ja so, dass dann, wenn man eine Prämie erhöht, auf der anderen Seite die Steuereinnahmen weg­fallen.

Wie hoch ist daher der jährliche Steuerentfall aufgrund der Geltendmachung der For­schungsprämie?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 23

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wenn ich die Unterlage richtig im Kopf habe, sind für die Er­höhung der Forschungsprämie Mindereinnahmen in der Höhe von 80 Millionen € vor­gesehen. Es sind 80 Millionen €.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Mir ist selbstverständlich klar, dass Sie als Staatssekretär des Wissenschaftsministeriums die Arbeit dieses Ministeriums natürlich verteidigen und hier nicht sagen werden, was alles vielleicht doch nicht so toll läuft.

Aber nicht alle Wissenschafter sind so überzeugt davon, dass Ihr Programm so gut ist. Es gibt gerade im Bereich der Grundlagenforschung ziemlich viel Kritik, dass da zu wenig gemacht wird, und es wandern ja auch Spitzenwissenschafter ab, was wir ja nicht wollen. Wir sind in den letzten Jahren auch in den weltweiten Ranglisten immer zurückgefallen.

Was werden Sie also tun, um Spitzenwissenschafter zu halten und den Wissenschafts­standort Österreich und im Speziellen Wien wieder zu heben?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wenn Sie auf die angesprochene Debatte rund um Herrn Pen­ninger rekurrieren: Das ist ein Verfahren, das Herr Professor Zeilinger in seiner Funk­tion als Präsident der Akademie der Wissenschaften führt.

Es ist in dem Fall keine Berufungsabwehrverhandlung betreffend eine Professur, son­dern Herr Penninger soll – so habe ich das den Medien entnommen, und das ist alles medienöffentlich – eine Leitungsfunktion, eine Managementfunktion in einer großen deutschen Forschungsgesellschaft übernehmen. Das ist etwas grundsätzlich anderes, als er in Österreich macht. In Österreich leitet er in forscherischer Hinsicht ein großes Team und forscht.

Es ist ihm persönlich natürlich unbenommen, eine andere Rolle einzunehmen und in Zu­kunft mehrheitlich managementmäßig tätig zu sein. Es gibt diesbezügliche Gespräche zwischen der Akademie der Wissenschaften und ihm. Die Stadt Wien und wir als Haus unterstützen die Akademie, wenn das notwendig ist.

Es geistern eine ganze Menge Zahlen durch die Medien, die ich alle nicht bestätigen kann. Man wird sehen, was bei den Verhandlungen zwischen der Akademie und Herrn Penninger herauskommt. Das ist aber ein ganz normales Verfahren. Berufungsver­handlungen oder sonstige Verhandlungen, wenn man einen Spitzenwissenschaftler oder ein Team behalten will, finden die ganze Zeit statt. Das geht ein bisschen durch die Medien, weil Herr Penninger ein bisschen bekannter ist als andere.

Wir haben – ich bringe Ihnen ein Beispiel – eine Reihe von ganz ausgezeichneten Wis­senschafterinnen und Wissenschaftern am ISTA in Gugging. Es ist weitestgehend un­bekannt, dass sich das in der Zwischenzeit, in den letzten fünf Jahren, zu der Top-Wis­senschaftseinrichtung in ganz Europa entwickelt hat. Erst kürzlich ist die Einrichtung für das beste Doktorandenkolleg europaweit ausgezeichnet worden.

Dort wird ganz anders an die Sache herangegangen als in vielen anderen Einrich­tungen, wir erhoffen uns daher dort potenzialmäßig wahnsinnig viel. Die suchen nach Einzelpersonen, da kann sich jederzeit jede Person aus der ganzen Welt bewerben, wenn sie Spitzenwissenschafter oder Spitzenwissenschafterin ist. In einem ganz stren­gen Verfahren wird dann überprüft, ob man die dort haben will.

Da wird nicht nach Feldern besetzt, sondern die Leute kommen, und dann werden um die rundherum Felder aufgebaut. Ein ganz radikaler Ansatz, den sonst nur das Okina-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 24

wa-Institut in Japan verfolgt. Wir werden in der Zwischenzeit auch international darum beneidet, es kommen dauernd Delegationen, die sich das anschauen.

Professor Zeilinger hat mir erst diese Woche wieder bei einer Veranstaltung am Mon­tagabend bestätigt, dass das, was in den Medien herumgeistert, überhaupt nicht stimmt. Wir haben in Österreich eher zu viele Bewerbungen von jungen und – unter Anfüh­rungszeichen – „mittelalten“ Top-Wissenschafterinnen und -Wissenschaftern und gar nicht genug Plätze in Forschungsteams, die wir denen geben können. Gründe sind die tolle Lebensqualität, die Österreich – im Speziellen der Großraum Wien – bietet, und die Spitzenfunktion im Bereich der Mathematik, der Quantenphysik, der Atomphysik, der Chemie, der Informatik, die unsere Institute zurzeit haben.

Noch nicht sichtbar ist – und das ist eine Frage der nächsten Jahre –, wie denn die dort gewonnenen Erkenntnisse im Sinne des Wissenstransfers in Produkte und Dienstleis­tungen umgewandelt werden. Das sagt der Rat für Forschung und Technologieent­wicklung, und das ist eigentlich die Hauptkritik an unserer Forschungspolitik. Da wird noch zu wenig gemacht, man muss mehr verwerten. Wir setzen in diesem Bereich auch Schwerpunkte mit neuen Wissenstransferzentren, die im Oktober des letzten Jah­res gegründet worden sind. Wir nehmen das sehr ernst.

Im Rahmen der Gründerlandstrategie gibt es auch einen Schwerpunkt auf Unterstüt­zung der Universitäten im Bereich der Gründungen neuer Unternehmen. Nicht alle Wis­senschafter sind dafür geeignet, Unternehmer zu werden, dann ist hier die Frage: Wie bringe ich die mit Menschen zusammen?

Wir haben es zum ersten Mal geschafft, in Summe über 10 Milliarden Euro F&E-Aus­gaben zu haben und haben dieses Ziel von 3 Prozent im Vorjahr zum ersten Mal er­reicht, wie vor ein paar Wochen durch die Medien gegangen ist. Nicht nur das: Wir er­höhen überall die Mittel, wir stellen in den kommenden Jahren in Summe 1,3 Milliar­den € mehr für den ganzen Hochschulraum zur Verfügung, 615 Millionen € mehr für die Universitäten, während andere Ressorts sparen müssen. Ich meine also, man kann nicht behaupten, dass wir da zu wenig machen.

Sie haben recht, wenn Sie meinen, da ist viel Luft nach oben, das sehe ich ganz genau­so. Was die angesprochenen Rankings betrifft, in denen wir zurückfallen – zum Beispiel sind wir auch im Innovation Union Scoreboard wieder einen Rang zurück­gefallen –: Das liegt nicht daran, dass wir so wenig machen, sondern das liegt daran, dass andere Län­der vor Jahren ihre Hausaufgaben in anderen Feldern gemacht haben, mehr Budgetmit­tel zur Verfügung haben, um noch mehr zu investieren, und dort mehr Dynamik da ist.

Das meine ich damit, dass wir noch Luft nach oben haben. Wenn wir Möglichkeiten fänden, noch mehr Mittel einzusetzen, würden wir das sofort machen. Aber wir haben keinen magischen Bankomaten. (Bundesrätin Mühlwerth:  der Herr Finanzminis­ter!) – Auch der hat nicht mehr Mittel. Ganz im Gegenteil, der Herr Finanzminister hat, meine ich, ziemlich viel Druck, sicherzustellen, dass er alles zusammenhält und dass uns das nicht durch die Finger rinnt.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1866/M, und ich bitte Herrn Bundesrat Saller um die Frage.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Frage lautet:

1866/M-BR/2015

„Wie hat sich die Prüfungsaktivität als wichtiger Indikator für Studienaktivität und Stu­dienintensität in den letzten Jahren entwickelt?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 25

Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich habe ein paar Daten mit, weil anhand dieser ganz gut zu sehen ist, wie groß unser universitärer Sektor in Wirklichkeit geworden ist. Wir haben, was vielleicht nicht alle wissen, mittlerweile 22 öffentliche Universitäten, 21 Fachhoch­schulen und 12 Privatuniversitäten mit ungefähr 325 000 Studierenden, die ungefähr 51 000 Studienabschlüsse machen. Jetzt können Sie das durch die Jahre dividieren, um zu sehen, was das im Schnitt bedeutet. Dazu kommen ungefähr 55 000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter, wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal.

Das ist in Summe ein Sektor, der fast 400 000 Leute umfasst, daher legen wir natürlich Wert darauf, dass dort mit den öffentlich eingesetzten Mitteln effizient umgegangen wird und Effektivität vorherrscht. Effektivität betrifft das, was Sie angesprochen haben, nämlich die Prüfungsaktivität und damit die Erhöhung der Studienintensität.

Wir haben uns den Universitätsbericht, der ja jährlich erstellt wird, angeschaut. Oft wird kritisiert, dass die Studenten in Österreich Bummelstudenten sind – dem kann man so nicht zustimmen, das hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Im Durchschnitt betreiben 51 Prozent aller Studierenden ihr Studium prüfungsaktiv. Dok­toratsstudien werden bei den prüfungsaktiven Studien nicht erfasst, sondern nur Ba­chelor-, Diplom- und Masterstudien. Es gibt eine eigene Kennzahl in der Wissensbi­lanz, die das erhebt: Man gilt als prüfungsaktiv, wenn man Prüfungen im Umfang von mindestens 8 Semesterwochenstunden positiv absolviert oder mindestens 16 ECTS-Punkte erworben hat. Die ECTS-Punkte geben im europäischen Hochschulraum an, wie viel eine Lehrveranstaltung, eine Prüfung sozusagen wert ist.

Der Durchschnitt ist in den letzten Jahren immer um 2 bis 4 Prozent angestiegen. Das heißt, dass die unterschiedlichen Maßnahmen, die die einzelnen Universitäten im Rah­men der Autonomie selbst gesetzt haben, respektive, die wir mit den Universitäten auf gesetzlicher Ebene gesetzt haben – Stichwort: Studienzugangsregelungen, Studienein­gangs- und Orientierungsphase –, sichtlich greifen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Welche besonderen Maßnahmen zur Ver­besserung der Prüfungsaktivität sind noch geplant?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wir evaluieren gerade mehrere bereits gesetzte Maßnah­men. Wie angesprochen, ist das die Frage der Zugangsregelungen, die für bestimmte Fächer bestehen. Da gibt es zwei unterschiedliche Regelungen; eine hat, wie Sie wis­sen, einen Konnex zu Deutschland und den aufgrund des Numerus clausus sehr gerne zu uns kommenden Studenten, die andere ist eine, die notwendigerweise im Bereich der Studieneingangs- und Orientierungsphase gesetzt wurde, um den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, eine bessere Studienwahl zu treffen.

Jetzt könnte man natürlich sagen, man sollte allen Menschen die Freiheit geben, zwei, drei, vier Semester herumzugondeln und sich anzuschauen, welche Studienrichtung die richtige ist. Das Problem ist aber: Da das niemand privat zahlt, sondern die Re­publik, geht es auch da wieder um eine Güterabwägung zwischen der Freiheit des Aussuchens und einem effizienten Ressourceneinsatz.

Wir werden natürlich die Evaluierung der Studieneingangs- und Orientierungsphase sehr ernst nehmen. Da gibt es eine ganze Reihe von guten Anregungen, um die richtige Aus­wahlmöglichkeit und die frühzeitige Orientierungsmöglichkeit der Studenten zu verbes­sern und so eine bessere Treffsicherheit in der Auswahl zu haben.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 26

Dass das vielleicht nicht den Vorstellungen jener entspricht, die sagen, ich möchte mir einmal drei, vier unterschiedliche Sachen anschauen, ist logisch, aber drei, vier unter­schiedliche Sachen anzuschauen bedeutet ein Mehr an Verbrauch von Ressourcen, und die Ressourcen sind einfach knapp.

Wie gerade angesprochen, würden wir die Ressourcen sogar gerne noch intensivieren. Hätten wir den irischen Kobold-Topf voll Tauerngold und könnten ihn ausgraben, wür­den wir das machen, aber so müssen wir auf die erwähnten Maßnahmen zurückgrei­fen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Schauen wir die Unterschiede zwischen den einzelnen Universitäten an: Medizinische Universität Wien, Universität für ange­wandte Kunst Wien, Veterinärmedizinische Universität Wien – Zahlen von 95 bis 97 Pro­zent bei der Prüfungsaktivität, das ist ja enorm hoch. Wenn man gleichzeitig die Stu­dienanfänger betrachtet, da sind 40 Prozent inaktiv, da kommen offensichtlich Mehr­fachinskriptionen dazu. Wenn man das dann noch pro Studierende und nicht pro Stu­dium betrachtet, sehen die Zahlen ja wieder anders aus.

Herr Staatssekretär, wie weit sind in diesen Zahlen die Prüfungsinaktivitäten der Dokto­ratsstudien berücksichtigt?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wie vorhin ausgeführt, als prüfungsaktiv für die Kennzahl in der Wissensbilanz gelten Studenten nur, wenn sie ein Bachelorstudium, ein normales Regelstudium oder ein Masterstudium machen.

Doktoratsstudien sind in dieser Kennzahl nicht erfasst. Wir wissen jedoch, dass Dok­toratsstudenten erfahrungsgemäß, wenn sie schon einmal fertig waren, früher in man­chen Bereichen, wie Wirtschaft und Recht, oft einmal ein Doktoratsstudium inskribiert und dann halt aufgrund der Berufstätigkeit nicht fertig gemacht haben. Das ist heutzu­tage ganz anders.

Die Doktoratsprogramme wurden weitestgehend umgestellt, an sehr vielen Universitä­ten sind Doktoratsprogramme schon echte PhD-Programme. Da ist die Absolventen­rate irrsinnig hoch, und auch die Prüfungsaktivität, würde man sie erfassen, wäre sehr hoch. Aber in dieser Kennzahl sind Doktoratsstudien nicht erfasst.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Längle.

 


Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Im Zusammenhang mit der Prüfungsaktivität würde mich interessieren, wie das bei Stu­denten aus dem Ausland ausschaut, die nicht österreichische Staatsbürger sind, aber hier in Österreich studieren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Die Ausländer werden gleichfalls erfasst. Wir haben bei aus­ländischen Studierenden, zumindest was wir aus den Beobachtungen der Universitä­ten wissen, sogar eine tendenziell höhere Prüfungsaktivität und damit eine höhere Studienintensität. Das verwundert nicht, denn die kommen ja nicht zu uns, um Urlaub zu machen, sondern um ihr Studium fertig zu machen. Sie wissen meistens relativ ge­nau, was sie wollen, und auch, an welche Universität sie gehen wollen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass sie hier irgendwelche Ressourcen – unter Anführungszei­chen – „versitzen“, sondern in der Regel sehr, sehr zügig und sehr intensiv an den uni­versitären Aktivitäten teilnehmen und ihr Studium absolvieren.


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Das gilt übrigens analog für die Frage der Doktoranden, wo wir in der Zwischenzeit ei­nen sehr hohen Anteil an PhD-Programmen haben, der auch steigt. Das liegt daran, dass der Europäische Hochschulraum nun tatsächlich europäisch wird und dass im Spitzenforschungsbereich nicht mehr lokal geforscht wird, sondern, ganz klar, das sind alles internationale Teams, die alle sehr fokussiert arbeiten und daher auch erfreuli­cherweise die tollen Forschungsergebnisse erzielen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Reiter.

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Staatssekretär! Ein wichti­ger Faktor für den Studienfortschritt ist ein gutes Betreuungsverhältnis.

In der derzeitigen Personalstruktur an den Universitäten sind nur ordentliche Professo­rInnen – das sind nur 11 Prozent des wissenschaftlichen Personals – und eine Handvoll assoziierter ProfessorInnen zur Betreuung von Abschlussarbeiten berechtigt. Ein Ausbau der Laufbahnstellen ist daher dringend notwendig, um die Betreuungsver­hältnisse zu verbessern.

Haben sich die Tenure-Stellen bewährt, und ist da ein Ausbau geplant?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Im internationalen System ist es so, dass Tenure-Tracks an und für sich üblich sind. Zum Verfahren, wie sie dann – unter Anführungszeichen – „dau­erhaft“ zu einer Faculty, also zu einer Universität oder einer Fakultät zugehörig sind, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten, auch aus dem wissenschaftlichen Bereich, da das natürlich je nach Universität und Forschungsfeld, das dort bearbeitet wird, sehr un­terschiedlich gesehen wird.

Meine persönliche Meinung dazu ist, dass das tatsächlich der Zug der Zeit ist, dass wir in diesem Bereich weiter vorangehen werden. Es finden dazu auch im Rahmen der Hochschulkonferenz laufend Gespräche statt; auch ganz aktuell bei der letzten, an der ich teilgenommen habe, war das ein Thema: Wie wird man mit dem System zukünftig umgehen?

Im Sinne der Leistungsvereinbarungsverhandlungen, die wir ja gerade führen – die neuen Leistungsvereinbarungen für die Periode 2016 bis 2018 müssen im Herbst ab­geschlossen werden –, ist auch das ein Thema, über das man natürlich nachdenkt.

Sie werden sich vorstellen können, dass eine Universität, die einen höheren Durchsatz an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im wissenschaftlichen Bereich hat, weil dort die Dynamik höher ist, das Forschungsfeld das quasi verlangt und sehr viele Menschen auch wieder in die Wirtschaft hinaus gehen oder vielleicht für eine gewisse Zeitspanne zurückgehen wollen, dazu möglicherweise einen anderen Zugang hat als eine Univer­sität, in der diese Dynamik nicht vorherrscht. Daher gibt es diese unterschiedlichen Sichtweisen.

Ich glaube aber, dass dieses Verfahren, dass man sich sozusagen im Sinne der Lauf­bahnplanung an einem Prozess orientiert, in dessen Rahmen man dann der Universität zugehörig ist, Sinn macht.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage wäre gewesen, ob es signifikante Unterschiede zwischen ausländischen Studenten und österreichischen Studenten gibt. Das haben Sie bereits mehr oder we­niger beantwortet. Es bleibt mir also nur mehr festzuhalten, dass die Wirtschaftsuni­versität Wien – wenn ich die Qualität Ihrer bisherigen Antworten beurteile – hervorra­gende Leute hervorbringt.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 28

Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1863/M, und ich bitte Frau Bundesrätin Fetik um ihre Frage.

 


Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, weltweit ge­winnen Themen wie Big Data, Cloud-Lösungen und so weiter immer mehr an Bedeu­tung. Daher wird aktuell auch auf europäischer Ebene das Thema Datensicherheit be­ziehungsweise Datenmanagement sehr viel diskutiert, und es wird nach Regelungen gesucht.

Meine konkrete Frage lautet:

1863/M-BR/2015

„Welche Auswirkungen entstehen auf die Wettbewerbssituation der Unternehmen in Österreich durch das auf europäischer Ebene aktuell diskutierte Thema Datenschutz und Datensicherheit in Unternehmen?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube: Ich bin kein Sicherheitsfanatiker und kein Überwachungsfanatiker, allerdings erachte ich die Entwicklungen im internationalen Bereich, was die Verwendung, das Sammeln, die Ver­arbeitung und Speicherung von Daten betrifft, durchaus als problematisch. Es beste­hen in der Zwischenzeit zahlreiche üppige Geschäftsmodelle zur ökonomischen Ver­wertung personenbezogener Daten, ohne dass man in der Lage ist, genau zu durch­blicken, wie diese Modelle funktionieren. Das bringt die technologische Entwicklung mit sich.

Das ist einerseits natürlich eine ökonomische Chance für unsere digitale Wirtschaft. Die EU-Kommission hat nach informeller Diskussion im Wettbewerbsrat in Riga und nach der vorhergehenden Diskussion in Brüssel bei der normalen letzten Wettbe­werbsratssitzung gestern, am 6. Mai, ihren Vorschlag für den digitalen Binnenmarkt präsentiert: Es ist dies eine sehr sinnvolle Geschichte, denn wir können uns nicht 28 Einzelmärkte leisten. Wenn wir im Wettbewerb mit dem Wirtschaftsraum USA-Ka­nada und mit dem Wirtschaftsraum China mit 1,3 Milliarden Menschen bestehen wol­len – es gibt allein 600 Millionen User im chinesischen Twitter-Dienst, Twitter hat sonst 300 Millionen, an diesen Zahlen sehen Sie, wie riesig das ist! ‑, dann können wir uns nicht 28 Einzellösungen leisten. Daher unterstütze ich und unterstützt unser Haus ganz klar die Schaffung eines solchen digitalen Binnenmarkts und damit auch klarer Rah­menbedingungen für Unternehmen.

Jetzt kommt jedoch das Aber dazu: Wie heute schon einmal gesagt wurde, geht es ja um die Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, und dabei geht es ganz klar um den Schutz von Menschenrechten. Erinnern wir uns an die im 19. Jahrhundert müh­sam erkämpften Errungenschaften, die dann im Staatsgrundgesetz von 1867 festge­schrieben wurden, wie etwa das Briefgeheimnis und die Meinungsfreiheit. Das sind wichtige Grundrechte in einem liberalen Rechtsstaat, in einer Demokratie westlicher Prägung, und diese Grundrechte müssen auch in der digitalen Welt abgebildet werden. Meiner Meinung nach gibt es auch so etwas wie ein Grundrecht auf Datensouveränität.

Weil Sie jetzt gefragt haben, ob es in diesem Zusammenhang wettbewerbsrechtliche Auswirkungen gibt und ob das den Wettbewerb beeinflusst, so stelle ich dazu fest, dass jetzt eben diese Güterabwägung vorzunehmen ist: Auf europäischer Ebene gibt es die Idee, eine neue Datenschutzgrundordnung umzusetzen, die heftig debattiert wird, und das dauert jetzt schon viel länger, als ursprünglich geplant. Es ging darum auch gerade jetzt wieder im Justizministerrat, und der letzte Entwurf wird, glaube ich,


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im Juni wieder debattiert werden. Als die EU-Kommissarin, Frau Jourová, in Wien war, habe ich mich mit ihr getroffen, und wir haben lange auch über dieses Thema gespro­chen.

Eine solche Datenschutzgrundordnung soll jetzt auf den Weg gebracht werden, man muss das aber auch immer im Zusammenhang mit den neuen Regelungen für den di­gitalen Binnenmarkt sehen. Es geht dabei nicht nur um Verbraucherschutzregelungen, sondern ganz stark auch um grundrechtliche Fragen. Das heißt, es ist dies ein heikles Thema, und es ist eine ganz spezifische Abwägung von Rechtsgütern vonnöten: Ei­nerseits geht es um wirtschaftliche Freiheit und die Nutzung von neuen Geschäftsmo­dellen, gleichzeitig muss aber der Schutz der Privatsphäre und der Daten des Indivi­duums beachtet werden, damit es da keinen Missbrauch gibt.

Ich glaube, das ist eine Frage, der wir uns auch in Österreich im öffentlichen Diskurs noch viel zu wenig stellen. Ich meine, es wäre toll, wenn das der Bundesrat oder der Nationalrat einmal speziell thematisieren würde! Ich halte das nämlich für eine der wichtigsten Grundfragen der nächsten Jahre: Wie wird mit personenbezogenen Daten umgegangen?

Die Digitalisierung durchzieht alle Lebensbereiche – Kunst, Kultur, Wirtschaft und auch die Politik. Wir haben zwar in vielen Bereichen ganz gute Datenschutzregelungen, aber ist das adäquat für die Zukunft? Gießen wir da nicht manchmal sozusagen das Kind mit dem Bade aus?

Es gibt da, wie gesagt, große Chancen, und die Verordnung sieht auch klare Mög­lichkeiten vor, diese Chancen zu nutzen. Gleichzeitig gibt es den neuen Vorschlag für den digitalen Binnenmarkt. All das muss jedoch zusammenpassen. Gerade in diesem Fall darf man nicht Insellösungen konstruieren und möglicherweise gute Datenschutz­regelungen, die es im Prinzip gibt, vom Tisch wischen, sondern es ist eine Güterabwä­gung mit sehr viel Fingerspitzengefühl vorzunehmen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Pum.

 


Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Staatsse­kretär! Sie haben uns gerade ein sehr klares Bekenntnis zum Umgang mit Daten dar­gelegt. Trotz alledem die Zusatzfrage:

Wie stehen Sie zur Erfassung der Daten für die Messung der Inflation mit Scanner­kassen-Daten, wie das ja auch von der Statistik Austria gefordert wird, damit speziell das Verbraucherverhalten besser bewertet werden kann?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Bei der Feststellung der Inflation in Bezug auf den Verbrau­cherpreisindex wird zurzeit ein Verfahren angewendet – ich weiß nicht, wer von Ihnen das weiß –, das aus den siebziger Jahren stammt: In 20 österreichischen Städten lau­fen Mitarbeiter persönlich herum und notieren die Preise. Das ist tatsächlich nicht mehr besonders zeitgemäß.

Das Verfahren, das jetzt geplant wird, basiert auch auf dem Vorschlag einer Ratsar­beitsgruppe auf europäischer Ebene, weil im Sinne von Eurostat versucht wird, die Daten in einer vernünftigen europaweiten Vergleichbarkeit hinsichtlich der Verbrau­cherpreisindexentwicklung zu erfassen, und das ist natürlich nur dann möglich, wenn das Erhebungsverfahren möglichst genau und in allen Ländern der Europäischen Union gleich abläuft.

In diesem Zusammenhang gibt es natürlich die Idee, diese Daten über die Scan­nerkassen, die ja zunehmend stark verbreitet sind, zu erheben. Aber auch hierbei geht


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es wiederum um Datenschutz: Es ist ganz wichtig, dass diese Daten anonymisiert und persönlich entkoppelt sind. Technisch ist das möglich. Im Zusammenhang damit, wie wir das umsetzen, sollen die Statistik Austria – es gibt diesbezügliche Gespräche – und die Vertretungen der Wirtschaft intensiv einbezogen werden, damit es hier zu keinen zusätzlichen Belastungen kommt.

Rein technisch können ja alle möglichen Daten erfasst werden. Wenn Sie mit der Kun­denkarte X – ich nenne jetzt keinen Namen – bei einem großen Lebensmittelhändler einkaufen, wird ja auch alles gespeichert. Verschiedene Daten werden getrackt, und so können Kundenprofile erstellt werden. Entscheidend ist daher in diesem Zusammen­hang, dass tatsächlich nur die anonymisierten, preisbezogenen Werte weitergegeben werden.

Dabei handelt es sich um eine klassische Datenschutzfrage, und es wäre natürlich fein, wenn es dafür eine einheitliche europäische Regelung gäbe, damit nicht in jedem Staat anders damit umgegangen wird. – Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese beiden Fragen auch zusammenhängen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Pisec.

 


Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Herr Staatssekretär, ich freue mich, dass wir den gleichen Zugang zu diesem Themenkreis haben! Auch ich habe mir die Jahreszahl 1867 aufgeschrieben.

Ich darf trotzdem die Frage formulieren: Datenschutzrechte gehören zu den Persön­lichkeitsrechten und sind damit Teil der Freiheitsrechte aus dem Grundrechtskatalog, der, wie erwähnt, aus dem Jahr 1867 stammt und der auch in die österreichische Ver­fassung übernommen wurde.

Mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses als Teil dieses – wie ich es bezeichnen möchte – unternehmerischen Belastungspakets, das Sie „Steuerreform“ nennen, wird auch der diesbezügliche Datenschutz teilweise aufgehoben.

Finden Sie es richtig, dass man mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses in die Frei­heitsrechte, die von der Genese her aus dem Jahr 1867 stammen, eingreift und diese teilweise aufhebt?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Der Eingriff in ein Grundrecht muss immer dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit folgen. Im Sinne der Güterabwägung muss die Frage gestellt werden, ob das Gut, das verfassungsrechtlich den Eingriff in das Grundrecht garantiert, ein höheres Gut als jenes ist, das jeweils schützenswert ist. In diesem Sinne sind hier Eingriffe geplant. Es ist aber keinesfalls die gänzliche Aufhebung geplant, sondern es muss einen Tatbestand beziehungsweise ein Verdachtsmoment geben, und es wird gerade jetzt fein säuberlich definiert, wie diese aussehen sollen. Das Paket liegt ja noch nicht final vor, vorerst besteht nur der Ansatz, das zu tun.

Erstens gibt es in diesem Zusammenhang Entwicklungen auf gesamteuropäischer Ebene und internationaler Ebene betreffend die Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche. Das hat mit der Steuerreform an sich überhaupt nichts zu tun: Es geht um internationale Betrugs-, Terror- und Kriminalitätsbekämpfung und um Maßnahmen, die Österreich sowieso zu setzen hat, und im Zuge dessen bietet sich vielleicht auch die Möglichkeit, Maßnahmen zu setzen, um Steuerbetrug – und zwar großflächigen Steuerbetrug – in Österreich zu vermeiden.

Ich möchte noch einmal explizit sagen: Es geht nicht um irgendeine Form des schwe­ren Eingriffs in Freiheitsrechte – was ich im Übrigen auch nicht befürworten würde – in


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der Art und Weise, dass man überprüft, was jemand, der sich etwas privat und recht­mäßig erarbeitet hat, mit dem Ersparten und Erarbeiteten tut. Das geht niemanden etwas an! Das ist, wie Sie richtig gesagt haben, ein privates Grundrecht. Wenn es aber zum Beispiel ein begründetes Verdachtsmoment gibt – und das muss es geben, sonst kann man im Prinzip nicht tätig werden, das ist so wie auch bei einer Telefonüber­wachung –, dann kann es solche Eingriffe geben. Und in diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, wie ein solcher Eingriff zum Beispiel im Hinblick auf das Bank­system funktioniert. Es wird jetzt gerade intensiv darüber debattiert, wie denn das ab­laufen und wie das auch technisch funktionieren soll.

Aber Sie haben recht, dass natürlich im Fall des Falles ein Grundrechtseingriff einer speziellen Güterabwägung bedarf. Um diese Frage geht es, und darüber ist auch die öffentliche Debatte zu führen. Bei den Konten geht es nicht um ein echtes Grundrecht, aber im Falle eines echten Grundrechtseingriffs ist selbstverständlich immer eine Gü­terabwägung vorzunehmen, und das ist stets eine heikle Angelegenheit. Diese Debatte über verfassungsrechtliche Fragen ist in diesem Haus ja bestens bekannt, es wurde schon oft und intensiv darüber debattiert, und es ist gut, dass darüber debattiert wurde und diese Güterabwägung im Diskurs auch immer vorgenommen wird, denn es geht schließlich am Ende des Tages um unsere Grundrechte, die über Jahrhunderte im Sinne der Demokratie hart erkämpft worden sind.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär, Sie haben natürlich vollkommen recht, dass der Datenschutz eigentlich eines der größten Themen unserer Zeit ist. Unsere Kammer hat sich auch immer wieder sehr intensiv damit beschäftigt. Ich halte auch Ihre Anregung betreffend eine diesbezügliche Veranstaltung für eine sehr gute Idee.

Daten sind ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Das Sammeln von Daten im digi­talen Zeitalter ermöglicht sehr viel Gutes in Wissenschaft und Forschung. Probleme entstehen immer dann, wenn Daten personenbezogen erfasst werden und wenn nach­vollziehbar ist, wie Personen ticken, welche politische Einstellung beziehungsweise welche sexuelle Orientierung sie haben. All das ist ja auf diese Weise einfach nur durch Netzwerke nachweisbar, ohne dass sich jemand jemals öffentlich dazu geäußert hätte,.

Wir warten jetzt schon sehr lange auf die EU-Datenschutzverordnung beziehungswei­se ‑richtlinie. Eines der Hauptprobleme besteht meines Erachtens darin – ganz egal, ob es sich um eine Kundenkarte an der Kassa des Supermarkts handelt oder ob man sich auf einer Online-Plattform registriert hat –, dass der User beziehungsweise die Userin, der Nutzer oder die Nutzerin, der Konsument oder die Konsumentin nicht ge­nau weiß, was mit den Daten geschieht.

Deswegen möchte ich Sie fragen: Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass in der kommenden Datenschutzverordnung die User und Userinnen tatsächlich wieder die Kontrolle über ihre Daten haben und der Anbieter und die Anbieterin verpflichtet sind, die User auch zu informieren, was genau mit ihren Daten geschieht?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Zum Verhandlungsstand kann ich nichts sagen. Das Bun­deskanzleramt ist in dieser Frage federführend. Wir liefern aber gerne eine Antwort nach beziehungsweise organisieren vom Bundeskanzleramt Informationen betreffend die­se spezielle Frage.

Ich weiß nur aus meinem Gespräch mit der Kommissarin, dass ein Hauptthema im Zu­sammenhang mit den einzelnen Usern vielmehr die Frage des – unter Anführungs-


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zeichen – „verordneten Vergessens der Daten“ ist. Dabei geht es entscheidend darum, dass der User die Möglichkeit hat, wenn er weiß, dass etwas aufgezeichnet wurde – wobei sich natürlich die Frage stellt, wie man überhaupt davon erfährt –, zu veran­lassen, dass das gelöscht wird. Ich weiß jetzt selbst nicht, wie das im Entwurf genau geregelt ist, aber das ist ein Thema in der Debatte, und wir liefern das nach.

Das gibt es nach österreichischen datenschutzrechtlichen Möglichkeiten in sehr spe­ziellen Fällen jetzt auch, das wird aber in Zukunft noch viel wichtiger sein. Ich nenne dazu noch einmal die Stichwörter Social Media und Cloud-Lösungen. Wir wissen, wie gesagt, meist gar nicht, wo die Daten zum Teil liegen und wer sie aufbereitet.

Zum von Ihnen angesprochenen Problem: Man muss das zuerst überhaupt einmal wis­sen, um dann in eigener Freiheit einen notwendigen Schritt setzen und sagen zu kön­nen: Ich will, dass etwas verarbeitet werden darf oder dass es gelöscht wird. Dazu muss man, wie gesagt, auch wissen, dass etwas erfasst wurde. Wie dieser Mecha­nismus aussehen wird, steht noch nicht fest, aber den aktuellen Vorschlag können wir gern organisieren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage. Sie wird gestellt von Herrn Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Jeder von uns begegnet mehrmals täglich ehrenamtlichen Organisationen. Mit ihrer freiwilligen Arbeit bereichern sie auch unser Alltagsleben. Die Bundesregie­rung bekennt sich zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements.

Daher meine Frage an Sie:

1867/M-BR/2015

„Welche wichtigsten Änderungen sieht die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vor?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sie alle wissen, dass wir vor recht großen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen. Ich habe schon einmal im Zusammenhang mit einer an­deren Angelegenheit erwähnt, dass ich im Land notwendige Innovationstätigkeiten nicht nur im Bereich der wirtschaftlich verwertbaren Innovation sehe, sondern auch sehr viel davon halte, dass wir soziale Innovation fördern, weil wir mit einer älter werdenden Be­völkerung, einer zunehmenden Ressourcen- und Energieproblematik und einem demo­graphischen Wandel nicht nur hinsichtlich Alter, sondern hinsichtlich Migration und Im­migration konfrontiert sind. Wir erleben das im Zusammenhang mit der Flüchtlingspro­blematik gerade allgegenwärtig.

All das macht neue Herangehensweisen an diese Probleme nötig. Wir werden mit alten Lösungen nicht die Probleme der Vergangenheit lösen können, die uns ohnedies nicht mehr interessieren, aber schon gar nicht die Probleme der Zukunft. Wir brauchen in manchen Bereichen einfach neue Lösungen.

Wir werden allerdings solche neuen Lösungen nicht nur hier in der politischen Zusam­menarbeit sozusagen erfinden können. Wir haben zwar unsere Experten, unsere Stäbe in den Ministerien, in den Landesregierungen und in den vielen Gemeinden, aber wir werden auch die Bürgerinnen und Bürger mit einbinden müssen.

Eine Vielzahl von Vereinen, die es draußen gibt, befassen sich erfreulicherweise schon jetzt mit der Problemlösung. Österreich ist vermutlich das Ehrenamtsland schlechthin in Europa. Das ist gut so, und das wollen wir auch nicht beschneiden. Ganz im Ge-


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genteil: Wir wollen schauen, dass die gemeinnützig tätigen Organisationen, Institu­tionen sowie Bürgerinnen und Bürger neue Möglichkeiten bekommen, und dafür brau­chen sie zweierlei, nämlich ein bisschen positive Stimmung und zusätzliche Finanzres­sourcen.

Die positive Stimmung können wir damit erzielen, dass wir sie wertschätzen, dass wir eine öffentliche Debatte darüber führen und sagen: Das ist uns wichtig. Das wollen wir weiter fördern.

Zweitens müssen wir aber ein Vehikel finden, über welches wir entsprechende Finanz­ressourcen freisetzen können. Unsere Budgets sind angespannt, nicht nur unsere auf Bundesebene, sondern auch die der Länder und Gemeinden. Das wird sich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung auch in absehbarer Zeit nicht dramatisch verbessern, und daher gilt es, private Mittel freizusetzen.

Das Gemeinnützigkeitspaket dient dazu, zwei Effekte zu bewirken: Einerseits soll das Institut der gemeinnützigen Stiftung, einer Rechtsform, die ausschließlich den Zweck hat, gemeinnützige Ziele zu fördern, attraktiviert werden.

Das Bundes-Stiftungs- und ‑Fondsgesetz ist sehr alt. Es stammt aus einer Zeit, die mit der heutigen Zeit nicht viel zu tun hat. Daher reformieren wir dieses Rechtsinstitut, da­mit es einfacher möglich ist, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, und damit die Aufsicht neu strukturiert wird und es klarer und transparenter ist, das zu managen. Meist sind es ja die Landesbehörden, die im Sinne der mittelbaren Bundesverwaltung die Aufsicht direkt machen. – Das ist sozusagen der zivilrechtliche Teil des Paketes.

Außerdem gibt es einen steuer- und abgabenrechtlichen Teil, der sozusagen eine At­traktivierung hinsichtlich der Zurverfügungstellung gemeinnütziger Mittel vorsieht. Ei­nerseits soll es eine Reform im Bereich der Spendenabsetzbarkeit geben. Dabei gab es aber ein großes Problem. Sie wissen das, denn das wurde in den Zeitungen kol­portiert: Es stecken 80 Milliarden an Vermögen in den Privatstiftungen. Der Großteil davon ist zwar Firmenvermögen, es sind aber natürlich auch eine ganze Menge Fi­nanzmittel dabei, und diese kann man natürlich auch aktivieren.

Ein großes Problem aus der Vergangenheit dabei war die Anrechenbarkeit der soge­nannten Zwischensteuer, einer Sondersteuer beziehungsweise Ausschüttungssteuer bei Privatstiftungen. Würden Sie als Privatperson oder als Unternehmen etwas spen­den und wäre die Organisation, der Sie etwas geben, auf der berühmten Spendenliste, dann hätten Sie das bislang absetzen können. Wären jedoch von einer Privatstiftung 10 000 €, 100 000 € oder 1 Million € dorthin gegangen, dann hätte der Finanzminister aufgrund der skurrilen Steuerkonstruktion 25 Prozent bekommen. Das war bislang so wie eine Strafsteuer. Daher haben die Leute gesagt: Ich gebe etwas für einen ge­meinnützigen Zweck. Warum soll ich dem Finanzminister 25 Prozent abgeben? Ich will doch, dass diese Organisation die volle Summe zur Verfügung hat!

Dieses Problem wird zum Beispiel damit behoben. Es wird ein steuerlicher Anreiz ge­schaffen, damit auch eine Kapitalausstattung für solche gemeinnützige Stiftungen in­tensiviert und attraktiviert wird. Außerdem gibt es eine Reihe von sonstigen Minian­passungen in der Bundesabgabenordnung, die hauptsächlich den Begriff der Gemein­nützigkeit regeln.

Ich sage gleich dazu: Wir machen diese berühmte Liste nicht auf. Viele im Finanz­umfeld haben vor allem im Hinblick auf eine Budgetbedrohung befürchtet, dass plötz­lich Hunderte Millionen an Einnahmen wegfallen, wenn jetzt alle zum Spendenabzug berechtigen. – Das tun wir nicht. Wir versuchen sozusagen, die Effizienz der bestehen­den Regelung zu verbessern und durch dieses neue Rechtsinstitut zusätzliche Mittel freizusetzen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 



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Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Ihre Antwort zeigt eine wirklich neue Dimension und eine neue Perspektive für die gemeinnützigen Organisationen auf.

Daher noch meine Zusatzfrage: Bis wann werden Sie diese Neuerungen in den parla­mentarischen Prozess einbringen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Es finden aktuell die Endverhandlungen zum Feintuning, zur genauen Ausgestaltung des Paketes statt. In dem Moment, wo wir das fertige Paket haben, wird es die Koalition gemeinsam in die Begutachtung schicken. Wir rechnen aber damit, dass wir es so wie beim Alternativfinanzierungsgesetz im Idealfall vor dem Sommer in den Nationalrat, in die Ausschüsse und dann auch zu Ihnen in den Bun­desrat bringen können.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Winkler.

 


Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Ich glaube, wir alle haben eine sehr große Ehrfurcht vor der Gemeinnützigkeit, trotzdem stellt sich mir folgende Frage: Welche Maßnahmen gegen Missbrauch beziehungsweise unge­wollte Mitnahmeeffekte, welche Privatstiftungen durch diese Reform ermöglicht werden können, werden Sie im Entwurf umsetzen?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Mitnahmeeffekte kann es in dem Sinn keine geben. Wie ge­sagt, wir unterscheiden zwei Rechtsinstitute ganz klar. Das eine ist die eigennützige Privatstiftung, die durch das gesamte Paket ausschließlich durch eine einzige Rege­lung betroffen ist. Nicht einmal die Stiftung selber, sondern die Spendenabsetzbarkeit ist betroffen, sonst ist die gesamte Privatstiftungslandschaft von dem Gemeinnützig­keitspaket überhaupt nicht betroffen.

Das war uns auch wichtig, wir wollten weder eine Begünstigung für die Privatstiftung schaffen noch sonst ein Türl aufmachen, durch das sich irgendjemand irgendwo ir­gendwelche Steuern ersparen kann. Ganz im Gegenteil, uns war wichtig, mehr Mittel für den gemeinnützigen Bereich freizusetzen. Wir wissen aus zahllosen Gesprächen, auch von Forschungsprojekten der WU, des NGO-Institutes, der Interessenvereinigung gemeinnütziger Organisationen – es gab, glaube ich, eine eigene Enquete im Saal hier gegenüber im letzten Herbst, wo die Ergebnisse von mehreren Forschern präsentiert worden sind –, dass es für eine Privatstiftung, so sie auch gemeinnützig ausschützen darf, bislang ein Hindernis war, dieses Geld auszugeben, weil die gesagt haben, ich zahle an den Finanzminister nicht 25 Prozent Deppensteuer, ich will, dass das ganze Geld ankommt. Diese Regelung haben wir beseitigt, sonst gibt es keine wie auch im­mer gearteten Regelungen, die die Privatstiftungen berühren.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In der Regierungsklausur wurde ja auch vereinbart, dass zusätzliche Kunst- und Kultur­einrichtungen steuerlich begünstigt werden sollen. Jetzt entnehme ich aber den Me­dien, dass das natürlich nicht für jeden gilt, sondern dass hier ein eigenes Kultur-För­derinstitut geschaffen werden soll, also das heißt, nur für einige wenige. Und das riecht für mich zumindest nach zusätzlichem Verwaltungsaufwand.

Jetzt ist die Frage: Warum schaffen Sie es nicht, auch bei Neuerungen weniger Ver­waltungsaufwand zu produzieren statt mehr?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr


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Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Es geht nicht um ein Mehr an Verwaltungsaufwand, sondern der Wunsch, und das ist auch sachlich gerechtfertigt, war klar, nämlich eine Lösung zu finden für die Frage: Was ist nach der Bundesabgabenordnung spendenabzugsberech­tigt und bietet daher diese Abschreibungsmöglichkeit und was nicht? Und es gab eine Reihe von berechtigten Einwänden. Würden wir jetzt die Spendenabsetzbarkeitsliste einfach für Kunst und Kultur aufmachen, dann würde es einer Form von Kunst- und Kulturbegriffsdefinition bedürfen, die möglicherweise extrem breit wäre, und das hätte einen unfassbaren Budgeteffekt. Berechtigterweise ist über die Jahre immer wieder da­vor gewarnt worden, hier eine Tür aufzumachen, die dann einen Einnahmenausfall der Sonderklasse erzeugen würde, weil plötzlich jeder behaupten würde, er macht Kunst und Kultur. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das ist in der Freiheit der Kunst oftmals auch eine Ermessenssache. Aber es geht nicht um die Ermessenssache der Freiheit der Kunst so wie der Freiheit der Lehre, es geht auch um die Budgetrelevanz. Auch hier wieder geht es um eine Güterabwägung. Das ist der jetzige Vorschlag. Ob er so realisiert wird, kann ich nicht einmal noch sa­gen, denn es wird noch verhandelt. Aber der jetzige Plan war, ein Institut einzurichten, das möglicherweise eine beratende Rolle haben soll. Ob das jetzt Institut heißt oder Gremium, das werden wir noch sehen. Aber die Kernfunktion war eine beratende Rolle bei der Entscheidung darüber, ob diese oder jene Institution auf die Spendenabsetz­barkeitsliste soll, ja oder nein.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, es kommen Festspiele und ein Kulturverein sagt, wir wären auch gerne spendenbegünstigt, denn wir haben im Hintergrund ein paar Spon­soren, Firmen, Private, die gerne spenden würden, aber wir sind nicht auf der Liste. Das heißt, wenn die uns etwas spenden, sind sie nicht abzugsberechtigt. Wenn sie es der freiwilligen Feuerwehr geben, schon, aber wenn sie es uns als Kulturverein XY ge­ben, der diese großen Festspiele ausrichtet, dann nicht.

Um diese Frage zu beantworten, braucht es eine Fachmeinung. Ich bin immer froh, wenn das eher Fachleute machen, als es entscheidet dann irgendjemand mit Daumen rauf, Daumen runter in einem Kammerl, wo wir gar nicht wissen, wer das ist. Das war der Hintergedanke. Ob das so funktioniert, wird man sich anschauen. Es sitzen daher die Experten – im Übrigen, glaube ich, auch zur Stunde – zusammen und diskutieren, wie eine vernünftige Lösung dazu aussehen kann.

Es geht tatsächlich darum zu verhindern, dass es zu zu großen Einnahmenausfällen kommt, im Übrigen auch zu Missbrauch – im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler. Da stehe ich auch voll dazu, dass man da jeden Missbrauch und jedes wahn­witzige Aufmachen verhindert.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mag. Schreyer.

 


Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wir haben heute schon über Crowdfunding geredet, jetzt meine Zusatzfrage dazu: Wie können in Zukunft auch soziale Projekte von Schwarmfinanzierungen rechtssicher für alle Beteiligten profitieren?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Wenn sie in einer Organisationsform organisiert sind, die auch unter den KMU-Begriff fallen würde – da geht es nur um die Organisationsform dessen, der einwirbt –, dann sind natürlich Social-Entrepreneurship-Projekte in dem Sinn auch von dem Gesetz betroffen und können sich ausgezeichnet so finanzieren. Da gibt es eigentlich keine Unterscheidung. Die einzige Frage ist: Fallen sie unter die Begriffsdefinition?


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Nehmen wir ein Beispiel: Hätten Sie eine Pflegeinitiative und würden gerne so ein Pro­jekt mit einem neuen Pflegenetzwerk starten, dann können Sie das natürlich machen. Hätte die Pflegeinitiative mehr als 500 Mitarbeiter, dann fällt es nicht mehr unter die KMU-Definition, denn da sind es nur 250. Das ist dann ein bisschen problematisch. Aber normalerweise, wenn die Definition anwendbar ist, können Sie das für soziale Pro­jekte natürlich auch machen. Sie dürfen nichts sammeln und dann veranlagen – da gel­ten also im Prinzip dieselben Richtlinien –, sondern das muss schon ein Projekt sein, das einer echten Umsetzung dient.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1864/M, und ich bitte Frau Bundesrätin Grimling um die Verlesung ihrer Frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Im Regierungsprogramm wurde vereinbart, dass in dieser Legislaturperiode die Anzahl der Fachhochschulplätze um 10 000 aufgestockt werden soll, sodass am Ende der Legislaturperiode rund 50 000 Fachhochschulplätze zur Ver­fügung stehen.

Meine Frage lautet:

1864/M-BR/2015

„Wie viele zusätzliche Fachhochschulplätze wurden bis jetzt jeweils pro Bundesland auf­grund der im Regierungsprogramm vereinbarten Aufstockung um 10 000 auf 50 000 Fach­hochschulplätze geschaffen und welche Kosten wurden dadurch hervorgerufen?“

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ich gebe Ihnen ein paar Kennzahlen, so wie vorhin zum Uni­versitätsbereich, zum Studienbereich, auch zum Fachhochschulbereich. Auch immer gut zu wissen: Wir haben zurzeit 45 660 Studierende, im letzten Regelstudienjahr 18 360 Anfänger und erfreulicherweise schon 104 000 Absolventen seit dem Jahr 1994. Der Fachhochschulsektor hat sich also gut entwickelt, und im Sinne einer wirtschafts­nahen Ausbildung, einer praxisnahen Ausbildung können wir, glaube ich, im Sinne der Gesamtvolkswirtschaft darauf stolz sein.

Ich habe es vorhin schon erwähnt, es gibt 21 Erhalter mit 416 angebotenen FH-Stu­diengängen. Sie sehen die Breite. Vor dieser Breite ist immer zu bedenken: Wo er­höhen wir die Anzahl neuer Plätze und welche tun wir dazu? Wir sind dem Ziel schon recht nahe, denn wir haben 5 504 Plätze, beginnend mit dem Studienjahr 2012 bis 2015/16, zusätzlich vergeben. Das heißt, wir haben noch eine kleine Lücke, nämlich eine Lücke von ungefähr 4 500, die zu schließen wir bis zum Erreichen unserer Zeit­zielgrenze schaffen werden.

Sie haben auch nach den Bundesländern gefragt. Bislang haben wir in Wien 1 858 zu­sätzliche Plätze geschaffen, in Niederösterreich 889, in Tirol 751, in Oberösterreich 628, in der Steiermark 471, in Salzburg 333, in Vorarlberg 220, in Kärnten 194 und 160 im Burgenland.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Wann werden die vom Wissenschafts­ministerium getragenen Förderkosten pro Fachhochschulstudienplatz valorisiert, und welche finanziellen Mehraufwendungen entstehen dadurch in Ihrem Ressort?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Ein altes Thema, das wir mit der Fachhochschul-Konferenz intensiv debattieren. Sie wissen, dass die 1994 festgelegten Förderbeträge bereits ein-


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mal 2009/2010 erhöht wurden. Damals ist die Erhöhung um durchschnittlich 13,7 Pro­zent erfolgt, wobei es eine unterschiedliche Staffelung gab. Im technischen Bereich war sie anders als im wirtschaftlichen Bereich. Für technisch orientierte Fachhoch­schul-Studiengänge war sie höher, da waren es, glaube ich, 15 Prozent; 12 Prozent waren es im wirtschaftlichen Bereich.

Wir haben im letzten Herbst bis zum Dezember hin Verhandlungen mit den Fach­hochschulträgern und der -Konferenz geführt und werden die Fördersätze für den Zeit­raum 2016 bis 2018 – das ist der Analog-Zeitraum zur nächsten Leistungsvereinba­rungsperiode mit den Universitäten – in Summe um 60 Millionen € erhöhen. Und wie beim letzten Mal wird es eine Staffelung dieser Förderbeiträge nach unterschiedlichen Studienrichtungen geben, und das Ganze wird bis 2016/17 festgelegt werden, wie es im Detail ausschaut, weil ab dann die Neuregelung gilt.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Gödl.

 


Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Ich hätte eine kurze Frage nach die­ser positiven Entwicklung.

Nach welchen Grundsätzen werden Fachhochschul-Studienplätze eigentlich verge­ben?

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Die Vergabe erfolgt nach einem Kriterien-Mix. Es gibt natür­lich grundsätzliche strategische Überlegungen, wie sich der Fachhochschulsektor ent­wickeln soll. Sie wissen, das ist eine etwas praxisnähere Ausbildung, die aber trotzdem im gesamteuropäischen Konzert stattzufinden hat. Aufgrund der Anrechenbarkeit der Studien und der Internationalisierung der Berufsausbildung ist es notwendig, dass auch unsere Fachhochschulen sich vernetzen. Kriterien sind eben zum Beispiel: Wie stark ist die Internationalisierung in der jeweiligen Studienrichtung oder im Studiengang oder am Fachhochschulstudienort gegeben? Wie sieht es mit der Weiterbildung dort aus? Welche Kooperationen haben die einzelnen Fachhochschulen respektive spezifischen Studiengänge mit anderen Forschungseinrichtungen, Universitäten und vor allem mit der Wirtschaft?

Und es gibt natürlich eine Reihe von wichtigen Kriterien im Feld Maßnahmen zur nach­haltigen Entwicklung von Studiengängen und Standorten. Was wir nicht wollen, ist, dass irgendwelche Schwammerln aus dem Boden wachsen: Man gibt dort Studien­plätze hin, und den Träger gibt es gerade einmal drei, vier Jahre, und dann ver­schwindet er wieder. Wir haben natürlich im gesamten Hochschulsektor ein Interesse, dass das alles nachhaltige Entwicklungen sind. (Vizepräsidentin Posch-Gruska über­nimmt den Vorsitz.)

Diese vier Kriteriengruppen bilden eine Matrix mit Subkriterien, anhand deren bewertet wird, welchen Studienrichtungen im Sinne der Träger und der Standorte die Studien­plätze zugewiesen werden. Das ist ein komplexes Verfahren. Es fühlen sich natürlich immer welche über den Tisch gezogen oder übervorteilt oder hätten gerne mehr ge­habt. Aber es ist auf diese unterschiedlichen Gegebenheiten in dem komplexen Ver­fahren Rücksicht zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Brückl.

 


Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär, die Frage nach zusätzlichen Studienplätzen im Fachhochschulbereich impliziert ja nahezu auch die Frage nach neuen Standorten oder zusätzlichen Standorten im Fach­hochschulbereich. Jetzt ist Oberösterreich das Industriebundesland Nummer eins, wir


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haben hier vier Fachhochschulstandorte, die sich allesamt auf den Zentralraum be­schränken, und das, obwohl sich eine Vielzahl an führenden Leitbetrieben wie KTM, wie FACC, wie Josko gerade im westlichsten Teil des Bundeslandes, also im Innviertel, befinden.

Herr Staatssekretär, meine Frage: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass innerhalb die­ser Legislaturperiode, also bis 2018, zumindest noch die Grundsteine für eine Fach­hochschule auch in diesem Landesteil Oberösterreichs, also im Innviertel, gelegt wer­den können?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sie müssen zwei Dinge unterscheiden. Sie müssen die Fra­ge der Trägerschaft und des Ortes, wo ein Studiengang stattfinden kann, unterschei­den. Ich bringe Ihnen das Beispiel aus Osttirol. Wenn mein Wissensstand stimmt, gibt es dort eine Kooperation zwischen der Universität Innsbruck und der FH, um in Lienz ein Studiengangangebot zu schaffen, zwar örtlich, aber deswegen wird keine neue Ein­richtung und kein neuer Träger geschaffen.

Möglicherweise wäre das auch eine Variante für Oberösterreich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, für das Mühlviertel. (Bundesrat Brückl: Innviertel!) Entschuldigung, in dem Fall für das Innviertel. Ich weiß nicht, geplant für Ried – oder wo soll es sein? (Bundesrat Brückl: Es gibt hier parteiübergreifend Gespräche mit Vertretern der Be­hörden und der Unternehmen, auf der einen Seite aus dem Bereich der Kunststofftech­nologie und auf der anderen Seite aus dem Gesundheitsbereich, Pflegebereich!)

Was den Pflegebereich betrifft, habe ich gehört, dass da etwas geplant ist, Kranken­haus Ried, Barmherzige Schwestern, Vinzenz Gruppe, das habe ich den Medien ein­mal entnommen. Aber wie gesagt, das ist unabhängig davon, ob ich eine zusätzliche Fachhochschule schaffen muss. Ich kann eine Ausbildung auch an einem Standort sicherstellen mit Kooperationspartnern, ohne dass ich eine neue Einheit schaffe. Das obliegt den Trägern und den jeweiligen Partnern, das zu machen. Ich glaube, das ist mein Informationsstand, dass Oberösterreich mit Trägern im Sinne des sozusagen gro­ßen Trägers gut bedient ist, und wenn es weitere Kooperationen gibt, ist es nur gut. Aber das ist eine „Sache“ – unter Anführungszeichen –, die trägerautonom zu entschei­den ist.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Die Frage wurde schon beantwortet. Vie­len Dank, ich verzichte.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Zelina.

 


Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die österreichischen Fachhochschulen befinden sich in internationalen Rankings immer auf den vordersten Plätzen.

Planen Sie, auch im Fachhochschulbereich Doktoratsstudien und Forschung zu eta­blieren?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Das ist ein großer Wunsch mancher Fachhochschulen, nicht aller, mancher, aber in Summe der Fachhochschul-Konferenz, auch Doktoratsstudien anbieten zu können.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 39

Die Universitäten auf der anderen Seite empfinden es als ein absolutes Alleinstellungs­merkmal, Doktoratsstudien anbieten zu können – aufgrund der heute schon debattier­ten Frage der Tenure-Tracks, der wissenschaftlichen Laufbahnen, die sehr spezifi­schen Kriterien unterliegen, der Steigerung der Qualität der Doktoratsprogramme, die natürlich sehr eng mit dem gesamten Forschungsnetzwerk, dem Aufstellen der Res­sourcen im Forschungsbereich verbunden sind, auch der Möglichkeit, das wissen­schaftliche Personal, den wissenschaftlichen Nachwuchs wirklich zu unterstützen, zu entwickeln. Und da gibt es sehr große Auffassungsunterschiede.

Jetzt ist es tatsächlich so, dass an manchen Fachhochschulen, nicht an allen, aber an manchen, auch sehr gute Forschung betrieben wird, zum Teil Spitzenforschung im an­gewandten Bereich in Zusammenarbeit mit der Industrie, mit Unternehmen, auch mit Universitäten. Daher haben wir uns so einem Dialog im Rahmen der Hochschulkon­ferenz, an der ja alle Stakeholder des tertiären Bereichs, die Universitäten und die Fach­hochschulen, teilnehmen, nicht verschlossen und führen diesen Dialog auch. Es ist ein ergebnisoffener Dialog. Sie haben dort unterschiedliche Ansichten. Die Frage ist, ob sich ein Modell finden wird. Es gab zum Beispiel einmal die Idee eines Kooperations­modells, wo spezifische Fachhochschulen mit Universitäten kooperieren und in so ei­ner Kooperation die Möglichkeit schaffen könnten, spezifische gemeinsame Doktorats­programme zu entwickeln. Das war einmal eine Idee, die debattiert worden ist. Aber es ist zum jetzigen Zeitpunkt offen.

Aber ja, die Debatte wird geführt, und wir werden von unserem Ressort aus die De­batte sicher nicht beenden, sondern ganz im Gegenteil, wenn der Hochschulraum sie führen will – das ist die Qualität einer Demokratie –, dann muss man diese Debatte auch zulassen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Staatssekretär.

Die Fragestunde ist hiermit beendet.

Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

10.37.12Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2839/AB-BR und 2840/AB-BR und

eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union sowie

jener Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Aufnahme von Verhandlungen über ein Protokoll zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Slowenien zur Änderung des Vertra­ges zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit und

Aufnahme von Verhandlungen über einen Vertrag über die Gründung der AIIB und

Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Repu­blik Österreich und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusam­menarbeit in den Bereichen Kunst und Kultur

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 40

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG:


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 41


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 42


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 43


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 44


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 45


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 46


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 47


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 48


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 49


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 50

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 51

*****

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 52

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt sind und zur Vorberatung in den Aus­schüssen zugewiesen wurden:

ORF-Jahresbericht 2014 gemäß § 7 ORF-Gesetz, zugewiesen dem Ausschuss für Ver­fassung und Föderalismus, und

38. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2014), zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen.

*****

10.38.10Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten und Bundesrätinnen Zwazl, Posch-Gruska, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ge­mäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 212/A-BR/2015 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema „Schlummern­de Talente: Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachsene“ eingebracht wur­de.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates bean­tragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu neh­men.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Zwazl, Posch-Gruska, Schreuder, Kol­leginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 212/A-BR/2015 auf Abhaltung ei­ner parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu neh­men, abstimmen. Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebe­nen Stimmen erforderlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Zwazl, Posch-Gruska, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, den Antrag 212/A-BR/2015 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenom­men.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 212/A-BR/2015 ergänzen und als 20. und letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

*****

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte und jener Antrag, die be­ziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungs­weise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie den Selbständigen An­trag auf Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete zum Thema „Schlummernde Ta­lente: Perspektiven für Jugendliche und junge Erwachsene (NEETs)“ auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 53

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 bis 6 sowie 8 und 9 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist auch nicht der Fall.

10.41.031. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (1029/A und 532 d.B. sowie 9351/BR d.B. und 9368/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und ge­langen zu deren 1. Punkt.

Ich darf zuvor recht herzlich Bundesminister Rudi Hundstorfer bei uns hier begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Köll. Ich bitte um den Bericht.

 


10.41.33

Berichterstatter Dr. Andreas Köll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; deshalb darf auf eine Verlesung ver­zichtet werden.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


10.42.12

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Novelle des Ärz­tegesetzes hier vorliegen, in welcher es um Änderungen im eigenen und im über­tragenen Wirkungsbereich geht. Neben den legistischen und redaktionellen Erneuerun­gen sind die Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erforder­nisse für die Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste in Zukunft nicht mehr im eigenen Wirkungsbereich, sondern im übertragenen Wirkungsbereich der Österrei­chischen Ärztekammer durchzuführen.

Des Weiteren geht es bei dieser Novelle um die Qualitätssicherung in der Basisaus­bildung, die sichergestellt werden muss. Daher ist die Ausbildung eines Arztes oder ei­ner Ärztin zum Allgemeinmediziner, zur Allgemeinmedizinerin in einer sechsmonatigen beziehungsweise dann in einer zwölfmonatigen Lehrpraxis, die in Etappen ausgeweitet wird, von besonderer Wichtigkeit. Um diese Ausbildung sicherzustellen, muss der Bund beziehungsweise müssen die Sozialversicherungsträger, die jetzt eingebunden wer­den, die Finanzierung leisten.

Ein gutes Gesundheitssystem braucht bestens ausgebildete Medizinerinnen und Medi­ziner, und dies gilt es auch in Zukunft sicherzustellen. Ich möchte an dieser Stelle auch


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 54

auf die Problematik der zukünftigen ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum einge­hen. In vielen ländlichen Regionen Österreichs wird es in Zukunft immer schwieriger, für die in Pension gehenden Landärztinnen und Landärzte eine Nachfolge zu finden. Ich kann da auch aus eigener Erfahrung berichten: Wir sind Sitz einer Sanitätsge­meinde und haben lange gesucht, bis wir eine Nachfolge für unsere Arztpraxis gefun­den haben. Es hat sich dann eine Ärztin gemeldet, und wir sind sehr froh darüber, dass wir jetzt diese Ärztin haben. Wir haben auch eine Hausapotheke dabei, was sicher ein gewisser Anreiz war, aber jetzt ist die Praxis, aus welcher diese Ärztin gekommen ist, leerstehend, und die haben jetzt dort Probleme, diese Arztpraxis wieder zu besetzen.

Ich bin der Meinung, dass die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen muss, damit die ärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten dementsprechend si­chergestellt ist.

Es ist zwar richtig, dass die Thematik Ärztemangel in ländlichen Gebieten im Zusam­menhang mit dem gesellschaftlichen Wandel steht, wie das bei vielen anderen The­menbereichen auch der Fall ist, jedoch glaube ich, dass wir grundsätzlich die Interes­sen der JungärztInnen wecken müssen, indem wir die entsprechenden Bedingungen für die Besetzung der Arztpraxen schaffen.

Es ist auch bekannt, dass im Gegensatz zu früher die Turnusstellen in den ländlichen Krankenhäusern frei sind. Früher mussten – daran können Sie sich sicher noch erin­nern – Turnusärzte lange auf einen Turnusplatz warten, während jetzt Primare und Verantwortliche um Ärzte werben, die bereit sind, den Turnus in den ländlichen Kran­kenhäusern zu absolvieren.

Wichtig ist daher eine Erhöhung der Attraktivität der medizinischen Tätigkeit auf dem Land. Es wird zukünftig auch nötig sein, flexiblere Strukturen und neue innovative Ko­operationsformen zwischen den niedergelassenen Ärzten für Allgemeinmedizin und den Apotheken zu entwickeln. In Zukunft werden den ländlichen Regionen aufgrund von Pensionierungen der Ärzte mehr als die Hälfte der Landärzte fehlen. Dies wird da­zu führen, dass eine qualitativ hochwertige ärztliche Nahversorgung unabhängig vom Alter, dem Einkommen und der regionalen und sozialen Herkunft der Patienten nicht mehr wird gewährleistet werden können.

Um auf diese gesundheitspolitische Herausforderung zu reagieren, muss ein bundes­weites Maßnahmen- und Förderprogramm geschaffen werden, das entsprechende An­reize zur Übernahme einer Landarztpraxis bietet. Die vom ehemaligen Bundesminister Stöger vorgesehenen Gruppenpraxen sind eine Möglichkeit, der Landflucht der Ärzte etwas entgegenzuwirken.

Medizinische Versorgung ist ein wesentlicher Grundpfeiler für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Region in Österreich. Um das Überleben des ländlichen Rau­mes zu sichern, müssen sowohl in der ärztlichen Versorgung als auch bei den diversen wirtschaftlichen Strukturen die hiezu notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen wer­den.

Ich würde dich bitten, lieber Herr Bundesminister, an das Gesundheitsministerium un­sere Bitte heranzutragen, dass die ärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten in Zukunft sichergestellt wird.

Unsere Fraktion wird dieser Novelle des Ärztegesetzes ihre Zustimmung geben. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 55

10.47


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Stöckl. – Bitte.

 


10.47.48

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst im November haben wir die letzte Ärz­tegesetz-Novelle beschlossen. Die Änderungen, die mit Juni in Kraft treten, haben vor allem die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte betroffen. Die Schwerpunkte sind unter anderem die Einführung einer neunmonatigen Basisausbildung nach dem Medizinstu­dium, die verpflichtende Lehrpraxisausbildung von zumindest sechs Monaten im Fach Allgemeinmedizin sowie die Zertifizierung von anerkannten Ausbildungsstätten.

Die aktuelle Novelle soll mit 1. Juli in Kraft treten, weil einige legistische Änderungen notwendig geworden sind. Es ist eine technische Novelle, die unter anderem ein Ver­fassungsgerichtshofurteil umsetzt und den eigenen und übertragenen Wirkungsbereich der Ärztekammern betrifft.

Der inhaltlich wichtigste Punkt, den ich herausstreichen möchte, ist die Übergangsbe­stimmung bei der Fachärzteausbildung. Die Bewilligung von Facharztausbildungsstel­len nach altem Ärzteausbildungsrecht konnte nur bis Ende 2014 beantragt werden. Diese Antragsfrist wurde jetzt bis Ende Mai wieder eröffnet, und die Ausbildungsstellen können auch nach Ende Mai noch mit Personen besetzt werden, die ihre postpro­motionelle Ärzteausbildung – egal, ob in Allgemeinmedizin oder im Facharztbereich – bereits vorher begonnen haben und nach altem Recht fortsetzen.

Ja, wir müssen den Arztberuf wieder attraktiver gestalten, damit die Ärzte nach ihrer Ausbildung nicht ins benachbarte Ausland abwandern. Eine qualitative Erst- und Ge­sundheitsversorgung auf dem Land muss auch in Zukunft angeboten werden. Daher war und ist es unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen der Ausbildung zu verbes­sern und attraktiver zu gestalten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, in Österreich haben wir eines der besten Ge­sundheitssysteme weltweit. Unglaublich, was tagtäglich im Gesundheitswesen geleistet wird! Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn ich bin selbst nach wie vor als Phy­siotherapeutin im Landespflegeheim tätig.

Mit dieser Gesetzesnovelle, die im Sommer, mit 1. Juli, in Kraft tritt, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung getan. Schön, dass wir diese Novelle heute einstimmig beschließen werden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.50


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.50.16

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Von meinen beiden Vorrednerinnen ist schon ausführlich ge­schildert worden, worum es in dieser Novelle genau geht. Das finden wir auch in Ord­nung, und das werden wir auch mitbeschließen – daher ist der Beschluss einstimmig. Aber ich möchte so wie meine Kollegin Ebner ebenfalls ein paar Worte zu der Situation im Gesundheitssystem allgemein und jener der Ärzte im Speziellen sagen.

Das Ärztezeitgesetz, das hier mehrheitlich beschlossen worden ist, war die Folge einer Vorgabe der EU. Man hat sich in Österreich ziemlich lange Zeit gelassen, um dieser Vorgabe nachzukommen. Dann kam es für die Ärzte offensichtlich nahezu überfalls­artig, dass sie nicht mehr als 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen. Das ist grund­sätzlich in Ordnung. Niemand von uns will einen übermüdeten Arzt haben, der Fehler begeht, weil er sich einfach nicht mehr richtig konzentrieren kann. Aber die Begleit­erscheinungen dazu sind schon sehr besorgniserregend.

Wie ich höre, wackeln die Vereinbarungen, was den Lohnausgleich anbelangt, auch in den Bundesländern. Es ist nicht so, dass dies eine gemähte Wiese ist und alle Bun-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 56

desländer sagen: Für uns ist das schon geregelt! Aber wie so oft – und nicht zum ersten Mal – ist Wien einmal mehr das Schlusslicht. Seit Wochen verhandelt Stadträtin Wehsely mit den Ärzten und kommt zu keiner Lösung.

Dazu kommt noch, dass im „Kurier“ vom16. Februar 2015 kolportiert worden ist, dass Wien 382 Ärzte abbauen wird, obwohl alle anderen Bundesländer gesagt haben, dass sie im Zuge der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes für Ärzte zusätzliche Posten brau­chen werden. Aber Wien ist auch Schlusslicht bei den Arbeitslosen, also warum sollen sie da nicht ebenfalls Schlusslicht sein. Sie bauen Ärzte ab. Der Wiener Bürgermeister Häupl hat diese Vorgehensweise bestätigt und offensichtlich für richtig befunden, so nach dem Motto: Die Umsetzung des Gesetzes kostet ohnehin schon 20 Millionen €, dann ist es gerechtfertigt, wenn wir Ärzte abbauen!

Stadträtin Wehsely tut so, als ob sie in die ganzen Verhandlungen – also vorher – über­haupt nicht eingebunden wäre, was die Beantwortung einer Anfrage meiner Kollegin Belakowitsch-Jenewein aus dem Nationalrat bestätigt. Diese hat gefragt: War der KAV eingebunden? War die Stadträtin eingebunden? Und Herr Minister Hundstorfer schreibt Folgendes in seiner Anfragebeantwortung:

„Das Bundesland Wien hat den Entwurf ausdrücklich unterstützt. Es wurde auf Kosten bei der Umsetzung hingewiesen und gleichzeitig Begleitmaßnahmen im Gesundheits­recht gefordert.“

Zu einem anderen Fragenpaket schreibt er:

„Weder Wien noch ein anderes Bundesland haben im Zuge der Gespräche zum Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) eine Personalreduktion angekündigt. Im Ge­genteil haben die meisten Bundesländer angegeben“ – was ich schon gesagt habe –, „dass durch die Arbeitszeitverkürzung zusätzliche Dienstposten notwendig sein wer­den. Die u.a. in Wien geführte Diskussion betrifft eine neue Ablauforganisation in den Spitälern und steht daher nicht direkt im Zusammenhang mit den Änderungen des KA-AZG. Ein ursächlicher Zusammenhang einer Dienstpostenreduktion mit der Änderung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes ist daher nicht gegeben.“

Das haben wir nicht zum ersten Mal. Wir reden ja von derselben Partei, denn sowohl der Herr Minister als auch die Frau Stadträtin sind in derselben Partei. Sonst wissen wir schon, dass, wenn es zwei verschiedene Parteien sind, es gewisse Reibereien und auch gewisse Hörfehler geben kann. In diesem Fall gehe ich nicht davon aus. Da weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. – Das ist schon ein Problem.

Das zweite Problem ist, dass die Probleme in Wien nicht erst seit gestern da sind. Man kann schon seit Langem beobachten, dass man, wenn man einen Facharzt braucht, lange auf einen Termin warten muss. So bekommt man zum Beispiel einen simplen Hautarzttermin oft frühestens in drei Monaten – wenn man Glück hat! Jetzt haben wir gehört, dass Operationstermine um 18 Monate verschoben werden mussten. Wenn man heute eine MRT braucht, hat man in Wien auch lange Wartezeiten in Kauf zu neh­men, außer wenn man es selbst zahlt oder eine Zusatzversicherung hat.

Das heißt, wir haben die Zweiklassenmedizin schon. Ich habe das selbst schon einmal erlebt, noch dazu bei der BVA. Man hat gesagt: Ja, Sie können morgen einen Termin für eine MRT haben, wenn Sie es sich selber zahlen! Sie können es ohnehin bei der Kasse einreichen! – Man bekommt dann ungefähr 40 Prozent rückerstattet. Das kann sich aber nicht jeder leisten. Ich konnte es, aber wie viele können es sich nicht leisten und müssen dann warten? Oder: Es gibt Chemotherapie-Patienten, die unerträglich lange warten müssen. – All das ist ja schon vorher Realität in Wien gewesen.

Wenn man heute einen Arzt sucht, der über die allgemeine Ausbildung hinaus Zusatz­ausbildungen hat, kann man sicher sein, dass es sich um einen Wahlarzt handelt, man


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 57

wieder in Vorlage treten muss und nur einen Teil rückerstattet bekommt. (Bundesrat Perhab: Lösung?)

Das ist unser „tolles“ Gesundheitssystem, auf das die Regierung so stolz ist! Wir hatten ja wirklich einmal einen ausgezeichneten Ruf, die Wiener Medizinische Schule war weltweit anerkannt und ein Vorbild. Was ist daraus geworden? Wir haben eine Politik, die das – ähnlich wie bei den Hauptschulen im Wiener Schulsystem – völlig zu Grabe getragen hat.

Ich glaube, dass Kollegin Ebner bezüglich ihrer Aussage zu den Landärzten völlig recht hat. Ich sehe das genauso. Ich finde es trotzdem nur immer interessant, wenn die Kol­leginnen und Kollegen aus den Reihen der Regierungsfraktionen sagen: Die Politik muss tätig werden! – Na bitte, macht es halt einmal, ihr hättet es ja in der Hand!

Ich glaube, dass wir unsere Ärzte ordentlich bezahlen müssen. Ich glaube generell, dass Menschen, die sich um unsere Kinder, um unser Leib und Leben und um unsere Gesundheit kümmern, die unsere Alten und Kranken pflegen, besonders gut entlohnt werden müssen. Das ist ja nicht nur eine Arbeit, das ist ja auch eine Leistung und ein Dienst an der Gesellschaft, der auch entsprechend entlohnt gehört!

Natürlich gibt es den Porsche-Fahrer mit der Villa in Döbling, aber dieses Bild wird so gezeichnet, als ob es allgemein so wäre. Reden Sie einmal mit einem Kassenarzt, wie der rudert, um über die Runden zu kommen, der seine Patienten im Dreiminutentakt durchwinkt und mit einem Medikament nach Hause schickt, damit der Patient das Ge­fühl hat, dass irgendetwas getan worden ist. Zeit für ein Gespräch ist da überhaupt nicht mehr vorhanden. Aber oft genug geht es in der medizinischen Diagnose eben ge­nau um das Gespräch, um sich dann die Medikamente zu ersparen. Diese Kassenärz­te tun sich besonders schwer und müssen mit wenig über die Runden kommen, die ha­ben den Porsche wahrscheinlich als Matchbox-Modell irgendwo auf der Kredenz ste­hen. Das heißt, wir müssen die  (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Dann macht das einmal in der Steiermark! (Bundesrat Perhab: Wir können es uns nicht leis­ten!) – Ihr seid dort in der Regierung! Macht das einfach einmal! (Bundesrat Perhab: Wir können es uns nicht leisten!)

Ich glaube, Ärzte müssen ordentlich bezahlt werden. Menschen, die Dienst an uns und an der Gesellschaft leisten, haben eine gute Entlohnung verdient. Stattdessen kämpfen sie mit dem System, und dieses hilft ihnen leider wirklich nicht. Das ist etwas, was sich – da bin ich mit Kollegin Ebner einer Meinung – grundsätzlich ändern muss.

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mühlwerth und Kollegen betreffend Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und der Bun­desminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass im Bundesland Wien die Gesundheitsversorgung im Zusam­menhang mit der Umsetzung des Krankenanstalten-Ärztearbeitszeitgesetzes mittel- und langfristig aufrecht erhalten werden kann.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

10.59



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 58

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Der von der Bundesrätin Mühlwerth, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Umsetzung des Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetzes ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung. (Bundesrat Todt: Kann der Antrag auch verteilt werden?) – Der Antrags­text ist vorgelesen worden!

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


10.59.25

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf heute die Frau Gesundheitsministerin hier im Bundesrat vertreten. Ich hoffe, ich stimme mit Ihnen überein, dass wir ihr gemeinsam alles Gute für ihren Heilungsprozess wünschen; er verläuft ganz gut. (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke einmal grundsätzlich für die Einstimmigkeit.

Frau Bundesrätin Mühlwerth, ich weiß, dass wir eine Debatte, die im Plenum des Na­tionalrats stattgefunden hat, natürlich im Bundesrat weiterführen müssen – das ist ja gar keine Frage –, aber ich darf dennoch auch hier kurz das sagen, was ich im Plenum des Nationalrates gesagt habe.

Sie wissen ja ganz genau, es waren sämtliche Bundesländer bei diesen Verhandlun­gen dabei, es waren sämtliche Universitätskliniken bei diesen Verhandlungen dabei. Aufgrund meiner Vergangenheit waren sogar auch die Betriebsräte der Universitätskli­niken dabei. Es war die Ärztekammer dabei, es waren die zuständigen Gewerkschaf­ten dabei. Es war mehr oder weniger eine Riesenrunde, mit der wir begonnen haben und auch dann die Verhandlungen beendet haben, weil ich ja alle mit einbeziehen musste – nicht nur wollte, sondern musste.

Sie wissen auch, dass in diesem Ärztearbeitszeitgesetz eine Übergangsbestimmung enthalten ist, die lautet, dass sich bis 2017 überhaupt nichts verändern müsste, son­dern das normale System weiterläuft und dann in die Zukunft gerichtet ab 2021 die vollständige Umsetzung erfolgt.

Was ist aber passiert? – Es ist etwas passiert, was in einer Dynamik einer Gesellschaft nun einmal so ist: Es hat ein Bundesland sofort über ein neues Schema verhandelt, weil dieses eine Bundesland aus vielen Gründen gar nicht anders konnte. Das ist das Bundesland Steiermark. Das Bundesland Steiermark hat als allererstes Bundesland ein neues Gehaltsschema beschlossen.

Da nun aber das Bundesland Steiermark kein isolierter Teil der Gesamtrepublik ist (Bun­desrat Günther Köberl: Manchmal schon, aber !) – nein, in dem Fall nicht –, sondern ein Teil der Republik, ein Teil des Gesamten, hat das natürlich dazu geführt, dass sämt­liche Bundesländer, die Ärztekammern dieser Bundesländer begonnen haben zu sa­gen: Wenn die das schon machen, dann machen wir weiter.

Es gibt ein Bundesland, von dem Sie bei all den Verhandlungen nie gehört haben. Wa­rum? – Weil dieses Bundesland, nämlich Niederösterreich, vor zwei Jahren schon die Umstellung vorgenommen und dort ein neues Schema eingeführt hat. Und seit zwei Jahren – ich glaube, es war sogar 2012, 2012/2013 – ist das in Niederösterreich in der Umsetzung.

Und dann gibt es noch ein Bundesland, von dem Sie überhaupt noch nie gehört haben bei dieser Debatte, das ist das Bundesland Vorarlberg, weil das Bundesland Vorarlberg eine Spezialsituation hat, die dort so ist, wie sie ist, nämlich dass jeder, der mit dem Auto 10 Minuten weiterfährt, um 4 000 € mehr bekommt, nämlich wenn er in der Schweiz einen Arbeitsplatz bekommt. Demzufolge hat das Bundesland Vorarlberg im­mer schon ein anderes Schema im Gesundheitswesen führen müssen, nicht nur bei


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 59

den Medizinerinnen und Medizinern, sondern auch beim Pflegepersonal. Das ist dort immer schon anders gelaufen.

Von diesen beiden, wie gesagt, haben Sie nie gehört. Die Steiermark hat dann das um­gestellt – aus vielen Gründen, die alle nachvollziehbar sind und sehr verständlich sind. Und natürlich sind wir jetzt in einer Phase der Umsetzung, aber: Es ist das Bundesland Kärnten abgeschlossen, das Bundesland Salzburg ist abgeschlossen, das Bundesland Oberösterreich ist auch abgeschlossen. Das Bundesland Wien ist de facto abge­schlossen, nur hat man mit der Ärztekammer trotz zweimaliger riesiger Verhandlungs­runden und auch trotz eines Mehrpaketes von 60 Millionen € für die Wiener Ärztinnen und Ärzte – das ist ja nicht so wenig, was der KAV da an Geld in die Hand nimmt –, wovon 22 Millionen € frisches Geld sind, der Rest ist Verschiebung, ganz einfach hier immer noch einen Punkt offen.

Wenn Sie aber die Aussendungen der Ärztekammer von dieser Woche lesen, werden Sie auch lesen, dass die Ärztekammer jetzt auch nicht weiß, welche neuen Forderun­gen sie jetzt noch stellen soll, sondern es wird jetzt beraten, wie wir weitermachen. Was aber das Land gemacht hat, ist, dass es sehr wohl das neue Schema im Landtag beschlossen hat. Dieses neue Schema wird jetzt am 1. Juni ausbezahlt, und natürlich waren in Wien – und das war ja schon das Ergebnis der ersten Verhandlungen – da oder dort Reorganisationsmaßnahmen damit verbunden.

Diese Reorganisationsmaßnahmen sind aber auch im Zusammenhang damit zu se­hen – und das sei jetzt überhaupt nicht missverstanden –: Wenn man – ich nenne jetzt kein Bundesland – in das Bundesland X schaut, dann werden Sie dort pro 100 Betten 48 Medizinerinnen und Mediziner finden. Wenn Sie ins Bundesland Y schauen, werden Sie pro 100 Betten 42 Medizinerinnen und Mediziner finden. Und wenn Sie ins Bundes­land Wien schauen, werden Sie 56 Medizinerinnen und Mediziner finden, denn Wien hat im KAV den höchsten Schlüssel von allen Bundesländern, was die Medizinerinnen und Mediziner betrifft. Das hängt mit der Großstadt zusammen, das hängt mit der Grö­ße des KAV zusammen, und, und, und. Das hängt natürlich auch mit der Einwohner­zahl, die sich aus dem Versorgungsgebiet heraus ergibt, zusammen.

Dass man jetzt da oder dort Dinge überarbeitet, ist Angelegenheit des Landes und hat dort zu geschehen, denn es wird Verschiebungen ins Plus geben, und es wird Ver­schiebungen geben, wo man sagt, da kann man da oder dort etwas einsparen. Das ist aber überhaupt nicht Angelegenheit unserer Gesetzesmaterie gewesen, sondern das hat man nur zum Anlass genommen – so wie die Steiermark es zum Anlass genom­men und gesagt hat, wir warten nicht auf 2017, sondern wir machen es sofort –, in Wien zu sagen, okay, dann reden wir auch über viele, viele Dinge. Und das ist ge­schehen, diese Debatten gibt es, und Sie dürfen sicher sein, dass es auch in Wien eine Lösung geben wird.

Ein weiteres Bundesland hat auch noch nicht abgeschlossen, das ist das Bundesland Burgenland, wo auch noch diskutiert wird über das Anbot: Ist es annehmbar oder ist es nicht annehmbar? Es ist im Zuge von Landtagswahlen natürlich noch interessanter, solche Debatten zu führen – das ist ja vollkommen klar –, und Sie können sicher sein, dass jetzt im Mai wahrscheinlich kein Abschluss zustande kommt (Rufe bei der ÖVP: Warum? – Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP) – ich weiß es nicht, da muss man das Burgenland fragen, nicht mich – und dass da oder dort noch Debatten laufen.

Das heißt, wir sind auf dem Weg zu einem sehr, sehr – so hoffe ich – funktionierenden, weiterhin guten Arbeitszeitregime in den österreichischen Spitälern. Wir sind auf dem Weg zu vernünftigen Arbeitszeitformen, denn – das sage ich auch ganz offen – ich glaube, es kann nur in unserem Interesse sein, dass man überbordende Arbeitszeiten zurückdrängt, und dass das im Interesse von allen ist, nämlich nicht nur von denen, die diese Arbeit leisten, sondern auch im Interesse derer, für die sie geleistet wird.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 60

Demzufolge ist es natürlich klar, dass man jetzt da oder dort auch Wahlkampf betrei­ben muss – das ist vollkommen logisch –, aber Sie dürfen sicher sein, im Land Wien wird die medizinische Versorgung weiterhin so gut funktionieren wie in der Vergangen­heit. Und natürlich haben wir auch da oder dort ein Thema, denn die meisten Wahl­ärzte gibt es nicht in Wien, sondern die meisten Wahlärzte gibt es in Oberösterreich. In der Relation zur Bevölkerung finden Sie dort viel mehr als in Wien, und auch in Salz­burg finden Sie viel mehr als in Wien, weil natürlich auch die Krankenkassen dafür Sorge zu tragen haben, wie sie mit ihrem System auskommen.

Aber wir sind ja auch in der Umsetzung der Gesundheitsreform, und da wird es noch viele Debatten da oder dort geben, weil natürlich alles, was Veränderung ist, auch von einer Debatte begleitet wird, weil es natürlich da oder dort bedeutet, neue Wege zu gehen. Neue Wege zu gehen ist von Haus aus immer mit einer Debatte verbunden. Aber ich sehe das als eine sehr, sehr sportliche und wahrscheinlich – oder nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher – sehr lösbare Aufgabe. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.08

11.08.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister. – Weitere Wortmeldun­gen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätin­nen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

11.09.072. Punkt

Jahresvorschau des BMG 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der europäischen Kommission für 2015 und des Programms des Ra­tes (Lettland und Luxemburg) (III-539-BR/2015 d.B. sowie 9369/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Stöckl. Bitte um den Bericht.

 


11.09.23

Berichterstatterin Angela Stöckl: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschus­ses über die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 und des Programms des Rates (Lettland und Luxemburg).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 den An­trag, die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit 2015 auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 und des Programms des Rates (Lettland und Luxemburg) zur Kenntnis zu nehmen.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 61

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


11.10.13

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Sozialminister, liebe Grü­ße an die Gesundheitsministerin und vor allem gute Besserung! Ich möchte dazu fest­halten, dass ich es – als eines von acht Kindern einer Mutter, die vor 45 Jahren eine Krebserkrankung hatte – sehr zu schätzen weiß, dass eine Ministerin, in ihrer sehr per­sönlichen Situation, mit ihrer Krankheit so öffentlich umgeht und damit vielen Men­schen Hoffnung gibt, dass auch eine schwere Erkrankung keine Hoffnungslosigkeit und keine Chancenlosigkeit bedeutet. Das möchte ich grundsätzlich angesichts dieser Hei­le-Welt-Gesellschaft sagen, dass dadurch die Frau Bundesministerin Oberhauser sicher ein emotioneller Hoffnungsträger für viele Menschen, besonders auch für Frau­en, ist.

Zur Jahresvorschau ist vieles zu sagen. Da geht es um das Wasser, wobei ich gleich festhalten möchte, dass das Wasser ein Tabuthema ist. In der letzten europäischen Wahlauseinandersetzung hat ja das Wasser-Thema auch eine Rolle gespielt. Wasser gehört den Österreicherinnen und Österreichern. Die höchste Qualität, die wir haben, ist zu schützen und keinesfalls in irgendeiner Form spekulativen oder monetären Spie­lern zur Verfügung zu stellen.

Gerade wenn wir an unsere Bundeshauptstadt denken: Die Wiener Wasserversorgung aus den Hochquellenwasserleitungen ist eigentlich in Wirklichkeit tatsächlich ein Jahr­hundert- oder ein Jahrtausendereignis. Wenn man aus Neu-Delhi kommt, wo man kein Leitungswasser trinken kann, ist das Erste, das man in Österreich hat, unser so gut ge­schütztes Wasser.

Es ist hochinteressant, dass heute einige österreichische Tageszeitungen über die Er­nährungs- und damit auch über die Gesundheitsentwicklung berichten, und das zeigt schon: Das Thema neuartige Lebensmittel hat auch neuartige Gesundheitsprobleme hervorgerufen.

Wir müssen heute im „Kurier“ die Schlagzeile lesen: Gesundheitsalarm! Die Europäer werden immer dicker. Bis 2030 ist jeder Dritte fettleibig, und das wird auch an Öster­reich nicht vorbeigehen. – Da sieht man schon, dass gerade im Bereich der Ernährung der Schlüssel zur Gesundheit liegt und dass viele sogenannte neuartige Ernährungs­möglichkeiten und -angebote in Wirklichkeit Krankheiten und sozusagen eine volksge­sundheitliche Entwicklung mit sich bringen, die tatsächlich mehr als bedenklich ist. Wenn wir davon ausgehen müssen – dazu gibt es eine Statistik –, dass 2030 laut WHO in Österreich 51 Prozent der Frauen und 57 Prozent der Männer fettleibig sein werden – nicht sollen, sondern werden –, dann ist das mehr als bedenklich.

Ich sage, dass die Gesundheitspolitik besonders auch Ernährungspolitik ist und dass wir hier auch dafür Sorge tragen müssen, dass europäische „Schlechterstandards“ nicht über österreichische „Besserstandards“ darübergestülpt werden und dass wir den Fehlentwicklungen, die wir auch in Österreich haben, massiv entgegenwirken müssen.

Ich habe hier einen Artikel aus der „Presse“. Da berichtet man über die Zuckerindustrie in den USA – und alles, was die Amerikaner anstellen, kommt ja irgendwann nach Eu­ropa und schlimmstenfalls auch nach Österreich. Da schreibt man:

„Wenn eine mächtige Industrie ihre Interessen bedroht sieht, was tut sie dann? () 2003 wollte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Verringerung des Zuckerkonsums emp­fehlen, nicht mehr als zehn Prozent der täglich aufgenommenen Kalorien sollte freier Zucker ausmachen.“

Es gibt in den USA eine Epidemie der Fettleibigkeit. In den USA hat sich diese Epi­demie laut Militärärzten zu einer Bedrohung für die nationale Sicherheit ausgewach-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 62

sen. Jeder Vierte, der zu den Soldaten will, ist zu dick. Und die Zuckerindustrie hat sich mit unglaublichen finanziellen Mitteln gegen die Bedrohung ihrer Interessen gewehrt. Das heißt, die amerikanischen Gesetzgeber haben es zugelassen – das ist heute noch so –, dass dort eine Zuckerüberernährung mit all ihren Problemen stattfindet.

Was will ich dazu sagen? – Dass natürlich diese Maßnahmenkataloge, die es durchaus auch gibt, sehr ernst zu nehmen sind und dass man da auch entsprechende Maßnah­men ins Auge zu fassen hat.

Ein weiteres Thema, das hochinteressant ist: In Österreich hat ja das Bundesheer jetzt das Aluminiumgeschirr gesperrt. Es ist nicht mehr im Einsatz – Alu „auf der Abschuss­liste“. Da muss man sich aber schon fragen: Welche Auswirkungen hat das auf den Alltag, wenn man bedenkt, wie viele aluverpackte Getränke in Österreich täglich kon­sumiert werden? Ich habe noch nichts davon gehört, dass das ein Gesundheitsproblem sein soll. Bei Deosprays weiß man schon, dass Alu problematisch ist und bei Frauen zu Brustkrebs führen kann.

Was hat der Gesetzgeber hier vor? Was hat die Gesundheitspolitik hier vor? Ist Alu als Verpackung für Lebensmittel ein Irrweg? Ist dagegen auch entsprechend vorzugehen? Auch hier zeigt sich, dass womöglich auch neuartige Verpackungsformen unter Um­ständen neuartige Gesundheitsprobleme gebracht haben und dass man sich – wenn das Bundesheer Alugeschirr schon nicht mehr zulässt – die Frage stellen muss: Was hat der Gesetzgeber vor? Was hat die Gesundheitspolitik vor? Ist zum Beispiel das täglich teilweise sogar mehrfach konsumierte Getränk oder Lebensmittel aus der Alu­dose als Verpackung ein Problem? Von so manchem Inhalt will ich, wenn ich wieder an den Zucker denke, ja gar nicht reden.

Lebensmittelsicherheit ist für mich ein Kernthema der Gesundheitspolitik, und damit auch der Verbraucherschutz beziehungsweise die Biobestimmungen. Sieht man sich zum Beispiel die österreichische Fleischversorgung an, so werden in Österreich 61 Pro­zent Schweinefleisch konsumiert, 18 Prozent Rindfleisch, 17 Prozent Geflügel und 4 Pro­zent sonstiges Fleisch. Wenn es aber um die Biofleischkonsumation und ‑versorgung geht, wie sieht es da aus? – Beim Schweinefleisch sind es 2 Prozent, beim Rind 4 und bei Geflügel 4 Prozent. Das heißt, der Anteil ist de facto ja gar nicht messbar. Die 2 Prozent beim Schweinefleisch sind ein Zeichen, dass auch da wieder die Tierhaltung zum Problem wird, dass es anscheinend wirtschaftlich nicht mehr machbar ist, eine entsprechende qualitative Versorgung mit hochwertigen Fleischprodukten in Österreich zustande zu bringen.

Das heißt, in diesem Themenkatalog gibt es viele Aufgaben, die sich stellen. Der Bür­ger hat ein Recht auf eine Gesundheitspolitik, die nicht wegschaut, die handelt, die nicht ignoriert, die sich auch nicht von Interessenlagen kaufen lässt, sondern die tat­sächlich – abgesehen von den aktuellen Diskussionen, die es gibt – besonders im Be­reich der gesunden Ernährung sozusagen ein Gesundheitsfundament zu errichten hat.

Das zeigt, dass Österreicher, wenn sie die entsprechenden Rahmenbedingungen ha­ben, auf eine gesunde Zukunft setzen. Das wünsche ich mir, und das wünschen wir uns. Deshalb sehen wir im Bereich der Gesundheitspolitik viel Arbeit vor uns, die wir nur gemeinsam werden bewältigen können. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Köberl. – Bitte.

 


11.17.15

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Gesundheit ist unser


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 63

höchstes Gut, und gute Gesundheit ist daher auch ein Hauptanliegen aller EU-Bür­gerinnen und ‑Bürger. Die EU setzt sich im Rahmen ihrer politischen Strategien und Tätigkeiten für einen besonderen Gesundheitsschutz ein. Das Handeln der EU im Ge­sundheitsbereich soll die Gesundheit der Bevölkerung verbessern, Krankheiten verhü­ten, Gesundheitsgefährdungen – auch solche, die auf den Lebensstil zurückzuführen sind – vermeiden und der Forschungsförderung dienen.

Für die Organisation des Gesundheitswesens sind die nationalen Behörden zuständig. Der EU fällt die Aufgabe zu, die Politik der einzelnen Länder zu ergänzen. Es wird da­her immer wieder weniger Einmischung bei Themen gefordert, die besser in den Mit­gliedstaaten gelöst werden können, sowie mehr Transparenz und Offenheit der Hand­lungen der EU.

Die hohe Arbeitslosigkeit, mäßiges Wachstum, hohe Staatsschulden, geringe Investi­tionen und unzureichende Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten erfordern von der Europäischen Kommission heute, im Vergleich zu früher, entschlosseneres Han­deln und andere Formen des Herangehens an Problemstellungen. Unter diesen Ge­sichtspunkten ist die nun vorliegende Jahresvorschau zu sehen, die über alle Themen informiert, die für die strategische Planung des Gesundheitsressorts von Bedeutung sind. Es geht in der Vorschau, wie wir schon gehört haben, um die Gentechnikfreiheit, um biologische Lebensmittel und Kennzeichnungsvorschriften, um Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin genauso wie um das Klonen von Tieren sowie das Inverkehrbringen von Lebensmitteln von Klontieren.

Österreich hat die bestehende Zulassungspraxis von gentechnisch veränderten Pro­dukten stets kritisiert und bis jetzt alles darangesetzt, den Anbau von Genpflanzen auf den heimischen Feldern zu verhindern. Unsere EU-Abgeordnete Karin Kadenbach kämpft gerade gegen die Gentechnik-Erleichterung für Großkonzerne.

Auch in Bezug auf die ökologisch-biologische Produktion und Kennzeichnung von Er­zeugnissen hat Österreich – das den höchsten Anteil an biologisch bewirtschafteten Flächen der EU hat und sich somit auch sicherlich als Bioland Nummer 1 bezeichnen kann – eine sehr klare Haltung. Eine Vereinfachung und eine Prinzipienorientierung der Regeln darf nicht zulasten einer gesunden Weiterentwicklung der biologischen Produk­tion gehen. Österreich ist der Auffassung, dass im Sinne einer Weiterentwicklung des biologischen Sektors der Anwendungsbereich auf Produkte wie verarbeitete Produkte, die in Textilien und Kosmetika verwendet werden, ausgedehnt werden sollte.

In diesem Bereich gibt es aus österreichischer Sicht noch wesentliche offene Punkte, wie die Ausnahme von verpackten Lebensmitteln im Einzelhandel; es gibt keine kon­krete Regelung, was die Reduzierung der Umstellungszeit oder auch die Kontrolle bei Einfuhren aus Drittländern betrifft. Auch ist Österreich skeptisch, was das Inkrafttreten angeht. Hier müssen Inhalte im Vordergrund stehen und nicht zeitliche Zwänge. Die Bioverordnung sollte daher aus österreichischer Sicht frühestens 2021 in Kraft treten und nicht wie vorgeschlagen bereits 2017.

Der letzte Teil des Berichts beschäftigt sich mit dem operativen Programm des Rates. Darin finden wir das Hauptziel der drei Vorsitze, das darin besteht, „die Wirtschafts- und Finanzkrise vollständig zu überwinden und das Wachstum in der Union anzukur­beln, die Fähigkeit der Union, mehr Beschäftigung zu schaffen und die digitalen Mög­lichkeiten auszuschöpfen, zu stärken, die Grundrechte zu schützen und ihrer Rolle in einer sich rasch wandelnden Welt umfassend gerecht zu werden.“

Und das ist auch gut so, denn wir alle wissen: Arbeitslosigkeit, Armut und Sorgen um die Zukunft machen krank.

Begrüßenswert ist, dass „die Förderung gesunder Lebensstile mit besonderem Augen­merk auf Maßnahmen im Zusammenhang mit Ernährung und Bewegung“ operativ „im


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 64

Zentrum“ steht, denn Übergewicht und Fettleibigkeit sind nicht nur Probleme der US-Amerikaner, wie wir immer geglaubt haben und wie mein Vorredner schon gesagt hat, nein, auch Europa ist immer stärker davon betroffen. Die WHO spricht gar von einer „Übergewichtskrise“ enormen Ausmaßes, wie ja gestern und heute in den Medien zu lesen war.

In Irland werden 2030 alle Erwachsenen übergewichtig sein, die Hälfte der Männer und 57 Prozent der Frauen sogar fettleibig. In Österreich gelten 12 Prozent der Männer und Frauen als fettleibig, bis 2030 wird jeder Dritte fettleibig sein. Im Vorjahr waren 60 Pro­zent der über 20-jährigen Männer und fast 43 Prozent der Frauen übergewichtig. Es muss uns also auch gelingen, das Marketing für ungesundes Essen zu begrenzen, denn mehr als 60 Prozent der TV-Werbung zeigen laut einer Studie ungesunde Kost. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Gesunde Lebensmittel müssen aber auch für die Allgemeinbevölkerung erschwinglich sein.

Ein massives Problem sind die versteckten Inhaltsstoffe. Jeder von uns weiß: Wenn man einkaufen geht, kann man die Inhaltsstoffe oft gar nicht lesen, weil so viele ange­führt sind. Wenn man sich damit beschäftigt, wo überall Zucker und versteckte Fette drinnen sind – man glaubt es kaum! Es hat ja schon einmal die Forderung gegeben, die Nährstoffkennzeichnung wie im Ampelsystem anzuführen: Wenn ein rotes Punkterl drauf ist, ist es nicht gerade gesundheitsförderlich, und Grün bedeutet gesund. (Zwi­schenruf des Bundesrates Tiefnig.) Ich denke, da müsste man ansetzen, weil man beim Einkaufen nicht die Zeit hat und die Aufdrucke oft auch gar nicht lesen kann, um alle Inhaltsstoffe zu erkennen.

Wie wir alle wissen, fördert Übergewicht Folgeerkrankungen, wie Herzerkrankungen, Gelenksprobleme, Diabetes, es führt aber auch zu psychischen Belastungen. Oft wird an den Stammtischen darüber geschimpft, dass alles und jedes gesetzlich geregelt wird. Wenn man sich aber den Bericht ansieht, denke ich mir, dies ist gerade in Bezug auf Medizinprodukte und Lebensmittelsicherheit nötig.

Es ist also gut, dass es ein Arbeitsprogramm und Vorgaben der EU und gesetzliche Rahmenbedingungen gibt, aber letztendlich sind wir es selbst, die mit unserem Kauf­verhalten, mit unserem Lebensstil, mit unserer Lebensweise nicht nur unsere Gesund­heit, sondern auch unser Umfeld und die Finanzmärkte beeinflussen. Und das dürfen wir nie vergessen!

Wir sollten uns daher auch mit den Kärntnerinnen und Kärntnern solidarisch erklären, denn auch bei ihnen geht es in Zukunft um die Gesundheit, wenn man weiß, dass ab 1. Juni das Gesundheitspersonal in den Krankenhäusern nicht mehr finanziert werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Bericht ist – wie wir das gewohnt sind – sehr übersichtlich gestaltet. Die österreichische Haltung ist sehr gut nachvollziehbar. Herzli­chen Dank dafür an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums für Gesundheit!

Wir nehmen den Bericht zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

11.24


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bunde­srat Reisinger. – Bitte.

 


11.24.53

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein wesentlicher Schwerpunkt der Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit ist, wie bereits berichtet, der Lebensmittelsicherheit, vor allem in Bezug


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 65

auf neuartige Lebensmittel, wie Produkte von geklonten Tieren, oder auch gentech­nisch veränderte Organismen, gewidmet. Ein besonderer Teil widmet sich auch der bio­logischen Produktionsweise.

Dies sind in der Tat mehrere wichtige Themen, die die Menschen ganz besonders be­schäftigen. Gesundes und gutes Essen ist ein Grundbedürfnis der Menschheit und des­halb besonders wichtig, wie ich meine.

Wir in Österreich können sehr froh und auch stolz darauf sein, dass wir in Bezug auf natürliche und gesunde Lebensmittel durchaus eine Vorreiterrolle haben. Wir produ­zieren sehr tierfreundlich. Das hat zwei Gründe, nämlich auf der einen Seite natürlich, dass wir strengste Tierschutzbestimmungen haben, andererseits, dass wir in Öster­reich auch eine relativ kleinstrukturierte und vor allem bäuerlich geprägte Landwirt­schaft haben. Das hat sehr viel mit der Topografie des Landes zu tun, ist aber auch agrarpolitisch so gewollt. Politisch haben wir das Ziel, die Rahmenbedingungen für un­sere bäuerlichen Betriebe möglichst optimal zu gestalten.

So ist es auch kein Wunder, dass wir in Österreich Europameister sind, was den Anteil an biologisch bewirtschafteter Fläche betrifft. Kein anderes Land in Europa hat anteils­mäßig mehr biologisch bewirtschaftete Fläche als Österreich. Das hat damit zu tun, dass wir ein sehr gut durchdachtes und auch ein sehr praxistaugliches Programm ha­ben. Wir könnten damit durchaus auch Vorbild für ein europäisches Gesamtprogramm sein.

Positiv finde ich, dass laut dieser Jahresvorschau seitens der Europäischen Kommis­sion die Absicht besteht, die Richtlinien zur biologischen Bewirtschaftung zu straffen und zu vereinfachen. Allerdings sehe ich den Vorschlag, vorwiegend über Rückstands­kontrollen nachzuweisen, dass biologisch produziert wurde, sehr skeptisch, weil es sehr schwierig sein wird, eine hundertprozentige biologische Reinheit mit einer abso­luten Rückstandsfreiheit nachzuweisen. Wir alle wissen, dass es Einflüsse aus der Luft, aus der Umwelt und aus Niederschlägen gibt, die nicht im Einflussbereich des Be­wirtschafters und des Bauern stehen, sodass diese Vorgangsweise durchaus kontra­produktiv sein könnte; außerdem verursacht sie enorme Kosten.

Programme sollten so aufgestellt sein, dass sie von möglichst vielen Betrieben und Bewirtschaftern angenommen werden können. Je einfacher und verständlicher sie sind, umso lieber werden sie auch umgesetzt. Radikale oder grundsätzliche Umstellun­gen bei den Programmen würden viele Betriebe zum Aussteigen bewegen. Ich glaube, dass auch eine gewisse Rechtssicherheit über die Jahre hinweg unbedingt gegeben sein sollte.

Ein weiteres wichtiges Thema betrifft den Umgang mit gentechnisch veränderten Orga­nismen. Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden: auf der einen Seite der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen, auf der anderen Seite der Umgang mit gentech­nisch veränderten Futtermitteln.

In Bezug auf den Anbau von Pflanzen haben wir ja Gott sei Dank die Möglichkeit, uns nationalstaatlich zu verpflichten, auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflan­zen zu verzichten. Ich finde es gut, dass Österreich diese Möglichkeit nutzt.

Was den Umgang mit gentechnisch veränderten Futtermitteln betrifft, sehe ich den Vorschlag der Europäischen Kommission, dies nationalstaatlich zu regeln, sehr skep­tisch. Im Rinderbereich sind wir in Österreich derzeit zu 100 Prozent gentechnikfrei. Das heißt, Milch, Käse und Molkereiprodukte sind gentechnikfrei, dasselbe gilt auch für Rindfleisch aus österreichischer Produktion. Die Ursache ist vor allem darin zu sehen, dass im Rinderbereich natürlich das Grünland als Basisfuttermittellieferant dient und Getreide als Ergänzungsfuttermittel vorwiegend aus österreichischer Produktion stammt.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 66

Anders sieht es in der Schweinemast aus: Hier benötigt man unbedingt auch Soja­schrot als Eiweißergänzungsfuttermittel. Soja wird zum Großteil importiert, ist daher in gentechnikfreiem Zustand nur in geringen Mengen zu erhalten und aus Sicht der Kosten sehr teuer. Da die Beschränkung zu nationalisieren, also die Möglichkeit zur nationalstaatlichen Beschränkung zu eröffnen, würde einen wesentlichen Wettbe­werbsnachteil bringen. Unser Bestreben muss, so denke ich, in die Richtung gehen, dass wir auch da eine gesamteuropäisch einheitliche Vorgangsweise zustande brin­gen.

Eine europäisch einheitliche Vorgangsweise würde ich auch im Bereich der Tierarznei­mittel sehr begrüßen. Auch da haben wir das Problem, dass teure einzelstaatliche Zu­lassungsverfahren wettbewerbsverzerrend sind, und das führt vor allem auch dazu, dass wir die Arzneimittel für seltene Tierkrankheiten in Österreich nicht erhalten be­ziehungsweise diese nur sehr teuer zu bekommen sind.

Ein weiteres wichtiges Thema, das in diesem Bericht enthalten ist, sind Produkte von geklonten Tieren. Es gibt derzeit in Österreich keine Produkte von geklonten Tieren auf dem Markt. Das ist sehr begrüßenswert, und ich hoffe, dass es diesbezüglich seitens der EU auch in Zukunft nur sehr strenge Regelungen geben wird.

Abschließend möchte ich festhalten, dass der Bericht viele wichtige Themen enthält, die in Verhandlung und in Diskussion sind – es sind Themen, die für die Konsumenten, aber auch für die bäuerlichen Betriebe sehr wesentlich sind. Ich begrüße es daher, dass die österreichische Haltung zu vielen wichtigen Themen eine durchaus kritische ist. Unsere Fraktion wird diesen Bericht daher zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der FPÖ.)

11.32


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


11.32.10

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Zu diesem Bericht des Bundesministeriums für Gesundheit ist nun schon vie­les gesagt worden, und ich werde diesen Teil nicht wiederholen. Der Inhalt des Be­richts umfasst wesentliche Teile des täglichen Lebens und betrifft nicht nur den Konsu­menten, sondern auch die Wirtschaft. Er ist insbesondere für die Agrarwirtschaft, die Lebensmittelerzeugung und so weiter sehr bedeutend.

Der Bericht enthält wichtige Bereiche, mit denen sich der Bundesrat schon vielfach be­schäftigt hat, zum Beispiel die Bioverordnung, wozu es eine Stellungnahme vonseiten des EU-Ausschusses des Bundesrates gegeben hat. Das Ministerium hat darüber hi­naus glaubwürdig versichert beziehungsweise dargelegt, dass man versuche, den Stand­punkt Österreichs auf EU-Ebene entsprechend zu vertreten und zu verhindern, dass die jetzt vorgeschlagene Bioverordnung auf europäischer Ebene kommt. Es sieht nicht so aus, als ob es da in der näheren Zukunft zu einer Einigung kommen würde.

Ein weiterer Bereich betrifft den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen. Den Anbau betreffend haben die Länder innerhalb der EU die Möglichkeit des Opting-out. Ich halte es aber nach wie vor für problematisch, dass eine EU-weite Regelung fehlt und das auf die nationalstaatliche Ebene geschoben wurde, denn das ist problematisch für Österreich.

Ein Beispiel ist Salzburg, wo es, angrenzend an Deutschland, viele Bioflächen gibt und die Gefahr der Einkreuzungen und des kontaminierten Saatgutes bestehen. Und wenn dann die Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Nachweises nur auf den Schultern der produzierenden Biobauern liegen, halte ich das für eigentlich undurchführbar und


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 67

auch für unfinanzierbar. Eine diesbezüglich einheitliche EU-Regelung wäre also anzu­streben und sinnvoll.

Der nächste Bereich ist die Zulassung von GVOs. Diesbezüglich ist schon bemer­kenswert, dass Juncker selbst vor über einem Jahr gesagt hat, dass er die Zulassung von GVOs, so wie sie jetzt in der EU erfolgt, für undemokratisch und unwissenschaft­lich hält und es hier zu einer Revision kommen soll. Eine solche Revision ist nicht gelungen, und nun ist es im April zur Zulassung von weiteren 19 GVOs in der EU ge­kommen. Das halte ich schon für beunruhigend und bemerkenswert, denn eine Ver­besserung des Zulassungsverfahrens wäre selbstverständlich unbedingt notwendig.

Auf europäischer Ebene ist die EFSA, also die European Food Safety Authority, für die Zulassung zuständig. An dieser Organisation gab und gibt es nach wie vor viel Kri­tik aufgrund ihrer Nähe zur Lebensmittelindustrie, zu den großen Lebensmittelkonzer­nen. Es fehlen unabhängige Sicherheitsstudien im Rahmen der Zulassung, es gibt per­sonelle Verflechtungen mit den entsprechenden Lobbyverbänden, wie zum Beispiel dem International Life Sciences Institute, es fehlt an Kompetenz aus der praktischen Landwirtschaft zugunsten der großen Lebensmittelindustrie. Trotzdem war es jetzt of­fensichtlich unausweichlich, dass diese 19 GVOs bewilligt wurden und dass die EFSA in ihrer Kompetenz weiterhin bestehen bleibt.

Juncker hat jetzt eben auch für diesen Bereich in Aussicht gestellt, dass es für die Na­tionalstaaten eine Opting-out-Möglichkeit geben wird, diese also sozusagen Einfuhrver­bote betreffend GVOs verhängen können. In der Praxis erscheint mir eine solche Re­gelung ziemlich aussichtslos, denn es dürfen keine gesundheitlichen Aspekte ange­führt werden, die Einfuhrverbote müssen verhältnismäßig sein und so weiter. Die Ab­sichtsäußerung Junckers hat sofort zu einem Aufschrei seitens der USA geführt, die darin ein Handelshemmnis erblicken, das nicht akzeptabel sei.

Die Unmöglichkeit, dass die EU da einig handelt und gemeinsam zu entsprechenden Bestimmungen kommt, lässt mich die TTIP-Verhandlungen mit großer Sorge betrach­ten – denn worüber wird dann eigentlich verhandelt? –, beziehungsweise auch die Ab­sicht, im Rahmen von TTIP eine übergeordnete Regulationsbehörde zu schaffen, die dann eben entsprechende Standards und so weiter definiert. Bekommen wir dann so­zusagen eine weitere EFSA auf internationaler Basis, die eigentlich völlig von den In­teressen der großen Konzerne dominiert ist? – Das halte ich wirklich für bedrohlich, und das stimmt mich im Zusammenhang mit diesem Bericht sehr nachdenklich.

Es würde mich schon auch interessieren, wie die Ministerien – sowohl das Landwirt­schaftsministerium als auch das Gesundheitsministerium – mit der Umsetzung dieser Opting-out-Möglichkeiten für Österreich umgehen, ob da überhaupt Chancen gesehen werden und wie das dann konkret aussehen soll und aussehen wird. Man muss be­denken, dass in den USA inzwischen weit über 90 Prozent in vielen Bereichen – Soja, Mais und so weiter – Gentechnik enthalten, also über GVOs laufen.

Unter diesen bewilligten GVOs sind auch glyphosatresistente Sorten genehmigt wor­den – Glyphosat ist in diesem berühmten Roundup. Es ist also wieder zu befürchten, dass es zu einem verstärkten Einsatz von Glyphosat kommt, das krebserregend ist – diese Einstufung ist unbestritten –, dass an dieser Schraube einfach weitergedreht wird und dass es, glaube ich, für die Nationalstaaten immer schwieriger werden wird, ent­sprechende Standards einzuhalten und zu befolgen.

Das betrifft auch den Einsatz von Futtermitteln mit der fehlenden Kennzeichnungs­pflicht. Der Konsument wünscht sich, dass er, wenn er etwas kauft, weiß, ob GVOs auch in der Fütterung eingesetzt wurden. Dazu gibt es keine Regelungen, und wenn das so bleibt, öffnet das der Gentechnik Tür und Tor, und für die Biolandwirtschaft wird es immer schwieriger und praktisch eigentlich unmöglich, Gentechnikfreiheit nachzu­weisen und durchzuhalten.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 68

Nichts weiter geht also nicht nur im Bereich der Gentechnik, sondern eben auch im Be­reich von Verordnungen über neuartige Lebensmittel. Stichwort Klontiere: Auch da konnte es auf europäischer Ebene zu keinen Einigungen kommen, da bleibt einfach der Import von Fleisch und Nachkommen geklonter Tiere weiterhin erlaubt. Diese Schwäche auf europäischer Ebene finde ich besorgniserregend, weil ich glaube, dass es für Österreich zunehmend schwierig sein wird, die entsprechenden Standards auch in Zukunft zu halten.

Wir werden den Bericht aber zur Kenntnis nehmen, denn ich denke, er ist zur Kenntnis zu nehmen. Ich hoffe auch, dass vonseiten Österreichs das Ministerium weiterhin auf seinen sehr klaren Haltungen besteht und mit dem bis jetzt gezeigten Einsatz auf euro­päischer Ebene weitergearbeitet wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bun­desräten von ÖVP und SPÖ.)

11.41


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Ebner. – Bitte.

 


11.41.09

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben heute wirklich einen Großeinsatz im Bundesrat: Sie sind jetzt am Vormittag hier, und am Nachmittag werden wir Sie wieder sehen. Das freut mich sehr. (Bundesminister Hundstorfer: Das ist meine Zuneigung zu euch! – Heiterkeit.) Die spürt man förmlich, Herr Bundesminister, Ihre Zuneigung. Das ist gut so! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist gut so, denn Zuneigung können wir alle gebrauchen; Zuneigung ist uns wichtig. Ich richte auch die besten Genesungswünsche an Frau Bundesministerin Dr. Oberhau­ser!

Es geht heute um ein wichtiges Thema: Es geht um die Gesundheit. Es ist ein um­fangreicher Bericht, diese Jahresvorschau für das Jahr 2015. Es gibt viel zu tun, es ist bereits sehr viel auf dem Weg. Meine Vorredner haben auch bereits sehr viel über die Details dieses Berichts und dieser Jahresvorschau gesprochen.

Vergangene Woche gab es eine Gesundheitsreferentenkonferenz in Baden – Nieder­österreich hat ja zurzeit den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne –, und da­bei wurden sehr viele wichtige Themen im Bereich der Gesundheit besprochen und durchaus auch auf Schiene gebracht.

Ein zentrales Element der Zukunft für die Gesundheit in Österreich ist natürlich einmal das gesamte Ärztewesen. Wir haben in der vorherigen Debatte schon über das Ärzte­gesetz gesprochen. Was aber trotzdem noch wichtig ist, ist, dass wir aufgrund dieses Gesetzes ein großes Problem betreffend die Anzahl der Ärzte, die uns zur Verfügung stehen, haben. Das wird man vielleicht in Wien nicht so stark spüren, wie es wir in Nie­derösterreich spüren. In entlegenen Regionen gibt es eklatante Herausforderungen da­hin gehend, dass wir eine ärztliche Versorgung sicherstellen können.

Dazu ist es auch wichtig, die Studienplätze für Ärzte auszubauen, um dementspre­chend einen Ärztenachwuchs zu garantieren. Wir in Niederösterreich haben jetzt mit der Karl Landsteiner Privatuniversität auch einen Schritt gesetzt, um selbst in der Aus­bildung der Ärzte aktiv zu werden und genau diesem Ärztemangel entgegenzuarbeiten. Das ist ein wichtiger Punkt, der in Baden besprochen wurde.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausbildungsreform im Bereich der Pflege. Es geht auch darum, Qualität abzusichern, die bereits geleistet wird, und Ausbildungsstandards im Pflegebereich zu definieren.


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Das Dritte: Es geht um telemedizinische Beratung. Beim sogenannten TEWEB geht es darum, via Telefon beziehungsweise via Internet Informationen an Betroffene und auch an dementsprechende Interessierte weiterzugeben, um zu garantieren, dass möglichst rasch, möglichst gut und möglichst ausführlich informiert werden kann und somit auch Gefahren aus dem Weg geräumt werden können.

Wir haben in Niederösterreich den Notruf 144 beziehungsweise den Apotheker-Not­ruf 141, die bereits sehr gut angenommen werden, wo es darum geht, wirklich auch Ersthilfe zu leisten. 90 Prozent der Anrufer befolgen dies auch, nehmen somit teleme­dizinische Beratung in Anspruch und sind damit sehr zufrieden. Das heißt, auch in die­sem Segment müssen wir in Zukunft noch mehr erreichen und noch mehr arbeiten.

Der vierte Bereich, der besprochen wurde, ist das Thema Kinderrehabilitation. Die Län­der sind bereit, da etwas zu tun, die Länder sind bereit, da auch mitzuarbeiten. Jetzt geht es nur darum, die Standorte zu definieren. Wir in Niederösterreich bieten einen Standort an, den wir auch aktiv mit unterstützen. Jetzt ist das Ministerium gefordert, jetzt ist der Hauptverband gefordert, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, damit die Kinderrehabilitation auch stattfinden kann. Da geht es um unsere Kinder, da geht es um unsere Zukunft, und da ist es wichtig, denjenigen, die bereits in jungem Alter Krank­heiten ertragen müssen, zu garantieren, dass die Rehabilitation auch stattfinden kann.

Wir reden sehr viel über Krankheitsbekämpfung. Ein wesentlicher Schritt im Gesund­heitswesen muss aber die Krankheitsvorsorge, die Gesundheitsvorsorge sein. Es muss darum gehen, dass wir in Bereiche investieren, um gar nicht krank zu werden. Es muss darum gehen, die Gesundheitsvorsorge an oberste Stelle zu stellen, denn einer, der nicht krank wird, braucht keinen Arzt, und einer, der nicht krank ist, braucht keine Unterstützung aus dem Gesundheitswesen – deswegen können wir dann das Geld in andere Bereiche investieren.

Wir müssen schauen, dass wir in der Gesundheitsvorsorge aktiv etwas tun. Es passiert ja auch schon sehr, sehr viel. Es ist auch in dem Bericht einiges drinnen, es ist vorhin von Fettleibigkeit gesprochen worden, es geht um Burn-out und dergleichen mehr. Es geht darum: Wie kann ich Vorsorge treffen, um gar nicht erst krank zu werden?

Es gibt drei Säulen, die wichtig sind: Es ist die Säule der Bewegung, es ist die Säule der Ernährung, und es ist die Säule der Mentalität. Über Ernährung haben wir heute bereits sehr viel gesprochen. Da gibt es einiges, was auch in diesem Jahresvorschau­bericht drinsteht, wo es um Gentechnik geht, wo es um Lebensmittel geht. Im Hinblick auf Bewegung geht es darum, auch Gesundheit am Arbeitsplatz zu ermöglichen, auch Gesundheit durch Bewegung zu garantieren. Es geht außerdem um die mentalen Punk­te, um auch im Kopf fit zu bleiben.

Wir haben in Niederösterreich bereits einige Beispiele dafür, dass wir sehr viel in den Vorsorgebereich investieren. Wir haben da einen eigenen Bereich, der sich Initiative „Tut gut!“ nennt, wo wir unter dem Dach der niederösterreichischen Gesundheitsvor­sorge bereits 360 gesunde Gemeinden haben. Wir haben 120 Schulen, die gesunde Schulen sind. Wir haben 45 neue „tut gut“-Wanderwege geschaffen. Wir haben gesun­de Kindergärten. Wir haben das Programm „Bewegte Klasse“, woran bereits rund 250 Klassen mitarbeiten. Wir tun also in Niederösterreich schon sehr viel in diesem Be­reich, weil es uns auch wichtig ist.

„Gesunde Gemeinde“ haben wir bereits seit 20 Jahren. Engagierte Gemeindebürgerin­nen und engagierte Gemeindebürger setzen in Arbeitskreisen Projekte vor Ort um – seien es Lauftreffs, seien es gesunde Kochkurse oder Wanderungen –, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen, um über Gesundheitsvorsorge vor Ort nicht nur zu re­den, sondern sie auch dementsprechend leben zu können. Es sind rund zwei Drittel al­ler Gemeinden in Niederösterreich, die dieses Angebot bereits in Anspruch nehmen.


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In den letzten Jahren ist die Initiative „Tut gut!“ mit dem Projekt „Vitalküche“-Gemein­schaftsverpflegung gestartet. Da schauen wir, dass wir auch in diesem Segment, ge­rade was die Verpflegung betrifft, was die Lebensmittel betrifft, in den Kindergärten, in den Schulen, in den Horten gesünder und nach klaren Richtlinien leben können.

Im letzten Punkt geht es mir um die betriebliche Gesundheitsvorsorge. Es geht auch darum, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit wir gesund alt werden können. Ich war in München und habe mir bei BMW einmal das Programm „Heute für Morgen“ angeschaut, das dort sehr erfolgreich eingesetzt wurde. Da wird durch die Konzernleitung bewusst auf Vorsorge gesetzt, bewusst auf Gesundheit am Arbeitsplatz gesetzt.

Es geht darum, am Fließband nicht tagtäglich die gleichen Handgriffe zu tun. Es geht darum, den Standort von Bildschirmen zu verändern, um vielleicht bessere Arbeitsbe­dingungen zu schaffen, um – und das ist dabei das Entscheidende – am Arbeitsplatz gesund alt werden und somit auch länger im Arbeitsprozess bleiben zu können. Es sinkt dadurch die Anzahl der Krankenstandstage, es sinken Krankenstandsdauer, die Unfallhäufigkeiten und dergleichen mehr. Eine Investition in die betriebliche Gesund­heitsvorsorge ist eine Investition in die Zukunft und eine Investition für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer.

Sie sehen also, der Bereich Gesundheit ist sehr vielfältig, der Bereich Gesundheit kann sehr viel bewirken. Wir in Niederösterreich haben bereits viele Maßnahmen gesetzt. Ich lade Sie ein, nach Niederösterreich zu kommen: Schauen wir uns das gemeinsam an! Wir machen sehr, sehr viel. Der Herr Minister ist ja auch des Öfteren in Niederös­terreich, er weiß, wie gut das Gesundheitssystem in Niederösterreich, in Österreich ist.

In diesem Sinne werden wir diesen Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

11.49


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Hundstorfer. – Bitte.

 


11.50.17

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Ing. Ebner, missverstehen Sie es nicht: Ich liebe ganz Österreich. (Heiterkeit. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich weiß natürlich, München ist eine Reise wert – aber ich hätte Sie gerne ins BMW-Werk nach Steyr eingeladen, denn dort ist der Ursprung des Konzernprogramms gelegt wor­den. Dort haben wir nämlich mitbezahlt, wir machen hier eben einiges über den Ar­beitnehmerschutz.

Aber es ist toll, und die Beispiele sind richtig, das ist keine Frage. Gesundheit am Ar­beitsplatz ist ein wesentliches Thema, das ist natürlich klar. Und es ist auch klar, dass wir unter anderem, was Veränderungen betrifft, darum seit eineinhalb Jahren auch die psychische Belastung am Arbeitsplatz in unseren Arbeitnehmerschutzgesetzen ha­ben. – Das nur dazu.

Ich wollte nur ganz kurz noch eines sagen: Frau Bundesrätin Dr. Reiter, bezüglich der GVO-Angelegenheit, die Sie hier referiert haben, darf ich Ihnen mitteilen, dass wir in­nerhalb Österreichs mit dem Landwirtschaftsressort vollkommen einer Meinung sind, dass das Gesetz so – dieser Entwurf ist ja erst eine Woche alt –, wie es auf dem Tisch liegt, für Österreich nicht akzeptabel ist. Das möchte ich Ihnen – das darf ich jetzt sa­gen – namens des Gesundheitsministeriums, aber auch im Namen des Landwirtschafts­ressorts mitteilen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.51

11.51.10

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 71

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister. – Wir dürfen jetzt Herrn Bundesminister Kurz bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemei­ner Beifall.)

Herr Minister Hundstorfer, wenn Sie mit Frau Gesundheitsministerin Dr. Oberhauser Kon­takt aufnehmen: Herzliche Grüße vom Bundesrat und baldige Genesung! – Danke schön. (Bundesminister Hundstorfer – die Regierungsbank verlassend –: Bis Nachmittag!) – Bis später, ja.

Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen vor.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.52.423. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammen­arbeit auf dem Gebiet des Passwesens (293 d.B. und 493 d.B. sowie 9352/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Vertrag über die Vier­te Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) in Wien betreffend die Einfüh­rung eines internen Steuersystems (310 d.B. und 494 d.B. sowie 9353/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung der Repu­blik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Burundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Be­glaubigung (373 d.B. und 495 d.B. sowie 9354/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung über die Zu­rückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Be­seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Ar­beitnehmerschutzes von Frauen (489 d.B. und 496 d.B. sowie 9355/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köck. Ich bitte um die Berichte.

 


11.53.30

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angele­genheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 72

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich werde ihn daher nicht weiter erläutern.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Vertrag über die Vierte Änderung des Vertrags über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development in Wien betreffend die Einführung eines internen Steuer­systems.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich werde ihn deshalb nicht weiter erläutern.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Burundi zum Überein­kommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich werde ihn deshalb nicht weiter erläutern.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Erklärung über die Zu­rückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmer­schutzes von Frauen.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich werde ihn deshalb nicht weiter er­läutern.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bun­des-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte, über diese Anträge abstimmen zu lassen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke recht herzlich für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


11.56.11

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier vier Punkte – jetzt in einer ein bisschen anderen Reihenfolge genannt –: die Zusammenarbeit mit Deutschland auf dem Gebiet des Passwesens, einen Einspruch gegen den Beitritt von Burundi bezüg­lich öffentlicher Beurkundungen, die Konvention zur Beseitigung von Diskriminierung der Frauen bezüglich Arbeitnehmerschutz und schließlich eine Vertragsänderung hin­sichtlich des Sitzes des International Centre for Migration Policy Development betref-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 73

fend ein internes Steuersystem. Was diese vier Punkte miteinander zu tun haben, so­dass wir sie hier in einem debattieren, ist mir zwar schleierhaft, da wir aber den drei jetzt von mir zuerst genannten Punkten zustimmen werden, konzentriere ich mich auf den letzten Punkt. Es geht dabei um diese internationale Gesellschaft, und zwar quasi um die Legalisierung eines Zustandes, der ja schon seit Jahren existiert.

Die Mitarbeiter dieser Organisation sollen pauschal 25 Prozent Steuern zahlen, aber nicht zugunsten des österreichischen Staates, der Republik, sondern diese werden in­tern verwendet, sozusagen für eine Mitarbeiter-Urlaubs- und Sozialkasse, man könnte auch sagen, eine Art überdimensionierte Kaffeekasse. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir beschließen also wieder einmal Privilegien für eine internationale Organisation in Wien, ähnlich, wie wir das vor einiger Zeit schon für das King-Abdullah-Zentrum ge­macht haben. Worin liegt der Unterschied im gegenständlichen Fall? – Dieses ICMPD ist noch nicht in die negativen Schlagzeilen geraten. Ganz im Gegenteil, es kommt eigentlich in der öffentlichen Wahrnehmung überhaupt nicht vor, zumindest nicht in Ös­terreich.

Um welche Organisation mit ihrem Headquarter in Wien handelt es sich denn da ei­gentlich? – Wenn man sich die Homepage anschaut: Diese steht ausschließlich in eng­lischer Sprache zur Verfügung, und dann gibt es noch einige Papiere zum Download, diese sind teilweise in Französisch und seltsamerweise auch in Russisch verfügbar. Weder Frankreich noch Russland sind Mitglieder in dieser Organisation. Es gibt 15 Mit­gliedstaaten, aber die großen, maßgeblichen Staaten in Europa in Fragen der Migra­tion, über die man nicht hinwegsehen kann, beispielsweise Italien, Deutschland, Groß­britannien oder England, sind nicht Mitglieder, auch Griechenland und Malta nicht. – Na gut.

Was ist das Aufgabengebiet dieser Organisation nach Eigendefinition? – Da heißt es: Im Bewusstsein, dass die Migrationsherausforderungen nur in Zusammenarbeit mit Regierungen, Forschungseinrichtungen, internationalen Organisationen und der Zivil­gesellschaft geleistet werden können, basiert die Arbeit auf drei Säulen, nämlich For­schung, Migrationsdialog und Hilfe zur Selbsthilfe.

Da werden wirklich – auf der Homepage zumindest – alle brennenden Themen ange­schnitten: Asyl, Integration, illegale Migration und Rückführung, Grenzkontrollen und so weiter. In der aktuellen Diskussion allerdings hört man von dieser Organisation gar nichts, sie folgt also in gewisser Weise dem Beispiel der EU und der österreichischen Bundesregierung: ein bisschen reden, ein bisschen bestürzt sein und in Wirklichkeit nichts tun und die Bürger mit ihren Sorgen und Ängsten alleinlassen.

Wo bleibt denn dieser Dialog mit der Zivilgesellschaft, der eine Säule dieser Orga­nisation ist? Wie schaut denn die Realität bei uns im Land aus? Jeder, der die The­men – allen voran natürlich wir Freiheitliche – kritisch und wahrheitsgemäß anspricht, wird sofort reflexartig der Verhetzung, der Ausländerfeindlichkeit und der Panikmache beschuldigt. Man verkennt dabei allerdings, dass die Menschen in unserem Land das schon längst nicht mehr glauben und einen ganz anderen Blick auf die Realität haben.

Die Menschen hören in den Medien immer wieder von den armen – richtigerweise ar­men – syrischen Familien, die dem Krieg entfliehen wollen, aber sie sehen dann im ORF – beispielsweise in der ZIB am Wochenende – Bilder von überfüllten Flüchtlings­booten, die fast ausschließlich mit jungen männlichen Schwarzafrikanern besetzt sind. Sie lesen fast täglich von Drogenkriminalität und Bandenkriegen innerhalb von Asyl­werber-Gruppen – meistens handelt es sich dabei um Tschetschenen, Afghanen und Schwarzafrikaner, vornehmlich auch Nigerianer –, und sie haben Angst und ein Gefühl der Unsicherheit.

Einige steirische Beispiele: Im Jahr 2014 gab es 1 016 Asylwerber als ausgeforschte Straftäter. Jeder vierte steirische Asylwerber, also nicht steirische Asylwerber, sondern


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in der Steiermark aufhältige Asylwerber, war in diesem Jahr Tatverdächtiger. (Heiter­keit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Innerhalb der vergangenen zwei Jahre gab es – ebenfalls in der Steiermark – 200 Polizeieinsätze in Asylheimen.

Die Menschen hören ständig, dass gespart werden muss, bei der Pflege, bei den Kran­kenhäusern, bei den Schulen, bei der Polizei, und sie haben dann wenig Verständnis, wenn sie von Asylbetrug lesen oder davon, dass im Schubhaftzentrum Vordernberg, das monatlich über 800 000 € an Kosten verschlingt, gerade einmal ein Schubhäftling einsitzt, weil die Bundesregierung offensichtlich nicht in der Lage war, ein verfassungs­mäßig wasserdichtes Gesetz zu machen. Die Asylbetreuung in der Steiermark kostet 27 Millionen € jährlich. Und das alles geschieht aber nicht nur zu Lasten der heimi­schen Bevölkerung, sondern auch zu Lasten jener Flüchtlinge – und da sind wir wieder bei den syrischen Familien –, die wirklich Asyl verdient hätten, die man aber in der Pra­xis mit der Stecknadel suchen muss.

Da gäbe es viel zu tun für diese Organisation. Sie könnte beispielsweise versuchen, das australische Modell für Europa zu adaptieren oder anzuwenden, denn dort gibt es mittlerweile keine humanitären Katastrophen mehr auf hoher See; in der Vergangen­heit gab es die sehr wohl. Dort wurde das Problem mit Abkommen mit den Staaten Nauru und Papua-Neuguinea gelöst, es wurden Verträge mit diesen Ländern abge­schlossen; die Anlaufstellen für Asylanten sind dort, und dort werden die Asylanträge gestellt.

Von einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU sind wir meilenweit entfernt. All das wären Tätigkeiten für diese Organisation, aber einer Einräumung von Privilegien für einen Papiertiger, der offensichtlich nichts anderes tut, als warme Luft zu produzieren, werden wir unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.05


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Köberl. – Bitte.

 


12.05.59

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Kurz! Meine geschätzten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich zu meinem Vorredner, zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Krusche nichts sagen (Zwischenrufe der Bundesräte Krusche und Mühlwerth), weil wir in drei Punkten übereinstimmen, auch im vierten Punkt, bei dem es um die Geschichte geht, die erläutert wurde – darauf werde ich auch noch eingehen. Ich bin aber schon ein bisschen verwundert darüber, dass hier vom Rednerpult aus davon gesprochen wird, dass man hier sorgsam mit dem Thema Asyl – auch in der Wortwahl – umgehen soll, denn darum bemühen wir uns alle.

Wenn ich an das Pamphlet „Wir Steirer“ denke, das dieser Tage in die Haushalte der Steiermark geflattert ist, muss ich sagen, ich halte das für wirklich entbehrlich. In der Art und Weise, wie da das Thema Asyl bildlich und wörtlich dargestellt wird, bei all den Problemen, die es gibt, sage ich: Wehret den Anfängen der Radikalisierung des Wor­tes! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. Zwischenruf des Bundesrates Krusche.)

Geschätzter Herr Bundesminister! Ich möchte doch auch auf die vier Punkte kurz ein­gehen, obwohl es dazu im Ausschuss Einstimmigkeit beziehungsweise große Zustim­mung gegeben hat.

Zuerst komme ich zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundes­republik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens. Mit diesem Abkommen zwischen Österreich und Deutschland wird die Beantragung eines Reisepasses für unsere Österreicherinnen und Österreicher, die in Deutschland leben, einfacher. Bisher war es notwendig, für die persönliche Datenerfassung und die Erfas-


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sung der biometrischen Merkmale bei einer lokalen österreichischen Passbehörde – das sind eben nur die österreichische Botschaft in Berlin und das österreichische Ge­neralkonsulat in München – vorzusprechen beziehungsweise persönlich anwesend zu sein. In Zukunft wird es möglich sein, dass diese Identitätsfeststellung auch bei einer örtlichen deutschen Behörde durchgeführt wird. Das ist für die rund 240 000 Österrei­cherinnen und Österreicher, die in Deutschland leben, eine wesentliche Zeitersparnis und auch eine Wegersparnis, weil diese Daten künftig vor Ort erfasst werden können.

Natürlich gilt das auch für jene Deutschen, die in Österreich leben; sie können diese Da­ten künftig bei lokalen österreichischen Behörden erfassen lassen.

Wie viele waren das in den letzten Jahren? Es sind rund 7 000 pro Jahr, die solch ei­nen Passantrag stellen.

Dazu gab es einstimmige Zustimmung, und ich denke, das ist eine sinnvolle Verbes­serung.

Tagesordnungspunkt 4 wurde vom Kollegen Krusche auch schon erläutert. In Wirklich­keit geht es darum, dass das ICMPD seit 2007 ein Büro in Brüssel unterhält, wo es vor allem um die Kontakte zu den europäischen Institutionen geht, und dass auf belgi­schen Wunsch dafür ein internes Steuersystem eingeführt wurde, wofür man einen völ­kerrechtlichen Vertrag beziehungsweise ein völkerrechtliches Abkommen braucht. Die Vorgangsweise ist schon seit dem Jahr 2008 gängige Praxis, das heißt, hier wird etwas nachgeholt, was in der Praxis bereits der Fall ist.

Zu Tagesordnungspunkt 5 gab es auch keine große Diskussion im Ausschuss: Erklä­rung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Bu­rundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Das ist jetzt das Zweite, das wir innerhalb kurzer Zeit beschließen, vor einigen Monaten hatten wir auch so etwas auf der Tagesordnung.

Das im Rahmen der Haager Konvention für internationales Privatrecht 1961 angenom­mene Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Be­glaubigung ist in Österreich seit 1968 in Kraft, das wissen wir, und es sind rund 106 weitere Staaten bei diesem Abkommen dabei. Die praktische Voraussetzung für die Erleichterung im Beglaubigungswesen durch das Haager Beglaubigungsüberein­kommen stellt die Urkundensicherheit dar – das heißt, diese Urkunden müssen echt und sicher sein –, und die ist eben nach Information der zuständigen österreichischen Botschaft in Nairobi in der Republik Burundi nicht gegeben. Das ist der Grund, warum wir Einspruch erheben. Es soll verhindert werden, dass das generell übernommen wird, es soll auch im Einzelfall geprüft werden können. Ich denke, das ist gut so.

Tagesordnungspunkt 6 betrifft die Erklärung über die Zurückziehung des österreichi­schen Vorbehalts zu Artikel 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskri­minierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen. Österreich hatte hier drei Vorbehalte:

Der erste Vorbehalt wurde – wie sich manche erinnern können – bereits im Jahre 2000 zurückgezogen, dabei ist es um die Ausübung von Militärdiensten gegangen.

Der zweite Vorbehalt wurde im Jahre 2006 zurückgezogen, dabei ging es um das The­ma Nachtarbeit.

Zum verbliebenen letzten Vorbehalt – ich habe mir das durchgelesen –: Artikel 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau enthält ein Gebot zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau auf dem Arbeitsmarkt. Hier geht es vor allem um die Bleiexposition von mehr als 0,02 mg/m³ sowie das Verbot der Beschäfti­gung mit Arbeiten mit besonderer physischer Belastung.


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Im Zuge der österreichischen Staatenprüfung vor dem Komitee im Februar 2013 wurde Österreich aufgefordert, den noch bestehenden Vorbehalt zurückzuziehen, da das an­gestrebte Schutzniveau bereits voll gewährleistet wird. Das heißt, wir führen hier etwas durch, wofür es auch eine fachliche Empfehlung gibt.

Daher werden wir seitens der Österreichischen Volkspartei allen vier Punkten unsere Zustimmung erteilen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.12


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


12.13.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn auf der Rednerliste dieses „c“ von „contra“ steht, dann ist das natürlich immer relativ, wenn man vier Tagesordnungs­punkte bespricht, weil es in diesem Fall nur zu einem Viertel „c“ ist, und das aber auch nur mit einer hauchdünnen Geschichte.

Wir stimmen den ersten drei Punkten natürlich zu. Bei dem Punkt, bei dem es um die Schutzmechanismen für Menschen, die mit Blei arbeiten, geht, war einer der Gedan­ken, die bei uns im Klub aufgetaucht sind: Na ja, wenn man gleichstellt – was wir richtig finden –, dann muss man ja nicht sozusagen die Frauen runterstufen und sie mit den Männern auf einer schwächeren Ebene gleichstellen, sondern man hätte das auch an­dersherum machen können; das ist nur als Denkanstoß gedacht. Es ist nur eine Klei­nigkeit, und ich will darauf jetzt auch nicht so intensiv eingehen.

Ich möchte, wie es auch die Freiheitliche Partei gemacht hat, vor allem auf den Punkt eingehen, bei dem es um den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development geht, denn es ist aktuell und akut eines der größten Themen überhaupt auf globaler Ebene: Wie entstehen Migrationsströme? Was sind die Ursachen für Mi­grationsströme? Warum fliehen Menschen? Warum gehen Menschen woanders hin, auch wenn sie nicht fliehen? – Das zu erforschen, das zu wissen, ist erstens einmal historisch interessant, weil es das immer gab; in der gesamten Menschheitsgeschichte hat es nie keine Wanderungen gegeben. Zweitens ist es für uns auch interessant, da wir jetzt in einer Welt leben, in der nationale Grenzen nun einmal existieren, und zwar in einer anderen Form als noch im 17. oder 18. Jahrhundert, da kannte man das in der Form gar nicht. Daher sind wir natürlich in einer besonderen Art und Weise gefordert.

Wir gedenken dieser Tage auch, dass wir 70 Jahre Befreiung erleben, und wir haben in diesem Zusammenhang auch der Zeit von 1938 bis 1945 gedacht. Man sollte sich daran erinnern und darüber nachdenken, dass es 1939 für Juden und Jüdinnen kaum noch eine Möglichkeit gab, irgendwo eine Aufenthaltsgenehmigung oder Asyl zu be­kommen, weil auch damals sehr viele Länder gesagt haben: Das Boot ist voll! Nur noch Shanghai hat 1939 Juden die Einreise ermöglicht.

Wir sollten heute – 2015 – die entsprechenden Schlüsse ziehen (Bundesrätin Mühl­werth: Asyl und Migration sind zwei unterschiedliche Dinge!), und die Menschen, die fliehen – ich rede von Syrien und ich rede von Menschen, die vor dem Islamischen Staat fliehen, und ich rede von somalischen Flüchtlingen, die vor den Al-Shabaab-Ter­rormilizen fliehen, und, und, und ... (Bundesrätin Mühlwerth – mit ironischer Heiter­keit –: Es fliehen aber nicht alle vor dem Islamischen Staat!) – Ja, darüber können Sie lachen, dass Menschen fliehen, und das abtun, Frau Kollegin Mühlwerth von der Frei­heitlichen Partei. (Bundesrätin Mühlwerth: Tun Sie sich jetzt nicht irgendwas einbilden, was gar nicht stimmt!) Sie wären auch diejenigen, die wahrscheinlich, wenn irgendwo Juden verfolgt würden, gesagt hätten: Das Boot ist voll, die Grenzen schließen!, weil Sie so denken. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)


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Seit Herbst 2014 gibt es kein Mare Nostrum mehr, und das kritisieren wir heftig. Allein in diesem Jahr, und das Jahr ist noch nicht einmal zur Hälfte um, haben die Kata­strophen im Mittelmeer 1 200 Menschenleben gekostet. Die Antwort der Europäischen Union ist nicht, die Menschen zu retten und die Seemeilengrenze wieder auszuweiten, sondern schon wieder knapp 30 Seemeilen vor der italienischen Küste Schluss damit zu machen. Was, wenn dieses Schiff knapp vor der libyschen Küste in Seenot gerät? – Das ist das große Thema, das müssen wir besprechen. Man kann nicht still dasitzen und sagen: Ja da kann man nichts machen! – Das haben 1938 genug Staaten ge­macht, und genau deswegen müssen wir hier aktiv werden.

Wenn man hört, dass in Nordafrika Flüchtlingszentren gebaut werden sollten – etwas, das von sehr vielen als eine der Patentlösungen wahrgenommen wird –, dann möge man sich bitte die politischen Realitäten in diesen Staaten anschauen, wie etwa in Li­byen, das derzeit ein Failed State ist, das muss man leider so sagen. (Bundesrat Kru­sche: Wer ist schuld?)

Das muss man auch über Ägypten sagen, das es nicht geschafft hat, nach der Revolu­tion eine Verfassung zustande zu bringen, in der sich alle wiederfinden, sondern wo es einen derartigen Konflikt zwischen der Muslimbruderschaft und säkularen Kräften und dem Militär gab, dass zuerst die einen das Sagen hatten und jetzt die anderen, und die es nicht schaffen, miteinander eine demokratische Verfassung zustande zu bringen. Dort sollen wir Schutz und Sicherheit bieten? – Ich glaube das nicht.

Tunesien ist ein Land, das erst um seine Stabilität ringt, und in Syrien kann man derzeit wohl keine Flüchtlingszentren bauen.

Sie haben gerade heute die neuen Zahlen bekommen – jetzt habe ich sie vergessen, auf meinem Tisch liegen lassen –, Sie können es nachlesen: So viele Binnenflüchtlinge wie jetzt hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Das betrifft vor allem Syrien. 38 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge – jetzt, nicht gestern, nicht vorgestern, jetzt! Und die haben keine Hilfe.

Wenn Menschen im Mittelmeer sterben, dann muss man etwas tun, und zwar sofort – nicht morgen, nicht übermorgen, sondern jetzt! Was man jetzt machen kann, ist, Mare Nostrum wieder auszuweiten, Mare Nostrum wieder ins Leben zu bringen, um im ge­samten Mittelmeer Menschenleben zu retten. Das ist das Akute. Und nachhaltig? – Nachhaltig hat sich Dublin als Irrtum erwiesen. Es muss wieder die Möglichkeit geben, innerhalb der Länder, aus denen Menschen fliehen wollen, in den Botschaften Asyl­anträge zu stellen. Es muss wieder die Möglichkeit geben, dass die Menschen, die die­se Hilfe brauchen, eine Reise organisiert bekommen. Das wäre auch die Möglichkeit, den Schleppern, die mit havarierenden, viel zu vollen Booten über das Mittelmeer tu­ckern, die Grundlage zu entziehen. (Bundesrat Dörfler: Grundlage wäre, wenn es kei­ne Konflikte gäbe!)

Meine Damen und Herren! In zwei Wochen steht Österreich mit dem Slogan „Building Bridges“ im Mittelpunkt der Weltaufmerksamkeit. Europa sollte tatsächlich Brücken bauen zu den Menschen, die Hilfe suchen, und nicht nach dem Motto handeln: Building Walls rund um Europa. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.20


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.20.30

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa predsednica! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kole-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 78

gice, drage kolegi! Ich möchte bei diesem Block zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 6 speziell auf Tagesordnungspunkt 6 eingehen, möchte aber auch kurz erwähnen, wa­rum wir den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 zustimmen werden.

Bei Tagesordnungspunkt 3 geht es um ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Bundesrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens. Wir werden dem zustimmen, weil dieses Abkommen die rechtliche Grundlage für eine engere wechselseitige Zusammenarbeit im Passwesen schafft.

Bei Tagesordnungspunkt 4 werden wir zustimmen, weil das Ziel des in Wien angesie­delten Zentrums die informellen Konsultationen und den Austausch von Expertise in den Bereichen Migration und Asyl unterstützt. Ich bitte, liebe Kollegen und Kolleginnen, versuchen wir nicht, mit Migranten und Migrantinnen, mit Asylwerbern und Asylwer­berinnen Hetze zu betreiben!

Zu Tagesordnungspunkt 5: Dabei geht es um die Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Burundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung. Auch diesbezüg­lich werden wir zustimmen, weil durch einen Einspruch gegen den Beitritt Burundis verhindert werden soll, dass das Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung vom 5. Oktober 1961 im Verhältnis zu Öster­reich anzuwenden ist.

Nun zu Tagesordnungspunkt 6, der Erklärung über die Zurückziehung des österreichi­schen Vorbehalts zu Artikel 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskri­minierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen: Es ist der dritte Vorbehalt, den wir heute zurücknehmen.

Den ersten Vorbehalt zu Artikel 7 lit. b. der Konvention konnte Österreich bereits am 11. September 2000 zurücknehmen, nach der Einführung des Bundesgesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer.

Der zweite Vorbehalt, der sich auf Teile des Artikels 11 der Konvention bezogen hat­te – dabei ging es um die Nachtarbeit von Frauen –, konnte am 14. September 2006 zurückgezogen werden.

Damit blieb nur noch der Vorbehalt zu Artikel 11 der Konvention hinsichtlich des be­sonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen übrig, den wir heute zurücknehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Komitee, und zwar das Committee on the Elimi­nation of Discrimination against Women, ist dazu berufen – und das ist ein wichtiges Instrument in der Gleichstellungspolitik! –, die Umsetzung der Konvention zur Beseiti­gung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu überprüfen. Österreich ist seit dem 1.1.2015 in diesem Komitee durch Frau Dr. Lilian Hofmeister vertreten.

Dieses Komitee erstellt alle vier Jahre einen Länderbericht, den die Mitglieder sehr ernst nehmen. Bei der Staatenüberprüfung im Februar 2013 forderte dieses Komitee Österreich auf, den Vorbehalt zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen zurückzuziehen, und zwar deswegen, weil das von Österreich angestrebte Schutzniveau schon gewährleis­tet ist. Dies soll durch die beiliegende Erklärung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen als Depositär der Konvention geschehen.

Durch das Zurückziehen des Vorbehalts entstehen keine zusätzlichen finanziellen Auf­wendungen, da lediglich die völkerrechtlichen Verpflichtungen an eine ohnehin schon bestehende Rechtslage angeglichen werden.

Was enthält dieser Artikel 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi­nierung der Frau? – Es geht dabei um ein Gebot zur Beseitigung der Diskriminierung


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 79

der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, wobei eine differenzierte Behandlung nur aus Schutz­gründen im Falle der Mutterschaft zugelassen ist. Das österreichische ArbeitnehmerIn­nenschutzgesetz enthält zwei Beschäftigungsverbote beziehungsweise zwei Beschäfti­gungsbeschränkungen zum Schutz von Frauen, das ist erstens das Verbot der Be­schäftigung von Arbeitnehmerinnen bei einer bestimmten Bleiexposition sowie unter besonderer physischer Belastung.

Eine Überprüfung des Zentralarbeitsinspektorates ergab, dass diese beiden Beschäfti­gungsverbote und -beschränkungen unter anderem aufgrund des technischen Fort­schrittes nicht mehr erforderlich sind. Deswegen zieht Österreich seinen Vorbehalt ge­gen die Konvention zurück, und wir werden selbstverständlich zustimmen.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort. – Bundes­rätin Mühlwerth: Das ist jetzt aber eine halbe slowenische Rede, das muss nicht sein, bei allem Verständnis! – Vizepräsidentin Posch-Gruska: Halb war sie nicht! Es war länger als sonst, aber keine halbe Rede! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist zu lang! – Bundesrätin Kurz: Wer sagt, dass das zu lang ist ? – Bundesrätin Mühlwerth: An­fang und Schluss, so hast du begonnen, aber es wird immer mehr!) – Das, was ich will, ist, etwas bewusst machen – nicht polarisieren, liebe Monika!

Noch einmal: Ich bin sehr dankbar dafür, dass es einen einstimmigen Beschluss gibt, dass ich das machen darf, das ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Ich habe sonst immer zu einem Tagesordnungspunkt gesprochen, jetzt aber zu vier Tagesordnungs­punkten, deswegen sei es mir bitte erlaubt, dass ich vielleicht einen oder zwei Sätze mehr in meiner Muttersprache spreche. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich möchte aber noch etwas als Kärntnerin sagen und bitte um Verzeihung, dass ich das noch anschließe: Ihr wisst – und diesbezüglich möchte ich mich bei Johanna recht herzlich für die Solidaritätsbekundung für Kärnten bedanken –, dass Kärnten in einer sehr schwierigen Lage ist, in einer wirklich bedrohlichen Finanzlage. Um die Liquidität von Kärnten zu sichern, um den Kärntnern und Kärntnerinnen wirklich Perspektive, Si­cherheit und Zukunft zu geben, bitte ich um eure Solidarität mit dem Bundesland Kärn­ten. – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Kurz. – Bitte.

 


12.29.10

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich darf mit Tages­ordnungspunkt 4 beginnen, weil dieser zum einen in der Diskussion am öftesten ange­sprochen worden ist und zum anderen auch im Nationalrat für viel Emotion gesorgt hat. Es geht dabei um das ICMPD, eine internationale Organisation, die sich mit Migrations­fragen auseinandersetzt.

Unabhängig davon, wie man inhaltlich zum Thema Migration steht – ob man Migration als etwas Positives oder Negatives sieht, als Notwendigkeit oder nicht –, ist es aus meiner Sicht entscheidend, das möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass die An­siedlung von internationalen Organisationen in Österreich etwas hoffentlich Unstrittiges sein sollte, nämlich etwas unstrittig Positives.

Wir haben mittlerweile 37 internationale Organisationen in Österreich, die uns einen Ge­winn von 10 000 Arbeitsplätzen beschert haben und rund 500 Millionen € Umwegrenta­bilität pro Jahr bringen. (Präsidentin Zwazl übernimmt wieder den Vorsitz.)

Insofern freue ich mich über die Zustimmung zu diesem Tagesordnungspunkt. Es ist meiner Meinung nach entscheidend, dass Österreich ein weltoffenes Land ist, insbe-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 80

sondere dann, wenn es um internationale Organisationen geht – nicht nur, weil es poli­tisch für uns interessant ist, sondern vor allem auch, weil es uns wirtschaftlich einen Mehrwert bringt.

Das zweite Thema, das ich gerne ansprechen möchte, ist das Flüchtlingsdrama, das ja von grüner und blauer Seite in unterschiedlicher Art und Weise thematisiert wurde. Ich glaube, dass es absolut richtig ist, wenn es hier Emotion gibt. Wenn Tausende Men­schen im Mittelmeer ihr Leben verlieren, dann ist das falsch, und es wäre meiner Mei­nung nach unverständlich, wenn man das einfach so hinnehmen würde.

Zugleich ist es aber notwendig, die richtigen Lösungsansätze zu wählen. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass die Rettung zunächst einmal Priorität haben muss. Wenn Menschen im Mittelmeer zu ertrinken drohen, dann ist Rettung die einzige Sofortant­wort, die wir geben sollten.

Wenn wir das Thema mittel- und langfristig in den Griff bekommen wollen, ist aber Ret­tung allein zu wenig. Es braucht genauso den Kampf gegen die Schlepper, die Ver­brecher sind. Wenn die Europäische Union völlig zu Recht mit einer GSVP-Mission ge­gen Piraterie vorgeht, dann ist es meiner Meinung nach genauso notwendig, gegen die Schlepper vorzugehen.

Die Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrunken sind, haben zuvor bis zu 7 000 € für die angebliche Überfahrt bezahlt. Ich glaube, dass es bei den Schleppern relativ wenig Emotion ausgelöst hat, dass die Flüchtlinge nicht an ihrem Ziel angekommen sind. Schlepperei ist ein Verbrechen und gehört bekämpft, wenn wir es mit den Flüchtlingen ernsthaft gut meinen.

Darüber hinaus gibt es eine Diskussion zur Frage, ob es Zentren in Afrika geben soll. Aus meiner Sicht ist das leicht zu beantworten: Ja, aus zwei Gründen. Zum ersten, weil wir ja selbst – nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern, die viele Flüchtlinge aufnehmen – schon längst bemerkt haben, dass es sehr schwierig ist, so viele Verfahren durchzuführen, von denen ganz viele gar keine Chance auf Asyl haben.

Insofern ist eine Erstabklärung noch vor Ort, bei der festgestellt wird: Gibt es überhaupt eine Chance auf Asyl oder nicht?, ein wesentlicher Schritt, nicht nur, um mehr Fairness in das System zu bringen, sondern auch, um denen, die wirklich einen Asylanspruch, einen Asylgrund haben, auch eine sichere Überfahrt über das Mittelmeer gewährleisten zu können.

Der zweite Grund ist mindestens genauso wichtig: Wir müssen es meiner Meinung nach mittelfristig schaffen, die Rettung zu entkoppeln von der Frage: Gibt es ein Ticket nach Europa oder nicht? Wenn uns das nicht gelingt, dann wird es immer Schlepper geben, die auf immer instabileren Booten Menschen in die Todesfahrten stürzen, weil ihnen gleich ist, ob diese die Überfahrt überleben oder nicht.

Es wird immer Menschen geben, die auch dann, wenn die Hoffnung, es zu schaffen, noch so gering ist, diese Gefahr in Kauf nehmen und eine Überfahrt nach Europa ver­suchen.

Insofern glaube ich, dass die Entkoppelung der Rettung vom Ticket nach Europa ein ganz wesentlicher Schritt ist, um mittelfristig den Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen, und dafür braucht es selbstverständlich Strukturen in Afrika, in die die Flüchtlinge zurückgebracht werden können, nachdem sie gerettet wurden.

Langfristig ist es aber, denke ich, unser aller Aufgabe, auch einen Beitrag dazu zu leis­ten, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern und in den Transitländern zu ver­bessern. Das geht einerseits im Rahmen der Außen-, aber teilweise auch über Militär­aktionen im Kampf gegen IS-Terror und andere Phänomene, die einfach unfassbares


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 81

Leid anrichten und unzählige Menschen dazu nötigen, ihre Länder zu verlassen. Das geht aber sicherlich auch durch Aufstockungen im Bereich der Entwicklungszusam­menarbeit und des Auslandskatastrophenfonds, um Leid vor Ort zu lindern und auch langfristig einen Beitrag zu leisten, um die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern, damit der Migrationsdruck in Summe geringer wird.

Zusammengefasst: Kurzfristig, keine Frage, ist die Rettung die notwendige Antwort. Lang­fristig braucht es meiner Meinung nach wesentlich mehr als nur die bloße Rettung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

12.35

12.35.10

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden der vorliegenden Beschlüsse ge­trennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bun­desrepublik Deutschland über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Passwesens.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend Vertrag über die Vierte Änderung des Vertrages über die Gründung und den Betrieb des International Centre for Migration Policy Development in Wien betreffend die Einführung eines internen Steuersystems.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit und (Rufe bei der FPÖ: Nein! – Bundesrätin Mühlwerth: Wir haben nicht aufgezeigt!) – Gut, dann ist es die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Ap­ril 2015 betreffend Erklärung der Republik Österreich über den Einspruch gegen den Beitritt der Republik Burundi zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffent­licher Urkunden von der Beglaubigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist jetzt die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Ap­ril 2015 betreffend Erklärung über die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 11 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hinsichtlich des besonderen Arbeitnehmerschutzes von Frauen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungsberei­che der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Absatz 2 Ziffer 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 82

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.38.397. Punkt

EU-Arbeitsprogramm 2015; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres (III-546-BR/2015 d.B. sowie 9356/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köck. Bitte um den Bericht.

 


12.38.51

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2015; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 den Antrag, das EU-Arbeitsprogramm 2015; Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte, darüber abstimmen zu lassen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


12.39.32

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Ich möchte mich an dieser Stelle für den Bericht bedanken. Der Bericht ist übersichtlich, umfassend – wie eigentlich immer – und sehr detailliert, also herzlichen Dank für die Erstellung. Sie wissen ja, wir nehmen ihn dann meistens trotz­dem nicht zur Kenntnis, und zwar nicht, weil der Bericht schlecht wäre, sondern weil wir in der politischen Bewertung doch in vielen Fällen andere Ansichten haben und es ja nur die Möglichkeit zur Kenntnisnahme gibt: Ja oder Nein. Und wir wollen eben un­ser Missfallen nicht nur am Rednerpult, sondern auch in der Abstimmung zum Aus­druck bringen.

Was uns auch im Zuge der Erörterung des Außenpolitischen Berichts dieser Tage in Besonderem beschäftigt, wie das ja schon angesprochen worden ist, sind natürlich diese Tragödien im Mittelmeer. Danke, Herr Minister! Ich finde es wirklich schade, dass Kollege Schreuder, der hier seine Betroffenheitsrede abgeliefert hat, danach ent­schwunden ist und Ihnen nicht zugehört hat. Danke, dass Sie unseren Vorschlag die­ser Erstaufnahmezentren in Nordafrika so wohlwollend aufgenommen haben. Wir wer­den sehen, was in weiterer Folge geschieht. Dass Menschen ertrinken, weil sie auf der Flucht sind, aus welchen Gründen auch immer, das kann niemanden kalt lassen. Das macht uns alle betroffen, wobei das übrigens in der Vergangenheit auch schon statt­gefunden hat. Komischerweise war die Betroffenheit da gar nicht so groß, aber offen­sichtlich hängt es auch von der Zahl ab, sodass man jetzt auf einmal ganz betroffen ist, wenn es 900 an einem Tag sind.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 83

Leider wird dann in der Diskussion immer Asyl und Auswanderung vermischt. (Bundes­rätin Kurz: Von wem? – Bundesrat Schennach: Ihr seid wahre Meister darin!) Selbst­verständlich sollen, und das haben wir immer betont, jene, die aus welchen Gründen auch immer verfolgt sind, Asyl bekommen, und wir haben die aufzunehmen. Das ha­ben wir überhaupt nie bestritten. Wir haben aber nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren das Problem, dass viele, die unter dem Titel Asyl herkommen, sich in Wirk­lichkeit aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen. Und vielleicht helfen Ihnen da ein paar Zahlen weiter: In den Jahren 2004 bis 2013 sind insgesamt 161 000 Asyl­anträge gestellt worden, aber nur 39 000 sind positiv beschieden worden. Das heißt, nur rund ein Viertel ist positiv beschieden worden, der Rest ist abgelehnt worden. Das hat Gründe! Es haben unabhängige Experten entschieden, ob ein Asylgrund besteht oder nicht.

Die Menschen, vor allem die aus Afrika, gehen oft aus ganz anderen Gründen weg. Mein Kollege Krusche hat das ja schon gesagt. Kollege Schreuder hat ihm unterstellt, und Kollege Schennach hat das ja auch schon einmal versucht, dass das irgendwie hasserfüllt und so richtig gemein gewesen sei. Das war es aber nicht. Ja, wir sprechen diese Dinge offen an, wir verstecken uns nicht hinter irgendetwas und tun so, als ob wir allen helfen wollten, und machen das dann in Wirklichkeit nicht. Wir sagen eben, was Sache ist. Diese Bootsflüchtlinge sind vorwiegend Schwarzafrikaner gewesen, junge Männer, kaum Frauen, ganz wenig Kinder.

Ja, ich verstehe sie ja, wenn sie dem Elend in ihrem Land entfliehen wollen, das zum Teil im Kriegschaos versinkt, in dem islamistische Terrormilizen die Leute jagen, in dem aus ökonomischen, ökologischen und Klimaschutzgründen die Menschen keine Zukunft mehr sehen. Das verstehe ich aus deren Sicht ja durchaus, aber es ist eben so, dass Europa nicht die ganze Welt retten kann. Und wir müssen das Problem dort lösen, wo es entsteht.

Warum gibt es ökologische und ökonomische Krisen in Afrika? – Weil wir dort seit Jah­ren Despoten haben, die die eigene Bevölkerung verfolgen und die es auch zulassen, dass ihr Land ausgebeutet wird. Da kann sich Europa schon auch bei der eigenen Na­se nehmen, denn da mischen schon auch die ehemaligen Kolonialmächte mit, dazu kommen die Russen, die Chinesen, die Amerikaner, wenn es darum geht, zum Beispiel seltene Metalle abzubauen, die wichtig sind für die Handyindustrie, und so weiter. Da mischen die alle mit, haben aber kein schlechtes Gewissen. Bei irgendwelchen Krisen­gipfeln setzen die dann aber ihr Betroffenheitsgesicht auf und sagen, man muss diesen armen Menschen helfen, anstatt dort einmal dafür zu sorgen, dass die Menschen dort auch eine Lebenschance vorfinden, eine gute Lebenschance.

Das ist wirklich eine heuchlerische Art der Betrachtung, wobei Sie das alles offensicht­lich richtig finden. Wenn wir sagen, dass es so ist, dann sind auf einmal wir die Bösen. Vielleicht überlegen Sie einmal bei sich, ob Sie nicht vielleicht auch so ein bisschen reflexartig vorurteilsbehaftet sind, wenn es um die Bewertung einer Sache geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Jedenfalls geht es den Menschen heute dort zum Teil schlechter als zu Kolonialzeiten, wobei ich der Kolonialzeit jetzt nicht das Wort reden möchte, aber es geht ihnen je­denfalls nicht besser. Und wir haben das schon einmal bei der Entwicklungshilfe dis­kutiert. Ich bin hier an diesem Rednerpult gestanden und habe gesagt, wir lehnen die Entwicklungshilfe ab, aber nicht, weil wir generell gegen Entwicklungshilfe sind, son­dern, weil sie unserer Meinung nach in die völlig falschen Kanäle fließt. Sie kommt je­denfalls in den allerwenigsten Fällen – es gibt immer ein paar Ausnahmen, das sind so die Ausreißer, aber das sind wirklich nur ganz kleine – bei den Menschen an, die sie brauchen würden. Und die wollen Sie jetzt aufstocken; das ist jetzt ein guter Motor. Nein! Ich sage Ihnen, wenn das kommt, werden wir wieder dagegen sein, weil – noch


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 84

einmal – wir glauben, dass die Entwicklungshilfe in die falschen Kanäle fließt. Und bei Ihnen habe ich auch manchmal das Gefühl, dass Sie nur Ihr schlechtes Gewissen freikaufen wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Kurz.) – Ja, das ist so.

5 000 Dollar, ich habe auch schon Meldungen in den Zeitungen gelesen, wo von 10 000 Dollar die Rede war, zahlt jeder Bootsflüchtling dafür, dass er dann in einem lecken Kahn übers Meer getrieben wird. Ich frage mich da schon, wo das Geld dafür herkommt. Ich weiß, Sie sagen immer, das Dorf zahlt da zusammen. Aber diese armen Leute da unten? Ich frage mich: Wo kommen diese 5 000 Dollar her? Ob da nicht viel­leicht auch irgendeine Industrie dahintersteckt, die durchaus Interesse daran hat. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber es darf einen schon wundern, wenn 5 000 Dol­lar von den Ärmsten aufgebracht werden, um eine Überfahrt zu bezahlen.

Und sie machen sich natürlich auf nach Europa, um hier am Wohlstand teilzuhaben. Im Zuge dieser Tragödien heißt es jetzt, wir müssen einen neuen Verteilungsschlüssel be­kommen. Österreich nimmt sowieso viel mehr auf als alle anderen. In einer Zeitung war abgebildet, wie der neue Verteilungsschlüssel ausschauen soll, also wer zu wenig auf­nimmt und mehr aufnehmen soll und so weiter. Darunter waren Länder wie Spanien. Ich denke immer: Spanien, wie wollen die das machen? Spanien kämpft immer noch mit den Folgen der Krise. Spanien hat eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Pro­zent, und die müssen jetzt nach dem neuen Verteilungsschlüssel – nageln Sie mich jetzt nicht auf die Ziffer fest – doppelt so viele aufnehmen.

Rumänien, Bulgarien sind auch europäische Länder. Die kämpfen auch mit dem eige­nen Elend. Die sollten nach dem neuen Schlüssel aber auch mehr aufnehmen. Wie sollen sie das eigentlich schaffen? Finnland kämpft gerade mit enormen Wirtschafts­problemen, weil sie die Entwicklungen auf dem Handymarkt verschlafen haben. Wie sollen die das jetzt eigentlich machen? Deutschland und Österreich nehmen ohnehin schon immer mehr auf, und Österreich steht ja jetzt auch nicht gerade so besonders gut da.

Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten oder überhaupt seit dem Zwei­ten Weltkrieg. Wir haben eine der geringsten Wirtschaftswachstumsraten innerhalb der EU, und wir haben schon seit Jahrzehnten den höchsten Staatsschuldenstand. „Öster­reich wird zum Problemfall“, hat die Zeitung „Die Presse“ am 6. Mai 2015 getitelt. Und da sagt man uns, na ja, ihr müsst da schon auch weitertun. Wir wollen die Entwick­lungshilfe aufstocken, wir müssen die Flüchtlinge aufnehmen, und die müssen natürlich auch versorgt werden und so weiter. Ich rede da immer noch von denen, die auswan­dern. Damit das klar ist: Ich rede von denen, die auswandern wollen. Das werden wir uns nicht leisten können, weil wir mittlerweile auch zunehmend eigene Probleme ha­ben.

Und weil das ja auch schon so angeklungen ist über das Chaos in Libyen und so weiter: Ja, wer von Ihnen hat denn nicht applaudiert, dass der Arabische Frühling ge­kommen ist? Wir haben damals schon gesagt: Das wird noch ein Rohrkrepierer wer­den, der Arabische Frühling wird nicht das bringen, was Sie sich davon versprechen. Und leider haben wir wieder einmal recht behalten. Ich wollte, es wäre nicht so, aber wir hatten recht! Wir haben gewusst, dass sich das genauso entwickeln wird, wie es sich jetzt entwickelt hat. Jetzt versinken die Länder nämlich in Chaos: Libyen, Irak.

Ich war kein Freund von Hussein, auch kein Freund von Gaddafi – das möchte ich aus­drücklich klarstellen –, aber trotzdem war dort eine gewisse Stabilität gegeben, nicht für alle, das weiß ich schon, aber als Land in der Region gesehen schon. Das ist alles weggebrochen, weil manche EU-Politiker und die USA allen voran glauben, man muss jedem die Segnungen der Demokratie bringen, ob er dafür bereit ist oder nicht. Über­legen wir einmal, wie lange wir gebraucht haben, bis wir wirklich demokratische Ver­hältnisse hatten und bis das bei uns angekommen ist, und es gibt auch im heutigen


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 85

Österreich gar nicht so wenige Menschen, die vom Entwicklungsgrad unserer Demo­kratie auch nicht so hundertprozentig überzeugt sind, weil sie meinen, auch bei uns wäre noch vieles zu tun. (Bundesrat Mayer: Die sind aber alle in deiner Partei!)

In den Staaten, die jetzt im Chaos versunken sind, und wo man sich so gefreut hat, dass jetzt der Arabische Frühling kommt und die Demokratie einziehen wird, hat sich überall dieser IS festgesetzt. Überall! Man kann es geografisch nachvollziehen. Und natürlich wollen alle weg, nur, ich sage es noch einmal, wir werden nicht alle retten können, und das muss man auch sagen, denn zu denen, die jetzt schon herkommen oder ante portas stehen, gibt es ja im Hinterland noch Zehntausende, die sich auf den­selben Weg machen wollen, wenn wir signalisieren, sie können dann ohnehin bei uns bleiben.

Man muss auch bedenken, dass die Probleme dieser Länder dann auch zu uns im­portiert werden, denn es ist ja nicht so, dass zum Beispiel in Afrika die völlige Einigkeit herrscht und alle sind Afrikaner. Da gibt es Stammesfehden, und da gibt es von einem Dorf zum nächsten Fehden. Das kommt dann alles mit zu uns. Wollen wir das? Kön­nen wir das verkraften? Können wir der eigenen Bevölkerung gegenüber verantworten, zu sagen: Für euch gibt es immer weniger, denn wir müssen uns leider um die halbe Welt kümmern?

Ich glaube, dass das der falsche Weg ist, und daher glaube ich auch und bin zutiefst davon überzeugt, dass wir ein deutliches Signal geben müssen: Zu uns könnt ihr nicht kommen, von denen, die tatsächlich Asyl bekommen sollen und müssen, abgesehen.

Bei der Zuwanderung jedoch müssen wir wirklich einen klaren Strich ziehen und sa­gen: Es geht nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


12.52.40

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, mich freut es wirklich, dass die FPÖ immer recht hat, und wenn die FPÖ einmal nicht recht hat, hat die FPÖ automatisch wieder recht. Das ist wirklich etwas, was mich sehr freut. Wenn ich jetzt die Diskussion am heutigen Tag in unserer Sitzung betrachte, dann dreht sich von eurer Seite bei jedem Tagesordnungspunkt alles um Asyl- und Frem­denrecht und so weiter.

Wenn ich dir jetzt so zuhöre beziehungsweise vorhin zugehört habe, dann habt ihr mit der Radikalisierung der Sprache bei diesem Thema eigentlich überhaupt nichts zu tun, sondern ihr habt ja immer nur gewarnt und darauf aufmerksam gemacht, und das wird ja von euch so zurückhaltend betrieben, dass es ja fast schon  (Bundesrätin Mühl­werth: Das ist ja auch wahr, das stimmt ja! Wo war das radikal?) – Nein, nein! Deine Rede heute war so etwas von smooth, müsste man sagen, das ist unglaublich. Aber die Radikalisierung in diesem Bereich verdanken wir eigentlich in einem hohen Maße eurer Partei, weil es von eurer Seite einfach immer Vorhaltungen gibt, weil es in dem Bereich von eurer Seite immer wieder auch eine radikalisierende Sprache gibt, und das ist die Problematik, die wir in diesem Bereich haben, abgesehen von den tatsächlichen Problemen in der Sache selbst. Ich gebe dir in einigen Punkten recht, da haben wir Probleme. Das ist uns bewusst.

Dieser Bericht ist übrigens ein ausgezeichneter Bericht, dafür möchte ich mich herzlich bedanken, Herr Minister, auch bei deinen MitarbeiterInnen. Er hätte verdient, mehr erwähnt zu werden, beziehungsweise mehr daraus hätte verdient, erwähnt zu werden, statt nur über Asyl- und Fremdenrecht zu reden.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 86

Es gibt viele Punkte, die in hervorragender Weise angeschnitten werden, und es geht eben nun einmal nicht um Asyl- und Fremdenrecht, sondern es geht einfach darum, wie Österreich sich im heurigen Jahr, auch bei der Trio-Präsidentschaft, darstellt. Das hat meiner Meinung nach einen Dank verdient, denn dieser Bericht ist wirklich ein aus­gezeichneter. Man hätte ihn mehr erwähnen sollen! Das muss ich sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Kollege Schreuder ist auch nicht mehr hier, trotzdem: Die EU hat schon erkannt, was sich im Mittelmeer abspielt, und es ist ein Massengrab. Man hat das im Europarat – Kollege Schennach wird mir recht geben – auch diskutiert. Da gibt es auch einige Be­richte. Wir müssen wirklich schauen, wie wir diese Situation besser lösen. Wir können sie nicht auf Dauer lösen oder endgültig lösen. Das ist unmöglich, weil wir auch keine Vertragspartner in Nordafrika haben wie Libyen beispielsweise. Da gibt es keine Ver­tragspartner. Man kann nicht auf Stämme oder auf irgendwelche Gruppen, die kriege­risch durch die Gegend ziehen, zugehen. Das ist völlig undenkbar.

Der Herr Minister hat es angedeutet, es wäre wichtig, wenn wir Vertragspartner hätten, damit man unter Umständen  Nein, ich möchte jetzt nicht dieses australische Modell erwähnen, das heute schon erwähnt wurde, das das auf andere Art und Weise löst. Es ist aber auch keine Lösung, wenn wir zum Beispiel gleich Schiffe – das wäre die Al­ternative! – irgendwie nach Libyen schicken beziehungsweise nach Nordafrika und dann die Leute dort abholen. Das wäre ein anderes Szenario, aber auch das ist nicht möglich!

In der momentanen Situation kann das Problem Mittelmeer also nur durch vermehrten Einsatz der EU gelöst werden, mit mehr Geld, das wurde in einem Gespräch auch zu­gesagt – der Finanzrahmen wurde von 3 Millionen € auf 9 Millionen € aufgestockt. Wir sind jedenfalls angehalten, Lösungen zu suchen. Das ist ganz klar. Es kann weder das eine Szenario, das wir heute angesprochen haben, noch das andere Szenario sein. Es wird ein Mittelweg sein müssen, und es braucht auch mehr Mittel, es braucht mehr Un­terstützung für die Mittelmeerländer.

Um doch noch einige Punkte anzusprechen, denn der Bericht ist, wie gesagt, sehr um­fassend und ausgezeichnet, und zwar wesentliche Punkte, die uns Österreicher unmit­telbar betreffen, weil wir auch sehr engagiert sind zum Beispiel im Westbalkan oder beim Kroatien-Beitritt, wofür Österreich sehr Gutes und sehr viel geleistet hat. Da kann man schon sagen, dass es aufgrund der geografischen Nähe, der wirtschaftlichen Ver­flechtung, der historischen Verbundenheit von großer Bedeutung ist, dass sich Öster­reich da einbringt.

Mit Montenegro und Serbien zum Beispiel konnten Beitrittsverhandlungen begonnen werden. Bei Mazedonien scheitert die Aufnahme der Verhandlungen nach wie vor am Namensstreit mit Griechenland. Albanien wiederum hat seit 2014 Kandidatenstatus. Was Bosnien und Herzegowina betrifft, will Brüssel der EU-Annäherung neue Dynamik verleihen. Die weitere Annäherung des Kosovo hängt natürlich von Fortschritten im Normalisierungsprozess mit Belgrad und auch in den Bereichen Justiz, Rechtsstaat­lichkeit, öffentliche Verwaltung, Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft ab.

EU-Kommissar Hahn war am 2. Dezember 2014 in den Bundesrat eingeladen und hat bei uns über seinen neuen Aufgabenbereich referiert. Es war für uns eine ausgezeich­nete Sitzung und natürlich auch eine entsprechende Aufwertung. Er hat damals ganz klar gesagt, dass er es in seinem Aufgaben- und Wirkungsbereich als eher unwahr­scheinlich betrachtet, dass die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren weiter wachsen wird. Das richtet sich nicht gegen potenzielle Kandidatenländer, sondern sei angesichts der bisher gemachten Erfahrungen mit Beitrittsverhandlungen ein techni­sches Faktum. Es gibt also eine grundlegende Überprüfung der europäischen Nach­barschaftspolitik, was natürlich auch sehr gut ist.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 87

Auch die Entwicklungszusammenarbeit wurde angesprochen. Vielen ist es zu wenig. Man wird daran arbeiten; der Herr Minister hat es ja selbst auch gesagt. Den Blauen oder Freiheitlichen ist es zu viel, und sie werden natürlich auch gegen eine Aufsto­ckung stimmen, so wie das heute angedeutet wurde. Tatsächlich ist man sich in der Regierung schon bewusst, dass es in dem Bereich eine Änderung geben soll und dass Österreich als vermögendes Land, sage ich einmal, auch einen höheren Beitrag leistet.

Dazu gibt es einen angestrebten Stufenplan 2000 bis 2018 mit Ausblick bis 2022, was man nur unterstützen kann, von Bundeskanzler Faymann und von Vizekanzler Mitter­lehner entsprechend dargestellt. Das geschieht natürlich unter der Ägide des Ministers Kurz, der der ressortzuständige Minister ist. Das wurde auch klar festgelegt. Es gibt also eine Perspektive für die Entwicklungszusammenarbeit.

Kurz noch zum Thema Terrorismusbekämpfung: Die EU will stärker gegen die Radika­lisierung vorgehen. Ein eigenes Kapitel widmet der Bericht auch der Terrorismusbe­kämpfung und dem Phänomen Foreign Fighters. Diesem Thema wird nicht nur in den Bereichen Justiz und Inneres, sondern auch im Rahmen des gesamten auswärtigen Handelns der EU Priorität zukommen.

Die Strategie der Union zielt weiters darauf ab, die Kooperation und den Dialog mit den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas zielgerichtet zu intensivieren und exter­ne Finanzierungsinstrumente für Projekte heranzuziehen – so, wie wir heute schon gehört haben –, um die betreffenden Staaten bei der Terrorismusbekämpfung und bei der Vorbeugung gegen die Radikalisierung zu stärken.

Ich habe in diesem Bericht auch den Bereich „Zusammenarbeit EU – Europarat“ sehr gut gefunden. Österreich ist im Europarat sehr gut vertreten. Wir stellen mit Kollegen Stefan Schennach den Vorsitzenden des Monitoringausschusses, was natürlich auch eine Besonderheit darstellt. Es gibt auch ganz klare Perspektiven, was EU und Euro­parat anbelangt: politische und rechtliche Zusammenarbeit, Steigerung der Kohärenz von EU-Recht und Europaratsnormen und Hilfestellung vor Ort durch gemeinsame Pro­jekte.

Ich darf erinnern: Österreich hatte bis Mitte des letzten Jahres den Vorsitz im Europarat und hat diesen auch – das kann man wirklich unterstreichen – ausgezeichnet umge­setzt; es gab auch eine viel beachtete Rede unseres Außenministers Sebastian Kurz im Europarat.

Nochmals herzlichen Dank für den Bericht. Wir werden ihn gerne zur Kenntnis neh­men. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.01


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.

 


13.01.41

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! 177 Punkte enthält dieser umfassen­de Bericht insgesamt, der darlegt, wie wir uns in Österreich die EU-Politik, die Außen­politik in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union vorstellen. Ich möchte mich natürlich auch gerne für diesen umfassenden Bericht bedanken. Es ist wirklich immer sehr leicht und gut zu lesen und umfassend dargestellt, in welche Rich­tung es gehen soll.

Bevor ich auch aus SPÖ-Sicht auf die Flüchtlingstragödie eingehe, möchte ich, weil ich finde, dass einige Punkte in diesem Bericht wirklich erwähnenswert sind, darüber hi­naus auf ein paar Punkte eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 88

Beginnen möchte ich mit der Europäischen Bürgerinitiative, dem Initiativverfahren der direkten Demokratie in der Europäischen Union und dem eigentlich einzigen länder­übergreifenden Bürgerbeteiligungsinstrument weltweit. In den vergangenen drei Jahren haben sich schätzungsweise 6 Millionen Bürger an einer Europäischen Bürgerinitiative beteiligt. In ihrem am 31. März veröffentlichten Bericht zieht die Europäische Kommis­sion eine erste Bilanz der Erfahrungen mit diesem Instrument, das seit 1. April 2012 in Kraft ist.

Die Tatsache, dass zwei Initiativen bereits den gesamten Lebenszyklus einer Europäi­schen Bürgerinitiative durchlaufen haben, werten die Kommission und natürlich auch wir als Bestätigung dafür, dass das Instrument der Bürgerbeteiligung funktioniert. Bis­lang haben drei Initiativen die Schwelle von 1 Million Unterschriften erreicht.

Die erste Bürgerinitiative war „Right2Water“, die zweite „Einer von uns“, und am 11. Mai 2015 wird das Europäische Parlament eine öffentliche Anhörung zur dritten Eu­ropäischen Bürgerinitiative „Stop Vivisection“ abhalten. Es handelt sich dabei um einen Vorschlag für ein Gesetz auf europäischer Ebene mit dem Ziel, den Ausstieg aus der tierexperimentellen Forschung zu betreiben. Bei drei weiteren Initiativen läuft die Frist noch, so zum Beispiel bei der Initiative gegen TTIP und CETA, die ja auch bei uns im­mer wieder diskutiert wird.

In allen 28 Ländern haben sich Bürgerinnen und Bürger einer oder mehreren Initiativen angeschlossen und diese unterstützt. Das bedeutet wohl doch, dass dieses Instrument der direkten, gemeinsamen, demokratischen Willensäußerung aller Europäerinnen und Europäer funktioniert. Allerdings wird im Bericht auch betont, dass das Verfahren wei­ter verbessert werden kann und soll. Dazu gibt es auch einige Vorschläge.

Auf den Erweiterungsprozess ist Herr Kollege Mayer schon eingegangen, deshalb er­gänze ich nur, dass von diesem Erweiterungsprozess, vor allen Dingen in den Ländern des Westbalkans, und von einer Stabilisierung in dieser Region natürlich auch Öster­reich und die österreichische Wirtschaft profitieren würden.

Auch die Nachbarschaftspolitik wurde bereits angesprochen. Geplant ist dabei eine ko­härentere Abstimmung mit der Handelspolitik, der Entwicklungspolitik und den Betei­ligten an den internationalen Finanzinstitutionen. Eine besondere Bedeutung kommt bei der europäischen Nachbarschaftspolitik jedenfalls der Förderung von Stabilität an den Außengrenzen Europas zu. Handels- und Investitionsbeziehungen sollen weiter verfestigt werden, zugleich geht es aber darum – und das ist immer wichtig für uns –, die Nachbarländer zielgerichtet bei demokratischen Reformen und Wirtschaftsreformen und insgesamt auch bei ihrem Streben nach mehr Wohlstand zu unterstützen.

Lassen Sie mich auch noch kurz auf einen weiteren aktuellen Punkt eingehen: Russ­land. Im Hauptfokus der Beziehungen der EU zu Russland werden natürlich weiterhin die durch den Ukraine-Konflikt hervorgerufenen Spannungen stehen. Vor diesem Hin­tergrund scheint es auch zweifelhaft, ob im ersten Halbjahr 2015 der bereits für Ju­ni 2014 vorgesehene EU-Russland-Gipfel nachgeholt werden kann. Nicht gesichert sind daneben natürlich auch die Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Part­nerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Brüssel und Moskau sowie die Fort­führung der Gespräche über eine Visa-Liberalisierung. Der Bericht geht – ich denke, zu Recht – davon aus, dass die Sanktionen der EU gegen Russland noch länger Bestand haben werden.

Ich darf Sie, Herr Minister Kurz, auch aus aktuellem Anlass bitten, dass Sie kurz auf Ih­re Reise eingehen und uns schildern, wie Ihre Eindrücke von dieser Reise, die Sie ge­rade in Weißrussland, Russland und in der Ukraine absolviert haben, sind, damit wir auch hier auf dem aktuellen Stand sind.

Terrorismusbekämpfung ist auch ein Kapitel, das Kollege Mayer schon angesprochen hat. Es ist ja interessant: Von insgesamt 177 vorhandenen Kapiteln sucht man nach


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 89

denen, die gerade für Österreich interessant sein könnten, besonders von Interesse sind, und da haben wir ein paar Parallelen.

Was den Westbalkan in diesem Zusammenhang betrifft, ist Österreich auch gefordert, gerade diese Staaten des Westbalkans, die ja Herkunftsländer, aber auch Transitlän­der für ausländische Kämpfer sind, bei ihrer Entwicklung zur Bekämpfung von Terroris­mus zu unterstützen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich, lasst mich jetzt auch auf die Flücht­lingstragödie im Mittelmeer eingehen! Vieles ist ja schon gesagt und unterschiedlich diskutiert worden, dennoch: Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns umfassend mit dieser Frage beschäftigen. Behalten wir im Hinterkopf, dass allein im heurigen Jahr be­reits über 1 500 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind – und es werden jeden Tag mehr!

Jedes Bootsunglück ist ein schwarzer Tag für die Menschlichkeit und auch für die Grundsätze der Europäischen Gemeinschaft. Die EU möchte – so wird es auch oft de­finiert – ein Raum für Freiheit, Sicherheit und Recht sein. Seit Jahren wird in Brüssel immer wieder über Flüchtlinge diskutiert, die in überfüllten Booten mithilfe von natürlich völlig skrupellosen Schleppern von Nordafrika aus ihren Weg über das Mittelmeer nach Europa antreten. Ich bin nicht der Meinung, dass Europa bisher sehr viel zur Lösung dieses Problems beigetragen hat. Ich bin ganz sicher der Meinung, dass das vereinte Europa sich nicht nur dadurch auszeichnen kann, dass es als Wirtschaftsraum ver­sucht, vereint aufzutreten, sondern dass es auch ein gemeinsames, geschlossenes Agieren als Reaktion auf diese schrecklichen Ereignisse geben muss.

Am 23. April 2015 haben sich die EU-Außen- und Innenminister auf ein 10-Punkte-Pro­gramm geeinigt, darunter eine stärkere Präsenz auf See, Kampf gegen Schlepper und mehr interne Solidarität. Ich freue mich, dass alle Vorredner, so wie ich auch, das Erste und Wichtigste in diesem Zusammenhang darin sehen, Leben zu retten. Meiner An­sicht nach ist es zu begrüßen, dass der Europäische Rat immerhin die monatlichen Ausgaben für die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer von 3 Millionen € auf 9 Mil­lionen € und auch die technischen Kapazitäten – mit Schiffen, Hubschraubern und so weiter – erhöht hat.

Die wichtigsten Themen in diesem 10-Punkte-Programm sind die bessere Seenotret­tung, der Kampf gegen Schlepper, aber auch die Hilfe für die Ankunftsländer und eine Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern, um eine Abreise zu verhindern. Wir werden erst sehen, was sich davon wirklich realisieren lässt. Ob Flüchtlingszentren in Afrika wirklich eine Lösung sind, wage ich zum derzeitigen Zeitpunkt zu bezweifeln.

Allein in dieser Woche, von Samstag weg, wurden am Samstag nach italienischen An­gaben bei 17 Einsätzen 3 700 Bootsflüchtlinge gerettet; am Sonntag waren es weitere acht Schlauchboote und fünf Schiffe mit insgesamt mehr als 2 100 Menschen, und 1 000 waren es am Dienstag.

Italien ist besonders von der Flüchtlingsproblematik betroffen und fordert zu Recht mehr Hilfe von den anderen EU-Staaten. Das Land kann diesen Ansturm kaum noch bewältigen, die Aufnahmezentren sind überfüllt. 2014 erreichten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks etwa 170 000 Bootsflüchtlinge Italien. Die meisten stammen, wie wir wissen, aus Afrika sowie aus der Kriegsregion Syrien. Für 2015 – und das ist kein Wunder – gehen die Expertinnen und Experten noch einmal von einer Steigerung dieser Zahl aus, und die Anzahl der unbegleiteten Jugendlichen steigt dabei ständig an.

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, ist es notwendig, wie auch Bundeskanzler Fay­mann am Montag in der Sondersitzung gefordert hat, innerhalb der Europäischen Uni­on eine faire Flüchtlingsquote festzulegen, die die Aufteilung auf die einzelnen Länder


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 90

nicht nur nach ihrer Bevölkerung, sondern auch nach ihrer Wirtschaftskraft sicherstellt. Wenn Österreich, das ist erwähnt worden, gerade Nummer 3, nicht Nummer 1, hinter Schweden und – man höre – Ungarn ist, dann zeigt sich, dass viele andere Länder in der Europäischen Union ihrer Verpflichtung noch lange nicht nachkommen.

Am 13. Mai 2015, also in ein paar Tagen, wird die EU-Kommission einen Vorschlag zu dieser Quotenregelung vorlegen. Allerdings ist zu befürchten, dass die Gegner dieser Regelung, allen voran Großbritannien, eine derartige Regelung blockieren werden.

Was auch schon in der Sondersitzung diskutiert und von Bundeskanzler Faymann, aber auch von unserem Außenminister bekräftigt wurde, ist das Bekenntnis zu einer nachhaltigen, kohärenten Entwicklungspolitik und zu einer klaren Steigerung der Ent­wicklungsausgaben, die unserer Meinung nach ein ganz wichtiger Teil der Entwick­lungspolitik sind. Es geht darum, den Menschen vor Ort zu helfen und dazu beizu­tragen, dass sie ein menschenwürdiges Dasein führen können, denn das ist immer noch der beste Weg, um zu verhindern, dass sie ihr Land überhaupt verlassen wollen. Das tut ja niemand freiwillig.

Wir wissen, was zu tun ist: Diese Erhöhung auf 0,7 Prozent ist gesetzlich abzusichern, weil natürlich bei den frei verfügbaren Mitteln immer dann sehr rasch gekürzt wird, wenn das Budget in irgendwelche Turbulenzen gerät. Ich gehe davon aus, Herr Minis­ter, dass es in absehbarer Zeit einen Stufenplan Ihrerseits und auch des Finanzminis­teriums geben wird, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

Der Bürgerkrieg in Syrien, der bereits seit vier Jahren wütet, verschärft sich weiterhin. Mit Beginn 2015 sind es bereits, wir haben es schon gehört, 6,5 Millionen syrische Flüchtlinge, beinahe 2 Millionen davon Kinder, die in den Nachbarländern aufgenom­men worden sind – in den Nachbarländern, die auch nichts haben, seien wir ehrlich. Insgesamt sind über 12 Millionen Menschen aus Syrien auf Hilfe angewiesen, davon 5,6 Millionen Kinder, die keine Chance haben in ihrem Leben.

Millionen von ihnen leben in Zeltstädten, in Containern, in Rohbauten und sind auch auf der Flucht vor der Terrormiliz Islamischer Staat. Von diesen vielen Millionen, die auf der Flucht sind – derzeit 33 Millionen Binnenflüchtlinge, wie wir gehört haben –, ha­ben sich Zehntausende auf den Weg nach Europa gemacht. Es werden mit Sicherheit noch mehr werden, denn sie suchen nach einem Land, in dem sie in Sicherheit leben können. Ich bin der Meinung: Wir müssen unseren Beitrag leisten, um ihnen zu helfen. Österreich ist, trotzdem es einige Probleme gibt, eines der reichsten Länder der Welt. Unser Boot, Kolleginnen und Kollegen, ist nicht voll.

Wie wir in der berührenden Gedenkfeier am Dienstag wieder einmal gehört haben, ist die Würde des Menschen unteilbar. Das gilt nicht nur für die Opfer der Vergangenheit, sondern auch für die der Gegenwart. Ein weiterer Verlust von Menschenleben im Mit­telmeer muss mit allen Mitteln verhindert werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es die Präsidentin erlaubt, möchte ich euch gerne zu einer Gedenkminute einladen, und ich bitte euch deshalb, euch von den Plät­zen zu erheben.

Gedenken wir der Tausenden, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Le­ben dieses verloren haben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und ver­harren einige Zeit in stillem Gedenken.)

Ich danke euch. (Allgemeiner Beifall. – Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

13.14


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Bitte? Entschuldigung, das


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 91

habe ich nicht verstanden, Monika. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe nur gesagt, heute sind wir beim Kollegen Zelina nicht so pitzelig mit der Zeit wie letztes Mal!) – Mo­nika, ich war bei dir auch nicht pitzelig, möchte ich dir nur sagen, weil ich mich einmal verdrückt habe, gell! Und „pitzelig“ kann man nicht sagen, wenn er die doppelte Zeit braucht!

Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


13.15.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen, und zwar mit einem Dank an Herrn Peter Launsky-Tieffenthal, der als Spre­cher des Außenministeriums mit seinem Team rund um die Uhr für ÖsterreicherInnen, für unsere Staatsbürger, die in Not geraten sind, zur Verfügung steht und dieser Auf­gabe mit mehr als einer beruflichen Verpflichtung nachkommt; das kann man auch me­dial immer sehr gut nachvollziehen. Dafür gilt Ihnen mein herzlicher Dank, und ich neh­me einmal an, ich spreche hier auch für meine Kollegen und Kolleginnen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte auch all jenen KollegInnen, die an der Erar­beitung des Berichts mitgearbeitet haben, recht herzlich danken. Ich habe dazu auch einige Fragen, aber grundsätzlich, erlauben Sie mir, muss man schon anmerken, wie ehrlich man denn überhaupt Außenpolitik betreiben kann, vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftlichen Interessen doch massiv im Vordergrund stehen. Für den Westen, insbesondere für Österreich, ist das beste Beispiel die Vergangenheit, das Beispiel, dass wir immer eine Doppelstrategie fahren, fahren mussten, den Spagat machen: auf der einen Seite die Partner und Partnerinnen aufgrund der wirtschaftlichen Interessen, aufgrund unseres ausländischen Engagements nicht zu vergrämen, aber auf der ande­ren Seite ist doch die menschenrechtliche Situation in vielen Ländern mehr als verbes­serungswürdig. KollegInnen, VorrednerInnen haben es schon angesprochen, gemeint sind Länder wie Russland, Iran, Saudi-Arabien, Türkei, China und so weiter.

Diesen Spagat müssen Sie als Außenminister vollziehen, das ist sicher ein Drahtseil­akt, aber nichtsdestotrotz, denke ich mir, werden wir uns den Respekt nur dadurch er­arbeiten, indem wir ganz klar Position beziehen und nicht eine Doppelstrategie fahren.

Auf den Punkt, den meine VorrednerInnen zuvor strapaziert haben, möchte ich gar nicht näher eingehen, denn, ganz ehrlich: Egal, um welche Partei in diesem Parlament es geht, man kann keine vernünftige Diskussion führen. Ich habe all meinen Vorred­nern aufmerksamst zugehört, und ich habe bei jedem der Redner und Rednerinnen Punkte gefunden, bei denen ich gesagt habe: Das stimmt, ja!, aber ich habe genauso, glaube ich, die wesentliche Ursache für diese Problematiken bei keinem der Vorredner herausgehört.

Das größte Problem ist – und wenn wir das nicht behirnen, wenn das unsere Minister und Ministerinnen, die in Brüssel zusammenkommen, nicht begreifen, dann wird noch sehr viel Elend passieren –, dass es nach wie vor Hunderttausende, Millionen von Menschen gibt, die tagtäglich mehr werden, die nichts mehr zu verlieren haben. Je­mand, der an diesem Punkt angelangt ist, wird jede Möglichkeit in Kauf nehmen, sein Land zu verlassen. Wir können gar nicht so viele EZA-Mittel in die Hand nehmen, um dieses Problems Herr zu werden, selbst die Verdoppelung, Verdreifachung, Verzehn­fachung wird das Problem nicht lösen, denn Geld, ob viel oder wenig, in falschen Strukturen oder in nicht effizienten Strukturen ist verschwendetes Geld. Das ist der ei­ne Punkt.

Der andere Punkt ist: Ich habe Ihnen allen wirklich aufmerksam zugehört, bei keinem ist auch nur ein Hauch von Selbstkritik an der europäischen Wirtschaft, Landwirtschaft


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 92

und Außenpolitik zu hören gewesen. Das größte Problem ist, dass wir eine hoch sub­ventionierte europäische Landwirtschaft haben, die mit ihren hoch subventionierten Pro­dukten die Märkte in diesen Ländern de facto zusammenhaut. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Pisec.) Die Menschen verlieren dadurch ihre Existenzgrundlage.

Ein weiteres Problem sind die überbordenden Fischereirechte. Wir genehmigen norwe­gischen und was weiß ich welchen Großkonzernen, dass sie die Weltmeere leerfi­schen, und der heimische Kleinfischer darf im Meer, das vor seiner Haustür liegt, nicht fischen, und wenn er es darf, findet er dort keinen Fisch mehr vor. Und dann wundern wir uns, warum diese Menschen ihr letztes Hab und Gut verkaufen und sich auf die Reise begeben, in die Hände von Schlepperbanden begeben.

Solange wir nicht an den tatsächlichen Ursachen ansetzen, werden sich noch Tausen­de von Menschen auf die Flucht begeben, werden noch Hunderte und Tausende Men­schen umkommen, und wir werden weiterhin an teils richtigen Problemen arbeiten, denn die Versenkung von Schlepperbooten ist eine Möglichkeit; die andere Möglichkeit ist, die EZA-Mittel auf 0,7 Prozent des BIP anzuheben – aber das wird die Probleme nicht lösen. Wir müssen dort eingreifen, wo sie entstehen. Und das sind kommunizie­rende Gefäße: Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Landwirtschaftspolitik. Wenn wir das nicht begreifen, werden wir lange genug um den heißen Brei herumreden.

Kollegin Mühlwerth hat schon recht in einem gewissen Punkt, wir werden nicht alle auf­nehmen können – aber es kommen auch nicht alle zu uns. Vier Fünftel der Migrations­bewegungen und Asylbewegungen finden außerhalb der europäischen Grenzen statt. Auch das ist ein Faktum, auch das ist eine Realität.

Aufnahmezentren hat es dort schon gegeben. Wir haben mit Libyen Übernahmeab­kommen gehabt, mit Gaddafi haben wir derartige Abkommen abgeschlossen. (Bundes­rätin Mühlwerth: Ich weiß, hat auch funktioniert!) – Das hat zur damaligen Zeit funk­tioniert, weil wir nicht hingeschaut haben, was dort für Schweinereien passieren; ja, das stimmt.

Die Probleme in diesen Ländern werden nicht weniger werden. Gerade der Arabische Frühling, den auch Sie angesprochen haben, und insbesondere der islamistische Ter­ror werden uns noch lange Zeit beschäftigen.

Folgendes muss mitbedacht werden in der Außenpolitik, sehr geehrter Herr Minister: Die Strategie, die Österreich bisher verfolgt hat – halten wir uns aus allem raus, Haupt­sache business as usual, dem Geschäft geht es gut –, wird in Zukunft nicht mehr so reibungslos vonstattengehen. Auch das hat meine Kollegin Mühlwerth richtigerweise durchklingen lassen: Mittlerweile wohnen viele Menschen aus diesen Ländern in Ös­terreich, ihre Heimat ist Österreich, und viele dieser Gruppierungen sind auch in Öster­reich politisch aktiv. Und die werden nicht ruhig zuschauen, was dort im Herkunftsland passiert; die werden nicht die Augen verschließen. Die besten Beispiele waren diese Pro-Erdoğan-Demonstrationen oder sonstige Kundgebungen, die hier in Österreich ab­gehalten worden sind.

Sie, sehr geehrter Herr Minister, waren einer der Angriffspunkte dieser Politiker, die auch die Gruppierungen vom Ausland aus steuern. Unter dem Titel der „Beka Mese­lesi“ wurden Sie und Ihr Kollege Ostermayer massivst angegriffen wegen des Islamge­setzes neu und so weiter.

Das heißt, hier wird sich einiges verändern und wir werden einiges neu überdenken müssen. Ich habe mir zum Beispiel auch den Bericht auf Seite 13 angeschaut: „Son­derfall Türkei“ steht da, „Österreich setzt sich für eine maßgeschneiderte Partnerschaft zwischen der EU und der Türkei ein.“

Was heißt denn das? Ist das wieder so ein dehnbarer Begriff? Was versteht Österreich darunter? – Wir verhandeln mit den Türken, mit der Türkei seit Jahren, und dem Be-


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richt ist zu entnehmen, dass ein EU-Beitritt nur mit einer Volksabstimmung möglich ist. Wir wissen aber alle, dass über 80 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen da­gegen sind, wenn wir eine Volksabstimmung zu dieser Thematik durchführen. Und würde man eine derartige Volksabstimmung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch in der Türkei durchführen, wären in etwa drei Viertel der Türken und Türkinnen dagegen.

Das heißt, wir führen Gespräche, wir investieren Zeit, Energie, Ressourcen in eine Sa­che, die nicht ehrlich ausgeführt wird. Das ist auch ein Spiegelbild unserer Wirtschafts­politik, unserer Landwirtschaftspolitik und teilweise auch unserer Außenpolitik.

Ich werde jetzt hier einen Punkt machen, denn ich möchte das, was Kollegin Kurz ge­sagt hat, unterstreichen. Mich würde auch wirklich sehr interessieren, was Sie, sehr ge­ehrter Herr Minister, auf Ihrer Reise in Moskau, in Weißrussland und so weiter mit Ih­ren Kollegen und Kolleginnen ausgetauscht haben. Ich werde Ihnen meine Redezeit gerne zur Verfügung stellen. Wir werden selbstverständlich den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Bundesminister Kurz: Ihre Redezeit reicht nicht aus! – Allgemeine Heiter­keit.) – Die ist eh schon vorbei. Dann bekommen Sie nicht meine Redezeit, aber meine volle Aufmerksamkeit. – Danke vielmals. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.25


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Zeli­na. – Bitte.

 


13.25.59

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Danke, Frau Präsi­dentin, für das Wort! Danke, Kollegin Mühlwerth, für die Unterstützung betreffend Re­dezeit. Sehr geehrter Herr Außenminister! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Herr Mi­nister Kurz, Sie kommen gerade aus Moskau, lassen Sie mich zum Russland-Ukraine-Konflikt Stellung nehmen!

Jede gewaltsame militärische Annektierung von anderen Staaten oder Teilen anderer Staaten ist in keinster Weise zu tolerieren. Dennoch muss bei Separationsentschei­dungen von Staaten das Selbstbestimmungsrecht der Völker per Volksabstimmung im­mer Vorrang gegenüber der Argumentation der Souveränität eines Staates und dessen territorialer Unversehrtheit haben. Nicht die Staaten sind souverän, sondern die Men­schen als Bürger sind souverän.

Es gibt kein Recht von Staaten und schon gar nicht von Staatsorganen, ihre Existenz gegen den Selbstbestimmungswillen der Bürger zu behaupten. Ein Staat ist nicht mehr als eine temporäre Organisation von Menschen auf einer von Menschen temporär zur Ein­heit erklärten Landfläche unseres Planeten Erde. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Geschichtlich betrachtet gibt es keine ewigen Staaten. Kein Staat hält auf Dauer. Seit Jahrtausenden verschieben sich die Staatsgrenzen, und sie werden sich auch in Zu­kunft verschieben. Staatsgrenzen-Verschiebungen sind ganz normal und nichts Beson­deres.

Betrachten Sie die Entwicklung des Römischen Reiches! Betrachten Sie die Völker­wanderung! (Zwischenruf des Bundesrates Jachs.) – Betrachten Sie Napoleons Ver­such der Eroberung Europas unter französischer Herrschaft – gescheitert am Russ­landfeldzug! Betrachten Sie Hitlers Versuch der Eroberung Europas unter deutscher Herrschaft – gescheitert am Russlandfeldzug! Und betrachten Sie die Grenzentwick­lung und Expansion der EU unter der amerikanischen, britischen Finanzmärkte-Herr­schaft – gescheitert am Russlandfeldzug lasse ich jetzt vorerst aus. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der aktuelle Russlandfeldzug ist ein Wirtschaftskrieg. Denken Sie an die Rubelabwer­tung! Denken Sie an den Ölpreisverfall! Denken Sie an die Wirtschaftssanktionen! Den-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 94

ken Sie an die Herabstufungen bei den Kreditratings. Staaten werden geboren, blühen auf, verfallen und gehen wieder unter. Ein Zerfall kann auch der EU blühen, wenn wir das staatliche Schuldenmachen nicht bald stoppen.

Beim Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde ausschließlich mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker argumentiert, ebenso beim Zerfall von Jugosla­wien in die Einzelstaaten Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina. Auch beim Zerfall der Tschechoslowakei in die Einzelstaaten Tschechien und Slowakei hatte das Selbstbestimmungsrecht der Völker Vorrang gegenüber der Souveränität des Staates. Auch dem Kosovo wurde der Status einer autonomen Republik, unabhängig von Serbien, zuerkannt; Serbien wurde geteilt.

Die Erhaltung der territorialen Unversehrtheit und Souveränität des Staates hatte nicht Priorität gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Wenn sich Kinder streiten, ist es am besten, man teilt sie auf. Die einen Streithanseln nach links, die anderen Streithanseln nach rechts. Die Teilung der Ukraine in ein rus­sischsprachiges Gebiet und ein ukrainischsprachiges Gebiet kann letzten Endes auch eine gute Lösung für alle Beteiligten sein. Die Ukraine muss nicht um jeden Preis in­nerhalb der jetzigen Staatsgrenzen zusammengehalten werden. Die Ukraine ist kein unberührbares, politisches Gebilde, das mit aller Gewalt erhalten werden muss. Unse­re Monarchie wurde geteilt, Jugoslawien wurde geteilt, die Tschechoslowakei wurde geteilt, Serbien wurde geteilt, und auch die Ukraine darf geteilt werden.

Staatsgrenzen sind von Menschen gemacht und können jederzeit von Menschen wie­der verändert werden. Die Bürger der Krim sollen per Volksabstimmung im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker selbst entscheiden, in welchem Staat sie leben wollen. Geschichtlich gesehen war die Krim immer Teil Russlands. Das Selbstbestim­mungsrecht der Bürger der Krim kann und darf weder durch völkerrechtliche Verträge noch durch die Verfassung der Ukraine aufgehoben werden. Eine autonome Republik Krim darf bei der ukrainischen Konfliktlösung kein Tabuthema sein!

Artikel 1 unserer österreichischen Bundesverfassung sagt, alles Recht geht vom Bür­ger aus – nicht vom Staat, nicht von den Staatsorganen, nicht vom US-Präsidenten, son­dern vom souveränen Entscheidungsträger, unseren Bürgern.

Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland gehören im Interesse aller Europäer sobald wie möglich aufgehoben. Sie tun unserer Wirtschaft nicht gut, sie tun unserem Touris­mus nicht gut, und sie tun unseren österreichischen Banken nicht gut. Die Sanktionen gegen Russland schaden Europa, schaden Österreich und kosten europäische Arbeits­plätze.

Die US-Politik soll die europäische Wirtschaft nicht in Geiselhaft nehmen. Die Ameri­kaner verfolgen bei allen politischen Entscheidungen beinhart ihre eigenen wirtschaftli­chen Interessen. Die EU und Österreich sollten das auch tun und sich nicht scheuen, hier in Europa eine klare, eigenständige, friedliche Russland-Politik zu betreiben. Eine Partnerschaft mit unserem Nachbarn Russland muss der EU genau so viel wert sein, wie unsere transatlantische Partnerschaft. Russland ist Teil von Europa, ist Handels­partner von Europa und nicht Feind von Europa! (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

Russland ist der drittgrößte Handelspartner der EU, und die EU ist der größte Handels­partner Russlands. Nur die Integration von Russland in Europa sichert dauerhaften Frieden. Ein gemeinsames, vereintes, friedliches Europa inklusive und nicht exklusive Russland muss unser Ziel sein!

Danke für den Bericht, Herr Außenminister! Wir werden zustimmen. (Allgemeiner Bei­fall und Heiterkeit.)

13.33



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 95

Präsidentin Sonja Zwazl: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, man kann „ich“ auch im Plural verwenden.

Herr Minister Kurz hat sich noch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.33.48

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrter Herr Gerald Zelina, vielen Dank für den positiven Abschluss (allgemeine Heiterkeit) und vie­len Dank für die Zustimmung.

Zu dem vorher Gesagten muss ich doch das eine oder andere sagen, ich darf nur viel­leicht der Reihe nach vorgehen und zunächst mit Efgani Dönmez beginnen. Du hast die Frage aufgeworfen: Wie ehrlich kann man Außenpolitik betreiben aufgrund der zahl­reichen wirtschaftlichen Interessen?

Ich sehe da keinen Widerspruch, sondern ganz im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es, un­sere Werthaltungen und unsere Interessen im Ausland zu vertreten. Wenn ich mir insbesondere die Grundhaltung unserer Wirtschaft anschaue, dann ist sie oftmals nicht im Widerspruch zu unseren Werten, sondern ganz im Gegenteil. Unsere Wirtschaft, und ich merke das bei all meinen Kontakten im Ausland, hat ein Interesse an Stabilität, hat ein Interesse an einem ordentlichen Rechtssystem, das Menschenrechte achtet, hat ein Interesse an einer stabilen Verwaltung, an einem Kampf gegen Korruption und an Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen. Insofern sind unsere Werte und unsere Interes­sen meistens miteinander einhergehend. Insofern, glaube ich, sollte man diesen ver­suchten Widerspruch auch gar nicht unbedingt künstlich kreieren.

Du hast des Weiteren die Situation in der Türkei angesprochen. Ich teile da in vielen Bereichen deine Einschätzung. Wir haben nach Jahren der positiven Entwicklung, auch eines massiven Wirtschaftswachstums in der Türkei, zugegebenermaßen natür­lich unter Erdoğan, mittlerweile in den letzten Jahren eine Negativentwicklung; insbe­sondere im Bereich der Menschenrechte, insbesondere im Bereich der Medienfreiheit, aber auch weit darüber hinaus. Wir spüren auch eine zunehmend ablehnende Haltung gegenüber Europa.

Insofern ist meiner Meinung nach das Regierungsprogramm, das wir uns in Österreich selbst als Regierung gegeben haben, nach wie vor genau der richtige Weg, nämlich zu sagen, ein Beitritt kann niemals ein selbstverständliches Ergebnis von Verhandlungen sein, sondern es bräuchte zumindest zuvor eine Volksabstimmung darüber in Öster­reich. Und dass wir mittlerweile von dieser Perspektive weiter entfernt sind, als wir schon einmal waren, das teile ich auf jeden Fall.

Die Einschätzung zu der Meinung in den Bevölkerungen, glaube ich, ist auch eine rich­tige. Dass es trotzdem einen Kontakt zur Türkei braucht, dass wir uns trotzdem mit den Themen Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und vieles mehr in der Türkei auseinan­dersetzen sollten, das glaube ich auch. Und dass grüne Kollegen von dir sagen, genau deshalb sollten wir die Beitrittsverhandlungen weiterführen, das mag ein legitimes Ar­gument sein. Es gibt auch die gegenteilige Ansicht, nämlich dass es nicht unbedingt sinnvoll sein kann, wenn Erdoğan ständig ein Schäuflein nachlegt, trotzdem immer weiter Kapitel zu eröffnen. Ich glaube aber, beides ist argumentierbar, die eine Linie wird vor allem von deinen grünen Kollegen im Parlament argumentiert.

Susanne Kurz, aber auch Gerald Zelina haben die Situation in Russland angespro­chen. Ich darf vielleicht, bevor ich einen Bericht über meine Erfahrungen aus den letz­ten Tagen gebe, noch ganz kurz auf das von Gerald Zelina Angesprochene eingehen. Dass Grenzverschiebungen etwas ganz Normales sind – also das kommt ein bisschen auf das Jahrhundert an, über das wir sprechen. Insbesondere wenn dann Beispiele angeführt werden wie Hitlers Angriffe oder Überfälle auf andere Staaten, dann, glaube


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ich, wäre es durchaus angebracht, auch dazuzusagen, dass wir das als etwas sehr Ne­gatives sehen und nicht als etwas, das wir zur Kenntnis nehmen, ohne eine Emotion oder eine Meinung dazu zu haben.

Ich glaube, ähnlich sollten wir es auch bei den Konflikten im Osten der Ukraine sehen. Dass Grenzverschiebungen etwas ganz Normales sind, das, glaube ich, würden wir spätestens dann anders sehen, wenn es uns selbst betreffen würde. Was das Selbst­bestimmungsrecht der Völker betrifft: Darüber kann man viel diskutieren, aber klar ist auch, dass dieses Selbstbestimmungsrecht der Völker niemals durch ausländische Panzer oder Soldaten durchgesetzt werden kann. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

Ich darf nun überleiten zu einem kurzen Bericht zu Weißrussland, der Ukraine und Russland. Vielleicht zunächst zu Weißrussland: Das Land ist in einem sehr schwieri­gen Spannungsverhältnis; einerseits ist es notwendig, aus politischen, aber auch wirt­schaftlichen Gründen, mit Russland zu kooperieren, nach einer bewussten Entschei­dung – sei es jetzt mit Druck oder ohne Druck –, Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion zu sein, aber gleichzeitig wird doch eine sehr selbstständige und eigenständige Hal­tung im Ukraine-Konflikt, aber auch im Georgien-Konflikt oder gegenüber Moldau ein­genommen.

Ich habe in sehr ausführlichen Gesprächen mit Lukaschenko, der sich dann eindreivier­tel Stunden Zeit genommen hat, durchaus den Eindruck gewonnen, dass es hier eine sehr ambivalente Meinung zu Russland gibt, dass er in seiner Ukraine-Politik weiterhin klar Kurs halten möchte, aber ständig so etwas wie eine leise Angst im Hintergrund ist, wie Russland denn darauf reagieren könnte.

Ich glaube, dass für Weißrussland dasselbe gelten sollte wie für die Ukraine, nur mit umgekehrten Vorzeichen, nämlich kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Das wäre also die Möglichkeit sowohl mit Russland enge Wirtschaftskontakte zu ha­ben, aber gleichzeitig auch näher an die Europäische Union heranzurücken. Die Vor­zeichen sind selbstverständlich unterschiedliche. Weißrussland ist in der Eurasischen Wirtschaftsunion, die Ukraine möchte das nicht. Insofern kann man die Situationen nicht ganz miteinander vergleichen. Dass beide Länder im Spannungsverhältnis zwi­schen Russland und der Europäischen Union sind, das ist Tatsache. Ich glaube, dass hier ein pragmatischer Zugang und kein Entweder-oder-Zugang der richtige Weg ist. Das ist auch der Weg, den Österreich in den Diskussionen in der Europäischen Union verfolgt.

Was die Situation in Russland betrifft, halte ich es durchaus für angebracht, einmal auch klar zu sagen, dass diese sehr ernüchternd ist. Unabhängig vom Konflikt in der Ukraine, unabhängig von den Völkerrechtsverletzungen, die wir auf der Krim, aber auch im Osten der Ukraine erleben, unabhängig von den russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen und den russischen Waffen, die dort im Einsatz sind, unabhängig von den 6 000 Toten und knapp 2 Millionen Vertriebenen hat in Russland in letzter Zeit auch eine Veränderung stattgefunden, die Grund zur Sorge gibt. Ich habe das Land das letzte Mal als Staatssekretär erlebt, und es war damals noch deutlich anders als heute. Die Art und Weise, wie hier mit Nationalismus umgegangen, wie hier der Wes­ten als Feindbild aufgebaut, wie hier gearbeitet wird, ist, glaube ich, etwas durchaus Bedrohliches, und das geht weit über den Ukraine-Konflikt hinaus.

Ich habe Interviews mit russischen Zeitungen aber auch Fernsehsendern gehabt, ich habe so etwas zuvor noch nirgends erlebt, und wenn das in unserer unmittelbaren Nachbarschaft geschieht, dann ist das durchaus etwas, was uns zu denken geben sollte. Ich glaube daher, dass es absolut angebracht ist, klar zu sagen, es wird keinen Frieden gegen, sondern nur mit Russland geben.


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Ich glaube, dass es absolut richtig ist, dass Österreich neben den Sanktionen als Re­aktion auf die russische Aggression auch ständig den Dialog sucht und immer wieder versucht, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Es ist aber genauso notwendig, klar zu sagen, dass all die Entwicklungen im Menschenrechtsbereich, im Umgang mit inter­nationalen Organisationen und NGOs, im Umgang mit den Medien in Russland uns große Sorge bereiten – unabhängig vom Ukraine-Konflikt. Dass ein Land, das auf Na­tionalismus und Abschottung zum Westen setzt, für uns natürlich ein schwieriger Part­ner ist, das ist auch klar.

Insofern bleibt unser Ziel das gleiche: Frieden nicht gegen, sondern mit Russland, ein ständiges Aufnehmen von immer neuen Verhandlungen und Gesprächen, auch über die reine Umsetzung von Minsk hinaus. Kurzfristig brauchen wir den Waffenstillstand, mittelfristig brauchen wir wieder mehr Miteinander und ein Ende des Blockdenkens. Das kann aber nicht nur von der Europäischen Union allein geleistet werden, da braucht es auch ein Umdenken in Russland. Die nationalistische Karte und die Abgren­zung zum Westen gefährden das natürlich massiv.

Vielleicht als letzter Punkt: In der Ukraine ist es aus meiner Sicht natürlich notwendig, die Reformen, die anstehen, auch wirklich umzusetzen. Insbesondere die Verfassungs­reform mit Dezentralisierungselementen kann auch ein Beitrag dazu sein, in diesem Konflikt voranzukommen. Dass wir hier humanitäre Hilfe leisten, ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit und absolute Notwendigkeit. Ich habe es schon angespro­chen: Knapp 2 Millionen Menschen sind mittlerweile auf der Flucht – und das in unse­rer unmittelbaren Nachbarschaft –, das ist etwas, wo wir gefordert sind und auch wei­terhin einen Beitrag leisten werden.

Alles in allem fürchte ich, dass uns dieser Konflikt noch lange beschäftigen wird. Ich habe im Gespräch mit Außenminister Lawrow, als wir über den OSZE-Vorsitz Öster­reichs 2017 gesprochen haben, gesagt, dass ich hoffe, dass das Thema Ukraine dann nicht mehr im Zentrum unseres Vorsitzes in der OSZE stehen wird. Er hat mir da­raufhin geantwortet, dass man das zwar hoffen kann, dass er aber nicht davon aus­geht, dass sich diese Hoffnung erfüllen wird. Insofern fürchte ich, dass uns dieser Kon­flikt noch länger begleiten wird.

Betreffend das Arbeitsprogramm möchte ich mich denjenigen anschließen, die schon Dank geäußert haben. Ich danke dem ganzen Team im Außenministerium, das daran gearbeitet hat, ganz besonders aber unserer Abteilungsleiterin Dr. Kornfeind, die haupt­verantwortlich für dieses Arbeitsprogramm ist. Es ist dazu inhaltlich schon vieles ge­sagt worden; erlauben Sie mir einen letzten Satz, den ich auch für wichtig erachte: Es ist ein Arbeitsprogramm für 2015. Ich habe im letzten Jahr im Außenministerium erler­nen müssen, dass man sich zwar vieles vornehmen kann, dass aber viele Krisen dann durchaus auch Anlass dazu bieten, einen anderen oder neuen Schwerpunkt zu set­zen – insofern sind wir auch da nicht gefeit.

Es ist unser Arbeitsprogramm für dieses Jahr, wir müssen aber auch klar sagen, dass wahrscheinlich die eine oder andere Krise, oder die eine oder andere Entwicklung jetzt noch nicht planbar ist. – Vielen Dank für die Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

13.45

13.45.50

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 98

Ich begrüße recht herzlich Herrn Bundesminister Stöger. (Allgemeiner Beifall.)

13.46.158. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (510 d.B. und 547 d.B. sowie 9358/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 geän­dert wird (511 d.B. und 548 d.B. sowie 9359/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Bitte um den Bericht.

 


13.46.45

Berichterstatter Günther Novak: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird. Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor und der Inhalt ist bekannt.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zum zweiten Bericht: Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffentlicher Personennah- und Regionalver­kehrsgesetz 1999 geändert wird. Der Bericht liegt Ihnen auch in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


13.48.20

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe KollegInnen und Gäste hier im Haus! Die beiden Gesetzesvorlagen, die wir hier verhandeln, wurden – spät, aber doch – nach einem EU-Vertragsverletzungs­verfahren an die textlichen Vorgaben der sogenannten PSO-Verordnung angepasst, die schon 2009 in Kraft getreten ist.

PSO steht für Public Service Obligation – betreffend die öffentlichen Personenverkehrs­dienste auf Schiene und Straße –, also für Verpflichtungen, die mit der Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen verbunden sind. Die Finanzierung und Bestellung im öf­fentlichen Nah- und Regionalverkehr erfolgen durch die Gemeinden, Bundesländer und den Bund. Diese Verordnung von 2007 ist, wie gesagt, schon 2009 in Kraft getreten und regelt, wie diese gemeinwirtschaftlichen Leistungen im öffentlichen Verkehr in Auf­trag gegeben werden, wie Ausgleichszahlungen erfolgen und wie Konzessionen zum Betrieb von Buslinien vergeben werden dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 99

Als Ziel der Novelle wird die effiziente und rechtssichere Anwendung dieser EU-Ver­ordnung in Österreich genannt; dieses Ziel wird jedoch schon in den Erläuterungen wie­der zurückgenommen. In den Erläuterungen steht nämlich größere Rechtssicherheit drinnen.

Zudem sind die seit der 2010 schon erfolgten Begutachtung vorgenommenen Ände­rungen nicht nochmals öffentlich dargelegt worden. Es macht nämlich zum Beispiel schon einen sehr grundlegenden Unterschied, ob die Ziele der Planung, wie es bisher im Entwurf gestanden ist, oder ob nur die Ziele der Verkehrsplanung, wie bei dieser Re­gierungsvorlage, zu berücksichtigen oder zu unterstützen sind.

Die wichtige Frage von Qualitäts- und Sozialkriterien bei der Ausschreibung bleibt auch auf der Gesetzesebene unerledigt, obwohl entsprechende Missstände bereits seit Jah­ren für Kritik sorgen. Es wird weiterhin das Billigstbieter- und nicht das Bestbieterprin­zip angewandt. Im Ausschuss des Nationalrates ist dann ergänzt worden, dass es da­zu jetzt einen Leitfaden durch das BMVIT geben soll. Das ist okay, dem haben wir auch zustimmt – wohlwissend, dass es hier auch wirklich eher der kleinstmögliche Schritt ist, das umzusetzen.

Schließlich bleiben noch einige sehr wichtige Punkte in der Umsetzung offen. Die Pflich­ten der neuen Clearingstellen sind sehr vage gefasst; zum Beispiel sind eben Fristen für Auskünfte sehr vage geregelt. Wie die Landesstelle Zahlungsflüsse zwischen Städ­ten und städtischen Verkehrsbetrieben erfassen soll, bleibt in dieser Novelle ebenfalls offen. Es ist keine Verankerung der Städte als Aufgabenträger im Öffentlicher Personen­nah- und Regionalverkehrsgesetz und im Kraftfahrzeugliniengesetz vorgesehen. Es sind hier eigentlich nur die Länder genannt, und es gibt keine Strukturreformen hin­sichtlich der Zusammenarbeit zwischen den Aufgabenträgerebenen. Dadurch erfolgt auch keine Sicherstellung der Gestaltbarkeit des öffentlichen Verkehrssystems in den Städten durch diese als Aufgabenträger. Daher werden wir diesen beiden Gesetzes­vorlagen unsere Zustimmung nicht geben.

Noch nicht, denn letzte Woche war LandesverkehrsreferentInnenkonferenz in Tirol, und da wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich genau mit den Punkten, die ich gerade angesprochen habe, befassen soll, nämlich sich diese Problematik von Ballungsräumen und im Stadtumland eingehender anzusehen und eine Lösung dafür zu finden. Darauf bin ich schon sehr gespannt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.51


Präsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


13.52.04

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Öffentliche Ver­kehrsmittel erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Jahr für Jahr steigt die Zahl der Rei­senden, die die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, um komfortabel und stressfrei an ihr Ziel zu kommen. Sie entgehen Staus, trotzen großteils auch wetterbedingten Verzöge­rungen und genießen stattdessen eine entspannte Reise in modernen Fahrzeugen bei Bahn oder Bus. Die steigenden Personenbeförderungszahlen beweisen das auf jeden Fall. Das wird natürlich auch von der Stärkung der Fahrgastrechte im Eisenbahnver­kehr unterstützt.

Man sieht auch, dort, wo Angebot, Serviceleistungen, Qualität und Zuverlässigkeit ge­boten wird, nutzt der Fahrgast die Öffis, sprich die Verkehrsunternehmen. Die Bediens­teten der Verkehrsunternehmen leisten daher einen ganz wesentlichen Teil für die Mo­bilität der Menschen und dadurch eine tolle Arbeit.

Gerade für uns als Länderkammer ist es natürlich besonders wichtig, dass neben den Ballungszentren, den Hauptverkehrsadern auch die Regionen entsprechend mit öffent-


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lichen Verkehrsmitteln erreichbar sind und der öffentliche Verkehr – das heißt die re­gionalen Verkehrsverbindungen, sprich Schiene und Bus – gut abgestimmt und koordi­niert ist.

Apropos Bus: Im ersten Punkt dieser Gesetzesnovelle geht es um den Kraftfahrlinien­verkehr; darin wird das Kraftfahrliniengesetz aufgrund der PSO-Verordnung – wie es meine Kollegin vorher gesagt hat – entsprechend adaptiert und die gesetzlichen Rah­menbedingungen werden dementsprechend angepasst.

Die lange Umsetzungszeit zeigt aber – auch das wurde im Ausschuss angesprochen –, dass viele schwierige Gespräche mit den Beteiligten vorangegangen sind, die aber schlussendlich mit dieser Gesetzesnovelle zu einem gemeinsamen Ergebnis führten; einiges mehr enthalten. Betreffend Konzession ist aber schon anzumerken, dass gera­de bei der Ausschreibung von Verkehrsdiensteverträgen durch die öffentliche Hand – die Kollegin von den Grünen hat es angesprochen – das Bestbieterprinzip gelten soll/gel­ten muss, denn es gibt genügend Beispiele im liberalisierten Verkehr, bei denen auf­grund der Zuteilung nach dem Billigstbieterprinzip entsprechend negative Auswirkun­gen auch für die Fahrgäste eingesetzt haben.

Daher freut es mich ganz besonders, dass der Herr Bundesminister bei der Landesver­kehrsreferentenkonferenz einen Empfehlungskatalog für den Busverkehr mit Vergabe­kriterien vorgestellt hat, sodass ausschreibende Stellen von Bund, Ländern und Ge­meinden qualitative und soziale Maßgaben für ihre Entscheidungen haben.

Im zweiten zu diskutierenden Punkt geht es um die Gesetzesnovelle zum öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetz. Österreich ist ein Land, in dem in die Infra­struktur, sei es in die Straße oder Schiene, sehr viel Geld investiert wird. Die eingangs erwähnten tollen Steigerungsraten bei der Zahl der Fahrgäste beweisen aber auch, dass diese Investitionen in die Infrastruktur, aber auch die Förderung von gemeinwirt­schaftlichen Leistungen, Zahlungen der öffentlichen Hand für den Betrieb des öffentli­chen Personen- und Regionalverkehrs wichtig und richtig sind, denn Investitionen schaffen auch Arbeitsplätze, und das ist da sicherlich der Fall. Dass natürlich diese Zahlungen, wie es auch klar in § 30 dieser Regierungsvorlage steht, entsprechend trans­parent dargestellt werden sollen und dass eine einzige Stelle diese Zahlungsflüsse über­wachen soll, spricht dafür.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zusammenfassend zu den beiden Punkten möchte ich aber klar sagen, dass Ausgleichszahlungen für die Verkehrsunternehmen auch in Zukunft entsprechend gewährleistet sein müssen, um das hohe öffentliche Fahrplan­angebot weiter erhalten zu können, und dass bei der Vergabe von Verkehrsleistungen an Verkehrsunternehmen durch die öffentliche Hand vor allem das Bestbieterprinzip zur Anwendung kommen soll.

Meine Partei wird beiden Gesetzesnovellen ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schö­dinger. – Bitte.

 


13.57.13

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, in meiner Re­de ein bisschen auf die Änderung des Kraftfahrliniengesetzes einzugehen – nicht des­wegen, weil sie jetzt im Nationalrat beschlossen ist, sondern, weil wir in Österreich re­lativ spät mit dem Beschluss dieses Gesetzes zurande gekommen sind.

Ich möchte dazu schon eigene Erfahrungen erzählen, die mir eigentlich, wenn wir das zeitgerecht angegangen wären oder wenn wir vielleicht schon weiter vorausgedacht hät-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 101

ten, so nicht passiert wären. Meine Gemeinde, in der ich Bürgermeister bin, liegt direkt vor Bratislava, und es ist nicht nur meine Gemeinde, sondern es sind mehrere Ge­meinden – wie die Stadt Hainburg, Kittsee und dergleichen –, die in den letzten zehn Jahren einen starken Bevölkerungswandel hinnehmen mussten.

Wir haben im Hinblick auf diesen Bevölkerungswandel, auf die Freizeit- und Berufs­interessen unserer neuen Bevölkerungsschichten einiges darangesetzt, um entspre­chende öffentliche Verkehrsverbindungen anbieten zu können. So war es mir ein Anlie­gen, dass wir eine intensivere, eine stündliche Busverbindung – nicht nur einmal am Tag – nach Bratislava, in diese Großstadt bekommen.

Mein erster Ansprechpartner war das Postbusunternehmen der ÖBB. Die haben mir ge­sagt, sie können das schon anbieten, aber eine Fahrt würde 5 € kosten – Das sind 5 Kilometer, ich habe geglaubt, ich höre nicht richtig –, ansonsten können sie in diesem Punkt nichts machen. Ich habe denen gesagt, dass ich mir das anschauen werde, und habe mich dann mit den städtischen Busbetrieben der Stadt Bratislava in Verbindung gesetzt. Die haben gesagt, dass sie kommen, fahren und das auch machen. Wobei ich bei der ersten Besprechung wieder sehr nüchtern geworden bin, als mir die Vertreter der ÖBB gesagt haben – so ganz süffisant und locker –, dass, so lange sie hier etwas zu sagen haben, die nicht in Österreich fahren. Bumm! Jetzt bin ich dagestanden und die haben schon Busse bestellt gehabt.

Ich habe es dann aber zustande gebracht – mit politischer Hilfe auf allen Ebenen und auch aus vielen Parteien, muss ich dazu sagen –, dass diese Kraftfahrlinien, die zu den städtischen Busbetrieben in Bratislava gehören, auch die Konzession bekommen haben. Die Kosten für eine Fahrt von Wolfsthal/Hainburg nach Bratislava beliefen sich auf 1,50 €, das heißt, das hat sich im Prinzip jeder leisten können.

Jetzt kommt die eigentliche Pointe dieser Geschichte: Diese Linie wurde ein Riesen­erfolg, weil einfach der Bedarf da war. Und plötzlich haben die ÖBB gesagt, wir fahren jetzt um 75 Cent; die haben das auch gemacht. Es ist deswegen auch nicht zu einem wirtschaftlichen Desaster geworden, sondern es haben beide bis heute dieses Angebot aufrechterhalten können; und ich glaube, dass wir gerade, was das betrifft, doch ein wenig Flexibilität an den Tag legen sollten.

Ich bin also froh darüber, dass das heute beschlossen wird. Ich bin auch froh darüber, dass dieser Bereich liberalisiert wird, eben infolge dieser EU-Verordnung 1370 aus dem Jahr 2007. Es ist mir persönlich sehr wichtig, dass wir eine Europäisierung des öf­fentlichen Verkehrs miterleben und der öffentliche Verkehr mit den im Zuge der Euro­päisierung geänderten Lebensverhältnissen Schritt halten kann.

Ich weiß, dass nicht alles, was da glänzt, Gold ist. Mir ist auch klar, dass struktur­schwache Gebiete in diesem ganzen Regelwerk entsprechend berücksichtigt werden müssen. Aber es ist auch für uns notwendig – gerade dort, wo es auch wirtschaftlich ein Erfolg ist, wo wir in der Lage sind, diese Verkehrslinien gewinnbringend zu betrei­ben –, dass wir das dort anbieten, was die Kundschaft verlangt. Daher ist mir das ein Anliegen.

Und es heute wirklich eine Genugtuung für mich, dass wir eine europäische Liberali­sierung des Kraftfahrliniengesetzes hier im Bundesrat beschließen dürfen. Abschlie­ßend ein Satz, der mir wichtig ist: Wir leben nicht nur in Europa, sondern wir leben auch Europa. – Danke, Herr Minister. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.01


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Krusche zu Wort gemel­det. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 102

14.01.51

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es geht hier um zwei Materien: Kraftfahrlinien, Personen- und Regionalverkehr. Ge­statten Sie mir, dass ich als steirischer Bundesrat eingangs die Gelegenheit nütze, mei­ne tiefe Bestürzung über das S-Bahn-Unglück in der Steiermark zum Ausdruck zu brin­gen. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen des getöteten Lokführers – und die besten Genesungswünsche an alle Verletzten, in der Hoffnung, dass sie keine bleibenden Schäden davontragen werden.

Die Gesetzesmaterien selber finden unsere Zustimmung. Es wurde ja bereits viel dazu gesagt; Rechtssicherheit, Effizienz und Transparenz sollen gesteigert werden. Das ist grundsätzlich zu befürworten, wenngleich ich glaube, dass es auch auf diesem Gebiet noch viel zu tun gibt – so, wie es offensichtlich bei der Sicherheit noch einiges zu tun gibt, wie wir vorhin gehört haben, auch im Eisenbahnbereich.

Aber auch da ist noch Handlungsbedarf gegeben, damit die Verfahren rascher abge­wickelt werden, damit es nicht fast jahrelang dauert, um eine kleine Änderung einer Li­nienführung eines städtischen Busses durchzuführen.

Es geht auch darum, dass wir nicht diese skurrilen Situationen bei den Haltestellen haben. Beispielsweise in Leoben. Da gibt es einen Rufbus, dessen Strecke sich zu ei­nem kleinen Teil mit jener eines anderen Busses überschneidet, der allerdings von ei­nem anderen Verkehrsdienstleister betrieben wird. Dabei ist es nicht möglich, eine Hal­testelle gemeinsam zu nützen, weil der andere das nicht zulässt. So gibt es dort eine zusätzliche Haltestelle.

Ich denke, da gäbe es im Sinne der Kundenfreundlichkeit und der Attraktivierung des öffentlichen Personennahverkehrs sicherlich noch viel zu tun. Ich habe gehört, im Bereich der Haltestellen ist etwas in Vorbereitung. Ich hoffe, dass dieser Weg konse­quent weitergegangen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Gödl zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


14.05.00

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der Public Service Obligations-Verordnung rückt, wie Kollegin Schreyer schon erklärt hat, in diesem Fall den öffentlichen Verkehr in den Fokus. Und mit der Umsetzung dieser beiden Geset­zesmaterien – Kraftfahrliniengesetz und Öffentlicher Personennah- und Regionalver­kehrsgesetz – rückt auch die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in den Fokus.

Es ist immer gut und richtig, in diesem Bereich absolute Transparenz einzufordern, denn es ist ja nicht wenig, was die österreichische Steuerzahlerin und der österreichi­sche Steuerzahler in den öffentlichen Verkehr investieren.

Ich habe mich hier schon mal geoutet als Fan und regelmäßiger Nutzer des öffentli­chen Verkehrs in allen seinen Varianten. Da bin ich der ganz großen Überzeugung, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten der öffentliche Verkehr an Bedeutung gewinnen wird; denn dem Bereich der Mobilität steht, denke ich, insgesamt eine echte Revolution bevor.

Da meine ich gar nicht so sehr das Thema „selbstfahrende Autos“ – das soll ja auch ganz stark im Kommen sein, wird unter anderem auch in der Steiermark forschungs­mäßig unterstützt –, sondern da meine ich auch die „Revolution“, die sich dadurch er­gibt, dass durch die neuen Kommunikationsmethoden, Internetangebote die Mobilität ein enormes Aktionsfeld für die gesamte Sharing-Community wird.


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Man kann Dienstleistungen also viel leichter abrufen, viel leichter organisieren, weil man heute mit iPads und Smartphones einfach sehr schnell die wichtigen Informa­tionen bekommt, die den öffentlichen Verkehr zusätzlich attraktiver machen.

Auch in meiner Gemeinde haben wir so ein kleines Projekt umgesetzt, und es läuft wirklich hervorragend. Ich möchte Ihnen davon erzählen, auch wenn es vielleicht nicht direkt zum Bereich öffentlicher Verkehr gehört. In unserer Gemeinde steht nämlich seit zehn Monaten ein Elektroauto bereit. Das können sich die Bürgerinnen und Bürger, allerdings nur jene der Gemeinde, um 2 € pro Stunde ausleihen; sie können es übers Internet buchen.

Und da es so einfach ist, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, haben die Bür­gerinnen und Bürger in nur zehn Monaten, seit diese Dienstleistung von der Gemeinde betrieben wird, 20 000 Kilometer mit diesem Elektrofahrzeug zurückgelegt. Leichte Be­dienbarkeit und ein gutes neues Geschäftsmodell, kann man sagen.

Natürlich wird das durch öffentliches Geld unterstützt, mit 2 € pro Stunde kann man das Auto nicht finanzieren; aber da geht es aus Sicht der Gemeinde um den Anreiz, es geht darum, Elektromobilität erlebbar zu machen und diese kurzen Wege mit einer ökologisch vertretbaren Variante den Bürgerinnen und Bürger schmackhaft zu machen.

Mobilität ist ja in vielen Bereichen tatsächlich ein, wie ich schon gesagt habe, Sharing-Projekt. Ich bin heute in der Früh mit den ÖBB von Graz nach Wien gefahren und habe den Fahrdienstleiter gefragt: Wie viele Personen waren heute in diesem Zug? Es wa­ren über 200 Personen. Man hat also ein gemeinsames Mobilitätsbedürfnis, um sich in diesem Fall von Graz nach Wien zu bewegen, und über 200 Personen sitzen im glei­chen Fahrzeug.

Würde jeder dieser 200 Personen von Graz nach Wien mit dem Auto fahren, wäre es eine Katastrophe, das wären nämlich immerhin 40 000 Autokilometer. Selbst wenn man annimmt, es wären billige Autos, die wenig Treibstoff verbrauchen, würden min­destens 3 000 Liter Treibstoff verbraucht werden, vom CO2-Ausstoß ganz zu schweigen.

Ich habe den Lokführer dann noch gefragt, wie viele Kilowattstunden man für so eine Fahrt von Graz nach Wien braucht. Man braucht 3 000 Kilowattstunden für diese Fahrt. Das ist gar nicht so wenig, nämlich circa so viel wie ein kleiner Haushalt pro Jahr an Strom braucht. Aber wenn man es dann mit den 3 000 Litern an Treibstoff vergleicht, dann ist es doch eine sehr, sehr ökologische Variante der Mobilität und eben sehr, sehr nachhaltig.

Wir wissen, dass in Österreich sehr, sehr viele auf öffentlichen Verkehr zurückgreifen. Pro Jahr gibt es 265 Millionen Fahrgäste bei der Bahn und 600 Millionen Fahrgäste im Buslinienverkehr. Der öffentliche Verkehr ist also unbestritten ein wichtiger Faktor.

Unbestritten ist auch, dass der öffentliche Verkehr eine öffentliche Finanzierung benö­tigt. Damit wird auch unterstrichen, dass Mobilität ein Teil unserer Daseinsvorsorge ist. Es ist eine Aufgabe von Gemeinden, Ländern und auch vom Bund, diese Dienstleis­tungen der Allgemeinheit so bereitzustellen, dass sie auch angenommen werden, dass sie auch leistbar sind.

Gerade der öffentliche Verkehr ist ja hervorragend eingebettet in das Nachhaltigkeits­dreieck. Er ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll, und er soll natürlich unbedingt auch sozial verträglich sein. Es braucht also leistbare Konditionen. Wenn man jetzt wieder auf das Beispiel Graz-Wien zurückkommt, 18 € kostet die Fahrkarte von Graz nach Wien für diese 200 Kilometer. Billiger kann man, genau genommen, nicht fahren; mit keinem Auto kann man sich so billig von Graz nach Wien bewegen.

Der Preis ist sicher wesentlich, aber auch die Qualität ist wichtig, Dinge wie Pünkt­lichkeit und Ausstattung. Auch da haben die ÖBB in den letzten Jahren große Fort-


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schritte erzielt, nämlich mit der Implementierung der Railjets. Aber auch die privaten Bus­anbieter, die Städte verbinden, sind ganz schön unterwegs; Fernbus, FlixBus und wie sie alle heißen, sind eine echt gute Konkurrenz im öffentlichen Verkehr.

Aber der springende Punkt ist eben die Finanzierung. In diese heutigen Novelle des Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetzes geht es ja genau darum, dass eine Stelle in den Ländern eingerichtet wird.

Das hat schon Sinn, Frau Mag. Schreyer, dass das in den Ländern ist, weil es doch die Länder sind, die diesen Personennahverkehr organisieren sollen. Das soll ja nicht von Wien aus organisiert werden, sondern die Steirer organisieren anders als vielleicht die Tiroler und die Vorarlberger. Und gerade die Wiener müssen es ganz anders organi­sieren, weil Wien eine Großstadt ist. Daher ist es richtig im Sinne eines gesunden Fö­deralismus, dass in den Ländern die Hauptverantwortung getragen wird.

Da kommt natürlich eine kritische Anmerkung, gerade aus der Steiermark. Wir befin­den uns ja gerade in der Wahlbewegung für die nächste Landtagswahl, und da geht es auch um die Fragen, wie wir Mobilität in Zukunft finanzieren können. Einerseits haben wir den städtischen Ballungsraum Graz und Graz-Umgebung, andererseits haben wir natürlich auch Mobilitätsbedürfnisse in den ländlichen Regionen, die maßgeblich und wichtig sind, um ländliche Regionen überhaupt vital zu erhalten.

Natürlich sehen wir es kritisch, wie wahrscheinlich einige in diesem Haus, wenn sich der Bund bei der Finanzierung in den Ländern prinzipiell nicht beteiligt, aber in der Stadt Wien bei der U-Bahn sehr wohl, nämlich mit 50 Prozent der Kosten. Ich glaube, das liegt daran, dass die U-Bahn als Eisenbahn gewertet wird, während Straßenbah­nen, Buslinien und dergleichen nicht als bundesbezogen bewertet werden.

Daher fordern wir da die Gleichstellung aller Länderinteressen. Allerdings bin ich nicht dafür, dass sich der Bund überall beteiligt. Der Bund soll sich nirgends beteiligen, son­dern der Finanzausgleich soll so ausgestaltet sein, dass alle Länder in Bezug auf die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs gleich bedient werden. Daher ist diese Gesetzesnovelle, mit der die Transparenz dieser öffentlichen Finanzströme ver­bessert wird, äußerst begrüßenswert.

Übrigens, darauf wollte ich noch hinweisen, das ist gestern in der Zeitung gestanden: Die Linzer bauen jetzt die Straßenbahn auch unterirdisch. (Bundesrat Krusche: Das machen die aber schon lang!) Ich glaube, sie wollen auch die Förderung haben; denn für die U-Bahn bekommt man ja eine eigene Förderung des Bundes. Die Linzer sind da dabei, das stand gestern in der Zeitung. (Der Redner hält den „Kurier“ vom 5. Mai 2015 mit der Schlagzeile „Straßenbahn fährt unterirdisch“ in die Höhe.) – Ich glaube, die wol­len auch diese Förderung für die U-Bahn bekommen.

Spaß beiseite: Ich habe schon gesagt, der Finanzausgleich muss das Instrument sein, um den öffentlichen Verkehr gleichmäßig in ganz Österreich gut zu unterstützen.

Conclusio: Mit diesen beiden Novellen wird die Rechtssicherheit und Transparenz im Bereich des öffentlichen Verkehrs gestärkt, und es ist gleichzeitig ein unabdingbares Bekenntnis zu dieser öffentlichen Aufgabe. Das ist auch gut so, denn wir stehen oh­nedies am Anfang einer wirklich weitreichenden Revolution von Mobilitätsangeboten und eines veränderten Mobilitätsverhaltens der Menschen. Und die Stärkung des öf­fentlichen Personenverkehrs wird dabei eine wichtige Rolle spielen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 105

14.13


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Herr Bundesminister Stöger zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Minister.

 


14.13.45

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es ist mir ein Bedürfnis, auf diese beiden Gesetzes­materien ganz besonders hinzuweisen, weil wir bei diesen Gesetzen sehr deutlich ma­chen, worum es geht.

Es ist angesprochen worden, wir müssen dem Thema Mobilität der Menschen größe­res Augenmerk schenken. Es geht um Mobilität. Mobilität ist auch ein Ausdruck von individueller Freiheit. Ich sage das bewusst 70 Jahre nach Wiederrichtung der Demo­kratie in Österreich und zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch autoritärer Systeme in unserer Nähe, die die Freiheit der Menschen begrenzten.

Es war ein großer Schritt, dass wir die Grenzen in Europa reduziert haben. Das wird deutlich, wenn man an den Grenzen keine Pässe mehr braucht und wenn man unge­hindert nationale Grenzen passieren kann.

Wenn es um Freiheit geht, geht es unter anderem um die Frage: Können sich die Men­schen in einem Land bewegen? Die Menschen können sich in einem Land dann bewe­gen, wenn es Verkehrsinfrastruktur gibt; wenn wir Straßen haben, die benutzbar sind, wenn wir Autobahnen haben, die die Menschen, die Städte miteinander verbinden. Dann können sich die Menschen bewegen und ihre Freiheit selber gestalten, und da­rum geht es.

Daher ist es mir so wichtig, dass wir in Österreich für Menschen kollektive Angebote schaffen. Und wir tun das, wir schaffen kollektive Angebote und bieten den Menschen eine größere Freiheit an. Die Österreicherinnen und Österreicher akzeptieren das. Wir sind zum Beispiel das Bahnfahrerland Nummer eins in der Europäischen Union gewor­den, weil die Qualität stimmt, das Angebot stimmt und weil wir in den letzten Jahren einiges verbessert haben.

Damit das auch so bleibt, ist es auch ganz wichtig, dass wir erstens jetzt investieren und zweitens ein Finanzierungs- und Ausschreibungsmodell haben, wo Qualitätskrite­rien eine ganz entscheidende Rolle spielen. Das ist mir ganz wichtig.

Ich bedanke mich beim Parlament und beim Ausschuss im Nationalrat, weil sie unsere Position gestärkt haben, wenn es um soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe von Verkehrsleistungen geht, weil sie das eigentlich der Bundesregierung als Auftrag ge­geben haben.

Ich habe im Einvernehmen mit den Landesverkehrsreferenten einen Kriterienkatalog erarbeitet, denn Sie auf der Homepage des Ministeriums finden. Die Verkehrsdienste­anbieter beziehungsweise Verkehrsverbünde müssen in der Zukunft diese Kriterien bei Ausschreibungen anwenden. Damit haben wir einen großen Beitrag zu mehr Rechtssi­cherheit geschaffen.

Gestatten Sie mir zwei Anmerkungen zu den Wortmeldungen. Frau Schreyer betref­fend: Wir haben kein Vertragsverletzungsverfahren gehabt. Ich sage es nur der Ord­nung halber dazu. Es hat da Diskussionen gegeben.

Was mir wichtig ist, und darauf wollte ich noch hinweisen: Es geht darum, dass man Verkehrspolitik aus der Bedürfnislage von Konsumentinnen und Konsumenten disku­tiert. Dafür werde ich mich immer einsetzen.

Das Mobilitätsbedürfnis beginnt weder am Bahnhof noch an der Haltestelle, sondern es beginnt wahrscheinlich, wenn ich die Wohnungstür schließe. Und da kann schon der Lift das erste Problem sein, wenn es um Menschen geht, die Beeinträchtigungen ha­ben. Und dann kann es auch mal um Durchgänge in der Städteplanung gehen: Wie habe ich den kürzesten Weg und wie komme ich über eine schnellbefahrene Straße? All das müssen wir gemeinsam im Auge haben und uns daher auch weiterentwickeln.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 106

Ja, es ist tatsächlich so, dass wenn 200 Menschen zum gleichen Zeitpunkt von Graz nach Wien fahren, der niedrigste Energiebedarf ist, der niedrigste Raumbedarf ist und eigentlich das kostengünstigste Verkehrsmittel genutzt wird.

Ich kann nur unterstreichen, was Bundesrat Gödl gesagt hat. In einem Punkt muss ich widersprechen: Der Bund ist zuständig, wenn es um Eisenbahnen geht. Da finanzieren wir mit, unabhängig davon, wo sich diese Eisenbahn befindet. Eine Straßenbahn, auch wenn sie im Tunnel geführt ist, bleibt eine Straßenbahn und fährt nach der Straßenver­kehrsordnung, und das macht den Unterschied aus. Die U-Bahn hingegen ist eine Ei­senbahn, weil sie nicht nach der Straßenverkehrsordnung fährt, und das macht den Unterschied aus. (Zwischenruf des Bundesrates Gödl.)

Ich nenne ein Beispiel. Ich führe jetzt nicht Finanzausgleichsverhandlungen, aber ganz deutlich ist: Wir finanzieren zum Beispiel in der Steiermark die GKB. Das ist eine Eisenbahn, die nur in der Steiermark fährt, woanders nicht, und zu 100 Prozent aus Bun­desmitteln getragen wird.

Es gibt ein paar Gemeindebeteiligungen bei Bahnhöfen. Wir finanzieren auch zu 50 Pro­zent die Privatbahn der Steiermärkischen Landesbahnen. Wir fördern zum Beispiel auch, wenn eine Stadt eine Eisenbahn als öffentliches Verkehrsmittel nutzt. Das ist dann dieselbe Finanzierung, wie wenn es sich um eine Regionalbahn handelt. Ich wollte das nur deutlich dazu sagen. Es ist mir wichtig, dass auch die Mitglieder des Bundesrates das wissen. Es ist unabhängig davon, wo ein Verkehrsmittel eingesetzt wird, ob es städtisch oder ländlich ist, es hängt immer davon ab, ob es ein gesicherter Fahrraum wie bei der Eisenbahn ist – dann zahlt der Bund mit. Wenn es ein nicht ge­sicherter Fahrraum ist und nach der Straßenverkehrsordnung gefahren wird, dann ist es die Aufgabe von Ländern und Gemeinden.

Ich wollte darauf hinweisen, dass es deswegen notwendig ist, dass die Bundesländer die Entscheidungen treffen – es ist die Problematik zwischen Städten und Ländern an­gesprochen worden –, weil städtische Verkehrsmittel nur dann nutzen, wenn auch das Umland eingebunden ist. Wenn ich mir Linz anschaue, dann muss ich den Raum von Enns bis Eferding im Auge haben, und dafür ist nicht nur die Stadt zuständig. (Bundes­rat Kneifel: Oder von Hagenberg nach Steyr!) Oder von Hagenberg bis Steyr. Ich woll­te nur ein Beispiel nennen.

Mir ist wichtig, dass dabei die Landesregierungen auch eine besondere Verantwortung haben, und aufgrund der Verfassung muss ich mich an die Landesregierungen wenden und kann nicht nur den Blick auf die einzelnen Städte richten. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.21

14.21.10

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffentlicher Personennah- und Regio­nalverkehrsgesetz 1999 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 107

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.22.4210. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte erlas­sen wird und das Eisenbahngesetz 1957, das Kraftfahrliniengesetz, das Luft­fahrtgesetz, das Schifffahrtsgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperations­gesetz geändert werden (Passagier- und Fahrgastrechteagenturgesetz – PFAG) (460 d.B. und 551 d.B. sowie 9360/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


14.22.56

Berichterstatter Michael Lampel: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte erlassen wird und das Eisenbahngesetz 1957, das Kraftfahrliniengesetz, das Luftfahrtgesetz, das Schifffahrtsgesetz und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


14.23.55

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Gäste hier und vor den Bildschirmen zu Hause! Die Neure­gelung der Fahrgastrechte und die damit verbundene Weiterentwicklung begrüßen wir Grünen natürlich, so wie wir uns schon seit Jahren für mehr und verbesserte Konsu­mentInnenrechte einsetzen. Ich habe gerade ein sehr, sehr starkes Déjà-vu, weil wir uns vor nicht einmal zwei Monaten eine ganze Aktuelle Stunde lang mit der Passagier- und Fahrgastrechteagentur, der PFAG gewidmet haben. Deshalb werde ich mich jetzt sehr kurz fassen.

Mit dem heute zu diskutierenden Passagier- und Fahrgastrechteagenturgesetz, dem PFAG, wird die derzeit mit drei Personen besetzte Beschwerdestelle für den Bahnver­kehr, die bei der Schienen-Control GmbH angesiedelt ist, mit der derzeit im BMVIT an­gesiedelten Stelle für den Flugverkehr zusammengeführt.

Es kommen dort auch noch die Zuständigkeiten für Fahrgastrechte im Schiffs- und Bus­verkehr dazu. Die hat es bisher noch nicht gegeben, was auch EU-widrig war, und wo­für wir auch vor zwei Monaten wirklich eine Klage von der EU bekommen haben. Ent­stehen wird die neue Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte. Die wird bei der Schienen-Control GmbH angesiedelt und soll insgesamt sechs Personen beschäftigen. Die Jahreskosten werden auf knapp 600 000 € geschätzt.

Damit man sich ein bisserl vorstellen kann, worum es dabei geht, wie das genaue Auf­gabenfeld und die Größenordnung ist: Pro Jahr gibt es derzeit im Bahnbereich etwa 800 Beschwerdefälle. Da geht es um Verspätungen, um versäumte Anschlüsse, Nicht-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 108

erstattung trotz Ticketstornierungen und so weiter. Und es gibt – mit einer stark stei­genden Tendenz – im Flugverkehr 1 500 Fälle. Der Ablauf ist derzeit und auch zukünf­tig geplant folgendermaßen: Zuerst muss sich der oder die Geschädigte beim entspre­chenden Verkehrsunternehmen oder gegebenenfalls auch beim Verkehrsverbund um eine Lösung bemühen. Die muss versucht beziehungsweise verlangt werden – und erst dann, wenn es nicht zu einer Lösung kommt, oder diese nicht dementsprechend gelingt, ist diese neu geschaffene Beschwerdeagentur am Zug.

Das finden wir ja prinzipiell sehr gut, eine gemeinsame Stelle ist sicher auch sehr kun­dInnen- und konsumentInnenfreundlich. Aber wir haben ja vor zwei Monaten auch schon unseren großen Kritikpunkt an dem neuen Gesetz und an der neuen Agentur angebracht. Der Grund, warum wir dieses Gesetz ablehnen werden, ist die Finanzie­rung dieser Agentur. Die Unternehmen, also Bus-, Bahn-, Schifffahrts- und Fluggesell­schaften, machen durch Qualitätsmängel oder mangelnde Kundenfreundlichkeit die Agentur und ihren Arbeitsaufwand ja überhaupt erst notwendig. Aber genau diese Ge­sellschaften sollen nun nur 40 Prozent der Kosten bezahlen und das auch noch gede­ckelt pro Fall. 60 Prozent der Kosten, die durch die neue Agentur entstehen, sollen die SteuerzahlerInnen selbst, also die Fahrgäste bezahlen. Das finden wir einfach nicht richtig und deswegen werden wir unsere Zustimmung nicht geben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.27


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


14.27.34

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über dieses Bundesgesetz in einer Fragestunde schon sehr ausführlich diskutiert, und ich denke, dass ich jetzt nicht mehr alles wiederholen und re-formulieren muss, was Frau Mag. Schreyer schon ge­sagt hat. Ich möchte nur kurz darauf eingehen, was sich verändert und vielleicht etwas verdichten, dass mit diesem vorgeschlagenen Bundesgesetz über die Agentur für Pas­sagier- und Fahrgastrechte zwei Ziele erreicht werden sollen.

Das eine Ziel ist die Verbesserung der Rechte der KonsumentInnen, also der Passa­giere. Das ist keine Frage, so soll es ja auch sein. Das erreicht man, indem man diese Schlichtungsstelle für die Schifffahrt und den Busverkehr einrichtet. Zweitens wird eine Vereinfachung der Verwaltung durchgeführt, da man künftig nur mehr in einer Stelle – und das übergreifend – handelt. Und das soll, da die Schienen-Control GmbH schon sehr professionell gearbeitet hat, dort stattfinden. (Vizepräsidentin Posch-Gruska über­nimmt den Vorsitz.)

Konkret sieht es nun so aus, dass die Fahrgäste bei ihren Anliegen und Beschwerden, zum Beispiel bei Verspätungen oder bei Annullierung der Reise, die Möglichkeit haben, etwas zurückzubekommen. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden oder falsch ge­lesen, aber dass man dort innerhalb von 90 Tagen eine Antwort bekommt, damit diese Dinge erledigt sind, das sollte auch heute so sein. Und dass das kostenfrei für den Konsumenten erledigt wird, das ist für mich jetzt das, was ich wahrscheinlich falsch verstanden habe, aber das ist so, dass 60 Prozent der anfallenden Mittel das Bundes­ministerium (Bundesrätin Schreyer: Der Steuerzahler!) – Na ja, okay.

Es kann sich auch irgendwann einmal verändern, aber wenn etwas neu beginnt, dann muss man es wie jedes andere Produkt auch am Markt einführen. Und 40 Prozent der Gesamtkosten wird der jeweilige Unternehmer oder das Reisebüro oder der Veran­stalter zu bezahlen haben. Darüber kann man darüber diskutieren, keine Frage. Da ha­ben Sie sicher recht, eben in Zeiten wie diesen. Aber diese Regelung wird mit Sicher-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 109

heit zu einer größeren Kundenzufriedenheit führen. Das ist das Um und Auf und in weiterer Folge vor allem eine schnellere Abführung dieser Beschwerdefälle.

Ich möchte noch zwei andere Sätze diesem Thema hinzufügen. Wir werden dem selbst­verständlich zustimmen.

Nun kurz zum Land Kärnten – eine Kollegin hat das ja auch schon gemacht hat –, und da ja Kundenzufriedenheit von Gästen mitimpliziert sind, möchte ich auf die aktuelle und schwierige Situation in Kärnten hinweisen, eben gerade bei dieser Gelegenheit hier in der Länderkammer. Wir brauchen und bitten um die Solidarität der anderen Bundesländer, um jetzt schnell, gleich und sofort einen Kredit von der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur zu bekommen. Ich erwähne das Thema Heta-Haftungen und möchte dazu eine kurze Stellungnahme abgeben.

Wir wissen, dass die Geschichte der Hypo Alpe-Adria Bank zum heutigen Tag großen politischen und vor allem wirtschaftlichen Schaden, nicht nur für Kärnten, sondern für ganz Österreich gebracht hat. Die politische Verantwortung wird gerade – das wissen wir auch – in einem Untersuchungsausschuss hier ermittelt; in Kärnten ist das auch schon geschehen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Kärnten braucht jetzt – ich unterstreiche jetzt – 343 Mil­lionen € von der Oesterreichischen Bundesfinanzierungsagentur. Allein davon müssen 183 Millionen € zur Schuldentilgung aufgebracht werden. Ich möchte das noch einmal verdeutlichen, weil das einfach so wichtig ist: Wir können am freien Markt kein Geld aufnehmen, weil wir 10,2 Milliarden € an Haftungen haben. Was das nach sich zieht, ist – und das ist das große Problem für uns in Kärnten –, dass vom Land keine Aufträ­ge vergeben werden können, dass leider Gottes in weiterer Folge Mitarbeiter davon betroffen sind, die in Betrieben nicht aufgenommen werden können. Ebenso liegen Pro­jekte auf Eis; Ermessensausgaben sind zurückgedreht worden.

Das alles betrifft den sozialen Wohnbau, Straßensanierungen, Kulturinitiativen und so weiter; also es steht in Kärnten im Grunde genommen alles still. Es gibt auch nur be­schränkte Mittel für Pflichtausgaben in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bil­dung. Also es ist also wirklich Gefahr im Verzug.

Deshalb bitte ich das Finanzministerium, bitte ich den Herrn Bundesminister für Finan­zen um schnelle und auf Augenhöhe geführte Verhandlungen, damit wir Entscheidun­gen treffen können – und dass nicht immer diese Haftungen in die Verhandlungen mit hineinkommen, sodass es also für uns Kärntnerinnen und Kärntner eine Perspektive auch für die Zukunft gibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.32


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Gödl. – Bitte.

 


14.32.50

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Minister! Ich melde mich, wie man sieht, immer gerne zu Verkehrsthemen zu Wort; ebenso Kollegin Schreyer, die das ja auch schon angesprochen hat. Wir hatten hier im Bundesrat am 12. März 2015 eine Aktuelle Stunde zum Thema Neuregelung der Fahrgastrechte. Damals gab es einige kritische Stimmen, auch meinerseits, dass man ein derart klei­nes Thema – sozusagen im großen Konzert gesehen – hier zum Thema einer Aktuel­len Stunde macht. Und da wir das heute ohnehin auf der Agenda haben, ist diese Kritik von damals, von mehreren Seiten vorgebracht, umso mehr gerechtfertigt, da es ja ab­sehbar war, dass im parlamentarischen Prozess dieses Thema hier auf die Tagesord­nung gebracht wird.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 110

Damals hätten wir zum Beispiel in der Aktuellen Stunde über die Themen Verkehr ins­gesamt oder aber auch Breitbandausbau diskutieren können. Diese Kritik vom 12. März möchte ich ausdrücklich aufrecht erhalten, weil der öffentliche Verkehr insgesamt eben nur als Gesamtpaket erfolgsversprechend ist. Und zu einem Gesamtpaket gehört mehr, wie Sie heute richtig gesagt haben, eben alles sozusagen von der Haustür weg.

Dazu gehört auch die Frage der Erreichbarkeit des öffentlichen Verkehrs, wie weit weg ist die nächste Haltestelle, und dazu gehört auch: Wie ist die Quantität der Transport­mittel vor Ort, wie ist die Qualität der Transportmittel? Wie oft fährt ein öffentliches Transportmittel, wie ist das Service im Transportmittel? Noch nicht ganz ausreichend ist zum Beispiel die Internetversorgung in Fernzügen. Und dazu gehört auch: Wie ist die Sauberkeit? Wie ist die Sicherheit? Leider aktuell ist gerade dieses Thema im Be­zirk Graz-Umgebung, mit dem tragischen Unfall gestern. Weitere Frage auch: Wie ist die Freundlichkeit des Personals?

Und am Ende dieser Kette steht eben die Durchsetzung von Fahrgastrechten, von Passagierrechten, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte.

Das Ziel, das wir mit diesem Gesetz erreichen wollen – ich bin daher echt perplex, dass da nicht alle zustimmen wollen –, ist: Wie können wir diese Fahrgastrechte – oh­ne große Bürokratie und vor allem ohne Risiko für die Fahrgäste – gewährleisten? Wenn man sich das genau angesehen hat, dann weiß man: Der Gang zur Schlich­tungsstelle ist sowieso nur die Ultima Ratio; nämlich dann, wenn es keine Einigung mit einem Unternehmen gibt.

Wir wissen ja aus der Statistik: Viele Fälle werden bereits im Vorfeld einigend abge­schlossen; nur die wenigsten Fälle kommen zu dieser Schlichtungsstelle. Ich glaube, vor zwei Jahren waren es, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, rund 750 Fälle, die dort gelandet sind.

Man geht davon aus – nachdem jetzt Flug, Bus, Bahn und Schifffahrt in dieser einen Agentur zusammengefasst sind –, dass es bis zu 3 000 Beschwerdefälle pro Jahr ge­ben wird. Wie gesagt, das ist eben entscheidend: eine Anlaufstelle, eine Schlichtungs­stelle, die quasi auch als Mediationsagentur agiert.

Da verstehe ich auch Ihre Kritik nicht, Frau Mag. Schreyer, wenn Sie meinen, die Un­ternehmen sollten 100 Prozent der Kosten zahlen. Das wäre doch quasi ein Präjudiz; Sie machen da quasi eine Vorverurteilung, dass bei jedem Fall das Unternehmen et­was falsch gemacht haben soll. – So ist es doch nicht! Die Schlichtungsstelle ist ja dafür eingesetzt, zu beurteilen: Ja, dieser Mangel war im Einflussbereich des Unter­nehmens – oder war es eben nicht! Aber das weiß man doch erst nach dem Urteil der Schlichtungsstelle, nach der Schlusserklärung der Schlichtungsstelle.

Deshalb gibt es überhaupt keinen Anlass dafür, warum die Unternehmen zu 100 Pro­zent für diese Kosten aufkommen sollen. Es ist das, wie ich meine, ein sehr ausge­wogener Weg, wenn man sagt: 60 Prozent seitens der öffentlichen Hand – damit es kein Kostenrisiko für den Passagier gibt – und 40 Prozent eben als Beitrag seitens der Unternehmen, weil es natürlich auch so sein wird, dass dieses oder jenes Unterneh­men falsch gehandelt hat.

So gesehen ist das mit der Implementierung dieser neuen Agentur eine perfekte Aus­gestaltung der Passagier-, der Fahrgastrechte. Selbstverständlich tragen wir von der ÖVP das mit, aber es hätte gereicht, heute hier ordentlich darüber zu diskutieren – und nicht eine Aktuelle Stunde vor zwei Monaten dafür herzunehmen. – In diesem Sinne al­les Gute. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.37


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 111

14.37.15

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Auch ich rede gern zu Verkehrsthemen, und auch ich halte, wie mein Vorredner, Kritik aufrecht, zwar jetzt nicht an dieser Gesetzesmaterie, sondern an der Zeitvergeudung, indem man innerhalb von nicht einmal zwei Monaten über dasselbe Thema zweimal hier diskutiert.

In einer Aktuellen Stunde hätte es – nachdem das ja sozusagen schon alles in der Pipeline war – wirklich interessantere, zumindest andere Themen gegeben, über die es zu sprechen wert gewesen wäre. Ich verzichte trotzdem darauf, meine Ausführungen zu diesem Thema aus der März-Sitzung zu wiederholen. Nur so viel: Es freut mich, Herr Bundesminister, dass Sie betonen, sehr großen Wert auf Qualität zu legen. Das ist jedenfalls eine Situation, bei der alle – sowohl die Konsumenten als auch die Zah­ler – profitieren.

Ziel sollte ja eigentlich sein, dass diese Beschwerdestelle sozusagen arbeitslos wird, das heißt, dass alle Fälle schon im Vorfeld gelöst werden beziehungsweise es über­haupt möglichst wenig Beschwerden gibt, weil eben die Qualität keinen Anlass zu Be­schwerden geben sollte.

Deshalb: Es ist in jedermanns Interesse, die Qualität zu steigern, denn wenn es ge­lingt, den öffentlichen Verkehr als die umweltfreundliche Alternative zum Individualver­kehr entsprechend zu stärken und mehr Menschen dazu zu bewegen, diese Verkehrs­mittel zu benützen, weil sie eben komfortabel und hoffentlich auch sicher sind, dann heißt das ja auch, dass der Finanzierungsbedarf aus der öffentlichen Hand eigentlich sinken müsste, zumindest auf Basis des gleichbleibenden Angebotes beziehungsweise Mittel freiwerden, um das Angebot zu erhöhen. Mehr zahlende Kunden bedeutet einen höheren Deckungsbeitrag, und damit haben alle etwas davon: die Konsumenten, der Steuerzahler und die Umwelt.

Deshalb werden wir diesem Gesetzesbeschluss unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.39


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


14.40.07

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Mi­nister! Meine Damen und Herren! Wir lieben die Fahrgastrechte. Ich glaube, es ist schon ein Vorteil, dass wir die Fahrgastrechte nicht drei Mal, in drei verschiedenen Gre­mien diskutieren müssen – einmal bei Schienen-Control, einmal beim BMVIT, und wer weiß, wo wir dann über die Schifffahrt diskutiert hätten. Ich glaube schon, dass es auch eine Verwaltungsvereinfachung ist, wenn wir diese drei Stellen – wir hätten ja eine drit­te Stelle benennen müssen – in einer zusammenfassen. Es stellt meiner Ansicht nach einen Vorteil dar, dass eine Mediation durchgeführt wird, wenn etwas nicht schon im Vorfeld geregelt werden kann. Mediationen haben den Vorteil, dass die Streitparteien freier und gelassener einander gegenüberstehen und es bei 99,9 Prozent zu einem Er­gebnis kommt.

Ich möchte mich bei den Unternehmen dafür bedanken, dass sie auf eine Kostenbetei­ligung von 60 : 40 eingegangen sind. Es ist natürlich für ein Unternehmen, sage ich einmal, schon auch ein Ansporn, eine Schlichtung schneller herbeizuführen, weil es kostengünstiger ist, es sofort zu machen, als bis zum jüngsten Tag mit unzufriedenen Fahrgästen zu diskutieren oder zu streiten.

Es ist auch ein Vorteil, wenn wir die Fahrgastrechte stärken und bei den Fahrgästen ei­ne bessere Zustimmung finden und eine größere Zufriedenheit haben. Wir alle wollen


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 112

den Verkehr von der Straße auf die Schiene, das Wasser oder in die Luft bringen und wollen auch, dass der Personen- und Nahverkehr gestärkt wird und noch mehr Men­schen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Da ist es schon wichtig, dass auch die Zufriedenheit einen hohen Stellenwert hat. Es sollen nicht nur großteils Junge, Schüler und Studenten den öffentlichen Verkehr in An­spruch nehmen, sondern auch Familien und vor allem auch die im Arbeitsleben Ste­henden. Und ein nicht zu vernachlässigender Teil, glaube ich, sind auch die Pensionis­tinnen und Pensionisten. Sie wollen länger flexibel sein, in Bewegung bleiben und öfter irgendwohin fahren. Wenn die Seniorinnen und Senioren leichter und schneller mit öf­fentlichen Verkehrsmittel an ihr Ziel kommen und Ausflüge machen können, dann glau­be ich, dass sie auch länger gesund bleiben. Und das ist dann wieder ein Effekt, der auch dem Staat, dem Land Geld spart.

Ich bedanke mich dafür, dass wir jetzt eine solche Stelle haben. Wir von der ÖVP wer­den dem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.43


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


14.43.23

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich glaube, dass es wichtig ist, immer wieder darauf hinzuweisen – und das hat sich jetzt hier auch be­stätigt –, denn auch wenn wir eine Aktuelle Stunde gemacht haben, ist trotzdem nicht alles durchgedrungen. Ich sage es jetzt noch einmal deutlich: Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist die Schlichtungsstelle kostenfrei. Noch einmal: kostenfrei!

Was muss jemand tun, damit er zur Schlichtungsstelle kommt? – Als Erstes an den Verkehrsmittelanbieter einen Brief schreiben und sagen: Da hat etwas nicht gepasst. Bitte, macht mir einen Vorschlag! Wenn da nichts zur gütlichen Lösung kommt: Wichtig ist, dass sich die Unternehmen dann einigen können. Erst dann, wenn man das nicht macht, kommt es für die Unternehmen, für das ganz konkrete Unternehmen zu Kosten.

Ich teile die Auffassung von Frau Bundesrätin Junker, dass es auch eine Verwaltungs­vereinfachung ist. Es wird nämlich auch für den Staat, den Steuerzahler billiger. Wir haben eine Ansprechstelle! Übrigens ist mir das ganz wichtig, weil wir ja verkehrsträ­gerübergreifend denken wollen. Damit signalisieren wir das. Es wird kostengünstiger. Und es wäre für die Republik auch viel teurer, wenn wir Menschen, wenn es zu Leis­tungsstörungen kommt, an die österreichischen Gerichte verweisen würden. In diesem Sinne denke ich: Wir stärken die Fahrgastrechte. Das ist wichtig.

Danke, dass es dafür breite Zustimmung gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.45

14.45.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 113

14.45.3611. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird (492 d.B. und 554 d.B. sowie 9361/
BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Bitte um den Bericht.

 


14.45.55

Berichterstatter Günther Novak: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2015 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Schifffahrtsgesetz geändert wird, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; der Inhalt ist bekannt.

Der Ausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Wortmeldungen liegen dazu keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

14.47.0012. Punkt

Jahresvorschau des BMVIT 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates (III-547-BR/2015 d.B. sowie 9362/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Novak. Bitte um den Bericht.

 


14.47.16

Berichterstatter Günther Novak: Hohes Haus! Der Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über die Jahresvorschau des BMVIT 2015 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operati­ven Jahresprogrammes des Rates liegt in schriftlicher Form vor; der Inhalt ist bekannt.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 5. Mai 2015 den Antrag, die Jahresvorschau des BMVIT 2015 auf der Grund­lage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission sowie des operativen Jah­resprogrammes des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


14.48.14

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die Jahresvorschau


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des BMVIT auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates ist eine gute Arbeitsgrundlage, die von den Expertinnen und Experten des Bundesministeriums erstellt worden ist; und dafür möchte ich mich im Namen der SPÖ-Fraktion recht herzlich bedanken.

Die oberste Priorität des Arbeitsprogrammes 2015 ist die Förderung von Wachstum, Beschäftigung und Investition, gefolgt von einem vernetzten digitalen Binnenmarkt und einer robusten Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik. Auf diese Themen will ich eingehen.

Gerade die Investitionsoffensive, welche auf drei Säulen – Investitionsimpulse, Fortset­zung der Strukturreformen und eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik – gestützt ist, ist eine der wichtigsten Grundlagen, um eine Steigerung des Wachstums und der Be­schäftigung zu erreichen.

Das digitale Zeitalter wächst schneller, als manchen vielleicht lieb ist. Das digitale Zeit­alter verändert die Lebenskultur heutiger und zukünftiger Generationen. Die Vernet­zung des digitalen Binnenmarktes ist daher auch ein ganz wichtiger Punkt für die Bele­bung der Wirtschaft und sichert in Zukunft Arbeitsplätze. Die Schaffung verlässlicher, schneller Verbindungen auch in ländlichen Gebieten, wie zum Beispiel in meinem Hei­matbundesland, durch die Breitbandausbauoffensive, die Möglichkeit, Dienste in jedem EU-Land problemlos anzubieten, die Möglichkeit, dieselben Online-Inhalte und Dienste zu nutzen – egal, in welchem EU-Land Sie sich aufhalten –, werden hinkünftig erforder­lich sein.

Natürlich müssen dabei auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, einfache und klare Regelungen für das Urheberrecht geschaffen werden, damit es zu keinen Miss­verständnissen kommen kann.

Die Zusicherung, dass personenbezogene Daten geschützt sind, ist auch eine wichtige Voraussetzung. Ein besserer Zugang zu digitalen Produkten und Diensten für Ver­braucher und Unternehmen in ganz Europa, die Schaffung der richtigen Voraussetzun­gen und gleiche Ausgangsbedingungen für alle, damit diese digitalen Netze und Diens­te florieren können, sind entscheidend. Die Schaffung einer digitalen europäischen Wirtschaft und Gesellschaft mit langfristigem Wachstumspotenzial ist die richtige Basis dafür.

Am Anfang des Jahres 2015 wurde der neue Index für die digitale Wirtschaft und Ge­sellschaft erstellt und veröffentlicht. In diesem aktuellen Index nimmt Österreich in der Europäischen Union den 13. Platz ein und gehört damit zur Gruppe von Ländern mit mittlerer Leistungsfähigkeit, in der es aber unterdurchschnittlich abschneidet.

Guenther Oettinger, EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, merkte En­de Februar betreffend die Entwicklung des digitalen Zeitalters an – im „FORMAT“ nach­zulesen –, dass wir uns in Europa an die Bedürfnisse der Menschen anpassen und un­sere Politik entsprechend überdenken müssen. Daher ist es auch im digitalen Zeitalter unbedingt erforderlich, den digitalen Binnenmarkt auszubauen und Barrieren abzubau­en, um den Zugang zum digitalen Binnenmarkt für alle zu gewährleisten.

Ein weiterer wichtiger Punkt bei den Hauptprioritäten des Arbeitsprogrammes ist eine robuste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik. Darunter wird auch das Zusammenschweißen der europäischen Energiemärkte zu einer Einheit ver­standen, was zu besserer Kooperation der Mitgliedsstaaten bei der Energienutzung und Energieversorgung vor allem im Bereich der Sicherheit beitragen soll.

Europa kann damit die Versorgungssicherheit erhöhen und die Energieabhängigkeit aus dem EU-Ausland reduzieren, wobei sicherlich nicht sein kann und sein darf, dass dadurch die Entwicklung erneuerbarer Energie gebremst und die Atomenergie, die


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Energie der fossilen Brennstoffe, forciert wird. Zu sehen am Beispiel der eventuellen Subventionierung von Atomkraftwerken, wie des AKW Hinkley Point – was sicherlich nicht der richtige Ansatz für europäische Energiepolitik ist und auch den Wettbewerb in der Energiepolitik verfälscht.

Man braucht nur in der Aussendung des EU-Ausschusses des Bundesrates, die ges­tern über das Internet veröffentlicht wurde, nachzulesen. Gerade eine kleine Region wie mein Heimatbundesland Burgenland hat bewiesen, dass betreffend erneuerbare Energie auch der andere Weg möglich ist. Mit der Nutzung der erneuerbaren Energie ist das Burgenland eine Vorzeigeregion in ganz Europa geworden, ein Best-Practice-Beispiel, das aufzeigt, dass aus einem Stromimporteur ein Stromexporteur geworden ist. Das Burgenland produziert inzwischen mehr Strom, als es selbst benötigt. Zusätz­lich ist auch ganz wichtig, anzumerken, dass durch diesen Strom, durch diese Um­stellung auf erneuerbare Energie viele sogenannte Green Jobs ins Burgenland ge­bracht wurden.

Auf einen Punkt aus der Arbeitsunterlage möchte ich noch kurz eingehen, und zwar betrifft dies den Vereinfachungsvorschlag für die Kraftverkehrsunternehmen über ge­meinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterver­kehrs.

Aufgrund einer Presseinformation des EU-Verkehrskommissars Kallas wurde vorge­schlagen, sämtliche Beschränkungen in diesem Bereich des Güterkraftverkehrs aufzu­heben, wodurch auch die Kabotage im Binnenstraßengüterverkehr uneingeschränkt er­laubt wäre. Das würde sicherlich eine gänzliche Liberalisierung bedeuten und auch zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der österreichischen Verkehrsunternehmen, der österreichischen Spediteure führen.

Aufgrund der bestehenden Regelungen sind die Kontrollen der Sozialvorschriften, wie zum Beispiel der Ruhezeiten, schon jetzt schwer durchführbar. Das heißt, bevor man über eine derartige Liberalisierung nachdenkt, sollte man zuerst die Effizienz der Kon­trollen sicherstellen, was auch der österreichischen Haltung entspricht, die im Bericht dargelegt ist.

Abschließend, geschätzte Damen und Herren, möchte ich mich nochmals ganz herz­lich beim Bundesministerium für diese Arbeitsunterlage bedanken. Meine Partei wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Tiefnig. – Bitte.

 


14.56.24

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die Jahresvorschau des Bundesministeriums für Verkehr, Inno­vation und Technologie hat sicherlich viele Prioritäten. Sie fußt auf drei Säulen: auf In­novationsimpulsen und Investitionsimpulsen der Europäischen Union. Zugleich sollte man eine entsprechende Haushaltspolitik betreiben und Forschungsförderungen und Strukturreformen umsetzen. Es wird sicherlich nicht einfach werden, die kommenden Herausforderungen zu bewerkstelligen. Doch im Rahmen der Juncker-Präsidentschaft sind sehr viele Hoffnungen in diese Kommission, in dieses Europäische Parlament ge­setzt worden.

Wir Österreicher versuchen besonders im Bereich der digitalen Infrastruktur sehr viel voranzutreiben, Ausbau der 4G-Netze. Es wird wichtig sein, genau diese Netze auch in den ländlichen Regionen entsprechend zu forcieren, damit sich auch die Firmen in den ländlichen Regionen ansiedeln und somit die jungen Menschen in den ländlichen Re-


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gionen bleiben können, denn es wird immer wichtiger werden, dass die entsprechende Infrastruktur im digitalen Bereich auch in Zukunft dort gegeben ist.

Eine robuste Energieversorgung wird auch an uns nicht spurlos vorübergehen, denn Österreich ist das Land mit den Speicherkapazitäten der Energie Europas. Wir dürfen nicht nur gegen Atomenergie sein, sondern wir müssen in Zukunft auch die Speicher­kraftwerke forcieren, damit auch da die Energieversorgungssicherheit in Österreich ge­geben ist. Was den fairen Binnenmarkt und eine gestärkte Industriebasis betrifft, wird auch bei uns immer mehr die Frage sein, ob wir in Zukunft wieder ein Wirtschafts­wachstum schaffen, ob wir es schaffen, in Zukunft beim Ranking, was das Wirtschafts­wachstum betrifft, von Platz 5 wieder auf Platz 1 zu kommen. Da werden wir alle ge­meinsam in Zukunft gefordert sein.

Ein weiterer Punkt, den auch Kollege Gödl schon angeschnitten hat, ist die Energie­effizienz. Auch da müssen wir schauen, dass wir unsere Schieneninfrastruktur noch besser ausbauen, denn Energieeffizienz heißt auch, Energie einsparen. Und Energie­einsparung ist natürlich nur dann möglich, wenn wir auf den Straßenverkehr entspre­chend verzichten und auf den Schienenverkehr umsteigen. Daher rege ich auch an, die Bahnverbindung zwischen München, Braunau und Linz noch mehr im Auge zu haben. Es gibt sicherlich Probleme dahin gehend, dass diese Bahn zu wenig genützt wird. Es gibt auch noch immer kein entsprechendes öffentliches Verkehrskonzept für das Inn­viertel. Es wird sicherlich wichtig sein, dass Ihr Kollege Entholzer in Oberösterreich auch entsprechende Energie einsetzt und dieses Programm auch umsetzt.

Vertiefung der Wirtschafts- und Wachstumsunion. Ich glaube, hier wird es besonders wichtig sein, das geistige Eigentum entsprechend zu schützen. Aber für uns in Europa von Bedeutung ist auch das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten dahin gehend, dass auch in diesem Bereich vorsichtig vorgegangen wird und nicht die euro­päischen Sozialstandards, die Lebensmittelstandards in Frage gestellt werden. Beson­ders unser Sozialstandard, den wir ja so hoch loben, sollte beibehalten werden.

Ein weiterer Punkt ist auch in Zukunft die Frage, wie wir uns in der europäischen Raumfahrt weiterentwickeln werden. In diesem Bereich ist es nämlich wichtig, wie Eu­ropa seinen eigenen Satellitenausbau vorantreiben wird. Auch da wird sich Österreich besonders im Forschungsbereich einbringen. Wir haben ja sehr gute Firmen in unse­rem Land Österreich, die in der Vergangenheit im Raumfahrtbereich nicht nur in der europäischen Forschung, sondern auch im internationalen Bereich positiv aufgefallen sind.

Ein Thema, zu dem ich noch eine Frage hätte, ist das Thema Landverkehr: Gewichte, Abmessungen, Nutzfahrzeuge. Wird da immer noch diskutiert, dass sich die Gigaliner in Zukunft auf Europas Straßen, auf Österreichs Straßen finden? – Da müssen wir na­türlich schon überlegen, welche Mittel zum Ausbau der Brücken, der Infrastruktur auf europäischer Ebene kommen, denn ich habe schon Bedenken, dass diese Belastung für Österreich keine positiven Auswirkungen haben wird.

Das Thema Forschung habe ich schon angesprochen.

Ein weiteres Thema ist der Fonds EFSI, den wir im Infrastrukturbereich nützen müss­ten, denn da gibt es Mittel. Die Forschung ist mit der Praxis zu vereinen, und dafür werden Mittel aus der Europäischen Union zur Verfügung gestellt. Österreich hat Mög­lichkeiten, da entsprechend zuzugreifen; wir müssen nur schauen, dass wir das recht­zeitig angehen. Hauptthemen werden in Zukunft Infrastruktur, Bildung und auch der Breitbandausbau sein, um wirtschaftliches Wachstum zu erreichen.

Wir seitens der ÖVP-Fraktion stimmen dem Bericht zu, danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die Erarbeitung dieses guten, ausführlichen Be-


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richtes und nehmen diesen natürlich gerne zur Kenntnis. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.01


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Krusche. – Bitte. (Bundesrat Krusche auf dem Weg zum Rednerpult : Zum letzten Mal heute!)

 


15.01.50

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Zur Abwechslung werden wir diesem Bericht unsere Zustimmung erteilen. – Unsere Zustimmung erfolgt nicht so sehr wegen des Punktes A in dem Bericht, unter dem das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission behandelt wird, denn darin finden sich einige Punkte, mit denen wir nicht unbedingt einverstanden sind, beispielsweise die Energieunion. Grundsätzlich ist aber sehr positiv zu vermerken, dass der Bericht auch zu den Vorhaben der Union kritisch Stellung nimmt.

Ich werde mich, nachdem schon viel gesagt worden ist, sicherlich nicht so ausführlich dazu äußern wie Kollege Lampel, aber einige kurze Anmerkungen dazu. Gerade die Bestrebungen, alle nationalen Bestimmungen im Telekommunikationsbereich zu ver­einheitlichen, werden kritisch gesehen, weil das dem Konsumentenschutz abträglich sein und so zu mehr Bürokratie führen könnte.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents. Da wird zu Recht bemängelt, dass diese Regelungen zu de­tailliert und überschießend erscheinen, wie es halt so oft auf EU-Ebene der Fall ist. Es wird auch beanstandet, dass dieser Vorschlag ohne vorherige Konsultationen gemacht worden ist. Auch da bestehen wieder Gefahren hinsichtlich des Konsumentenschutzes.

Positiv sind natürlich die Bestrebungen zur Steigerung der Sicherheit in den Bereichen Luft- und Schienenverkehr zu bewerten. Dieses Thema musste ja heute leider schon kurz erwähnt werden.

Die Bestrebungen zur Unterstützung effizienter und umweltschonender Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr sind natürlich auch ein sinnvolles Vorhaben. Ich möchte nun auf das eingehen, was Kollege Gödl zum vorletzten Tagesordnungspunkt gesagt hat, näm­lich zu den Elektroautos. Es handelt sich dabei natürlich nicht um öffentlichen Verkehr, allerdings ist das auch kein reiner Individualverkehr. Wir wissen ja, dass gerade im Be­reich der Elektromobilität das Voranschreiten und die Akzeptanz von entsprechenden Autos eher zu wünschen übrig lässt.

Ich möchte aber auf ein Modell verweisen, das in Leoben erforscht wird und im Ent­wicklungsstadium ist: Bei der Sanierung von Mehrparteienhäusern, zum Beispiel von Bauten aus den siebziger Jahren, soll darauf geachtet werden, dass diese mit Pho­tovoltaikanlagen ausgestattet werden, um den Bewohnern so die Nutzung eines Elek­troautos zu ermöglichen.

An diesem Beispiel sieht man ganz deutlich, wie wichtig es ist, dass seitens des Ge­setzgebers und vor allem auch seitens des Fördergebers rasch auf innovative Modelle reagiert wird, um die Potenziale, die es zu heben gilt, wirklich nützen zu können. In der praktischen Gestaltung sieht man nämlich gerade bei solchen Projekten oft, was diesen an bestehendem Recht und an bestehenden Förderungsrichtlinien entgegen­steht. In dem genannten Beispiel wird einerseits neuer Wohnraum geschaffen, ande­rerseits wird bestehender Wohnraum saniert, da hat man also schon in dem Bereich die Probleme, und dann kommt noch Elektromobilität dazu. Also das ist wirklich eine anspruchsvolle Aufgabe, und da ist auch der Gesetzgeber gefordert.


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In diesem Bericht wird angemerkt, dass sich einige Vorhaben der EU; die eigentlich schon am Tisch liegen sollten, aus mehr oder weniger unbekannten Gründen verzö­gern. Auch eine etwas unklare Haltung im Bereich Tunnelsicherheit wird angeführt. Ei­nerseits sollen die Bestimmungen jetzt einmal evaluiert werden, andererseits gibt es bereits jetzt Staaten, die das schon umsetzen hätten sollen, die das aber noch nicht im vollen Umfang getan haben, wie beispielsweise Deutschland. Da weiß man nicht, ob das jetzt sanktioniert oder ob auf die Evaluierung gewartet wird.

Festzustellen ist – das möchte ich besonders positiv anmerken –, dass im hochrangi­gen, also von der ASFINAG betriebenen österreichischen Straßennetz wirklich sehr konsequent am Projekt Tunnelsicherheit und an dessen Umsetzung gearbeitet wird, wobei man jetzt schon absehen kann, dass eigentlich alle hochrangigen Straßentun­nel – sogar die grenzüberschreitenden wie der Karawankentunnel, was ja nicht so ein­fach ist – in absehbarer Zeit entsprechend zweiröhrig ausgestattet werden.

Danke den Erstellern des Berichtes für die Arbeit und für den umfangreichen und durch­aus informativen Bericht. (Beifall bei der FPÖ.)

15.07


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.07.58

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute die EU-Jahresvorschau 2015 des BMVIT. Dem Bericht werden wir auch sehr gerne zustim­men. Vielen Dank an die MitarbeiterInnen des BMVIT.

Der Bericht ist sehr umfassend und übersichtlich, aber etwas fehlt mir dabei noch, näm­lich die österreichische Position zu den Vorhaben im zweiten Teil, im Vorhabenspro­gramm des Rates. Im ersten Teil, der das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kom­mission enthält, ist das sehr schön und übersichtlich dabei.

Inhaltlich haben meine Vorredner ohnehin schon fast alles erwähnt. Ich möchte noch kurz auf einzelne kritische Themen aus dem Umweltbereich eingehen. Ich finde es ein bisschen bedenklich, dass das angebliche Umweltmusterland Österreich ganz offen um­welt- und anrainerfeindliche Positionen einnimmt. Das BMVIT fordert nämlich im Rah­men der Stellungnahme zum Luftverkehrspaket bei der Luftfahrt, die Lärm- und Schad­stoff-Großverursacher ist, ganz offensiv die Beschränkung auf Minimalstandards in Sachen Umwelt ein. Das halte ich schon für eine sehr einseitige Haltung, gerade im Luftverkehrsbereich. Im Schienen- und Straßenverkehr wäre das meiner Meinung nach so einseitig nicht vertretbar.

Etwas fragwürdig ist unserer Ansicht nach auch, warum Österreich im Hinblick auf die Evaluierung der Richtlinie 92/106/EWG betreffend die Anreize für Kombiverkehrsbeför­derungen explizit eine deutliche inhaltliche Erweiterung der Richtlinie für prüfenswert findet. Ich finde nämlich, dass gerade diese Richtlinie in Sachen Verkehrssicherheit und Straßenerhaltungskosten ein höchst sensibles Feld umfasst. Sie steht sehr eng im Zusammenhang mit der zum Gigaliner-Thema derzeit intensiv diskutierten Richtlinie über zulässige Maße und Gewichte im Gigaliner-Verkehr oder generell für Lkw.

Ein Verordnungsvorschlag ist uns auch noch aufgefallen; es geht dabei um die Ab­schaffung für den Entschädigungsfonds für Tankerunfälle in europäischen Gewässern. Wir wissen nicht genau, was konkret aus dieser Verordnung für die internationale Schifffahrtsorganisation entbehrlich ist und warum man diese Verordnung generell ab­schaffen möchte. Zum Glück hat es in Europa in den letzten Jahren keine einzige Tan­kerkatastrophe gegeben, das heißt aber nicht, dass entsprechende Vorsorgemaßnah­men ersatzlos gestrichen, als veraltet und obsolet bezeichnet werden sollten.


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Wie gesagt: Der Bericht ist sehr, sehr gut, ist sehr, sehr übersichtlich, und wir werden dem sehr gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.11


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


15.11.23

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin sehr froh darüber, jetzt noch ein paar Dinge von meiner Seite aus anmerken zu können.

In Europa kommt den transeuropäischen Netzen große Bedeutung zu – von acht Netzen gehen vier durch Österreich –, und das haben wir vor zwei Monaten beim An­stich für die Hauptröhre des Brenner Basistunnels deutlich machen können, als alle Koordinatoren dieser transeuropäischen Netze in Österreich, nämlich in Innsbruck gewesen sind. Es waren sieben Verkehrsminister der Europäischen Union in Öster­reich zu Gast, somit haben wir auch deutlich machen können, dass Österreich ein Land ist, das der Verkehrspolitik großen Raum gibt, ein Land, in dem man nicht nur da­von spricht, sondern konkret handelt.

Wir investieren in die Infrastruktur des Verkehrs, und das wurde von europäischer Sei­te auch wahrgenommen. Es wurde zum Beispiel darüber diskutiert, dass wir mit der ASFINAG ein Best-Practice-Modell haben, wenn es darum geht, Tunnelsicherheit, Ver­kehrssicherheit umzusetzen. Das tut dem Standort Österreich ganz gut.

Mir ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass Österreich große Anstrengungen un­ternimmt, die internationalen Verkehrswege zu stärken. Mit dem Karawankentunnel et­wa investieren wir in Kärnten. Ich habe auch eine Vereinbarung mit dem slowenischen Verkehrsminister unterzeichnet, dass wir auch den Eisenbahntunnel in den Karawan­ken zweispurig ausbauen. Also auch da geht es um Tunnelsicherheit und um Verbes­serungen unserer Verkehrsinfrastruktur.

Österreich braucht gute transeuropäische Netze, damit wir unsere Wirtschaftspolitik im europäischen Raum umsetzen und verbessern können.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang im Speziellen auf zwei Themen hinzu­weisen.

Es geht zunächst um die Umsetzung der Digitalen Agenda, und da ist es für uns ganz wichtig, dass wir die Position: Was brauchen die Kundinnen und Kunden in erster Li­nie?, in den Vordergrund stellen. Ich habe manchmal Sorge, dass die Kommission nur die Interessen mancher Firmen im Auge hat – das ist auch wichtig, ich habe nichts dagegen –, aber der Fokus liegt bei der Bevölkerung, und ich werde das in allen Aus­einandersetzungen mit der Europäischen Kommission und in der Europäischen Union einbringen. Es geht um viele Details, die für die Konsumentinnen und Konsumenten Bedeutung haben.

Das merkt man auch daran, dass Österreich jetzt mit der Breitbandinitiative, mit der Breitbandmilliarde nächste Schritte setzt. Wir werden heuer 300 Millionen € im Wettbe­werb vergeben. Das ist jetzt – und ich bitte Sie, in Ihrer Region auch darauf hinzuwei­sen – eine Chance für die Regionen, den Anschluss an das Breitband zu bekommen. Wir stützen das, aber da sind auch die österreichischen beziehungsweise europäi­schen Unternehmen insgesamt gefordert.

Wir sind den Breitbandausbau betreffend möglicherweise etwas hinten nach, aber das hängt damit zusammen, dass wir gut ausgebaute Telefonnetze haben. Darin unter­scheiden wir uns von „neuen“ EU-Ländern. Diese ersparen sich einen Technologie-


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sprung, daher sind sie manchmal vorne, aber in der Gesamtversorgung ist Österreich deutlich besser positioniert. Darauf wollte ich nur noch einmal hinweisen.

Die Energieversorgung obliegt überwiegend dem Ressort von Minister Mitterlehner, aber es ist wichtig, dass auch das BMVIT einen Blick darauf hat. Das BMVIT investiert sehr viel in die Forschung der Energieversorgung, da sind wir ganz vorne mit dabei. Was die erneuerbaren Energien, umweltfreundliche Energien anlangt, ist Österreich ein Weltmarktführer in der Produktion und auch im Know-how, und das stärken wir mit 60 Millionen € jährlich aus Fördermitteln des BMVIT.

Noch ein Hinweis, weil die Gigaliner angesprochen wurde. Die Position in ganz Öster­reich ist klar. Die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm sehr deutlich gesagt: Gigaliner kommen nicht, akzeptieren wir nicht! Die Diskussion auf europäischer Ebene hat sich unserem Standpunkt angenähert. Die Gigaliner sind aus derzeitiger Sicht vom Tisch, und wir werden unsere Position in diese Richtung auch noch bekräftigen.

Tunnelsicherheit ist uns wichtig; das habe ich auch schon deutlich gemacht. Ich habe immer einen großen Schwerpunkt darauf gelegt, dass wir die Positionen aus der Per­spektive von Konsumentinnen und Konsumenten im Rat einbringen.

Der Grund dafür, dass wir – diese Frage wurde gestellt – den zweiten Teil noch nicht beantworten können, ist: Wir können unsere österreichische Position zu einem euro­päischen Regelungswerk erst dann einbringen, wenn vonseiten der Europäischen Kom­mission diese Regelungen auch konkretisiert sind, und das sind jetzt nur allgemeine Festlegungen. Mir geht es darum, dass Konkretes genannt wird. Vielleicht können wir im nächsten Jahr auch schon die österreichische Position in den EU-Bericht einbrin­gen, wenn die Regelungen von der Europäischen Kommission quantifiziert sind. Das ist derzeit noch nicht der Fall. Mir geht es darum, dass wir eine klare österreichische Position im Einvernehmen auch mit dem Parlament im Rat abgeben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18

15.18.09

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.18.3513. Punkt

Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technolo­gie (III-551-BR/2015 d.B. sowie 9363/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um den Bericht.

 


15.18.51

Berichterstatter Michael Lampel: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Un­terwegskontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-551-BR/2015 d.B.).


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 121

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 5. Mai 2015 den Antrag, den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über tech­nische Unterwegskontrollen im Jahr 2014, vorgelegt vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-551-BR/2015 d.B.), zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


15.20.03

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Danke für den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über die technischen Unterwegskontrollen.

Was ist eine „technische Unterwegskontrolle“? – Man versteht darunter eine von den Behörden nicht angekündigte und somit unerwartete, auf öffentlichen Straßen durchge­führte technische Kontrolle eines Nutzfahrzeugs, das im Gebiet eines EU-Mitglied­staates am Straßenverkehr teilnimmt. Die Kontrollen werden durch Behörden oder un­ter ihrer Aufsicht durchgeführt.

Technische Unterwegskontrollen stellen ein entscheidendes Element dar, um während der gesamten Nutzungsdauer eines Nutzfahrzeuges ein beständig hohes Niveau der Verkehrs- und Betriebssicherheit sicherzustellen. Ziel solcher Kontrollen sollte es sein, zur Erhöhung der Straßensicherheit und Verringerung von Fahrzeug-Emissionen bei­zutragen, aber ein auch nicht unwesentlicher Aspekt ist, eine Wettbewerbsverzerrung im Straßenverkehrssektor aufgrund unterschiedlich hoher Kontrollniveaus zu verhindern.

Im Jahre 2014 wurden in Österreich insgesamt 49 667, also fast 50 000 Kontrollen durchgeführt. Für diese Unterwegskontrollen waren zirka 2 900 Einsätze notwendig, damit konnte, wie in den Jahren zuvor, eine angemessen hohe Kontrolldichte erzielt werden. Die Ergebnisse waren in etwa gleichbleibend wie in den Vorjahren.

Die technische Unterwegskontrolle erfolgt auf der Grundlage europäischer und öster­reichischer Rechtsvorschriften. Mit der am 29. April 2014 veröffentlichten neuen EU-Richtlinie erfolgen im Wesentlichen keine großen Änderungen. Es sind allenfalls An­passungen von Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorzunehmen, die von den Mit­gliedstaaten bis zum Jahr 2017 zu erlassen und zu veröffentlichen sind; deren Anwen­dung ist ab dem 20. Mai 2018 vorgeschrieben.

Bezogen auf die Situation in Österreich sind die folgenden neuen Bestimmungen über die technische Unterwegskontrolle erwähnenswert:

der in Artikel 5 vorgesehene pro Kalenderjahr zu erfüllende Prozentsatz der zu kontrol­lierenden Fahrzeuge mit einem Mindestprüfumfang von 5 Prozent, gemessen an der Gesamtzahl der unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Fahrzeuge, die in den Mitgliedstaaten zugelassen sind.

das in Artikel 6 vorgesehene Risikoeinstufungssystem. Das bedeutet, dass jene Kraft­fahrzeuge, die überprüft worden sind und unauffällig waren, nicht so oft überprüft wer­den wie jene, die auffällig sind, die in weiterer Folge öfter überprüft werden sollten, so­dass also jener bevorzugt ist, der seine Fahrzeuge ordnungsgemäß instand hält.

Um einen wirksamen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten zu verwirk­lichen beziehungsweise nachzuweisen, ist in Österreich die Bundesanstalt für Verkehr zuständig. Alle zwei Jahre sollte ein Bericht erfolgen, um Feststellungen, Abwägungen, Benchmarkings zu treffen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 122

Abschließend möchte ich festhalten, dass die aktuellen Zahlen des Jahres 2014 erneut die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieser bislang hohen Kontrolldichte in Öster­reich unterstreichen. Das heißt, die technischen Unterwegskontrollen sind eine wirksa­me Maßnahme, technisch mangelhafte Fahrzeuge von der Straße zu bringen und po­tenzielle Unfallgefährdung und schädliche Emissionen zu verringern. Sie sind eine we­sentliche präventive Maßnahme zur Verhütung von Unfällen und zur Vermeidung von Verkehrstoten und Verletzten.

Vom BMVIT wurden im Jahr 2014 Budgetmittel von 3 Millionen € für Tätigkeiten im Rahmen der technischen Unterwegskontrollen bereitgestellt. Ich meine, das sind sehr gut eingesetzte 3 Millionen zur Vermeidung von Unfällen – damit verbunden ist die Ver­meidung von Todesfällen und Verletzten im Straßenverkehr, das muss man auch se­hen, was monetär mit zirka 28 Millionen € pro Jahr beziffert werden kann.

Danke noch einmal für diesen Bericht der Bundesanstalt für Verkehr über technische Unterwegskontrollen – kurz, bündig und auf den Punkt gebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Junker. – Bitte.

 


15.25.12

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Minister! Meine Damen und Herren! In Wirklichkeit wäre den Ausführungen des Kollegen Novak nichts mehr hinzuzufügen, ich möchte jedoch ganz kurz zusam­menfassen und noch auf ein paar Punkte eingehen, speziell auf Tirol.

Wer den Bericht gelesen hat, hat festgestellt, dass es gegenüber dem Vorjahr nur ge­ringfügige Veränderungen gibt. An und für sich hat sich alles nur leicht verschoben, bei einem EU-Land ist die Zahl der schweren Mängel zurückgegangen, beim anderen ist sie gestiegen. Im Großen und Ganzen zeigt sich aber doch, dass die technischen Un­terwegskontrollen einfach notwendig sind und weiter verbessert werden sollten.

Ich möchte kurz auf die Tiroler Unterwegskontrollen eingehen, also ohne die vom BMVIT: Es waren 156 Einsatztage, davon sind 48 in Radfeld und Kundl auf der Auto­bahn durchgeführt worden, und 108 Einsätze waren auf neuralgischen Punkten in Tirol, unter anderem auch in Musau und in Nauders.

Wenn man die Mängel betrachtet, die in Tirol bei den durch die Tiroler Landesver­kehrsabteilung und die Polizei durchgeführten Kontrollen – ohne die Kontrollen durch das Bundesministerium – festgestellt wurden, sieht man, es kommt im Endeffekt das­selbe heraus: Die meisten und schwersten Mängel betreffen Achsen, Räder, Reifen und Aufhängungen, gefolgt von Fahrgestell und Karosserie. An dritter Stelle im „Ran­king“ der schweren Mängel stehen Scheiben, Spiegel und Sicht. Die Beleuchtung ist an vierter Stelle. Die Ausstattung und solche Sachen sind dann schon zu vernachlässigen.

In Tirol wurden 1 546 Fahrzeuge kontrolliert. Von den 1 546 Fahrzeugen wiesen 51 Fahr­zeuge derart gravierende Mängel auf, dass sie aus dem Verkehr gezogen werden mussten; bei 62 weiteren Fahrzeugen gab es schwere Mängel, die in der Regel durch eine Anzeige verfolgt wurden.

Eine weitere Neuerung in der technischen Unterwegskontrolle wird es wahrscheinlich 2015 geben. Das BMVIT zieht sich in Tirol aus der Kontrolle zurück, und diese wird von der ASFINAG übernommen; dazu gibt es nächste Woche Verhandlungen. Ich glaube, dass das eine Verwaltungsvereinfachung ist und dazu beiträgt, dass wir nicht nur von Verwaltungsvereinfachung sprechen, sondern eine solche auch durchführen.

Kollege Novak hat ja schon gesagt, die EU hat eine Richtlinie herausgebracht – der EU ist ja die technische Unterwegskontrolle sehr wichtig –, und durch diese Richtlinie soll


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auch der Unterschied, wie verschiedene EU-Länder prüfen, beseitigt werden. Die EU möchte, dass in jedem Land mindestens 5 Prozent der Fahrzeuge, die den Prüfungen zu unterziehen sind, kontrolliert werden, und nicht, dass es in einigen EU-Ländern Fest­stellungsquoten von 2,1 Prozent gibt – die prüfen dann sicher überhaupt nicht – und in anderen Mitgliedstaaten wiederum 48,3 Prozent.

Technische Unterwegskontrollen sollen EU-weit gleich durchgeführt werden, sie sollen dem gleichen Regelwerk unterliegen, um eine Wettbewerbsverzerrung zwischen ein­zelnen Unternehmen zu verhindern.

Ich denke, wir werden weiter an den technischen Unterwegskontrollen arbeiten, und ich würde mir wünschen, dass das menschliche Leid, das man nicht in Euro beziffern kann, verringert wird. Zwar kostet jeder Unfall mit Todesfolge oder schweren Verletzun­gen den Staat zirka 28 Millionen €, das hat man schon berechnet, aber das menschli­che Leid ist doch schwerwiegender als Geld. Wenn sich das vermeiden lässt, sollte man alles daransetzen.

Zum Abschluss darf ich noch feststellen, dass die Firmen ihre Fahrzeugflotten großteils auf dem neuesten Stand haben, um eben auch das Bestmögliche für ihre Mitarbeiter und für die Umwelt zu tun, also ich glaube, an den Unternehmen liegt es nicht. Wir müssen schauen, dass EU-weit die gleichen Standards gelten, dann werden auch bei den durchgeführten Kontrollen die ganz schweren Mängel wahrscheinlich weniger wer­den. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

15.30


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Längle. – Bitte.

 


15.30.32

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätztes Präsidium! Bezüglich des Berichtes der Bun­desanstalt für Verkehr über Unterwegskontrollen möchte ich hier an dieser Stelle die Gelegenheit nützen und den vielen Kontroll- und Sicherheitskräften in Österreich ein Lob aussprechen, insbesondere den Beamten beziehungsweise der Polizei, die in die­sem Bereich wirklich sehr gute und sehr wichtige Arbeit leisten.

Gerade aktuell ist die Situation der Verbindung zwischen meinem Heimatland Vorarl­berg und Tirol, dort ist ja momentan der Arlberg Straßentunnel für umfangreiche Sanie­rungsarbeiten gesperrt. Das zeigt, dass es sehr wichtig ist, dass, wenn schwere Nutz­fahrzeuge über den Arlbergpass fahren, Bergstraßen entlang fahren, dort sicherheits­mäßig alles passt und die Nutzfahrzeuge keine Gefahr für die anderen Verkehrsteil­nehmer und für sich selbst darstellen.

Kollegin Junker und Kollege Novak haben hier bezüglich des Berichts schon viel aus­geführt, ich möchte jetzt noch kurz ins Detail gehen. Wenn man sich die Zahlen an­schaut – Kollege Novak hat es bereits erwähnt –, liest man, dass knapp 50 000 Kon­trollen durchgeführt wurden. Etwas erschreckend und alarmierend ist: Wenn man alle kontrollierten Fahrzeuge mit leichten oder schweren Mängeln sowie Fahrzeuge, bei de­nen Gefahr im Verzug gegeben ist, zusammenrechnet, kommt die erschreckend hohe Zahl von rund 88 Prozent heraus. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eigentlich nur gut elf der überprüften Fahrzeuge gar keine Mängel aufweisen.

Die Zahl der Anzeigen gemäß Kraftfahrgesetz, ADR und Straßenverkehrsordnung von über 78 000 stellt bei rund 50 000 Kontrollen einen recht hohen Wert dar.

Was ich auch noch erwähnen möchte, ist Folgendes: Wenn man die Zahlen nach Her­kunftsländern aufgeteilt betrachtet, kommt heraus, dass insgesamt die Fahrzeuge mit


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 124

Gefahr im Verzug rund 22 Prozent ausmachen. Bei den Fahrzeugen aus Österreich sind es – unter Anführungszeichen – „nur“ 17 Prozent, und bei den Fahrzeugen aus der restlichen EU sind es doch Werte von über 26 Prozent. Das ist ein Indiz, das zeigt, dass die Sicherheitsstandards in anderen Ländern der EU nicht gleich hoch oder gleich gut sind wie in Österreich.

Hoffen wir, dass dort die Standards angehoben werden und es dort in Zukunft auch zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit kommt, da viele Fahrzeuge aus anderen EU-Ländern durch Österreich fahren; Österreich ist ja ein Transitland.

Abschließend möchte ich mich noch bei den Berichterstellern bedanken. Wir von der FPÖ werden diesem Bericht unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.34


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


15.34.17

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Vielen Dank für den Bericht, er ist kurz, knapp und informativ. Danke an die Beteiligten, insbesondere an die Bundesanstalt für Verkehr. Es ist sehr viel gesagt worden, es ist eigentlich schon alles dazu gesagt worden. Wenn der Bericht eines zeigt, dann, dass es absolut notwendig ist, auch weiterhin intensive Kontrollen ohne Wenn und Aber durchzuführen.

Ich fasse mich jetzt ganz, ganz knapp: Wir werden diesem Bericht sehr gerne zustim­men. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

15.34

15.35.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Bericht ist somit zur Kenntnis genommen.

Ich darf mich jetzt herzlich von Ihnen, Herr Minister Stöger, verabschieden; danke für Ihren Besuch!

Nun darf ich Herrn Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter recht herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

15.35.4414. Punkt

EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Um­welt und Wasserwirtschaft 2015 (III-542-BR/2015 d.B. sowie 9357/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Bitte um den Bericht.

 


15.35.55

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über die EU-Jahres­vorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft 2015.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 125

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 den Antrag, die EU-Jahresvorschau des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


15.36.37

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe EU-Bauernvertreter der ÖVP! Diese Jahresvorschau enthält einige Probleme, genau genommen so etwas wie einige Minenfelder der Landwirtschaft, nämlich insbesondere: TTIP, Milchquote, das Problem der Russland-Sanktionen, Saatgutverordnung, ressour­censchonendes Europa und andere Themen, die hier im Wesentlichen gestreift wer­den. Es ist ein Bericht, der einerseits viele Chancen, aber auch die Risiken der öster­reichischen Landwirtschaft aufzeigt.

Ich möchte ganz kurz zu TTIP kommen. Ich erinnere mich sehr gut daran – das möchte ich auch wiederholen –, dass wir ja im Vorfeld der letzten Wahlen heftig kritisiert wur­den, weil wir gemeint haben, dass diese Art der TTIP-Verhandlungen zu kritisieren ist und man besser überhaupt aussteigen sollte. Heute zeigt sich, dass auch in der ÖVP de facto eine Spaltung stattfindet, die einen reden es schön (Bundesrat Tiefnig:  BZÖ!), während andere sich vorsichtig verhalten. Ich werde Ihnen zeigen, worauf man sich einlässt – die trügerische Vielfalt im Supermarktregal! –, mit wem sich die österrei­chische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion überhaupt messen muss und soll. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Die zehn größten Lebensmittelproduzenten der Welt nehmen täglich 1,1 Milliarden € ein. Das sind: Nestlé mit 330 000 Mitarbeitern und 90 Milliarden Jahresumsatz, PepsiCo mit 61 Milliarden Jahresumsatz und 285 000 Mitarbeitern, Unilever mit 48,5 Milliarden Umsatz und 173 000 Mitarbeitern, Coca Cola mit 42 Milliarden Jahresumsatz und 151 000 Mitarbeitern, Mondelēz mit 32 Milliarden Umsatz und 110 000 Mitarbeitern, Mars Inc. mit 30 Milliarden Umsatz und 72 000 Mitarbeitern.

Kommen wir endlich wieder nach Europa: Danone, das neben Nestlé auch im Konzert der Großen eine Rolle spielt: bescheidene 20 Milliarden Umsatz und 100 000 Mitarbei­ter. Was ist das schon gegen 61 Milliarden oder andere Umsätze der großen Giganten? (Zwischenruf des Bundesrates Jachs.) Associated British Foods: 115 000 Mitarbeiter, 17 Milliarden € Jahresumsatz; General Mills: 17 Milliarden € Umsatz und 43 000 Mitar­beiter.

Nun komme ich zum Spannungsfeld. Dieses TTIP wollen vor allem die Amerikaner! Da steht so schön: „Schreckensszenario: TTIP entmachtet Parlament.“ (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) – Das heißt, in Wirklichkeit wollen die Konzerne, dass die natio­nalen Gesetzgeber kontrolliert werden, dass nicht die Interessen der österreichischen Landwirtschaft, nicht die Interessen der österreichischen Lebensmittelproduzenten, nicht die Interessen der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten, son­dern ausschließlich die Interessen der Giganten dabei vertreten werden! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Davor muss man die österreichische Landwirt­schaft, die österreichische Lebensmittelproduktion, die im Konzert der Großen noch gut – ich betone: noch – mitspielt, schützen.

Es kann nicht sein, dass man überhaupt Verhandlungen über diese geplanten Ziele der TTIP-Verhandler jenseits des Atlantiks führt, dass man in nationale Gesetze eingreifen


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 126

kann und dass man mit den Spielregeln des Kapitals und der Giganten über die öster­reichische Landwirtschaft, über die österreichische Lebensqualität, Gesundheit und letzt­endlich über die österreichische Bauernlandwirtschaft drüberfährt. (Zwischenruf des Bun­desrates Perhab.) – Ich möchte das nur festhalten. Nur keine Aufregung! Es geht ja noch weiter.

Es ist auch so – und das wird dich, Herr Minister, besonders beschäftigen –, dass im CETA-Passus zum Beispiel festgehalten ist, dass der Spezialitätenschutz nur in der jeweiligen Landessprache gilt. Das heißt „Tiroler Speck“ ist geschützt, aber „Tyrolean Bacon“ können die Amerikaner mit irgendwelchem Fleisch von irgendwoher selbstver­ständlich in ihre Regale stellen, genauso wie auch „Bavaria Beer“ und Sonstiges.

Das heißt, wieder einmal mehr zeigt sich, dass die Giganten es sich richten können. Sie stecken unglaubliche Summen ins Marketing – und dann wird auf einmal „Bavaria Beer“, das Bayern nie gesehen hat, und „Tyrolean Bacon“ in den Regalen der Ameri­kaner landen.

Das ist der Wettbewerb, den der Feinkostladen Österreich dann zu führen hat, und deshalb muss man immer wieder aufzeigen, dass das so nicht geht. Auch ein öster­reichischer Lebensmittelguru, der bei einem großen Handelskonzern und jetzt bei ei­nem zweiten maßgeblich für den Erfolg der biologischen landwirtschaftlichen Produkte in den Handelsregalen zuständig ist, sagt, TTIP wird das Todesurteil für die österrei­chische Landwirtschaft und Bauernlandwirtschaft sein. Und das muss man immer wie­der festhalten.

„Verzweifelter Hilferuf“ unserer letzten echten Fleischhauer. (Der Redner hält einen Zei­tungsausschnitt in die Höhe.) Das geht besonders in Richtung ÖVP. In Oberösterreich hat es 5 900 Fleischhauer im Jahre 1970 gegeben. Wissen Sie, wie viel es heute gibt? – 100! Und die schreien auf: Uns radiert man aus, wir sind nicht mehr lebensfä­hig! (Ruf bei der ÖVP: Das ist aber ohne TTIP!)

Früher war es so, dass der kleine Fleischhauer der regionale Abnehmer der hochwerti­gen landwirtschaftlichen Tierproduktion war. (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Genauso wenig, Herr Kollege! Das ist ja kein oberösterreichisches Problem, sondern ein österreichisches! Und darüber lacht die angebliche Vertreterin der Wirtschaft, die ÖVP! Das ist ja unglaublich! Sie werden irgendwann nur mehr Coca Cola und Fanta als Mitglieder in der Wirtschaftskammer haben. Und in der Landwirtschaftskammer werden Sie noch ein paar Großbauern haben, und sonst nichts mehr! Das ist nicht zum Lachen!

Ich war gestern in Niederösterreich bei einem kleinen Familienbetrieb, einem Weinbau­ernbetrieb. Diese Weinbäuerin war auch niederösterreichische Weinkönigin, also gera­de nicht unbekannt; wird dir vielleicht auch bekannt sein. Wenn du hörst, welche Sor­gen ein Familienbetrieb mit einer hochwertigen Weinproduktion hat, dann weiß man, wie es denen wirklich geht. Und da sollte man hier im Plenum nicht schmunzeln, wenn man darauf hinweisen möchte.

Herr Minister, ich lese auch immer wieder, dass du massiv daran arbeitest. Das war auch sehr sympathisch mit dem Ökonomierat Tobias Moretti als Vertreter gegen TTIP. Ich nehme das auch ernst und möchte dich dabei ja unterstützen. Ich bin nur erstaunt, dass aus den Reihen der ÖVP immer wieder so lächerlich argumentiert wird, dass das alles keine Probleme sind. Ich zitiere aus österreichischen Medien die Sorgen der oberösterreichischen Fleischhauer zum Beispiel oder vieler Bauern.

Darum geht es, dass man die Sorgen dieser Betriebe, die Sorgen dieser landwirt­schaftlichen Familien und Betriebe ernst nimmt. Und letztendlich geht es dabei natür­lich auch um die Gesundheit, über die wir heute diskutiert haben, im Zusammenhang


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 127

mit einer hochwertigen Lebensmittelproduktion. Das ist das schützenswerte Gut, das nicht auf den Opfertischen dieser von mir genannten Giganten und anderen Interes­sen landen darf!

Wie es dann ausschaut, sehen wir eh da: „Agrikultur schädigt den Boden“. (Der Redner hält neuerlich einen Zeitungsausschnitt in die Höhe.) Das sind dann unsere Konkur­renten. Ich will nicht, dass sich unsere Bauern mit denen in Amerika messen müssen, wo dann die Armadas an Großmaschinen daherkommen und den Boden in Wahrheit zerstören, sodass irgendwann dort keine landwirtschaftliche Qualitätsproduktion ohne Gift und Chemie mehr möglich ist.

Ich möchte es so haben, wie es in Österreich ist, ich möchte Vorarlberger Alpkäse, Vorarlberger Bergkäse, Tiroler Speck, nicht „Tyrolean Bacon“. Ich möchte auch in Zu­kunft einen Gailtaler Almkäse oder steirisches Kürbiskernöl in hoher Qualität erwerben können. Natürlich müssen wir auch nach Niederösterreich kommen: Marchfeldspargel ist mir auch wichtig.

Ich möchte nicht, dass wir es zulassen, dass das Diktat der Giganten über unsere ös­terreichische landwirtschaftliche Struktur drüberfährt. Und wenn man die Szenarien der Zukunft anschaut, dann wird es so sein, wenn wir das zulassen würden, dass Täler entvölkert sind, dass ein ländliches Leben in den kleinbäuerlichen Strukturen völlig aufgegeben wird. Wir haben derzeit schon einen Arbeitsmarkt, der mehr als dramatisch überfordert ist, und noch mehr Zuzug in die Ballungsräume, das heißt ein Verlassen der ländlichen Räume, wird dazu führen, dass der Arbeitsmarkt, der derzeit noch zum Teil auch landwirtschaftlich geprägt ist, immer mehr unter Druck kommt.

Zur Milchquote. Da schreibt eine österreichische Tageszeitung: „Berg & schiefe Ebe­ne“. Wenn wir wissen, welche Betriebsgrößen es im Flachland Europas gibt, zu wel­chen Preisen und vor allem mit welcher Tierhaltung und mit welchen Rohstoffen aus welchen Böden produziert wird, und das mit den österreichischen Bergbauern verglei­chen – und immerhin 70 Prozent der hoch qualitativen österreichischen Milch kommt aus Bergregionen –, dann können wir uns ausmalen, wie der Wettbewerb ausschaut. Wir haben jetzt schon, wenn wir die letzten Jahrzehnte beobachten, eine dramatische Veränderung der Betriebsstrukturen, und Prognosen sagen, dass kleinbäuerliche Be­triebe de facto im Alpenraum verschwinden werden.

Wo ist da die Landschaftspflege? Wo bleibt der Tourismus? Wo bleibt eine artgerechte Tierhaltung? Ich kann das Wort „Tierproduktion“ ja überhaupt nicht hören, das ist ja in Wahrheit eine Schande.

Das ist ein weiteres Problemfeld neben vielen anderen. Da schreibt man ja auch vom „Verdrängungswettbewerb“, oder hier schreibt in der „Presse“ eine (Bundesrat Tief­nig: Wenn wir die Hypo nicht hätten, hätten wir viel Geld für !)

Wir können und dürfen die europäische Förderpolitik nicht mit der Hypo verquicken! Ich „danke“ Herrn Pröll, dass er die Hypo nach Österreich zurückgenommen hat. Er hat in einer Nacht 6 bis 8 Milliarden € an Schaden angerichtet! Sagen Sie dem Herrn Pröll ei­nen schönen Gruß von mir! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Die Wahrheit wollen die Herrschaften nicht hören.

Warum haben Sie mich nicht in den U-Ausschuss geladen? Warum bin ich nicht in den U-Ausschuss geladen? Man hat das gestern in den Medien verfolgen können, das ist bekannt, schön langsam werden Sie die Jetti-Tant in den U-Ausschuss einladen, aber mich nicht. Warum denn wohl? Weil die Pröllianer vielleicht nicht die Wahrheit hören wollen. Ich habe gestern in der „ZIB 2“ gehört, „Onkel Erwin“ überlegt sich die Kandi­datur. Vielleicht ist der Name Pröll schon etwas beschädigt. In diesem Sinne wird es ja noch einiges Spannendes geben.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 128

Ich kann nur sagen – und da schließe ich mich auch meiner Kollegin Ana Blatnik und auch dem Günther Novak an –: Es ist ja ohnedies spannend, „Onkel Erwin“ hat ja gestern auch seine starke Hand schützend über Kärnten gehalten. Dass es Versäum­nisse gegeben hat, ist klar, und das hat der Griss-Bericht eindeutig und klar aufgezeigt: Jawohl, es hat eine Haftung in Kärnten gegeben, die alle einstimmig beschlossen ha­ben. Es hat einen Koalitionspakt zwischen Haider und Ambrozy gegeben, die soge­nannte Chianti-Koalition, die zuständig dafür war, dass es diesen grässlichen Haf­tungserweiterungsbeschluss gegeben hat. Das ist Faktum.

Aber die Notverstaatlichung ohne Not – und das werde ich alles belegen, punktuell und sauber und genau, und das wird ja das Problem für Pröll und Co werden – war kein Zufall, und deshalb will man mich  (Bundesrat Mayer: um den Hals gefallen! Das ist ein Pharisäertum, was du da sagst! Und jetzt machst du ihn schlecht!)

Herr Vorarlberger, auch eure Hypo hat übrigens Probleme mit den Schweizer Franken-Krediten. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wie ist das eigentlich? Redet einer oder alle, Frau Präsidentin?

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Da momentan auch nicht zur Sache gespro­chen und es auch immer lauter wird, würde ich Sie bitten, Kollege Dörfler, zum Schluss zu kommen. Die 10 Minuten sind auch gleich vorbei.

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (fortsetzend): Ich nehme aber mein Recht in Anspruch, wie es auch Kollege Novak getan hat, auch etwas für mein Bundesland zu sagen, und darf das, Frau Präsidentin, noch zu Ende ausführen. Wenn ich dauernd gestört werde, weil die Aufregung in den Bankreihen der Schwarzen so groß ist, dann muss ich wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen; das liegt ja nicht an mir. Ich höre auch zu. Vieles hätte ich sagen können, ich schweige aber, wenn ich auf meinem Platz sitze, und höre zu – und umgekehrt gilt dieses Recht wohl auch für mich.

Herr Kollege aus Vorarlberg, die Schweizer Franken-Kredite der Hypo Vorarlberg sind ja komisch, die werden ja auch rolliert, wahrscheinlich wie in Wien. Von den Schweizer Franken-Krediten in Niederösterreich und ihren Auswirkungen will ich gar nicht reden. (Bundesrat Mayer: Wir sind schuldenfrei! Vorarlberg hat keine Schulden!)

Hat keine Schulden, aber Schweizer Franken-Kredite in Milliardenhöhe, wo von einem Tag auf den anderen ein paar hundert Millionen mehr Schulden da sind. Sie machen es gleich wie die Frau Brauner in Wien: Sie rollieren halt die Schulden aus den Franken-Krediten. In Wahrheit haben wir alle Billard gespielt und alle verloren, das ist das Traurige – und wer zahlen muss, ist der Steuerzahler.

Und was nicht zulässig ist: dass ein Finanzminister Kärnten vorführt! Für das stehe ich. (Beifall bei der FPÖ.)

15.49


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Preineder. – Bitte. (Bundesrat Dörfler setzt sich auf einen Besucherplatz.)

 


15.49.17

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Saal! – Ah, der Herr Dörfler ist schon wieder weg. (Bundesrat Schennach: Nein, da sitzt er, am „Strafbankerl“!) Ist er eh da? Aha, am „Strafbankerl“.

Kollege Dörfler, es ist schon spannend, dir abseits der Tagesordnung zuzuhören, wenn es darum geht, deine Verantwortung zu diesem Skandal und zu den Vorgängen in Kärnten so weit von dir wegzuweisen. Ich glaube, man sollte doch ein bisschen nach­denken, ob man nicht in der Zeit Verantwortung getragen hat, und diese auch entspre-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 129

chend wahrnehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Krusche: Wer sitzt denn im Hä­fen?)

Ich komme jetzt zu dem Thema, das eigentlich auf der Tagesordnung steht. Das ist näm­lich nicht die Hypo in Kärnten und nicht einmal TTIP, sondern das ist die EU-Jahres­vorschau für 2015 seitens unseres Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Wir haben hier einen wesentlichen Teil, den es zu diskutieren gibt, weil diese Jah­resvorschau eine ist, die wir zum Teil auch schon nachvollziehen können, weil schon ein Teil der Zeit ins Land gezogen ist. Die europäische Agrarpolitik ist ein wesentlicher Bestandteil, weil Agrarpolitik in Europa gemacht wird und hier wesentliche Finanzmittel fließen, weil das der einzige Bereich ist, in dem gemeinsame Politik für ganz Europa gemacht wird, und weil es um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirt­schaft und der europäischen Landwirtschaft geht und diese Wettbewerbsfähigkeit auch nach außen hin erhalten werden muss.

Es geht um die sichere Lebensmittelversorgung. Es geht um die Lebensmittelqualität in Europa. Es geht aber auch um eine Unterstützung der europäischen Konsumenten mit diesem System. Es geht um eine umweltgerechte Landwirtschaft. Es geht darum, dass Landwirtschaft Landschaft pflegt und Lebensqualität letztlich für uns alle schafft.

Die Umsetzung der gemeinsamen Agrarreform ist der wesentliche Teil dieses Vor­schauberichtes, um den es geht. Es geht darum, dass mit dieser neuen Agrarpolitik, die jetzt impliziert wird, eine österreichweit einheitliche Flächenprämie auf Acker- und Grünland eingeführt wird, dass Greening-Maßnahmen kommen, wo es darum geht, Ökowertflächen, Biodiversitätsflächen anzulegen, Grünland zu erhalten und eine Frucht­folge im Ackerbau entsprechend zu pflegen.

Es geht aber auch darum, dass die sogenannte ländliche Entwicklung dort, wo es um Berggebiete geht, wo es um Investitionen geht, wo es um Jungübernehmer geht, auch impliziert ist, und da darf ich mich bei dir, Herr Minister, dafür bedanken, dass wir diese auch rechtzeitig, nämlich noch im vergangenen Jahr, als eines der ersten Länder in Europa auch genehmigt erhalten haben.

Als Grundansatz steht über diesem Ziel, über dieser Jahresvorschau Verwaltungs­vereinfachung. Das ist etwas, was wir uns immer vornehmen und von dem wir sehr oft gerne reden. Die Umsetzung, die tatsächliche Durchführung ist nicht ganz einfach. In einigen Punkten finden wir positive Ansätze und Umsetzungsrichtlinien, wie etwa, dass der Antrag – und das ist für die Bauern momentan nicht einfach – online gestellt wird, dass jeder Bauer von seinem Schreibtisch zu Hause seinen EU-Antrag stellen kann. Das bedarf momentan sehr viel Information seitens der Interessenvertretung, seitens der Bezirksbauernkammern, aber es ist da durchaus mit Einsparungen zu rech­nen.

Es sind weniger Maßnahmen, an denen man sich beteiligen kann, und auch das ist Teil einer Verwaltungsvereinfachung. Ich hoffe, dass die Flächenerfassung mit einer einzigen pro Periode durchzuführen ist, denn die Situation, die wir bei der Digitalisie­rung in den letzten Jahren hatten, war nicht unbedingt eine, die für Verwaltungsverein­fachung sprach. Genauso gilt es, auch bei anderen Umsetzungsschritten und auch im Bereich der Sanktionen Vereinfachungen durchzuführen.

Es sind aber auch aktuelle Themen in dieser Jahresvorschau drinnen. Es war das The­ma der Sanktionen gegenüber Russland, das im vorigen Sommer sehr plötzlich auf die österreichische Landwirtschaft zugekommen ist und wo es galt, gegenzusteuern; ge­genzusteuern mit Marktmaßnahmen im Bereich der Schweineproduktion, der Käsepro­duktion, der Obstproduktion, mit denen es durchaus – das können wir heute schon sa-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 130

gen – zum Teil gelungen ist, die Preise zumindest zu stabilisieren, haben doch die Maß­nahmen so weit gegriffen, dass die Preise nicht ins Bodenlose gefallen sind.

Es ist auch – das wurde heute schon angeführt – das Auslaufen der Milchquote mit 1. Ap-
ril dieses Jahres in dieser Vorschau enthalten. Es geht auch darum, dass in diesem Bereich Märkte gesichert werden, dass Marktdruck weggenommen wird. Es geht nicht darum, Herr Kollege Dörfler, dass wir alte Strukturen im Rückspiegel betrachten, son­dern darum, den Bauern Zukunft für die nächsten Jahre sichern zu können.

Positiv bewerten dürfen wir auch – und das ist auch darin enthalten – ein Schulmilch­programm und Schulobstprogramm, für das die EU 230 Millionen € zur Verfügung stellt.

Es gibt aber auch Themen, mit denen wir uns im Bundesrat sehr intensiv beschäftigen, nämlich im EU-Ausschuss, wo wir Richtlinien, die seitens der Europäischen Union kommen, beurteilt und auch mit Stellungnahmen entsprechend bedacht haben. Es ging da um die Tierzucht, um den Abstammungsnachweis und den Handel mit Zuchttieren, wo wir uns für wenig Reglements ausgesprochen haben und wenig neuen Handlungs­bedarf sehen.

Es gibt auch den Vorschlag einer neuen EU-Bioverordnung, die wir im Europa-Aus­schuss des Bundesrates sehr, sehr kritisch sehen, nämlich aus der Sicht der österrei­chischen Biolandwirtschaft, die wir in der Form erhalten und ausbauen möchten.

Unsere Beeinspruchung der EU-Saatgutverordnung war eine Maßnahme oder eine Vorgabe, der sich auch das Europäische Parlament angeschlossen hat. Letztlich hat das Europäische Parlament diese Saatgutverordnung abgelehnt.

Vieles ist in Bewegung, vieles ist im Fluss. Eine Vorschau, die sich schon zum Teil in der Umsetzung befindet, und ich darf allen empfehlen – unsere Fraktion wird das tun –, diesen Bericht anzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


15.56.18

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Lassen Sie mich ein, zwei Worte noch zum Kollegen Dörfler sagen. Sie haben schon recht, dass wir vieles bedauern, was im Zuge der Zeit, was uns so lieb geworden ist, was auch Identitäten ausmacht, am Land verschwindet. Ich komme aus einer kleinen Gemeinde. Zuerst war der Fleischer weg, dann war der Pfarrer weg, dann war das Lebensmittelgeschäft weg, und so weiter. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Nicht TTIP und nicht die großen Konzerne sind da immer hauptverantwortlich, sondern es ist – und wir haben diese Diskussion in Wien auch – unser Konsumenten- und Kon­sumentinnenverhalten, das so ausschaut, dass wir Freitag oder Samstag in den Super­markt fahren und für eine Woche vorkaufen – und nicht einmal zum Fleischhauer ge­hen, einmal zum Bäcker gehen. Wir wollen eine Gesamtversorgung.

Ich weiß, es ist unglaublich schöne romantische Literatur, wir wollen alle diese kleinen Geschäfte, aber der Greißler kann nicht davon leben, wenn Sie im Supermarkt die Milch und vielleicht noch ein Kilo Mehl vergessen haben und sich das dann bei ihm holen. Davon kann kein Greißler leben, wenn Sie dort nur eine Ersatzhandlung vorneh­men. Genauso ist es mit den Fleischern.

Apropos: Wir haben 29 Pferdeschlachter in Österreich, und davon ist die Hälfte in Oberösterreich. Also so schlecht ist das Klima für Schlachter in Oberösterreich jetzt auch nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 131

Es ist doch so, dass Sie heute in jedem einzelnen Supermarkt die gesamte Fleisch­palette vorfinden. Da können kleine Fleischhauer nicht mithalten, weil sie nicht alles andere wie ein Supermarkt auch anbieten, weil man bei ihnen das OMO oder das Per­sil nicht mit einem Kilo Filet dazukaufen kann.

Allerdings hier bei der Vorschau kann man auch andere Sorgen haben. Viele Sorgen teilen wir, und wir finden hier, Edgar Mayer, viele Themen vor, die wir ganz ausführlich und intensiv im EU-Ausschuss debattiert haben.

Wissen Sie, Kollege Dörfler, ich kann einen Bericht ignorieren, ich kann mich einer Dis­kussion verweigern oder ich kann mich, so wie wir das im EU-Ausschuss tun, in einer extrem kritischen Haltung zeigen.

Hier haben wir uns zum Beispiel mit der EU-Waldstrategie befasst. Ich gebe zu, die Experten aus dem Landwirtschaftsministerium haben mein Verständnisvermögen ein bisschen an die Grenzen getrieben, weil wir hier mit Begriffen konfrontiert wurden, die für uns sehr, sehr spannend waren. Es geht um die nachhaltige Waldbewirtschaftung, und ich glaube, unsere Stellungnahme, dass wir keine extrabürokratischen Hürden in der Umsetzung wollen, hat genau gepasst.

Wir erwarten demnächst den EU-Holzverordnungsbericht, auch der wird in den EU-Ausschuss kommen.

Wir haben zwei Sachen, die in diesem Bericht enthalten sind, mit Gelb versehen, mit der „Gelben Karte“ belegt, das heißt, eine begründete Mitteilung gemacht.

Das eine betrifft den Schutz vor Pflanzenschädlingen, wo wir gesagt haben: Es ist doch ein Irrsinn – denn: Was in Portugal ein Pflanzenschädling ist, muss in Finnland keiner sein, und das muss nicht gut für Italien ist; ich meine diese ganze Ausrottungsstrate­gie –, dass in eine relativ kleine Richtlinie über 160 delegierte Rechtsakte hineinge­packt worden sind!

Das Zweite betrifft die Saatgutverordnung. Mit dieser sind wir in einer besonders kri­tischen Weise umgegangen. Und da kann auch der Herr Minister nachher sagen: Die­ses gemeinsame Konzert der EU-Ausschüsse, das auch wir ganz maßgeblich in Eu­ropa möglich gemacht haben, hat dazu geführt, dass die Saatgutverordnung zurückge­zogen worden ist. Das ist ein Ergebnis konstruktiver Politik. Uns ist es darum gegan­gen, die Biodiversität, das heißt die Nischenbereiche, die gerade wir in Österreich ha­ben, zu schützen und nicht alles zu patentieren und da hineinzuzwängen.

Ich freue mich sehr, dass der Begriff des „intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wirtschaftswachstums“ als eine Gemeinsamkeit von Krisenbewältigung und Ökologi­sierung insofern jetzt Eingang gefunden hat, als die Europäische Kommission die so­genannte Ökologisierung des Europäischen Semesters anstrebt. Man kann aus einer Krise auch herauskommen, indem man nicht ökologisch zerstört, wie es die USA mit dem Fracking gemacht haben, indem man Unmengen an Gift in den Boden hineinjagt und dann nicht mehr weiß, was man mit dem kontaminierten Wasser tut. Man kann eine Krise auch unter ökologischen Gesichtspunkten bewältigen.

Nächster Punkt: der Klimawandel – eine wichtige Sache, wo es auch um die richtige Strategie geht. Wir sind auf dem Weg nach Paris, wo ein Klimavertrag verhandelt wer­den soll. Herr Minister, bis März hatten die Staaten die freiwilligen Treibhausemissions­meldungen zu machen. Vielleicht können Sie darauf Bezug nehmen. Wir wissen da derzeit nicht Bescheid. Aber die 27 Prozent erneuerbare Energie machen mir insofern Sorgen, als wir da einen Konflikt mit der Energieunion haben. Wir haben gestern im EU-Ausschuss eine sehr kritische Stellungnahme zur Energieunion gemacht – nicht, dass es eine Energieunion gibt, das halten wir für richtig und sinnvoll, sondern wir kri­tisieren das, was da drinnen steht. Nämlich: Erstens einmal in ständigen Verklausu-


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lierungen die friedliche Nutzung der Atomenergie als CO2-arme Energieerzeugung, zweitens, dass das Fracking nach wie vor eine Option ist, drittens aber, dass zwar die erneuerbare Energie als wünschenswert gilt, aber dass das, was wir aufgebaut haben, hintenherum zerstört wird.

Ja, wir wollen erneuerbare Energie haben und die Energiewende herbeiführen, dazu bedarf es aber auch Förderungen. Bei der Kostenwahrheit der Atomenergie rechnet man ja die Folgekosten von Atomunfällen, von Endlagerung und so weiter nicht dazu.

Das, Herr Bundesminister, wird innerhalb der Regierung und innerhalb der EU-Kom­mission noch ein harter Kampf werden! Wir rechnen Sie zu denjenigen, die auf der Sei­te der Positionierung des EU-Ausschusses des Bundesrates stehen.

Nun ganz kurz noch zum Schluss: Bittere Pillen gibt es immer, Kollege Dörfler. Eine bittere Pille ist, dass wir beim Emissionshandel nun einen Kompromiss vorliegen ha­ben, der nach meinem Gefühl zwei Jahre zu lange nach hinten geht, aber in einer Fa­milie – und wir sind in einer europäischen Familie – muss man auch Kompromisse er­kämpfen, und vielleicht lässt sich da noch etwas anderes machen.

Aber jetzt noch etwas Positives. – Positiv sind die Biodiversitätsziele. Es sind über 90 Prozent dessen, was wir an Genen haben, ausgestorben, und deshalb ist die Bio­diversität, der Schutz der genetischen Vielfalt von so besonderer Bedeutung. Und in diesem Bericht, den Sie nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Dörfler, ist enthalten, dass die Biodiversität – und das steht ja letztlich hinter dem, was Sie vorhin gesagt haben – als zentraler Gegenstand in allen wichtigen Politikbereichen integriert wird. Das ist ein Quantensprung! So hat die Europäische Union noch nie getickt!

Folgender Punkt zum Schluss – und da wird es hoffentlich wieder zwischen EU-Aus­schuss und dem Minister einen Gleichklang geben –: Bei gentechnisch veränderten Organismen, beim dänischen Kompromiss, da müssen wir wachsam sein, was die TTIP-Verhandlungen betrifft. Da brauchen wir Lobbying von allen Seiten, damit wir diesen Kompromiss, der es Österreich freistellt, nein zu gentechnisch veränderten Or­ganismen zu sagen, auch halten können und das nicht durch Freihandelsabkommen un­terlaufen wird.

Wir werden den Bericht zur Kenntnis nehmen, denn er enthält sehr viel Richtungswei­sendes. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.05


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


16.05.45

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute die EU-Jahresvorschau 2015 des Lebensministeriums. Dem Bericht werden wir sehr gerne zu­stimmen. Vielen herzlichen Dank dafür an die MitarbeiterInnen des Lebensministeriums.

Inhaltlich sind die Positionen der EU sehr übersichtlich zusammengefasst. Etwas ganz Wesentliches fehlt jedoch fast im gesamten Bericht, nämlich die österreichische Posi­tion zu den Punkten. Genau dieses Manko habe ich auch schon vor einem Jahr, als wir die EU-Jahresvorschau 2014 besprochen haben, angemerkt.

Im Bundes-Verfassungsgesetz steht im Artikel 23, dass jede Bundesministerin/jeder Bundesminister zu Beginn jedes Jahres über die zu erwartenden Vorhaben des Rates und der Kommission zu berichten hat sowie die voraussichtliche österreichische Posi­tion dazu bekanntzugeben hat, was ja der viel spannendere Teil wäre.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 133

Genau das haben wir hier schon vor einem Jahr eingefordert. 2015 ist diese Forderung noch nicht erfüllt worden, aber gut Ding braucht Weile. Wir würden uns beim nächsten Bericht 2016 sehr freuen, wenn die österreichische Position überall berücksichtigt würde.

Einen Punkt generell möchte ich noch betonen und hervorheben: Ich finde es sehr gut, dass Sie zum Ministerrat die LandesrätInnen – zum Umweltministerrat die Umweltlan­desrätInnen – mitnehmen, weil die auch davon sehr betroffen sind und viel von den dort beschlossenen Inhalten umsetzen müssen. Gerade aber deswegen, weil die Län­der in Ihre Arbeit so sehr eingebunden sind, finde ich es noch viel wichtiger, dass die Positionen hier in der Länderkammer ganz klar kommuniziert werden.

Im Bericht werden Landwirtschaft und Umwelt gemeinsam behandelt. Meine Vorredner haben sich vor allem auf landwirtschaftliche Punkte gestützt, ich möchte hier vor allem auf die Umweltpunkte im Bericht eingehen.

Es gibt zum Umweltpaket einige sehr, sehr lobenswerte Punkte. Zu „Europa 2020“ gibt es einen sehr breiten Stakeholderprozess unter dem Titel „Wachstum im Wandel“. Da bin ich schon sehr gespannt auf die Ergebnisse. Ich habe mir schon ein paar Zwi­schenergebnisse angeschaut und hoffe, dass da im Ministerrat sehr viel davon einge­bracht werden kann.

Ein weiterer Punkt ist die „Post-2015-Agenda“. Dazu darf ich aus dem Bericht zitieren:

„Österreich verfolgt eine menschenrechtsbasierte und der Rechtsstaatlichkeit verpflich­tete Entwicklungspolitik, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Der Er­halt der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen sowie Klimaschutz sind zentra­le Herausforderungen. Die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung (soziale Ent­wicklung, wirtschaftliche Entwicklung, Umwelt) sind in einer ‚Post-2015-Agenda‘ gleich­mäßig zu berücksichtigen.“

Herr Minister, ich darf Sie bitten, diese Position vehementest zu vertreten und vor allem auch umzusetzen und die Klimaziele in Österreich, die soeben zitiert wurden, noch am­bitionierter anzugehen. Wir wissen alle, Österreich nimmt da leider noch keine Vorrei­terrolle ein. Im Nationalrats-Ausschuss hat es einen Antrag der Grünen zu Klimaschutz­maßnahmen in Österreich gegeben, denn bisher reichen die Bemühungen Österreichs noch nicht ganz aus, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Da haben wir von den Grünen noch einige gute Vorschläge eingebracht.

Auf das Thema GVO, gentechnisch veränderte Organismen, ist mein Vorredner schon eingegangen. Ich möchte vor allem die Initiative Österreichs betonen, die sich sehr stark dafür eingesetzt hat, dass einzelne Länder die Möglichkeit haben, den Anbau von GVO zu verbieten; also quasi eine Opt-out-Regelung.

Sehr interessieren würde mich, wie es da in Österreich weitergeht. Anbaubestimmun­gen im Bereich der Landwirtschaft sind ja Bundesländerzuständigkeiten, und ich glau­be, da sind nicht alle der gleichen Meinung. Wie das weiterverfolgt wird, würde mich sehr interessieren.

Nächster Punkt, der mir im Bericht noch aufgefallen ist: Ich halte es für demokratiepoli­tisch höchst bedenklich, dass das Arbeitspaket zur Kreislaufwirtschaft einfach zurück­gezogen wurde.

Die Begründung dazu ist zwar, dass man gerne einen ehrgeizigeren Vorschlag einbrin­gen möchte, aber das geht unseres Erachtens auch, indem man nicht den ganzen Pro­zess unterbricht und verzögert, sondern einfach Verbesserungen nachreicht, aber nicht das komplette Arbeitspaket wieder zurückzieht.

Ich möchte mich auf einen Punkt konzentrieren, den ich auch schon 2014 herausge­pickt habe, nämlich die Agrokraftstoffe beziehungsweise die Richtlinie für Agrotreib­stoffe unter Einbeziehung der ILUC – also des Indirect Land Use Change, auf Deutsch: die indirekte Landnutzungsänderung.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 134

Die indirekte Landnutzungsänderung bedeutet, dass durch die Flächen, die für Agro­treibstoffe verwendet werden, andere Flächen für den Lebensmittelanbau genutzt wer­den. Es wird einfach nach außen verdrängt. Diese Flächen, die jetzt neu genutzt wer­den, wären normalerweise Brachland oder Naturflächen. Natürlich geht es dabei vor allem auch um die Abholzung des tropischen Regenwaldes für den Futtermittelanbau. Durch diesen Indirect Land Use Change entstehen Treibhausgase, die durch den Ab­bau der Humusschicht und durch die Entfernung des Bewuchses aus dem Boden frei werden.

Bei diesen Indirect Land Use Change werden aber nur die klimarelevanten Auswir­kungen betrachtet. Der generelle Eingriff in den Naturlebensraum – der Verlust von Le­bensraum und von Biodiversität – wird nicht einmal mitgezählt. Auch Folgeerscheinun­gen davon werden nicht mitgezählt. Wir haben heute schon sehr viel über Afrika dis­kutiert. Eine Folgeerscheinung des Indirect Land Use Change ist zum Beispiel auch das Land Grabbing in Afrika, das dort die Lebensgrundlagen der Bevölkerung entzieht, zur Verarmung und dadurch auch zur Flucht führt. Neben den ganzen Krisen und Ge­waltzentren verstärkt es noch die Flucht.

Wir von den Grünen stehen der Beibehaltung der Agrokraftstoffverpflichtung in Öster­reich ablehnend gegenüber. Ihr Vorgänger, der ehemalige Minister Berlakovich, hat sich immer als Verfechter der Biospritindustrie präsentiert und hat alle Umwelt- und Kli­maargumente vom Tisch gewischt. In Österreich ist derzeit eine Beimischung von Agrodiesel von 7 Prozent erlaubt; die Kommission sieht im neuen Vorschlag eine Be­schränkung auf 5 Prozent vor, aufgrund der Inkludierung der Kenntnisse des ILUC. Mich würde die österreichische Position dazu sehr interessieren, sie ist aber leider im Bericht nicht enthalten.

Es sind noch sehr viele Fragen offen. Ich hoffe, Sie können mir einige Fragen beant­worten. Ich freue mich schon sehr darauf, dass – wenn schon nicht im diesjährigen Be­richt – im Bericht 2016 dann die österreichische Position zu allen Punkten enthalten sein wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.13


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Köck. – Bitte.

 


16.13.21

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ratspräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Bevor ich auf den Bericht eingehe, muss ich doch noch einige Worte zu Kollegem Dörfler sagen, weil er vorhin über uns gesprochen hat und wir bei manchen Punkten gegrinst haben.

Das haben wir sicher nicht deshalb getan, weil es um die österreichische Landwirt­schaft ging, sondern deswegen, weil jemand am Rednerpult stand, der zehn Jahre oder länger in einer Regierung war, aber offensichtlich nichts gehört, nichts gesehen und nichts getan hat, außer ein bisschen zu regieren – so nebenbei. (Bundesrat Dörf­ler: Da müssten Sie den Herrn Martinz fragen!)

Ihr müsst in der Landwirtschaftspolitik einmal eine Linie bekommen! Vor vier Stunden hat noch jemand von euch gesagt: Die Förderungspolitik von Österreich ist zu schlecht für die Landwirtschaft in Afrika! – Also ist euch das mehr am Herzen gelegen? (Bun­desrätin Mühlwerth: Das habt Ihr dann wieder missverstanden!) Und vier Stunden spä­ter sagte dann ein anderer von euch: Wir müssen die österreichische Landwirtschaft mehr fördern! – Ich denke, da braucht man wirklich eine Linie, dann macht das auch Sinn. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Nun komme ich zum Bericht. – Zuerst wird die Vereinfachung der gemeinsamen Agrar­politik angesprochen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Aus meiner Erfahrung


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 135

sehe ich das manchmal schon als Bedrohung, denn das stand eigentlich jedes Mal zu einer gemeinsamen Agrarpolitik zur Debatte, egal, ob im Jahr 2000 – und seit 2007 ist die Bürokratie dann immer größer geworden. Ich denke, wir sollten jetzt wirklich den Zeitpunkt nutzen, um zu Vereinfachungen zu kommen. Der neue Kommissar Phil Ho­gan hat ja die Möglichkeit geboten, Vorschläge zu Vereinfachungen an ihn heranzutragen.

Wir vom ÖVP-Klub haben eine Liste mit 39 Verbesserungsvorschlägen abgegeben. Ich kenne keine andere Liste aus diesem Land. Ich denke, auch daran sieht man, dass die ÖVP die Kernkompetenz zur Gestaltung der Landwirtschaftspolitik hat.

Diese Verbesserungsvorschläge betreffen vor allem Folgendes: vereinfachten Umgang mit Zahlungsansprüchen; praxisgerechte Definition des aktiven Landwirtes; Streichung von Parallelbestimmungen und Doppelaufzeichnungen; Verbesserung für private La­gerhaltung; Harmonisierung der Zulassungen, damit teure Lizenzverfahren erspart wer­den können; Streichung von unnötigen Verfahren und überbordenden Berichtsaufla­gen; vorausschauende Programmplanung, damit diese unnötigen Kosten mit den Über­gangszeiträumen nicht zustande kommen; Reduzierung der Vor-Ort-Kontrollen; Anhe­bung der Bagatellgrenzen und Toleranzgrenzen und Vorschläge zur Transparenzdaten­bank.

Ich denke, das sind alles sehr gut und profund ausgearbeitete Vorschläge. Herr Mi­nister, ich bitte dich, diese auch zu unterstützen, damit wir bei dieser Bürokratie doch etwas einsparen können.

Zum heute angesprochenen Lissabon-Vertrag: Auch das ist eine sehr wichtige Inter­vention von uns, nämlich bezüglich der delegierten Rechtsakten, die immer wieder in diesen Verordnungen sind und die eigentlich einer Blankounterschrift gleichkommen. Wir sollen da zu etwas zustimmen, wo wir eigentlich gar nicht wissen, wie das im Nachhinein geregelt wird. Zum Beispiel waren in der Verordnung über die Tiergesund­heit, die im Jahr 2013 im EU-Ausschuss verhandelt wurde, 50 delegierte Rechtsakte. – Ich denke, da müssen wir doch sehen, dass wir eine klarere Linie bekommen.

In einer Verordnung sind auch die Kontrollen, die verbessert werden sollten, ange­sprochen. – Das sehen wir nicht so. Wir denken, dass es bereits genug Kontrollen gibt. Wir müssen in Zukunft viel mehr darauf achten, dass wir bei der Produktdeklaration weiterkommen. Das ist ja heute schon angesprochen worden, aber leider nicht in der richtigen Richtung und nicht mit der richtigen Strategie.

In den letzten Jahren haben wir verstärkt betrieben, dass es auf dem Sektor der Fleischkennzeichnung eine Verbesserung geben sollte. Das war mit 1. April 2015 auch der Fall. Seit diesem Zeitpunkt gibt es eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch. Das heißt, dass jetzt auch die Herkunft verpflichtend bei verpacktem frischen Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch auf dem Etikett anzugeben ist. Es ist anzugeben, wo die Tiere aufgezogen und wo sie geschlachtet worden sind sowie die Partienummer vom Schlachthof. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Schritt, aber es müssen weitere Schritte folgen.

Es gibt noch immer eine letzte große Lücke in der Gastronomie. Dort gibt es noch im­mer sehr viel Kreativität zur Irreführung der Konsumenten. Da gibt es ein sehr gutes Vorbild mit der Schweiz, wo auch auf allen Produkten die Herkunft gekennzeichnet werden wird. Ich glaube, das ist ein gutes Vorbild. Das sollten wir als nächsten Schritt angehen, und zwar, wenn möglich, natürlich EU-weit, damit auch dort nicht mehr diese „Kreativität“ in diesem Umfang stattfinden kann.

In dieser Intervention geht es nicht nur um unsere Bauern, sondern auch um die nach­gelagerten Bereiche und um sehr viele Arbeitsplätze. Deshalb ist es mir nicht ver­ständlich, dass von der „Kronen Zeitung“, aber auch von der Arbeiterkammer, immer wieder Preisvergleiche von österreichischen Produkten mit deutschen durchgeführt wer-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 136

den, bei denen immer wieder die österreichischen Produkte schlecht dargestellt wer­den, weil sie zu teuer sind. Da wird überhaupt nicht darüber gesprochen, dass gerade auf dem Lebensmittelsektor in Deutschland sehr viele Leiharbeiter – mit Stundenlöh­nen von 3 € und weniger – beschäftigt sind, dass das überhaupt nicht mit der österrei­chischen Herstellung vergleichbar ist und dass in Deutschland auch die Kontrollen nicht so umfangreich und die Produktauflagen nicht so hoch sind wie bei uns.

Ich denke, wir sollten daher viel mehr unternehmen, um unsere Produkte besser zu be­werben und den Ursprung, unsere Produktionsauflagen und vor allem auch die Kenn­zeichnung besser durchzubringen.

Diese Produktvergleiche werben eigentlich für ausländische Produkte, werben damit für ausländische Arbeitsplätze und für ausländische Wertschöpfung. Und das ist wirk­lich nicht einzusehen.

Und es sollte auch jeder wissen: Wer schlechtes Geld für Essen bezahlen will, wird si­cher auch schlechtes Essen bekommen.

Es ist schade, dass bei der Klimastrategie doch die Ziele etwas heruntergeschraubt worden sind und es keine Vorgaben mehr gibt für die Energieeffizienz, denn die Quote für die erneuerbare Energie werden wir in Österreich leicht schaffen; viele andere Län­der vielleicht nicht. Es gibt wieder Freiraum für den Ausbau von Atomkraftwerken, was ja auch betrieben wird, zum Beispiel in England – und dies mit staatlicher Unterstüt­zung, wogegen ja von Österreich geklagt worden ist. Ich denke, das ist ein sehr rich­tiger Schritt.

Wir sollten trotzdem den Weg der erneuerbaren Energie weitergehen. Österreich hat im Jahr 2014 fossile Energie um 13 Milliarden € importiert. Ich denke, es liegt großes Potenzial darin, diese Energie selbst zu produzieren, diese Wertschöpfung hier in Ös­terreich zu halten.

Was die Umsetzung von „Natura 2000“ betrifft, möchte ich vonseiten der Bauernschaft doch bitten, dass es nicht so geschieht wie vor 15 Jahren, dass massenhaft Flächen ausgewiesen werden, ohne dass man mit den Besitzern darüber redet, wobei damals auch die Möglichkeiten für Stellungnahmen nicht wirklich sehr gut waren. Da würde ich schon wünschen, dass die Umsetzung jetzt im Einklang mit den Grundbesitzern be­ziehungsweise nach Einigung mit den Grundbesitzern erfolgt.

Die Umsetzung des GVO-Gesetzes ist heute schon einige Male angesprochen worden. Das ist ein wichtiger Schritt. Österreich hat – auch du, Herr Minister – sehr lange da­rum gekämpft. Es gibt jetzt für uns Österreicher die Möglichkeit, für uns selbst zu be­stimmen. Meine Frage: Wie steht es mit einem derartigen Gesetz? Es gibt ja doch im­mer noch diese Auflage, dass das Zulassungsverfahren und die Risikobewertung der EU unterliegen und eben auch WTO-verträglich sein müssen. Und meiner in Brüssel gewonnenen Erfahrung nach gibt es dort eine sehr finanzstarke GVO-Lobby, die sicher nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen wird.

Der Bericht wird von uns wirklich gutgeheißen, und, Herr Minister, gerade in der Sache GVO steht ganz Österreich hinter dir. Danke, Herr Minister. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.22


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesminister Rupp­rechter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


16.22.40

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zunächst ein­mal bedanke ich mich für die Debattenbeiträge und darf zu Beginn erwähnen – weil es angesprochen wurde und ich das vor einem Jahr auch hier im Bundesrat angekündigt


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 137

habe –, dass wir die Innovation vorgenommen haben, dass wir im Sinne der Multilevel Governance den jeweiligen Vorsitzenden oder die Vorsitzende der Landesumweltrefe­renten- beziehungsweise Landesagrarreferentenkonferenz eingeladen haben, an mei­ner Delegation im Rat Landwirtschaft beziehungsweise Umwelt teilzunehmen, und so den Bundesländern, die ja in vielen Bereichen der Umsetzung der gemeinsamen Um­welt- und auch Agrarpolitik beteiligt sind, die Gelegenheit geben, die Position der Bun­desländer direkt, unmittelbar in diese Verhandlungen im Rat einzubringen.

Ich denke, das war ein sehr innovativer, positiver Schritt und es hat sich auch mehrfach bewährt. Es war eigentlich bei jeder Tagung des Rates Landwirtschaft und Umwelt seit dieser Ankündigung ein Vertreter der Bundesländer mit dabei. Und ich denke, das ist eine Innovation, die wir weiterführen sollen, die auch durchaus im Sinne der Einbezie­hung der Länder in die EU-Gesetzgebung positiv zu bewerten ist. Ich sehe das auch für mich sehr positiv, weil es dadurch auch viel einfacher möglich ist, die Kommunika­tion über die Entscheidungsprozesse vor Ort umzusetzen.

Nun, unser Bericht baut auf auf dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, auch auf dem Achtzehnmonatsprogramm des Rates sowie dem Arbeitsprogramm der derzeitigen lettischen Präsidentschaft; Sie kennen das. Es sind eigentlich alle maßgeb­lichen Punkte in der Debatte angesprochen worden. Ich möchte nur noch auf den ei­nen oder anderen Themenbereich eingehen, wo sich auch Fragen ergeben haben.

Im Bereich Landwirtschaft ist es richtig, dass wir insbesondere auch die umstrittenen Schulprogramme – Schulmilch-, Schulobstprogramme – verteidigen mussten. Es gibt sei­tens der EU-Kommission einige Vorbehalte, diese Programme weiterzuführen. Es gibt aber doch eine starke Mehrheit von Mitgliedstaaten, die das eingefordert haben. Und wir sehen insbesondere auch im Zusammenhang mit der Bewältigung der Marktkrise, die sich aus dem russischen Einfuhrverbot ergeben hat, die Sinnhaftigkeit dieser Pro­gramme. Gerade der Bezug auf regionale, ursprüngliche Produkte und die Einbezie­hung dieser Produkte in diese Schulprogramme, das Schulobstprogramm beispielswei­se, sind positiv.

Die Bewältigung der Marktkrise aufgrund des russischen Einfuhrverbotes für europäi­sche Produkte, von dem wir ja auch ganz maßgeblich betroffen waren, stand natürlich im Mittelpunkt der Arbeiten, vor allem der Tagungen des Rates. Es hat sich mittlerweile eine gewisse Entspannung bemerkbar gemacht. Wir konnten auch feststellen und ver­zeichnen, dass es in Österreich trotz der Marktkrise in einigen Produktbereichen – Obst und Gemüse, auch Schweinefleisch – doch eine Entspannung gegeben hat, ins­besondere auch weil die exportierenden Unternehmungen andere entlastende Märkte gefunden haben. Wir konnten bei den Agrarexporten insgesamt im letzten Jahr sogar ein Plus von 2 Prozent verzeichnen. Das ist bemerkenswert. Es wäre sicher deutlicher ausgefallen, wenn es nicht zum Entfall etwa der Hälfte der Exporte nach Russland gekommen wäre. Es waren immerhin Waren im Wert von 250 Millionen €, die dorthin gegangen sind; etwa die Hälfte davon ist uns durch die Einbußen, eben durch die Sanktionen weggefallen. Aber, wie gesagt, es konnten andere Drittlandmärkte gefun­den werden.

Eine Verordnung, die derzeit ganz maßgeblich in Behandlung steht, ist die Bio-Verord­nung, die noch vom früheren Agrarkommissar Dacian Cioloș stammte, die aus unserer Sicht sehr problematisch war, weil sie sehr überschießende bürokratische Vorschläge enthalten hat, die wir auch bekämpft haben, auch gemeinsam mit den Bioverbänden. In der Zwischenzeit können wir feststellen, dass die Bemühungen zur Verbesserung, zur Reparatur dieser Verordnung positiv fruchten.

Wir hatten vor Kurzem, vor drei Wochen, den Vorsitzenden des Rates Landwirtschaft, den lettischen Landwirtschaftsminister Jānis Dūklavs in Österreich. Wir haben mit ihm –


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 138

in Gesprächen auch mit Vertretern der Landwirtschaft, der Bioverbände – auch zwei Biobetriebe in Oberösterreich und Niederösterreich besucht, haben die konkreten Punk-
te auch anschaulich darstellen können. Wir haben feststellen können, dass es sehr viel Verständnis seitens der Präsidentschaft für unsere Anliegen gibt. J
ānis Dūklavs hat mir auch versichert, dass Österreich als Bioland Nummer 1, mit immerhin fast 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche, für ihn ein ganz maßgeblicher Ansprechpartner ist und er uns in vielen Punkten entgegenkommen wird.

Wir haben am Montag nächste Woche eine weitere Tagung des Rates, wo auch dieses Thema behandelt werden wird. Und der lettische Vorsitz plant, noch im Juni einen Ratskompromiss für eine Verhandlungsposition mit dem Europäischen Parlament zum Abschluss zu bringen. Es wird ganz maßgeblich davon abhängen, ob der EU-Agrar­kommissar Phil Hogan bereit ist, seine Vorschläge zu modifizieren in die Richtung der lettischen Präsidentschaft – dann wird es möglich sein, diesem Kompromiss zuzustim­men und wesentliche Verbesserungen im Sinne der österreichischen Biolandwirtschaft zuwege zu bringen. – Wir werden selbstverständlich auch laufend darüber informieren.

Wichtig waren natürlich in den Arbeiten des Rates Landwirtschaft vor allem die Begleit­maßnahmen für das Auslaufen der Milchquote. Die Milchquote gibt es in Österreich seit 1978. Wir haben die Milchquote natürlich auch in der EU mit dem EU-Beitritt 1995 übernommen. Wir haben uns immer für die Fortsetzung der Milchquote ausgespro­chen. Es war allerdings festzustellen, dass es weder die Bereitschaft der Europäischen Kommission noch eine Mehrheit im Rat und auch nicht bei den Mitgliedstaaten gegeben hat, die Milchquote zu verlängern. Deswegen mussten wir uns zeitgerecht da­rauf vorbereiten, und das ist auch geschehen, indem wir ganz maßgebliche Elemente in der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik, vor allem im Bereich der ländlichen Entwicklungspolitik, ein sehr breit aufgesetztes Investitionsförderungsprogramm vorge­sehen haben, mit dem wir die österreichischen Milchbauern und auch die Verarbei­tungsbetriebe entsprechend unterstützen können. (Präsidentin Zwazl übernimmt wie­der den Vorsitz.)

Von Agrarkommissar Phil Hogan ist bei der letzten Tagung des Rates zusätzlich ein Investitionsprogramm in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank vor­gestellt worden, aus dem zusätzliche Mittel für Jungübernehmer und für die europäi­sche Milchwirtschaft vorgesehen sind. Dieses Programm werden wir entsprechend umsetzen und damit auch begleitende Schritte für das Auslaufen der Milchquote vor­sehen.

Ganz wesentlich waren unsere Arbeiten natürlich von der Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geprägt. Wir haben ja letztes Jahr im Hohen Haus die Marktordnungsgesetz-Novelle mit dem neuen Regionalmodell für die Direktzahlungen verabschiedet. Ganz wesentlich war auch die Genehmigung des ländlichen Entwick­lungsprogrammes, das wir letztes Jahr in Brüssel eingereicht haben – das wir als Erstes von insgesamt 118 eingereichten Programmen in der Europäischen Union von der Kommission noch vor Weihnachten letzten Jahres genehmigt bekommen haben.

Sie kennen dieses Programm: Das Volumen beläuft sich auf 1,1 Milliarden € pro Jahr, die Hälfte davon wird aus Mitteln des europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums finanziert und der nationale österreichische Anteil im Verhältnis 60 : 40 vom Bund und den Bundesländern. Hier sind wir gerade in der Umsetzung, und besonders wichtig in dem Zusammenhang sind vor allem die neuen, innovativen Pro­gramme, wie zum Beispiel Green Care – soziale Dienstleistungen –, Maßnahmen für kleinere und mittlere Unternehmen im ländlichen Raum und auch die begleitenden Maß­nahmen zur Breitband-Internetversorgung in entlegenen Regionen.

Ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeiten war natürlich auch die Fortsetzung und Vertiefung der Exportoffensive, um eben auch begleitend zur Russland-Krise neue


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 139

Drittlandmärkte zu erobern. Wir haben entsprechende Schritte gesetzt, vor allem in Richtung des asiatischen Raumes – China, Südostasien, Südkorea und so weiter – und den USA, wo wir noch im Herbst entsprechende Roadshows vorbereitet haben.

Ein maßgeblicher Ansatzpunkt, der auch nächste Woche im Rat diskutiert werden wird, ist von Herrn Bundesrat Köck angesprochen worden: Verwaltungsvereinfachung ist seitens der Kommission ein ganz wesentlicher Schwerpunkt. Wir werden eine Schluss­folgerung des Rates bei dieser Beratung verabschieden, und es ist schon angespro­chen worden, wir haben 39 ganz konkrete Punkte zur Verwaltungsvereinfachung für die Gemeinsame Agrarpolitik vorgesehen. Ich gehe davon aus, dass diese auch ent­sprechend einfließen werden.

Zum Thema des Umweltministerrates und der Arbeiten in diesem Zusammenhang sind die Thematik der Umsetzung des Selbstbestimmungsrechtes der Mitgliedstaaten im Be­reich des Einsatzes von genveränderten Organismen angesprochen worden. Letztes Jahr konnten wir ja tatsächlich dieses Selbstbestimmungsrecht im EU-Recht veran­kern. Wir sind jetzt in der nationalen Umsetzung, und zwar gibt es eine Regierungs­vorlage zum Gentechnikgesetz, die das Opt-out im Zulassungsverfahren entsprechend umsetzt.

Wir arbeiten an einem Bundesrahmengesetz für eine nationale Koordinierung der na­tionalen Anbauverbote, das wir bereits in Begutachtung hatten. Es gibt diesbezüglich bereits eine Akkordierung mit den Landesagrarreferenten, dass wir die nationale Um­setzung bundeseinheitlich vorsehen werden. Mein Plan ist es, noch vor der Sommer­pause eine entsprechende Regierungsvorlage in die parlamentarische Behandlung zu bringen, sodass wir noch in diesem Jahr zur Beschlussfassung dieses nationalen An­bauverbotes kommen können.

Insgesamt ist im Umweltbereich in der EU bemerkenswert, dass seitens der Juncker-Kommission eine Reihe von Gesetzgebungsvorhaben zurückgenommen wurden. Das ist zum Teil positiv, zum Teil durchaus kritisch zu beurteilen. Sehr negativ beurteilen wir beispielsweise, dass das Circular Economy Paket, also die sehr ambitionierten Vor­schläge im Abfallwirtschaftsbereich zurückgenommen wurden. Hier erwarten wir, dass die Kommission sehr bald wieder neue Vorschläge vorlegt.

Sehr positiv beurteilen wir andererseits, dass die Saatgutverordnung, die von uns ja sehr stark kritisiert worden war, zurückgenommen wurde. Das ist sicherlich positiv zu beurteilen und ein Erfolg der österreichischen Verhandlungslinie.

Sie haben die Verhandlungen zur Weltklimavereinbarung angesprochen. Hier ist ja die Europäische Union mit der Beschlussfassung im Europäischen Rat im Oktober über ein Reduktionsziel von 40 Prozent der Treibhausgase bis 2030 in Vorlage getreten, im Vorfeld der Verhandlungen zur COP 20 in Lima. Der Kompromiss in Lima, der „Lima Call“ sozusagen, war der kleinste gemeinsame Nenner und letztlich aber ein wichtiger, entscheidender Schritt zur Vereinbarung eines Weltklimavertrages, eines Weltklima­protokolls, das wir im Dezember dieses Jahres in Paris verhandeln werden.

Ich kann Ihnen noch berichten, dass im Zusammenhang mit der Reform des Emis­sionshandels, mit dem Marktstabilisierungsinstrument diese Woche im Trilog mit dem Europäischen Parlament ein Kompromiss gefunden wurde, der entsprechend umzuset­zen sein wird.

Ein wichtiger Punkt, der angesprochen wurde im Zusammenhang mit der Energieuni­on – die ja beim Europäischen Rat im März behandelt wurde –, ist, dass es tatsächlich die Gefahr gibt, dass es wieder zu einer Renaissance der Kernenergie in Europa kommt. Da haben wir uns sehr stark gegen solche Bestrebungen positioniert, insbe­sondere im Zusammenhang mit der aus unserer Sicht illegalen, binnenmarktwidrigen Beihilfe Großbritanniens zum Bau des Kernkraftwerks Hinkley Point C. Wir werden


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eine Nichtigkeitsbeschwerde, Nichtigkeitsklage einbringen, das ist die akkordierte Po­sition der Bundesregierung, und wir erwarten, dass es dazu eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes geben wird.

Wir haben, das ist ein wichtiger Ansatzpunkt aus unserer Sicht, den Schwerpunkt „Ener­giewende“, und da können wir positiv resümieren. Wir haben, wenn Sie sich die Ener­giebilanz 2014 ansehen, die gerade von der Statistik Austria präsentiert worden ist, einen sehr starken Rückgang bei den fossilen Rohstoffen und Energieträgern. – Ein positiver Impuls, der uns in unserem hohen Anteil der erneuerbaren Energieträger be­stärkt, wo wir fast schon bei dem bis 2020 zu erreichenden Ziel von 34 Prozent ange­kommen sind. Das ist der richtige Weg, den man nur so fortsetzen kann.

ILUC – Indirect Land Use Change – wurde angesprochen. Da gab es einen Kompro­miss mit dem Europäischen Parlament, der aus unserer Sicht positiv ist, mit 7 Prozent Beschränkung. Das garantiert auf der einen Seite die Fortsetzung unserer Biotreibstoff­strategie und gleichzeitig entspricht es der Kaskade „Teller-Trog-Trank“, dass also die Priorität natürlich die Lebensmittelversorgung sein muss, insbesondere bei beschränk­ten Ressourcen.

Ich denke, ich werde nicht weiter auf die Thematik der TTIP-Verhandlungen eingehen. Nur so viel ist dazu zu sagen, dass es jetzt mit dem Vorschlag der Kommission im Zu­sammenhang mit einer Novellierung der ursprünglichen Vorschläge betreffend des „right to regulate“ auch einem neuen Ansatz zum Investorenschutzabkommen eine No­vellierung gibt, die wir in den nächsten Wochen diskutieren werden. Heute, gerade jetzt, präsentiert Kommissarin Malmström dieses Konzept im INTA-Ausschuss im Euro­päischen Parlament. Es wird zu sehen sein, wie diese neuen Vorschläge die Verhand­lungen in diesem Zusammenhang voranbringen werden.

Angesprochen wurde von Herrn Bundesrat Schennach sehr positiv die Biodiversitäts­strategie, im Zusammenhang damit wurde etwa die Frage des Bienensterbens ange­sprochen. Es ist tatsächlich so, dass wir hier die Bemühungen intensivieren müssen, und auch schon intensiviert haben, um das Ziel zu erreichen, wieder 400 000 Bienen­stöcke in Österreich zu etablieren.

Gerade im Zusammenhang mit der Biodiversitätsstrategie ist es mir wichtig, auf ein Forschungsprojekt hinzuweisen, mit dem wir bewusst die schwarze Biene wieder forcieren wollen, die ja von der Carnica-Biene stark zurückgedrängt worden ist. Das zeigt, dass eine Investition in die schwarze Biene wichtig ist für die Stärkung der ös­terreichischen Bienenpopulationen. Mehr Schwarz ist da der Ansatz.

In diesem Sinne vielen Dank für die Aufmerksamkeit! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

16.39

16.40.01

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister. – Es liegen dazu keine weiteren Wort­meldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.40.4715. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das


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Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderteneinstel­lungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegs­opfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird (527 d.B. und 564 d.B. sowie 9364/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung. (Wäh­rend Bundesminister Rupprechter die Regierungsbank verlässt, tritt Bundesminister Hundstorfer an diese heran.) – Wir wechseln den Minister. Danke schön (in Richtung Bundesminister Rupprechter), auf Wiedersehen!

Herr Bundesminister Hundstorfer, noch einmal recht herzlich willkommen!

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. – Bitte.

 


16.41.18

Berichterstatter Richard Wilhelm: Wertes Präsidium! Werter Minister! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfürsorge­gesetz, das Heeresversorgungsgesetz, das Verbrechensopfergesetz, das Behinderten­einstellungsgesetz sowie das Bundesbehindertengesetz geändert werden, das Kriegs­opfer- und Behindertenfondsgesetz aufgehoben und ein Bundesgesetz, mit dem eine Rentenleistung für Contergan-Geschädigte eingeführt wird, erlassen wird, liegt in schrift­licher Form auf; ich komme daher gleich zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


16.42.01

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte KollegInnen! Die derzeit noch geltenden Regelun­gen und Leistungen bedürfen Reformmaßnahmen, weil sie in der Umsetzung einer­seits oft gar nicht zu Leistungszuerkennungen führen – manchmal führen sie sogar zu Leistungskürzungen – und andererseits einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen.

Das vorliegende Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen: leichter admi­nistrierbare, höhere Zusatzrente für Beschädigte im Kriegsopferversorgungsgesetz und eine Zusammenfassung der Rentenleistung zu einem Betrag, jährliche Valorisierung des Leistungsbetrages analog der Ausgleichszulage, Verlängerung der Beschwerde­vorentscheidungsfrist und Einführung einer Neuerungsbeschränkung vor dem Bundes­verwaltungsgericht, Aufhebung des Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetzes mit einer Übertragung der Mittel an den Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinde­rung und die Schaffung einer Rentenleistung für Contergan-Geschädigte, sofern kein Anspruch aus dem deutschen Conterganstiftungsgesetz besteht.

Aus meiner Sicht handelt es sich bei dieser vorliegenden Regelung um einen sozialpo­litischen Erfolg, der eine gute Balance findet zwischen einer wichtigen Unterstützung von Menschen mit ganz besonderen Bedürfnissen und dem gemeinsamen Ziel einer möglichen Verwaltungsvereinfachung und damit der Ausschöpfung von Kostensen­kungspotenzialen. Es ist aber auch unser Ziel, die Leistungen für diese Personengrup­pe einfacher verständlich und einfacher zugänglich zu gestalten. Auch das Prinzip der


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jährlichen Leistungserhöhung sowie ein teilweise höheres Leistungsniveau ist für diese Gruppe, die ohnehin auch erhöhte Aufwendungen zu tragen hat, ganz besonders wichtig.

Meine Fraktion wird daher dieser Vorlage zustimmen, und ich finde es schön, dass wir das heute alle tun. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.44


Präsidentin Sonja Zwazl: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Saller zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


16.44.35

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt ein Geset­zespaket aus dem Sozialbereich vor, das in seiner Gesamtheit als äußerst positiv zu bewerten ist. Bekanntlich rufen ja alle nach Verwaltungsvereinfachung, viele wünschen sich kürzere Abläufe, aber oft lässt sich das eben nicht so einfach umsetzen, wie man glaubt. Der Ruf nach Reformen ist eigentlich allgegenwärtig.

Eine wichtige Maßnahme ist dabei die Auflösung des Kriegsopfer- und Behinderten­fonds, und dafür wandern dessen Mittel in den Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung. Das ist, denke ich, eine wichtige Sache und eine gute Tat für die Betrof­fenen.

Zusätzlich positiv zu bewerten ist auch die Tatsache, dass es sich gleichzeitig um die Umsetzung eines Vorschlages des Rechnungshofes handelt; also auch das ist durch­aus positiv zu bewerten.

Sehr geehrte Damen und Herren, weiters ist die gesetzliche Regelung für die Entschä­digung von Contergan-Opfern besonders zu begrüßen. Diese Opfer, wie das bereits meine Vorrednerin erwähnt hat, erhalten also künftig eine monatliche Rente und da­durch auch eine neue Form der Entschädigung.

Bekanntlich wurde ja Contergan zwischen 1957 und 1961 als Beruhigungsmittel ver­schrieben – mit katastrophalen Folgen: Es hat zu vielen Fehlbildungen bei Neugebore­nen geführt, wobei die Betroffenen völlig schuldlos waren; das muss man ganz beson­ders hervorheben. Es muss daher eigentlich eine selbstverständliche Verpflichtung für uns sein, da entsprechende Hilfe und Unterstützung zu geben.

Das vorliegende Paket ist daher sehr zu begrüßen, und all jenen, die es ausgearbeitet haben, ist herzlich zu danken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.46


Präsidentin Sonja Zwazl: Nächster Redner: Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


16.47.04

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist erfreu­lich, dass wir hier nun eine Reihe von Änderungen im Bereich des Kriegsopferversor­gungsgesetzes, des Heeresversorgungsgesetzes und so weiter zur Abstimmung bringen.

Ich denke, dass wir dadurch auch eine Vereinfachung bei der Verwaltung erreichen werden, und darüber hinaus positiv zu bewerten ist, wie bereits von Herrn Kollegen Saller erwähnt, dass wir hier einem Vorschlag des Rechnungshofes Folge leisten. Viel­leicht hätte man in diese Richtung schon etwas früher und schneller seitens der Bun­desregierung agieren können.

Heute haben wir ein historisches Datum, denn der Zweite Weltkrieg ist in Europa ziem­lich genau vor rund 70 Jahren erfreulicherweise zu Ende gegangen. Ich denke auch,


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dass dies im Rahmen der Erinnerungskultur niemals vergessen werden darf. Hoffen wir auch, dass es in Zukunft nie wieder zu solch schlimmen Dingen kommen wird und wir eine Zeit des Friedens erleben dürfen! Ebenso hoffe ich in diesem Zusammenhang, dass endlich die Konflikte in Europa zu einem Ende kommen und auch in der Ukraine endlich wieder einmal Ruhe und Frieden Einkehr finden.

Zurück zum Tagesordnungspunkt 15: In diesem Zusammenhang ist für Österreich logi­scherweise die Außerkraftsetzung des Kriegsopfer- und Behindertenfondsgesetzes be­ziehungsweise die Änderung des Kriegsopferversorgungsgesetzes zu begrüßen.

Eine andere Thematik sind die Vorfälle im Bereich der Contergan-Geschädigten. Wie Herr Kollege Saller bereits erwähnt hat, ist es sehr, sehr wichtig, dass neue Medika­mente, die vor der Einführung stehen und quasi für den Markt freigegeben werden, ei­ner genauesten Überprüfung und Untersuchung zugeführt werden müssen, denn die Folgen im Bereich der Contergan-Geschädigten sind sehr, sehr schlimm, ja wirklich er­schütternd. Es kam vor, dass Kinder ohne Ohren auf die Welt kamen und die Men­schen allgemein mit Behinderungen rechnen mussten.

Mit diesem neuen Gesetz beziehungsweise mit den Gesetzesänderungen können wir zumindest einen Tropfen auf den heißen Stein geben und für dieses erfahrene Leid etwas Milderung in Form einer Rentenleistung herbeiführen.

Wir von der FPÖ stimmen allen Änderungen beziehungsweise auch den Neueinführun­gen zu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

16.49


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.50.15

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde gesagt, des­halb kann ich mich ganz kurz fassen. (Bundesrat Kneifel: Ein gescheiter Bursche!)

Was noch nicht gesagt worden ist zum Verbrechenopfergesetz: Da wurde die Möglich­keit der Kostenübernahme, die bisher sozusagen nur auf die klinischen Psychologen beschränkt war, jetzt erweitert. Das ist begrüßenswert.

Zum Thema Contergan-Opfer haben meine Vorredner schon alles gesagt. Das war oh­nehin eine langjährige Forderung der Grünen; natürlich werden wir das mittragen.

Es gibt auch eine Änderung des Bundesbehindertengesetzes. Die derzeitige Frist für die Beschwerdevorentscheidung in Verfahren auf Feststellung des Grades der Behin­derung beträgt zwei Monate – und wird auf zwölf Wochen verlängert. Das ist notwendig für die Einholung von ergänzenden Sachverständigengutachten. Dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wird dies auch ermöglichen, in erster Instanz eine fundierte Entscheidung abgeben zu können. Es wird argumentiert, dass dadurch die Verfahren kürzer werden.

Es hat im Vorfeld Kritik von der Arbeiterkammer und vom ÖZIV gegeben, die argumen­tiert haben, dass es in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht grund­sätzlich eine Neuerungserlaubnis oder die Möglichkeit dazu gibt. Oft sind die betroffe­nen Personen erst in den Verfahren vor dem Gericht vertreten, sodass es notwendig ist, dass auch in diesem Stadium noch Beweise vorgebracht werden können. Eine Ein­schränkung der Rechtsmöglichkeiten stellt eine nach der Behindertenrechtskonvention unzulässige Diskriminierung dar beziehungsweise wäre nach Einschätzung von ÖZIV und Arbeiterkammer möglicherweise verfassungswidrig. – Meine Kollegen haben im Ple­num des Nationalrates diesbezüglich einen Abänderungsantrag eingebracht.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 144

Alle anderen Punkte haben meine VorrednerInnen schon angeführt. Wir werden die­sem Gesetzesvorhaben natürlich unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ.)

16.52


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte.

 


16.52.34

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke für die übereinstimmende Einstimmigkeit, ein recht herzliches Dankeschön! Ich danke auch, dass es jetzt damit möglich ist, einerseits eine nicht unwesentliche Verwaltungs­reform umzusetzen und auf der anderen Seite auch der Gruppe von 25 Contergan-Ge­schädigten, die aus der Bundesrepublik Deutschland keine Entschädigung bekommen haben, vonseiten Österreichs entsprechend zu helfen.

Die Gruppe der Betroffenen war ja ursprünglich eine größere, aber eine nicht unwe­sentliche Zahl wurde bereits über das damalige System oder das System der Bundes­republik Deutschland entsprechend entschädigt, und den 25 wird jetzt seitens Öster­reichs die entsprechende Rentenleistung zukommen.

Auch im Namen der Betroffenen danke ich für die Einstimmigkeit. Viele der Betroffenen sind natürlich bereits im Pensionsalter, einige sind schon in Pension – und sie haben eine sehr, sehr große Freude, dass sie nach einem enorm langen Leidensweg jetzt, zu­mindest materiell gesehen, eine gewisse Entschädigung bekommen. Dafür ein recht herzliches Dankeschön – ich betone das wirklich so – für die Einstimmigkeit. (Allge­meiner Beifall.)

16.53

16.53.20

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

16.54.2116. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz 1979 geän­dert werden (528 d.B. und 569 d.B. sowie 9365/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Bitte um den Bericht.

 


16.54.37

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werte Präsidentin! Werter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 23. April 2015 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Mut­terschutzgesetz 1979 geändert werden, liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 145

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Reiter. – Bitte.

 


16.55.20

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Zu Beginn eine grundsätzliche Bemerkung: Es erfolgt hiermit, wie leider relativ häufig, eine Richtlinienumsetzung der EU auf den allerletzten Drücker. Die Umsetzungsfrist endet am 1. Juni. Aber noch immer gibt es praktisch keine konkreten Verordnungen dazu – teilweise, weil die Einigung mit den Sozialpartnern noch fehlt. Das heißt, die Verordnungen werden dann erst recht im Schnellverfahren erledigt. Un­serer Meinung nach sollten aber viele dieser Dinge eigentlich im Gesetz geregelt wer­den.

Die Bestimmungen hatten bisher schon Lücken beziehungsweise Graubereiche, was die Kennzeichnung von chemischen Arbeitsstoffen betrifft. Da heißt es im Gesetz, die Kennzeichnung erfolgt nur, „soweit die Art des Arbeitsstoffes oder die Art des Arbeits­vorganges dem nicht entgegenstehen“. – Also das ist schon sehr schwammig formu­liert.

Nur einige Zahlen, um zu unterstreichen, dass dies eine durchaus wichtige Materie ist – wichtig sowohl für die Menschen, die damit arbeiten müssen, als auch für die Firmen und für die Unternehmen.

Laut Bericht der Arbeitsinspektion gab es 2013 insgesamt über 94 000 Übertretungen im Bereich des technischen, arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Arbeitneh­merInnenschutzes, in über 4 000 Arbeitsstätten wurden 2013 an die 79 000 Untersu­chungen hinsichtlich gesundheitlicher Parameter, darunter eben auch über 7 000 hin­sichtlich chemisch-toxischer Stoffe, durchgeführt. Erfreulich ist, es kam dabei lediglich zu 52 negativen Beurteilungen. Es wird also in diesem Bereich gut gearbeitet und auch intensiv kontrolliert.

Unsere Hauptkritikpunkte, was die Novelle betrifft: Räume müssen erst gekennzeichnet werden, wenn es sich um erhebliche Mengen der gefährlichen Arbeitsstoffe handelt, und Zugänge müssen erst gekennzeichnet sein, wenn die einzelnen Verpackungen und Behälter nicht ausreichend mit Kennzeichnung versehen sind.

Das lässt unserer Meinung nach doch einen erheblichen Ermessensspielraum zu. Stel­len wir uns das im Licht des Problems für die Feuerwehren vor: Sie müssen im Brand­fall erst hineingehen und schauen, was auf den Verpackungen steht, wenn der Raum zum Beispiel nicht entsprechend gekennzeichnet ist. Unserer Meinung nach stünde dem eigentlich nichts entgegen, sozusagen vorsorgend eher zu viel zu kennzeichnen, als diesen großen Ermessensspielraum zu lassen, was eben auch zu Gefährdungen führen kann. – Der Entwurf zur Kennzeichnungsverordnung präzisiert das etwas, stellt aber gegenüber dem Status quo eigentlich eine Verschlechterung dar.

Auch die Übergangsfristen sind zu lang. Bis 2017 dürfen die Produkte mit der alten Kennzeichnung noch verkauft und dann noch zehn Jahre innerbetrieblich verwendet werden. Das heißt, da sind auch der Begriffsverwirrung Tür und Tor geöffnet, was es auch für externe Dienstleister, zum Beispiel Reinigungspersonal, oft schwierig macht. Da gibt es auch keine Unterweisungspflicht.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 146

Das Gleiche betrifft Warnpiktogramme, wo unserer Meinung nach weiterhin Verwirrung und Verwechslungsgefahr bestehen. Es gibt auch, was die Verordnungsentwürfe be­trifft, zahlreiche Kritikpunkte vonseiten der AUVA.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, das ist der Umgang mit Blei – wir hatten das ja heute schon auf der Agenda. Jugendliche und Frauen waren bis dato vom Umgang mit Blei völlig ausgeschlossen, da es hochgiftig und krebserregend ist, die Fruchtbar­keit beeinträchtigt und massive negative Einwirkungen auf die Embryonalentwicklung hat. Das Verbot für Jugendliche wird jetzt im Gesetz leicht verändert. Es soll aber dann wieder, verschoben auf die Verordnung, doch ein Verbot bestehen bleiben.

Bei Frauen wurde das Schutzniveau gesenkt, und zwar versteckt eben in der Aufhe­bung eines Vorbehalts zu einer UN-Konvention – das ist das, was wir heute schon auf der Agenda hatten –, wodurch der Luftgrenzwert für Männer auch für Frauen gültig ist. Erst wenn sozusagen der Nachweis von Blei im Körper erfolgt, wird ein höheres Schutzniveau bei den Frauen wirksam. Die Gleichbehandlung treibt da manchmal selt­same Blüten, und da bleibt eigentlich die gewünschte Vorsorge auf der Strecke.

Wir stimmen gegen dieses Gesetz, weil unserer Meinung nach zu vieles in die Verord­nungen verschoben wird, zu wenig klar geregelt ist und die Übergangsfristen zu lang sind. Beim ArbeitnehmerInnenschutz sollte es unserer Meinung nach keine Kompro­misse geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Todt.)

17.00


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blat­nik. – Bitte.

 


17.00.53

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa predsednica! Herr Minister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat: Diese wichtige Materie, diese Regie­rungsvorlage dient der Umsetzung von EU-Recht. Das österreichische Arbeitnehme­rInnenschutzgesetz verweist derzeit noch auf das frühere chemikalienrechtliche Ein­stufungs- und Kennzeichnungssystem und muss daher geändert werden, um es an das neue, in der CLP-Verordnung – das ist die chemikalienrechtliche Verordnung – be­schriebene System anzupassen.

Was wird geändert? – Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz, die Verordnung über die Sicherheits- und Gesundheitskennzeichnung, die Verordnung über Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen für Jugendliche und Schutz der ArbeitnehmerInnen gegen Gefährdung durch Karzinogene bei der Arbeit.

Ziel dieser Regierungsvorlage ist die Übereinstimmung der Terminologie hinsichtlich gefährlicher chemischer Arbeitsstoffe im ArbeitnehmerInnenschutzrecht mit dem Che­mikalienrecht. Es geht konkret um die Terminologie, was gefährliche chemische Ar­beitsstoffe betrifft. Es geht auch um die Kennzeichnung von Behältern und Lagerräu­men für derartige Stoffe und Gemische.

Anstelle der bisherigen Kennzeichnung gelten neue Gefahrenmerkmale für gesund­heitsgefährdende Arbeitsstoffe. Anstelle der neun Gefahrenstufen gibt es jetzt zehn Ge­fahrenstufen, die viel exakter als bisher bei der Anwendung über die Möglichkeit einer Gefährdung, wie zum Beispiel Organschädigung, informieren.

Mit dieser ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-Novelle, die meiner Ansicht nach längst über­fällig ist, beseitigt man eine Ausnahmeregelung. Zum Beispiel galt in der Vergangen­heit dann, wenn man krebserregende benzolhaltige Arbeitsstoffe in Geräten, die mit Zweitaktmotor betrieben werden, verwendet hat, die Ausnahmeregelung, obwohl man


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genau gewusst hat, dass dadurch eine große Gesundheitsgefährdung bestand. Das ist jetzt Vergangenheit.

Wir werden dieser Novelle gerne zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte.

 


17.03.53

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bei diesem Thema natürlich eine kleine He­rausforderung, wenn man hier als dritte Rednerin steht und eigentlich ein sehr großer Teil schon gesagt worden ist. Ich darf vielleicht noch einzelne Punkte hervorheben und wirklich noch einmal die Wichtigkeit der CLP-Verordnung betonen.

Das Ansinnen ist ja, dass es EU-weit bis weltweit zu ganz einheitlichen Symbolen mit Gefahrenhinweisen kommt, was ich sehr wichtig finde. Dass das ein großes Projekt ist und nicht von heute auf morgen geht, ist natürlich klar. Es wurde ja schon erwähnt, dass die Kennzeichnungen, also gerade auch die Piktogramme, geändert werden.

Eines würde mich interessieren: Frau Kollegin Reiter, Hand aufs Herz, wenn Sie an die Reinigungs- oder Waschmittel daheim denken: Wissen Sie jetzt, welche schon die neuen Kennzeichnungen haben und welche nicht? – Ich bin jetzt ganz ehrlich: Ich weiß es auch noch nicht so lange und wusste es nicht, bis ich mich mit diesem Thema be­schäftigt habe.

Von diesem Sortiment ist es genau ein einziges, das jetzt eigentlich quasi im neuen Design ist. Bis jetzt waren ja die Gefahrenkennzeichnungen orange mit schwarzen Symbolen; jetzt ist das weiß, ein aufgestelltes Quadrat mit roter Umrandung und schwarzen Symbolen. Mir ist auch da wieder bewusst geworden, wie selten man ei­gentlich selber darauf achtet. Das hat wahrscheinlich auch den Grund, dass uns, wenn man herkömmliche Mittel kauft, ja klar ist, dass es nicht gerade förderlich wäre, ein Waschmittel zu trinken. Aber auch wenn man neue Produkte kauft, stellt sich die Frage, wie sehr wir selber auf diese Kennzeichnungen schauen.

Umso wichtiger ist aber, dass es bei jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirk­lich gelebt und aufgeklärt wird, die sehr viel mit solchen Materialien in Kontakt kom­men. Ich glaube, das ist nicht nur in einschlägigen Bereichen der Fall, wo man es ver­mutet – wie Labors, oder seien es Friseurinnen, auch jene, die in einer Autowerkstatt arbeiten –, sondern zu einem ganz großen Teil auch in der Reinigung.

Die zehn Jahre sind, wenn man es so sieht, sicherlich lang. Es ist einfach die gesetz­liche Gegebenheit – bei den Stoffen war es ja kürzer –, dass gerade bei den Gemi­schen einfach eine verlängerte Möglichkeit des Verkaufs der Produkte mit der alten Kennzeichnung vorhanden ist. Wenn diese bis 2017 dauert und man das hochrech­net – und so steht es ja auch in den Erläuterungen drin –, wird es natürlich auch einige Jahre dauern, bis diese ganz vom Markt sind, bis die Abverkaufsfrist wirklich vorbei ist.

Ich glaube, auch wenn es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherlich schwierig ist, wäre es doch auch schwierig, nur noch neue Kennzeichen oder Gefahrenzeichen und Piktogramme herzunehmen und auf die alten zu vergessen, wenn diese Produkte nach wie vor im Einsatz und auch vorhanden sind.

Eines möchte ich noch aufgreifen, was Kollegin Reiter gesagt hat. Wenn man Passa­gen herausnimmt oder sagt, man habe eigentlich kein Verständnis dafür, dass etwas


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 148

so formuliert ist, dann würde es mich freuen, wenn man es ganz zitiert. Sie haben dieses Beispiel herausgenommen, dass ein Rohr oder ein Behälter, wenn es den Ar­beitsvorgang stören würde, nicht gekennzeichnet werden soll.

Aber der Satz geht dann weiter. Es steht nämlich danach noch dabei: „In diesem Fall muss durch andere Maßnahmen für eine ausreichende Information und Unterweisung der Arbeitnehmer/innen über die Gefahren, die mit der Einwirkung verbunden sind, und über die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen gesorgt werden.“

Es ist also nicht so, dass man, wenn es dort nicht geht, dann sagt, dass es egal ist, sondern es steht auch dezidiert drin, welche Maßnahmen wirklich ergriffen werden müs­sen.

Wichtig ist mir auch hinzuzufügen, dass das gerade in diesem Bereich schon sehr gewissenhaft gelebt wird. Das weiß ich als Arbeitnehmerin, aber auch aus der Zeit, als ich Arbeitgeberin war. Ich kenne auch die Mühsal und weiß, was es heißt, wenn zum Beispiel gerade von Reinigungsmitteln die Behälter nicht ausreichend gekennzeichnet sind, die exakten Datenblätter dann von den Firmen mit allem anzufordern.

Es ist also sicher auch ein großer Aufwand für Arbeitgeber dabei. Ich denke dabei auch an all jene Betriebe, die eigens ausgebildete Sicherheitsbeauftragte haben, die immer auf dem neuesten Stand sind, und möchte das nur noch unterstreichen. Ich kenne aber auch die Besuche des Arbeitsinspektorats und weiß, wie gewissenhaft und genau jene durchgeführt werden.

Daher finde ich es wichtig, und ich glaube, uns allen ist der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz ein gleichermaßen hohes Anliegen, dass mit dieser Gesetzesän­derung wirklich die neuen Kennzeichnungen, Gefahrenstoffe, Grenzwerte, all das be­rücksichtigt wird und man bemüht ist, unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – gerade jene, die öfters mit gesundheitsgefährdenden Materialien zu tun haben – in den entsprechenden Bereichen wirklich zu schützen.

Daher werden natürlich auch wir dieser Gesetzesänderung zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

17.09


Präsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet ist Herr Minister Hundstorfer. – Bitte.

 


17.09.28

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine Damen und Herren! Ich danke – auch wenn nicht alle zustimmen – für die Zu­stimmung.

Zur Verordnung möchte ich nur sagen, dass wir da in intensiven Verhandlungen sind und dass es am 18. Mai die letzte Runde mit den Sozialpartnern gibt. Wir bemühen uns natürlich, dann die Verordnung sehr zeitnah über die Bühne zu bringen. Ob es der 1. Juni oder der 5. Juni – oder vielleicht auch der 10. Juni – wird, werden wir sehen.

Wir sind jedenfalls sehr darauf bedacht, nicht zu hudeln, weil das Hudeln gar nichts bringt. (Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.) Demzufolge bemühen wir uns hier sehr intensiv, gemeinsam mit den Sozialpartnern, weil wir natürlich die Interessen der Ar­beitnehmerinnen und Arbeiternehmer, aber auch die Interessen der Wirtschaft in diese Verordnung so einpacken wollen, dass alle damit leben können und wir nicht gleich wieder das Problem von Rufen nach neuer Bürokratie haben, weil uns das auch nichts bringt. Umgekehrt ist natürlich insbesondere gegenüber dem Sektor der Chemikalien erhöhte Aufmerksamkeit notwendig.

Ich glaube, wir werden das so hinbekommen, dass alle gut damit leben können. – Dan­ke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

17.10

17.10.20

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 149

Präsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.11.1117. Punkt

Sozialbericht 2013-2014 (III-538-BR/2015 d.B. sowie 9366/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Bitte um den Bericht.

 


17.11.23

Berichterstatter Richard Wilhelm: Werte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Wer-
te Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Sozialbericht 2013-2014 betreffend die wichtigsten um­gesetzten Maßnahmen in den Arbeitsbereichen des Sozialministeriums liegt in schrift­licher Form auf; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Mai 2015 den Antrag, den Sozialbericht 2013-2014 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke schön. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schmittner. – Bitte.

 


17.12.00

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Sozialbericht 2013-2014: Herr Minister, ich habe ein bisschen ein Problem mit dem Wort, denn da stehen so viele Grausamkeiten drin. Rekordarbeitslosigkeit: 472 000, eine Steigerung um 130 Prozent bei der Zahl der Lang­zeitarbeitslosen! Mit jedem Langzeitarbeitslosen ist ja ein menschliches Schicksal ver­bunden: Scheidung, Alkoholprobleme, die Kinder können kein Musikinstrument lernen, nicht auf Schikurs fahren und so weiter und so fort.

Wenn ich mir die Steigerungen anschaue – ich werde es dann noch objektivieren –, dann, muss ich sagen, würde ich den Bericht eher als so etwas wie einen Ausländer-Förderbericht sehen, weil es da nämlich überall am meisten steigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zum Thema Ausländer darf ich noch etwas sagen. Man hat ja heute der FPÖ unter­stellt (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP) – darf ich ausreden? –, Asylanten und Aus­länder wären unser Thema. Das stimmt nicht, das ist ein Thema in der Bevölkerung, nicht nur bei uns. Darum hat ja die FPÖ Zuspruch bei den Wahlen, weil wir ein offenes Ohr für die Bevölkerung haben (Ruf bei der ÖVP: Da muss man nur nach Kärnten schauen!), zum Unterschied von ÖVP und SPÖ, das darf ich Ihnen schon sagen, weil Sie dieses Problem verniedlichen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich werde dann aber noch darauf zurückkommen, warum es diese Steigerung gibt.

Herr Bundesminister! Schauen Sie, wenn heute eine österreichische Arbeiterfamilie mit zwei Kindern eine Dreizimmerwohnung hat – im Durchschnitt wird man 600 €, 700 € überall dafür zahlen –, dann bleibt dieser netto nicht einmal das, was einer, der son-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 150

nenbadet, an Mindestsicherung hat. Die kommt sich, auf gut Deutsch, „verarscht“ vor. So ist heute die Stimmung, auch bei Ihren sozialistischen Arbeitervertretern, da kenne ich einige.

Herr Bundesminister Hundstorfer, Sie werden ja von manchen – nicht von mir – „Ar­beitslosigkeitsminister“ genannt, weil wir wirklich eine Rekordarbeitslosigkeit haben. Ich bin davon überzeugt, dass Sie die Arbeitslosigkeit allein nicht besiegen können; das ist ein Blödsinn. Aber auch Vizekanzler Mitterlehner hat gestern via „Krone“ – ich habe es nur in der „Krone“ gelesen –unverzüglich einen Arbeitsmarktgipfel von Ihnen verlangt, weil die Arbeitslosigkeit nur mehr verwaltet wird, hat er gesagt, unter Beiziehung euro­päischer Experten. Ich hoffe, er hat nicht Varoufakis damit gemeint, weil dieser bald Zeit dafür haben wird. (Bundesrat Dönmez: Der hat wenigstens zur Zahlenprüfung Zeit!) Ja, genau.

Herr Bundesminister, meines Erachtens ist auch die EU-Industrie- und Wirtschafts­politik schuld an der hohen Arbeitslosigkeit, weil sie ganz einfach die Konzerne fördert. Was tun die Konzerne? – Ich weiß es zum Beispiel von Hallein-Papier in Salzburg: So­lange sie Förderungen bekommen, geben sie eine Standortgarantie ab – heile Welt –; wenn die Förderung weg ist, verschwinden sie und sind weg! Das ist so, weil sich ein internationaler Konzern nicht am Wohl der Arbeiter, sondern an der Profitgier der Ak­tionäre orientiert. Das ist so und wird immer so sein.

Darum wird man im EU-Bereich da einmal Maßnahmen setzen müssen. Aber die be­schäftigen sich lieber mit der Allergenverordnung oder damit, ob etwas „Marmelade“ oder „Konfitüre“ heißen soll. Die hätten andere Dinge zu tun!

Herr Bundesminister, wir haben da weitere Probleme. Die hohe Arbeitslosigkeit bedingt ja massive Mehraufwendungen in der Arbeitslosenversicherung und beim AMS. Ich glaube, von 2008 bis 2014 wurde bei der Arbeitslosenversicherung mehr als 1 Milliar­de € mehr aufgewendet. Und bei den Leistungsbeziehern ist die Steigerung bei den Ausländern mit 67 Prozent frappant, das muss ich Ihnen ehrlich sagen. (Bundesminis­ter Hundstorfer schüttelt den Kopf.) Na, ich habe die Zahlen; ich glaube, die sind nicht falsch. (Bundesminister Hundstorfer: O ja! – Bundesrat Todt: Da stehen sie nicht drin! – Weitere Zwischenrufe.)

Genauso beim AMS: Wer ist der Notleidende von Kürzungen im AMS? – Zu drei Vier­teln die Österreicher! Und 26 Prozent plus: die Ausländer. Das ist so. Dann gibt es noch Ideen, Schnapsideen, dass man selbst Asylwerbern – bei den Lehrlingen, glaube ich, ist es schon erfolgt – den Zugang zum Arbeitsmarkt öffnen soll.

Herr Bundesminister, diesen Bericht kann man in der Form nicht zur Kenntnis neh­men, wenn selbst Ihr eigener Koalitionspartner, sprich Vizekanzler Mitterlehner, sagt: Es wird in Österreich die Rekordarbeitslosigkeit nur mehr verwaltet. – Das ist für mich kein Sozialbericht, denn damit sind Schicksale verbunden, die oft bis zum Selbstmord führen, weil ganz einfach das Selbstwertgefühl dieser Menschen leidet.

Ich hoffe, dass der eine oder andere Kollege meiner Meinung ist und den Bericht in der Form vielleicht auch nicht zur Kenntnis nimmt, sondern nur unter Auflagen, dass man wirklich einmal etwas tut, verstärkt tut für diese Menschen, die Österreicher, die ar­beitslos sind, die oft unverschuldet hinausgeworfen werden, so, wie wir es jetzt in Salz­burg beim Mubea-Konzern, sprich Carbo Tech haben. Er wird sich wahrscheinlich ganz nach Tschechien verabschieden. Er hat natürlich genug Förderungen bekommen, aber dort sind fast 700 Leute, teilweise Facharbeiter, aber natürlich auch ungelernte Arbei­ter, wieder arbeitslos! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 151

17.17


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


17.17.28

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich denke mir, dass der Herr Bundesminister auf die Ausführungen von Herrn Schmittner auch antworten wird, weil ja im Sozialbericht nicht nur das, was Sie gesagt haben, drinsteht oder auch nicht. (Bundesrat Schmittner: Ich habe ja nicht alles sagen können!) – Es steht nämlich gar nicht so drin, wie Sie es gesagt haben, sondern Sie haben auf eine Situation in Öster­reich aufmerksam gemacht, die natürlich nicht erfreulich ist.

Es ist eine Tatsache, dass wir steigende Arbeitslosenzahlen haben. Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass der Herr Bundesminister nichts dagegen tut, sondern ich bin sehr wohl anderer Meinung, denn wir haben vom Grundsatz her die Finanz- und Wirtschaftskrise eigentlich relativ gut überstanden. Da müssen Sie mir ja zustimmen. Dass wir jetzt in einer Situation sind, die nicht so einfach zu bewältigen ist, ist einfach so. Aber ich denke mir, der Herr Bundesminister wird die entsprechende Antwort geben, denn der Sozialbericht umfasst schon einiges mehr an Themen als die Anwürfe, die Sie hier getätigt haben!

Ich möchte mich gerne mit einigen Themen beschäftigen, die in diesem Sozialbericht drinnen sind, Themen die von der Arbeitsmarktpolitik über Arbeitsrecht, Arbeitnehmer­schutz, gesetzliche Sozialversicherung, Konsumentenpolitik, Pflege, Vorsorge, Behin­dertenpolitik, Sozialentschädigungen, bedarfsorientierte Mindestsicherung, EU-Sozial­politik und internationale Zusammenarbeit bis hin zu sozialpolitischen Grundsatzmate­rien reichen. Das ergibt einen hervorragenden Überblick.

Herr Bundesminister, ich ersuche Sie, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Mi­nisteriums für die Erstellung dieses hervorragenden Berichtes zu danken, denn das ge­hört auch dazu.

Dieser Bericht gibt schlicht und einfach einen sehr, sehr guten Überblick über die so­ziale Lage in Österreich. Ich möchte besonders die sozialpolitischen Analysen und auch den europäischen Vergleich, der darin beinhaltet ist, hervorheben. Der wichtigste Teil ist aber jener, der die Entwicklung unserer Sozialsysteme und auch die Perspek­tiven für die Zukunft aufzeigt.

Ich beginne mit der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben – und ich gebe Ihnen da recht – eine angespannte Arbeitsmarktsituation, und trotzdem ist die Arbeitslosenquote im Ver­gleich zu anderen Staaten niedrig. Österreich liegt – und zwar im September 2014 – mit 5,1 Prozent an zweiter Stelle hinter Deutschland. (Zwischenrufe der Bundesräte Mühlwerth und Schreuder.– Wir sind jetzt etwas zurückgerutscht, das stimmt, das gebe ich auch zu, das habe ich auch nicht bestritten.

Trotz alledem zeigt das die gute Arbeit auf. Da es ein Bericht aus der Vergangenheit ist (Bundesrat Mayer: Genau!), den wir hier diskutieren, ist das natürlich auch ein Hinweis darauf, welche Zahlen drinnen sind. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik bedeutet, dass 44 Prozent der arbeitenden Frauen, 34 Prozent der arbeitenden Männer in die Förder­quote mit einbezogen sind. Insgesamt wurden im Jahr 2014 386 000 Personen geför­dert, damit sie wieder Arbeit finden können.

Für die Arbeitsmarktpolitik ist im Jahr 2014 über 1 Milliarde € ausgegeben worden; 65 Prozent für die Qualifizierung, 26 Prozent für Beschäftigungsmaßnahmen und 9 Pro­zent für externe Beratungsleistungen. Besonders möchte ich auf die Arbeitsmarktoffen­sive für ältere und kranke Arbeitssuchende hinweisen, welche folgende Schwerpunkte hatte: Steigerung der Arbeitsfähigkeit, Erweiterung erforderlicher Qualifikationen, Rein­tegration in ein Beschäftigungsverhältnis. Besonders wichtig ist die Beschäftigungsini­tiative 50+.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 152

In den Jahren 2014 bis 2016 werden für diese Initiative 370 Millionen € eingesetzt wer­den, und zwar für die bewährten arbeitsmarktpolitischen Instrumente und darüber hi­naus auch für die Förderung von Unternehmen, die ältere Arbeitskräfte aufnehmen. Erfolgsmodelle in der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind die Ausbildungsgarantie für Ju­gendliche und fit2work.

Trotz alledem brauchen wir für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ein Bonus-Malus-System. Jene Unternehmen, die ältere Menschen beschäftigen, sollten einen Bonus erhalten und jene, die ältere Menschen kündigen, sollten einen Malus zahlen. Ich glaube, das ist einer der wesentlichen Punkte, um ältere Menschen weiter in Be­schäftigung zu halten.

Ein ganz besonderes Augenmerk legt der Bericht auf die gesetzliche Sozialversiche­rung, wofür im Jahr 2013 54 Milliarden € aufgewendet wurden; das entspricht 17,4 Pro­zent des Bruttoinlandsproduktes. 2,8 Prozent wurden für die Unfallversicherung, 28,8 Prozent für die Krankenversicherung und 68,3 Prozent für die Pensionsversiche­rung aufgewendet. 4 von 5 Milliarden € der Einnahmen der Sozialversicherung sind Versicherungsbeiträge.

Erfreulich ist, dass die Zahl der Alterspensionen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Es gelingt also, das tatsächliche Pensionsalter an das gesetzliche Pensionsalter anzupassen, zwar Schritt für Schritt, aber es ist ein Fortschritt zu verzeichnen. Die Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik – gekoppelt mit den neuen Richtlinien für den Pen­sionsantritt – wirken hier, es ist in diesem Bericht genau nachzulesen:

„Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Lebensstan­dard der Bevölkerung bislang relativ moderat ausgewirkt.“

Neben den wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen sind wohl­fahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben von ganz besonderer Bedeutung. Österreich gab im Jahr 2013 96,1 Milliarden € für Soziales aus, das sind 29,8 Prozent des BIP; die EU-28 haben – im europäischen Vergleich dazu – 29 Prozent des BIP ausgegeben, Österreich 28,9 Prozent.

Österreich liegt damit – im europäischen Vergleich an neunter Stelle, vor uns liegen Staaten wie Dänemark, Frankreich, Schweden und die Beneluxstaaten. Vergleicht man die Finanzierungsquellen für 2011, dann sieht man, dass der Staat in den 28 EU-Län­dern 11,9 Prozent des BIP für Sozialleistungen ausgibt, die Arbeitgeber 10,7 Prozent des BIP und die Versicherten 6 Prozent des BIP.

In Österreich gibt der Staat 9,9 Prozent des BIP aus, die Arbeitgeber geben 10,9 Pro­zent und die Versicherten 7,7 Prozent aus. In Deutschland gibt der Staat 11,1 Prozent des BIP aus, die Arbeitgeber geben 10,6 Prozent und die Versicherten 9,4 Prozent aus. Das letzte Beispiel ist Schweden, weil uns dazu immer vorgerechnet wird, welch eine großartige Pensionsreform dort durchgeführt wurde: In Schweden gibt der Staat 16,6 Prozent des BIP aus, die Arbeitgeber 11,2 Prozent und die Versicherten 3,0 Pro­zent. Wir liegen da schon sehr gut. Und bei einem Vergleich mit der durchschnittlichen Finanzierungsstruktur der Sozialschutzsysteme in der EU sieht man, dass in Österreich die Einnahmen aus den Beiträgen der versicherten Personen höher und die staatlichen Zuwendungen geringer sind.

Der Anteil der Arbeitgeber liegt in Österreich etwa auf derselben Höhe wie jener im Schnitt bei den EU-28.

Das zeigt, dass alle diese Reformrufe oder die Rufe, dass wir das Geld nur für Pen­sionen ausgeben, ein Märchen sind, denn man muss sich das schon auch im Vergleich anschauen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Ich würde dir raten, die Tabellen


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 153

hinten zu lesen, sie sind weiter hinten. Der EU-Vergleich zeigt hier genau auf, wo das ist. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Ja, ich habe nur gesagt, welche Seite das ist. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister, der Bericht zeigt aus meiner Sicht die ausgezeichnete Arbeit des Bundesministeriums für Soziales und Ihren Einsatz in der Krise. Ich wünsche Ihnen ein herzliches und besonderes Glückauf für Ihren Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tem­mel. – Bitte.

 


17.28.45

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorerst herzlichen Dank für diesen umfangreichen Sozialbericht, allen voran Ihnen, sehr geehrter Herr Sozialminister, sowie all den Beamtinnen und Beamten Ihres Ministeriums.

Die Ressortaktivitäten sind wirklich beachtlich und ich darf nur einige erwähnen, ergän­zend zum Kollegen Todt.

Über 1 Milliarde € für die aktive Arbeitsmarktpolitik, 370 Millionen € für die Beschäfti­gung der über Fünfzigjährigen, 11 300 Ausbildungsplätze für Lehrstellen suchende Ju­gendliche, 2,3 Millionen gesetzliche Pensionen ausbezahlt, der Staat schießt als Aus­fallhaftung 7,39 Milliarden € dafür zu, 450 000 PflegegeldbezieherInnen, 2,5 Milliar­den € Pflegegeld pro Jahr, 16 600 Pflegebedürftige in 24-Stunden-Betreuung – Förde­rung pro Monat.

Ich glaube, wir ÖsterreicherInnen können uns – im Vergleich zu allen anderen Län­dern – glücklich schätzen, ein so gutes Sozialnetz zu haben; gerade am Vortag zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges sollten wir daran denken. Es gibt kein Land, wo alle, die Pflege benötigen, durch die Einstufung in sieben Pflegegeldstu­fen bestens versorgt werden.

Eine gute Entscheidung war auch die Reduktion der Pflegegeldentscheidungsträger von mehr als 280 Landes- und 23 Bundesträgern auf fünf Träger seit Jänner 2014 – und die Dotierung des Pflegefonds auf die Jahre 2015 und 2016 zu verlängern.

Die 24-Stunden-Betreuung von pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen in häusli­cher Umgebung hat sich sehr gut bewährt. Im Jahr 2013 betrug der Durchschnitt der Bezieher der 24-Stunden-Betreuungsförderung 16 600 pro Monat.

Das kann ich auch bestätigen – ich bin schon viele Jahre Sachwalter einer reiferen Mitbürgerin – und sagen, das wird wirklich vorzüglich behandelt. Auch die Verfahren haben sich wesentlich beschleunigt; innerhalb eines Monats wird jeder Fall entschieden.

Begrüßenswert ist auch – Kollege Todt hat es bereits erwähnt – die Ausbildungsgaran­tie für Jugendliche, die Beschäftigungsinitiative 50+, um verstärkt die Arbeitsmarktinte­gration arbeitssuchender Frauen und Männer ab 50 Jahren, die länger als ein halbes Jahr ohne Beschäftigung sind, zu forcieren.

Herr Minister Hundstorfer, dieser Punkt wird derzeit bei uns im Burgendland heftig dis­kutiert, denn unser Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Franz Steindl möchte dieses Modell für über Fünfzigjährige, zuzüglich einer Landesförderung, für die Gemeinden und Betriebe, übernehmen. In der letzten Regierungssitzung wurde dieser Punkt mit SPÖ-Mehrheit mit der Begründung abgelehnt, dass Betriebe ausländische Arbeitslose anstellen würden. Da wäre, glaube ich, ein klärendes Gespräch Ihrerseits wünschens­wert.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 154

Aufgrund der vielen Bauarbeiter aus dem Südburgenland, die in Wien tätig sind, war für uns auch die Einführung des Überbrückungsgeldes für die Übertrittsphase vom Er­werbsleben in die Alterspension sehr wichtig; dazu ist eine Ausweitung auf zwei Jahre angedacht.

Nach Definition des europäisch verbindlichen Indikators „Armuts- oder Ausgrenzungs­gefährdung“ waren 1,572 Millionen Menschen in Österreich im Jahre 2013 oder 18,8 Pro­zent der Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Diese Zahl ist zwar immer noch sehr hoch – eigentlich zu hoch –, sie hat sich aber im Vergleich zu 2008 – trotz der Krise – um 127 000 Personen verringert beziehungsweise ist von 20,6 Prozent auf 18,8 Prozent gesunken. In Europa hingegen ist in diesem Zeitraum die Zahl von 23,7 Prozent auf 24,5 Prozent beziehungsweise 122,6 Millionen Menschen gestiegen.

Gerade nach 70 Jahren Kriegsende sei auch noch die Förderung von freiwilligem En­gagement erwähnt, welches unter anderem das Freiwillige Sozialjahr, das Freiwillige Umweltschutzjahr sowie den Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland regelt.

Meine Fraktion wird deshalb diesem herzeigbaren Sozialbericht gerne zustimmen. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.33


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 


17.33.23

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schmittner, ich verstehe, dass man hier ans Rednerpult tritt, dann sagt, dass man eh keine Ausländerdebatte führen will – und dann dennoch die Argu­mente Inländer gegen Ausländer anführt. Ich habe wirklich kein Problem damit, wenn man hier seine Meinung sagt, und ich habe, glaube ich zumindest, die Offenheit, mir auch andere Meinungen anzuhören und diese über mich ergehen zu lassen. (Bundes­rätin Mühlwerth: Wir lassen euch auch öfters über uns ergehen!)

Aber eines sollte schon sein: dass man mit Fakten argumentiert. Wenn Sie sich da herstellen und wider besseres Wissen behaupten, dass die Ausländer mehr aus dem Sozialtopf herausnehmen als die Österreicher einzahlen, dann ist das schlicht und er­greifend einfach falsch – und ich zitiere:

„ÖsterreicherInnen zahlen 89,3 Prozent aller Beiträge für die beitragsfinanzierten So­zialschutzsysteme, d.h. Beiträge für die Pensionsversicherung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung und den Familienlastenausgleichsfonds. Ihr Anteil an den erhaltenen Geldleistungen beträgt 93,8 Prozent, das heißt, die erhal­tenen Sozialleistungen übersteigen die von ihnen geleisteten Beiträge.

Bei den AusländerInnen verhält es sich umgekehrt. Sie zahlen 10,7 Prozent aller Bei­träge, während ihr Anteil an den Geldleistungen bei 6,2 Prozent liegt. Somit sind Aus­länderInnen bei den v.a. beitragsfinanzierten Sozialleistungen deutliche NettozahlerInnen.

Neben Geldleistungen spielen auch Sachleistungen eine Rolle. Dies trifft vor allem auf den Gesundheitsbereich, im geringerem Ausmaß für den Familienbereich, zu. Bei­spielsweise können angeführt werden: Für die Krankenversicherung Behandlungen im Krankenhaus und bei niedergelassenen ÄrztInnen, für die Unfallversicherung, Unfall­heilbehandlung, für den FLAF Freifahrten, Fahrtenbeihilfen und Schulbücher. Über de­ren genaue Verteilung liegen keine Daten vor, weil die Sachleistungen nicht personen­bezogen in Geldwerten dargestellt werden.

Dennoch kann für die Sachleistungen der Krankenversicherung und des Familien­lastenausgleichsfonds Folgendes festgehalten werden:


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 155

Das Durchschnittsalter von AusländerInnen liegt deutlich unter jenem der Österreiche­rInnen. Die Pro-Kopf-Gesundheitsaufwendungen von über 65-jährigen Personen sind im Durchschnitt um das Vierfache höher als die von unter 65-Jährigen. Dies bedeutet, AusländerInnen beziehen im Rahmen der Gesundheitsversorgung anteilig weniger Sach­leistungen, als sie KV-Beiträge zahlen.

Bei den vom Familienlastenausgleichsfonds finanzierten Leistungen erhalten Auslän­derInnen aufgrund höherer Kinderzahl anteilig mehr an Sachleistungen. Dennoch sind diese pro Kopf-Leistungen geringer als die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben älterer Men­schen.

Somit würde sich auch bei einer Gesamtbetrachtung aller Leistungen in den v.a. bei­tragsfinanzierten Sozialsystemen ergeben, dass AusländerInnen im stärkeren Ausmaß an den Beitragszahlungen beteiligt sind, an den Leistungsbezügen jedoch in schwä­cherem Ausmaß.

Würden auch Bildungsausgaben mitberücksichtigt, stünde einer überproportionalen Zahl an ausländischen Kindern/Jugendlichen eine höhere Pro-Kopf-Budget-Belastung der inländischen Jugendlichen gegenüber, da diese längere Bildungsgänge aufweisen.“ – Zitatende.

Das ist jetzt keine Zusammentrickserei von mir, sondern Zahlenmaterial der Statistik Austria und unter anderem eine Presseaussendung des Sozialministeriums. – So viel zu den Fakten.

Zum Bericht selber: Der Bericht enthält neben den wichtigen Informationen Maßnah­men und Entwicklungen im Bereich Arbeitsmarkt, Arbeitsrecht, Soziales, Pensionen, Behinderung, Pflege und Konsumentenschutz noch fünf zusätzliche Studien, und zwar zum Bereich Entwicklung und Struktur der Sozialausgaben, Entwicklung und Verteilung der Einkommen, Lebensbedingungen, Armut- und Ausgrenzungsgefährdung, soziale und wirtschaftliche Lage sechs Jahre nach Krisenbeginn. Er wurde von den Mitar­beiterInnen des Wirtschaftsforschungsinstitut und der Statistik Austria und den Mitar­beiterInnen des Sozialministeriums erarbeitet, und er ist wirklich sehr umfassend.

Herr Bundesminister, ich habe Ihnen schon im Ausschuss meinen Dank ausgespro­chen, möchte das hier nochmals wiederholen, denn der Bericht ist wirklich sehr aussa­gekräftig; recht herzlichen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben.

Zu den zentralen Ergebnissen der Studie:

„Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Lebensstan­dard der Bevölkerung bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirt­schafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatli­che Strukturen bzw. die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurück­zuführen.“

Dennoch zeigen die Studienergebnisse sehr viele Herausforderungen auf, und zwar ist im Bereich der Unternehmens- und Vermögenseinkommen ganz klar, dass sich eine stärkere Abgabenbelastung auf Arbeitseinkommen herauskristallisiert hat als auf die Abgaben auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen.

Der Unterschied hat sich seit 1995 noch verstärkt. Die Abgabenleistung auf Arbeit ist im Vergleich zu Leistungen auf Unternehmens- und Vermögenseinkommen weiter ge­wachsen. Das heißt, da sehen wir eindeutig, wo Handlungsbedarf besteht: Wir müssen mit den anfallenden Lohnkosten deutlich runter, um einerseits wieder Arbeitsplätze zu schaffen und andererseits auch, um für die Unternehmen  die sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen – attraktiver zu sein.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 156

Die Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital wurde auch herangezogen, und auch da ist die nicht allzu überraschende Conclusio, dass die Einkommensver­teilung noch ungleicher geworden ist – und ich zitiere:

„Die Einkommensverteilung zwischen den unselbstständig Beschäftigten wird zuneh­mend ungleicher: Die obersten 20% der LohneinkommensbezieherInnen bekommen fast die Hälfte des ‚Kuchens‘, die untersten 20% gerade einmal 2%“; das hängt auch mit der Verbreitung von geringfügiger Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung und Sai­sonbeschäftigung zusammen.“

Unter den geringstverdienenden 40 Prozent der EinkommensbezieherInnen befinden sich mittlerweile fast keine ganzjährig vollzeitbeschäftigten Personen, sondern fast aus­schließlich unselbständig Beschäftigte, die teilzeitbeschäftigt sind oder während des Jahres eine Periode der Arbeitslosigkeit durchlebten.

Das haben wir auch im Ausschuss diskutiert: Es gibt ja viele Branchen – Sie haben das auch einige Male gesagt, sehr geehrter Herr Minister –, in denen man de facto keine Vollzeitanstellung mehr findet. Im Handel beispielsweise sind es oft nur 20 bis 30 Stun­den- oder, wenn es hoch kommt, 35-Stunden-Jobs. Das ist natürlich sehr schwierig für die ArbeitnehmerInnen.

Auch die Einkommensunterschiede auf Basis der Stundenlöhne zwischen Männern und Frauen zählen zu den höchsten der EU. Da zeigt sich – auch entlang von Bran­chen mit frauentypischen Berufen –, dass die Teilzeitquote bei unselbständig beschäf­tigten Frauen bereits 47 Prozent beträgt. Im Durchschnitt kann man mit Teilzeitarbeit oder geringfügiger Beschäftigung nur etwa 30 Prozent des Lohnniveaus von Vollzeitbe­schäftigung erreichen. 32 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Frauen und 9 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Männer hatten 2012 ein Einkommen, das weniger als zwei Drittel des mittleren Vollzeiteinkommens entsprach.

Weniger ungleich sind aber die Haushaltseinkommen, und sie wachsen. Auf die 20 Pro­zent Haushalte mit den niedrigsten Haushaltseinkommen entfallen 8 Prozent des ge­samten verfügbaren Einkommens, auf das oberste Einkommensfünftel 37 Prozent.

Das verfügbare mittlere Haushaltseinkommen – der Median bei einem Einpersonen­haushalt inklusive aller Erwerbseinkommen, Sozialleistungen nach Abgabe der Steu­er – beträgt 1 840 € im Monat. Die Statistik Austria hat die Lebensbedingungen in den Haushalten mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen analysiert. Einpersonen­haushalte mit einem Einkommen von weniger als 1 104 € pro Monat – das sind weni­ger als 60 Prozent des Medianeinkommens – gelten als Haushalte mit niedrigem Ein­kommen und als armutsgefährdet. Einkommen von über 3 311 € im Monat – das sind über 180 Prozent des Medianeinkommens – als hoch. 40 Prozent haben ein niedriges, 76 Prozent ein mittleres, und 9 Prozent haben ein hohes Einkommen.

Die Conclusio ist auch, dass Arbeit der beste Schutz vor Armut ist. Es gibt einen star­ken Zusammenhang – da gebe ich dem Kollegen Schmittner durchaus recht –, dass die Arbeit natürlich der beste Schutz vor Armut ist. Natürlich muss man Arbeitsplätze lukrieren und schaffen, aber dazu bedarf es eben umfassender und unterschiedlichster Maßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen. Diesbezüglich sozusagen die Schuld dem Sozialminister umzuhängen, greift meines Erachtens doch zu kurz. Er bemüht sich sehr, das kann man auch den Medien und den Berichten entnehmen, aber er ist halt auch kein Wunderwuzzi; das muss man zur Kenntnis nehmen.

Die Haushalte mit hoher Erwerbsintensität haben auch höhere Einkommen, das heißt: In einem Haushalt, in dem mehr Leute in Beschäftigung stehen, ist auch das Armuts­risiko geringer. 85 Prozent der Personen in Haushalten mit mittlerer und 95 Prozent der Personen in Haushalten mit hoher Erwerbsintensität erwirtschaften zumindest ein mitt­leres Einkommen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 157

Große Unterschiede gibt es beim Wohnen und bei den Wohnkosten: Während Haus­halte mit hohem Einkommen zu 70 Prozent in Eigentumswohnungen leben, lebt die Mehrheit der Haushalte mit niedrigen Einkommen in Mietwohnungen. Daher haben Men­schen mit einem niedrigen Einkommen pro Quadratmeter höhere Wohnkosten, nämlich 6,7 € pro Quadratmeter. Für Menschen mit einem mittleren Einkommen betragen die Wohnkosten pro Quadratmeter 5 €, und Menschen, die ein hohes Einkommen haben, zahlen 4,6 € pro Quadratmeter.

Das Leben in der Stadt ist deutlich teurer als auf dem Land, wobei ich das wirklich zu bezweifeln wage, denn dabei darf man meines Erachtens auch nicht die Kosten außer Acht lassen, die man am Land für die Mobilität aufbringen muss mit zwei Autos – die braucht man, wenn man am Land wohnt, wenn der eine in die Arbeit muss und die andere die Kinder in Kindergarten und Schule führen muss. (Bundesrat Kneifel: Ach so?) – Kommt man mit einem aus? Ich kenne wenige, die am Land mit einem Auto auskommen; aber das ist ein anderes Thema.

Fast 600 000 Menschen müssen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Wohnen inklusive Heizung und Strom ausgeben. Seit 2008 sind die Wohnungskosten für Men­schen mit einem geringen Einkommen am stärksten gestiegen.

Obwohl Österreich zu den Ländern mit der geringsten Arbeitslosigkeit in der EU gehört und monatlich Beschäftigungsrekorde verzeichnet werden, ist die Arbeitslosigkeit be­ziehungsweise die Langzeitbeschäftigungslosigkeit seit 2008 stark gestiegen.

In Europa steigt die Armut, in Österreich sinkt sie. Im Jahr 2013 waren 24,5 Prozent Menschen in der EU von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. In Österreich konn­te die Zahl der armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Menschen hingegen um 127 000 Personen verringert werden. Diese Quote ist in Österreich damit von 20,6 Pro­zent auf 18,8 Prozent gesunken, und das ist sicherlich auch der Verdienst des Herrn Sozialministers und seines Teams.

Nichtsdestotrotz gibt es noch viele Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Beispielsweise stehe ich, sehr geehrter Herr Minister, in engem Austausch mit vielen Mitarbeitern, die am AMS und ausgegliederten Beratungs- und Fortbildungsinstitu­tionen arbeiten, schließlich stehen dort sehr viele Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Trainer und so weiter in Beschäftigung. In diesem Bereich ist schon teilweise eine frus­trierte Stimmung wahrzunehmen, weil die Beschäftigungsverhältnisse sehr prekär sind und auch teilweise zeitlich befristet. Diese Menschen wissen nicht, ob im nächsten halben Jahr oder im nächsten Jahr das Projekt, für das sie angestellt worden sind, noch bestehen wird.

Teilweise klagen die Trainer und Trainerinnen selber, dass die Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen nicht gegeben wäre, doch wenn Arbeitslose selber vorschlagen, dass sie eine Ausbildung machen würden, dann heißt es meistens: nicht finanzierbar!, oder: Das müssen sie sich selber zahlen!, obwohl genau das der Schlüssel wäre, damit die­se Menschen wieder wirklich Fuß fassen können. Also auch da gibt es, wie Kollege Schmittner angeführt hat, noch Verbesserungsbedarf.

Aber nichtsdestotrotz, der Sozialbericht ist super und sehr ausführlich: Herzlichen Dank noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, die da mitgearbeitet haben!

Wir werden den Bericht natürlich zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.46


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ebner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 158

17.47.04

Bundesrat Ing. Bernhard Ebner, MSc (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren – sofern noch jemand zu Hause vor dem Computer sitzt. Es geht um den Sozialbericht. Auf 400 Seiten ist sehr ausführlich, sehr überblicksmäßig und sehr gut dargestellt, was in diesem Bereich alles geleistet und geschaffen wird, wo überall geholfen, gefördert, unterstützt und eben auch seitens des Bundes investiert wird. Es wird dargestellt, wie man den Menschen Hilfe anbieten kann und ob die Hilfe dementsprechend dort ankommt, wo sie hinkom­men soll.

Auch ich gratuliere daher dem Herrn Bundesminister und seiner Mannschaft im Minis­terium zu diesem Bericht, denn er zeigt sehr deutlich, dass wir in Österreich diesbezüg­lich gute Arbeit machen und dass wirklich auch dort geholfen wird, wo Hilfe notwendig ist.

Ein wichtiger Bereich ist dabei natürlich der Arbeitsmarkt. Ja, es stimmt, wir haben stei­gende Arbeitslosenzahlen. Ja, es stimmt, das ist ein Problem, das wir uns ansehen müssen – und das sehen wir uns auch an, und nicht nur das, sondern wir tun dabei auch etwas.

Gleichzeitig wissen wir auch, dass wir als Politiker keine Arbeitsplätze schaffen kön­nen. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen, um es der Wirtschaft zu ermögli­chen, Arbeitsplätze zu schaffen, damit mehr Menschen in Beschäftigung kommen. Wir haben zwar steigende Arbeitslosenzahlen, aber auf der anderen Seite auch steigende Beschäftigtenzahlen, und das ist auch gut so. Es ist ein gutes Signal, dass mehr Köpfe und mehr Menschen Arbeitsplätze finden.

In Niederösterreich haben wir ein Arbeitsmarktpaket geschnürt. 2015 ist für uns von der Volkspartei in Niederösterreich das Jahr der Arbeit. Wir haben dabei ein Arbeits­marktpaket geschnürt, in dessen Rahmen über sieben konkrete Maßnahmen auch Ak­tivitäten gesetzt werden, um 3500 Arbeitsplätze zu generieren, die auch bereits ge­schaffen wurden, um da auch dementsprechend dagegen zu halten. Da geht es um das Vorziehen von Baumaßnahmen im Straßenbau, bei Pflegeheimen und dergleichen mehr. Da gibt es viele Projekte, die in den Gemeinden und vom Land her angegangen werden, um diesbezüglich gegensteuern zu können. Doch das allein ist nicht genug; wir brauchen deutlich mehr.

Jetzt haben wir die Situation, dass es mittlerweile oft – leider auch in den Medien – so dargestellt wird, als ob Arbeit etwas Negatives wäre. Schon wenn man am Montag das Radio aufdreht, hört man: Leider, die Woche fängt schon wieder an, man muss ar­beiten gehen! Am Mittwoch hört man dann: Jetzt hat man es bald überstanden, bald ist das Wochenende da!, und dann ist das Wochenende da, und alle schreien: Hurra, endlich wieder Freizeit! Am Montag beginnt dann quasi wieder die „Hölle“ der Arbeit.

Nur, eines ist klar: Für uns ist die Arbeit nicht die Vorhölle zum Pensionshimmel. Für uns ist Arbeit etwas anderes, für uns ist Arbeit sinnstiftend, für uns ist Arbeit etwas Notwendiges, um eigenverantwortlich sein Leben zu gestalten, um die Familie zu er­nähren und in der Gesellschaft zu bestehen. Arbeit gibt Halt im Leben. Daher muss im Mittelpunkt unserer Politik der Fleißige und der Tüchtige stehen – der, der arbeitet und der, der etwas leistet.

Es geht um all jene, die tagtäglich arbeiten, um sich ihren Unterhalt zu verdienen und die Familie zu versorgen. Natürlich geht es auch um all jene, die es vielleicht nicht aus eigener Kraft schaffen, und gerade der Sozialbericht zeigt ja auch sehr deutlich, dass diejenigen, die es vielleicht nicht aus eigener Kraft schaffen, unsere Solidarität und Un­terstützung brauchen, damit sie überleben können.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 159

Aber es gibt leider – das muss man betonen – immer wieder einige wenige, die dieses System ausnutzen. Erst gestern hat der Herr Bundesminister ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Sozialmissbrauch in Begutachtung geschickt. Dabei geht es darum, auch den E-Card-Missbrauch, den Krankenstandsmissbrauch, den Missbrauch durch Scheinfirmen und dergleichen mehr zu bekämpfen. Und das ist gut so! Ich begrüße dieses Paket, denn der Kampf gegen den Sozialbetrug ist ein erster, wichtiger und rich­tiger Schritt.

Wir müssen jenen Menschen, die hart arbeiten, das Gefühl geben, dass ihre Arbeit, ihre Leistung, das, was sie tagtäglich abliefern, etwas wert ist. Es darf kein bedin­gungsloses Grundeinkommen dafür geben, dass jemand nichts tut. Es muss für jene, die arbeiten wollen, auch ein Anreiz zum Wiedereinstieg geschaffen werden, um Hilfe für diejenigen zu liefern, die die Hilfe auch brauchen. Es braucht Reformen.

Auf sechs der 400 Seiten dieses Berichts wird ein Thema behandelt, das ich noch kurz ansprechen möchte. Es geht um die Seiten 179 bis 185. – Jetzt wissen natürlich alle, was ich meine, denn jeder hat den Bericht gelesen: Es geht um die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Ich behaupte, und ich bin überzeugt, da wird ein Murren durch die Ränge gehen: Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist in der derzeitigen Form ei­gentlich unsozial. Sie behält Mindestsicherungsbezieher dauerhaft in der Mindestsiche­rung – anstatt Anreize für einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu schaffen.

Ich habe erst heute früh mit einem Unternehmer gesprochen, der eine Schulabgänge­rin eingestellt hat und ihr 1 400 € brutto zahlt. Bei 1 400 € brutto wissen wir, dass sie circa 1 100 € netto haben wird. Diese Schulabgängerin hat ihm damals auch gesagt: Das ist eigentlich nicht viel mehr als die Mindestsicherung, aber ich möchte gerne ar­beiten gehen, und deswegen nehme ich den Job an.

Genau da müssen wir auch ansetzen, wir müssen es schaffen, dass Arbeit etwas wert ist. Wir haben diesbezüglich vier Schritte, die uns wichtig sind: Erstens müssen wir Anreize für den Wiedereinstieg liefern. Es kann und darf nicht sein, dass jene, die in der Mindestsicherung sind, mehr bekommen, als wenn sie arbeiten gehen würden. – Das kann nicht sein.

Ein Beispiel: Wenn jemand in der Mindestsicherung ist und dann einen Teilzeitjob an­nimmt, dann bekommt er möglicherweise bei diesem Job 600 € netto heraus. Aus der Mindestsicherung heraus wird er auf 827 € aufgestockt. Nur: Den genau gleichen Betrag hat er auch, wenn er nicht arbeiten geht. Das heißt: Wo ist da der Anreiz, diesen Job anzunehmen? Der sagt dann vielleicht: Ich bleibe lieber zu Hause, da habe ich mehr davon, da habe ich ein schönes Leben, und ich habe am Monatsende ge­nauso viel, als wenn ich arbeiten gehe.

Daher müssen wir Anreize schaffen! Daher müssen wir es ermöglichen, dass er, wenn er einen solchen Job annimmt, mehr verdient als zuvor. Wir schlagen daher vor, dass er 30 Prozent seines Zuverdienstes zusätzlich zur Mindestsicherung erhält, gedeckelt auf 1 150 €, damit er auch einen Anreiz hat und sagt: Ja, es ist gescheiter, wenn ich ei­ner Arbeit nachgehe, als wenn ich am Ende des Tages in der Mindestsicherung bin! Denn das müssen wir schaffen: Wir müssen wieder das Bewusstsein dafür stärken, dass die Menschen aus der Mindestsicherung heraus wollen.

Ich weiß schon, dass 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher sowieso in der jet­zigen Situation arbeitsunfähig sind, weil sie Betreuungspflichten gegenüber Kindern oder gegenüber zu Pflegenden haben. – Um die geht es ja nicht, die brauchen Hilfe und diese Hilfe wollen wir auch bieten. Das ist wichtig, nur: Es geht um all jene, die ar­beitsfähig, aber vielleicht nicht unbedingt arbeitswillig sind. Genau denen müssen wir einen Anreiz liefern, damit sie sagen: Okay, es zahlt sich aus, dass ich wieder arbeiten gehe! (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 160

Zum zweiten Schritt, der mir auch wichtig ist: Es müssen Jobprojekte geschaffen wer­den, sodass Gemeinden, gemeinnützige Organisationen, steuerfinanzierte Vereine die Menschen aus der Mindestsicherung in eine Arbeit, in eine Beschäftigung bringen: in der Gemeinde, in der Kommune, in der Organisation. Der zweite Arbeitsmarkt ist etwas sehr Wichtiges.

Nur zu Ihrer Information: Die Bezirksblätter haben dazu vor einiger Zeit eine Umfrage gemacht und haben auch einige Bürgermeister gefragt, was die davon halten. Auch einige derjenigen, die hier sitzen, haben gesagt: Das ist nicht blöd, das ist gescheit, man kann sich vorstellen, dass man in der Gemeinde so jemanden beschäftigt! Frau Kollegin Ebner aus Gutenbrunn weiß das ganz genau, sie war dabei und hat auch ge­sagt, das sei vielleicht überlegenswert, das wolle man sich ansehen. Auch Karl Schlögl aus Purkersdorf sagt: Ja, das ist nicht deppert, dem sollten wir nachgehen. Auch der Kollege Fasan, der grüne Vize-Bürgermeister in Neunkirchen, hat beispielsweise ge­sagt, über das müsse man nachdenken.

Man muss den Menschen wieder heraushelfen aus der Mindestsicherung, hinein in ei­ne Beschäftigung, denn das ist sinnstiftend, das gibt ihnen etwas, da haben sie etwas davon. Genau das müssen wir organisieren, und das müssen wir schaffen, denn nur dann ist die Mindestsicherung wirklich sozial. Es darf nicht sein, dass wir ihnen Geld geben, damit sie ruhig sind, vielmehr müssen wir einen Anreiz liefern, damit sie aus dieser Mindestsicherung herauskommen.

Der dritte wichtige Schritt ist, dass die Mindestsicherung auch gerecht ausgezahlt wer­den muss. Wenn eine Behörde Arbeitsunwilligkeit feststellt, dann muss man das auch sanktionieren, dann muss man auch denjenigen sagen: Wenn du nicht willst, dann bekommst du auch nicht die volle Unterstützung! Dann zahlen wir einmal deine Miete direkt, und du bekommst nicht das Geld ausgezahlt, oder du bekommst Gutscheine und nicht das Bargeld, damit du mit dem Geld dementsprechend umgehst. Auch dies­bezüglich müssen wir etwas tun.

Der vierte Schritt – da geht es eben um das Paket, das gestern in die Begutachtung gegangen ist – ist, dass es mehr Kontrolle braucht, mehr Kontrolle, um den Sozialmiss­brauch einzudämmen, mehr Kontrolle, um all jene zu erwischen – es sind wenige, das ist mir schon klar! –, die das System krank machen und das System schlecht machen. Es ist mittlerweile ein sozialer Unfrieden festzustellen. Es gibt Menschen, die bekom­men für das Arbeiten fast weniger als jene, die daheim sind – und die leben neben­einander. Durch das Nebeneinanderleben entsteht dieser Unfriede, und genau da müs­sen wir ansetzen.

Es gibt Modelle. Es gibt natürlich auch einiges zu tun in diesem Bereich, und wir sind bereit, das anzupacken. Wir laden auch gerne den Herrn Minister ein, mit uns gemein­sam dieses Thema durchzuackern, durchzuarbeiten und Lösungen zu finden (Bundes­rat Beer: Na, bitte! Nein!), denn eines ist sicher: Wir müssen es schaffen, diese Min­destsicherung gerecht machen, wir müssen diese Sicherung wieder sozial machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.59


Präsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


17.59.13

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Ausfüh­rungen von Herrn Dr. Schmittner eingehe, möchte ich mich dem Vorredner widmen: Herr Ing. Ebner, nicht böse sein, ich weiß, dass jeder niederösterreichische Mandatar die Aufgabe hat, die Mindestsicherung vor der Wiener Landtagswahl zu erwähnen (Bun­desrat Ebner: Ich habe keine !), aber ich würde Sie dringlich bitten, sich mit der Mindestsicherung einmal wirklich auseinanderzusetzen.


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Punkt eins: Das nette Beispiel, das Sie gebracht haben, mit der Kollegin, die 1 100 € netto als zu wenig empfunden hat, weil die Mindestsicherung eben mehr ist. Sie haben nur eines dazuzusagen vergessen: Die Mindestsicherung 12 Mal, die 1 400 €  (Zwi­schenruf des Bundesrates Ebner.) Nein, eben nicht!

Sie müssen sich erkundigen, Sie müssen wissen, wovon Sie reden, und dann können wir über das Ganze wirklich diskutieren. Dann wüssten Sie beispielsweise auch, dass wir 94 000 Mindestsicherungsbezieher beim AMS vorgemerkt haben; dann wüssten Sie auch, dass wir den Bezirksverwaltungsbehörden 40 000 Mindestsicherungsbezie­her gemeldet haben, die beim AMS ein Meldevergehen begangen haben; dann wüss­ten Sie auch, dass die Bezirksverwaltungsbehörden sehr wohl die Mindestsicherung kürzen können; dann wüssten Sie auch, dass wir 40 000 Menschen in der Mindestsi­cherung haben, die so ein geringes Einkommen haben, dass sie eine Aufstockungs­leistung bekommen; dann wüssten Sie aber auch, dass wir 24 000 Mindestsiche­rungsbezieher haben, die dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer körperlichen Konstitution nicht zur Verfügung stehen können; und dann wüssten Sie auch, dass 64 000 Kinder drinstecken in der Mindestsicherung.

Demzufolge ist das, was Sie hier zu beackern versuchen, ein kleiner Teil der Mindest­sicherungsbezieher. Wenn Sie umfassend informiert wären – ich informiere Sie jetzt umfassend –, dann wüssten Sie, dass wir mit allen Bundesländern ja die BMS-15a-Vereinbarung neu verhandeln. Die Bundesländer hätten heute schon die Möglichkeit der Sachleistung; sie nützen sie nicht. Schauen wir, ob sie das in der Zukunft eventuell tun. Es ist jedenfalls heute rechtlich schon möglich.

Wir werden das neu diskutieren mit den Bundesländern, weil natürlich klar ist: Die Min­destsicherung ist de facto eine Hilfe, die Mindestsicherung ist eine Absicherung, die Mindestsicherung ist keine Hängematte. Unter anderem haben wir über diese Min­destsicherung, seitdem es sie gibt, auch 87 000 Menschen am ersten Arbeitsmarkt un­tergebracht, und die durchschnittliche Bezugsdauer eines Mindestsicherungsbezuges ist derzeit österreichweit 8,1 Monate. Das ist die durchschnittliche Bezugsdauer. Von allen 200 000 Menschen, die die BMS temporär nutzen – das wechselt ja jeden Mo­nat – durchschnittlich 8,1 Monate.

Das heißt, die BMS ist da oder dort natürlich diskussionswürdig, diskussionsfähig, aber es ist de facto so, dass sehr wohl Dinge gemacht werden können, auch heute schon. Es gibt heute schon kommunale Projekte. Da brauchen wir keine Umfragen von Be­zirksblättern, das können Kommunen heute schon machen. Die Frage ist nur, ob sie es machen wollen. Das ist das Thema! Aber de facto können sie es tun.

25 Prozent der Niederösterreicher sind Dauerbezieher; in Wien sind es nur knappe 13 Prozent. – So, das nur dazu. (Zwischenruf des Bundesrates Ebner.)

Ja, die Stadt ist ein bisschen größer, Punkt eins, und Sie wissen auch ganz genau, dass niederösterreichische Bezirksverwaltungsbehörden Menschen, die die BMS be­antragen, raten: Zieh nach Wien! Weil diese Beispiele  (Bundesrat Ebner: Das stimmt doch nicht!) Ich kann Ihnen das bringen, wenn Sie wollen. Schauen Sie! Das ist das Problem. Ich lebe tagtäglich mit diesem System und weiß, was diverse Bezirksver­waltungsbehörden österreichweit so ein bisserl aufführen. Es ist so. Es tut mir leid.

De facto ist es so: Vieles wäre möglich, vieles kann heute schon gelebt werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ebner.) – Ich verstehe euer Thema nicht. Wisst ihr, das sind natürlich Menschen. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, als Teilzeitkraft mit 700 € zu leben, und was es heißt, die Mindestsicherung zu bean­tragen. Stellen Sie sich das einmal vor, wie das in der Anonymität der Großstadt ist – egal, ob Salzburg, Linz, Innsbruck, das ist vollkommen wurscht – und bei der Bezirks­hauptmannschaft Scheibbs Umgebung! (Bundesrat Ebner: Die gibt es nicht!) Ja,


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Scheibbs, wo jeder jeden kennt. Was es dort bedeutet, zu sagen: Ich brauche!, und was es in Linz heißt, wo Kollege Dönmez herkommt, dort hinzugehen und zu sagen: Ich brauche!

Das ist doch alles nicht aus Jux und Tollerei! Ich würde am liebsten viel weniger Leuten die Mindestsicherung zahlen, wenn ich – und das ist der Zusammenhang auch bei diesem Bericht – von der Wirtschaft genügend Arbeitsplätze hätte, wo ich eben nicht 700 € für Teilzeitarbeit bekomme, sondern 1 000 € oder 1 500 €. Und diese Jobs ha­ben wir eben nicht! Arbeitsmarktpolitik hängt verdammt stark davon ab, wie die Wirt­schaftspolitik läuft.

Ich war erst gestern wieder bei der Firma SPAR in Oberösterreich. Die haben zu zwei Drittel nur Teilzeitstellen, unter anderem auch deshalb, weil wir als Gesellschaft mei­nen, wir müssen bis 20 Uhr einkaufen gehen, weil wir als Gesellschaft meinen, wir müssen am Samstag bis 18 Uhr einkaufen gehen. Und weil wir als Gesellschaft auch schon diskutieren, ob wir nicht auch am Sonntag auch noch „volle Pulle“ aufmachen. (Bundesrat Kneifel: Sicher nicht!) Wir sind uns ja wohl einig, dass wir das ohnehin nicht wollen. Wir sind uns ja zum Glück einig, aber es gibt auch viele Teile der Gesell­schaft, die sagen: Es muss auch am Sonntag geöffnet sein.

Es ist vollkommen klar, dass solche Firmen das nur mit Teilzeitkräften schaffen kön­nen. Das ist vollkommen klar! (Bundesrat Perhab: Das wird auch so gewollt!) Na ja, das sind 50 Prozent. Schau, Herr Kollege! 50 Prozent. (Bundesrat Perhab: Freiwillig!)

Ich gebe Ihnen recht: 50 Prozent sind freiwillig, aber 50 Prozent sind unfreiwillig. Die 50 Prozent, die unfreiwillig sind, gibt es unter anderem dort, wo der Kindergarten nur 16 Stunden offen hat in der Woche, weil es auch das leider noch gibt. Ich würde auch lieber das haben, was wir – ich nehme jetzt gar nicht Wien als Beispiel – in Linz haben mit 55 Stunden Öffnungszeiten in der Woche. Das hätte ich auch lieber in allen Kin­dergärten, denn dann könnte man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz anders diskutieren, aber darauf komme ich nur am Rande zu sprechen.

Lieber Herr Dr. Schmittner, nicht böse sein, ich weiß, dass Sie natürlich versuchen, Dinge mit einer gewissen Populismuskeule herauszuarbeiten. Und Sie versuchen na­türlich, in diese Gesellschaft einen Keil hineinzutreiben. Ja, es sind 96 000 Ausländer arbeitslos in diesem Land. In diesen 96 000 enthalten sind 12 000 Konventionsflücht­linge und Asylberechtigte. Die stecken da drinnen, wenn wir uns einig sind, dass Men­schen, die asylberechtigt sind, einen Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen. Und die­ser Zugang zum Arbeitsmarkt bedeutet, in die Statistik aufgenommen zu werden. Die bekommen übrigens keine Leistung vom AMS, ja, damit wir uns gleich die nächste An­frage über „Sozialschmarotzer“ ersparen. – Das ist einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Ja, es gibt Langzeitarbeitslosigkeit. 26 000 Menschen sind derzeit langzeit­arbeitslos. Keine Frage: kein Vergnügen! – Aber: Was tun wir? – Wir versuchen, mit ei­ner Reihe von Projekten am zweiten Arbeitsmarkt diesen Menschen die Reintegration zu ermöglichen.

Sie stellen sich hierher und meinen: Na ja, die Papierfabrik in Hallein hat Förderungen kassiert und dann zugesperrt. Da bin ich echt enttäuscht von Ihnen, denn Sie hätten lernen müssen, dass die Papierproduktion in Hallein im Jahr 1890 von einer englischen Firma begonnen wurde, keiner österreichischen Firma; eine englische Firma hat das begonnen. Und diese Papierproduktion, wenn Sie da auch ein bisschen in die Ge­schichte reinschauen, hat schon drei Mal Konkurs gemacht und ist zwei Mal abge­brannt.

Da war von der EU noch lange keine Rede, ist diese „Hütte“ schon in Konkurs ge­wesen. Warum? – Natürlich ist der Papierpreis ein weltweiter Preis. Was die dort er­zeugt haben an hochwertigem Papier, so viel können wir in Österreich gar nicht ver-


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brauchen, denn wir haben in Österreich das Glück, dass wir noch ein paar Papierfabri­ken haben, für die die Welt der Absatzmarkt ist.

Im Jahre 2009 wurde die Papierproduktion vom vorletzten Eigentümer, einem finni­schen Großkonzern, eingestellt. Die Fabrik selbst wurde weitergeführt mit Zellulose und mit der Fernwärme, weil die Fernwärmeproduktion für die Stadt enorm wichtig war. Die wurde also auch weitergeführt. Seit dem Jahr 2011 gibt es in dieser Geschichte erst­malig einen österreichischen Eigentümer. 2011 hat das erstmalig ein Österreicher ge­kauft. Die Schweighofer-Gruppe hat das aufgekauft und geht jetzt im Moment ganz schön in die Produktion. Wir haben auch ordentlich viel Geld investiert. Und eines darf ich Ihnen auch mitteilen, da ich bei der M-real Produktionsschließung, beim Beginn der „Wickel“ als ÖGB-Präsident dabei war, beim effektiven Vollzug als Minister: Jeder Cent der EU-Fördermittel wurde zurückbezahlt. Das einmal nur zur Sachlichkeit.

Ich weiß, dass das am Wirtshaustisch gut klingt: Die sind abgehaut und haben nichts bezahlt! – Wir haben sehr wohl darauf geschaut – nicht nur wir vom Bund, sondern auch die Salzburger Landesregierung, auch der damalige Salzburger Bürgermeister, heu­te Finanzlandesrat in Salzburg –, dass jeder Fördergroschen zurückbezahlt wird.

Wenn Sie sich auch hinstellen und sagen: Die Carbo Tech sperrt jetzt zu und geht nach Tschechien, da hätte ich auch ein bisserl mehr Niveau von Ihnen verlangt, denn es sind immerhin noch 420 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dieser Firma am Stand­ort Salzburg beschäftigt, und die 420 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Salzburg wissen ganz genau, dass es keine Schließung gibt, sie wissen ganz genau, dass die Werksleitung, die Konzernleitung in der Bundesrepublik Deutschland klarge­stellt hat: keine Schließung. Und sie wissen auch ganz genau, dass der Forschungs­standort in Salzburg bleibt.

Bei der Carbo Tech hänge ich nämlich auch noch einmal drinnen, denn meine ge­schützte Werkstätte Salzburg hat einen nicht unwesentlichen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Carbo Tech-Produktion integriert. Ich werde daher darauf achten, dass wir für diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr wohl auch diesen Teil der Pro­duktion aufrechterhalten können.

Dass es Veränderungsprozesse gibt im automotiven Sektor, ja. Dass diese Verände­rungsprozesse nicht insulanisch in Österreich gelöst werden können, ich glaube, so­weit sind wir uns auch einig.

Darum würde ich dringlich bitten, wenn von AMS-Kürzungen gesprochen wird: Beim AMS gibt es überhaupt keine Kürzung. Ich weiß nicht, woher ihr das habt. Ich be­komme alle Augenblicke eine Presseaussendung von Herrn Kickl, dass das AMS-Bud­get jetzt zusammenbrechen muss und wir kein Arbeitslosengeld mehr auszahlen kön­nen und was weiß ich noch alles. – Wir zahlen weiterhin aus. Und die AMS-Projekte laufen weiter. Das AMS hat mehr Geld.

Das einzige Problem, das wir haben, ist, dass gewisse Projekte umgestellt werden und dass wir gewisse Projekte auslaufen lassen, weil wir teilweise neue Schwerpunkte de­finiert haben. Das AMS allein hat nächstes Jahr um 60 Millionen € mehr zur Verfügung als heuer, eben aus diesem Umstand heraus, weil wir auch diese hohe Arbeitslosigkeit haben.

Zum Schluss kommend, zur Statistik: Wer einigermaßen objektiv ist – ich weiß, das ist nicht immer einfach in der Politik –: Wir haben im März dieses Jahres bekannt ge­geben, dass die Methode unserer Eurostat-Statistik in Österreich umgestellt wird – es gibt nunmehr fünf Länder, die nach der gleichen Methode zählen – und dass diese Umstellung in Österreich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um zirka vier bis fünf Zehn­telprozentpunkte bedeuten wird. Es ist eingetreten, was Generaldirektor Pesendorfer


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und ich im März verkündet haben, dass sich durch die Umstellung – es gibt fünf Län­der, die haben jetzt eine ganz exakt vergleichbare Datenlage – diese Verschiebung er­gibt, ja, und dass wir da ein bisserl in der Statistik hineinrutschen.

Eine Bitte hätte ich auch noch an Sie, Herr Dr. Schmittner: Wissen Sie, Populismus ist gut. Ich lade Sie jedoch ein und frage: Wo ist Ihr Konzept? Wo ist Ihre Perspektive? Wo ist das, wo man sagt, so da gehen wir jetzt weiter? Ing. Ebner hat ja zumindest Perspektiven. (Bundesrat Ebner: Ich habe ein Konzept!) Er hat auch ein Konzept. Ob mir das Konzept jetzt gefällt oder nicht, ist ja eine andere Sache, aber es gibt wenigs­tens ein Konzept. (Bundesrätin Mühlwerth: Sehen Sie sich die freiheitlichen Anträge an!)

Die Anträge der Freiheitlichen heißen: ausgrenzen. Diese Anträge heißen, einen Keil in die Gesellschaft hineintreiben. Die freiheitlichen Anträge heißen, dass Menschen, die vor 20 Jahren hierher gekommen sind und das Pech haben, bei der Carbo Tech in der 220-köpfigen Gruppe zu sein, sprich arbeitslos, für die heißt es bei Ihnen: Ab; Reise wieder retour! (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das stimmt ja nicht!) Das sind Ihre An­träge, das ist das, was Sie im Nationalrat, das ist das, was Sie in der Öffentlichkeit auf den Tisch legen.

Wenn Sie ein Konzept hätten, dann hätten wir zum Beispiel in Salzburg schon lange ei­ne Unterstützung. Es gibt derzeit in Salzburg 1 693 offene Lehrstellen und genau 424 Lehrstellensuchende. Das heißt, da hätten wir schon lange ein Konzept, wie die 424  (Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt eben Boomlehrstellen und solche, wo keiner bereit ist, hinzugehen!) Das sind Lehrstellen der österreichischen Wirtschaft. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das sind Lehrstellen, die die österreichische Wirtschaft zur Verfügung stellt, das sind alles Lehrstellen in Betrieben, alle Betriebe, die es gibt. 1 693 offene Lehrstellen. In Salz­burg gibt es derzeit 424 Lehrstellensuchende. Ein Konzept wäre, wie ich die 424 zu den 1 693 bringe; das wäre ein Konzept. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.14

18.14.10

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen da­zu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.15.0018. Punkt

Jahresbericht 2015 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz gemäß Art. 23f Abs. 2 B-VG und § 7 EU-InfoG auf der Grundlage des Le­gislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 und des lettischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2015 sowie des Achtzehnmo­natsprogramms des italienischen, lettischen und luxemburgischen Ratsvorsitzes (III-543-BR/2015 d.B. sowie 9367/BR d.B.)

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wilhelm. Bitte um den Bericht.

 


18.16.00

Berichterstatter Richard Wilhelm: Wertes Präsidium! Werter Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 165

mentenschutz bezüglich des Jahresberichts 2015 des Bundesministers liegt in schrift­licher Form auf.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung den Antrag, den Jahresbericht 2015 des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schmittner. – Bitte. (Bundesminister Hundstorfer – in Richtung des sich zum Red­nerpult begebenden Bundesrates Schmittner –: Ich möchte nicht noch einmal reden!)

 


18.16.03

Bundesrat Dr. Dietmar Schmittner (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nur ganz kurz zu Ihren Aus­führungen, Herr Bundesminister. In ein paar Minuten werde ich nicht ein Konzept prä­sentieren, wie man die Rekordarbeitslosigkeit bricht, woran die Regierung schon jahre­lang scheitert. Also das muss ich jetzt auch einmal sagen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist auch nicht die Aufgabe der Opposition!)

Dass Sie ein Bemühen haben, das akzeptiere ich, und dass Sie da nicht alleine schuld sind, so gescheit bin ich auch. Zum Kollegen: Wissen Sie, wie ich mich auf die Berichte vorbereitet habe? Nicht mit Presseaussendungen vom Sozialministerium oder Statis­tiken. Ich bin gestern ins AMS gegangen und habe dieses Heer an Arbeitssuchenden gesehen. Ich habe teilweise sehr traurige, teilweise leblose Augen gesehen. Viele Men­schen haben keine Hoffnung mehr, obwohl die AMS-Mitarbeiter bemüht sind. Die schönsten Berichte, die man da hochlobt und belobhudelt, von denen können sich diese Menschen nichts kaufen. Die bekommen deshalb auch keinen Arbeitsplatz. Das muss ich Ihnen auch sagen.

Für diese vielen Menschen, da müsste wir jetzt aufstehen und eine Gedenkminute halten, denn deren Leben ist für viele nicht mehr lebenswert. Das sage ich Ihnen. (Bun­desrat Beer: Das ist jetzt aber tief!) Ich habe sehr verzweifelte Menschen gesehen, die gesagt haben, wir haben keinen Lebenssinn mehr. (Bundesrat Perhab: Und wie viele Mitarbeiter hast du beschäftigt?) Das ist eine private Sache. Moment einmal, wir haben schon ein Geschäft, meine Frau und ich. Da haben wir auch jemanden beschäftigt. Es ist zwar nur ein Hundefrisiersalon, aber es ist auch selbständig.

Zum Jahresbericht EU-Vorschau: Man muss schon sehen, dass eine total verfehlte Ar­beitsmarkt- und Zuwanderungspolitik auch schuld ist an unserer Situation mit der Ar­beitslosigkeit. Sie strömen ins österreichische Sozialsystem, in den Arbeitsmarkt. Das ist statistisch erwiesen.

Von 2012 bis 2014 waren 21 000 Österreicher weniger unselbständig beschäftigt und 61 000 Ausländer mehr laut Statistik. Das ist ein Indiz dafür, dass wir in der EU ganz eine andere Politik brauchen. Man pumpt als Nettozahler Geld nach Griechenland, nach Portugal, und bei uns erschwert man den Zugang zur Pflegestufe 1 und 2. Das sehen die Leute nicht mehr ein! Die österreichische Politik muss in Brüssel eine ganz andere Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik durchsetzen.

Deshalb können wir den Bericht sicherlich nicht zur Kenntnis nehmen, denn von der EU kommen gerade für Österreich keine Impulse, damit die Wirtschaft wächst – die stagniert nach wie vor – und das mit der Arbeitslosigkeit besser wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 166

18.19


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


18.19.30

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, Kollege Schmittner, ob man das kommentieren soll, aber nicht jeder Vergleich hat eine Würde in sich und nicht jeder Vergleich ist es wert, auch ausgesprochen zu werden.

Was Sie da vorhin gesagt haben, das ist einfach zutiefst abzulehnen, denn von Ge­denkminuten  (Bundesrat Schmittner: Die brauchen keinen Schutz, diese Men­schen?) – Ich glaube, die ganze Debatte vorher hat gezeigt, von unterschiedlichen Sei­ten, wo eigentlich und wie intensiv auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gearbeitet wird. Die Leute brauchen keine Gedenkminuten, die brauchen Programme, die zum Beispiel das AMS schon seit Jahren und Jahrzehnten laufen hat, die Menschen wieder befähigen und genau wieder jene Freude in die Augen bringen und die das Selbstbe­wusstsein und die Selbstbestätigung für den Arbeitsmarkt und auch eine selbststän­dige Lebensbewältigung nach sich ziehen.

Der Herr Minister hat das ja vorher auch schon gesagt: Versuchen Sie nicht immer, diese Gesellschaft dermaßen zu entzweien! Unser Sozialsystem würde heute nicht mehr funktionieren, hätten wir keine Zuwanderung, wir wären nämlich viel weniger. Sie haben von den Pflegestufen gesprochen: Wer pflegt denn die Menschen in Öster­reich? – Schauen Sie sich doch einmal an, wer die 24-Stunden-PflegerInnen sind! (Zwi­schenruf des Bundesrates Schmittner.)

Sind das Ihre Salzburger, Ihre FPÖ-Leute oder wer auch immer? – Nein! Ohne diese Zuwanderung würde unser Sozialsystem nicht mehr funktionieren. Zwei umfassende Studien, eine von Linz und eine von Wien, haben gezeigt, dass jene, die zuwandern, mehr in das Sozialsystem einzahlen als sie herausbekommen. Das ist die Wahrheit.

Aber Sie scheinen ja hier das Rednerpult ein bisschen mit dem Biertisch zu verwech­seln, denn beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt haben Sie die Menschen, die Beschäftigungslosigkeit in Europa erwähnt und gesagt: Die EU – das ist immer so anonym – befasst sich mit Marmeladeetikettierungen. Sie haben gerade vergessen, noch die Gurken zu erwähnen, da wären Sie nämlich schon 20 Jahre zurück mit Ihren Vorwürfen. Ich kenne derzeit niemanden in der EU – niemanden, glauben Sie mir –, der sich irgendwie mit Marmeladenbeschriftungen auseinandersetzt.

Derzeit hat die EU ein großes Ziel: die Investitionen anzutreiben, das Wachstum wie­der in Schwung zu bringen, den ganzen Motor, und vor allem Arbeitsplätze, Arbeits­plätze, Arbeitsplätze. Ich habe nur gewartet, dass Sie sagen: Herr Minister, dieses So­zialvorhaben ist sehr klein ausgefallen. Das ist es ja genau, was wir auch zu Recht kritisieren, dass wir noch keine Sozialunion haben. Dann müsste sich nur auch die FPÖ einmal bewegen und sagen: Ja, wir wollen auch im sozialen Bereich ein Mehr an Europa; wir wollen eine Vertiefung.

Ein Tisch braucht nämlich vier „Haxen“. Derzeit steht unsere EU auf drei. Und ohne die Schaffung auch einer sozialen Union wird das nicht gelingen, wenn das Kapital, die Unternehmen, das Geld, alles frei floaten kann, und das Soziale belassen wir auf natio­naler Ebene. Deshalb ist es so wichtig, dass es heute zu einer Umkehr gekommen ist.

EU-Kommissionspräsident Barroso hat zum Schluss zum Beispiel das österreichische Modell unseres dualen Ausbildungssystems zu schätzen gelernt. Aber heute sehen wir, dass es genau das ist: Beschäftigungsinitiative in Europa zu schaffen, für die Ju­gendlichen. Das sind ganz neue Ansätze, die die Europäische Union verfolgt. Derzeit wird sogar ein gemeinsamer Beschäftigungsbericht erarbeitet. Der Versuch ist – und das kommt auch in diesem Vorhaben klar heraus –: Wir brauchen eine integrative und nachhaltige Arbeitsmarktpartizipation.


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Das heißt, wir haben zwei ganz große Projekte – lehnen Sie ab, aber macht nichts –, das sind nämlich Arbeitsplätze. Alleine mit dem digitalen Binnenmarkt schaffen wir 4 Mil­lionen Arbeitsplätze, zweitens mit der Energieunion, einer weiteren Beschäftigungsof­fensive, aber auch ein Wachstums- und Investitionsmechanismus.

Das sind die Dinge, mit denen sich die EU heute beschäftigt, und niemand beschäftigt sich mit Marmeladen oder mit Gurken oder mit anderen Dingen. Das ist auch etwas, was im letzten Wahlkampf zum Europäischen Parlament ganz klar als Fokus heraus­gekommen ist. Hätten Sie auch tatsächlich zum Vorhaben gesprochen, hätten Sie gesehen, dass die EU etwas ganz Wichtiges angeht, das uns allen ein Anliegen ist, nämlich die Prävention und die Abschreckung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit.

Da geht es nicht nur um Steuern, sondern da geht es auch darum, dass am Ende bei nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit keine Pension mehr herauskommt. Da geht es auch darum, dass kein ausreichender Zugang zu einer Gesundheitsversorgung da ist. Und da geht es auch darum, dass Menschen, die nicht angemeldet werden, nämlich unter einem Niveau, das wir erreichen – wir sagen in Österreich: Kollektivvertrag –, aus­gebeutet werden.

Das ist ein ganz wichtiger Schritt, den die Europäische Union da angeht, und über die EURES-Programme auch ein EU-weites Netzwerk für Arbeitsvermittlung schafft. Ja, wir brauchen ein europäisches Arbeitsmarktservice, damit wir jene Möglichkeiten auch in der Mobilität der Beschäftigten haben, in der Integration und im Zugang, den die Wirt­schaft und die Unternehmen ja längst überall vorfinden.

Aber es geht auch darum, und das zeigt sich auch in den neuesten Richtlinien, die kommen, bei denen wir durchaus auch ein Spannungsfeld haben: Es gibt zum Beispiel die Richtlinie zur Verbesserung und Sicherheit des Gesundheitsschutzes von Arbeit­nehmerInnen, und da geht es vor allem um schwangere Arbeitnehmerinnen, um junge Frauen, die Kinder bekommen.

Da schlägt die EU-Kommission jetzt vor, dass man den Mutterschaftsurlaub doch von 14 auf 18 Wochen als europäischen Mindeststandard verlängert, und da geht es sei­tens der Europäischen Union auch darum, zum Beispiel Mutterschafts- und Elternur­laub zu trennen, Vaterschaftsurlaub einzuführen. – Unser Diskussionsansatz ist, den Frauen nach dem verbindlichen Mutterschutz auch die Möglichkeit von Entscheidun­gen zu geben. Da ist die Diskussion in der Europäischen Union erst noch miteinander zu führen.

Wichtig ist aber in einer Gemeinschaft, die auch auf sozialen Werten fußt, dass wir ei­ne gemeinsame Ebene finden, dass der Mutterschutz in Finnland genauso ist wie in Griechenland oder in Spanien genauso wie in Österreich.

Etwas, was auch in die Kompetenz unseres geschätzten Sozialministers fällt, sind die Fragen der Quoten. Das ist das, was Viviane Reding in einer wirklichen Bravourleis­tung in Europa zum Thema gemacht hat: dass börsennotierte Gesellschaften auf der Ebene der Direktion und Aufsichtsräte künftig nicht mehr weniger als 40 Prozent weib­lichen Frauenanteil haben und dass alle so wie Norwegen werden. Norwegen ist ein wirtschaftlich extrem starkes Land. Der Frauenanteil ist dort auch ohne Quote auf 42 Prozent. (Bundesrätin Mühlwerth: Es geht doch auch ohne Quote!) Ja, das ist aber nur Norwegen, denn alle anderen brauchen die Quote.

Ich zitiere immer wieder gerne Viviane Reding, die sagt: „Ich bin kein Fan von Quoten. Aber ich mag die Ergebnisse, die Quoten bringen.“ Genau darum geht es, und da geht es jetzt um die Umsetzung. Auch Österreich hat zwar den weiblichen Anteil erhöht, aber wir sind derzeit bei 11,8 Prozent, und wir haben im Sinne dieser Gleichstellung noch ganz viel zu tun, damit wir das schaffen. Ich denke, das ist eines der Ziele, zu de­nen wir uns wirklich aus ganzem Herzen bekennen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)


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Im Übrigen hoffen wir natürlich, dass wir eine weitere Vertiefung im Bereich des So­zialen im Rahmen einer Gemeinschaft in der Europäischen Union schaffen; ebenso dieses eine Bein, das uns fehlt, nämlich dass die Europäische Union auch langfristig eine soziale Union wird.

Wir haben uns zum Beispiel im EU-Ausschuss extra alle Fonds angeschaut. Wir haben den Solidaritätsfonds angeschaut, wir haben den Fonds zur Entschädigung von Opfern von Globalisierung angeschaut, wir haben Strukturfonds angeschaut. Wir haben uns zum Beispiel symbolisch mit der Schließung einer finnischen Werft befasst, bei der 800 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit gegangen sind. Die Europäische Union hat zum Beispiel den Sofortfonds zur Bekämpfung von Armut. Das heißt, diesen Bereich – So­ziales, aktive Beschäftigungspolitik, aktive Investitionspolitik – endlich auch durch die Brille des Beschäftigtenbereiches zu sehen, gewinnt immer mehr.

Dieser Vorhabensbericht zeigt, dass das immer stärker und stärker wird, und das ist schon der richtige Weg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.29


Präsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 


18.30.36

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Die fünf EU-Kernziele für das Jahr 2020 sind: die Beschäftigungsquote auf 75 Prozent bei den 20- bis 64-Jährigen anzuheben, die For­schungs- und Entwicklungsquote auf 3 Prozent des BIP anzuheben, bezüglich des Klimawandels und der nachhaltigen Energiewirtschaft die Verringerung der Treibhaus­gasemissionen um 20 Prozent oder sogar um 30 Prozent, sofern die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, gegenüber 1990, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf 20 Prozent und Steigerung der Energieeffizienz um 20 Prozent.

Im Bereich der Bildung: Verringerung der Quote vorzeitiger Schulabbrecher auf unter 10 Prozent, die Steigerung des Anteils der 30- bis 34-Jährigen mit einer abgeschlos­senen Hochschulbildung auf mindestens 40 Prozent.

Letzter Punkt ist die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung: Die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen oder bedrohten Menschen soll um min­destens 20 Millionen gesenkt werden.

Insofern finde ich es noch bedenklicher und schade, dass Kollege Schmittner dem nicht zustimmt, denn da steht ein ganz konkretes Konzept dahinter, ganz konkrete, messbare Ziele, und es würde einerseits die Beschäftigung ankurbeln, andererseits die Armut mindern. (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Aber ich nehme es zur Kenntnis, so wie wir alle, dass Kollege Schmittner und auch die Freiheitliche Partei daran offensichtlich kein Interesse haben. Wir werden diesen Be­richt selbstverständlich zur Kenntnis nehmen und unsere Zustimmung erteilen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.32

18.32.20

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 169

18.33.0019. Punkt

Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Geschäftsordnung des Bun­desrates (211/A-BR/2015 sowie 9370/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Herr Minister (in Richtung des den Saal verlassenden Bundesministers Hundstorfer), dan­ke schön, schönen Abend noch.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Bitte um den Bericht.

 


18.33.15

Berichterstatter Ing. Hans-Peter Bock: Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Geschäftsordnungsausschusses liegt Ihnen in schriftli­cher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung am 5. Mai 2015 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, dem Antrag 211/A-BR/2015 die Zustimmung zu erteilen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bringe folgende Druckfehlerberichti­gung zum Bericht des Geschäftsordnungsausschusses mit der Nr. 9370 der Beilagen.

Zur Korrektur eines technischen Versehens wird der gegenständliche Ausschussantrag an das Plenum durch die Wortfolge ergänzt: „Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung am 5. Mai 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der dem Ausschuss­bericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.“

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


18.34.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Geschäftsordnungsantrag gliedert sich in zwei Teile, und deshalb haben wir auch ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Der eine Teil erfolgt, was normalerweise üblich ist bei einer Geschäftsordnung, kon­sensual, und eigentlich kenne ich im Moment keine Ausnahme, in der es nicht ein­stimmig gewesen wäre, aber wahrscheinlich gibt es die eine oder andere Ausnahme, Was die Informationspflicht, den EU-Ausschuss und so weiter betrifft – also wirklich Anpassungen, die in Ordnung sind –, gebe ich zu, dass ich auch hier noch einen kleinen Punkt habe, der für uns jetzt aber nicht der Casus Belli ist, aber der § 45 Abs. 7 ist für uns widersprüchlich, darum erwähne ich es.

Das Redeverbot für Berichterstatter im Plenum hat sich als nicht zweckmäßig erwiesen und soll entfallen. – Ja, dem kann ich etwas abgewinnen, weil ein Berichterstatter nie zu einem Thema das Wort ergreifen kann, wenn er eben dort Berichterstatter ist.

Das Schlusswort des Berichterstatters soll wieder eingeführt werden, um Richtigstel­lungen zu ermöglichen. Es wird somit dem Berichterstatter das Recht eingeräumt, am Ende einer Debatte das Wort zu ergreifen. Wenn der Berichterstatter im Zuge einer Debatte das Wort ergreifen kann, kann er das auch machen, also hätte für mich eines von beiden genügt. Beides müsste nicht sein, aber wie gesagt, das ist jetzt nicht etwas, bei dem wir sagen: Das ist jetzt wirklich der Punkt, an dem wir die gesamte Ge­schäftsordnung ablehnen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 170

Anders schaut es beim Rederecht für die EU-Abgeordneten aus. Wir sind zum einen der Meinung, dass Gremien, die gewählt worden sind oder wo Mitglieder gewählt wer­den, über den Landtag oder direkt oder eben ins Europäische Parlament, in jenem Gre­mium reden, in das sie gewählt worden sind. Wir haben uns vor ein paar Jahren darauf verständigt, dass besondere Persönlichkeiten der europäischen und der internationa­len Politik bei uns im Bundesrat reden können. Wir haben dem damals auch zuge­stimmt. Das ist meiner Meinung nach auch im § 38a ausreichend geregelt.

Das Zweite, was noch dazukommt, ist, dass diese Erklärungen jetzt auch in die Liste der Gegenstände der Verhandlungen des Bundesrates hineinkommen. – Auch da hätte § 38a nach unserem Dafürhalten gereicht, denn da steht drin, dass die Präsidiale sich darauf einigt, wer kommt und dass er reden kann. Wir finden das wirklich genug.

Ich freue mich aber schon, dass wir, wenn das jetzt so beschlossen wird, dann viel­leicht einmal im Europäischen Parlament reden können, so quasi im Gegenzug, das wä­re auch interessant. Es ist ja nicht so, dass die EU-Abgeordneten ausgeschlossen sind. Sie können jederzeit an einem EU-Ausschuss mit beratender Stimme teilnehmen. Bis jetzt war die Teilnahmefreudigkeit enden wollend. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Ich kann mich an einen einzigen EU-Ausschuss erinnern, wo tatsächlich einige EU-Ab­geordnete da waren, mit denen wir diskutiert haben. Wir haben hier einmal eine Ver­anstaltung gehabt mit den EU-Abgeordneten, es war durchaus interessant, aber wie gesagt, wir meinen, die bisherige Regelung wäre ausreichend.

Unser Verlangen auf getrennte Abstimmung betrifft die Ziffer 8 § 16 Abs. 1 sowie die Ziffer 13 § 38b. Das sind diese beiden Dinge, hinsichtlich derer ich gerade erläutert ha­be, warum wir dagegen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

18.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Kneifel. – Bitte.

 


18.38.42

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Meine sehr ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wir kommen schön langsam zum Ende einer sehr intensiven Arbeitswoche hier im Hause. Wir haben am Dienstag mit unseren internen Besprechungen angefangen und sind dann in die große Gedenk­stunde, zu der die Präsidenten des Nationalrates und des Bundesrates eingeladen ha­ben, in den Reichsratssitzungssaal gekommen.

Wir haben dann gestern die parlamentarische Enquete zur Belebung und zur Erweite­rung der demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten in dieser Republik durchgeführt, und wir sind heute, am Ende dieser sehr arbeitsreichen Sitzung, bei einem Tagesord­nungspunkt zur Novellierung und Reform unserer eigenen Geschäftsordnung ange­langt.

Jetzt werden manche fragen, was hat denn das miteinander zu tun? Warum erzählt er uns, was wir die ganze Woche getan und erlebt haben, wo wir ohnehin dabei waren? – Das hat sehr viel miteinander zu tun, denn wir haben am Dienstag der größten Kata­strophe, die es auf diesem Kontinent gegeben hat, gedacht, die vor genau 70 Jahren beendet wurde. Wenn wir uns überlegen – und das ist am Dienstag in vielen Wortmel­dungen gesagt worden –, warum es zu dieser Katastrophe gekommen ist, warum die­ses Leid über den Kontinent – Mord, Totschlag, Katastrophen, und, und, und – gekom­men ist, dann deshalb, weil die Demokratie im Vorfeld, in den dreißiger Jahren, immer schwächer geworden ist, die Demokraten eigentlich kapituliert haben vor der Diktatur, und zuerst in Deutschland, später auch in den anderen Ländern von dieser Diktatur überrollt wurden.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 171

Ich glaube, man muss immer wieder am „Armaturenbrett“ der demokratischen Möglich­keiten drehen und steuern und nachjustieren, damit wir mehr Möglichkeiten haben, die Demokratie zu stärken. Dazu hat der gestrige Tag auch gedient, interessanterweise im Bundesratssitzungsaal, wo die Enquete durchgeführt wurde.

Heute drehen wir an einem weiteren Rad am Armaturenbrett, das uns zur Verfügung steht und auf dem wir steuern und tiefer in die Debatte hineinsteigen können, in die de­mokratiepolitische, europapolitische Debatte. Das soll heute möglich sein.

Da schließt sich für mich der Kreis, denn das Rederecht, das wir jetzt den EU-Abgeord­neten durch eine Novelle und eine Reform unserer Geschäftsordnung einräumen, ist kein Selbstzweck. Das ist ein Mittel zum Zweck, damit wir tiefer einsteigen können in die europapolitische Diskussion, in die demokratiepolitische Diskussion. Da beziehe ich Europa mit ein, wo manche sagen, dort gibt es Defizite im Bereich der Demokratie und der Beteiligung der Bevölkerung.

Ich glaube, es gibt genug spannende Themen, die wir damit aufbereiten können. Ich habe eine andere Meinung als meine Vorrednerin. Ich glaube, dass wir sehr wohl die Kompetenz von Vorsitzenden von EU-Ausschüssen, von Arbeitsausschüssen im Euro­päischen Parlament oder von Mitgliedern, die sich in der Europapolitik eine Kompetenz erworben haben – in der Sicherheitspolitik auf europäischer Ebene, wenn es um die Datensicherheit geht, wenn es um Migrationspolitik geht, wenn es um Wachstum und Beschäftigung geht –, mit einarbeiten sollen in unsere Überlegungen und in unsere Diskussionen. Das ergibt sehr wohl einen Sinn.

Wir alle kennen die Diskussion auch von manchen – wie man meint – „gebildeteren“ Kreisen, die Einblicke haben in die verschiedensten Systeme Europas, die sagen: Wir sind sowieso die Gescheiten und wir wissen, wie es geht; wir können ja alles auf na­tionaler Ebene, aber die in Brüssel, die sind die Trotteln, das sind die Unfähigen!

Ich glaube, dass solche Debatten natürlich das Misstrauen in die Politik fördern und ge­sagt wird: Ihr wisst ja gar nicht, was ihr wollt. Ihr wisst nicht, was in Brüssel gespielt wird; ihr kennt euch bei den verschiedenen Themen nicht aus!

Wir führen verschiedene Diskussionsstandpunkte zusammen. Wissen Sie, welchen Vor­teil das hat? – Ich erwarte mir, dass damit mehr Vertrauen gebildet werden kann. Das größte Kapital, das ein Politiker hat, ist, dass man ihm vertraut, dass er besser infor­miert ist, dass er die Zusammenhänge besser beherrscht – in der Politsprache nennt man das „Standing“ –, dass einer ein Standing hat, wenn er angesprochen wird, wenn er gefragt wird, wie denn das im Detail ausschaut.

Ich erwarte mir, dass wir besser werden. Nicht besser werden, damit wir in der Öf­fentlichkeit besser dastehen, sondern damit wir besser werden im Sinne von besseren Gesetzen, die wir mit diesem Mehrwissen und mit dieser besseren Diskussion umset­zen können, indem wir diese vermeintlichen Pole zusammenführen und herholen.

Ich kann Ihnen sagen – die nächste Präsidentschaft wird von mir geführt werden –, ich werde mich zum frühest möglichen Zeitpunkt dafür einsetzen, dass wir dieses Rede­recht auf die Probe stellen und die Herrschaften herholen und mit Ihnen diskutieren.

Ich halte nichts von einer Überordnung des Europäischen Parlaments und einer Unter­ordnung der nationalen Parlamente – egal, was man damit meint, ob Nationalrat, Bun­desrat oder Landtage. Das geht auf gleicher Augenhöhe, und mit Augenmaß werden wir auf gleicher Ebene diskutieren. Insofern begrüße ich diesen Schritt.

Ich freue mich riesig, dass der Bundesrat das Rederecht für die EU-Abgeordneten zu­erst einführt; der Nationalrat muss uns das erst nachmachen. Wir profilieren uns damit wieder einmal mehr als Europakammer.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 172

Ich erinnere daran, dass uns der Vertrag von Lissabon praktisch die gleichen Rechte eingeräumt hat wie dem Nationalrat. Die nationalen Parlamente wurden damals ge­stärkt, und wir haben es auch bewiesen: Unser EU-Ausschuss ist einer der fleißigsten EU-Ausschüsse von allen europäischen Parlamenten.

Ich glaube, das ist jetzt eine sinnvolle Ergänzung und eine Fortsetzung dieses Weges. Das alles nicht zum Selbstzweck, sondern mit dem Zweck, mehr Vertrauen in die natio­nale Politik, aber auch besonders in die europäische Politik zu schaffen. Beide sind in Zukunft untrennbar miteinander verbunden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.47


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Todt. – Bitte.

 


18.47.13

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen! Liebe Kollegen! Gottfried Kneifel hat es bereits sehr umfassend ausgeführt, dass sich der Bundesrat zu Recht als Europakammer in Österreich definiert.

Wir sind die legislative Brücke Österreichs zum Europäischen Parlament. Wir schaffen mit dem Rederecht für EU-Abgeordnete eine Verbindung zwischen nationaler und eu­ropäischer Legislative. Die in Österreich gewählten EU-Abgeordneten können in allen Ausschüssen, im Plenum zu EU-Themen Stellung nehmen und reden und diskutieren. Das ist eine gute Möglichkeit, eine sehr gute Möglichkeit, sich intensiver mit Themen, die das Europäische Parlament behandelt, zu beschäftigen.

Ich denke, wir schaffen mit dieser Maßnahme ein Stückchen mehr an Demokratie. Ich wünsche mir, dass das Europäische Parlament stärker aufgewertet wird als es bisher schon ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.48


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte.

 


18.48.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Ich schließe mich na­türlich den Ausführungen der Vorredner an. Ich freue mich heute sehr über diesen Schritt, dass Europaparlamentarierinnen und Europaparlamentarier hier das Rederecht bekommen.

Grundsätzlich muss man sagen, am Anfang klingt es super, wenn man sagt, Politiker und Politikerinnen sollen miteinander reden, und je mehr wir miteinander reden, desto besser ist es für die Demokratie. Auf der anderen Seite ist es tatsächlich eine heikle Frage, wer wann und wo reden dürfen sollte, denn so einfach ist ja das nicht. Man könnte auch alle Nationalräte, alle Landtagsabgeordneten, alle Gemeinderäte hier re­den lassen, dann würde es in einer Debatte wahrscheinlich ein bisschen unübersicht­lich werden. So gesehen ist es schon eine Frage, die man sehr gut durchdenken muss, welchen Mitgliedern eines anderen Parlaments wir wo die Möglichkeit geben, mit uns zu diskutieren.

Allerdings halte ich es für einen absolut richtigen Schritt, dass der Bundesrat als erste Kammer in diesem Haus dazu ein Ja sagt. – Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das schon viel früher gemacht; das wisst ihr. – Ja, wir lassen die Europaparlamen­tarierinnen und Europaparlamentarier in dieser Kammer reden, wo auch sehr intensiv Europapolitik gemacht wird.

Ich möchte mich auch ganz besonders – jetzt ist er gerade nicht hier – beim Aus­schussvorsitzenden des EU-Ausschusses, Edgar Mayer, für die kollegiale und gute Zu-


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 173

sammenarbeit bedanken, die wir in diesem Haus bewerkstelligt haben. Ich finde, in ei­ner Zeit, in der man im ständigen Wahlkampfwettbewerb eher immer Konkurrenzsitua­tionen schaffen möchte, ist es durchaus außergewöhnlich, dass zu einem gewissen Grad doch so eine kollegiale Zusammenarbeit möglich ist.

Wenn es nach mir ginge, könnte man für die Zukunft auch darüber nachdenken, ob nicht ein litauischer sozialdemokratischer Abgeordneter, der ein guter Experte zu ei­nem gewissen Thema ist, oder ein dänischer Konservativer oder meinetwegen auch ein finnischer Rechtspopulist – den ich nicht unbedingt brauche, aber er ist eben Abge­ordneter – oder eine deutsche grüne Abgeordnete, die auf einem gewissen Gebiet Expertin ist, nicht auch zu einer inhaltsvollen interessanten Debatte beitragen kann, ob man da tatsächlich diese österreichische Brille aufhaben muss. Aber sei‘s drum, ich bin heute froh, dass das so weit ist.

Ich weiß, ich schreite möglicherweise immer ein bisschen zügiger voran, aber alles in allem muss man schon sagen, dass das heute ein sehr schöner Tag ist. In einem hat Frau Mühlwerth schon recht, wir müssen uns noch anschauen, inwieweit das ange­nommen wird, vor allem, wenn man in diesem Hamsterradl von Institutionen drinnen ist, aus dem man ohnehin fast gar nicht mehr herauskommt. Ich weiß von vielen mei­ner Kolleginnen und Kollegen, dass ich meistens freitags Termine ausmachen kann, denn donnerstags sind sie oft in Brüssel.

Aber ich hoffe, dass das eine gute und spannende Sache wird, und ich wünsche der oberösterreichischen Präsidentschaft dann auch viel Erfolg damit.

Wo wir helfen können – alle Fraktionen –, werden wir es tun. Ich hoffe, dass wir hier sehr, sehr viele spannende europäische Debatten haben werden. – Danke schön. (Bei­fall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Pisec.)

18.52

18.52.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da zu einem Beschluss des Bundesrates über eine Änderung der Geschäftsordnung gemäß § 58 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Anwesenheit von min­destens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest; wir haben vorhin schon gezählt.

Es liegt hierzu ein Verlangen der Bundesräte Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 54 Abs. 6 auf getrennte Abstimmung hinsichtlich Z 8 § 16 Abs. 1 sowie Z 13 § 38b vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen betroffenen Teile und dann über den restlichen Teil der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Ge­schäftsordnung des Bundesrates samt Eingang abstimmen.

Wir gelangen daher zur getrennten Abstimmung über Z 8 § 16 Abs. 1 sowie Z 13 § 38b der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bun­desrates.

Ich ersuche daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Z 8 § 16 Abs. 1 sowie der Z 13 § 38b der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäfts­ordnung des Bundesrates ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit und somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 174

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den restlichen Teil der dem Ausschuss­bericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates samt Ein­gang.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem restlichen Teil der dem Ausschussbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates samt Eingang ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist jetzt die Stim­meneinhelligkeit.

Der Beschluss über die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse zustande gekommen.

18.54.2920. Punkt

Antrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Inge Posch-Gruska, Marco Schreuder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend eine parlamentarische Enquete des Bundesra­tes gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Schlummernde Talente: Perspektiven für Ju­gendliche und junge Erwachsene (NEETs)“ (212/A-BR/2015)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun aufgrund der ergänzten Ta­gesordnung zum 20. Punkt.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht dazu jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Antrag 212/A-BR/2015 der Bun­desräte Zwazl, Posch-Gruska, Schreuder, Kolleginnen und Kollegen auf Abhaltung ei­ner parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Ab­haltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zu­gegangenen Selbständigen Antrag 212/A-BR/2015 verweisen.

Die Tagesordnung ist somit erschöpft.

18.55.38Einlauf

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 3075/J-BR bis 3076/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 3. Juni 2015, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 175

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 1. Juni 2015, ab 14 Uhr vorge­sehen. 

Gute Heimreise!

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.56.17Schluss der Sitzung: 18.56 Uhr

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Parlamentsdirektion

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