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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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856. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 14. Juli 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

856. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Juli 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Juli 2016: 9.02 – 20.23 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Übereinkommen von Paris

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz erlas­sen, das Einkommensteuergesetz 1988, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­destandard-Gesetz, das EU-Amtshilfegesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Bewertungsgesetz 1955, das Körperschaftsteuergesetz 1988 und die Bundesabgaben­ordnung geändert und das EU-Quellensteuergesetz aufgehoben werden (EU-Abga­benänderungsgesetz 2016 – EU-AbgÄG 2016)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Haftungsgesetz-Kärnten erlassen und das Bun­deshaftungsobergrenzengesetz, das ABBAG-Gesetz, das Bundesgesetz zur Schaffung einer Abbaueinheit und das Finanzmarktstabilitätsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsge­setz 2007, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert wer­den

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsge­schäften (SFT-Vollzugsgesetz) erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehörden­gesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden

7. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (3. Grundstücksverkehr-Än­derungsvereinbarung – 3. GruVe-ÄVE)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2016, geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Maut­hausen/Mauthausen Memorial“ (Gedenkstättengesetz – GStG)


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das EU – Polizeiko­operationsgesetz und das Waffengebrauchsgesetz 1969 geändert werden (Präven­tions-Novelle 2016)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Ärzte­gesetz 1998 geändert werden (GuKG-Novelle 2016)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Registrierung von Ge­sundheitsberufen (Gesundheitsberuferegister-Gesetz – GBRG) erlassen und das Ge­sundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz und das Epidemiege­setz 1950 geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz, mit dem die Verpflichtung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche geregelt wird (Ausbildungspflichtgesetz – APflG), erlassen wird sowie das Arbeits­marktservicegesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Fi­nanzierungsgesetz geändert werden (Jugendausbildungsgesetz)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Arbeiter-Abfertigungsge­setz 1979, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 und das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsge­setz geändert werden, ein Bundesgesetz zur Änderung der Dienstrechtsverfahrensver­ordnung 1981 erlassen und die Pensionsdatenübermittlungsverordnung – Post aufge­hoben wird (Dienstrechts-Novelle 2016)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (17. FSG-Novelle)

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (33. KFG-Novelle)

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmusterge­setz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patent­amtsgebührengesetz geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgebührengesetz, die Fernmeldege­bührenordnung und das Fernmeldegebührengesetz geändert werden

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fernsprechentgeltzuschussgesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 3

25. Punkt: Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgeset­zes 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtags betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Gottfried Kneifel sowie Wahl eines Ersatzmit­gliedes in den Bundesrat  13, 15

Angelobung des Bundesrates Robert Seeber ............................................................ 16

Antrittsansprache des Präsidenten Mario Lindner .................................................. 16

Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark Hermann Schützenhöfer gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR – Bekanntgabe .................................................................................................................. 19

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ...................... 19

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ............................................................ 19

Debatte:

Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 25

Martin Weber ................................................................................................................. 28

Gerd Krusche ............................................................................................................... 30

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 33

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 166

Wortmeldung der Bundesrätin Monika Mühlwerth im Zusammenhang mit der Sitzungsunterbrechung während eines Abstimmungsvorgangs ..................................................................... ... 166

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Aktuelle Stunde (45.)

Thema: „Weltklimavertrag Paris: Umsetzung in Europa und Österreich“ ........... 35

Redner/Rednerinnen:

Ing. Andreas Pum ......................................................................................................... 35

Günther Novak ............................................................................................................. 38

Gerhard Dörfler ............................................................................................................ 40

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 43

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ..................................................  46, 56

Martin Preineder ........................................................................................................... 48

Mag. Michael Lindner ................................................................................................... 49

Arnd Meißl ..................................................................................................................... 51

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 53

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 54

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern
der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union
...........................................................................................................  58, 59, 60, 61


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 4

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 62

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 62

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  56, 187

25. Punkt: Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungs­gesetzes 1948 ...................... 187

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2016 betreffend Übereinkom­men von Paris (1193 und Zu 1193 d.B. und 1198 d.B. sowie 9640/BR d.B.) ......................................................... 62

Berichterstatterin: Adelheid Ebner ............................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Peter Samt ..................................................................................................................... 63

Ing. Eduard Köck .......................................................................................................... 65

Stefan Schennach ........................................................................................................ 67

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................... 69

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 70

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ........................................................................... 71

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz erlassen, das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­destandard-Gesetz, das EU-Amtshilfegesetz, das Zollrechts-Durchführungsge­setz, das Bewertungsgesetz 1955, das Körperschaftsteuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert und das EU-Quellensteuergesetz aufgehoben werden (EU-Abgabenänderungsgesetz 2016 – EU-AbgÄG 2016) (1190 d.B. und 1243 d.B. sowie 9613/BR d.B. und 9621/BR d.B.) ................................ 72

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 72

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1244 d.B. sowie 9622/BR d.B.) ........................ 72

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 72

Redner/Rednerinnen:

Christoph Längle .......................................................................................................... 73

Edgar Mayer .................................................................................................................. 74


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 5

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 75

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 77

Sonja Zwazl ............................................................................................................  78, 84

Inge Posch-Gruska ...................................................................................................... 80

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ....................................................  81, 85

Mag. Gerald Zelina ....................................................................................................... 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 86

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Haftungsgesetz-Kärnten erlassen und das Bundeshaftungs­obergrenzengesetz, das ABBAG-Gesetz, das Bundesgesetz zur Schaffung einer Abbaueinheit und das Finanzmarktstabilitätsgesetz geändert werden (1152 d.B. und 1245 d.B. sowie 9623/BR d.B.) ............................................................. 86

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 86

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 87

Christian Poglitsch ...................................................................................................... 89

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................... 91

Ana Blatnik .................................................................................................................... 93

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ........................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 98

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert werden (1186 d.B. und 1246 d.B. sowie 9614/BR d.B. und 9624/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 98

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 99

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (SFT-Vollzugsgesetz) erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördenge­setz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Ma­nager-Gesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgege­setz geändert werden (1174 d.B. und 1247 d.B. sowie 9625/BR d.B.) ............................................................................... 98

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 99

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ............................................................................................. 99

Peter Oberlehner ........................................................................................................ 101

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 102

Reinhard Todt ............................................................................................................. 103

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ......................................................... 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 106


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 106

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (3. Grundstücksverkehr-Änderungs­vereinbarung – 3. GruVe-ÄVE) (1149 d.B. und 1225 d.B. sowie 9626/BR d.B.)                          106

Berichterstatterin: Renate Anderl ............................................................................... 106

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M ........................................................................................ 106

Mag. Susanne Kurz .................................................................................................... 107

Werner Herbert ........................................................................................................... 108

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 109

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 110

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2016, geändert wird (1735/A und 1226 d.B. sowie 9627/BR d.B.) ............................................................... 110

Berichterstatterin: Renate Anderl ............................................................................... 110

Redner/Rednerinnen:

Werner Herbert ........................................................................................................... 111

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 111

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 112

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/
Mauthausen Memorial“ (Gedenkstättengesetz – GStG) (1150 d.B. und 1228 d.B. sowie 9612/BR d.B. und 9619/BR d.B.) ............................................................................................................... 112

Berichterstatter: Mag. Klaus Fürlinger ....................................................................... 112

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 112

Gregor Hammerl ......................................................................................................... 114

Mag. Michael Lindner ................................................................................................. 116

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 118

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 121

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das EU – Polizeikooperationsge­setz und das Waffengebrauchsgesetz 1969 geändert werden (Präventions-No­velle 2016) (1151 d.B. und 1229 d.B. sowie 9620/BR d.B.)                        121

Berichterstatter: Gregor Hammerl .............................................................................. 121


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 122

Gerhard Schödinger .................................................................................................. 123

Martin Weber ............................................................................................................... 124

Werner Herbert ........................................................................................................... 125

Ana Blatnik .................................................................................................................. 127

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 130

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Ärztege­setz 1998 geändert werden (GuKG-Novelle 2016) (1194 d.B. und 1240 d.B. so­wie 9615/BR d.B. und 9636/BR d.B.) ...................................................... 130

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 130

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Tierärztegesetz geändert wird (1710/A und 1238 d.B. sowie 9637/BR d.B.) ............... 130

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 130

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 131

Adelheid Ebner ........................................................................................................... 131

Sonja Ledl-Rossmann ............................................................................................... 133

David Stögmüller ........................................................................................................ 136

Angela Stöckl .............................................................................................................. 137

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS .................................................... 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 141

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Registrierung von Gesundheits­berufen (Gesundheitsberuferegister-Gesetz – GBRG) erlassen und das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden (690 d.B., 1706/A und 1239 d.B. sowie 9616/BR d.B. und 9638/BR d.B.) ............................................................................................................... 141

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 141

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 142

Inge Posch-Gruska .................................................................................................... 142

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 143

David Stögmüller ........................................................................................................ 144

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS .................................................... 144

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 145


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 8

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (1187 d.B. und 1230 d.B. sowie 9639/BR d.B.) ............................................................................................................... 145

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 145

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 145

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Bundesge­setz, mit dem die Verpflichtung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche ge­regelt wird (Ausbildungspflichtgesetz – APflG), erlassen wird sowie das Arbeits­marktservicegesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Arbeitsmarktpo­litik-Finanzierungsgesetz geändert werden (Jugendausbildungsgesetz) (1178 d.B. und 1219 d.B. sowie 9617/BR d.B.)                    145

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 146

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 146

Renate Anderl ............................................................................................................. 148

Marianne Hackl ........................................................................................................... 149

David Stögmüller ........................................................................................................ 151

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS .................................................... 152

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Be­schluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 154

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bau­arbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Arbeiter-Abfertigungsge­setz 1979, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinations­gesetz und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (1185 d.B. und 1220 d.B. sowie 9618/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 155

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ....................................................................... 155

Redner/Rednerinnen:

Renate Anderl ............................................................................................................. 155

Sandra Kern ................................................................................................................ 157

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 157

David Stögmüller ........................................................................................................ 158

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS .................................................... 159

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 159

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reise­gebührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsge­setz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 und das Auslandszulagen- und hil-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 9

feleistungsgesetz geändert werden, ein Bundesgesetz zur Änderung der Dienst­rechtsverfahrensverordnung 1981 erlassen und die Pensionsdatenübermittlungs­verordnung – Post aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2016) (1188 d.B. und 1195 d.B. sowie 9628/BR d.B.)                   159

Berichterstatterin: Sandra Kern .................................................................................. 160

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling ..................................................................................................... 160

Peter Oberlehner ........................................................................................................ 161

Werner Herbert ........................................................................................................... 163

Dr. Heidelinde Reiter .................................................................................................. 165

Entschließungsantrag der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ruhegenussfähige und an den Verbraucherpreisindex angepass­te Funktionszulage für Beamte der Verwendungsgruppe E 2b – Ablehnung                                                                                164, 167

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 165

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (17. FSG-Novelle) (1191 d.B. und 1210 d.B. sowie 9629/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 167

Berichterstatter: Rene Pfister ...................................................................................... 167

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (33. KFG-Novelle) (1192 d.B. und 1211 d.B. sowie 9630/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 167

Berichterstatter: Rene Pfister ...................................................................................... 167

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 168

Günther Novak ........................................................................................................... 169

Anneliese Junker ........................................................................................................ 170

Gerd Krusche ............................................................................................................. 171

Armin Forstner, MPA ................................................................................................. 172

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried .................................................................... 173

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 175

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 175

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1741/A und 1212 d.B. so­wie 9631/BR d.B.) ............... 175

Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 175

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nicole Schreyer ................................................................................................. 175

Rene Pfister ................................................................................................................ 176

Martin Preineder ......................................................................................................... 177

Christoph Längle ........................................................................................................ 177

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried .................................................................... 178


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 179

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (1740/A und 1214 d.B. sowie 9632/BR d.B.) ...... 179

Berichterstatter: Rene Pfister ...................................................................................... 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 179

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Mar­kenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebüh­rengesetz geändert werden (1144 d.B. und 1204 d.B. sowie 9633/BR d.B.) ..................................................................................................... 180

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 180

Redner/Rednerinnen:

Peter Samt ................................................................................................................... 180

Hubert Koller, MA ....................................................................................................... 181

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 183

David Stögmüller ........................................................................................................ 184

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried .................................................................... 184

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 186

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Rundfunkgebührengesetz, die Fernmeldegebührenordnung und das Fernmeldegebührengesetz geändert werden (1175 d.B. und 1206 d.B. sowie 9634/BR d.B.) .............................................. 186

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 186

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Fernsprechentgeltzuschussgesetz geändert wird (1176 d.B. und 1207 d.B. sowie 9635/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 186

Berichterstatterin: Elisabeth Grimling ........................................................................ 186

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 187

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 187

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Inge Posch-Gruska, Sonja Ledl-Rossmann, Rosa Ecker, David Stögmüller, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend bestmögliche Umsetzung der Kinderrechte (220/A(E)-BR/2016)


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 11

Anfragen der Bundesräte

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutz im Raum Langenwang (3163/J-BR/2016)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend Sicherstellung des Erhalts von Sonderschulen (3164/J-BR/2016)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Raufhandel unter Asylwerbern (UMF) der Sonderbetreuungsstelle Steiermark in Stein­haus am Semmering am örtlichen öffentlichen Sportplatz (3165/J-BR/2016)

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzpolizei-Kontrollen in der Steiermark (3166/J-BR/2016)

Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Bekämpfung des illegalen Glücksspiels in Vorarlberg (3167/J-BR/2016)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Sportstätten in Oberösterreichs Bundeslehranstalten (3168/J-BR/2016)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne-
res betreffend Personenstandsänderungen für intergeschlechtliche Menschen (3169/J-BR/2016)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖBB im Innviertel und die Umsetzung des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (2915/AB-BR/2016 zu 3146/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Da­vid Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbildung von Rettungs- und NotfallsanitäterInnen und Sanitäter-Gesetz (2916/AB-BR/2016 zu 3145/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Gerd Krusche, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Schubhaftzentrum Vordernberg (2917/AB-BR/2016 zu 3147/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtsextreme Straftaten in Oberösterreich im Jahr 2015 (2918/AB-BR/2016 zu 3149/J-BR/2016)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Werner Herbert, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Exekutive – Planstellen und Überstunden 2015 Nach­frage (2919/AB-BR/2016 zu /J-BR/2016)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Bundesräte Thomas Schererbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Sportstätten-Master­plan (2920/AB-BR/2016 zu 3152/J-BR/2016)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzpolizei-Kontrollen in Vorarlberg im Jahr 2015 (2921/AB-BR/2016 zu 3150/J-BR/2016)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehre mit Matura“ (2922/AB-BR/2016 zu 3148/J-BR/2016)


 


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 12

09.02.14Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Mario Lindner: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen, liebe Kollegen! Einen wunderschönen guten Morgen! Ich eröffne die 856. Sitzung des Bundesrates.

Ganz besonders darf ich unseren steirischen Bundesminister Jörg Leichtfried begrü­ßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße unseren Landeshauptmann der Steiermark, Hermann Schützenhöfer (all­gemeiner Beifall), die Klubobfrau der ÖVP im Steirischen Landtag, Barbara Eibinger-Miedl (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ), die Präsi­denten des Bundesrates außer Dienst Gottfried Kneifel und Herwig Hösele. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.) Und ich begrüße meine Kolleginnen und Kollegen vom ÖGB Steiermark. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei SPÖ, FPÖ, Grü­nen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 855. Sitzung des Bundesrates vom 30. Juni 2016 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als ge­nehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Wolfgang Beer, Peter He­ger und Dr. Dietmar Schmittner.

09.03.51Mandatsverzicht und Angelobung

 


Präsident Mario Lindner: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Oberös­terreichischen Landtags betreffend Mandatsverzicht eines Mitglieds des Bundesrates.

Überdies gebe ich das Einlangen eines weiteren Schreibens des Oberösterreichischen Landtags betreffend die Nachwahl eines Ersatzmitglieds des Bundesrates bekannt, da Bundesrat Robert Seeber ex lege auf das durch das Ausscheiden von Bundesrat Gott­fried Kneifel frei gewordene Mandat nachgerückt ist.

Hinsichtlich des Wortlauts dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 13

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtags betreffend Mandatsver­zicht:


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 14

*****


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 15

Schreiben des Oberösterreichischen Landtags betreffend die Nachwahl eines Ersatz­mitgliedes des Bundesrates:

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BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 16

Präsident Mario Lindner: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwe­send. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen. Nach Verlesung der Ge­löbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelo­be“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.05.03

Schriftführer Josef Saller: Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.

 


9.05.10

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Ich gelobe.

 


Präsident Mario Lindner: Danke. – Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.05.34Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.07.40

Präsident Mario Lindner: Geschätztes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ge­schätzte Zuseherinnen und Zuseher! Und natürlich: Liebe Gäste aus der Steiermark! Wir müssen uns fragen, wie wir das „Wir“ in unserer Gesellschaft definieren. Wir wol­len ein „Wir“, das nicht gegen die anderen geht, ein „Wir“, das niemanden verliert und niemanden ausschließt, ein „Wir“, in dem alle inklusive sind. – Das waren sinngemäß die Worte unseres Bundeskanzlers Christian Kern, als er vor wenigen Wochen als ers­ter Regierungschef auf der Wiener Regenbogenparade sprach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor mehr als 40 Jahren hat die österreichische Politik eine radikale Zäsur erlebt, nicht im Negativen, sondern ganz im Gegenteil, denn am Beginn der 1970er-Jahre trat eine neue Generation von Politikerinnen und Politikern an, um ein visionäres Projekt auf den Weg zu bringen, ein modernes, zukunftsfittes Ös­terreich, eine entstaubte Republik auf dem Weg in ein gemeinsames Europa.

Bruno Kreisky, Johanna Dohnal, Anton Benya, Alois Mock und Erhard Busek haben damals gemeinsam mit vielen anderen Mut bewiesen. Sie haben alte Denkmuster auf­gebrochen, neue Wege beschritten und damit für unseren Staat, für unsere Demokratie ein neues Kapitel aufgeschlagen – trotz aller Differenzen, trotz aller unterschiedlichen Ziele und Visionen.

Wir wollen jeden Bereich unserer Gesellschaft mit Demokratie durchfluten. – Kaum ein Zitat trifft jenen Wandel wohl besser als dieser Spruch von Bruno Kreisky.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war dieser grundlegende Umbruch vor mehr als 40 Jahren, der unser Land zu dem gemacht hat, was es heute ist, der vielen von uns das Leben erst ermöglicht hat, das wir heute führen. Doch wenn wir als De­mokratinnen und Demokraten eines wissen, dann das, dass kein politisches Projekt, und mag es noch so erfolgreich sein, für immer die richtigen Lösungen und Antworten bietet. Und wenn unsere Vorgängerinnen und Vorgänger in diesem Hohen Haus da­mals den Grundstein für ein erfolgreiches und soziales Österreich gelegt haben, dann liegt es heute an uns, den nächsten Schritt zu gehen. Ja, Österreich ist moderner ge­worden, unser Land hat sich geöffnet, unsere Gesellschaft ist bunter geworden, dyna­mischer, vielfältiger – und das ist auch gut so. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Immer öfter haben heute die Bürgerinnen und Bürger, also die Menschen, die uns hier­hergeschickt haben, das Gefühl, dass die Politik keine Antworten mehr geben kann auf die tagtäglichen Probleme der Menschen. Ganz besonders gilt das im Bereich des Zu-


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sammenlebens. Um auf das Zitat unseres Kanzlers von vorhin zurückzukommen: Wir leben in einem bunten Land, doch es liegt heute an uns, diese österreichische Vielfalt, dieses „Wir“ zu etwas Gewinnbringendem, etwas Positivem zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Ehre, die Präsidentschaft des Bundes­rates in einer sehr bewegten Zeit zu übernehmen. Gerade die letzten Monate und Jah­re haben uns gezeigt, vor welch großen Herausforderungen unsere Gesellschaft steht und welch tiefgreifender Wandel uns alle erwartet. Damit meine ich bei Weitem nicht nur die Flüchtlingsbewegungen des letzten Jahres. Nehmen wir nur das Beispiel des Brexit oder blicken wir auf die gigantischen Herausforderungen des Klimawandels! Schauen wir uns den digitalen Wandel an, der schon heute die Arbeitswelt vieler Men­schen in unserem Land verändert! Oder gehen wir auf eine grundsätzlichere Ebene und überlegen wir uns, was die fortschreitende Globalisierung für uns alle bedeutet!

Die Menschen im Land sind sich dieser Herausforderung sehr wohl bewusst und wis­sen, dass sich unsere Gesellschaft in einem grundlegenden Wandel befindet. Das führt zu Unsicherheit, das führt zu Angst, und es ist genau diese Angst vor der Zukunft, die den Nährboden für Unverständnis und im schlimmsten Fall für Hass bereitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohin dieser Hass in unserer Gesellschaft im Extremfall führen kann, das haben wir in den letzten Monaten schmerzlich lernen müssen. Der Weg zum brennenden Flüchtlingsheim ist viel kürzer, als wir alle be­fürchten mussten. – Das sagte unser Kanzler sinngemäß erst vor wenigen Wochen, und damit hat er leider recht. Doch wir müssen gar nicht nach Oberösterreich blicken, nach Altenfelden, wo erst im Juni ein Heim für Asylwerber angezündet wurde. Schauen wir auf unsere Handys, ins Internet, in die sozialen Medien! Wer von uns hier im Saal wusste vor zwei Jahren, was ein Hassposting ist? Heute gehört dieser Begriff leider zum Alltag, und zwar nicht nur wenn wir über mutige JournalistInnen diskutieren, die ihrer Pflicht nachkommen, sich in der Berichterstattung nicht dem Mainstream beugen und dafür im Internet beschimpft und bedroht werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das kennen wir! – Gegenruf bei den Grünen.) Der Hass im Netz trifft Jugendliche, Kin­der, Migranten, Schwule, Frauen, Männer, Transgender-Personen, jede Schicht unse­rer Gesellschaft. Die Grenzen, die wir seit Generationen für unser Zusammenleben geschaffen haben, zerbrechen in der anonymen Welt des Internets immer mehr. Und oft bleibt der Hass nicht nur auf Facebook, Twitter und Instagram, sondern wandert in die reale Welt, wird zu Gewalt und beeinträchtigt das Leben vieler Menschen auf die schlechteste Weise, die wir uns vorstellen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Politikerinnen und Politiker haben wir Verantwor­tung übernommen. Und das bedeutet für jede und jeden von uns, heute nicht zuzuse­hen, wenn Hass und Diskriminierung in unserer Gesellschaft wachsen. Wir dürfen die Verunsicherung nicht anheizen, nur aus Kalkül und zum Zweck billigen Stimmenfangs. Wir dürfen nicht einmal still sein oder uns dem Mainstream beugen, egal, welcher Fraktion oder Partei wir angehören. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bun­desrates Schererbauer.)

Egal, welche Visionen oder Ideologien wir verfolgen, wir haben die Pflicht, heute ein neues politisches Projekt zu definieren, das dem Hass entgegentritt und den Menschen Hoffnungen und Perspektiven gibt. Unsere verstorbene Barbara Prammer sagte schon vor Jahren: „Wir alle haben uns immer wieder daran zu erinnern, dass Mut und Zivil­courage die Wirklichkeit zum Besseren verändern können.“ Und damit hat sie heute mehr denn je recht.

Aus genau diesem Grund habe ich meine Präsidentschaft im Bundesrat unter das The­ma Zivilcourage gestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen, dass man nicht jedes Problem in un­serer Gesellschaft mit Gesetzen, Regeln und Verboten lösen kann. Das bedeutet für


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uns im Hohen Haus aber nicht, dass genau diese Probleme nicht mehr in unsere Zu­ständigkeit fallen. Es heißt vielmehr, dass wir die Pflicht haben, neue Wege zu be­schreiten, neue Lösungen zu definieren und ein politisches Klima zu schaffen, das eben jener Probleme Herr wird. Politik ist nicht dazu da, eine Partei, eine Person oder eine Organisation gut aussehen zu lassen, sondern sie hat die Pflicht, Lösungen zu bieten! Das ist die Verantwortung von jeder und jedem von uns. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn wir über Zivilcourage sprechen, dann spre­chen wir nicht nur über engagiertes Handeln gegen Rassismus oder Hass gegen Flüchtlinge, dann reden wir nicht nur über das Thema Migration, sondern wir reden über jeden Bereich unseres Landes, denn das Ziel, das wir alle verfolgen, ist doch eine Gesellschaft, die gleiche Spielregeln für jede und jeden bietet, aber eben auch gleiche Chancen auf Selbstverwirklichung, Zufriedenheit und Sicherheit für alle von uns be­reithält: für die Jugendliche, die wegen ihrer sexuellen Orientierung gemobbt wird, für den jungen Österreicher, der wegen seines ausländischen Namens noch immer schlechtere Jobchancen hat, und für die Journalistin, die wegen eines kritischen Kom­mentars im Internet bedroht wird. Für all diese Menschen sind gleiche Chancen im Le­ben noch immer weit entfernt. Sie alle sind darauf angewiesen, dass ihre Mitmenschen Zivilcourage zeigen, gegen Ungerechtigkeiten aufstehen und sich dem Hass, der Angst und der Intoleranz nicht beugen.

Als Präsident des Bundesrates möchte ich daher helfen, einen Schulterschluss für mehr Zivilcourage in unserer Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Gemeinsam mit euch allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich dem Aufruf unseres Altpräsi­denten Heinz Fischer folgen, der uns vor einer Woche in diesem Haus noch einmal da­zu ermahnt hat, das Zusammenleben in Österreich an Rationalität, vor allem aber auch an Humanität auszurichten. Genau dafür möchten wir ein Projekt auf die Beine stellen, das auch über die nächsten sechs Monate hinaus vor allem für junge Menschen eine Andockstelle bietet.

Österreich ist ein buntes Land, und wir wissen nicht nur aus der Wissenschaft, sondern auch aus dem tagtäglichen Erleben, was eine bunte, solidarische Gesellschaft uns bringen kann. Ein vielfältiges Umfeld bereichert den Schulalltag unserer Kinder. Es ist die Voraussetzung für neue Höhepunkte in Kunst und Kultur. Es bildet die Basis für Innovationen in der Wirtschaft, und es ist damit auch die Grundlage für Wachstum und neue Jobs. Um die österreichische Vielfalt für genau diese Bereicherung zu nutzen, müssen wir dem Hass und der Intoleranz entgegentreten. (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Dazu werden wir eine Reihe von Projekten auf den Weg bringen, von einer Ausstellung im Palais Epstein rund um das Thema Zivilcourage bis zur neuen Zusammenarbeit mit unserer Demokratiewerkstatt, von bundesweiten Zivilcourage-Trainings mit dem Maut­hausen Komitee Österreich bis zur Vernetzung mit NGOs, Interessenvertretungen und engagierten Persönlichkeiten aus dem ganzen Land. Ganz besonders werden wir uns dem Thema der digitalen Zivilcourage widmen. Dazu wird es im November eine En­quete im Bundesrat geben. Gemeinsam mit Bundesminister Wolfgang Brandstetter und Staatssekretärin Muna Duzdar werden wir außerdem eine langfristige Kampagne ge­gen Hass im Internet auf die Beine stellen.

Worum es mir aber ganz besonders geht, ist eine grundlegende Feststellung: Zusam­menleben in Vielfalt ist kein abgeschlossenes Thema, ganz im Gegenteil. Diversität und Zivilcourage sind Querschnittsmaterien, die jeden Bereich der Politik betreffen, egal, ob in der Sozialpolitik, in Fragen von Arbeit und Beschäftigung, im Gesundheits­system oder natürlich auch in der Integrationspolitik. In jedem dieser Felder sind wir als Gesetzgeber in der Pflicht, uns zu überlegen, wie wir gleiche Chancen und Rechte für


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alle Menschen in Österreich am besten garantieren können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Daher ist es mir auch ein besonderes Anliegen, in den kommenden Monaten auf den wichtigen Inhalten und tollen Projekten aufzubauen, die meine Vorgängerinnen und Vorgänger im Präsidentenamt auf den Weg gebracht haben. Ganz besonders Ana Blatnik, Josef Saller und natürlich Gottfried Kneifel haben mit ihren verschiedenen Schwerpunkten schon viel in diese Richtung geleistet. Dafür möchte ich mich heute auch noch einmal ganz besonders bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat sitzt an der Schnittstelle un­serer Demokratie. Wir sind die direkten Vertreter der Bezirke und Regionen, die direkte Verbindung zu den Bundesländern, und wir haben in dieser Funktion eine ganz be­sondere Verantwortung. Unsere Präsidentin Sonja Zwazl hat in ihrer Antrittsrede vor knapp zwei Jahren Folgendes gesagt: Wir Bundesräte sind „keine Durchwinker von Gesetzen“. Wir „sind die Klammer zwischen den österreichischen Regionen“, den Län­dern, dem Bund und Europa. – Als Bundesräte befinden wir uns damit in einer einma­ligen Stellung, und genau diese gibt uns die Chance, in der österreichischen Demokra­tie langfristige Schwerpunkte zu setzen.

Ich freue mich schon heute darauf, mit euch gemeinsam den Weg für einen bundes­weiten Schulterschluss für mehr Zivilcourage zu beschreiten. Österreich ist ein Land, das in seiner Geschichte immer dann am besten war, wenn es sich nicht abgeschottet, sondern ganz im Gegenteil geöffnet hat.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Bundesrat ist nicht der Hemmschuh unserer Republik. Der Bundesrat ist Europakammer, der Bundesrat ist Länderkammer, die Kam­mer des Zukunftsausschusses, die Kammer der Kinderrechte. Arbeiten wir gemeinsam über alle Fraktionsgrenzen hinweg dafür, dass er auch die Kammer der Zivilcourage in unserem Land wird! Alles Gute dem österreichischen Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

9.22

Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung

 


Präsident Mario Lindner: Ich begrüße nochmals den Herrn Landeshauptmann der Steiermark Hermann Schützenhöfer sehr herzlich bei uns im Bundesrat (allgemeiner Beifall) und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Gemeinsam neue We­ge gehen“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshaupt­mann abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausrei­chend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

09.23.48Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark zum Thema „Gemeinsam neue Wege gehen“

 


Präsident Mario Lindner: Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann Schützenhöfer zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


9.23.57

Landeshauptmann der Steiermark Hermann Schützenhöfer: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir als steirischem Landeshauptmann eine große Freude, heute im Bundesrat zu


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sein. Vor etlichen Jahren war ich Gast, als mein Amtsvorgänger Franz Voves hier ge­sprochen hat. Ich freue mich, dass heute auch viele Steirer – angeführt von Herrn Bun­desminister Mag. Leichtfried – in den hinteren Reihen hier sind. Man erkennt in ihren Augen, dass der gestrige „Steiermark-Abend“ etwas länger gedauert hat. (Heiterkeit.)

Am 1. Juli hat die Steiermark den Vorsitz sowohl im Bundesrat als auch in der Landes­hauptleutekonferenz übernommen. Einerseits haben sich Kollege Wilfried Haslauer und ich, jeweils mit einer kleinen Delegation, zu diesem Zweck am 1. Juli in Rohr­moos – mittlerweile ein Teil von Schladming – getroffen, um dort die Übergabe schlicht, einfach und herzlich vorzunehmen, andererseits leitet heute, am 14. Juli, der steirische Bundesratspräsident Mario Lindner seine erste Sitzung. Er hat ja schon bei der Ver­abschiedung des Herrn Bundespräsidenten eine tolle Rede gehalten. Er war gestern den ganzen Abend von seinen Heimatgemeinden umgeben und hat auch dirigiert. Er war einmal Kapellmeister, das unterscheidet ihn von mir. Ich bin Musikreferent in der Steiermark: Immer wenn ich dirigieren muss, sage ich den Kapellen: Augen zu und durch!

Mario Lindner hat nun das Amt übernommen und wird von einer niederösterreichischen Vizepräsidentin und von einem steirischen Vizepräsidenten unterstützt. Ich gratuliere und wünsche für die Vorsitzführung viel Erfolg! Gemeinsam wird die Steiermark be­müht sein, in diesem zweiten Halbjahr einen konstruktiven Beitrag im Interesse der Re­publik zu leisten.

Es ist vom Herrn Präsidenten schon angekündigt worden: Dieses notwendige Gemein­same möchte ich in den Mittelpunkt meiner Erklärung hier vor dem Bundesrat stellen. Nur gemeinsam können wir die erforderlichen Reformen, die unser Land dringend braucht, auch umsetzen. Ich bin nicht so vermessen, zu glauben, dass wir in diesen sechs Monaten alle Probleme lösen werden – dann hätten ja schon die Vorgänger alle Probleme gelöst –, aber ich sehe es als meine Pflicht und Aufgabe, für diesen steiri­schen Reformgeist, den wir nun sechs Jahre lang im Lande praktizieren – zuerst mit Franz Voves und jetzt mit Michael Schickhofer –, auch auf Bundesebene zu werben.

Reformen müssen möglich sein. Das Wort „Regierung“ kommt von regieren, nicht von reagieren und schon gar nicht von negieren. Das Regieren ist es auch, was die Stei­ermark – bei allen Problemlagen, die wir auch haben – nach wie vor auszeichnet. Un­ser Land gilt nicht erst durch die Arbeit der letzten Jahre als reformmutig, schon Erz­herzog Johann hat mit mutigen Reformen und Innovationen die „Grüne Mark“ belebt und auf die Talente der Steiermark gesetzt.

In den politischen Debatten hören wir oft den Satz, dass den Menschen die Wahrheit nicht zumutbar ist. – Ich glaube, dass das Gegenteil richtig ist. Das Gefährlichste ist eine Politik, die selbst überfordert wirkt, weil sie unterlässt, was zu tun ist, und weil sie unterschätzt, was möglich ist.

Als wir diese seinerzeitige Reformpartnerschaft begonnen haben, haben wir gewusst: Die Ernte werden wir nicht am nächsten Wahltag einfahren können. Aber das ist ja der Punkt, warum so viele Reformen erst gar nicht angegangen werden, auch in der Re­publik: weil es sich bis zum nächsten Wahltag politisch nicht auszahlt. Wenn wir bei dieser Übung bleiben, wird das Land in einen Zustand der Saturiertheit absinken. Ich will die Reformpartnerschaft nicht hochloben, denn wir haben auch Fehler gemacht, und wir haben immer gesagt, wir wollen kein Vorbild sein. Wir sind nicht übermütig, aber sie ist ein Beispiel, wie man Probleme lösen könnte. Und es sei mir niemand bö­se, wenn ich hinzufüge: Sie wäre auch ein Beispiel dafür, dass ÖVP und SPÖ noch nicht ausgedient haben als die staatstragenden Parteien, wenn man gemeinsam ver­sucht, etwas zustande zu bringen.

Die Erfahrungen in der Reformpartnerschaft und nunmehr auch in der Zukunftspart­nerschaft zeigen: Vieles, was vor ein paar Jahren noch heftig umstritten war, hat mitt-


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lerweile auch die meisten Gegner überzeugt. Ein paar Gegner, die die Straßenseite wechseln, wenn sie mich sehen, wird es immer geben, aber das muss man in Kauf nehmen.

Vieles, wogegen heftigst protestiert wurde, wird heute mit großer Mehrheit akzeptiert. Politik muss sich wieder darauf besinnen, meine Damen und Herren, dass sie etwas tun kann, was sie tun kann, und auf die Pflichten, die sie dem Land und den Menschen gegenüber zu erfüllen hat.

Die Steiermark will den Bund dahin gehend auch ermutigen und unterstützen, denn in einer Zusammenarbeit kann verantwortungsvolle Politik auch heiße Eisen in Angriff nehmen. Standortpolitik, Pensionsdebatte, Bildungsreform, Pflege- und Gesundheits­politik: Das sind einige der großen Themen, die schon lange auf taugliche Zukunftslö­sungen warten.

Wir alle wissen, ein halbes Jahr ist schnell vorbei, aber zumindest der Versuch muss gewagt werden, Debatten zu eröffnen und gemeinsam Lösungsansätze zu diskutieren, und das im Wissen, dass keiner von uns – und ich sowieso nicht – ein Wunderwuzzi ist. Man kann aber in sechs Monaten einiges auf Schiene bringen, was für Österreich wichtig ist. Wenn Zusammenarbeit vom Wort zur Tat wird, dann kann man als Re­gierung etwas zusammen- und für das Land etwas weiterbringen.

In der Steiermark haben wir in den letzten Jahren gezeigt, was möglich ist, wenn man gemeinsam an der Zukunft baut: Landtags- und Verwaltungsreform, Gemeindereform, Bezirksreformen, Schulzusammenlegungen. Wir hatten laufend Demonstrationen in der Herrengasse vor der Burg, die Bürgermeister sind aufmarschiert; die Zahl der Gemein­den sank von 542 auf 287. – Jetzt kenne ich dich so lange, hat mir ein Bürgermeister gesagt, und jetzt legst du mich zusammen! Heute sagt er zu mir: Ich muss gestehen, du hast recht gehabt. – Es gibt aber auch ein paar Ausnahmen unter den Bürgermeis­tern, die das nicht so sehen.

„Gemeinsam neue Wege gehen“ muss für alle gelten, wenn wir unser Land an die Spitze bringen wollen. Das ist auch mein Appell an alle hier im Haus, an die Oppo­sition: das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Wir müssen Gegensätze über­winden, um für Österreich etwas weiterzubringen. Wir sind ein kleines Land auf einem 500-Millionen-Kontinent, und ich meine, Österreich sollte und kann es sich nicht leis­ten, zu streiten und gegeneinander zu arbeiten.

Zusammenarbeit ist notwendig, damit wir stark bleiben und erfolgreich sein können, und das gerade auch in der laufenden Föderalismusdebatte, wo ich dafür plädiere, dass Bund und Länder neue Wege gehen und auch ein neues Denken für Österreich er­möglichen. Christian Kern und Reinhold Mitterlehner sprechen hier von einem New Deal, aber es müssen den Worten Taten folgen. Es wären bis zum nächsten Wahl­termin 2018 – wenn man nicht täglich darauf schielt, ob man nicht doch abspringt und Neuwahlen ausschreibt – gut zwei Jahre. Zwei Jahre sind zwei Jahre: genug Zeit, um große Reformen einzuleiten. Ich stimme meinem Kollegen Erwin Pröll zu, wenn er sagt, dass die Menschen das Wort „Neustart“ nicht mehr hören können, man muss diesen Neustart sehen und spüren, und dazu braucht es Reformen.

Der gordische Knoten durch vermeintliche Blockaden im Verhältnis Bund und Länder muss endlich gelöst werden, und hier biete ich unsere Zusammenarbeit ganz beson­ders an! Es gehört Sachlichkeit in die Föderalismusdebatte, die leider immer wieder von Klischees und Vorurteilen geprägt ist. So ist das Verunglimpfen der Bundesländer, das zugenommen hat, eine beliebte Disziplin so mancher Zentralisten und Kommen­tatoren. Wenn es ein Problem gibt, wird das den Bundesländern zugeschoben:, und man sagt: Die heben keine Steuern ein und verbrauchen das Geld! Ich sage – zwi­schen Klammern – nur dazu: 87 Prozent der Staatsschulden, und das sind bald einmal


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300 Milliarden €, verursacht der Bund; den Rest Länder, Gemeinden und die Sozialver­sicherungen.

Wir haben uns am Montag und am Dienstag bei einer Studienreise in der Schweiz vor Ort ein Bild darüber gemacht, wie gut organisierter Föderalismus funktionieren kann. Das Beispiel Schweiz ist auf uns nicht zu übertragen, schon gar nicht eins zu eins, aber man sollte es studieren.

Wir waren beispielsweise in Bern beim Haus der Kantone und haben dort Jean-Michel Cina getroffen, mein Schweizer Gegenüber in der Konferenz der Kantonsregierungen. Darüber hinaus waren wir in der Denkwerkstatt Avenir Suisse und haben uns auch dort wertvolle Inputs geholt. Dabei ist allerdings ein Fakt herausgekommen, und das, meine Damen und Herren, möchte ich erwähnen, weil wir gerade einen neuen Finanzaus­gleich verhandeln: Wir haben dort stundenlang mit Experten gesprochen, und die ha­ben uns erzählt, dass der im Jahr 2008 in Kraft getretene Finanzausgleich 15 Jahre lang verhandelt wurde. Vorangegangen war eine Klärung beziehungsweise Außer­streitstellung der vielschichtigen Problemlagen, und verbunden war der neue Finanz­ausgleich mit einer umfassenden Aufgabenentflechtung.

Das heißt für uns: In den nächsten sechs Monaten kann man nur einen Anfang ma­chen, schauen, dass wir einen Finanzausgleich zustande bringen, der mit Hängen und Würgen irgendwie von allen halt noch einmal mitgetragen wird, auch wenn er unge­recht ist – das beweisen uns ja mehrere Bundesrechnungshofberichte –, aber er kann ein Einstieg zum Umstieg sein.

Ich möchte daher vorschlagen, dass eine Verhandlungsgruppe eingerichtet wird. Diese soll in maximal fünf Jahren – und ich sage nicht, in eineinhalb Jahren, weil das nicht machbar ist, wenn wir Aufgabenreform, Aufgabenentflechtung und Finanzausgleich dis­kutieren – auf Augenhöhe zwischen Bund und Ländern unter Einbeziehung der Ge­meinden die Systeme diskutieren und diese Diskussion zu einem Ergebnis bringen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) – Gregor Hammerl war auch bei uns im Landtag immer der, der als Erster geklatscht hat. (Bundesrat Mayer: Ein Einpeitscher!)

Der bekannte Ökonom Professor Christian Keuschnigg von der Universität St. Gallen und der Leiter des Instituts für Föderalismus an der Universität Innsbruck Professor Pe­ter Bußjäger haben uns in Zürich die Ergebnisse ihrer Studien präsentiert, die wir erbe­ten haben. Diese neuen Studien sollen auch einen Beitrag zur Versachlichung leisten und könnten für die von mir vorgeschlagene Verhandlungsgruppe eine wichtige Dis­kussionsgrundlage darstellen.

So räumt etwa Bußjäger durch die internationalen Vergleiche mit dem Vorurteil auf, dass die österreichischen Bundesländer zu klein für den Föderalismus seien. Ebenso weist er auch einen internationalen Trend zur Dezentralisierung nach, während Keusch­nigg ganz besonders das Subsidiaritätsprinzip hervorhebt: Aufgaben mit bundesweiter Reichweite werden besser und billiger zentral erbracht, aber insgesamt soll nach die­sem Prinzip die Aufgabenerfüllung möglichst bürgernah erfolgen.

Ich bin mir sicher, dass sich auch der steirische Landesfinanzreferent Landeshaupt­mann-Stellvertreter Michael Schickhofer, mein Regierungspartner, hier mit unser aller Unterstützung besonders einbringen wird. Er war ja schon vor einigen Monaten in der Schweiz und hat sich dort die positiven Beispiele der Regionalpolitik angeschaut. Wir jedenfalls ziehen in diesem Zusammenhang an einem Strang.

Das Subsidiaritätsprinzip und die Dezentralisierung müssen noch stärker Ordnungs­prinzipien auch Europas werden, wenn nicht die teils berechtigte, teils populistisch-de­magogische Zentralismuskritik zerstörerische und desintegrierende Formen annehmen soll, wie der Blick auf die EU zeigt.


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Die Europäische Union soll sich um die dringenden Fragen der Außen-, Sicherheits-, Flüchtlings- und Migrationspolitik kümmern und Lösungen finden und nicht um die schi­kanöse Ausgestaltung von Speisekarten. Wir sind Teil der EU und bekennen uns dazu. Das sind nicht „die in Brüssel“; „die in Brüssel“ sind auch wir.

Es ist die Pflicht jedes Politikers, auch Regionalpolitikers – das sage ich ganz bewusst als Vertreter einer Region, die in Forschung und Entwicklung mit 4,8 Prozent unter den nunmehr 275 Regionen des Europas der EU nach Baden-Württemberg Vizeeuropa­meister ist (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina) –, immer auch das großartige Friedens- und Wohlstandsprojekt Europa im Blick zu haben. Fest steht für mich auch das in der katholischen Soziallehre grundgelegte Prinzip: Was die kleinere Einheit selbst regeln kann, darf die größere nicht an sich reißen.

Föderalismus ist daher bürgernäher, überschaubarer und menschlicher als anonym emp­fundener Zentralismus, der Ohnmachts- und Verdrossenheitsphänomene provoziert.

Die Länder, die zweimal – 1918 und 1945 – die Republik mitbegründet haben, sind be­reit, weitere gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen. Die österreichischen Bun­desländer haben einen besonderen Sinn für Eigenständigkeit und das Gemeinsame. Sie haben eine reiche Geschichte, die Vielfalt hat und einen besonderen Reiz. Diese Vielfalt macht den Reichtum Österreichs aus und ist das Fundament für die Ausge­staltung der Zukunft. Es geht da um die gesamtösterreichische Sicht und Perspektive. Das zu betonen, meine Damen und Herren, ist mir, bei allem Bewusstsein für die he­rausragende Bedeutung der großartigen Metropole Wien – wir sollten uns da nicht im­mer gegenseitig ausspielen, sie ist wohl eine der geschichtsträchtigsten und schönsten Städte der Welt –, besonders wichtig, da in Österreich, im Gegensatz zur Schweiz, aber auch zu Deutschland, alle Institutionen ausschließlich in Wien angesiedelt sind. Das ist in der Schweiz, das ist in Deutschland mit zahlreichen Beispielen – die ich jetzt nicht verlese, damit ich nicht zu lange brauche – anders geregelt. Und das – das haben wir oft auch gefordert – wäre mehr als ein symbolischer Punkt.

Gerade angesichts der oft als undurchschaubar empfundenen Globalisierung ist die Ver­ankerung und Verwurzelung in der überschaubaren Region – ja, man kann durchaus auch den Begriff Heimat modern und entstaubt interpretiert verwenden – vielen Men­schen ein Anliegen. Weltoffenheit und Heimatverbundenheit sind daher, richtig verstan­den, keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Ein so verstandenes Europa der Regionen ist ein Europa der Bürger. Auch das ist ein starkes Argument für einen neuen Föderalismus. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

Wir waren erst vorletzte Woche in Brüssel und haben als Steirer erstmals in unserer Geschichte eine Landesregierungssitzung in der Hauptstadt Europas abgehalten, den Ort unzähliger Gipfel, der Stadt, in der die Geschichte unseres Kontinents oftmals maß­geblich beeinflusst wird. An diesem Ort haben wir Steirer auch ein Zeichen gesetzt: Wir denken mit, wir reden mit, wir bestimmen mit. Die Europäische Union – ich sage es noch einmal – sind wir alle! Und wie wichtig und entscheidend das Mitdenken und Mit­reden auf europäischer Ebene ist, beweist das Ergebnis dieser Brüssel-Reise der stei­rischen Landesregierung – ohne dass ich jetzt übertreibe –: Wir konnten Jean-Claude Juncker überzeugen, dass es aus demokratiepolitischen Erwägungen nicht klug wäre, wenn bei so großen Themen wie dem Freihandelsabkommen CETA die nationalen Par­lamente kein Mitspracherecht hätten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Jenewein und Zelina.)

Er hat sich für uns viel Zeit genommen, und ich bin draufgekommen, dass er vieles von dem, was bei uns zur Aufschaukelung führt, entweder so nicht sieht oder gar nicht weiß. Denn dass diese Missgunst gegen Europa so gewachsen ist, hängt ja damit zu­sammen, dass sehr viele Menschen nicht verstehen, warum so viel Geld nach Grie­chenland fließt – es wurde ihnen nie wirklich erklärt –, dass viele, darunter ja auch Ös-


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terreich, massiv darunter leiden, dass die Europäische Union bis jetzt keine gemein­same Integrations- und Flüchtlingspolitik zustande gebracht hat und dass Problemla­gen wie bei CETA oder TTIP – da weiß kein Mensch, worum es geht, daher ist relativ rasch eine Mehrheit zu finden; unterstützt auch durch bestimmte Medien – nicht vorge­tragen werden. Daher ist dieses Europa in der Lage, in der es momentan ist. Wir ha­ben jedenfalls gesehen, wenn man hinfährt und Zeit bekommt – ich kenne Jean-Claude seit Langem, ich war damals mit Waltraud Klasnic immer wieder bei ihm in Luxem­burg –, dann beginnen die in Brüssel auch zu denken.

Was ich damit nur sagen möchte, ist: Regionen, Bundesländer sollten nicht glauben, da können wir sowieso nichts ausrichten, sondern sollten die österreichischen Anliegen auf ihre Art unterstützen. Ich hoffe, dass Europa in der Frage der Migration, der Außen- und Sicherheitspolitik und in der Flüchtlingspolitik eine tragfähige, gerechte europäi­sche Lösung zustande bringt. Es haben der Außenminister, der Innenminister, der Ver­teidigungsminister viel an Überzeugungsarbeit geleistet, aber eine tragfähige europäi­sche Lösung zum Flüchtlingsproblem gibt es nicht. Und kein Mensch darf daran glau­ben, dass das Problem vorbei ist. Wir haben eine Atempause, und die Routen finden sich momentan anderswo.

Lassen Sie mich zum Schluss drei kurze Ideen zur Standortpolitik vortragen! Viele not­wendige Maßnahmen zur Belebung des Standorts Österreich wurden in den letzten Jahren verschleppt. Auch da ist gemeinsames Handeln längst fällig. Das sollte damit beginnen, dass wir die Rahmenbedingungen für die Unternehmen verbessern. Der Unternehmer ist nicht Feindbild, der Unternehmer ist Vorbild. Wenn dieser keinen Ge­winn mehr macht, können wir den Sozialstaat nicht retten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Todt und Zelina.)

Daher denke ich mir, dass wir, erstens, den Investitionsstau beseitigen sollten. Die Ein­führung eines Investitionsfreibetrages und einer Investitionszuwachsprämie würde das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Tausende neue Arbeitsplätze schaffen.

Zweitens – das kann niemand mehr hören, aber ich muss es trotzdem sagen –: Büro­kratie abbauen. Ich habe mir mit den Mitarbeitern Beispiele angeschaut, es gibt in Ös­terreich über hundert sogenannte Beauftragte. Ein Metallbearbeitungsbetrieb mit 140 Mit­arbeitern muss 18 Beauftragte vorweisen. Ich habe nichts gegen einen Arbeitspsycho­logen oder einen Sicherheitsbeauftragten, aber das geht vom Abfallbeauftragten bis zum Zeitbeauftragten. Wir könnten Hunderte Millionen Euro – das kostet die Wirtschaft nämlich 1 Milliarde € im Jahr – einsparen, wenn wir 20 Prozent im Einvernehmen ein­fach streichen. Es soll niemand sagen, dass es nicht auch kurzfristig möglich wäre, et­was zu tun.

Und dazu gehört auch, dass wir uns überlegen müssen, wie Bund, Länder und Ge­meinden zu einer Vereinbarung kommen können – da braucht es auch Gesetzes- und Verordnungsänderungen –, wie lange in Österreich ein Verfahren dauern darf. Das ist das Hauptproblem vieler Unternehmer, die zu mir kommen und sagen: Bis ich die Ge­nehmigung bekomme, ist das Produkt, das ich zusätzlich erzeugen wollte, gar nicht mehr auf dem Markt – überspitzt formuliert.

Drittens: Die Lohnnebenkosten senken – ein altes Thema. Hier müsste ein Ansatz ge­lingen. In der Vorwoche hat die Bundesregierung hierzu mit dem Start-up-Paket sowie der Einigung bei der Bankenabgabe einen wichtigen Punkt gesetzt. Das ist auch ein erster wichtiger Schritt.

Klar muss sein – das haben Michael Schickhofer vorgestern am Abend und gestern Jo­sef Pühringer und ich klargestellt –, dass an der verbleibenden Bankensteuer natürlich Länder und Gemeinden, wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft, beteiligt wer­den müssen und dass wir ebenso bei der Abschlagszahlung nach dem FAG-Schlüssel vorgehen wollen. Da hoffe ich auf eine gute und faire Verhandlung.


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Meine Damen und Herren, ich treffe bei meinen Terminen sehr oft auf junge Men­schen. Wenn ich in Schulen gehe, wenn ich mit Jugendlichen in ihren Zirkeln rede, so wollen sie mit mir nicht über Soll und Haben sprechen – darüber sind aber 98 Prozent meiner Gespräche –, sondern sie wollen über Sein und Sinn diskutieren, über Werte­haltungen, über die großen Fragen unserer Zeit: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welche Gefahren, Risiken und Probleme gibt es? Aber auch: Welche Chancen können ergriffen werden? – Es mangelt nicht an Fragen, aber es mangelt daran, den Versuch zu unternehmen, Antworten zu geben. Ich denke, dass es Aufgabe einer ver­antwortungsvollen Politik ist, Antworten zu bieten, Ziele zu haben, Visionen für und mit den Menschen zu erarbeiten.

Ich will diesen Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und den Vorsitz im Bundesrat nicht überbewerten – das wird ja manches Mal durch ganz große Übergabe-Zeremo­nien und Schwerpunktsetzungen, was in Österreich gelöst werden muss, gemacht. Und dann hat sich gar nichts geändert; das ist ohnehin bei jedem Vorsitz zu befürchten, aber es wäre schlecht. Ich will das nicht überbewerten, aber ich will den Vorsitz nutzen, um Perspektiven aufzuzeigen. Aus dieser Verantwortung für unsere Republik heraus entstand auch das Symposium „Österreich 22“, das wir in Graz im Oktober abhalten werden, wo herausragende Persönlichkeiten im Vorfeld des Nationalfeiertages mitein­ander diskutieren werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Welt ist ein einziger Krisenherd, und diese Krisen machen vor unserer Haustür nicht halt. Wissen Sie, wenn Sie erleben, was Michael Schickhofer und ich und die Regierung und der Landtag im ersten halben Jahr unserer neuen Zukunftspartnerschaft erlebt haben: drei Tage nach der Angelo­bung diese Amokfahrt! Wir wussten, dass das jederzeit passieren kann, aber man will es nicht wahrhaben, dass das, was wir täglich im Fernsehen sehen, bei uns vor der Haustür passiert. Abgelöst von einer Flüchtlingstragödie, die meine Generation noch nicht gekannt hatte, der damals nicht vorhandenen Zusammenarbeit der Bundesregie­rung – das hat sich Gott sei Dank geändert –, der Ohnmacht des Staates, als 3 500 Men­schen über die Grenze marschieren.

Ich denke mir, dass das uns alle ermuntern soll, nicht zu schüren, sondern gemeinsam in ein paar Grundfragen alles zu tun, dass die Verunsicherung der Bevölkerung nicht weiter steigt. Es braucht daher entschlossene Politik und Politiker, die glaubwürdig agieren und auch Reformen angehen. Denn diese großen Herausforderungen können nur dann gelingen, wenn wir zusammenarbeiten. – Ein steirisches Glückauf! (Anhalten­der Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zelina.)

9.54


Präsident Mario Lindner: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausfüh­rungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gödl. Ich erteile es ihm.

 


9.55.19

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause vor den Fernsehgeräten, die diese Debatte im Bundesrat mitverfolgen!

Nur wer das Ganze im Auge hat, kann für seinen Teil etwas erreichen. – Diese Prä­misse möchte ich meinen Ausführungen voranstellen, rückt ja gerade zu Beginn dieser Sitzung des Bundesrates die Bedeutung des Föderalismus, dieser Staatskonstruktion, in den Vordergrund, zumal Hermann Schützenhöfer als Landeshauptmann der Steier-


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mark hier im österreichischen Parlament gerade eine Erklärung abgegeben hat und auch der halbjährliche Wechsel im Vorsitz dieser Kammer das Zusammenwirken der Bundesländer in den Fokus rückt.

Wenn ich also die Behauptung aufstellen darf, dass wir Bürgerinnen und Bürger, wir als politische Verantwortungsträger, alle Medien immer das Ganze im Auge haben sol­len, dann meine ich mit „das Ganze“ in diesem Zusammenhang natürlich die Republik Österreich. Wenn man dann für seinen Teil etwas erreichen möchte, und in diesem Rahmen wären als Teile ganz besonders die neun Bundesländer gemeint, so passt dieser Leitsatz wohl haargenau zu dem Motto deines Vorsitzes, Herr Landeshaupt­mann: „Gemeinsam neue Wege gehen!“

Es gibt wohl keinen Berufeneren als dich, Herr Landeshauptmann, dieses Leitmotiv vorzuschlagen, weil du diesen Politikstil, gemeinsam neue Wege zu gehen und diesen Stil auch in der Regierungsarbeit zu pflegen, seit Jahren in der Steiermark vorlebst. Mit deiner Anwesenheit gestern beim Steiermark-Empfang in der Säulenhalle und auch heute hier im Plenum des Bundesrates dokumentierst du auch, dass du ein überzeug­ter Föderalist bist. „Föderalismus“ ist in der Medienwelt ja zu einem Reizwort gewor­den, vor allem weil er unter der Füllfeder mancher Journalisten mit negativen Assozia­tionen behaftet ist. Er sei viel zu behäbig, er stünde für Blockade, er sei zu teuer und so weiter.

Ich bin auch bekennender Föderalist und finde, du hast es angesprochen, dass das Konzept der Subsidiarität die erfolgreichste Staatskonstruktion ist: das bewusste Zutei­len von Verantwortung auf die sachlich und fachlich richtige Ebene, auf die Gemeinde, auf die Länder, auf den Bund, und damit einhergehend der politisch-demokratische Wettbewerb auf allen Ebenen als Schwungrad für blühende Dörfer, für starke Ge­meinden und für prosperierende Länder. Und nicht zu vergessen ist in diesem Zusam­menhang – auch das hast du angesprochen –: Diese Republik Österreich wurde, histo­risch gesehen, immerhin zweimal von den Bundesländern gegründet.

Der Blick auf die europäische Landkarte zeigt und beweist, dass föderal organisierte Staaten zu den besonders erfolgreichen zählen. Es sind dies vor allem die Schweiz, Deutschland, Belgien und eben auch unser Österreich. Nicht selten wird das Argument bemüht, Österreich wäre viel zu klein für eine föderale Gliederung, allein der Freistaat Bayern beispielsweise ist größer als das ganze Österreich. Dem kann man sachlich leicht entgegentreten: Das Saarland, auch ein deutsches Bundesland, ist flächenmäßig kleiner als Vorarlberg und damit auch kleiner (in Richtung des vorsitzführenden Prä­sidenten Lindner) als dein Bezirk Liezen. Der Bezirk Liezen ist bekanntlich flächen­mäßig größer als Vorarlberg. Lieber Mario, wäre Liezen ein Land, wärst du vielleicht Landeshauptmann oder Armin Forstner Landeshauptmann von Liezen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Nein, so weit wollen wir es nicht bringen, aber man sieht, auch die Schweiz als Vorbild des Föderalismus, von der Flä­che her halb so groß wie Österreich, ist gegliedert in 26 Kantone.

Daraus lässt sich ableiten: Betriebswirtschaftlich gesehen mag ein Zentralstaat mit weniger politischen Institutionen vordergründig billiger sein, aber ein Staat als Ganzes lebt nicht nur von organisatorischen Parametern, sondern ganz besonders auch von Emotionalität und von Identität. Und damit bin ich schlussendlich wieder beim Erfolgs­konzept der Subsidiarität.

Das soll aber nicht heißen, es muss alles so bleiben, wie es immer war. – Nein, aus­drücklich Nein.

In vielen Bereichen unserer Staatsorganisation haben wir Strukturen aus dem 19. Jahr­hundert; man denke nur an Katastralgemeinde-, Gemeinde- und Bezirksgrenzen. Wir haben im Wesentlichen eine Verwaltungsstruktur, eine Verfassung aus dem 20. Jahr-


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hundert, und wir sind heute mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts konfron­tiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen müssen wir gemeinsam neue We­ge gehen und alles hinterfragen, auch uns selbst hinterfragen. Es gehört zur politi­schen Reife, auch sich selbst zu hinterfragen, so wie ich auch als Bürgermeister meine eigene Gemeinde hinterfragt und neu gestaltet habe. Gemeinsam neue Wege zu ge­hen heißt, diese gemeinsam mit Bund und Ländern, gemeinsam mit den Staaten in Eu­ropa mit dem ganz großen Ziel zu gehen, dass unsere Kinder auch das erleben dürfen, was wir über Jahrzehnte erleben konnten, nämlich: Frieden, Freiheit und breiten Wohl­stand.

Meine Damen und Herren! Frieden entsteht nicht dadurch, dass die Friedlichen fried­lich sind. Frieden entsteht dadurch, dass die Friedlichen stärker sind als die Aggres­soren, dass die Toleranten stärker sind als die Fanatiker, und schlussendlich dadurch, dass die Demokraten stärker sind als die Diktatoren. Demokratie ist nicht einmal im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit – und nicht einmal bei uns. Sie erlebt auch in Europa eine wahre existenzielle Krise.

Das Brexit-Votum sehe ich – verzeihen Sie mir diesen Ausdruck – als Sternstunde für die Demokratie, und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen weil die Abstimmung den mahnenden Finger in Richtung Europäische Union, in Richtung europäische Institu­tionen erhoben hat, nämlich verbunden mit der Aufforderung, bürgernahe und vertrau­enswürdige Politik zu machen. Die Menschen haben damit beispielsweise auch das Totalversagen in der europäischen Flüchtlingspolitik abgestraft.

Zum anderen aber zeigt das Brexit-Votum auch, wie direkte Demokratie demagogisch gebraucht und auch missbraucht werden kann. Populisten, die eine Abstimmung ge­winnen, am Tag darauf ihre Versprechen revidieren und sich in breitem Maße aus dem Staub machen, wenn der Schaden angerichtet ist, sind ein Lehrstück für alle europäi­schen Demokratien; übrigens auch ein Lehrstück für einen Bundespräsidentschafts­kandidaten, der schnell am Schuhabsatz eine Kehrtwendung vollzogen hat.

Gemeinsam neue Wege zu gehen heißt deswegen auch, gegen das radikale Kurzzeit­denken aufzutreten – das radikale Kurzzeitdenken, das besondere Gift für jede Demo­kratie. Es bedeutet eben nicht, das Ganze im Auge zu haben, sondern nur den nächs­ten Wahltermin. Und wir wissen aus den Erfahrungen der letzten Jahre in der Steier­mark, dass Menschen bereit sind, Reformen mitzutragen, Stichwort Gemeindezusam­menlegung, Stichwort Bezirksneuorganisation et cetera.

Ich bin mir bewusst, Gerd Krusche von der FPÖ wird bald nach mir sprechen und wo­möglich – so gut kenne ich ihn inzwischen – auch ein bisschen kritisch argumentieren, dass die Reformpartnerschaft zum Beispiel die letzte Wahl vor einem Jahr nicht ge­wonnen hat, sondern beide beteiligten Parteien auch Stimmenverluste einfahren muss­ten. Ja, das ist schon richtig, wobei man auch weiß, dass das Hauptmotiv für die Wah­len im Jahr 2015 in der Steiermark auch ein bundespolitisches Thema war, das alles überlagert hat, nämlich bereits seinerzeit die Frage der Flüchtlinge.

Gerade in schwierigen Zeiten ist die Chance für Oppositionsparteien sehr groß, weil der Protest immer zugunsten der Oppositionsparteien ausschlägt, denn vor allem Po­pulisten geben oft vor, für komplexe Themen einfache Lösungen anbieten zu können, sie brauchen aber ihre Lösungskompetenz nicht unter Beweis zu stellen. (Bundesrat Meißl: Lasst uns erst!)

Aber, meine Damen und Herren, regieren ist ein Rendezvous mit der Realität. Und ge­rade die Freiheitlichen haben damit einschlägige Erfahrungen, als sie 2000 in die Re­gierung kamen und sehr schnell von der Realität eingeholt wurden – Wiederholung: nicht ausgeschlossen.


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Gemeinsam neue Wege zu gehen heißt schlussendlich auch, nicht die eigene Be­findlichkeit als Maßstab aller Dinge zu sehen – wie du es auch oft formulierst, lieber Hermann, lieber Herr Landeshauptmann –, sondern wiederum das Ganze im Blick zu haben, nicht auf die nächste Schlagzeile zu schielen, sondern auch das Unpopuläre, aber Notwendige und Richtige zu tun und das Unpopuläre, um auch Reinhold Mitter­lehner zu zitieren, so zu erklären, dass es populär und damit auch mehrheitsfähig wird. Es heißt auch, nachhaltig zu denken, zu leben und auch dem Zeitgeist zu widerstehen, denn, meine Damen und Herren, wer sich mit dem Zeitgeist ins Bett legt, könnte sehr schnell als Witwer aufwachen.

Unser Staat und insbesondere auch der Föderalismus brauchen viele Reformen. Die politischen Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können nicht mit Rezepten der vergangenen Jahrhunderte gefunden werden. Wir brauchen ein star­kes Europa und nicht dessen Zerfall in Nationalstaaten, wenn wir unseren Kindern Frieden garantieren wollen. Wir brauchen starke Regionen und Gemeinden, wenn wir unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, Zukunftschancen und Heimat garantie­ren möchten. Schlussendlich brauchen wir politische Verantwortungsträger in allen Par­teien, die das Ganze im Auge haben, damit sie für ihren Teil, für den sie gewählt sind, am meisten erreichen können.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich wünsche dir in deiner Führungsfunktion in der Landeshauptleutekonferenz – im besonderen Wissen, dass du immer das Ganze im Auge hast, um für die einzelnen Teile am meisten zu erreichen – alles Gute. Ein stei­risches Glückauf! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

10.06


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.06.19

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Lieber Herr Präsident! Es ist noch etwas neu und ungewohnt, aber sehr angenehm, dich so anreden zu dürfen. Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Und heute natürlich auch: Liebe Freunde und Gäste aus der Steiermark! Ein Versuch einer Liebeserklärung an meine steirische Heimat: Oben Schnee, unten das grüne, fruchtbare Tal – mit dieser Beschreibung als Eselsbrücke sollte und könnte man sich die Farben der steirischen Landesfahne Weiß und Grün gut merken. Es be­schreibt aber auch die einzigartige Vielseitigkeit dieses wunderschönsten Bundeslan­des Österreichs. (Allgemeine Heiterkeit. – Unruhe im Sitzungssaal.)

Damit wäre ich schon bei einem wichtigen Thema der Steiermark – unser Herr Landes­hauptmann stand diesem Thema jahrelang als politisch verantwortlicher Referent vor –: dem Tourismus. Es ist das beliebteste Urlaubsland von Herrn und Frau Österreicher. Wenn ich an meine heimatliche Thermenregion denke, so bringt dieses Thema viel er­holsame Entspannung für viele Gäste, aber dem Herrn Landeshauptmann, der hohen Politik, hat das Thema Therme auch viele Sorgenfalten bereitet.

In Sachen Tourismus müssen natürlich auch das steirische Salzkammergut, die Re­gion Schladming-Dachstein und so weiter und so fort erwähnt werden. (Zwischenrufe der Bundesräte Dörfler und Mayer.) Jahr für Jahr haben wir in diesem Bereich ein Nächtigungsplus zu verzeichnen, ich glaube, aktuell stehen wir bei rund 12 Millionen Nächtigungen im Jahr. Und auch die Bundeshauptstadt darf sich mit dem Steiermark-Frühling sozusagen ein Wochenende lang als ein Teil des grünen Herzens von Öster­reich fühlen.

Man sieht in der Bundeshauptstadt während dieser Zeit viele Steirer mit grünem Her­zen am Revers. Es ist nicht nur unsere Berufskleidung, sondern es ist sichtbar ge-


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machte Tradition und unsere Heimat. Nebenbei ist es noch ganz kommod, denn mit einem „Steirer“ ist man immer passend gekleidet. Ob als Gast bei einem Fußballspiel, ob als trauernder Gast bei einem Begräbnis, der „Steirer“ passt immer und ist immer angemessen.

Vom Tourismus hin zur Schwerindustrie: Wir haben es heute schon gehört, die Stand­ortpolitik Österreichs muss attraktiviert werden. Die Obersteiermark hat diesen Struk­turwandel sehr gut geschafft. Vor Jahrzehnten hat es geheißen – gerade aus einem politischen Bereich –, dass das alles zugesperrt gehört, dass das alles ein Rosthaufen und alles zusammen nichts ist, nämlich die verstaatlichte Industrie. Heute ist sie Hei­mat und Standort von weltweit topagierenden Konzernen. Einer davon ist die Voest mit Standort Leoben/Donawitz. Der Kompetenzbetrieb als Stahlerzeuger beruht auf einer mehr als 125-jährigen technischen Erfahrung. Donawitz war und ist einer der großen Namen in der obersteirischen Stahltradition.

Von der Schwerindustrie komme ich über die Hochtechnologie – um Graz befindet sich der Autocluster mit dem wichtigen Standortbetrieb Magna mit etwa 45 000 Jobs – hin zur zukunftsweisenden Umwelttechnik.

Der Umweltcluster in der Steiermark zählt zu einem der größten Europas. In etwa 180 Firmen sind dort in Sachen erneuerbarer Energie, in Sachen Umwelttechnik ge­bündelt – erwähnt seien die ANDRITZ AG und die Gruppe Roth.

Mit diesen Themen – Tourismus, Hochtechnologie, Schwerindustrie – haben sich die stei­rischen Regionen – ja, da auch mit Mängeln, dort auch mit Fehlern – sehr gut entwi­ckelt. Seit der letzten Landtagswahl gehört das Thema der steirischen Regionen zum Hauptreferatsgebiet unseres Landeshauptmann-Stellvertreters Michael Schickhofer, der nebenbei auch noch das sehr fordernde Thema der Landesfinanzen gemeinsam mit dem Herrn Landeshauptmann hauptverantwortet.

Jetzt bin ich auch schon bei unserem Thema, dem Thema der Politik, nämlich was in den fünf Jahren zuvor die Reformkoalition Franz Voves/Hermann Schützenhöfer ange­gangen ist. Sie haben österreichweit beispielhafte Reformen durchgeführt und haben sich nicht gescheut, auch vor unpopulären Themen nicht Halt zu machen. Wir haben es heute schon beispielhaft gehört: Der Landtag in der Steiermark wurde verkleinert. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich jetzt für die Steiermark im Bundesrat arbeiten darf. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.) Die Landesregierung wurde verkleinert. (Bundesrat Mayer: … verbessern!) – Richtig, Herr Kollege.

Die Parteienförderung wurde gekürzt. Wir sind also auch im eigenen Bereich in der Steiermark mit gutem Beispiel vorangegangen. Der Proporz wurde abgeschafft. In vie­len Bundesländern werden diese Themen nur besprochen, wir zum Vergleich haben sie auch umgesetzt.

Es wurden in etwa vier Dutzend Kleinstschulen zusammengeführt. Das war auch nicht immer lustig, Demonstrationen da und dort. Im Verwaltungsbereich wurden Spitzen­positionen in der Landesverwaltung in etwa halbiert. Du hast 700 Landesstellen in deiner Verantwortung als Personalreferent nicht nachbesetzt. Es wurden die Bezirks­hauptmannschaften reduziert; und natürlich ist das emotionalste Thema die Gemein­dereform: 542 Gemeinden wurden – wir haben es heute schon gehört – auf etwa 287 reduziert, also ebenso fast halbiert.

Natürlich hat es da und dort auch die Versuche der Parteipolitik gegeben, bei diesem Thema Einzug zu halten, denn hat es in einer Region geheißen, dass die Gemeinden gut zusammenpassen und zusammengelegt werden müssen, dann waren es in einer anderen Region sozusagen dieselben Argumente dafür, dass das gar nicht zusam­menpasst. Solche Argumente hat es hüben wie drüben, auf beiden Seiten der Reform­partnerschaft gegeben.


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Aber die Politik, Franz Voves und Hermann Schützenhöfer haben sich davon nicht be­einflussen lassen. Nach einheitlichen sachlichen Kriterien, dem sogenannten Punkte­system, wurden auch die Gemeinden der Steiermark zukunftsfit und enkeltauglich ge­macht.

Die Steiermark heute: Die steirische Zukunftskoalition, Hermann Schützenhöfer und Michael Schickhofer – er war ja gestern auch beim Steiermark-Abend dabei –, hatte in den ersten Tagen – wir haben es heute schon gehört, und es war hier im Bundesrat auch schon oft Thema  eine gewaltige Bewährungsprobe zu überstehen. Die Flücht­lingssituation haben wir nicht nur aus den Medien gekannt, haben wir nicht nur über den Fernseher gesehen und davon gehört, sondern wir haben es selbst erlebt und selbst miterlebt im steirischen Spielfeld, aber auch in meiner Heimatregion Bad Rad­kersburg. Sowohl unsere Einsatzorganisationen als auch die Zivilgesellschaft in der Steiermark haben Großartiges und einen machbaren, vertretbaren Beitrag geleistet – auch wenn ich diese Situation nie mehr erleben möchte. Die Grenzen müssen kon­trollierbar sein und bleiben, und wir müssen Herr und Frau der eigenen Haustüre sein.

Michael Schickhofer bündelt sozusagen als Referent der Sicherheit die Einsatzorgani­sationen unter seinem Dach der politischen Verantwortung. Meinen Kollegen Armin Forstner darf ich auch erwähnen. Mit ihm gemeinsam darf ich dem Zivilschutzverband Steiermark als ehrenamtlicher Präsident vorstehen.

Das rote Licht leuchtet schon, aber wenn ich über die Heimat rede, schweife ich aus. Ich versuche, jetzt abzukürzen.

Die Steiermark birgt aber nicht nur die Vielseitigkeit von der Landschaft her in sich – die hohen Berge bis hin zu den sanften Weinhügeln –, die Steiermark ist auch Heimat vieler berühmter Töchter und Söhne, ob Erzherzog Johann oder im Kulturbereich Peter Rosegger, Elfriede Jelinek, Klaus Maria Brandauer und die „Blaue Blase“ – sie hat nichts mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 4 zu tun, sondern ist das weltweit be­kannte Kunsthaus. Im Sportbereich sind es Jochen Rindt, Thomas Muster und Eli­sabeth Görgl. Im Politikbereich ist es auch der in Graz geborene Heinz Fischer. Und, lieber Mario – ich durfte heute deiner Rede lauschen –, auch du bist ein berühmter Sohn der Steiermark. (Bundesrat Mayer: Und Arnold Schwarzenegger!) – Natürlich! Man mag zu seinen Gewaltfilmen und auch zu seiner politischen Arbeit stehen oder nicht, aber er ist ein berühmter Sohn der Steiermark.

Da wir uns gestern am Steiermark-Abend auch kulinarisch und musikalisch am steiri­schen Angebot erfreuen durften, so will ich auch klar und deutlich sagen – der Herr Landeshauptmann kann oder will es nicht so, aber ich kann es –: Die Reformpartner­schaft und die Zukunftskoalition mit dem Titel „Gemeinsam neue Wege gehen!“ soll Vorbild für die Bundespolitik sein. Wir diskutieren hinter dem Vorhang, nicht auf offener Bühne, und setzen dann miteinander das Notwendige um und setzen es für die Bevöl­kerung auch durch. Wie heißt es im Dachsteinlied, unserer Landeshymne? – „Wo die Kohlenglut und des Hammers Kraft, starker Hände Fleiß das Eisen zeugt“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns das Eisen zeugen und biegen! In diesem Sinne: Ein steirisches Glückauf! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

10.17


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kru­sche. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Mayer: Jetzt schauen wir einmal, wie wir das Eisen biegen!)

 


10.17.48

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Und vor


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allem: Liebe Steirer! Kollegen Gödl muss ich gratulieren, er hat das Kunststück zusam­mengebracht, auf meine Rede, die ich noch gar nicht gehalten habe, zu antworten. (All­gemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schennach: Du bist so leicht durchschaubar!)

Auch dem Kollegen Weber muss ich vollinhaltlich recht geben, wenn er die Schönheit der Steiermark lobt und herausstreicht. Allerdings wage ich zu bemerken, dass diese landschaftlichen Schönheiten und Reize kein Verdienst der Reform- oder Zukunftspart­nerschaft sind. (Allgemeine Heiterkeit.)

Wir haben jetzt gehört, dass diese ehemals Reform-, jetzt Zukunftspartnerschaft so eine Art Blaupause für die Zukunft in Österreich sein soll, weil ja so viel geschehen ist: Landtags- und Gemeindestrukturreform, Verwaltungsreform, Schulen wurden zusam­mengelegt – andere sagen, Schulen wurden zugesperrt und der ländliche Raum ge­schwächt, aber das ist immer eine Frage der Perspektive. Diese Bilanz, dass wir jetzt weniger Bezirke, weniger Landtagsabgeordnete und weniger Gemeinden haben, ist für den Zeitraum von fünf Jahren nicht unbedingt berauschend. Ich werde auf die Proble­me noch zu sprechen kommen.

Überhaupt habe ich mir ein bisschen schwergetan, in Ihrer Rede, Herr Landeshaupt­mann, den roten Faden zu finden: „Gemeinsam neue Wege gehen.“ – Wohin sollen die­se Wege gegangen werden?

Ich habe fast ein bisschen den Eindruck: Der Weg ist das Ziel. – Aber diesen Satz hat ja schon einmal ein Autohersteller bemüht.

Sie haben drei Ziele genannt, und ich war beeindruckt: Investitionsstau beseitigen, Bü­rokratie abbauen, Lohnnebenkosten senken. – Das habe ich in den letzten 20 Jahren noch nie gehört! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Irgendwie habe ich immer den Eindruck, Ihre Partei und die Parteien, die in der Re­form- und Zukunftspartnerschaft vereinigt sind, sind völlig neu in der Bundesregierung und haben vorher nie Gelegenheit gehabt, diese Ziele zu verwirklichen. Man muss also doch ein bisschen aufpassen, wohin der Weg führt und dass er nicht im Zickzackkurs genommen wird, vor allem muss man auch vorausschauend sehen, welche Probleme es geben wird. Diesbezüglich habe ich manchmal Zweifel, wenn ich mich beispiels­weise daran erinnere, wie Sie, Herr Landeshauptmann, in der Landtagssondersitzung im September, noch unter Berufung auf Ihr Fundament, die christliche Soziallehre, sehr salbungsvoll eine Wir-schaffen-es-Mentalität verbreitet und uns Freiheitliche mehr oder weniger als Hetzer hingestellt haben, was Sie ja nach wie vor tun.

In der „Pressestunde“ haben Sie uns letzten Sonntag sogar unterstellt, dass wir dem­nächst voraussichtlich handgreiflich werden. – Nun gut.

Ein paar Wochen nach dieser Landtagssondersitzung haben Sie gesagt: Die Grenz­kontrollen kommen mindestens ein halbes Jahr später. – Ich kann nichts dafür, wenn wir die Bedrohungslage, die auf uns und unser Land zugekommen ist, früher erkannt haben als Sie. Aber keiner meiner Vorredner ist bisher auch nur mit einem Wort auf das eingegangen, was die Steirer wirklich bedrückt und wo sie die Probleme haben.

Erstes Problem: Arbeitslosigkeit. – Wir haben 38 000 Arbeitslose in der Steiermark. Und auch wenn im Juni erstmals seit Monaten ein marginaler Rückgang mit minus 0,4 Pro­zent feststellbar war, so hoffe ich, dass das nicht die berühmte Schwalbe ist, die noch keinen Sommer macht, sondern dass dieser Rückgang einen Trend einleitet. Dieser leichte Rückgang der Arbeitslosigkeit ist dem Rückgang der Arbeitslosigkeit bei jungen oder jüngeren Männern zu verdanken, während nach wie vor ein enormer Anstieg bei den über 50-Jährigen, bei den Ausländern und bei den Langzeitarbeitslosen festzu­stellen ist. Auch weist die Arbeitslosigkeit in der Steiermark sehr große regionale Unter­schiede auf.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 32

Die Mur-Mürz-Furche und die Südoststeiermark sind nach wie vor von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geprägt, und das führt mich zum zweiten großen Problem, nämlich zur Bevölkerungsentwicklung und vor allem zur strukturellen Zusammensetzung der Bevölkerung in der Steiermark. Die jüngsten Studien besagen, dass die Steiermark bis zum Jahr 2050 lediglich um 1,6 Prozent wachsen wird, und damit sind wir Vorletzter in Österreich nach dem Bundesland Kärnten, dem ein Rückgang prophezeit wird. Der Anteil jener im erwerbsfähigen Alter beträgt derzeit 61,9 Prozent und soll auf 52,1 Pro­zent im Jahr 2050 sinken, und die Zahl der über 65-Jährigen, die derzeit einen Anteil von 19,7 Prozent ausmacht, wird auf einen Anteil von 30,1 Prozent steigen. Die Ge­burtenbilanz wird all die Jahre hindurch durchgehend negativ sein. Und auch da zeigen sich wieder diese regionalen Unterschiede und diese regionale Problematik, die gerade mich als Obersteirer, als Leobener, besonders stark bedrücken und mir Sorgen ma­chen.

Es wird ein Bevölkerungsrückgang vorausgesagt, etwa für Murau von minus 23,3 Pro­zent und für die Mur-Mürz-Furche zwischen minus 15,4 und 15,9 Prozent in den ein­zelnen Bezirken. Leoben weist bereits jetzt das mit Abstand höchste Durchschnittsalter der Bevölkerung mit 46,6 Jahren auf, und dieses wird weiter steigen. Im Hinblick auf die daraus resultierenden Probleme sollten Sie Lösungen und Ziele finden, um dann den Weg dorthin zu suchen. Infrastruktur, Pflege, ländlicher Raum, Gesundheit – da wird es massive Probleme vor allem für diese Regionen geben.

Zum Gesundheitssystem: Wir alle warten gespannt auf die Reform, die für kommenden Herbst angekündigt ist. Sie haben aber selbst schon gesagt – und man weiß es –, dass von den 15 bisherigen Spitälern maximal sieben bis zehn übrig bleiben werden. Es wird also ein weiterer Kahlschlag stattfinden. Und Sie haben auch schon gesagt, dass das ohne Rücksicht auf lokale Widerstände erfolgen wird. So ist das im ORF nachzu­lesen, und von Gemeinsamkeit konnte ich da nicht viel herauslesen!

Als Kompensation soll es entsprechende Gesundheitszentren für die Versorgung ge­ben. Ich hoffe nur, dass die Einrichtung solcher Gesundheitszentren nicht genauso ein Lippenbekenntnis bleiben wird wie beispielsweise die sonderpädagogischen Betreuun­gen, die unter dem schönen Schlagwort „Inklusion“ propagiert, jedoch dann geopfert wurden, ich nenne nur das Beispiel Gehörlose. Die Schule in Graz gibt es nicht mehr, weil man ja die Inklusion in den Regionen direkt in den Schulklassen machen will. Das hört sich wunderbar an, doch leider fehlt in der Praxis das Geld dafür! Es gibt Regionen wie Murau, wo überhaupt keine Betreuerin mehr in die Schule kommt, weil wir das Geld nicht haben.

Damit sind wir beim vierten Problem, nämlich beim Budget und bei der Verschul­dung. – Betreffend Mindestsicherung haben Sie auch – ganz vorsichtig – in der „Pres­sestunde“ gesagt, dass Sie sich eine Deckelung der Mindestsicherung nur mit Ausnah­men vorstellen können. Sie wollen auch hier neue Wege gehen.

Herr Landeshauptmann! Ich hoffe, vor allem für uns Steirer, dass diese Wege nicht in die Sackgasse führen, dass Sie nicht auf halbem Weg stehen bleiben, dass Sie uns nicht im Zickzackkurs führen, sondern dass Sie die Wege zielstrebig, geradlinig und möglichst flott im Sinne der Steirerinnen und Steirer beschreiten werden!

Wenn ich hier höre, dass Sie einen Arbeitskreis mit Experten betreffend eine Finanzre­form für die nächsten fünf Jahre einrichten wollen, dann schrillen bei mir alle Alarmglo­cken. All das hatten wir schon einmal. Wir hatten einen Verfassungskonvent mit einem Bündel an Vorschlägen. Auf den Rechnungshof will ich gar nicht eingehen. Was aber ist übrig geblieben? Was ist umgesetzt worden? (Bundesrat Gödl: Zum Beispiel die Gemeindereform!) – Bis jetzt gar nichts, und vielleicht ereilt uns wieder dasselbe Schick­sal! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.29



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 33

Präsident Mario Lindner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Rei­ter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


10.29.35

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg)|: Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Herr Landeshauptmann! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen an den Fernsehgeräten! Wir Grünen haben leider keine steirischen Bun­desräte, die wir heute hier aufbieten hätten können. Die grüne Steiermark ist uns also leider noch nicht grün genug. Deshalb will ich auch nicht auf spezifische steirische Ge­gebenheiten eingehen, sondern auf den Titel, den Sie gewählt haben, nämlich „Ge­meinsam neue Wege gehen“.

Warum ist das gemeinsam so schwierig? – Diese Fragen werden einem als Politiker draußen immer wieder gestellt: Wieso streitet ihr nur? Warum geht ihr nicht gemein­sam vor? – Als schnelle Antwort erwidere ich dann immer: Es gibt viele Leute, die zu zweit versuchen, gemeinsam in großer Liebe und in großer Harmonie zu gehen, aber auch denen gelingt es nur zur Hälfte – und das sind nur zwei, mit anderen Ausgangs­positionen als jenen, die Bewohner und Bewohnerinnen einer Gemeinde, eines Lan­des, eines Staates bei dem Versuch vorfinden, gemeinsam zu gehen. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Aber warum ist das wirklich so schwierig? – Eigentlich sind wir alle soziale Wesen. Wir sind Rudelwesen, weil man ja sehr hilflose Kinder bekommt und weil die Aufzucht un­serer Kinder sehr schwierig ist. Deshalb ist auch das afrikanische Sprichwort ganz rich­tig: Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. – Darum sind wir Rudelwesen be­ziehungsweise eben soziale Wesen.

Die nächsten Fragen sind jedoch: Wer gehört zum Rudel? (Heiterkeit bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.) Wer sagt, wohin es gehen soll? Wer sagt, wie schnell es gehen soll? – Damit kommen die Probleme.

Griechenland hat zur Lösung beziehungsweise zur Verbesserung der Lösung dieser Probleme groß die Demokratie erfunden. Männer sind auf dem Platz gesessen und haben Richtung, Geschwindigkeit und so weiter für das Rudel definiert. Frauen haben nichts zu sagen gehabt, und es gab auch noch die vielen Idiotes, die auch nichts zu sa­gen hatten; heute würde man diese „arbeitende Bevölkerung“ nennen.

Dann kam der große zivilisatorische Fortschritt des römischen Rechts: Man hat diese Dinge verschriftlicht, und die Regeln wurden eigentlich kontinuierlich bis in unsere Ta­ge fortentwickelt, wobei es natürlich immer wieder Rückfälle ins Faustrecht und Ähnli­ches gab. Aber wir sind doch einigermaßen weit gekommen in dem Versuch, zu defi­nieren, wohin, wie schnell und von wem geführt das Rudel laufen soll.

Vielleicht sind wir aber inzwischen auch schon zu weit, denn das, was wir haben und beobachten, ist doch ein großes Akzeptanzproblem für die Regelmacher: Sie werden von den anderen beziehungsweise vom restlichen Rudel in vielerlei Hinsicht nicht mehr akzeptiert, das Vertrauen ist nicht mehr da. Menschen fühlen sich ausgegrenzt, eben nicht als Teil des Rudels, sie fühlen sich überfordert von der Vielzahl von Vorschriften, von Regeln.

Wir haben also das Problem der Rudelabgrenzung: Man fühlt sich wahrscheinlich zu­erst als Steirer, oder zuvor noch als Mitglied vom Landl – der Herr Präsident sitzt jetzt allerdings nicht mehr am Präsidium! – oder ähnlichen Rudelgrößen. Dann kommt das Land, und dann wird es schon viel schwieriger, als österreichisches Rudelmitglied zu laufen oder gemeinsam zu gehen. Als europäisches Rudelmitglied ist es noch schwie­riger, und eigentlich müssten wir auch von einem globalen Rudel reden, wenn wir se­hen, dass es etwa in Zeiten des Klimawandels notwendig ist, gemeinsame Wege glo­bal zu gehen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 34

Zu diesem Problem der Rudelabgrenzung kommt dann noch ein Syndrom, das, wie ich glaube, Knoflacher erfunden hat, nämlich das Sumo-Ringer-Problem – das kann man nicht gendern, tut mir leid! (Heiterkeit bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP) –: Sumo-Ringer haben gewonnen, wenn sie den Gegner aus der Mitte ihrer nicht sehr großen Matte gedrängt haben, dann sind sie Sieger. Dieses Syndrom ist bei der Ru­delführung beziehungsweise auch in der Politik oft zu beobachten, und zwar gerade auch in der Föderalismusdiskussion, bei der man halt als steirischer Landeshauptmann oder Salzburger Landeshauptmann – nehmen Sie jeden beliebigen – in Wien Sieger auf seiner Matte bleiben muss und soll.

Das Gleiche gilt für die europäische Ebene. Der Rat ist das maßgebliche Gremium auf europäischer Ebene, und die Staatsoberhäupter fahren dorthin und versuchen, Sieger auf ihrer Matte zu bleiben.

Das Föderalismusproblem ist ja von dem EU-Problem, das wir derzeit haben, nicht weit entfernt. Dieses Problem ist ganz ähnlich, wie wir sehen, wenn wir dieses Sumo-Rin­ger-Syndrom betrachten. Darum denke ich auch, dass wir in Österreich, wenn wir uns anstrengen, durchaus auch Vorbild dafür sein könnten, wie dieses Problem des Föde­ralismus, nämlich kleine Einheit versus zentrale Einheit, besser und nachhaltiger gelöst werden könnte.

Also: Ja zu einem gemeinsamen Weg. Das ist notwendig.

Ein Thema, das Sie hier angeschnitten haben, hat mich aber gleichzeitig natürlich auch wieder mit großer Sorge erfüllt, nämlich der Finanzausgleich. Sie haben gesagt, dass dieser neue Weg hier erst definiert werden muss. Man fährt wieder in die Schweiz. Da­rüber, wie es die Schweiz gemacht hat, liegen allerdings seit Jahren schon Informa­tionen vor. Man kann sich seit Jahren anschauen, wie die Schweizer diesen Weg or­ganisiert haben und gegangen sind und welche Ergebnisse sie erzielt haben.

Auch schon von meinem Vorredner erwähnt wurde, dass es einen Verfassungskonvent gegeben hat. Zwei Jahre lang hat man sich bemüht, diesen Weg zu einem neuen Fö­deralismus zu definieren. Jede Menge von Experten haben referiert, es wurde dort viel Kluges gesagt, aber das wurde dann nicht umgesetzt. Auch der Rechnungshof hinter­lässt uns ganze Konvolute mit Vorschlägen und Expertisen für die Definition dieses Wegs. Ich würde mir wünschen, dass wir beginnen, diesen Weg zu gehen, und zwar ge­meinsam!

Eines der größten Probleme dabei ist, dass meiner Meinung nach die Transparenz fehlt. – Ich bin der Meinung, dass die Diskussionen nicht hinter dem Vorhang, sondern vor dem Vorhang stattfinden sollen beziehungsweise müssen. Wir müssen Transpa­renz herstellen, denn selbst für mich als Politikerin in der Position, in der ich bin, ist es völlig unmöglich, Informationen darüber zu erhalten, was sich im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich derzeit tut, wer mit wem warum verhandelt. (Bundesrat Mayer: Dann bekommen wir nie ein Ergebnis!)

Doch! Hier müssen wir zu Transparenz und auch zu Beteiligung kommen, und zwar zu einer Beteiligung in anderer Form als jetzt, weil sich die Menschen sonst überfahren fühlen. Wir müssen sie mitnehmen, und das heißt, einen gemeinsamen Weg gehen, denn es kann in diesem Bereich nur ein gemeinsames Überschreiten der Ziellinie ge­ben. Wir müssen von Konkurrenz zur Kooperation kommen. Es ist die Herausforderung unserer Zeit, von Konkurrenz zur Kooperation zu kommen!

Konkurrenz produziert Verlierer, Verlierer in großer Zahl, und das können und dürfen wir uns für die Zukunft nicht leisten. Es gibt inzwischen entsprechende Verhandlungs­methoden, die entwickelt wurden, und diese sollten wir anwenden, diesen Weg sollten wir gehen. – Gemeinsam heißt also: Mitnahme vieler Player und vieler Menschen, Me-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 35

thoden der Diskussion und der Auseinandersetzung finden, die nicht Verlierer produ­zieren und nicht im Geheimen ablaufen.

Ja, gehen wir gemeinsam neue Wege! Diskutieren wir, aber diskutieren wir vor dem Vorhang, und seien wir sicher, dass wir wissen, wohin diese Wege führen, weil wir diese Ziele auch gemeinsam festgelegt haben. Dann sind wir gerne dabei, Herr Lan­deshauptmann! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

10.40.29Aktuelle Stunde

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Weltklimavertrag Paris: Umsetzung in Europa und Österreich“

mit Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter, den ich in unserer Mitte recht herzlich begrüßen möchte. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 10 Mi­nuten zu Wort. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die eben­falls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion sowie anschließend eine Rednerin/ein Redner der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer jeweils 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Pum. Ich erteile ihm dieses.

 


10.41.47

Bundesrat Ing. Andreas Pum (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Dem Klimaschutzabkommen geht eine enorme Entwicklung vo­raus, die wir, betrachten wir das letzte Jahrhundert, seit dem 20. Jahrhundert selbst er­fahren durften. Es erfolgte ein technischer Aufschwung, der im letzten Jahrhundert eine enorme Geschwindigkeit bei der Entwicklung verursacht hat. Das führte zu einer enor­men Entwicklung, wie es sie in den Zeiten davor noch nie gegeben hat, und all das, weil Kohle, Erdgas und Erdöl ganz einfach eine Energieform mit sich brachten, die viele Entwicklungsmöglichkeiten eröffnete, billige Energie, die letztlich zu einem enor­men Innovationsschub führte.

Mit dem heutigen Tag wollen wir jedoch eine Trendwende einleiten. Es ist ein histori­scher Tag, den wir heute begehen dürfen, ein Tag, an dem die Energiewende, die schon eingeleitet wurde, auch politisch beschlossen wird.

Der Begriff Energiewende ist eigentlich ein Schlagwort aus vergangener Zeit, das heu­te aber sehr klar ausdrückt: Weg von den fossilen hin zu alternativen Energieträgern! Diese Zielsetzung – umzusetzen bis ins Jahr 2050 – bedeutet eine enorme Entwick­lung, die da vor uns liegt, und nicht zuletzt einen Schritt in die Zukunft, der vieles ver­ändern wird.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 36

Warum wird sie vieles verändern? – Weil es ganz einfach heißt: Weg von den Ge­wohnheiten, weg von den alltäglichen Errungenschaften hin zu neuen Technologien, hin zu Entwicklungen, die ganz einfach auch bedeuten, eine Klimaveränderung zu ver­hindern beziehungsweise einzubremsen, und zwar nicht nur national, sondern auch global gesehen, denn weltweit sind es 196 Staaten, die dieses Übereinkommen ratifi­zieren sollen, womit auch sehr klar aufgezeigt wird, dass diese Entwicklung nicht vor Landesgrenzen haltmacht, sondern dass die entsprechenden Maßnahmen vielmehr auch global gesehen und weltweit umgesetzt werden müssen.

Ich glaube, ich brauche nicht zu erwähnen, was sich gerade wieder in den vergange­nen Tagen allein hier in Österreich, etwa in meiner eigenen Heimatstadt, abgespielt hat. Verschiedenste Meldungen über Katastrophen wie Starkregenereignisse oder Mu­renabgänge, die immer neue Höhepunkte erreicht haben, haben sich überschlagen, und dies zeigt ganz einfach: Die Veränderung findet statt, und wir müssen diese Klima­veränderung einbremsen und nicht zuletzt auch neue Möglichkeiten und Alternativen finden.

Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Wirtschafts­entwicklung, das ist kein Geheimnis, und wir spüren das vor allem dann, wenn es da­rum geht, auch all die politischen Referenzen, all das, was an Zielsetzungen auf dem Tisch liegt, in die Praxis umzusetzen. Dann merken wir, dass es da Ängste gibt, dass es immer wieder Widerstände und oftmals natürlich auch ganz einfach andere Inter­essen gibt, weshalb es nicht so einfach sein wird, neue Ziele umzusetzen.

Damit meine ich vor allem ein sehr klares und einfach formuliertes Ziel, nämlich die Erderwärmung in den nächsten Jahren auf unter 2 Grad Celsius zu halten oder sogar auf unter 1,5 Grad Celsius bei vorindustriellem Niveau einzubremsen.

Aber wir reden da nicht nur von der Erderwärmung, wir reden auch von zusätzlichen Zielen und Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, um dem Klimawandel Paroli bie­ten zu können. Es gibt Investitionen, vor allem in Umweltmaßnahmen, und nicht zuletzt ein ganz klares Bekenntnis zur Produktion von Energie aus erneuerbaren Stoffen, und zwar zu 100 Prozent. Das ist leicht gesagt, aber dieses Ziel ist nicht einfach umzuset­zen. 100 Prozent Energie aus erneuerbaren Energieträgern, wie wir sie gratis vor un­serer Haustüre finden – Sonnenenergie, Windenergie und Wasserkraft, auch Biomasse und vieles andere –, das eröffnet letztlich Entwicklungsmöglichkeiten, die viele neue Chan­cen in sich bergen.

Die Gefahren und die Schwachstellen werden uns aber immer wieder aufgezeigt. Wir wissen heute – und das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen –, dass Naturgesetze nicht außer Kraft gesetzt werden können. Wir müssen Kreisläufe wahren und dürfen auch den immer wiederkehrenden Blick auf Auswirkungen nicht scheuen. Was meine ich damit? Diese Entwicklung, zum Beispiel der Wetterkapriolen, die wir leider Gottes gerade sehr intensiv erleben, haben wir zum Teil selbst verursacht.

Der Regenwald wird abgeholzt, damit die Palmölproduktion angeheizt werden kann, sodass man letztlich mit Produkten wirtschaftlich konkurrenzfähig sein kann und vor allem auf Märkten mit viel Kaufkraft bestehen kann, wo Wohlstand herrscht. Und in Brasilien beherrscht der Sojaanbau mittlerweile weite Flächen des Landes. Dies zeigt sehr klar, dass diese Länder mit ihren Exporten zwar wirtschaftlich konkurrenzfähig sind, aber in umweltpolitischer Hinsicht enormen Schaden verursachen.

Gewinnmaximierung kontra Sozialpolitik, so könnte da wohl das Schlagwort lauten, und leider Gottes spiegelt das auch die Realität wider. Letztendlich sind das Konzerngewin­ne auf Kosten sozialer Armut. Wir importieren Wohlstand und schaffen damit in Län­dern Armut, die nicht vor unserer Haustüre liegen und unsere Gefühle daher nur ent­fernt berühren. Was nicht sichtbar wird, ist oftmals auch nicht spürbar; Beispiele dafür gibt es zur Genüge.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 37

Wenn dieses Klimaschutzabkommen, um das es heute geht und das historisch ist, viele Bereiche modifiziert, dann müssen wir aber auch kritisch anmerken: Wo bleibt die Schifffahrt? Wo bleibt der Flugverkehr? – Diese sind nämlich in diesem Übereinkom­men ausgenommen, und das zeigt wiederum: Da gibt es offensichtlich Interessen, die vielleicht anderen Entwicklungen Raum geben. Klimaschutz darf aber keinesfalls Aus­nahmen kennen und muss alle inkludieren.

Klimaschutz kann nur durch ein Miteinander aller Bereiche erreicht werden, und ein solches Miteinander lebt Österreich sehr stark vor. Enorm viele Positivbeispiele zeigen, dass wir in Sachen Umweltschutz und Klimaschutz eine Vorreiterrolle übernommen ha­ben und auch viele innovative, neue Ideen umgesetzt haben: Fotovoltaik, Windkraft, all das, was bei uns ja mittlerweile auch im privaten Bereich viele umgesetzt haben. Es gilt ganz einfach, im alltäglichen Leben das Bewusstsein dafür zu schaffen.

Eines ist auch immer wieder zu betonen: Letztlich ist es die Regionalität, die in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Wir müssen erkennen, wo unsere Schwerpunkte vor Ort liegen, und damit auch immer wieder unsere Möglichkeiten in der Region aus­schöpfen, denn Klimawandel verursacht Migration – Migration von Tieren, von Pflan­zen, aber vor allem auch von Völkern. All das müssen wir mittlerweile leider auch sehr stark in rezenten Entwicklungen erleben.

Wir müssen also gemeinsam mit einer Veränderung der Klimaschutzpolitik auch eine Veränderung der Sozialpolitik diskutieren.

Der große Erfolg liegt natürlich im innerstaatlichen Bereich. Das Klimaabkommen ist global zu sehen, aber letztendlich sind die Erfolge nur national zu erreichen. Industrie­staaten wie China oder die USA sind maßgeblich daran beteiligt und müssen auch Maßnahmen setzen. Allein China produziert absolut gesehen doppelt so viel CO2 wie die USA und verursacht 40 Prozent des Ausstoßes von Treibhausgas.

Die Probleme sind bekannt. Über 2 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zei­gen immer wieder sehr spektakulär und auch sehr intensiv auf, dass da gehandelt wer­den muss, und das heißt ganz einfach, neue Chancen in der Energieproduktion zu nut­zen und – ich sage das auch dazu – das Nein zur Atomkraft immer wieder deutlich zu forcieren.

Eine Enquete hier im Haus hat dieses Bekenntnis über die Parteien hinweg sehr klar dokumentiert, hat aber auch aufgezeigt, in welchem Spannungsfeld zur Industrie wir mitunter stehen, die natürlich mit Ängsten arbeitet und immer wieder die Frage der Energieversorgung und vor allem der Möglichkeit zur vollen Energieversorgung in den Raum stellt. Ich denke aber, Wettbewerbsfähigkeit ist viel stärker gegeben, wenn wir weiterhin diesen Weg beschreiten, Wertschöpfung in den Regionen schaffen, Geld, das wir im eigenen Land investieren können, auch hier verdienen und damit sehr deut­lich einer Klimaschutzpolitik Raum geben, die wir einfach unserer nächsten Genera­tion, unseren Kindern schuldig sind.

Wenn derzeit jährlich eine Fläche in der Größe von Deutschland durch verschiedenste Entwicklungen, sei es durch Dürre, durch Katastrophen oder durch Verbauung, verlo­ren geht, dann wissen wir, dass da Handlungsbedarf gegeben ist und keine Minute mehr verstreichen darf.

Die Ratifizierung dieses Übereinkommens, geschätzter Herr Minister, ist ein Meilen­stein unserer Politik und auch ein Meilenstein für zukünftige Entwicklungen. Das Motto kann nur sein: Global denken, lokal handeln! Wir stehen mit unserer Politik sehr klar für dieses Motto und sagen auch Ja zu dieser Umweltschutzpolitik. Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

10.52



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 38

Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. Ich erteile ihm dieses.

 


10.52.54

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kol­lege Ing. Pum hat es ja schon festgestellt: Der im Dezember 2015 beim Klimagipfel in Paris zustande gekommene Vertrag wurde in den Medien als Meilenstein und als histo­risches Ereignis gefeiert und der Tag, an dem er zustande kam, als einer bezeichnet, der in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Der französische Außenminister Laurent Fabius sprach damals sogar davon, dass der Klimavertrag ein großer Schritt für die ganze Menschheit sein werde. Fast unweigerlich muss man bei solchen Worten an Neil Armstrong und die erste Mondlandung denken. Es stellt sich jedoch die Frage, ob solche Lobgesänge berechtigt sind.

Fakt ist, dass es nun zum ersten Mal einen umfassenden Vertrag gibt, der alle bezie­hungsweise 196 Staaten der Welt zum Klimaschutz verpflichtet. Das ist doch etwas ganz Besonderes, denn das Kyoto-Protokoll von 1997 erlegte nur Industrieländern Zie­le auf. Dazu kam, dass die USA diesen Vertrag in weiterer Folge nicht ratifiziert haben und Kanada ausgestiegen ist.

Unter diesem Aspekt sind die Lobgesänge auf den in Paris zustande gekommenen Kli­mavertrag verständlich, denn er nimmt im Grunde genommen all diese Staaten in die Pflicht. Relativiert wird das Ganze jedoch wieder umgehend durch Meldungen, wie je­ne, dass das Jahr 2015 zu den wärmsten seit Beginn der von 1880 an durchgeführten Messungen gehört hat.

Laut Klimaforschern ist eine Erwärmung nicht mehr zu verhindern, weil die Menschheit bereits rund 2 000 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen hat, deren Wärmewir­kung sich noch nicht voll entfaltet hat.

Der Prozess der Klimaveränderung, der auch in Österreich stattfindet, ist für jeden, der so wie ich schon einige Lebensjahre auf dem Buckel hat, nachvollziehbar. Zuverlässige schneereiche Winter wie in meiner Kindheit gibt es heute nicht mehr, ebenso wenig die scharfe Abgrenzung der Jahreszeiten voneinander. Mit dieser klimatischen Verände­rung gehen andere unangenehme Phänomene einher, wie etwa die Zunahme von Bo­denerosionen und von Felsabbrüchen durch das Auftauen des Permafrosts sowie die Ge­fährdung beziehungsweise das Verschwinden von heimischen Tier- und Pflanzenarten.

Das Erschreckende daran ist, dass – wie bereits erwähnt – die Klimaerwärmung wei­tergehen wird, selbst dann, wenn, was ohnehin illusorisch ist, sämtlicher Ausstoß von Kohlendioxid gestoppt wird. Wir haben es gerade von meinem Vorredner gehört: Bei diesem Vertrag ausgenommen wurden ja zum Beispiel der Flugverkehr, der Schiffver­kehr und vieles andere. Wie kann man zum Beispiel Aluminium erzeugen, ohne fossile Energie einzusetzen? – Also wird es in Zukunft auch in diesen Bereichen noch viele Ausnahmen geben.

Dennoch oder gerade deswegen führt kein Weg daran vorbei, so rasch wie möglich auf eine kohlenstofffreie Wirtschaft umzustellen, am besten und im Grunde genommen so­fort.

Europa wäre von seinem Know-how her prädestiniert dafür, da eine Vorreiterrolle ein­zunehmen. Österreich, das ja beinahe ein Weltmeister bei der Mülltrennung ist, könnte dabei auch eine Führungsrolle bekommen.

Die erste Reaktion der EU-Kommission auf den Weltklimavertrag lässt allerdings keine beziehungsweise nicht so große Hoffnungen aufkommen. Die EU räumt zwar ein, dass der CO2-Ausstoß eigentlich strenger beschränkt werden müsste, beharrt aber dennoch


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 39

auf den alten EU-Klimazielen, die Klimaerwärmung auf höchstens 2 Grad Celsius zu beschränken, während das Übereinkommen von Paris einen Stopp bei einer Erwär­mung von 1,5°Grad Celsius vorsieht. Es stellt sich allerdings ohnedies die Frage, ob die EU aufgrund der gelebten Philosophie des Wirtschaftens – so ist etwa der freie Wa­renverkehr unantastbar – dazu imstande ist, Klimaschutzweltmeister zu werden.

Die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängen, lauten: Müsste im Sinne des Umwelt- und des Klimaschutzes nicht nachhaltiges, ressourcenschonendes Wirt­schaften die oberste Prämisse darstellen und zum Beispiel das Herumführen von Wa­ren in ganz Europa obsolet machen? Müssten nicht eigentlich Verträge wie TTIP oder CETA zuallererst auf ihre Klimaschutztauglichkeit überprüft werden?

Wirtschaft wäre, nimmt man Umwelt- und Klimaschutz wirklich ernst, in vielen Berei­chen radikal anders zu sehen, und damit ist nicht bloß der Ausbau der Produktion so­wie des Betriebs von Sonnenkollektoren, Elektroautos und Windrädern gemeint.

Im Umweltausschuss hat meine Kollegin Blatnik in die Runde hinein gefragt, ob man den Menschen nicht gerade aufgrund dessen, dass in Zukunft wohl nicht alle Klima­ziele umsetzbar sind, erklären kann, wie und was man dazu beitragen kann. Mallnitz, eine Nationalparkgemeinde in den Hohen Tauern, deren Bürgermeister ich bin, ist schon lange Mitglied beim Klima-Bündnis und versucht, das zu leben. Wir haben in Mallnitz die erste Klimaschule Österreichs gegründet, eröffnet von unserem damaligen Bundespräsidenten Fischer, und wir haben auch die erste Wasserschule Österreichs gegründet, in Zusammenarbeit mit Swarovski, die nicht nur in der Schule in Mallnitz in Kärnten, sondern weltweit agieren, um den Kindern und Erwachsenen zu erklären, was die Ressource Wasser, dieser wertvolle Rohstoff, für uns im Leben bedeutet.

Ich glaube, dass wir uns in Österreich oft über die Qualität und über die Verfügbarkeit des Wassers keine Gedanken machen. Ganz anders ist die Situation ja, wie wir wis­sen, weltweit. Von 7,4 Milliarden Menschen haben 783 Millionen keinen Zugang zu sau­berem Trinkwasser.

Wer weiß denn schon, wenn wir vom blauen Planeten reden, dass von dem Wasser­massen auf der Erde rund 97,5 Prozent Salzwasser sind und nur 2,5 Prozent Süßwas­ser, und davon sind noch zwei Drittel im Polareis gebunden. Die Ressource Wasser wird also in Zukunft eine wesentliche Rolle in unserem Leben spielen, und wir alle wis­sen, dass es Kriege auf dieser Welt schon wegen kleinerer Dinge gegeben hat.

Ich habe da noch einen Bericht über Österreich, und darüber müssen wir uns, glaube ich, auch Gedanken machen. Wir müssen feststellen, dass jeden Tag Flächen in einer Größenordnung von 31 Fußballfeldern verbaut werden. Unser Land ist mittlerweile Eu­ropameister im Zubetonieren und Zerstören von fruchtbaren Böden, und schon jetzt gibt es nicht mehr genügend Äcker, um alle Bürger im Notfall mit Lebensmitteln zu ver­sorgen. Auch darüber müssen wir uns Gedanken machen. Das alles sollte mit einflie­ßen, um Menschen darauf hinzuweisen oder auch zu schulen, in der Zukunft anders zu denken und anders zu handeln.

Dieses Abkommen ist nicht der Schlusspunkt der internationalen Klimabemühungen, sondern es ist erst der Beginn. Rechtlich verpflichtet der Vertrag zu keiner einzigen Tonne Emissionsreduktion, außer man ratifiziert ihn. Die Zusagen basieren auf Freiwil­ligkeit, Verweigerern drohen keine Konsequenzen. Ein Regierungswechsel in Amerika könnte zum Beispiel die Republikaner an die Macht bringen, diese haben zu diesem Thema überhaupt keine Einstellung. Amerika und China zusammen produzieren 40 Pro­zent des CO2-Ausstoßes – wenn die nicht dabei sind, haben wir ja so oder so schon das größte Problem.

Das heißt, die Kruste, die sich über der internationalen Klimapolitik gebildet hat, ist erst einmal aufgebrochen. Auftrieb und Optimismus sind im Grunde genommen wieder spür-


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bar. Nun liegt es an uns, an den Staaten und damit an uns allen, zu beweisen, dass dieser Optimismus zu Recht besteht. Die Voraussetzungen dafür waren nie besser als jetzt.

Meine Damen und Herren, der Weg ist das Ziel – das ist heute hier auch schon gesagt worden –, und unsere Kinder und Kindeskinder werden uns daran messen, was wir in dieser Zeit dafür an Taten gesetzt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundes­räten von FPÖ und Grünen.)

11.02


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dörfler zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


11.03.07

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst vor zwei Tagen konnten wir lesen: „Naturkatastrophen kosten 63 Milliarden Euro“. Die Münchener Rück hat die Umwelt­auswirkungen und Katastrophenschäden im ersten Halbjahr ermittelt. Den größten Schaden hat ein Erdbeben auf einer südjapanischen Insel verursacht. Allein dieses Erdbeben hat bei Zulieferern von Autoherstellern und Handyerzeugern einen wirt­schaftlichen Schaden von 22,5 Milliarden € verursacht.

Die meisten Einzelschäden sind durch El Niño entstanden; durch die Erwärmung des Südpazifik sind laut dieser Studie in den USA und Europa im ersten Halbjahr Gesamt­schäden von 18 Milliarden € entstanden, in Texas und in den angrenzenden Staaten 11,1 Milliarden €. Der Gesamtschaden durch Unwetter in Europa im Mai und Juni be­trägt 5,4 Milliarden €. Das sind Dimensionen, die eigentlich unfassbar sind, wenn man allein in einem Halbjahr die Auswirkungen der Klima- und Naturkatastrophen misst.

Weltweit sind damit im ersten Halbjahr 2015 Schäden von 63 Milliarden € entstanden, im Vorjahr waren es 53 Milliarden €. Es gab allerdings im langjährigen Durchschnitt Schäden von 83 Milliarden € pro Halbjahr. Die Zahl der Todesopfer ist laut dieser Stu­die von 21 000 auf 3 800 in diesem Halbjahr gesunken.

Eine interessante Publikation, die Sie alle erhalten haben, Pars pro Toto – ein Teil für das Ganze, heißt das sinngemäß auf Deutsch übersetzt –, behandelt auch ganz inter­essante Umweltthemen – die Hitliste der Umweltchemikalien zum Beispiel, und da sind wir relativ schnell bei der Auswirkung, was zum Beispiel im Bereich der Lebensmit­telproduktion möglich ist: dass allein die Sicherstellung der Haltbarkeit der Lebensmittel mit Chemie ein Riesenproblem ist und Auswirkungen auf den Menschen hat. Wir alle sind täglich davon betroffen, können das aber in Wirklichkeit nicht messen.

Österreichische Studien sollen auch eine Grundlage dafür schaffen, was in Zukunft hin­sichtlich Geschäftemacherei mit Lebensmitteln strikt verboten sein sollte. Wir vergiften uns ja in Wirklichkeit täglich. Meiner Meinung nach sind Klimaschutz, Umweltschutz, Naturschutz, Menschenschutz und Tierschutz ein solch komplexer Bereich, dass wir all diese Themen, diese interessanten Publikationen entsprechend ernst nehmen sollten.

Es gibt in dieser Publikation zum Beispiel auch einen Abschnitt zum Thema: Reich werden mit Umweltpolitik. Da wird festgehalten, dass in Wirklichkeit heutiger Kapital­einsatz für die Umwelt Verbesserungen für morgen bringen soll. Die Frage wird aller­dings sein, ob im globalen Wirtschaftswettbewerb Cash stärker ist als Klima und Um­welt. Schauen wir uns die Entwicklung allein der Landwirtschaft und Lebensmittelpro­duktion an! – ich habe versucht, da einmal ein Bild zu zeichnen.

Schauen wir uns doch die Agrarindustrie an; nicht die österreichische und nicht die Landwirtschaft im zentraleuropäischen Alpenraum – Schweiz, Österreich, Oberitalien, Bayern –, das ist noch eine vorbildliche Landwirtschaft. Schauen wir uns die große In-


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dustrie weltweit an, die unseren Bauern täglich das Leben schwer macht und letztend­lich dafür verantwortlich ist, dass die Welt täglich großflächiger Belastung ausgesetzt ist: Düngung, Chemie, sogenannter Pflanzenschutz, Bodenerosion, Abholzung, Rodung für Soja und Palmöl. Es ist ja spannend, wenn wir dann Soja nach Europa importieren, um es an unsere Tieren zu verfüttern, an unsere Kühe, damit sie Hochleistungskühe werden und letztendlich den Bauernstand im Alpenraum damit konkurrenzieren und ihm die Lebensgrundlage entziehen. Damit tauchen sogenannte Lebensmittel in den Handelsketten auf, die zuerst eine Abholzung des Urwalds verursachen und dann die Verkehrsbelastung, die durch diese transatlantischen Ernährungsprozesse entsteht.

Da muss man den Menschen auch die Wahrheit sagen: Du kannst bei dir selbst an­fangen! Schau, was am Packerl draufsteht, und schau, woher es kommt! – Das wird die Aufgabe sein!

Der Klimavertrag von Paris ist eine schöne Absichtserklärung. Ich darf festhalten, dass es keine Sanktionen gibt. Das kommt mir so vor, wie wenn mich ein Polizist aufhält und mir erklärt, dass ich gerade mit 120 km/h durch das Ortsgebiet gefahren bin, und sich dafür vielleicht auch noch bedankt. Es gibt keine Sanktionen. Ein Vertrag ohne Sank­tionen ist ein schönes Papier, und daran wird es zu messen sein.

Wir Österreicher, Herr Umweltminister, bemühen uns alle. Ich glaube, das ist eine Querschnittsmaterie, bei der man sagen kann, dass es jedenfalls klar ist, dass bei den Österreichern ein sehr hohes Bewusstsein für Umwelt, Naturschutz und gesunde Le­bensweise vorhanden ist und dass die Politik grundsätzlich versucht, da, so gut es geht, vorbildlich zu sein.

Schauen wir uns noch TTIP und CETA an, das soll ja das Ganze verstärken. Trans­atlantische Lebensmittelverkehre mit Lebensmitteln, die man nicht als solche bezeich­nen kann, sind für mich eigentlich überhaupt keine Option. Man müsste sich eher ein­mal darüber Gedanken machen, dass es Verträge gibt, dass diese gar nicht mehr nach Europa kommen, schon gar nicht nach Österreich. Das wäre in Wirklichkeit eine Politik für die Zukunft, eine Zukunftsumwelt-, -klimaschutz- und -gesundheitspolitik.

Schauen wir uns die Nahrungsmittelmultis an: Ich habe schon gesagt, dass Konservie­rungsstoffe in dieser Publikation ein Riesenthema sind. Man weiß heute, dass bereits in Babynahrung Geschmacksstoffe enthalten sind, dass Kinder quasi süchtig gemacht werden – ich muss wirklich so sagen: süchtig gemacht werden –; sie nehmen sozusa­gen von Geschmacksstoffen beeinflusste Babynahrung zu sich und keine gesunden Lebensmittel. Man muss heute in Kindergärten und Schulen versuchen, den Kindern wieder beizubringen, dass Salat etwas Gesundes ist, dass er nicht nur grün ist. Das ist eine Entwicklung, die schärfstens abzulehnen ist. Jede Mutter muss wissen, dass sie ihr Kind, wenn sie ihm quasi täglich Babynahrung verabreicht, sozusagen einer Art Suchtverhalten ausliefert.

Weitere Themen sind Zuckerersatz, Transportkosten und seine Folgen und so weiter. Das heißt, es gibt da auf der einen Seite klare Absichtserklärungen, und auf der ande­ren Seite machen wir täglich genau das Gegenteil davon, Herr Bundesminister. Das Thema TTIP wird ja jetzt hier im Hause, im Parlament, von den meisten politischen Akteuren – nicht von allen, würde ich einmal sagen – mit großer Vorsicht behandelt. Das ist ein Vertrag, der so nicht verhandelbar ist. Da braucht man nicht einerseits zu jubeln, dass man Klimaschutz in Paris zustande bringt, wenn man auf der anderen Sei­te mit TTIP genau das Gegenteil von dem macht. Wir beschleunigen ja die Probleme täglich noch, anstatt sie zu lösen.

Von der Meeresverschmutzung will ich gar nicht reden, von der Überfischung will ich gar nicht reden, von den Plastikabfällen will ich gar nicht reden, vom Industriemüll welt­weit will ich gar nicht reden.


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Solange der Wettbewerb mit den Mitteln und Muskeln des Kapitals auf dem Rücken der Umwelt ausgetragen wird, schaue ich mir an, wie China diesen Vertrag erfüllen wird, wie die Amerikaner diesen Vertrag erfüllen werden und auch Indien. Ich war zwei Wochen in Indien, ich weiß, was es heißt, zwei Tage davon in Delhi zu verbringen: Das ist eine Lebensumgebung, die für uns eigentlich nicht auszuhalten ist. Das heißt, wenn allein Delhi, einer der größten Emittenten, sich den Umweltstandards von Wien annä­hern würde, dann hätten wir wahrscheinlich schon eines der größten Problemfelder an­gegangen; diese Massenstädte sind letztendlich ein riesengroßes Problem.

Schauen wir uns die nächste Umgebung an! Stichwort: Atomkraft. – Die EU-Kommis­sion redet von der weiteren Nutzung der Atomkraft, während Österreich dagegen ist. Wir Österreicher haben eine leidvolle Erfahrung damit gemacht: zuerst wurde ein Atom­kraftwerk gebaut und dann nach einer Volksabstimmung nicht aufgesperrt; das ist ein­malig in der Energiegeschichte des ganzen Globus. Faktum ist, Österreich hat sich – die Bevölkerung, nicht die Politik, das muss man fairerweise dazusagen – damals ganz klug gegen einen sonst durchaus großen Bruno Kreisky gestellt und in dieser Abstim­mung Nein zur Atomkraft gesagt. Gleichzeitig gibt es in der Nachbarschaft, 70 Kilome­ter von der österreichischen Grenze entfernt, nach wie vor das Kraftwerk Krško. Das Kraftwerk Krško, auf einer Erdbebenlinie gelegen, für 40 Jahre Betriebsdauer ausge­legt, hat jetzt eine Betriebsdauerverlängerung von 21 Jahren bis 2043 erhalten; 2021 hätte es geschlossen werden sollen.

Vor einigen Tagen hat ein chinesischer Diplomat gemeint, dass die Entscheidung des internationalen Schiedsgerichtshofes in Den Haag, in der es um den Streit um die In­selgruppen im Südchinesischen Meer geht – wörtliches Zitat –, „nur ein Stück Schmier­papier“ ist. – Da fragt man sich schon: Wird China dieses globale Klimaabkommen auch als solches bezeichnen?

Wir Österreicher sollten uns weiterhin auf die Straße der Umwelt begeben. Dazu, Herr Bundesminister, wird aber auch gehören, dass wir – in Österreich ganz gut, in Europa zu wenig und global überhaupt nicht – die Menschen mit auf die Reise nehmen. Was heißt das für die Mobilität? Wird es den individuellen Massenverkehr der heutigen Zeit in 20 Jahren noch geben? – Das müssen wir den Menschen dann sagen.

Wird es eine Industrieproduktion noch geben? Wenn Voest-General Eder sagt, dass er in den USA massiv investiert – erfreulicherweise spricht er jetzt aber auch davon, in Österreich, in der Steiermark doch wieder eine große Investition zu täten –, dann müs­sen wir uns auch die Frage stellen, ob einmal mehr das Kapital und die Gier der In­dustrie so groß sind, dass es dort, wo die Umwelt eine Rolle spielt, keine Industrie mehr gibt. Dass wir ohne Industrie keine Zukunft haben, muss aber wohl auch klar sein.

Wir sollten unsere Schuhe selbst produzieren, wir sollten nicht Straßenrandsteine aus China verbauen; auf österreichischen Straßen werden Straßenrandsteine aus China verbaut. Ich meine, wir müssen auch da unser Konsumverhalten ändern, und da hätte die öffentliche Hand eine gute Beispielswirkung. Bei Ausschreibungen in Österreich sind derartige Produkte auszuklammern. Man kann den Faktor Umwelt in einer Aus­schreibung so bewerten, dass diese Produkte überhaupt ausgeschlossen werden. Denn: Steine aus China beim österreichischen und europäischen Straßenbau zu verwenden, ist, wenn man bedenkt, welche langen Transportwege man da hat, ein Hohn für die heimische Industrie, für den heimischen Arbeitsmarkt und letztlich auch für den Um­weltschutz.

Deshalb, Herr Bundesminister, sehen wir diese Absichtserklärung, dieses „Stück Schmier­papier“, wie es die Chinesen unter Umständen bezeichnen – ich nicht; ich zitiere einen chinesischen Diplomaten –, diese Absichtserklärung ohne jegliche Sanktionen kritisch. Ich darf schon festhalten, dass es bei den Verpflichtungen unter Art. 4 Abs. 2 – wörtli­ches Zitat – heißt: „Jede Vertragspartei erarbeitet, übermittelt und behält aufeinander-


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folgende national festgelegte Beiträge bei, die sie zu erreichen beabsichtigt.“ – Wir be­absichtigen etwas, und wir können alles kündigen – und daher sehen wir das kritisch.

Wir können im guten Glauben davon ausgehen, dass Österreich weiter auf vernünftige Umweltpolitik setzt – da ist auch noch viel zu tun –, Europa sich dem anschließt und China, Amerika und Indien diesen Vertrag ernst nehmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.13


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


11.14.07

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen hier im Saal und zu Hause! Der Weltklimavertrag ist ein Meilenstein in der Geschichte. Erstmals hat sich die Staaten­gemeinschaft gemeinsam dazu entschlossen, den Klimawandel zu stoppen, und darü­ber sind wir Grüne natürlich sehr, sehr glücklich.

Die Ziele des Abkommen sind – mich wundert, dass ich als Viertrednerin das jetzt vor­lesen darf; ich dachte, das werde ich sicher streichen müssen –: die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad; das ehest­mögliche Sinken der globalen Treibhausgasemissionen hin zu einer Netto-Null-Emis­sion ab Mitte des Jahrhunderts, also ab 2050; die Meldepflicht, nationale Berichtspflicht von national festgelegten Beiträgen zur Erreichung der Ziele; und natürlich auch die Fi­nanzierung von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern, die diese Maßnahmen nicht selbst treffen können.

Der Weg geht also von fossilen Energien hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien ab 2050, und das muss natürlich auch unser Ziel hier in Österreich sein.

Herrn Dörfler, meinen Vorredner von der FPÖ, habe ich nicht ganz verstanden. Er hat fast 10 Minuten lang darüber aufgeklärt, was alles nicht funktioniere, wie schlecht alles sei, und lehnt das dann mit der Begründung: Wenn es nicht alle perfekt machen, dann machen wir es auch nicht!, ab. (Bundesrat Dörfler: Nein, das habe ich nicht gesagt! – Bundesrat Samt: Nicht zugehört, Frau Kollegin! Nicht zugehört!) Diesen Gedanken­gang finde ich einfach ganz schlecht. Genau dann müssen wir mit gutem Beispiel vo­rangehen und uns dafür einsetzen, alle anderen mitzureißen.

Um auf die Ratifizierung in Österreich selbst näher einzugehen, werden wir anschlie­ßend in der Debatte zu TOP 1 genug Zeit haben. Das Thema der Aktuellen Stunde ist: „Weltklimavertrag Paris: Umsetzung in Europa und Österreich“.

Um die Umsetzung und die Dringlichkeit der Umsetzung besser beschreiben zu kön­nen, möchte ich gerne einen Schwenk zum Status quo in Österreich machen.

Es gibt den IPCC, den Weltklimarat, der den Weltklimabericht erstellt, in dem der Stand aller wissenschaftlichen Forschungen der verschiedenen Disziplinen zusammengefasst ist, um für die politischen Entscheidungsträger Grundlagen bereitzustellen; das sind im Endeffekt auch die Grundlagen für den jetzigen Weltklimavertrag.

Was dieser Weltklimabericht für die ganze Welt ist, ist der „Österreichische Sach­standsbericht Klimawandel“ heruntergebrochen auf Österreich. Dieser wurde in den Jahren 2010 bis 2014 erstellt, ist vor eineinhalb Jahren veröffentlich worden, und es war zum Beispiel die bekannte österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb maß­geblich daran beteiligt. In drei Bänden auf über 1 000 Seiten beschäftigt sich dieser ös­terreichische Klimabericht mit den Ursachen und den Ausprägungen des Klimawandels in Österreich, mit den Einflüssen des Klimawandels auf Mensch, Gesellschaft und Um­welt und zeigt dabei auch Vermeidungsstrategien und Anpassungsmöglichkeiten auf,


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weil nämlich die Auswirkungen des Klimawandels gerade in Österreich durch die Topo­grafie, vor allem im Alpenraum, besonders gravierend sind.

In den letzten 130 Jahren ist die Temperatur in Österreich um fast zwei Grad angestie­gen – also deutlich über dem Weltdurchschnitt –, davon ein Grad in den Jahren seit 1980, das ist doppelt so viel wie der Weltdurchschnitt. In den nächsten Jahren wird die Temperatur in Österreich weiter ansteigen, bis 2050 wird mit einem weiteren Anstieg von 1,4 Grad gerechnet. Und an diesem Wert können wir schon gar nicht mehr rütteln, weil die Treibhausgase, die jetzt schon in der Atmosphäre sind, sehr, sehr langlebig sind. Gerade deshalb müssen wir uns extrem darum bemühen, den Klimawandel in Österreich mehr und vehementer einzudämmen, denn das, was wir jetzt tun, entschei­det maßgeblich darüber, wie sich dieser Temperaturanstieg dann auch weiterentwickelt.

Die Auswirkungen sind österreichweit sehr unterschiedlich. Dass alle Gletscher in Ös­terreich deutlich an Fläche und Volumen verlieren, brauche ich nicht mehr zu sagen; ich denke, das weiß mittlerweile jedes Schulkind. Die Niederschläge werden in den jetzt schon sehr trockenen Regionen in Ostösterreich noch weiter abnehmen, da wird ganz besonders unter der Trockenheit gelitten werden. Im Gebirge gibt es mehr Nie­derschlag; in den letzten 150 Jahren hat es schon ein Plus von fast 15 Prozent gege­ben, und es wird auch weiterhin noch ansteigen. In Tirol, bei mir zu Hause, zum Bei­spiel, wird es mehr Niederschlag im Winter geben, allerdings mehr Niederschlag in Form von Regen und weniger in Form von Schnee. Es wird trockenere Sommer geben, Hitzewellen wie vergangenen Sommer oder im Sommer 2013 werden immer häufiger werden.

Die ganz großen Auswirkungen – ich bin jetzt schon bei dem Punkt, was das direkt für uns bedeutet – werden wir vor der Haustür spüren, zum Beispiel im Tourismus. Im Som­mer wird es immer weniger regnen und wärmer werden, der Sommertourismus wird vor allem im Alpenraum also deutlich an Bedeutung gewinnen. Es wird auch im Mittel­meerraum immer wärmer, die Alpen werden ein immer attraktiveres Sommerurlaubs­ziel.

Ganz anders schaut es natürlich beim Wintertourismus aus: Die Schneesicherheit sinkt, die Schneefallgrenze wird in niedrigen Lagen immer noch weiter steigen, die Dauer der Schneebedeckung wird sinken, und das Wettrüsten der Schneekanonen bei den Talabfahrten, die dann immer öfter nicht befahrbar sein werden, nützt dann auch nichts mehr. Das sind einfach die Punkte, wo wir jetzt schon ein Umdenken brauchen.

Es wird vermehrt Muren, Hangrutsche, Steinschlag geben, wie es sie gerade in der vergangenen Woche gab. Das verursacht höhere Kosten für Sicherheit und Infrastruk­tur – die Klimawandelanpassungskosten, von denen wir schon viel gehört haben.

In den Hochwasserschutz wird vermehrt investiert werden müssen. Die Retentionsflä­chen werden immer mehr an Bedeutung gewinnen und die Städte und Dörfer in Öster­reich immer öfter vor Überflutungen schützen müssen.

Bei uns in Tirol wird die Landwirtschaft aus der Klimaerwärmung vielleicht einige Vor­teile ziehen können, im Osten steht sie durch die Trockenheit aber vor einer riesigen Herausforderung, dort wird es für die Landwirtschaft durch den Klimawandel zu einer ganz gravierenden Verschlechterung kommen.

So, jetzt habe ich wirklich weit ausgeholt, aber das ist meiner Meinung nach einfach wichtig, um noch mehr auf die Dringlichkeit der Umsetzung zu pochen. Die Auswir­kungen des Klimawandels werden bei uns in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu spüren sein. Deswegen ist es auch so wichtig, dass der weitere Anstieg der Temperatur durch die Emission von Treibhausgasen unbedingt – und zwar so schnell wie möglich – eingedämmt wird.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 45

Im Ausschuss sind die nächsten Schritte diskutiert worden. Was wird nun, nach der Ratifizierung des Weltklimavertrags, als Nächstes geschehen? – Vor Kurzem gab es eine Enquete zum Klimawandel, im Herbst startet ein öffentlicher Beteiligungsprozess, ein Stakeholder-Prozess. Münden soll das in einem Weißbuch mit einer österreichi­schen Strategie im ersten Halbjahr 2017. Frühestens im Herbst 2017 werden wir damit beginnen, Maßnahmen zu setzen und Projekte durchzuführen – das heißt, da sind dann seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens im Dezember 2015 schon zwei Jah­re vergangen, und das ist einfach nicht früh genug!

Jedes Jahr, das wir jetzt verlieren, jede Maßnahme, die wir jetzt nicht setzen, wird uns künftig noch mehr kosten, und zwar im Faktor eins zu zehn. Jede Maßnahme, alles, was wir jetzt umsetzen können, wird uns zehnmal billiger kommen als die Anpassungs­maßnahme. Das heißt zum Beispiel: Den globalen Temperaturanstieg um nur 0,1 Grad niedriger zu halten kommt uns zehnmal billiger, als die Folgekosten abzufedern.

Was hat es stattdessen gegeben? – Es hat Budgetkürzungen bei der Umweltförderung und beim Klimafonds gegeben. Es hat Kürzungen bei der Bundesförderung für die thermische Gebäudesanierung gegeben, was gerade jetzt einfach absurd ist, dies müsste in einem ersten Schritt bereits zurückgenommen werden. Es sind im österrei­chischen Klimaschutzbericht, vor allem aber in der Klimaschutz-Enquete, die jetzt gera­de, vor zwei, drei Wochen stattgefunden hat, Sofortmaßnahmen genannt worden, über die man nicht diskutieren muss, denn: Die beste Zeit, zu handeln, ist jetzt!

Das rote Licht hier am Rednerpult blinkt schon, ich werde jetzt nur mehr einige der Punkte aufzählen, die einfach sofort umgesetzt werden müssten. Der erste Punkt be­trifft die Transporte, und da braucht es, wie wir schon lange immer wieder hören, end­lich Kostenwahrheit. Die fossile Energie, die CO2-Emissionen müssen für den Verkehr, für Transporte, für die Industrie einfach in dem Maße verteuert werden, in dem sie sich auch auf das Klima schädlich auswirken und von der Allgemeinheit dann Folgekosten getragen werden müssen.

Das gesamte Klimaschutzgesetz muss novelliert werden. Dabei sollten die Dekarboni­sierungsziele für das Jahr 2050 und die Pfade in Richtung der EU-2030-Ziele ordent­lich verankert werden.

Es braucht eine Neuauflage der Verordnung zur Umsetzung des Energieeffizienzge­setzes, eine Novellierung des Ökostromgesetzes, einen massiven Ausbau des öffentli­chen Verkehrs, ein zusätzliches Zug- und Busangebot. Doch wovon ist gerade in Be­zug auf dieses zusätzliche Angebot immer die Rede? – Wir diskutieren hier in der Län­derkammer immer wieder die Tatsache, dass gerade in den peripheren Regionen der öffentliche Verkehr eingestellt wird, zurückgebaut wird. Genau das Gegenteil sollte der Fall sein! Wir müssen stärker auf die Elektrifizierung setzen, wir müssen das in allen Regionen ausbauen. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

Wir brauchen einen Aktionsplan 2015 bis 2020 für den Biolandbau zur Verdoppelung der Biolandwirtschaft in Österreich. Gerade während der jetzigen Milchkrise müssen wir verstärkt auf die Qualität und nicht auf die Quantität setzen, und dadurch haben wir auch wieder positive Effekte in Bezug auf den Klimaschutz in Österreich. Auch bei der Ressourcenschonung wäre sehr viel möglich.

Sie sehen, zur Umsetzung in Österreich gibt es irrsinnig viel zu tun. Gehen wir es an! Starten wir jetzt, die beste Zeit, etwas zu tun, ist jetzt! Ich bin mir sicher, dass uns das auch gelingt, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

11.24


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Bundesmi­nister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Herr Dipl.-Ing. Rupp-


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rechter, zu Wort gemeldet. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.25.06

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bedanke mich, dass wir zu diesem sehr aktuellen Thema heute die Aktuelle Stunde abhalten kön­nen, anlässlich der Ratifizierung des Pariser Weltklimaabkommens, das vor Weihnach­ten im Rahmen der COP 21 ausverhandelt und mittlerweile auch von 178 Staaten die­ser Welt unterzeichnet worden ist. Ich denke, wir diskutieren heute hier also eine sehr aktuelle Thematik.

Der Kampf gegen den Klimawandel ist äußerst aktuell. Klimawandel findet statt, das sehen wir gerade heute in diesen Stunden. Dadurch, dass es wieder Starkregenereig­nisse mit massiven Vermurungen in den Gebirgsregionen unseres schönen Landes ge­geben hat, zeigt sich, dass wir heute mit Wetterphänomenen konfrontiert sind, die es in der Vergangenheit in der Art bei uns nicht gegeben hat. Das ist eine unmittelbare Aus­wirkung des Klimawandels, der Klimaerwärmung.

Wer, und das wurde schon zitiert, eine wissenschaftliche Grundlage hiefür sucht, dem kann ich nur den „Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel 2014“ der österrei­chischen Umweltexperten und Klimaschutzexperten empfehlen: 240 Wissenschaftler in Österreich haben da im September 2014 mit der gleichen Stimme gesprochen und uns diesen sehr aktuellen Sachstandsbericht vorgelegt – das ist sehr beeindruckend.

Klimawandel findet statt, und die Alpenregion, das wurde auch vorhin gerade erwähnt, ist ganz besonders von den Auswirkungen betroffen, weil eben der Alpenraum ein öko­logisch sehr sensibler Raum ist und den Schwankungen des Klimas extrem ausgesetzt ist. Dadurch kommt es auch zu entsprechendem Ausschlagen der Messwerte.

Für diejenigen, die diesen Sachstandsbericht gelesen und sich auch mit den globalen Auswirkungen beschäftigt haben, ist klar: Nichtstun ist keine Option. Auch die viel be­achtete Enzyklika „Laudato Si’“ von Papst Franziskus, die vor dieser globalen Heraus­forderung auch in sozialer Hinsicht die Solidarität der internationalen Staatengemein­schaft einmahnt, fordert uns auf, hier Schritte – und zwar nachhaltige Schritte – zu set­zen, um dem Weltklimawandel entgegenzutreten. Ich denke, das ist gerade vor dem Hintergrund der Schöpfungsverantwortung ein klarer Auftrag und eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Heute sind etwa 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt unterwegs, ein großer Teil davon sind auch Klimaflüchtlinge. Wenn uns die Prognosen bis 2050 für den Fall des Nichts­tuns zeigen, dass bis 2050 weltweit die Zahl der Flüchtlinge auf ein Zehnfaches steigen wird – ein Großteil davon Klimaflüchtlinge –, dann ist klar, dass etwas zu tun ist.

Umso wichtiger war es eben, dass wir bei der COP 21 die Einigung von 195 Staaten dieser Welt und der Europäischen Union als Staatengemeinschaft erreicht haben. Da wurde ein Durchbruch erzielt. Die Europäische Union war in diesen Verhandlungen sehr aktiv, war Vorreiter in vielen Fragen. Ich durfte für die Umweltminister der Europäi­schen Union auch einen Teil dieser Verhandlungen selbst mit führen, und die Europäi­sche Union hat in der Koalition der ambitionierten Staaten ganz maßgeblich dazu bei­getragen, dass dieser Weltklimavertrag zustande gekommen ist.

Dieser Vertrag bezieht als erstes globales Abkommen, in der historischen Dimension, auch die großen Emittenten dieser Welt mit ein, etwa die USA und China, die ja einen Großteil der weltweiten Emissionen an Treibhausgasen verursachen, oder auch die großen Schwellenländer, die auch mit Verpflichtungen in diesen Weltklimavertrag ein­steigen.


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Ich denke daher schon, dass die Bezeichnung dieses Abkommens als historisch richtig ist. Wahrscheinlich ist die Ratifizierung, die wir im Nationalrat letzte Woche diskutiert und mehrheitlich beschlossen haben, das wichtigste legislative Gesetzeswerk in dieser Legislaturperiode. Das möchte ich in dieser Form klar feststellen.

Ich bin sehr froh darüber, dass heute bereits 178 Staaten der Welt das Abkommen unterzeichnet haben. Ich durfte für die Republik Österreich am 22. April in New York die Unterschrift unter dieses Abkommen setzen, ich freue mich darüber und ich bin stolz auf Österreich und darauf, dass wir heute als drittes EU-Mitgliedsland die Ratifi­zierung besiegeln werden. Ich sehe das schon als ein Zeichen, dass wir die Verant­wortung klar übernommen haben.

Auch die Europäische Union ist sich dieser Dimension bewusst, und wir haben beim Umweltministerrat im Juni in Luxemburg einen Beschluss der Umweltminister aller 28 EU-Mitgliedstaaten gefasst, dass die Europäische Union ebenfalls sehr rasch den Ratifikationsprozess starten soll und noch im Herbst dieses Jahres dazu auf europäi­scher Ebene ein Beschluss zustande kommen soll. Die diesbezüglichen Vorschläge der Europäischen Kommission liegen auch bereits vor.

Die Dekarbonisierung unserer Energiesysteme, unserer Mobilitätssysteme, unserer Wirt­schaft de facto bis zur Mitte des Jahrhunderts ist das klare Ziel, das ist das Gebot der Stunde, um möglichst nahe am Ziel der 1,5-Grad-Erwärmung zu bleiben und eben nicht, wie dies bei Nichtstun der Fall wäre, eine Welterwärmung von vier Grad zu akzeptieren.

Die globale Energiewende ist das Gebot der Stunde, und ich greife gerne, Frau Bun­desrätin Schreyer, die Notwendigkeit rascher Maßnahmen auf. Ich denke, es ist gut und richtig, dass wir diesen Prozess der integrierten Klima- und Energiestrategie sehr breit aufgestellt haben, mit einem Konsultationsprozess auf der Grundlage des Grün­buches, das wir gemeinsam erarbeitet haben – vier Ministerien: das Umweltressort, das Ressort für Wirtschaft und Energie, das Verkehrsministerium und auch das So­zialministerium. Das stellt die Grundlage für die Erstellung einer gemeinsamen, sehr breit und konsensual erarbeiteten Strategie dar.

Ich denke, das ist ein richtiger Prozess, aber – und ich habe das anlässlich der parla­mentarischen Enquete am 23. Juni auch schon vorgeschlagen, wir haben das auch rechtlich prüfen lassen –: Ein sofortiger Ausstieg aus der Raumwärme aus fossilen Energieträgern kann jetzt sofort umgesetzt werden, so wie in Dänemark, das ist ein sehr gutes Beispiel. Dazu lade ich die Bundesländer ein, die haben nämlich da die rechtliche Kompetenz. Ich lade daher Sie als Bundesräte und Bundesrätinnen dazu ein, gehen Sie in Ihren Bundesländern zu den entsprechenden verantwortlichen Klima­schutzreferenten – das ist bei Ihnen (in Richtung der Bundesrätin Schreyer) Landes­hauptmann-Stellvertreterin Felipe –, die können das jetzt schon umsetzen! Daher, wenn Sie für rasche Maßnahmen plädieren: Bitte setzen Sie das in den Bundesländern möglichst schnell um! Ich unterstütze die Bundesländer in dieser Frage mit aller Kraft.

Ich möchte abschließend festhalten und betonen, dass es uns sehr wichtig ist, dass dieser Konsultationsprozess sehr breit durchgeführt wird. Es ist bereits eine Onlinekon­sultation freigeschalten, und ich lade alle dazu ein, sich da möglichst aktiv zu beteili­gen, um einen Beitrag für eine langfristige Strategie, die letztlich eine Strategie der De­karbonisierung unseres Energie-, Mobilitäts- und Wirtschaftssystems sein muss und sein soll, zu leisten.

Ich bin überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist, der Weg in unsere Zukunft, ganz im Sinne des Denkens in Generationen und auch im Sinne dessen, dass damit Arbeitsplätze geschaffen werden, und zwar im Land selbst. Wir kaufen nach wie vor um bis zu 12 Milliarden € Energie aus dem Ausland, fossile Energieträger, die gleich­zeitig unsere Umwelt verschmutzen. Diese Wertschöpfung können wir mit erneuerba­ren Energieträgern im eigenen Land halten, mit Arbeitsplätzen, die im Land bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 48

Daher muss diese Energiewende hin zu erneuerbaren Energieträgern unser gemein­sames Ansinnen sein, um eben Wertschöpfung und Arbeitsplätze – grüne Arbeitsplät­ze, mit einer klimaeffizienten Industrie – in Österreich, in diesem lebenswerten Land, zu schaffen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen und bei Bundesräten der FPÖ.)

11.34


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit al­ler weiteren Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.35.13

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Paris ist bekannt als Ort für große Umbrüche, und epochal war auch die Entscheidung im Dezember 2015 in Paris, die Erderwärmung nachhaltig zu begrenzen.

Ich darf einen bekannten Aktivisten, nämlich den ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore, zitieren: Wir „haben es mit einem globalen Notfall zu tun. Die Erde hat jetzt Fieber. Und das Fieber steigt.“

Wenn wir diesen Vertrag von Paris ernst nehmen, dann können wir Al Gore sagen: Das Fieber steigt ab jetzt nicht mehr! – Da gibt es viel zu tun, und wir in Österreich sind seit Jahren führend im Bereich des Klimaschutzes, im Bereich der Energiewende. Mehr als 30 Prozent unserer Gesamtenergie sind momentan schon im Bereich der er­neuerbaren Energie angesiedelt, und bis 2020 soll es mehr als ein Drittel sein.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir uns die Zusammensetzung unseres Ge­samtenergiebedarfes ansehen, dann gehen 50 Prozent in die Wärme und Prozess­energie, 30 Prozent benötigen wir für die Mobilität und 20 Prozent für den Strombedarf in Österreich, wobei wir beim Strombedarf schon sehr weit sind: Fast 80 Prozent unse­res Stroms stammen bereits – natürlich aufgrund des hohen Anteils der Wasserkraft, aber auch aufgrund unserer Erfolge im Bereich der erneuerbaren Energien – aus nach­haltigerer Produktion. Im Bereich der Wärme und Prozessenergie stammen 15 Prozent aus erneuerbarer Energie, im Bereich der Mobilität sind es nur 8 Prozent. Damit sehen wir auch, wo wir entsprechend ansetzen können, wenn wir etwas ändern wollen – und wir müssen etwas ändern!

Geschätzte Damen und Herren! Im Strombereich gilt es natürlich neben der Wasser­kraft auch Windenergie auszubauen, verstärkt Biomasse zur Stromerzeugung einzu­setzen und bestehende Biogasanlagen abzusichern – dafür bedarf es auch einer Öko­stromgesetz-Novelle –, sowie natürlich den Ausbau von Photovoltaik weiter zu fördern. Ich bin stolz, dass mein Heimatbundesland Niederösterreich im vergangenen Jahr ver­melden konnte, dass bereits 100 Prozent des in Niederösterreich benötigten Stroms aus erneuerbarer Energie kommen.

Ich habe es bereits gesagt: Der Bereich Mobilität ist die größte Herausforderung. Wir müssen den Ausstieg aus den fossilen Treibstoffen vorantreiben. Es gilt, Mobilität neu zu denken, neue Energieformen einzusetzen und die Elektromobilität auszubauen. Es freut mich, dass Niederösterreich den Platz eins bei Elektroautos belegt: Seit heuer sind mehr als 2 000 Elektrofahrzeuge in Niederösterreich unterwegs.

Im Bereich der Wärme haben wir für die Biomasse Riesenchancen, weil Österreich ein Land ist, das mehr als 50 Prozent Waldanteil hat, und wir die Ressourcen unserer Wäl­der durchaus noch stärker nützen können. Wir können aber auch stolz darauf sein, dass seit dem Jahr 2000 jährlich mehr als 10 000 Biomasseheizanlagen installiert wer­den.


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Gleichzeitig bietet diese Energiewende natürlich auch – und der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen – Chancen für unsere Unternehmer, Chancen für unsere Kes­selhersteller. Ich möchte da ein Bespiel aus meinem Heimatbezirk anführen: Im ver­gangenen Jahr fand die Grundsteinlegung des Unternehmens DAS Energy statt, das leichtgewichtige, verformbare, verfärbbare Photovoltaikmodule herstellen will. Es gibt also Chancen für bereits bestehende grüne Jobs und Chancen für grüne Jobs, die neu geschaffen werden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dir ein herzliches Dankeschön und Gratulation da­für, dass du federführend bei den Verhandlungen dabei warst und dass wir als Re­publik Österreich eines der ersten Länder sind, die diesen Klimavertrag auch entspre­chend ratifizieren. Es zeigt sich, dass es eine gute Kombination ist, Landwirtschaft und Umwelt in einer Hand zu wissen.

Es gibt noch viel zu tun, gehen wir es an! Ich darf Papst Benedikt XVI. zitieren: „Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung.“ (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

11.40


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.40.34

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch liebe ZuseherInnen im Saal und außerhalb des Saals! Die Bedeutung und das Gewicht der Beschlüsse von Paris sind schon mehrmals betont worden, und ich muss geste­hen, recht viele Superlative sind mir auch nicht mehr eingefallen, deswegen lasse ich das auch. Nur so viel: Es nehmen 178 Staaten daran teil, sie haben Beiträge zur Re­duktion der Emissionen zu leisten, und die Beiträge werden sukzessive ambitionierter.

Die bisher vorgelegten Beiträge werden aber nicht ausreichen, um das Zwei-Grad-Ziel wirklich global erreichen zu können. Ich denke, uns allen ist noch gar nicht so klar, dass es eigentlich eine grundlegende und gesellschaftsverändernde Umwelt- und Kli­marevolution brauchen wird. Wenn wir die Ergebnisse von Paris und die Auswirkungen des Klimawandels wirklich ernst nehmen, dann muss uns klar sein, dass sie alle un­sere Lebensbereiche erfassen und umfassen und vor allem verändern werden müs­sen. Unsere Mobilität, der Verkehr – massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs, auch in ländlichen Regionen –, die Raumordnung, das Bauen und Wohnen – vor allem das Heizen und die Energieeffizienz – werden sich verändern. Aber auch unsere Wirt­schaft, die Industrie und unsere Arbeitsplätze werden sich verändern.

Daher war es meiner Meinung nach wichtig und richtig, dass wir mit einer breiten En­quete im Parlament gestartet haben, mit vielen namhaften Expertinnen und Experten und vor allem auch mit der Zivilgesellschaft. In diesem Prozess braucht es, denke ich, eine Bewegung mit der Einbindung aller gesellschaftlicher Gruppen. Da sind naturge­mäß einige ungeduldiger als andere, das ist verständlich. Auch wenn uns die Umwelt­ereignisse eigentlich überrollen, so brauchen wir, denke ich, trotzdem einen gemeinsa­men Prozess, um den gesellschaftlichen Konsens herzustellen, denn den haben wir, auch wenn es in Reden sehr oft betont wird, noch nicht.

Dazu brauchen wir uns nur den parlamentarischen Diskussionsprozess anzuschauen. Die FPÖ hat im Nationalrat gesagt, sie können Paris nicht ratifizieren, solange nicht klar ist, wie man das Ziel erreicht, also so unter dem Motto, dass nicht das Ziel das Ziel ist, sondern der Weg. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, so viel Ge­mächlichkeit können wir uns leider nicht mehr leisten! Da kommt mir schon manchmal


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das Geisterfahrerbeispiel in den Sinn: Der Geisterfahrer wundert sich auch, wieso man­che so falsch unterwegs sind und auf ihn zukommen. Vielleicht ist es aber manchmal besser, kurz stehen zu bleiben und zu überlegen, ob man nicht selbst auf der falschen Seite unterwegs ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Als Maßstab, liebe KollegInnen von der FPÖ, nehme ich einfach die Bereiche her, wo Sie als FPÖ Verantwortung tragen. In Oberösterreich sind Sie seit einem Dreivierteljahr für den öffentlichen Verkehr zuständig, und außer einer Straßenbahneröffnung, die der SPÖ-Landesrat noch terminisiert hat, ist da bisher noch nicht viel weitergegangen. Beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs verzögert die FPÖ, beauftragt die x-te System­studie und geht fertige Projekte, wie die so wichtige RegioTram in unserem Mühlviertel, einfach nicht an. Diese Doppelzüngigkeit muss ich Ihnen in dieser Diskussion schon vorwerfen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwischen­ruf der Bundesrätin Ecker.)

Als EU-28 verursachen wir nur mehr 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Klar ist, und das haben wir gehört, dass USA, China und Indien für beinahe 50 Prozent ver­antwortlich sind. Das darf aber nicht heißen, dass wir uns einfach zurücklehnen kön­nen. Es ist wichtig, gemeinsam wirklich gründlich und auf breiter Ebene die integrierte Klima- und Energiestrategie zu erarbeiten, und da sind wir alle auch als Parlaments­fraktionen gefordert, denn Handlungsfelder gibt es auch bei uns genügend, die meisten wurden auch schon angesprochen.

Ein Punkt ist mir selbst noch wichtig: Entscheidend ist neben der Energieerzeugung doch auch, dass wir unseren Energieverbrauch gemeinsam senken – auch bei uns per­sönlich. Es kommt mir schon ein bisschen absurd vor, wenn Kühlschränke und andere Geräte immer effektiver werden, wir aber mit dem Tablet und dem Handy alle drei Stunden zur Steckdose laufen. Da haben wir, denke ich, auch selbst noch einiges zu tun.

Die Rahmenbedingungen für eine engagierte Klimapolitik sind alles andere als einfach. Freier Kapitalverkehr und freier Warenverkehr erzeugen natürlich eine Debatte der Wettbewerbsfähigkeit. Natürlich hat auch die Industrie recht, wenn sie sagt, das funk­tioniert erst, wenn sich alle daran halten müssen, weil es sonst den Wettbewerb ver­zerrt. Auch die Voest kann nicht wettbewerbsfähig bleiben und Jobs in Österreich schaf­fen, wenn sie Klimazusatzbelastungen hat, die sie woanders nicht hätte. Eigentlich müsste man über CO2-basierte Zölle reden, aber die werden in der Marktwirtschaft dann wahr­scheinlich auf die EndverbraucherInnen abgewälzt. Das erzeugt natürlich auch soziale Spannungen, und Klimapolitik muss meiner Meinung nach sozial verträglich sein, sonst wird sie nicht dauerhaft funktionieren.

Ich denke, die Energiewende braucht es auf allen Ebenen, auf Bundesebene, auf Län­derebene und vor allem auch in den Kommunen. Lassen Sie mich noch kurz meine Region, den Bezirk Freistadt, hervorheben: Wir haben dort seit zehn Jahren den Ener­giebezirk Freistadt, einen eigenen Gemeindeverein, der sich mit Klima- und Energiefra­gen beschäftigt. Es gibt kommunale Energiegruppen zur Bewusstseinsbildung. Es gibt Energieberatung für kommunale Bauten, und besonders stolz sind wir darauf, dass wir mit Helios eines der größten kommunalen PV-Kraftwerke in Österreich haben. Es sind über 230 Anlagen mit 35 000 Quadratmetern errichtet worden, das bedeutet eine Ener­gieversorgung für 1 500 Haushalte. Wir bauen E-Tankstellen in jeder Gemeinde. Es wird ein Forschungsprojekt geben, und das ist das Spannendste, wie wir diese PV-Ener­gie regional auch mit der Power-to-Gas-Technologie speichern können.

Es ist ein Wunsch an den Herrn Bundesminister, dass diese regionalen Initiativen noch viel stärker gefördert werden, weil diese kleinen Projekte gegenüber den großen Ener­gieversorgern leider sehr oft im Nachteil sind. Eigentlich haben sie aber Vorzeigecha-


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rakter. Da müssen wir innovativer und schneller werden, denn das kann auch ein Wachs­tums- und Innovationsturbo in Österreich werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.46


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Meißl zu Wort ge­meldet. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.47.10

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu dir, Herr Kollege Lindner: Du hast so auf die FPÖ hingehackt, weil die FPÖ in Oberösterreich das Verkehrsressort hat. Ich weiß nicht: Wie lange sind die letzten Landtagswahlen her? – Die sind schon ein paar Mo­nate her. Und was war vorher? – 15 Jahre hat die SPÖ das Verkehrsressort gehabt. Und was ist Nachhaltiges geschehen? – Nichts! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Hört, hört! – Bundesrat Schennach: Na, na!)

Eigentlich ist es ja schade, denn das Thema, das wir heute diskutieren, ist ja eines, bei dem wir einen sehr breiten Konsens haben. Viele gescheite Inputs sind schon von ver­schiedenen Seiten gekommen; im Grunde sind wir uns ja einig, dass der Klimaschutz ein wichtiges Thema ist. Nicht umsonst wird dieses Thema auch so intensiv diskutiert wie kaum ein anderes.

Beispielhaft ist ja – das ist ja auch schon angesprochen worden –, dass es in den letz­ten Tagen in Österreich extreme Wetterphänomene mit Starkregen, Hagel und verhee­renden Sturmböen gegeben hat. Innerhalb von Minuten sind landwirtschaftliche Flä­chen komplett vernichtet worden, Gebäude wurden überflutet, Dächer abgedeckt und Bäume entwurzelt.

Das gehäufte Auftreten dieser katastrophalen Wetterkapriolen der vergangenen Jahre ist mehr als ein eindeutiges Indiz für einen Klimawandel. Darüber brauchen wir gar nicht zu streiten oder zu diskutieren. Wieweit dieser Klimawandel allerdings tatsächlich nur durch den Menschen beschleunigt beziehungsweise verursacht wird, ist nicht ein­deutig geklärt. Es gibt zwar einige Rechenmodelle, die sind aber sehr theoretischer Na­tur.

Wenn ihr mich das ausführen lasst, werdet ihr sehen, dass das zu einem Ende führen wird, an dem wir wieder einen Konsens finden können. Fakt ist nämlich eines: Der Kli­mawandel, den wir derzeit erleben, hat seinen Ausgangspunkt bereits vor 20 000 Jah­ren genommen, und zwar ist er natürlichen Ursprungs und hat mit dem Ende bezie­hungsweise dem Höhepunkt der letzten Eiszeit begonnen.

Seither ist die Erwärmung der Erde nicht linear verlaufen, sondern wurde durch ver­schiedene Faktoren wie Vulkanausbrüche beeinflusst. So hat es zum Beispiel 536 in El Salvador einen Vulkanausbruch gegeben, der das Weltklima über Jahre hinweg be­einflusst hat. (Bundesrat Schennach: Die Dinosaurier nicht vergessen!) – Die sind auch durch einen Klimawechsel ausgestorben, das stimmt.

Die von dem Vulkan ausgestoßenen Aschemengen haben zu einem weltweiten Tem­peraturrückgang geführt, was wiederum maßgeblichen Einfluss auf die Wanderungsbe­wegungen gehabt hat. Der Höhepunkt der Völkerwanderung ist ja ein Paradebeispiel dafür. Die Menschen dieser Zeit kann man daher zu Recht als Klimaflüchtlinge bezeich­nen.

Genauso wie diese Klimaschwankung negative Auswirkungen gehabt hat, hat es aber auch Phasen in der Menschheitsgeschichte gegeben, in denen es zu einer raschen Er­wärmung gekommen ist. So hat das Abschmelzen der großen Eismassen auf den Kon­tinenten erst den rasanten Aufstieg der Menschheit möglich gemacht, während andere


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 52

Spezies, die sich nicht schnell genug an die neuen Gegebenheiten angepasst haben, verschwunden sind.

Grundsätzlich ist auch festzuhalten, dass viele Faktoren, die Änderungen unseres Klimas auf der Erde verursachen, von uns nicht beeinflussbar sind. Das ist in der Dis­kussion bis jetzt zu kurz gekommen. Das sind keine Theorien, das sind Fakten, das Klima hängt nämlich auch von der Sonnenaktivität, der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, die nicht stabil ist, sondern variiert, ab. Änderungen verursachen auch die Ver­änderungen der Lage der Erdachse, die Plattentektonik oder eben auch Vulkanaus­brüche. Diese Liste ist unvollständig, was aber auch nicht wichtig ist. Wichtig ist nur, zu zeigen, dass es viele natürliche Faktoren gibt, die das Klima beeinflussen, die aber der Mensch nicht steuern kann.

Die Wissenschaft hat in letzter Zeit mehrfach nachweisen können, dass es in der Menschheitsgeschichte bereits mehrmals zu rasch auftretenden Änderungen des Kli­mas mit unterschiedlichen Einflüssen auf die Lebensgewohnheiten und die Entwick­lung der Menschen gekommen ist.

Tatsache ist aber auch – und da gehen wir dann wieder d’accord, denke ich –, dass der Mensch durch den vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 und Methan diese Veränderungen in der Natur zumindest mit beeinflusst hat. Es gilt das physikali­sche Grundprinzip von Wirkung und Gegenwirkung. Es ist ja logisch, dass zum Bei­spiel die explosive Zunahme des Pkw-Verkehrs der letzten Jahrzehnte, die gerade am Beispiel der Südosttangente deutlich wird, aber auch die Zunahme des Flugverkehrs und der daraus resultierende Ausstoß von Abgasen nicht ohne Folgen für die Umwelt bleiben.

Deshalb ist es richtig und gut, sich Gedanken über mögliche geeignete Gegenmaßnah­men zu machen. Es macht auch keinen Sinn, die Hände zu verschränken, sich zu­rückzulehnen und darauf hinzuweisen, dass die anderen auch nichts tun. Man darf und muss und hat vor allem die Verpflichtung im Interesse unserer Kinder, damit zu begin­nen, seinen Beitrag zu leisten, damit der Klimawandel nicht weiter verstärkt und durch eigenes Verschulden noch beschleunigt wird.

Man muss aber auch bereit sein, darüber nachzudenken, dass der Klimawandel nicht nur von Menschen verursacht ist, sondern durch von uns nicht beeinflussbare Faktoren ausgelöst wird. Man hat daher auch Überlegungen anzustellen, wie man sich an die neuen Gegebenheiten anpasst, sollte sich herausstellen, dass der Klimawandel nicht aufzuhalten und der Temperaturanstieg trotz aller Bemühungen nicht zu stoppen ist. (Bundesrat Schennach: … ist nicht beeinflussbar! – Bundesrat Jenewein: Wie viel Prozent Einfluss hat denn das Auto?! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrätin Mühlwerth: Der Herr Schennach kennt sich aus!)

Ehe man an die Umsetzung des Übereinkommens von Paris schreitet, sollte man sich dennoch auch über mögliche Folgen für unsere Wirtschaft und unsere Bevölkerung Ge­danken machen. Es hilft nichts, wenn durch überzogene Vorschriften Tausende Arbeits­plätze verloren gehen, weil sich andere Staaten nicht an dieses Abkommen halten. Beim Kyotoprotokoll ist es so gewesen, dass sich Kanada verabschiedet hat, und die Amerikaner haben es nicht ernst genommen, und den Chinesen war es sowieso völlig egal.

In Wirklichkeit wird es darum gehen, dass wir Maßnahmen setzen und versuchen, un­seren Beitrag zu leisten, um den Temperaturanstieg so niedrig wie möglich zu halten. Ausschließen wird man es nicht können.

Es ist also schon unsere Aufgabe und Pflicht, im Kleinen zu beginnen, Maßnahmen zu setzen und in Angriff zu nehmen, ohne darauf zu warten, was andere machen. (Ruf bei


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 53

der ÖVP: Dann tut es!) Was wir tun können, sollten wir tun. Wenn das nicht reicht, bleibt uns ohnehin nur, uns den neuen Gegebenheiten anzupassen. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

11.53


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.53.38

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher vor den Geräten! Ich habe be­fürchtet, dass man wieder in grundsätzliche Diskussionen betreffend den Klimawandel hineinkommt. (Bundesrat Jenewein: Dafür ist das Haus da!) Herr Kollege Meißl, es wird nicht ausreichen, im Kleinen anzufangen. Das ist dem Problem schlicht und ein­fach nicht angemessen, und ich denke, das hat Paris auch ganz deutlich gezeigt. (Bei­fall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Natürlich ist es richtig, dass wir den Vulkanismus haben, der dramatische Einflüsse auf das Klima hat. Wenn er auftritt, können wir ihn nicht beeinflussen, wenn uns ein Mete­orit auf den Kopf fällt, können wir das auch nicht beeinflussen. Gegen das CO2 in der Atmosphäre können wir aber sehr wohl etwas tun.

Das CO2 in der Atmosphäre macht nur 0,04 Prozent aus, das ist wirklich nicht viel, aber trotzdem ist es das entscheidende Klimagas. Es ist sehr gut löslich in Wasser, und die CO2-Konzentration geht durch die Jahrmillionen – soweit uns das in der Wissenschaft zugänglich ist – mit der Temperatur parallel mit. Diese Korrelation ist eindeutig und nachgewiesen. Vor der industriellen Revolution hatten wir 280 ppm in der Atmosphäre, jetzt, im Jahr 2015, haben wir die 400-ppm-Grenze überschritten, wir haben also über 400 ppm in der Atmosphäre.

Bei klarem Himmel ist dieses CO2 zu 26 Prozent für den Treibhauseffekt verantwort­lich. Für 60 Prozent ist der Wasserdampf verantwortlich, aber der ist von der globalen Durchschnittstemperatur abhängig und uns sozusagen nicht zugänglich. Das heißt, der wichtigste Parameter, den wir verändern können und den wir anthropogen, also durch die Aktivität der Menschen, verändert haben, ist das CO2. Darum zielt alles auf Dekar­bonisierung hin und darauf, diesen Ausstoß zu begrenzen.

Die Hälfte von dem, was wir produzieren, geht ins Meer, weil CO2 sehr gut wasserlös­lich ist. Es versauert uns die Meere, und wie lange sie noch aufnahmefähig sind, ist noch Gegenstand genauerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Trotzdem ist das aber der Parameter, der von uns verändert werden kann.

Wir liegen jetzt 40 Prozent über dem vorindustriellen Wert, über 33 Prozent über dem höchsten Wert der vergangenen 800 000 Jahre, und während der letzten 14 Millionen Jahre existierten keine signifikant höheren Werte – also Vulkanausbrüche hin oder her.

Allein im Jahr 2012 wurde aber so viel CO2 freigesetzt, wie es 80 Prozent der emittier­ten Menge von 1750 bis 1900 entspricht. Der Beitrag, den wir derzeit leisten, ist ein­fach wahnsinnig hoch. Wenn wir alle fossilen Energieträger nutzen, die noch im Boden sind, dann steigt dieser Wert von 400 auf 1 600 ppm und die Temperatur damit um 4 bis 10 Grad Celsius. Genauer können wir das nicht festlegen. Auch wenn wir stoppen, braucht es 400 000 Jahre, bis wir wieder vorindustrielle Werte erreicht haben, weil man das Zeug nicht aus der Atmosphäre rausbekommt.

Es braucht signifikante Maßnahmen, und da gibt es schon Möglichkeiten. Bewusst­seinsbildung und Enqueten sind wichtig, aber was wir schnellstens tun können, ist, die ökologische Steuerreform voranzubringen. Arbeit ist noch immer viel zu hoch besteu­ert, Umweltbelastung ist zu niedrig besteuert. Es ist dringend notwendig – da sind sich


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Fachleute einig –, und damit könnten wir morgen beginnen: Die Energiebesteuerung muss verändert werden, der Förderbereich gehört reformiert. In Österreich sind mehr als 4 Milliarden € der jährlichen Förderungen klimaschädlich. Es gibt eine Untersu­chung vom Februar 2016 vom WIFO, bei der aber nur die Bundesförderungen unter­sucht wurden, die Länderförderungen sind da noch gar nicht dabei. Diese Untersu­chung zeigt, dass ein Fördervolumen von 4 Milliarden € klimaschädlich ist. Das ist ein großes Volumen. Da gibt es etwas zu tun, und das kann schnell getan werden.

Nur ganz kurz: Eine andere wichtige Maßnahme ist das Divestment. Das heißt: keine Investitionen mehr in den fossilen Bereich, Abzug des Vermögens, Abzug staatlicher Investitionen von Unternehmen, Pensionskassen, Banken und Versicherungen aus dem fossilen Bereich. Da nimmt Stanford zum Beispiel die Vorreiterrolle ein, die finan­zieren nichts mehr im fossilen Bereich. Weitere Beispiele sind die Universitäten Wa­shington und Glasgow in Schottland, die Church of England, „The Guardian“. Norwe­gen hat 114 Firmen aus seinem Staatsfonds gestrichen, der allerdings aus fossiler Energie gewachsen ist. Schwedische Städte tun das, das geht also auch ganz lokal.

Ich denke, wir müssen uns auch etwas überlegen, was die OMV und so weiter betrifft, aber Divestment ist eine Strategie, die lokal wirken kann, die für einzelne Unternehmen wichtig ist, für Städte, für Gebietskörperschaften, für Fonds und so weiter. Auch in die­se Richtung sollte es schnell Bewusstseinsbildung und auch Aktivität geben. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.59


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Zelina. – Bitte.

 


12.00.29

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Mit dem Pariser Weltklima­vertrag und dessen heutiger Ratifizierung in Österreich erleben wir eine historische Zei­tenwende zum Wohle der gesamten Menschheit, deren Bedeutung für viele noch nicht annähernd erfassbar ist.

Der Kampf um Profite aus Besitz, Transport und Verkauf von Öl und Gas hat die Menschheit seit 1850 unzählige Kriege und Millionen von Menschenleben gekostet. Auch die aktuellen Kriege in Syrien und der Ukraine sind in erster Linie Pipeline-Kriege um Öl und Gas.

Die Erdölindustrie, deren Kartelle und Bankenkonzerne sind mitverantwortlich für die extreme Vermögensungleichheit in unserer Welt. Die Namen Rockefeller und Roth­schild stehen synonym für Monopolgewinne, ein ausbeuterisches Ölsystem und ein un­gerechtes Geldsystem, das sich seit langer Zeit auf Kosten der Masse der Menschheit bereichert hat. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vorsitz.)

Die Ölpreise wurden immer wieder unter Mitwirkung internationaler Investmentbanken durch Verkaufs- und Kaufringelspiele und Öltanker, die als zusätzliche Öllager dienen, künstlich hochgehalten. Die Differenz zwischen den technischen Ölproduktionskosten und den hochgepushten Ölbörsenpreisen teilten sich die Ölunternehmen und Förder­länder, die damit ihre Banken, Staatsausgaben und Staatsfonds finanzierten. Damit ist jetzt Schluss.

Mit dem Weltklimavertrag geht das Zeitalter des Erdöls zu Ende. Der Ölpreis ist in den letzten Monaten von 120 US-Dollar auf 30 US-Dollar pro Barrel abgestürzt. Meine Da­men und Herren, das ist ein Preiseinbruch um gewaltige 75 Prozent, der nun allen Kon­sumenten anstatt den Ölkonzernen zugutekommt.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 55

Die Bank of England hat im September 2015 eine Warnung an alle Investoren ausge­sprochen, dass weitere Investitionen in Öl zu Sunk Costs führen könnten, also einer Totalabschreibung und einem Totalverlust aller Ölinvestments. Und genau da müssen wir bei der Umsetzung des Weltklimavertrages ansetzen. Wir müssen sämtliche Inves­titionen in fossile Energieträger, also Kohle, Öl und Gas, stoppen. Das gilt auch für alle Banken und ebenso für die OMV.

Einige europäische Großinvestoren wie die Allianz Versicherung oder der norwegische Pensionsfonds gehen bereits in diese Richtung und haben sich aus allen Kohleinvest­ments zurückgezogen. Selbst die Rockefeller-Stiftung hat sich heuer von ihren Invest­ments in fossile Brennstoffe und damit auch vom Ölriesen ExxonMobil getrennt. Auch aus den Beteiligungen im Bereich Kohle und kanadischer Ölsand werden sie sich zu­rückziehen.

Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung ist sensationell und kommt einer Revo­lution gleich.

Als zweite Maßnahme neben dem Investitionsstopp gehören alle staatlichen Subven­tionen und Förderungen für fossile Energieträger gestoppt. Förderungen für fossile Ener­gieträger dürfen Subventionen für erneuerbare Energieträger nicht mehr übersteigen. Statt in fossile Energieträger müssen wir massiv in emissionsfreie erneuerbare Ener­gietechnologien, also Strom aus Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme, investieren. Die höchsten CO2-Emissionen entstehen erstens in der Industrie – Stahlindustrie, Zement­industrie, Raffinerien –, zweitens bei den Heizungsemissionen und drittens durch Lkw- und Pkw-Verkehrsabgasemissionen aus Benzin- und Dieselverbrennungsmotoren. Ge­nau da müssen wir weitere Maßnahmen setzen.

Zur Produktion einer Tonne Stahl muss man derzeit 600 Tonnen Kokskohle verbren­nen. Von dieser Hochofenverbrennungstechnologie müssen wir weg in Richtung von Wasserstofftechnologien zur CO2-freien Stahlproduktion. Ölheizungen gehören verbo­ten, Investitionen in thermische Haussanierungen weiterhin forciert. Und wir müssen massiv in emissionsfreie Elektroautotechnologien investieren und unseren Verkehr auf E-Cars, E-Lkws und E-Busse umstellen. Elektroautos sind emissionsfrei und produzie­ren keine schädlichen Abgase wie Verbrennungsmotoren.

Ab 2025 sollte in Österreich ein Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselmotoren gelten. In Norwegen, in den Niederlanden und in Indien ist das bereits beschlossen. Österreich soll ein Land ohne Benzin- und Dieselautos werden. Elektroautos gehören massiv ge­fördert mit 5 000 € Kaufprämie wie in Niederösterreich, mit E-Car-Privilegien, Parkpi­ckerlbefreiung, Autobahnmautbefreiung, Busspurbenutzung, mit Steuervorteilen wie der Befreiung von Kfz-Steuern wie der NoVA, Vorsteuerabzugsfähigkeit und Befreiung von Sachbezugslohnsteuern für E-Cars.

Meine Damen und Herren! Die Elektromobilität ist ein wichtiger Impulsgeber für unsere Wirtschaft und unseren Arbeitsmarkt. Wenn wir Elektroautos mit sauberer, erneuerba­rer Energie abseits von Öl, Kohle und Gas kombinieren, erschaffen wir eine nachhal­tige, lebenswerte Zukunft für unsere Kinder. Die Gewinnung erneuerbarer Energien ist ein Wirtschaftszweig, der größtes Zukunftspotenzial aufweist. Österreich soll zu einem Vorzeigeland bei der Nutzung erneuerbarer Energien werden und eine wirtschaftliche Vorreiterrolle in der Umwelttechnologie einnehmen.

Meine Damen und Herren, der Ratifizierung des Pariser Weltklimavertrages stimme ich mit großer Freude zu. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister nochmals zu Wort gemeldet. Ich bitte um Rücksicht­nahme, dass die Redezeit maximal 5 Minuten betragen soll. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 56

12.07.15

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann mich sehr kurz halten.

Ich kann eigentlich sehr vielem, was hier in der Debatte vorgetragen wurde, nur bei­pflichten – nicht allem. Die Bundesräte der Freiheitlichen werden verstehen, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum sie dieses historische Abkommen nicht mittra­gen können.

Ich glaube, der Hauptansatzpunkt auf österreichischer Ebene und auf EU-Ebene muss die Energiewende hin zu erneuerbaren Energieträgern sein. Da sind wir in Österreich auf einem guten Weg. Wir haben derzeit schon einen Anteil von 33 Prozent, beim Strom sind es sogar 75 Prozent. Da ist unser erklärtes Ziel, bereits bis 2030 unseren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern zu erzeugen. Das ist realistisch, das ist machbar.

Es geht auch darum, auf europäischer Ebene die Energiewende voranzubringen und jetzt gerade achtsam zu sein, dass es nicht zu einer Renaissance der Nuklearenergie kommt. In einigen Ländern passiert das tatsächlich. Vor dem Hintergrund des Weltkli­mavertrages hat bereits jetzt etwa die schwedische Regierung den Beschluss gefasst – und da appelliere ich an die Fraktionskollegen der Sozialdemokraten und der Grünen, bei ihren Parteikollegen auch aufklärend zu wirken –, zehn neue Atomkraftwerke zu bauen, weil Atomkraft eine CO2-freie Energieform ist. Also das ist auf jeden Fall der falsche Weg. Das ist ein Irrweg, denn ich glaube, wir stimmen hier in diesem Hohen Haus darin überein, dass die Nuklearenergie keine nachhaltige Energieform ist und keine Energieform der Zukunft sein kann. Ich bitte Sie, hier wirklich auch länderüber­greifend in Ihren Fraktionen darauf hinzuwirken, dass der Klimaschutz nicht zu einer Renaissance der Nuklearenergie führen darf.

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.09


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

12.09.29Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2915/AB-BR/2016 bis 2922/AB-BR/2016 des Bundesra­tes sowie

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt,

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen.

Weiters eingelangt sind Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Aufenthalt des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger am 14. Juli 2016 in Bratislava, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat ge­mäß Artikel 73 Abs. 3 B-VG Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser wahrnehmen wird,

den Aufenthalt des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern vom 12., mittags, bis 16. Juli 2016 im EU-Raum,


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 57

den Aufenthalt des Bundesministers für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka am 14. Ju­li 2016 in Ungarn, wobei dieser im Bundesrat von Bundesminister Dr. Wolfgang Brand­stetter vertreten wird,

und

den Aufenthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans Pe­ter Doskozil am 14. Juli 2016 in Ungarn.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich ebenfalls auf die im Sit­zungssaal verteilten Mitteilungen, die gemäß § 41 Abs. 1 GO-BR dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 11)

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2016, das Bundesfinanzrahmengesetz 2016 bis 2019 und
das Bundesfinanzrahmengesetz 2017 bis 2020 geändert werden (1189/NR und 1203/NR der Beilagen)

*****


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Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


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BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 61

*****


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 62

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Staatssekretärin Mag. Mu­na Duzdar, MA in Ulaanbaatar/Mongolei bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundes­ministers für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried mit der Ver­tretung am 14. Juli im Bundesrat.

*****

Außerdem eingelangt sind die nachstehend genannten Berichte, die wie folgt den ge­nannten Ausschüssen zur Vorbereitung zugewiesen werden:

Jahresbericht der Schienen-Control 2015 (III-593-BR/2016 d.B.), zugewiesen dem Aus­schuss für Verkehr;

Sicherheitsbericht 2015 (III-594-BR/2016 d.B.), zugewiesen dem Ausschuss für innere Angelegenheiten.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorbereitungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussbe­richte erstattet.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl eines Mitglie­des des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesra­tes im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages be­absichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 und 3, 5 und 6, 11 und 12, 18 und 19 sowie 23 und 24 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

12.12.111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2016 betreffend Übereinkommen von Pa­ris (1193 und Zu 1193 d.B. und 1198 d.B. sowie 9640/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ebner. – Ich bitte um den Bericht.

 


12.12.36

Berichterstatterin Adelheid Ebner: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2016 betreffend Übereinkommen von Paris.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 63

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfül­len, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 


12.13.44

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher am Livestream und vor den TV-Geräten! Wir alle haben heute schon sehr viel gehört, historisches Ergebnis, deswegen kann ich hier die Ausführungen über das Klimaschutzabkommen von Paris einigermaßen kurz hal­ten. Prägnant waren natürlich die Bereiche, bei denen es darum gegangen ist – wobei die Frage auch im Ausschuss gestellt wurde –, was passiert, wenn sich ein Staat oder mehrere Staaten, die es zwar unterzeichnen, vielleicht sogar ratifizieren, nicht an die­ses Abkommen halten. – Genau: Es wird nämlich nichts passieren, es gibt keine recht­lichen Möglichkeiten, es gibt also nicht, so wie es in der EU durchaus üblich ist, irgend­welche Vertragsverletzungsverfahren, die zu Strafzahlungen der Staaten führen. Das gibt es alles nicht! Man denkt an und hofft auf das Gute im Menschen.

Was noch aufgefallen ist – das wurde heute auch schon ganz kurz erwähnt –, ist mei­ner Meinung schon ein Punkt, der mich nicht gleich so zur Tagesordnung übergehen lässt: Der Schiff- und Flugverkehr ist ausgenommen. Dahinter steht, dass man auf die Frage, was damit geschieht, doch gemeint hat, man wird versuchen, das dann durch et­waige Klimasteuern in irgendeiner Form abzugelten. – Das wird aber nichts anderes be­deuten, als dass dieser Bereich für den Endkunden teurer werden wird, weil ja die Un­ternehmen das ganz sicher auf den Endkunden abwälzen werden.

Spannend dabei ist, dass die EU vor nicht allzu langer Zeit noch davon ausgegangen ist, dass der Schiffsverkehr 2 Prozent der Gesamtumweltverschmutzung darstellt. Green­peace hat da andere Zahlen, Greenpeace hat schon 2008 mitgeteilt, dass es über 4,5 Prozent sind. Das wird bis 2020 noch um circa 30 Prozent steigen.

Ein Detail dabei ist: Der klassische Schiffsverkehr – ich weiß schon, dass es da Inno­vationen gegeben hat, bei Kreuzfahrtschiffen und so weiter gibt es schon Hybridschiffe, das ist schon der Weg in die richtige Richtung –, die gesamte Frachtschifffahrt fährt mit Schweröl. Das, geschätzte Damen und Herren, ist ein Umweltverschmutzer erster Gü­te, denn das ist ein Abfallprodukt der Raffinerien, das dabei massiv verbrannt wird und zu einer massiven Verschmutzung führt. (Beifall bei der FPÖ.)

Also herzugehen und zu sagen: Na ja, das ist alles nicht so aufregend, da gibt es schlimmere Verursacher!, das stimmt nicht ganz.

Dann kommt der Luftverkehr. Auch da geht man davon aus, dass der Luftverkehr circa 3,5 Prozent der gesamten Verschmutzung ausmacht. Das ist besonders fatal beim Luft­verkehr, weil ja die Luftverschmutzung in den oberen Atmosphärenschichten stattfindet und sich daher ableiten lässt, dass eine bis zu fünffach höhere Treibhauswirkung er­zielt wird. Also wenn man jetzt dieser Negativschätzung folgen kann – und da sollte


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 64

man durchaus negativ denken –, werden in Zukunft bei diesem Klimaabkommen über 10 Prozent der CO2-Emmissionsverursacher nicht berücksichtigt.

Wie Kollege Dörfler heute schon gesagt hat: Auch die Atomkraft wird ja von vielen EU-Staaten als Möglichkeit zur Energieerzeugung, sogar teilweise als klimaneutral, darge­stellt. Wir wissen, dass wir da große Probleme haben, vor allem bei der Entsorgung der Abfallmaterialien. Das bedeutet, dass viele Staaten, auch viele EU-Staaten da kaum etwas tun werden, weil sie sich den Ausstieg aus dieser Art von Energiegewinnung entweder nicht leisten können oder nicht leisten wollen.

Aber gestatten Sie mir, den wesentlichen Teil meines Redebeitrags in eine andere Rich­tung zu lenken. Es wird natürlich so sein, dass Kollege Schennach heute noch aus der Kiste hüpfen wird, weil wir ja das Sinnbild (Bundesrat Schennach: Ich sitze am Ses­sel!) – bitte, Vorsicht! – dessen sind, dass wir sogenannten obskuren Studien und Ver­schwörungstheoretikern glauben, als die er so viele Wissenschafter darstellt. (Bundes­rat Schennach: Das ist nicht unrichtig!)

Ich erinnere mich an eine kürzlich gehaltene Rede, in der er der Meinung war, dass diese hochgelobten Tausenden EU- und UN-Klimaforscher recht haben und alle ande­ren falsch liegen. Da werden wir uns ja heute noch einiges anhören können.

Aber die Frage stellt sich für uns schon: Was werden wir machen, meine Damen und Herren, wenn wir nach Milliardenzahlungen und Investitionen in alle Richtungen, in Rich­tung der Dritten Welt und auch im eigenen Bereich, am Ende des Tages feststellen – nehmen wir sogar einmal an, die USA, China und Indien werden sich an diesem Pro­zess beteiligen, die ja immerhin die Hälfte des gesamten Verursacherpotenzials dar­stellen –, dass das alles nichts hilft? Was werden wir machen, wenn wir feststellen, dass dieser Weg, den wir glauben zu gehen, dieser sehr stark überhebliche Weg, dass wir Menschen sozusagen die großen Verursacher sind, also wenn das weg ist und wir CO2-neutral sind, dann ist das alles erledigt, nicht der richtige ist?

Ich hoffe ja auf die Aussage, die wir im Ausschuss gehört haben, dass es einen soge­nannten Plan B gibt, aber meiner Meinung nach gibt es diesen Plan B weder global noch auf EU-Ebene. Gestatten Sie, meine Damen und Herren: Nur zu glauben, wenn man die Beseitigung der Umweltschäden, also die Katastrophenhilfe nach den Kata­strophen, die jetzt schon stattfinden und noch stattfinden werden, als Plan B bezeich­net, sei alles gut, dann ist das meiner Meinung ganz eindeutig zu wenig.

Wir werden – und das ist ganz sicher nicht nur eine Theorie – mit dem von Ihnen jetzt so hochgejubelten Klimaabkommen alleine, dessen hoffentlich wirkendes Ziel die da­rauffolgende klimageheilte Welt sein wird, unseren Nachkommen kein leichtes Leben und leichtes Überleben hinterlassen, denn das hartnäckige – und das sage ich in aller Klarheit – Festhalten an der Theorie, dass ausschließlich das von Menschen verursachte CO2 für die globale Klimaveränderung verantwortlich ist, ist überheblich, ist Realitäts­verweigerung und letztendlich fahrlässig und gefährlich.

Ich möchte am Ende meiner Ausführungen mit einem Statement des vielfach ausge­zeichneten britischen Wissenschaftsjournalisten, langjährigen Herausgebers des „New Scientist“ und BBC-Autors Nigel Calder schließen, der im Jahre 1998 gesagt hat: „Alle Parteien der Industriestaaten, ob rechts oder links, werden die CO2-Erderwärmungs­theorie übernehmen. Dies ist eine einmalige Chance, die Luft zum Atmen zu besteu­ern. Weil sie damit angeblich die Welt vor dem Hitzetod bewahren, erhalten die Politi­ker dafür auch noch Beifall. Keine Partei wird dieser Versuchung widerstehen.“ – In ei­ner Sache hat er sich geirrt: Wir, die FPÖ, werden dem nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.21



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 65

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Köck. – Bitte.

 


12.21.43

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrte Gäste hier und vor den Fernsehgeräten! Lieber Peter Samt, da war aber jetzt auch mindestens so viel Ku­gel-Wahrsagerei dabei, wie du es selbst einem Kollegen in deinen Ausführungen vor­geworfen hast. Ich kann auch diese Logik der FPÖ nicht verstehen, immer wieder zu sagen, da vielleicht nicht alle mittun und nicht alle Bereiche in dieses Abkommen mit­einbezogen sind, werde man nicht zustimmen. Das ist ungefähr so, als ob alle anderen Bundesländer außer Kärnten gesagt hätten: Da die Kärntner wahnsinnige Haftungen eingegangen sind, die zehnmal so hoch wie ihr Jahresbudget waren, machen wir das auch alle. Gott sei Dank gibt es verantwortungsvolle Politiker in diesem Land, und wir haben das nicht gemacht, deshalb sind wir nicht dort, wo Griechenland ist (Bundesrat Jenewein: Das haben eh alle gemacht!), und deswegen werden wir auch hier die Ver­antwortung tragen, die ganz, ganz wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Schennach.)

Ich möchte hier zunächst auf zwei Kritikpunkte Bezug nehmen. Das eine ist, dass die Wirtschaft möglicherweise jenen Ländern gegenüber Nachteile haben könnte, die nicht mittun. – Nun, wir haben in der EU zum Beispiel einen Emissionszertifikatehandel, der es ermöglicht, dass Länder oder Betriebe, die ihre Richtwerte nicht erfüllen können, sich von anderen Ländern oder Betrieben Zertifikate kaufen, um damit dann diese Richt­werte erfüllen zu können. Nun war Deutschland immer ein sehr großer Käufer von sol­chen Zertifikaten. Durch den Ausbau von Ökoenergie, vor allem von Ökostrom musste es aber nicht mehr so viel kaufen, und deshalb ist der Preis für diese Zertifikate sehr stark gefallen.

Jetzt konnte nachgewiesen werden, dass trotz dieses niedrigen Preises für diese Emis­sionszertifikate jene Firmen, die nicht vom Zertifikatszwang befreit waren, ihre Emis­sionen schneller senken als der Durchschnitt, ohne Arbeitsplätze und Exporte zu ver­lieren. Das ist also schon sehr bemerkenswert, glaube ich.

Der zweite Kritikpunkt ist immer wieder, dass es womöglich gar nicht genug Energie gibt, um die Energie, die wir jetzt schon brauchen, zu ersetzen. Auch da ist mir eine Studie in die Hände gefallen, die besagt, dass es reichen würde, wenn wir eine Fläche wie Frankreich mit Fotovoltaikanlagen ausstatten, um mit dem damit produzierten Strom das gesamte Erdöl ersetzen zu können, welches wir jetzt für die Mobilität brauchen.

Das heißt, wir brauchen hier keine Angstmacherei zu betreiben und Kritik zu üben, sondern wir sollten mit Mut an dieses Thema Klimawandel herangehen, denn wir wer­den neue Energiequellen erschließen, wir werden das mit neuen, komplexen techni­schen Methoden machen, es wird unsere Mobilität nachhaltig verändern und es wird große Chancen für unsere Wirtschaft geben. Wir haben schon in der Vergangenheit gesehen, dass gerade in diesem Bereich unsere Wirtschaft oft Weltmarktführer ist, und ich glaube, dass sie auch in Zukunft Chancen haben wird und dass sicherlich auch Ar­beitsplätze geschaffen werden können.

Es geht auch um Regionalentwicklung: Der Herr Minister hat es schon angesprochen, wie viel Geld da wegfließt. Alleine aus unserem kleinen Bezirk Waidhofen an der Tha­ya mit 30 000 Einwohnern schicken wir jedes Jahr 40 Millionen € nach Dubai, nach Russland, nach Libyen. Wenn wir es schaffen, dieses Abkommen tatsächlich umzuset­zen, werden diese 40 Millionen € bei uns bleiben und sich bei uns in der Region ver­mehren.

Um das zu schaffen, dazu ist, glaube ich zumindest, die Bewusstseinsbildung das Wichtigste – Bewusstseinsbildung im privaten Bereich: Wie weit reist unser Essen? Wo


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 66

ist unsere Kleidung her? Womit fahren wir? Bewusstseinsbildung im Arbeitsbereich: Dazu ist mir gerade heute ein sehr gutes Beispiel in die Hände gefallen, und zwar der Geschäftsbericht der Wirtschaftskammer Österreich. Sie macht seit fünf Jahren ein Pro­jekt zum ökologischen Fußabdruck, indem sie intern jeden Arbeitsprozess nach dem ökologischen Fußabdruck bewertet. So konnte sie in den letzten fünf Jahren den CO2-Ausstoß innerhalb der WKO um 15 Prozent reduzieren. Ich denke, solche Projekte sind wichtig, da so jeder Mitarbeiter daran denken wird, was er mit seinem Handeln bewirkt.

Wir brauchen natürlich auch Bewusstseinsbildung in unseren Freizeitbereichen und bei den Behörden. Die Gemeinden sind sehr wichtig, wenn sie Projekte anreißen, wie das Bauen von Ökostromanlagen, wie das Fahren mit Elektromobilität und viele andere Be­reiche, mit denen wir der Bevölkerung aufzeigen können, dass diese Technik tatsäch­lich möglich ist und dass wir damit auch unseren Lebensalltag bewältigen können.

Die Länder sind sehr wichtig, nämlich bei der Frage, wie sie ihre Förderungen gestal­ten werden – das haben wir heute schon gehört. Natürlich ist es auch beim Bund sehr, sehr wichtig, in welche Richtung er geht. Dazu möchte ich zwei kleine Kritikpunkte an­bringen. Das eine ist, dass wir beim Bund nicht diese Bewusstseinsbildung betreiben wie in vielen anderen Bereichen: Es gibt fast in jeder Gemeinde eine Elektrotankstelle, wir haben bei allen Landesregierungen Elektrotankstellen. Hier im Parlament haben wir leider keine. Kollege Pum und ich fahren mit einem Elektroauto. Wir haben schon bei der verstorbenen Nationalratspräsidentin Prammer angeregt, eine zu bauen; leider wur­de das abgelehnt. Wir haben schon Kostenvoranschläge gebracht. Es wäre nicht so teuer, mit 5 000 € wären wir dabei, und ich meine, es würde den Staat Österreich nicht umbringen. Vielleicht kannst du (in Richtung Bundesminister Rupprechter) uns dabei unterstützen, dass wir dieses Anliegen auch umsetzen können. (Bundesrat Pum: Ich bin auch dabei!)

Der zweite Kritikpunkt ist das Ökostromgesetz; Es hängt noch immer in der Schleife. Viele Ökostromerzeuger stehen eigentlich vor dem Konkurs, und ich bitte darum, da wirklich dahinter zu sein, dieses Konzept mit den Tarifen für ein paar Bereiche umzu­setzen. Ich bitte auch die SPÖ und Minister Stöger, diese Betriebe nicht im Unklaren zu lassen; sie brauchen es, sonst können sie ihre Biomasseanlagen zusperren und ge­hen in Konkurs.

Vielleicht sollten wir auch auf eine andere Bezeichnung umstellen. Ich habe vorhin vom Emissionszertifikatehandel gesprochen, und auch Österreich hat schon Zertifikate um Hunderte Millionen Euro gekauft. Mit jedem produzierten Kilowatt Ökostrom reduzieren wir den Bedarf an Zukauf von Zertifikaten. Vielleicht sollten wir es auf Zuschlag zum Ein­speisetarif umbenennen, da wir Emissionszertifikate verhindern.

Wir müssen der Verantwortung für einen lebenswerten Lebensraum für unsere Enkel gerecht werden, wir werden diesem Abkommen zustimmen und es damit auch ratifizie­ren. Unsere Fraktion wird das tun. Jene, die das nicht tun, müssen das mit ihren En­keln ausmachen. Die FPÖ geht wieder einmal mit der Leichtigkeit des Brexit an dieses Thema, und wenn es ernst wird, dann war man nicht da, ist nicht mehr dabei oder will nichts davon wissen.

Dir, Herr Minister, muss ich ein Lob aussprechen: Du warst ein wichtiger Verhandler in Paris. Es ist nicht einfach, 178 Staaten auf eine Linie zu bringen. Manche sagen, den Klimawandel gibt es gar nicht, manche wollen nichts tun. Das ist schon ein sehr lang­wieriger Prozess; und wir Österreicher – und gerade du – sind da sicher immer wieder Vorreiter. Dafür spreche ich dir wirklich ein herzliches Dankeschön und ein großes Lob aus.

Das möchte ich dir jetzt auch noch in einer zweiten Sache aussprechen, die nichts mit dem Klimaabkommen zu tun hat, und zwar bei der Verwaltungsreform. Du bist der ers-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 67

te Minister, der angekündigt hat, sieben Bundesgesetze zu streichen, der viele Bewil­ligungstatbestände entfallen lassen, zu bloßen Anzeigeverfahren umwandeln und sehr viel Reduktion bei der Unterlagenbeschaffung vornehmen wird.

Ich denke, du bist einer, der hier auch für alle anderen die Latte wieder ganz hoch legt, und ich hoffe, alle anderen werden da nachfolgen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.30


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Mayer  in Richtung des zum Redner­pult eilenden Bundesrates Schennach –: So, jetzt spuck’s heraus! – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.)

 


12.30.52

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe allgemeine heitere Stimmung! Lieber Kollege Köck! Da sind wir ganz bei dir und bei diesem Ansinnen, was die E-Tankstelle im Parlament betrifft. Es gibt sogar eine Wiener Firma, die das hier kostenlos herstellen würde. Ich hoffe, dass man das, sollte es die Umbauten nicht stören, relativ schnell realisiert.

Nun zum „Mann der Kisten“: Ich habe noch nicht vor, in die Kiste zu hüpfen, ergo hüpfe ich nicht aus der Kiste, aber die Seifenkistenrennen – damit waren Sie ja ganz gut beim Thema – sind sicher CO2-zero, also kein Ausstoß. Nur, wir beide, Kollege Samt und ich, werden in der Kiste sein, wenn all das greift, was in diesem Vertrag von Paris wirklich zum Wirken kommt, nämlich dass es zu keinem weiteren Ansteigen der Erd­erwärmung kommt. Dazu bedarf es 80 Jahre. Kollege Samt wird so wie ich die 80 Jah­re nicht erleben – ich weiß nicht, wie viele hier die Chance haben –, denn nur dann könnte er diese Überprüfung machen. Aber in 80 Jahren, liebe Kollegin Reiter, wird zu­mindest einmal die Zunahme der Erderwärmung abgebremst.

Ich sage das deshalb, weil zum Beispiel Frau Prof. Kromp-Kolb aus Österreich, eine der weltweit renommiertesten MeteorologInnen – möglicherweise von der FPÖ bezwei­felt, aber Sie können es glauben, sie ist eine sehr renommierte Meteorologin – sagt: Bei 2 Prozent Schwankungsbreite ist das Klima gerade noch stabilisierbar.

Trotzdem bedeuten 2 Prozent Schwankungsbreite, dass der Meeresspiegel um einen Dreiviertel Meter ansteigt. Das ist existenzbedrohend – nicht gerade für Wien oder für Klagenfurt, aber für die kleinen Inseln und für die Küstenregionen. Wir haben heute durch das Ansteigen des Mittelmeeres eine Versalzung des Nildeltas – der Kornkam­mer Ägyptens – von 300 Kilometern tief ins Land hinein. Ägypten ist derzeit gezwun­gen, wegen des ansteigenden Meeresspiegels, der Landwirtschaft in diesem Bereich nicht mehr möglich macht, 8 Millionen Menschen umzusiedeln.

Daher sagt dieses Übereinkommen von Paris 2 Prozent, aber in Wirklichkeit wollen wir 1,5 Prozent. Mit 1,5 Prozent – und das ist drin – können wir einige dieser Phänomene an den Küstenregionen ausschalten. Kollege Samt, ich komme nicht hier heraus, um auf den Vertrag von Paris eine Jubelrede zu halten, aber schon, um das zu würdigen.

Ich möchte vielleicht noch einmal einen Schritt zurückgehen. Es geht um die Experten, darauf bin ich ja angesprochen worden. Und was das „Aus-der-Kiste-Hüpfen“ betrifft, habe ich jetzt kurz nachgeschaut: Alleine zwischen 1991 und 2001 sind 4 000 interna­tionale wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema erschienen. 98,4 Prozent un­termauern all das, was die Grundlage des Pariser Vertrages ist. Die FPÖ ist bei den 1,6 Prozent, die irgendwie mit den Dinosauriern und anderen Dingen anfangen. Es sei jedem unbenommen, auf diese 1,6 Prozent zu setzen. Die werden nicht namentlich ge­nannt, aber es gibt ja auch welche, die das bestreiten und auch bestreiten, dass die Mondlandung stattgefunden hat und sich nur in den Studios von Steven Spielberg ab­gespielt hat.


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Aber immerhin ist dort ja ein Satz gefallen, den dann Greenpeace und der WWF über­nommen und zum Pariser Vertrag gesagt haben: „ … ein großer Fortschritt für die Menschheit, aber noch nicht der finale Durchbruch“. Das ist jetzt so das kleine knifflige Problem.

Das Sensationelle ist, dass es erstmals – und das ist der Grund, warum wir hier jubeln und stolz sein sollten – ein globales, ambitioniertes und rechtsverbindliches Vertrags­werk zum Klimaschutz gibt, bei dem die großen Player mit dabei sind, bei dem Obama mitgespielt hat, bei dem die Chinesen mitgespielt haben, bei dem Indien mitgespielt hat, und dass es diese Doppeldiplomatie gab, einerseits die Präsidenten einzubinden und andererseits die Verhandlungspartner auch unter Druck zu setzen, da sich ja die Präsidenten dahintergestellt haben.

Der Kölner Ökonom – das wird jetzt vielleicht der FPÖ gefallen, aber er hat es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt – Axel Ockenfels sagt wiederum: „Im Ver­gleich zu den Ergebnissen vorheriger Klimakonferenzen ist Paris ein Erfolg. Gemessen an den Herausforderungen des Klimawandels ein Debakel.“

Daran sieht man die Bandbreite der Kritik. Und da heute hier auch schon Papst Fran­ziskus und die Enzyklika genannt wurden: Die Erzdiözese Wien sagt – da kann man auch nachschauen, denn auch ein Sozialdemokrat kann die Erzdiözese Wien zitieren –: „Der Pariser Klimavertrag ist […] kein Grund zum Feiern. […] ,Was als Erfolg verkauft wird, beinhaltet keinerlei verpflichtende oder gar einklagbare Sanktionen‘“.

Ja, das ist die Diskussion, in der wir stecken. Die Diskussion gibt es, weil wir uns jetzt mit diesem tollen Vertrag auf die nationalstaatliche Umsetzung verlassen müssen. Da sind wir in Österreich schon sehr weit und wir tun auch sehr viel. Aber eines muss man sagen: Es ist kein Kometeneinschlag wie der, der die Dinosaurier ausgelöscht hat, weshalb wir diese Klimaerwärmung haben, sondern es sind die Industrialisierung und die Automobilisation auf dieser Welt, die dazu beigetragen haben, dass es zu dieser Klimaerwärmung gekommen ist.

Deshalb sehen wir, dass die Schwelle, ab der Ökosysteme reagieren, viel niedriger, aber die Geschwindigkeit viel höher ist, als wir bisher erwartet haben. Und es wurde ja, glaube ich, schon erwähnt – ich weiß nicht, wer das in der vorhergehenden Debatte ge­sagt hat –, dass jährlich alleine an den Polen die Fläche von Deutschland verschwindet.

Und wenn wir das sehen und Sie, Herr Minister, einen Auftrag an alle Fraktionen erteilt haben, klarzumachen, dass das Stichwort saubere Energie ein Hintertürchen hat, das nämlich Nuklearenergie heißt, dann, glaube ich, haben wir eine Einstimmigkeit bei die­sem Thema und dann bitten wir Sie, auch mit Ihrem Ressortkollegen darüber zu reden. Der Bundesrat hat das einstimmig in einer begründeten Mitteilung gegenüber der EU getan und gesagt, dass in dieser Energie-Union zum Beispiel bei Klimaanlagen nur auf Elektrizität abzustellen genau diese Hintertüre ist, mit der man der Atomtechnologie ei­ne Rückkehr ermöglichen will.

Und deshalb möchte ich jetzt noch einmal ganz kurz zusammenfassen: Wir ratifizieren heute das Ziel der 2 Prozent, um zum vorindustriellen Zeitalter zurückzukehren, mit dem eigentlichen Ziel von 1,5. Wir ratifizieren, damit das Ausmaß der Treibhausgase verringert wird, Netto-Emissionen ab 2015 auf null. Das heißt, es wird CO2-Ausstoß geben, aber nur in der Menge, wie zum Beispiel der Wald zu schlucken vermag.

Weitere Punkte sind die Verpflichtung, Berichtspflichten und Transparenzregeln einzu­halten – das ist ganz, ganz wichtig, da war China noch nie dabei, 2023 wird es die ers­te globale Bestandsaufnahme geben – für den Kollegen Samt wäre das ein interessan­ter Zeitpunkt – und dann wird das in Fünfjahresschritten wiederholt, wir übermitteln von 2020 bis 2025 den am meisten Betroffenen, das sind die Entwicklungsländer und ärms-


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ten Länder, 100 Milliarden Dollar jährlich und das globale Ziel der Anpassung, das heißt, dass die Staaten die Verletzbarkeit anerkennen und daraus Maßnahmen setzen.

Was fehlt, das sind Sanktionen, was fehlt, ist der Flug- und Schiffsverkehr, aber ich den­ke, wenn wir das jetzt einmal ratifiziert haben, wenn 55 Staaten das unterzeichnet ha­ben, die 55 Prozent des Outputs produzieren, dann haben wir hier – so wie es Green­peace sagt, einen großen Fortschritt für die Menschheit erreicht.

Deshalb hoffe ich, dass hier – allen wirren Experten der FPÖ zum Trotz – vielleicht doch noch eine ziemlich große Einhelligkeit zustande kommt. Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


12.41.42

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister Rupprechter! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen hier und zu Hause! Im vergangenen Dezember ist auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz des Rahmenüberein­kommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen erstmals ein global verbind­licher Weltklimavertrag abgeschlossen worden. Es gibt jetzt erstmals ein rechtsverbind­liches Vertragswerk zum Klimaschutz mit Verpflichtungen für alle Staaten dabei. Es ist ein wirklicher Meilenstein. Ich habe es in der Aktuellen Stunde schon gesagt: Es ist ein historischer Moment. Wir freuen uns ganz besonders, dass Österreich das auch in der Ratifikation vorantreibt und als drittes EU-Land, nach Frankreich und Ungarn, den Welt­klimavertrag ratifiziert.

Die Ziele des Abkommens sind – ich möchte sie noch einmal ganz kurz zusammenfas­sen, damit sie wirklich alle mitbekommen –: den Temperaturanstieg stoppen, die Treib­hausgase bis ins Jahr 2050 netto gegen null senken, die nationalen Verpflichtungen und die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Erreichen dieser Ziele.

In Kraft tritt der Weltklimavertrag dann – und das hat der Kollege vor mir gerade ge­sagt –, wenn mindestens 55 Vertragsparteien, die insgesamt einen Anteil von mindes­tens 55 Prozent der gesamten weltweiten Emissionen tragen, ihn ratifiziert haben. Ge­nau deswegen ist eine frühzeitige Ratifizierung auch von Kleinstaaten sehr wichtig und sinnvoll, und ich freue mich ganz besonders, dass Österreich zu den ersten Staaten gehört, die den Vertrag ratifizieren. Wir begrüßen das ausdrücklich. Und: Auch wenn die USA und China gemeinsam 40 Prozent der globalen Emissionen verursachen und Österreich weltweit bei weitem kein Riese ist, so sind das einfach Signale, die gesetzt werden, dass auch ein kleines Land seinen Beitrag leistet und schaut, dass wir dabei zu einer globalen Veränderung kommen.

Worum es jetzt geht, ist – und das haben wir in der Aktuellen Stunde schon ausführlich besprochen –, diese Ratifikation mit dem Setzen von Klimaschutzmaßnahmen auch mit Leben zu erfüllen und dem Ganzen Gestalt zu geben.

Ich kann einige der Lobeshymnen von zuvor nicht ganz nachvollziehen, weil Öster­reichs Treibhausbilanz im europäischen Vergleich ziemlich katastrophal ist. Während EU-weit die Emissionen seit 1990 um 24 Prozent gesunken sind, sind wir immer noch auf dem Niveau von 1990. Wir waren EU-weit am allerweitesten von den Kyoto-Zielen entfernt. Das ist nichts Neues, das haben wir an dieser Stelle auch schon einige Male erwähnt.

Über die Auswirkungen des Klimawandels und die Maßnahmen dagegen haben wir in der Aktuellen Stunde schon sehr viel erzählt, daher möchte ich auf den Vertrag, der zur Ratifikation vorliegt, den Staatsvertrag, ein bisschen näher eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 70

Wir haben dazu im Nationalratsausschuss einen Minderheitsbericht eingebracht, weil wir gravierende Mängel gefunden haben. Es sind im Vorblatt in der Wirkungsfolgenab­schätzung und in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage relativ viele Ungenauigkei­ten drinnen, zentrale Teile des Vertragstextes werden falsch oder ungenau wiederge­geben, und es werden die Rechtsfolgen aus der Ratifizierung zum Teil ein bisschen ir­reführend formuliert.

Es wird zum Beispiel im Vorblatt durchgängig das Ziel des Abkommens als Begren­zung der Erderwärmung auf unter zwei Grad angegeben. In Wirklichkeit ist es aber so, dass das tatsächliche Ziel – laut dem Paris Agreement – eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad vorgibt. Das hört sich ein bisschen kleinlich an, hört sich ein bisschen wie Spitzfindigkeitenreiterei an, aber diese Begrifflichkeit „deutlich unter“ ist ein Aus­druck der neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zu den Klimafolgen und dass das 2-Grad-Ziel einfach keine ausreichende Sicherheit gewährleistet. Genau diese Begriff­lichkeit von „deutlich unter zwei Grad“ war in Paris bei den Klimaverhandlungen Ge­genstand von tagelangen und nächtelangen Verhandlungen und hat weitgehende Aus­wirkungen auf die Reduktionserfordernisse in den Vertragsstaaten. Wir finden, dass es in diesem Vertrag auf alle Fälle auch von österreichischer Seite korrekt wiedergegeben gehört.

Ebenfalls in den Begriffsbestimmungen ist die globale Reduktion der Treibhausgase nicht wiedergegeben: dass es mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Ergeb­nissen herbeizuführen ist. Das hört sich alles nach Spitzfindigkeiten an, aber wir wis­sen, bei solchen Verträgen und in allen Gesetzgebungsprozessen wird um Formulie­rungen ganz lange gerungen, und diese Formulierungen haben dann auch Auswirkun­gen auf das Ergebnis. Genau dabei ist das eben auch ein Schlüsselbegriff und es er­laubt die weitere Konkretisierung des Reduktionszielpfades. Das ist zumindest irrefüh­rend formuliert.

Es waren noch einige weitere Punkte, die nicht ganz korrekt wiedergegeben sind. Es steht Österreich frei, sich selbst Klimaziele zu stecken, wir müssen nicht darauf warten, dass die EU verbindliche Ziele vorgibt. Klimaziele können selbst vorgegeben werden, es können entsprechende Gesetze, die weiter führen, auch schon von Österreich er­lassen werden. Von dieser Möglichkeit haben auch andere EU-Mitgliedstaaten bereits Gebrauch gemacht. Österreich darf und soll da eine beispielgebende Rolle innerhalb der EU ausfüllen und soll mit gutem Beispiel vorangehen.

Aber ich mache mir keine Sorgen. Es sind wirklich Formulierungen im Vertrag drinnen, die nicht gut wiedergeben, was tatsächlich ausgemacht worden ist, aber nach der Dis­kussion, die wir heute – jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt und auch vorher schon in der Aktuellen Stunde – gehabt haben, sehe ich einfach ganz viel Willen innerhalb der österreichischen Politik, wirklich zu schauen, dass da gemeinsam etwas weitergeht, dass wir es so gut wie möglich erfüllen, um die Klimaerwärmung zu stoppen und den Klimawandel aufzuhalten.

Ich möchte mit einem Zitat von Ihnen, Herr Minister, meine Rede beenden, weil mir das vorhin sehr gut gefallen hat. Das sollte sich Österreich als Leitmotto auf die Fahnen heften: „Nichtstun ist keine Option.“ Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Abschließend erteile ich dem Herrn Bundesminister das Wort. – Bitte.

 


12.48.42

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister Schelling! Hohes Haus! Ich freue mich. Das ist ein guter Tag für Österreich. Mit


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 71

der sehr breiten Mehrheit, mit der dieses Hohe Haus heute den Ratifikationsprozess für das Pariser Klimaabkommen beschließen wird, ist Österreich das dritte Land in der Europäischen Union, das die Ratifikation beschlossen hat. Damit zeigt die große Mehr­heit hier im Hohen Haus Verantwortung. Sie stellen sich damit auf die Seite der Er­kenntnis, auf die Seite des Lichts, wenn ich das so sagen darf. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schreyer.)

Und nun erlauben Sie mir, auch noch zu den Mächten der Finsternis ein paar Worte zu sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Samt! Wir hatten bis zum Schluss gehofft, dass das Licht der Erkenntnis auch noch über Ihre Fraktion kommt, aber leider haben Sie diese Hoffnung zerstört und mit Ihren Ausführungen gezeigt, dass die Freiheitlichen (Zwi­schenruf des Bundesrates Jenewein) die Haltung, die sie im Nationalrat eingenommen haben, auch hier im Hohen Haus fortsetzen. (Bundesrat Jenewein: Mit dem müsst ihr jetzt leben!) Sie stimmen mit dieser Stimme gegen den Klimavertrag gegen eines der wichtigsten Gesetze, die in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Sie stimmen damit gegen die Zukunft unserer Kinder (Bundesrat Jenewein: Die zerstören Sie jeden Tag mit Ihrer Politik!), und Sie stimmen damit gegen dieses lebenswerte Österreich.

Wer sich gegen diesen Vertrag stellt, steht eben auf der Seite der Finsternis, steht im Dunkeln. (Bundesrat Jenewein: Is scho recht! Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.) Sie stehen auf der Seite derer, denen die Zukunft unseres Landes, unseres Globus, denen die Schöpfungsverantwortung kein Anliegen ist. (Bundesrat Jenewein: Is scho recht!) Sie stehen damit auf der falschen Seite! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

Herr Abgeordneter! (Bundesrat Jenewein: Hier gibt es keine Abgeordneten, das soll­ten Sie als Minister eigentlich wissen!) – Sehr geehrter Herr Bundesrat Samt, „über­heblich“, „fahrlässig und gefährlich“, das waren Ihre Worte. Das ist heute die Haltung Ihrer Fraktion in diesem Hohen Haus (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und damit handeln Sie in einem Sinne gegen unser lebenswertes Österreich. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.51

12.51.10

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz den


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 72

gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit an­genommen.

12.52.352. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz erlassen, das Einkommen­steuergesetz 1988, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Kontenein­schaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Amtshilfegesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Be­wertungsgesetz 1955, das Körperschaftsteuergesetz 1988 und die Bundesabga­benordnung geändert und das EU-Quellensteuergesetz aufgehoben werden (EU-Abgabenänderungsgesetz 2016 – EU-AbgÄG 2016) (1190 d.B. und 1243 d.B. so­wie 9613/BR d.B. und 9621/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1244 d.B. sowie 9622/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Ta­gesordnung.

Ich darf auch Herrn Bundesminister Schelling herzlich bei uns begrüßen. Danke für Ihr Kommen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um die Berichte.

 


12.53.16

Berichterstatter Martin Weber: Ich berichte aus dem Finanzausschuss über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz erlassen, das Einkommensteuergesetz 1988, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalab­fluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das EU-Amtshilfegesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Bewertungsgesetz 1955, das Körperschaft­steuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert und das EU-Quellensteu­ergesetz aufgehoben werden (EU-Abgabenänderungsgesetz 2016 – EU-AbgÄG 2016).

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich berichte weiters aus dem Finanzausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 ge­ändert wird.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 73

12.54.57

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In Verhandlung stehen gleich meh­rere Gesetze. Es geht unter anderem um das EU-Abgabenänderungsgesetz, das Ver­rechnungspreisdokumentationsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Einkommensteuer­gesetz und das EU-Amtshilfegesetz. Grundsätzlich sehen wir Freiheitliche schon den einen oder anderen guten Ansatz. Zu betonen ist, dass die Schaffung eines Ver­rechnungspreisdokumentationsgesetzes eigentlich passend ist und das Ganze in Rich­tung Steuergerechtigkeit geht. Insgesamt können wir diesen Gesetzesänderungen und insbesondere dem angesprochenen Verrechnungspreisdokumentationsgesetz allerdings nicht unsere Zustimmung geben.

Warum können wir das nicht? – Festzuhalten ist nämlich diesbezüglich, dass die ver­anschlagte Obergrenze von 750 Millionen € als Konzernumsatzgrenze nach unserer Auf­fassung nicht angebracht ist. Dieses Maß ist einfach zu hoch und sollte weitaus tiefer liegen. Betroffen sind von dieser Obergrenze und der damit verbundenen Berichtspflicht in etwa nur 20 Konzerne, Stichwort Country by Country Reporting.

Hier stellt sich doch die berechtigte Frage: Was ist mit den anderen Konzernen? – Vie­le dieser anderen Konzerne liegen umsatztechnisch auch nur etwas darunter, und da wäre es unserer Meinung nach schon angebracht, dass eben auch diese Konzerne mit­einbezogen werden.

Eine weitere Frage diesbezüglich ist: Warum wurde genau bei 750 Millionen € die Grenze gezogen? Herr Minister Schelling, Sie sprechen immer von Risiken und einer eventuell zustande kommenden Wettbewerbsverzerrung, vielleicht könnten Sie mir das im Anschluss etwas ausführlicher beantworten, das wäre sehr nett.

Wir Freiheitliche sagen jedenfalls, dass diese Dokumentation weitaus früher angesetzt gehört, eine Grenze um die 40 Millionen € jährlich wäre sicherlich passender und wür­de eine echte Lösung darstellen.

Ein anderer Aspekt ist, dass Transparenz und Öffentlichkeit Vertrauen schaffen. In die­sem Fall ist es leider nicht so gegeben. Wir meinen, dass die länderbezogene Berichts­pflicht durchaus auch zugänglich sein sollte, das würde das Vertrauen in unser natio­nales Steuersystem erheblich stärken.

Wichtig und unerlässlich ist es, dass die Konzerne auch dort ihre Steuern zahlen, wo die Umsätze erwirtschaftet werden. Hier ein paar Beispiele: Google musste rund 170 Mil­lionen € an Steuer nachzahlen, bei Apple waren es sogar über 300 Millionen €. Insge­samt soll Apple in den Jahren 2008 bis 2013 knapp 900 Millionen € an Steuergeldern hinterzogen haben. Das ist eigentlich schon unglaublich. Ich denke, dass das nur die Spitze des Eisberges darstellt. Unsere fleißigen österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die KMUs können sich nicht aussuchen, wo sie ihre Steu­ern zahlen. Eine Gleichberechtigung wäre hier mehr als nur gerecht, sehr geehrte Da­men und Herren!

Abschließend betone ich, dass gerade in der heutigen verschachtelten Welt und in ei­ner Zeit, in der es mehr Großkonzerne denn je gibt, Steuertransparenz wichtig ist. Be­züglich dieses Gesetzes ist der Ansatz recht gut, es geht aber definitiv zu wenig weit, daher werden wir Freiheitliche dieser Form der Gesetzesänderung unsere Zustimmung nicht geben. Herr Finanzminister, wir fordern Sie auf, das Ganze neu zu beurteilen und die Grenze von 750 Millionen € deutlich zu senken. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.59


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 74

12.59.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zum Punkt 3 äußern, weil ich glaube, dass wir uns auch über Vereine, Wirte und Ehrenamt und so weiter bei diesem Tagesordnungspunkt unterhalten werden. Es ist unbestritten, dass das Ehrenamt einhergehend mit dem Vereinswesen einen wesentlichen Grundsatz des sozialen Umgangs miteinander, des Zusammenhalts in Österreich darstellt. Österreich ist ein Land des Ehrenamtes. Es sind einige Millionen Menschen – genau sind es, glaube ich, 3,3 Millionen –, die sich ehrenamtlich einsetzen, Millionen Stunden werden hier von vielen, vielen Vereinen geleistet. Das hat also schon einen besonderen Stel­lenwert. In Vorarlberg ist es sogar so, dass sich mehr als 50 Prozent der Bevölkerung ehrenamtlich engagieren. Das ist auch ein großer Beitrag zum Sozialkapital.

Ich bin der Auffassung, dass mit dieser gesetzlichen Lösung, die wir nun haben, ein gu­tes Miteinander von Vereinen und Gastronomen möglich ist. Das war in dieser Diskus­sion auch einer der ganz großen Kritikpunkte, weil es ja auch um die Einführung der Registrierkassa geht.

Wir wissen, dass eine Steuerreform auch mit klaren Vorstellungen, die der Finanzmi­nister hat, entsprechend zu finanzieren ist, und wir wissen auch, dass die Menschen seit einigen Monaten wirklich von dieser Steuerreform profitieren, dass viele mehr Geld zur Verfügung haben. Das zeigt zudem die Konjunktur, die inzwischen stärker ange­sprungen ist. Man muss ganz klar sehen, dass das einen Effekt erzielt hat. Hier muss man Finanzminister Hans Jörg Schelling einmal vor den Vorhang holen und sagen: Dan­ke für diese Steuerreform, Herr Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

Man hat kritisiert, es sind da die politischen Parteien mit im Zug und es gibt Feste, die von Parteien organisiert werden, da ist wirklich ein medialer Sturm über uns hereinge­brochen. Aus Vorarlberger Sicht sage ich jetzt ganz klar: Derartige Feste von Parteien sind in Vorarlberg unüblich, die gibt es nicht. Ich kenne auch keine derartigen Festivi­täten in Tirol und Salzburg, über die sich die Parteien dann sozusagen finanzieren wür­den. Es gibt wahrscheinlich in Oberösterreich und Niederösterreich kleine Parteifeste. Es ist mir aber schleierhaft, wieso man daraus eine Parteienfinanzierung macht, denn meistens werden diese geringen erzielten Gewinne für gemeinsame Aktivitäten oder so­ziale Zwecke und keineswegs zur Parteienfinanzierung verwendet, wie das öfters an­gedeutet wurde.

Hinsichtlich dieses Konfliktes zwischen Wirten und Vereinen, die man mit diesem Ge­setz wirklich auseinanderzuhalten versucht hat, sagt man, dass es um eine Summe von 100 Millionen € geht, die die Vereine sozusagen lukrieren und damit den Wirten wegnehmen. Aus meiner Sicht kann ich nur anfügen, dass ich nicht glaube, dass diese Rechnung von einem Mathematiker erstellt worden ist.

Ich glaube schon, dass wir mit einer gewissen Seriosität darauf zugehen sollen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, gemeinnützige Vereine oder Organisationen, ja auch die politischen Parteien, die auf Gemeindeebene aktiv sind und im eigentlichen Sinn auch gemeinnützig agieren, mit gewerblichen Unternehmen zu vergleichen. Das wä­ren, denke ich, ein grundsätzlich falscher Zugang und ein falscher Ansatz, weil es für gemeinnützige Organisationen, also auch für politische Vorfeldorganisationen, Ein­schränkungen gibt, die es für gewerbliche Unternehmungen nicht gibt, nämlich einer­seits die gemeinnützige Verwendung von Einnahmen und andererseits die klare Ober­grenze von 15 000 €.

Auch Erleichterungen bei der Registrierkassenpflicht gehen vor allem in Richtung der gemeinnützigen Vereine und auch der Feuerwehren, die ja Körperschaften und keine Vereine sind. Wir vereinheitlichen damit zudem die Dauer der Festivitäten – nicht nur


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 75

bei der Feuerwehr, sondern auch bei den Vereinen – auf 72 Stunden, damit es da kei­nen Unterschied mehr gibt, weil das dann sicher schwer zu vergleichen wäre.

Es ist auch eine Möglichkeit, dass die Zusammenarbeit zwischen den Wirten und den Vereinen erleichtert wird. Das ist auch ein wesentlicher Punkt, damit sich Vereinsange­hörige bei gemeinsamen Festen mit einbringen können und keine Sozialversicherungs­pflicht entsteht. Ich denke, das ist auch eine gute Geschichte, ein guter Ansatz.

Darüber hinaus gibt es eine Erweiterung der sogenannten „Kalte Hände“-Regelung. Im Konkreten bedeutet das, dass ein Wirt eine zusätzliche externe Ausschank, einen ex­ternen Betrieb in der Stadt oder in einer Gemeinde, zum Beispiel bei einem Weinfest, bis zu einem Umsatz von 30 000 € betreiben kann, ohne der Registrierkassenpflicht zu unterliegen.

Auch was die Mitarbeit von Verwandten anlangt, gibt es eine entsprechend neue Re­gelung.

Dann möchte ich noch sagen – das ist ein weiterer wichtiger Punkt –, dass wir mit die­ser Änderung auch eine Aushilfskräfte-Regelung einführen, sodass an 18 Tagen im Jahr Personen, die in der Dorfgemeinschaft leben – auch familienfremde Personen –, be­günstigt beim Wirt aushelfen können.

Unter dem Strich heißt das für mich und für viele von uns: klare Regelungen für Ver­eine und verbesserte Möglichkeiten des gemeinsamen Miteinanders für Wirte. Zwi­schenzeitlich war in der Diskussion schon von Wirte-Bashing die Rede – das kann ich nun eher nicht nachvollziehen.

Abschließend geht deshalb mein Dank auch an die Wirte und die Unternehmer in dieser Branche. Sie tragen viel zum gesellschaftlichen und zum geselligen Leben in unserem Land bei. Unsere Wirtshauskultur ist ja hoch gelobt und hoch anerkannt und hat auch in der Bevölkerung einen entsprechenden Stellenwert.

Ich möchte aber auch die Ehrenamtlichen nicht vergessen, die angesprochen worden sind. Ich habe schon eingangs erwähnt, wie viele Millionen Österreicher ehrenamtlich tätig sind. Auch ihnen ein herzliches Dankeschön, ein Dank sozusagen an alle Ver­einsmeier und Vereinsmeierinnen – damit ich das auch noch gegendert sage (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – in den verschiedensten Bereichen, in den ver­schiedensten Vereinen und auch bei den Feuerwehren, also sozusagen ein vereintes Österreich zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.06


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

 


13.06.09

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Wer­te Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Das Verrechnungs­preisdokumentationsgesetz – ein wunderschönes Wort; was die deutsche Sprache wie­der alles hergibt – ist Folge der Einigung der OECD und der G20-Staaten, die Steuer­vermeidung von multinationalen Konzernen zu bekämpfen. Das ist ein wichtiges Anlie­gen. Es gibt einen Maßnahmenplan mit 15 Aktionspunkten, um die Möglichkeiten der Gewinnverkürzung und der Gewinnverlagerung, also das BEPS, das Base Erosion and Profit Shifting, zu unterbinden, damit die Gewinne eben dort besteuert werden, wo sie tatsächlich erwirtschaftet werden. Durch Gewinnverschiebung und Sonderabsprachen gehen nämlich in der Europäischen Union 160 bis 190 Milliarden € verloren – das ist gewaltig viel Geld.

Aktionspunkt 13 liegt also nun praktisch vor. Das ist die Ausstattung der Steuerver­waltungen mit ausreichenden Informationen, unter anderem mit dem von Kollegen Läng-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 76

le schon erwähnten Länderbericht, dem Country by Country Report, dem CbC Report. Den müssen Unternehmen mit über 750 Millionen € Umsatzschwelle machen. Das wä­ren in Österreich nur zirka 20 Unternehmen. Wir würden uns eine wesentlich niedrigere Schwelle wünschen, in etwa 40 oder 50 Millionen €, vielleicht in Anlehnung an die Bi­lanzierungsrichtlinie. Dann wäre zumindest 1 Prozent der Unternehmen in der EU ent­sprechend erfasst.

Des Weiteren wird das EU-Amtshilfegesetz geändert, damit der automatische Informa­tionsaustausch zwischen Steuerbehörden auf grenzüberschreitende Vorbescheide er­weitert wird – sogenannte Tax Rulings. Diese sind nach dem „Lux Leaks“-Skandal in die Schlagzeilen geraten, als sich herausstellte, dass Konzernen in EU-Staaten Steu­ervorteile gewährt wurden, dass sie teilweise sogar gar keine Steuern mehr bezahlen mussten. 2014 gab es 548 solcher Vorbescheide von Apple, Amazon, Heinz, PepsiCo, Deutsche Bank und so weiter, die da bekannt wurden.

Ich bin ja neugierig, wie das dann in diesem Bereich mit Großbritannien im Rahmen des Brexit weitergeht, ob sich Großbritannien – vielleicht dann auch „Kleinerbritan­nien“ – im Vergleich zur EU in ein Steuerparadies verwandelt. Es wird sicher spannend zu beobachten sein, welche Abmachungen da gemacht werden.

Ein Problem, das wir sehen, ist, dass dieser Austausch nur ab 2012 erfolgt. Also die älteren Absprachen – auch wenn sie immer noch gültig sind – sind nicht im Regime. Und zwischen 2012 und 2017 erfolgt dieser Austausch nur in sehr eingeschränkter Form. Die Kommission bekommt nur einen Teil der Infos – nur statistisch aufbereitet – und kann daher das Tax Ruling nicht wirksam bekämpfen, obwohl bekannt ist, dass zum Beispiel ein Konzern wie IKEA durch Steuerabsprachen seine Zahlungen de facto gegen null he­rabgesetzt hat.

Das bringt mich zum größten Defizit der ganzen Regelungen, und zwar ist das die fehlende Öffentlichkeit. Wir sind davon überzeugt, dass erst dann, wenn die Kosten von Steuervermeidung durch eine solch aggressive Steuerplanung für Unternehmen durch Reputationsverlust wirklich steigen, und erst dann, wenn die Europäische Union auch ausreichend Daten bekommt, man diese schreiende Ungerechtigkeit wirksam bekämp­fen kann. Das ist auch notwendig, denke ich, für die europäische Öffentlichkeit, für eine andere Glaubwürdigkeit und eine andere Akzeptanz dessen, was die EU tut oder nicht tut oder unterlässt, wenn sie da wirklich wirksam gegen diese aggressiven Steuerpla­nungen et cetera vorgehen kann und das auch tut.

Zu diesem Punkt wurde ja dann von der Koalition im Nationalratsausschuss ein Abän­derungsantrag eingebracht, nämlich die Ausnahmen zur Registrierkassenpflicht, auf die mein Vorredner so umfangreich eingegangen ist. Wenn es einen Preis für die Ein­führung eines an sich sinnvollen Gesetzes mit maximaler Verärgerung der Betroffenen geben würde, wäre die Registrierkassenpflicht ein ernst zu nehmender Sieganwärter. Ich glaube, dass das durch diese Ausnahmebestimmungen noch gesteigert wird. Man befriedet Almhütten und Zeltfestveranstalter, das heißt, das Spannungsfeld zwischen Zeltfestveranstaltern und Wirten bleibt bestehen oder kommt nun wieder hoch. Und als Tüpfelchen auf dem i erhalten auch politische Parteien für ihre Bezirks- und Ortsorgani­sationsfeste die steuerliche Begünstigung und können die Einnahmen auch für politi­sche Zwecke verwenden.

Mich macht das schlicht sprachlos. Das zeugt von einer Abgehobenheit, die mir eigent­lich unverständlich ist.

Es wird Sie also nicht überraschen, wenn wir hier nicht zustimmen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der FPÖ.)

13.12



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 77

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Lindinger zu Wort. – Bitte.

 


13.12.04

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist bereits sehr viel über die Vereine und über Registrierkassen gesagt worden, es ist aber noch nicht alles gesagt. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, nächstes Jahr können wir gemäß Artikel 12 des Staats­grundgesetzes von 1867 ein Jubiläum feiern, denn seither haben alle Menschen das Recht, Vereine zu bilden. Das heißt, nächstes Jahr können alle Vereine Vereinsfeste ma­chen: 150 Jahre Vereinsrecht – und ganz Österreich feiert! – Nein, so wird es ja nicht sein.

Vereine haben ja auch in vielen Bereichen in Österreich eine gesellschaftliche Ver­pflichtung übernommen. Es gibt derzeit 116 000 gemeldete Vereine gemäß zentralem Vereinsregister. Die Zahl der Vereine hat sich seit den Sechzigerjahren verdreifacht, weil früher sehr viel ohne Vereinswesen geschafft beziehungsweise gemacht wurde. Die Vereine, die sich heute bilden, sind jedoch auch im gesellschaftlichen Bereich sozial tä­tig und ein Faktor in der Wirtschaft.

Es gibt 200 000 Vertragsverhältnisse. Das heißt, die Vereine haben Angestellte, das sind 5,2 Prozent der Erwerbstätigen. Geschätzte Damen und Herren, das ist ja ein wirtschaftlicher Faktor. Es ist ja nicht nur ein sogenannter Sparverein ein Verein, son­dern es gibt sehr viele große engagierte Vereine, die auch in der Wirtschaft und im so­zialen Bereich tätig sind. Diese Vereine und das Engagement ihrer Mitglieder sind ge­schätzt. Es werden wöchentlich 7,9 Millionen Stunden von Ehrenamtlichen geleistet. Das ist für die Volkswirtschaft unschätzbar.

Wir werden heute das sogenannte Maßnahmenpaket zur Stärkung der gemeinnützigen Vereine und der kleinen Betriebe beschließen. Wir haben schon von der „Kalte Hän­de“-Regelung gehört: Für Unternehmerinnen und Unternehmer soll das außerhalb ihrer festen Betriebsräumlichkeiten gelockert werden. Das ist auch gut so. Ich weiß, wie das funktioniert, denn ich stamme von einem Dorfwirtshaus ab und war auch schon Ver­einsobmann. Ich war also in allen Bereichen tätig. Mein Sohn führt noch immer einen Gastronomiebetrieb. Wir wissen, was es bei großen Festen bedeutet, wenn man Per­sonal braucht und kurzfristig anstellen muss. Es hat da immer Probleme gegeben. Nun aber kann man von einer klaren Regelung ausgehen und mit einer Unterstützung der Betriebe rechnen, damit man auch kurzfristig Verstärkung bekommt.

Der Kantinenbetrieb in verschiedenen Bereichen – es geht dabei hauptsächlich um Fuß­ballvereine – wird nicht von der Registrierkassenpflicht erfasst. Wir, die wir auf den Fuß­ballplatz gehen, kennen das doch, wenn die Jugend mit dem Sechsertragerl dort durch­marschiert und Getränke verkauft und vielleicht pro Getränk 50 Cent in ihre Kassa be­kommt, dann ist das ja für den Verein, dann machen das ja die Eltern.

Es darf nun auch bei den Vereinsfesten mitgeholfen werden, unter dem Motto Feuer­wehr hilft Musik, Musik hilft dem Sportverein, Sportverein hilft einem Sozialverein. Man hilft und unterstützt sich also gegenseitig in einem Ort.

Aber auch die Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Gastronomie ist wichtig. Ich ste­he auch als Bürgermeister dafür, denn wir haben eine große Sportanlage verpachtet, in der Vereine tätig sind. In dieser Sportanlage sind acht Sektionen, acht verschiedene Vereine tätig, also ein Verein mit einem großen Dachverein. Alles ist möglich, man muss nur miteinander reden.

Der Kantinenbetrieb ist maximal 52 Tage im Jahr geöffnet. Wir wissen, dass es beim Fußballverein nicht nur um Meisterschaftsspiele geht. Es geht nicht nur darum, dass er


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 78

heute ein Heimspiel hat und in 14 Tagen wieder. Es ist ja tagtäglich in diesen großen Vereinen Trainingsbetrieb, dafür zahlen sie auch Steuern und Abgaben. Es ist halt bei der Registrierkassenpflicht ganz wichtig, dass wir mit diesen 30 000 € eine Grenze ein­ziehen.

Ich komme nun zu den politischen Parteien. Ich glaube, Frau Kollegin Reiter, dass Sie da ein wenig realitätsfremd sind. (Heiterkeit der Bundesrätin Reiter.) Wissen Sie, was kleine Ortsparteien für die Gemeinschaft in den Gemeinden machen, bei einem Mai­baumaufstellen, bei einem Kinderfest, ja vielleicht sogar bei einem kleinen Frühschop­pen nach einem Maiaufmarsch? – Ich weiß, dass das Geld meistens zum Beispiel als Spende für den Ankauf eines Spielgerätes im Kindergarten oder in der Krabbelstube oder in anderen Bereichen verwendet wird. Ich kenne die Funktionärinnen und Funktio­näre vor Ort. Wenn man diese nicht unterstützt hätte und diese Möglichkeit geschaffen hätte, dann wäre ein Teil der Parteienlandschaft, der Kultur, die man auf dem Land hat, quer durch den Gemüsegarten und alle Farben der Parteien, zerstört worden. Ich ken­ne viele Parteiorganisationen auf dem Land, und ich kenne keine, die den Wert von 15 000 € Jahresumsatz überschreitet. (Ruf bei der FPÖ: Ja, weil es 50 Vorfeldorgani­sationen gibt! – Zwischenruf der Bundesrätin Posch-Gruska.) – Ich kenne keine, die das überschreitet. Es kommt auch auf die rechtliche Situation der jeweiligen Partei an (Zwischenruf bei der FPÖ), und das ist von Partei zu Partei unterschiedlich.

Ich glaube doch, dass wir da etwas geschaffen haben, sodass weiterhin die Möglich­keit besteht, für die Gesellschaft im Ort einen Beitrag zu leisten.

Erwähnen möchte ich auch, dass der Gemeindebund bereits ein Informationsblatt über Änderungen im Zusammenhang mit Vereinsfesten herausgegeben hat, nämlich mit al­len Erläuterungen, zu kleinen Vereinsfesten, zu gemeinnützigen Vereinen und so wei­ter, alles genau erläutert, auch in Bezug auf die Dauer der Veranstaltungen, die Aus­weitung von 48 auf 72 Stunden. Rechnet man nämlich die Zeit von Freitag 18 Uhr bis Sonntag 18 Uhr, dann kommt man auf die 48 Stunden. Mit einem einfachen Fest, das 24 Stunden dauert, sind wir dann bei 72 Stunden. Ein Verein kann also eineinhalb Fes­te machen.

Interessant ist aber, und das freut mich wirklich, dass der Gemeindebund als Ab­schluss in diesem Merkblatt schreibt: Die Beschlussfassung im Bundesrat sowie die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bleiben abzuwarten. – Das heißt, man schätzt schon die Tätigkeit des Bundesrates, indem man darauf hinweist, dass abzuwarten ist, ob hier ein Einspruch von uns kommt oder nicht.

Geschätzter Herr Bundesminister, ich bedanke mich dafür, dass durch diese Regelung Erleichterungen für Vereine und Gastronomie geschaffen wurden. Damit ist die große Aufregung ein wenig gemildert worden.

Wir werden dieser Regelung zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.21


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Zwazl das Wort. – Bitte.

 


13.21.14

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich habe mich heute sehr gefreut, als der Landeshauptmann der Steiermark gesagt hat: Man muss die Wirtschaft entlasten. Man muss schauen, dass es weniger Beauftragte, weniger Dokumentationspflichten gibt. Für uns von der Wirt­schaft ist es vor allem wichtig, dass es einen fairen Wettbewerb gibt und dass wir uns auf unsere Produkte, die Weiterentwicklung und auf unsere Dienstleistungen konzen­trieren können, dass wir eben unser Geschäft machen können, für unsere Kunden da sein und eben im Wettbewerb bestehen können.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 79

Deshalb begrüße ich das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz, denn da geht es um das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen durch multinationale Unter­nehmensgruppen. Das dient ganz einfach der Steuervermeidung, und da brauchen un­sere Finanzbehörden mehr Informationen zur Verrechnungspraxis großer Unterneh­men. Das ist eine Verordnung, die wir begrüßen, aber da muss man eben auch schau­en, dass sich die Bürokratie nicht auswächst.

Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist auch mit der Anpassung in Bezug auf die Registrierkasse verknüpft; und da gibt es Änderungen, die über die Registrierkassen­thematik hinausgehen. Ich habe heute meinen Vorrednern aufmerksam zugehört, aber ich bitte auch um Verständnis für meine Ausführungen.

Wir alle wissen, bis zu einem Jahresumsatz von 15 000 € werden politische Vereine und ihre Vorfeldorganisationen die gleichen Vorteile genießen wie gemeinnützige Ver­eine und Körperschaften öffentlichen Rechts. – Noch einmal, ich bekenne mich klar zu unseren gemeinnützigen Vereinen; und die gibt es ja in vielen Schattierungen, da kann es um die Förderung der Kunst und Wirtschaft gehen, um Gesundheitspflege, um Er­ziehung, Berufsausbildung, Volksbildung, um Denkmalpflege und so weiter. Auch ein großes Dankeschön an die Freiwilligen! Wir wissen, wir könnten das ohne die Freiwil­ligen nicht bewältigen.

Das heißt aber auch, dass künftig alle politischen Parteien und ihre Vorfeldorganisa­tionen, wie Jugend, Senioren, Frauen und so weiter, auf der Ebene von Katastralge­meinden Feste mit Verabreichung von Speis und Trank veranstalten können. Die Ein­nahmen aus diesen Aktivitäten sind bis 15 000 € pro Jahr steuerbefreit und können nach Gutdünken zur Finanzierung von parteipolitischen Aktivitäten herangezogen wer­den, und die Möglichkeiten sind hier sehr breit gefächert.

Unser Bundesobmann des Fachverbands Gastronomie in der Wirtschaftskammer hat das durchgerechnet und gesagt: Wir haben in Österreich 7 850 Katastralgemeinden. Wenn allein die Jugendorganisationen von Parteien derartige Feste veranstalten, könn­ten damit theoretisch Einkünfte bis zu 235 Millionen € erzielt werden.

Ich muss euch sagen, denkt einmal an die Gastwirte! Was machen die Gastwirte in der Ortschaft? Sie können zuschauen. Ich weiß, im Nationalrat ist argumentiert worden, dass lokale Parteiorganisationen Teil der Zivilgesellschaft sind, vor allem in unseren ländlichen Regionen. Das ist selbstverständlich, das bestreite ich nicht, aber ich sage auch: Sind unsere Gastwirte nicht auch Teil der Zivilgesellschaft? (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der SPÖ.) – Wenn ihr (in Richtung FPÖ) jetzt applaudiert, macht ihr mir gar keinen Gefallen, aber ich bedanke mich. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Unsere Gastronomie schaut da ganz einfach zu. Und ihr kennt ja das Sprichwort, es heißt: Stirbt der Wirt, stirbt der Ort. – Das muss man sich schon überlegen, denn un­sere Gastronomen haben sechs Tage in der Woche offen, und da ist es schon sehr wichtig, dass sie die Chance haben, Geschäft zu machen. Als Selbständige verstehe ich das, wenn man hier Angst hat, dass man durch die Vielfältigkeit und durch das Ausweiten – das darf man nicht vergessen, es kann passieren, dass jemand da Angst hat – einfach zu wenig Umsatz macht. Unsere Gastronomie sieht diese Regelung als verfassungswidrige Ungleichbehandlung an und wird sie vor den Verfassungsgerichts­hof bringen. Ich unterstütze das.

Deshalb kann ich heute hier nicht stehen und zustimmen, obwohl es mir irrsinnig leid tut, weil so viel in dieses Gesetz, das zu beschließen ist, hineingepackt wurde. Ich kann nicht diese Klage unterstützen und gleichzeitig heute zustimmen. Ich bitte um Ver­ständnis dafür. Ich bin selbständig, ich bin Unternehmerin, ich komme aus einem klei­nen Betrieb und ich stehe voll und ganz zu unseren Klein- und Mittelbetrieben.


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Kollege Lindinger hat die Ausweitung von 48 auf 72 Stunden schon erwähnt. Das freut uns nicht. Und natürlich freut es uns auch nicht, dass die Sportkantinen jetzt 52 Tage offen haben. Ich denke, die Buben sollen gar nicht mit dem Sechsertragerl Bier mar­schieren, denn die sollen überhaupt kein Bier trinken. Wenn ich Sport betreibe, sollte ich alkoholfreie Getränke zu mir nehmen. Vielleicht könnte man das auch einbringen.

Noch einmal, denkt daran, wie es unseren Gastwirten jetzt ergeht! Wir alle wissen, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und überhaupt die Bedingungen nicht ein­fach sind. Ich weiß, dass ich mit meiner Stimme, die ich jetzt für meine Gastronomie er­hoben habe, es nicht verändern werde können, aber vielleicht überlegt ihr euch, ob, wenn solche Feste veranstaltet werden, die Wirte nicht eingebunden werden können. Und vor allem wäre es auch wichtig, dass man bei den Betrieben im Ort einkauft und nicht irgendwelchen großen Konzernen damit auch noch große Umsätze zukommen lässt. – Danke schön. (Bravorufe und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

13.28


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Posch-Gruska zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.28.16

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Sonja! Ich habe fast gewusst, dass wir zwei heute nicht einer Meinung sein würden. Ich komme auch aus einer klei­nen Gemeinde. Ich bin ganz sicher eine, die Klein- und Mittelbetriebe unterstützen und fördern will, weil das notwendig und wichtig ist.

Wir haben in unserem Bundesland die Situation, dass im vorigen Jahr sehr, sehr viele Feste abgesagt wurden, weil die Veranstalter angezeigt wurden. Feuerwehrfeste, Fes­te vom Roten Kreuz konnten nicht durchgeführt werden, weil sie angezeigt wurden. Ich gebe aber unumwunden zu, es gibt auch Feste, Drei- und Fünftagesfeste, die einen Um­satz haben, der wirklich gigantisch ist. Da muss ganz sicher etwas gemacht wer­den, und ich denke, mit diesem Gesetz bekommen wir das auch hin.

Andererseits bekomme ich gleichzeitig als Bundesrätin einen Brief von der Wirtschafts­kammer, nämlich von der Abteilung „Die Gastronomie“, in dem steht: Schaffen sich die politischen Parteien und deren Vorfeldorganisationen hier eine Legitimierung für ille­gale Parteienfinanzierung? Dies feuert die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung wei­ter an. – Daneben ist ein Foto zu sehen, wo auf einem Bierbecher steht: Achtung, kann er­hebliche Spuren von Parteienförderung enthalten! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Was heißt, das stimmt nicht? Sonja, das habe ich bekommen! (Bundesrätin Zwazl: Das ist ja nur eine …! Wir haben es gar nicht ausgeschickt!) – Wieso habe ich ihn dann? (Bun­desrätin Zwazl: Na ja, das weiß ich nicht!) – Also mir haben sie den Brief geschickt! Sonja, das passt jetzt nicht! Ich habe ihn bekommen und ich glaube nicht, dass ich die Einzige bin.

Wenn dann am 4. Juli in der „Kronen Zeitung“ die Wirtschaftskammer Österreich, Ab­teilung „Die Gastronomie“, ein einseitiges Inserat schaltet, wo wiederum in dieser Dik­tion berichtet wird, dann denke ich, das ist einfach nicht mehr fair. Wir sind Bürger­meister und Bürgermeisterinnen, wir arbeiten in kleinen Gemeinden und wir wissen, dass wir zusammenarbeiten müssen. (Präsident Lindner übernimmt den Vorsitz.)

Es ist nicht so, dass nur die Wirte von Vereinsfesten profitieren, sondern es profitieren auch Fleischhacker, Bäcker, Getränkehändler. Die Vereine arbeiten mit ihnen nämlich zusammen.

Wir haben im Burgenland eine Umfrage durchgeführt und haben unsere SPÖ-Ortsor­ganisationen und -Vorfeldorganisationen gefragt, ob sie Veranstaltungen gemeinsam


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mit Wirten machen. Wir sind mit dieser Umfrage noch nicht ganz fertig, ein Bezirk fehlt noch, aber: 42 Prozent aller SPÖ-Parteiorganisationen, -Vorfeldorganisationen arbei­ten schon mit den Wirten zusammen. Das heißt, es gibt eine Kooperation, und ich den­ke mir, dass das notwendig ist und dass das auch der Schritt sein muss, sodass wir zu einem Gemeinsamen kommen.

Es stimmt ganz sicher, was Sonja vorher gesagt hat, dass einem Dorf ohne Wirt das Leben, die Seele fehlt. In meiner kleinen Gemeinde hatten wir kurze Zeit keinen Wirt, das war keine schöne Zeit. Wir brauchen die Wirte, aber wir brauchen auch die Ver­eine und müssen auch zu diesen stehen. Daher bin ich davon überzeugt, dass es nur ein Miteinander geben kann.

Und ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Wenn die Organisationen ein Fest or­ganisieren und mit den Wirten zusammenarbeiten, bleibt die ganze Arbeit für die Orga­nisation des Festes – Tische aufstellen, Bänke herrichten, Einladungen drucken, Einla­dungen austragen, alles organisieren – bei den Vereinen, und die Wirte kommen hin und verkaufen dort. Das ist ihr gutes Recht, wir wollen das auch so. Auch ich handha­be das in meiner Gemeinde so. Es ist auch okay, aber das muss man auch sehen.

Sonja, du hast, als wir über dieses Thema diskutiert haben, schon einmal gesagt, du möchtest gleiches Recht für alle haben. Auch dazu stehe ich, das kann ich ganz, ganz sicher unterschreiben, Sonja, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen, näm­lich die 3,5 Millionen Menschen, die in Österreich ehrenamtlich tätig sind, dafür kein Ge­halt bekommen, wenn sie sich bei den Vereinsfesten hinstellen und dort arbeiten.

Ich glaube, dass die Kooperation und ein Miteinander sehr, sehr viel besser sind als ein Polemisieren, so wie wir es hier erlebt haben, oder ein gegeneinander Aufhussen. Das wird uns in den Gemeinden, in den Dörfern nicht weiterbringen. Aber ein Gemein­sames wird uns ganz, ganz sicher weiterbringen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.32


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Schel­ling. – Bitte, Herr Minister.

 


13.33.00

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling|: Herr Präsident! Ge­schätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich glaube, wir sollten bei dem zuletzt disku­tierten Thema zuerst einmal zwischen Vereinen und politischen Parteien unterschei­den, denn soweit mir bekannt ist, wird die Vereinsregelung, die ich als richtig erachte, ja nicht bekämpft, sondern es geht ausschließlich um die Frage der politischen Par­teien. Wir haben diese Regelung getroffen, weil wir Rechtssicherheit schaffen wollten, und jetzt sind die Gerichte am Wort und müssen entscheiden, ob es rechtens ist oder nicht.

Ich möchte dazu gar nicht mehr sagen. Aber ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir bei den Vereinsregelungen nun eine Regel gefunden haben, die es den Vereinen er­möglicht, solche Veranstaltungen abzuhalten, wenn sie dem Zweck des Vereins dienen. Zum anderen muss man natürlich auch dazusagen: Die Kooperation soll verbessert, er­leichtert werden. Es gibt auch einige Dinge, die wir in diesem Gesetz verändert haben, um legale Möglichkeiten zur Durchführung dieser Feste zu schaffen.

Ich möchte aber etwas dazusagen, das in diesem Zusammenhang durchaus wichtig ist: Wir wollen hier natürlich keine ausufernden Bestimmungen haben. Das ist ganz wich­tig, und deshalb auch diese Einschränkungen, die gemacht wurden.

Aus meiner persönlichen Sicht hätte auch die 48-Stunden-Regelung gereicht, man hät­te das nicht auf 72 Stunden ausdehnen müssen. Wir müssen nur sicherstellen, dass es


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für die Vereine eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Das wurde ja bisher sehr un­terschiedlich gehandhabt. Einzelne Behörden haben gesagt, das gilt insgesamt, die Zeit mit Aufbau und Abbau, andere haben gesagt, vom Schank weg. Das sind halt Dinge, die in Österreich auch passieren, und daher hat man sich entschlossen, dieses auch zu tun.

Ich glaube, dass damit sichergestellt ist, dass es Verbesserungen im Bereich der Gas­tronomie gibt, die erforderlich sind.

Ich darf Ihnen aber auch mitteilen, dass, ich glaube, noch in dieser Woche in Deutsch­land ein Gesetz für die Registrierkassen ins Parlament gebracht wird, welches, was die Registrierkassenmanipulationssicherheit anlangt, in etwa dem entspricht, was Öster­reich gemacht hat; und ich garantiere Ihnen, dass es in Deutschland darüber keine Diskussion geben wird.

Ich glaube, wir haben in der Diskussion viel zerstört. Daher ist es gut, wenn wir jetzt mit dieser Beschlusslage die Dinge – hoffentlich auch in der Diskussion – zu einem Ende bringen können.

Zum Thema der Regelungen auf EU-Ebene: Ich darf darauf hinweisen – Frau Bundes­rätin Reiter hat das richtig ausgeführt; Herr Bundesrat Längle, Sie werden das auch so sehen müssen –: Es ist ein Teil eines großen Pakets, was wir hier beschließen; es ist aber nur ein Teil davon, andere Teile werden noch kommen.

Ich darf berichten, dass auf der Ebene der Entscheidungen und bei den Räten, in dem Fall in meinem Rat, Euro und Ecofin, dieser Beschluss gefasst wurde, dass es auch eine Beschlusslage der G20 dazu gibt, dass es eine Beschlusslage der G7 dazu gibt, dass in Bezug auf den automatischen Informationsaustausch fast die ganze Welt be­reits der OECD-Richtlinie zugestimmt hat. Wir werden in den nächsten Monaten noch viele Gesetze umsetzen müssen, die auf Basis der Direktive von BEPS erlassen wer­den.

Sieht man dieses Paket als Ganzes, so wird man auch sehen, warum man sich ent­schlossen hat, europaweit einheitlich die 750-Millionen-€-Grenze zu ziehen: weil Be­triebe, die außerhalb Österreichs agieren, wenn sie in Österreich tätig sind, diese Mel­depflicht auch erfüllen müssen. Das bedeutet nicht, bezogen auf Betriebe in Öster­reich, sondern das bedeutet, der gesamte Informationsaustausch wird hier kommen.

Auch was die Frage der Vorabbescheide und Vorsteuerbescheide anlangt, darf ich auf eines hinweisen: Die Europäische Kommission ist keine Steuerbehörde. Daher hat man sich entschlossen, dass der Austausch auf der Administrationsebene der Finanzämter und der Finanzverwaltungen erfolgt und dass wir statistisch an die Europäische Kom­mission einmelden, die sich dann anschaut, ob es Verwerfungen auf der Länderebene gibt, und dann mit den jeweiligen Finanzverwaltungen agiert.

Zum letzten Punkt zu diesem Thema: Sie unterstellen in der Frage der Öffentlichkeit – ob das öffentlich einsichtig sein muss –, dass die Finanzverwaltungen nicht anständig arbeiten. Sie sagen immer wieder, nur durch den Druck der Öffentlichkeit wird das pas­sieren. Ich darf Ihnen versichern: Die Finanzverwaltungen arbeiten entsprechend gut, und wir können das auch nachweisen.

Wenn wir nun solch eine Meldung bekommen, dann wird das ein Blatt Papier sein, auf dem diese Meldung erfolgt. Und der Effekt dieser Meldung ist, dass dieses Papier so­fort in den Steuerakt des betroffenen Unternehmens kommt – und damit natürlich dem Steuergeheimnis unterliegt.

Ich darf dazusagen, dass nach meiner Information vom letzten ECOFIN-Rat die G20 beschlossen haben, dass sie dem gesamten Projekt nur beitreten, wenn der Austausch der Daten nicht öffentlich erfolgt. Daher ist es keine Ausnahme, dass wir das in Öster-


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reich machen, sondern es ist eine europaweite Geschichte. Auch der deutsche Finanz­minister hat mir erklärt, dass es aufgrund der deutschen Rechtslage gar nicht möglich wäre, das zu machen.

Daher bitte ich um Verständnis dafür, dass dieser Schritt Country-by-Country jetzt ein­mal gesetzt wird, dass es erforderlich ist, dass diese Aufnahmeeinteilungen weltweit dargestellt werden, dass aber nicht nur das passiert, sondern dass auch dargestellt werden muss, wo die Steuern bezahlt werden, und dass dargestellt werden muss, wel­che Tätigkeiten man konkret ausübt. Damit ist auch sichergestellt, dass man nicht durch irgendwelche Scheinkonstruktionen Tätigkeiten ausrichtet, die man aus dem Gesamt­volumen herauszieht. Daher ist das ein erster wichtiger Schritt.

Sie wissen, den automatischen Informationsaustausch haben wir ebenfalls beschlossen. Wir werden weitere Maßnahmen zu setzen haben, die jetzt über die BEPS-Direktive der Europäischen Kommission kommen werden.

Wir haben eine Sorge mit der BEPS-Richtlinie im Rahmen des Europäischen Rates der Finanzminister auch geäußert: Wir glauben, dass manche Teile der BEPS-Richtlinie zu sehr verwässert worden sind, sodass wir in Österreich heute schon strengere Gesetze haben, als BEPS dann vorschreiben wird.

Wir werden daher dort natürlich bei unserer Regelung bleiben, was gar nicht so einfach ist. Was zum Beispiel die Zinsschranke anlangt, ist unsere Regelung dramatisch bes­ser, und trotzdem wünscht man sich, dass wir diese aufgeben. Da haben wir sehr klar gesagt, dass wir das nicht wollen, sondern wir wollen Überzeugungsarbeit leisten, dass die bessere Lösung überall installiert wird und nicht die bessere Lösung aufgegeben wird.

Das heißt, der Schritt, den man jetzt mit diesen Maßnahmen setzt, sind im Rahmen des gesamten Pakets von BEPS zwei Punkte, die jetzt abgearbeitet werden. Weitere 13 Punk­te werden folgen, die wir entweder im Verordnungs- oder im Gesetzgebungswege ins­tallieren müssen.

Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, und ich glaube, dass es richtig ist, dass man diese Maßnahmen gesetzt hat. Dabei würde ich Herrn Bundesrat Längle um Vorsicht bitten, hier vom Rednerpult aus von Steuerhinterziehung zu reden. Das wäre nämlich ein strafbares Delikt. Wenn es sich um Steuergestaltung handelt, die legal ist, dann war das so, und der Fehler liegt dann bei den Nationalstaaten, weil sie das zugelassen haben.

Ich darf auch dazusagen, dass in der Zwischenzeit nicht nur die Betriebe betroffen sind, sondern auch die Nationalstaaten, indem die Kommission solche Rulings tatsäch­lich dem Beihilferecht unterwirft, und dadurch auch die Staaten – Belgien ist gerade ein ak­tueller Fall mit einer Nachzahlung von 700 Millionen € – bedroht sind. Das ist weit mehr als die Summen, die Sie genannt haben, die muss Belgien bezahlen, weil es solche Rulings gemacht hat, die das ermöglichen.

Was den Vorwurf der rückwirkenden Rulings anlangt: Sie wissen, dass beim Europäi­schen Parlament ein Ausschuss eingesetzt ist, der alle Rulings aufarbeitet. Daher hat man sich jetzt entschlossen, einmal bis 2012 zurückzugehen, denn die aktuelle Situa­tion, die uns die Kommission berichtet hat, ist, dass die Rulings davor bereits nicht mehr existieren oder die Länder sich verpflichtet haben, diese Rulings aufzuheben.

Ich darf an ein Beispiel erinnern: Sie kennen vielleicht dieses Spiel mit dem sogenann­ten Double Irish, der hauptsächlich zwischen Holland und Irland stattfindet und der ein sehr günstiges Modell ist, steuerschonend zu agieren. Es haben sich sowohl Irland als auch Holland dazu verpflichtet, diesen abzustellen. Das ist zwar eine alte Regelung, aber die Verpflichtung gibt es bereits.

Daher kann ich Ihnen versichern, dass wir alle Maßnahmen auf europäischer Ebene setzen werden – zum Teil werden wir es auch auf weltweiter Ebene brauchen –, um die­se Steueroasen trockenzulegen. Ich sage Ihnen nur eines: Wenn man sich die Panama


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Papers und dergleichen anschaut, haben wir zwei Effekte. Erstens: Wenn Panama auf­gearbeitet ist, gibt es daneben eine Insel, die dasselbe wieder tut, und gerade die, die sich jetzt am meisten aufregen, wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten, haben ein Re­gime, das wahrscheinlich dramatisch besser ist als das, was in Panama passiert ist. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass, wenn man nicht alle schließt, man dann immer diese Wanderbewegung hat, dass wieder irgendwo etwas auftritt. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir werden am Ende des Tages wissen, was von diesen Panama Papers übrig geblieben ist. Nach unserem jetzigen Wissen wird das möglicherweise eher so wie der Abgasskandal bei VW enden, denn die meisten Fälle, die bisher europaweit untersucht wurden, unterliegen offensichtlich der Legalität des Systems, und alle Maß­nahmen, die wir gesetzt haben, weisen darauf hin, dass die Meldepflichten ein­gehalten wurden.

Das bedeutet, wir arbeiten jeden einzelnen Fall auf, wir haben eine sogenannte Task­force Offshore bei uns installiert, die alle diese Probleme aufarbeitet, und wir werden sehen, ob es am Ende des Tages wirklich steuerrechtliche Verfehlungen gibt, die zu ahn­den sind. Wahrscheinlich wird es solche geben, die Mehrheit allerdings dürfte aufgrund der Gesetzgebung, die international besteht, legal gemacht worden sein. Daher ist es umso notwendiger, dass man zum Beispiel so Dinge wie das Country-by-Country-Re­porting jetzt einführt, um auch diese Möglichkeiten nicht mehr zuzulassen.

Wir kämpfen seit Langem dafür, dass da verschärfende Maßnahmen gesetzt werden. Die Endentwürfe für die BEPS-Regelung auf europäischer Ebene sind in Endausarbei­tung, wir werden sie im Herbst vorgelegt bekommen. Dann werden die zuständigen Gre­mien diese Beschlüsse fassen, und ein Teil davon wird nationalstaatlich umgesetzt wer­den. Sie sind dann wieder gefordert, die Beratungen dazu aufzunehmen und die entspre­chenden Beschlüsse zu fassen.

Ich glaube daher, dass diese Maßnahme, die jetzt gesetzt wird, der richtige Schritt in die richtige Richtung ist. Viele Maßnahmen werden noch folgen, aber Europa ist fest ent­schlossen, dieser Frage von Steuerverschiebung und Steuergestaltung einen Riegel vor­zuschieben.

Ein Problem, das wir nicht lösen können, das sage ich gleich dazu, ist die Frage der Steuerhöhen. Wir diskutieren seit vielen Jahren die Frage einer vereinheitlichten Be­messungsgrundlage, nicht einer vereinheitlichten Steuer, sondern nur einer Vereinheit­lichung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer. Auch das wird weiter be­arbeitet, aber es ist nationales Recht, die Steuerhöhen festzulegen, und dadurch ist na­türlich auch ein bestimmter Gestaltungsspielraum in der Fragestellung.

Wenn Sie gerade den Brexit mitverfolgt haben: Der zwischenzeitlich zurückgetretene Finanzminister George Osborne hat angekündigt, die Steuern dramatisch zu senken, um dem Standort weiterhin Attraktivität zu geben, die er durch den Austritt aus der Eu­ropäischen Union verlieren wird. Da gibt es keine Einflussmöglichkeit, wenn die Kör­perschaftsteuer gesenkt wird, dann ist das eine nationalstaatliche Entscheidung. Aber die Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage würde uns schon deutlich weiterhel­fen, solche Dinge zumindest zu minimieren. Daran wird weiterhin gearbeitet, damit wir da zu einem vereinheitlichten System und zu einer Gleichbehandlung im Steuerrecht kom­men. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.44


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Gibt es noch eine Wortmeldung? – Bitte, Frau Kollegin Zwazl.

 


13.44.43

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Ich möchte jetzt nur sagen, weil du das Sujet mit den Wirten hergezeigt hast (Bundesrätin Posch-Gruska: Jetzt bin ich


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wegen dir nicht hinausgegangen!): Das ist nur mit einem Brief an die Nationalräte und Bundesräte gegangen, das wurde sonst überhaupt nicht öffentlich publiziert. Sie haben das jetzt gezeigt, aber ich bedanke mich auch für die Klarstellung: Es geht nicht um die gemeinnützigen Vereine, es geht nur um die Ausweitung der Gemeinnützigkeit auf die ganzen politischen Vorfeldorganisationen, weil hier natürlich für unsere Gastronomie ge­rade im ländlichen Raum eine ungeheure Konkurrenz entsteht.

Ich bitte noch einmal, hier auch Verständnis für unsere Gastronomie zu haben. Ver­steht das, unsere Wirte haben Angst um ihre Existenz und sie haben das überhaupt nicht öffentlich publiziert, darauf lege ich Wert! – Danke schön.

13.45


Präsident Mario Lindner: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Ze­lina.

 


13.45.58

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Fi­nanzminister! Ich möchte auch noch ein paar Worte zu den Gewinnverschiebungen sa­gen.

Es ist sicher eine Illusion, wenn wir glauben, dass wir die internationalen Gewinnver­schiebungen abstellen können. Steueroasen wird es immer geben, und es gibt einige Inseln, wo überhaupt kein Zugriff möglich ist, weder von der Europäischen Union noch von Amerika. Nehmen wir die Cookinseln oder ähnliche her, Steueroasen werden wir nicht loskriegen. Sie haben keine Chance gegen Gewinnverschiebungen, Sie können nicht verhindern, dass ich eine Einkaufsgesellschaft in Hongkong gründe und hier aus europäischen Unternehmen Gewinne abziehe. Sie können nicht verhindern, dass ich eine Finanzierungsgesellschaft in einer Steueroase gründe und hier Gewinne abziehe. Sie werden auch nicht verhindern können, dass ich Markenrechte auf einer Steuerinsel habe.

Deswegen sind diese Konzern-Meldepflichten gut, damit man sieht, wie viel Umsatz das Unternehmen macht, wie viel Personal es hat und dass es eigentlich relativ wenig Steuern zahlt. Es ist gut, dass man das zumindest erkennt, aber verhindern wird man Steueroasen nicht können. Da müsste man anders ansetzen, und zwar nicht bei einer Gewinnbesteuerung, sondern mein Vorschlag ist, dass man auf den Umsatz geht. Sie sagen immer, dass dort besteuert werden muss, wo der Gewinn anfällt. Der Gewinn fällt natürlich woanders an, wenn er verschoben wird, und die Verschiebung kann man nicht verhindern, weil es eben legal ist, wie das der Herr Finanzminister gesagt hat.

Das heißt eine Besteuerung am Umsatz für die großen Unternehmen, für die interna­tionalen Konzerne, man besteuert in dem Land, wo der Umsatz anfällt. Wenn das 1 bis 2 Prozent sind – das wird von Branche zu Branche verschieden sein –, dann hat man das im Griff. Ansonsten, würde ich sagen, schauen wir, dass wir die kleinen Unterneh­men hier in Österreich überleben lassen, dass alle unter 30 000 € Umsatz nicht besteu­ert werden, und darüber hinaus sollen dann die Regelungen gelten. – Vielen Dank.

13.47


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

 


13.48.03

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Ich möchte nur kurz klar­stellen: Die Europäische Kommission und der ECOFIN-Rat werden eine Vorlage brin­gen, dass alle Länder, die nicht kooperationsbereit sind und in diesem System mitwir­ken werden, tatsächlich auf einer Schwarzen europäischen Liste landen werden. Das heißt, es werden alle davon bedroht sein, dass es dort effektive Sanktionen gibt. Sie wissen, dass es auch Organisationen gibt, die sich mit Geldwäsche und Terrorismus-


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finanzierung beschäftigen. Diese Schwarze Liste wird dann dort unglaubliche Auswir­kungen auf die Kapitalmärkte haben, wo ein Land auf der Schwarzen Liste ist. Was nicht geht, ist, dass man einfach eine Liste erstellt und sagt, wir machen nicht mit, son­dern sie müssen klarstellen, dass sie nicht kooperationsbereit sind. Und wer nicht ko­operationsbereit ist, wird auf die Schwarze Liste kommen, und dann werden wir einen Großteil der Länder dazu bewegen können, möglichst rasch Maßnahmen zu setzen, um die Schwarze Liste wieder zu verlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.49

13.49.00

 


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein EU-Abgabenänderungsgesetz 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit ange­nommen.

13.50.044. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Haftungsgesetz-Kärnten erlassen und das Bundeshaftungsobergrenzen­gesetz, das ABBAG-Gesetz, das Bundesgesetz zur Schaffung einer Abbaueinheit und das Finanzmarktstabilitätsgesetz geändert werden (1152 d.B. und 1245 d.B. sowie 9623/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um den Bericht.

 


13.50.21

Berichterstatter Martin Weber: Herr Präsident! Ich darf aus dem Finanzausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Haftungsgesetz-Kärnten erlassen und das Bundeshaftungsobergrenzen­gesetz, das ABBAG-Gesetz, das Bundesgesetz zur Schaffung einer Abbaueinheit und das Finanzmarktstabilitätsgesetz geändert werden, berichten.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich ersuche um Zustimmung.

 


Präsident Mario Lindner: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 



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13.51.18

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Wir kommen jetzt zu einem eher unschönen Thema, zu Österreichs Skandalbank, der ehemaligen Hypo Alpe-Adria, die 2014 in die Bad Bank HETA umgewandelt wurde. In diesem Gesetz geht es auch um eine Abbaugesellschaft, die im Zuge dieser Bad Bank gegründet werden musste.

Es ist ein Bail-out-Verfahren, das heißt, der Steuerzahler kommt zum Handkuss, was wir von der Freiheitlichen Partei natürlich in jeder Hinsicht ablehnen. Sie, sehr geehrter Herr Finanzminister, können aber nichts dafür, Sie sind seit 2014 dabei und haben na­türlich keine andere Chance als ein Bail-out-Verfahren gehabt, weil Sie die Landeshaf­tungen von Kärnten praktisch im Rücken gehabt haben, und da kann man natürlich schlecht mit der Gläubigergruppe verhandeln. Ein – wie soll man sagen? – Konkurs Kärn­tens wurde nicht ernsthaft angedacht. (Bundesrat Mayer: Und wer hat es verbrochen?) – Moment, ich glaube, als Nicht-Kärntner und Wiener erlaube ich es mir, vielleicht emo­tionsloser und sachlicher als die Kärntner an die Sache heranzugehen. Nachher kom­men noch einige Kärntner zu Wort, die werden das dann in ihrer Art darstellen. Ich glau­be, ich darf das eher nüchtern abhandeln.

Der Konkurs Kärntens wurde nicht ernsthaft angedacht, daher ist Ihnen nichts anderes übrig geblieben, als darauf einzugehen.

Die Schadenssumme beträgt insgesamt 12,5 Milliarden €, sie wird wahrscheinlich noch ansteigen, ein paar Klagen laufen jetzt schon wieder und sind praktisch anhängig. Der Gesamtschadensfall, der hundertprozentige Forderungsausfall wären 18 Milliarden €, also hat diese Skandalbank, diese Monsterbank, möchte ich sagen, praktisch 70 Pro­zent – das muss man sich einmal vorstellen! – aller Forderungen versenkt. Diese Lan­deshaftungen werden nur deswegen schlagend, weil man sie der Gläubigergruppe prak­tisch nicht zurückzahlen kann, weil das Geld einfach nicht vorhanden ist, weil es ver­senkt worden ist. Das ist eine unglaubliche Schadenssumme, das muss man erst ein­mal zustande bringen!

Als ich mich diesem Thema gewidmet habe, habe ich versucht, aus der historischen Perspektive zu beleuchten, warum sich die Bundesregierung – das ist für mich die ent­scheidende Frage – so lange geweigert hat, eine Abwicklungsgesellschaft zu gründen beziehungsweise diese Monsterbank einfach in Konkurs zu schicken. Diese Frage ha­be ich mir gestellt, und die Angst der österreichischen Bundesregierung seit 2009, seit das Ganze ja am berühmt-berüchtigten 13. Dezember 2009 – darauf komme ich noch – verstaatlicht worden ist, diese Bank in Konkurs zu schicken, ist für mich einzigartig.

1873 – wenn ich eine kurze historische Perspektive beleuchten darf – war die erste Welt­wirtschaftskrise, nicht 1929, da war die zweite; die erste war 1873, der Gründer­boom war danach, als dieses schöne Haus dann anschließend gebaut worden ist, als das Fin de Siècle in Österreich entstanden ist, die Industrien und 60 Prozent der heutigen Bau­substanz stammen noch immer aus dieser Zeit.

1873 war Wien die zweitgrößte Börse Europas. Das ist kaum zu glauben! Über hundert Banken sind 1873 in Konkurs gegangen. Was ist passiert? – Nichts ist passiert! Wir hat­ten ein einmaliges Gründerszenario, der Markt hat sich selbst bereinigt, die Banken ha­ben sich selbst von den schlechten Banken getrennt, es wurde eine Epoche, das Gol­dene Zeitalter Österreichs. Die USA haben vor sechs, sieben Jahren das Gleiche ge­macht, haben 400 bis 500 Banken einfach in den Konkurs geschickt. In Österreich ist das nicht passiert.

Das Interessante an diesem Thema ist ja, dass genau das Szenario, das an diesem be­rühmt-berüchtigten Sonntag, am 13. Dezember 2009, in ein paar Stunden abgehandelt worden ist, das Argument, warum die Bank verstaatlicht werden musste, ja jetzt einge­löst worden ist: Wir haben das Schreckensszenario mit 70 Prozent Forderungsausfäl-


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len. Wir haben die Landeshaftungen, die schlagend geworden sind. Ein paar Prozent­punkte haben Sie retten können, keine Frage, aber mehr war nicht drinnen. Das geste­he ich Ihnen schon zu, mehr war da wirklich nicht drinnen in den Verhandlungsspielen, und die Bank wurde richtigerweise in den Konkurs geschickt, aber um Jahre zu spät!

Jetzt interessiert mich die historische Perspektive – das wird sicherlich noch Jahrzehn­te später abgearbeitet, da hat man dann einen nüchterneren Blick auf diese ganze Sa­che –: Was passierte an diesem 13. Dezember 2009?

Wenn Bundeskanzlerin Merkel, die für ihre lange Entscheidungsdauer bekannt ist, am Sonntag zum Telefon greift und hier in Österreich die Bundesregierung aus ihren priva­ten Gemächern hervorholt, dann ist wirklich Feuer am Dach. Frau Merkel hat unheim­lich toll verhandelt, sie hat diesen Bankenskandal zur Chefsache erklärt.

Ich habe mir erlaubt, einen Vergleich mit der deutschen WestLB anzustellen, denn die kann man ungefähr mit der österreichischen Hypo Alpe-Adria vergleichen. Diese WestLB, die deutsche Skandalbank, eine Geschäftsbank im Nobelviertel, im Geschäftsviertel Düs­seldorfs in Nordrhein-Westfalen, wo sich praktisch die Reichen die Hand geben, das war wirklich eine Systembank, das war eine systemkritische Bank. Frau Merkel hat ge­sagt: Nein, ich schicke diese Bank in den Konkurs. Sie ist es nicht wert, erhalten zu wer­den, geben wir ihr den Sanctus und beerdigen wir sie.

Im Dezember 2009 – parallel zu ihrem Anruf hier in Österreich –, hat sie bereits in Nord­rhein-Westfalen in Düsseldorf die erste Abwicklungsanstalt als Bad Bank gegründet. Zu Österreich hat sie gesagt: Ihr Österreicher müsst sie zurückkaufen, wir tun uns das kein zweites Mal an! Und Österreich, die damalige Bundesregierung, hat sich leider hier ganz gewaltig getäuscht, weil sie die Tendenzen, was sie hier entschieden hat, über­haupt nicht erkannt hat, diese weitreichende Entscheidung, die sie selbst unabhängig in wenigen Stunden getroffen hat, was ihr eigentlich gar nicht zugestanden wäre.

Dazu kommt, dass diese WestLB auch Haftungen gehabt hat, auch Landeshaftungen, zwar nicht so hoch, aber auch 8,2 Milliarden € Landeshaftungen von Nordrhein-West­falen und zirka 5 Milliarden € von den Sparkassen in Nordrhein-Westfalen. Auch Frau Merkel hat einen Käufer gesucht, sie hat ihren ehemaligen Parteikollegen Friedrich Merz vorausgeschickt: Verkauf mir, bitte, diese Monsterbank, wir wollen die hier in Deutsch­land nicht haben. Sie hat Morgan Stanley beauftragt: Verkauft diese Monsterbank, wir wollen sie in Deutschland nicht haben! – Sie hat keinen Käufer gefunden.

Die Österreicher hatten 2007 – warum auch immer; das ist ein anderes Thema – einen Käufer gefunden, die BayernLB, und am 13. Dezember 2009 fällt diesen Herrschaften in Österreich nichts anderes ein, als diese Monsterbank wieder zurückzukaufen. Das ist mir absolut unverständlich, denn die damaligen Argumente, diese Bank zurückzu­kaufen, eben damit sie nicht geschlossen wird und damit nicht die Landeshaftungen schlagend werden, sind jetzt schlagend geworden, beides ist passiert.

Dazu kommt, dass ich – ich sage es ganz ehrlich – den Deutschen mehr toughes Ma­nagement zutraue als der österreichischen Bundesregierung. Ich sage es ganz offen: In eine Frau Merkel und einen Herrn Schäuble habe ich bei der Abwicklung von Ban­ken hundert Mal mehr Vertrauen als in Österreich.

Diese WestLB hatte die vierfache Bilanzsumme der österreichischen Hypo Alpe-Adria, der Schaden ist aber nur der doppelte. „Nur“, es ist noch immer genug, der Schaden für die Deutschen, für die WestLB wird sich auf ungefähr 23 Milliarden, 24 Milliarden € beziffern, also zirka das Doppelte von Österreich bei der vierfachen Bilanzsumme.

Bei der Abwicklung einer Bank kann man also auch noch einiges herausholen, da kann man noch einiges machen. Die deutsche Bank, die WestLB, ist in fünf, sechs Jahren abgewickelt, zu Ende, wird geschlossen, ist zerschlagen – Ende der Geschichte. Ich glaube, in Österreich dauert das – soweit ich jetzt gelesen habe – noch 50 Jahre. Das


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ist ja unglaublich! Das geht noch 50 Jahre weiter mit der HETA, bis diese Bank endlich dort ist, wohin sie gehört, nämlich zerschlagen und versenkt! Es wäre ja das Logische, das Vernünftige gewesen, dass die Bank bei den Deutschen geblieben wäre: Behaltet eure Bank, ihr Bayern, die gehört euch! Frau Merkel, danke, die Bank gehört trotzdem Ihnen!

Wir hätten uns die ABBAG erspart, wir hätten uns die FIMBAG erspart, wir hätten uns die Erhaltung des Betriebs erspart und natürlich auch, sehr geehrter Herr Minister, Ihre Zeit. Ich möchte nicht wissen, wie viel Zeit Sie in diese Sache gesteckt haben, um das so zu gestalten, wie es jetzt der Fall ist. Sie hatten und haben jetzt keine andere Mög­lichkeit mehr, keine Frage. Das hätten wir uns alles erspart, und das wäre Sache der Deutschen gewesen und nicht mehr der Österreicher.

Summa summarum haben wir unheimlich viel Geld versenkt – vor allem aufgrund der Fehlentscheidung vom 13. Dezember 2009. Die Verstaatlichung ist für mich eine der größten Fehlentscheidungen der Zweiten Republik durch eine damals völlig überforder­te Bundesregierung mit unglaublichen Folgen für den österreichischen Steuerzahler. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Poglitsch. – Bitte.

 


14.00.52

Bundesrat Christian Poglitsch (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesfinanz­minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich will nicht auf die Verschwörungstheorien meines Vorredners ein­gehen und sage ganz offen: Er hat nur in einem einzigen Punkt recht gehabt: dass da sehr viel Geld versenkt worden ist. In diesem Punkt gebe ich dir recht, aber alle ande­ren Punkte gehen auf eine reine Verschwörungstheorie zurück.

Es ist viel, viel einfacher: Die Politik in Kärnten hat sich einer Bank bedient und hat sie zum Bankomaten für manche Wünsche in diesem Land, die schnell befriedigt werden mussten, gemacht. Dafür, dass die Bank das macht, hat sie Haftungen übernommen, Lan­deshaftungen in einer Höhe von 25 Milliarden € bei 2,4 Milliarden € Budgetvolumen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Da war die ÖVP aber mit dabei!) – Moment! Lass mich fertigreden! Auf die Schuldfrage kommen wir noch.

Das ist der einzige Grund, warum diese Bank so ins Straucheln gekommen ist und wa­rum das Land Kärnten ins Straucheln gekommen ist; es gibt keinen anderen Grund. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Welche Projekte damals damit finanziert worden sind, wie viel im Osten investiert wor­den ist, ist auch allen bekannt. Wir haben uns das im Hypo-Ausschuss angeschaut, was in Kroatien investiert worden ist, in welche Luftschlösser investiert worden ist, aber auch in wie viele Luftschlösser in Kärnten investiert worden ist. Da waren manche Pro­jekte dabei, die nie wirtschaftlich sein haben können, bei denen es auch keine Sicher­heit gegeben hat. Da war einfach ein korruptes Banksystem am Werken.

Ich sage Ihnen: Das Gesetz, das heute zur Beschlussfassung vorliegt, zieht endlich ei­nen Schlussstrich unter diese Causa. Dieses Gesetz gibt dem Land Kärnten endlich auch wieder Mut, vor allen Dingen den Menschen dort. Vor allem gibt dieses Gesetz – und das ist das Wichtigste – dem Land Kärnten wieder eine Zukunft, denn wir brau­chen eine Zukunft, wir brauchen Optimismus, denn ewig die Last dieser Haftung, dieser 11 Milliarden-Haftung – so hoch ist diese Haftung 2015/2016 noch gewesen – auf den Schultern, das hat das Land einfach gelähmt.

Deswegen bin ich froh und möchte allen Danke sagen, jedem Einzelnen, der hier mit­verhandelt hat, und vor allem dir, lieber Herr Bundesfinanzminister, dass man nicht mit


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dem Finger auf Kärnten gezeigt und gesagt hat: Die sollen jetzt schauen, wie sie zu­rechtkommen. Man hat sich an den Tisch gesetzt und verhandelt, wie man aus der Mi­sere herauskommen kann.

Auch die anderen Bundesländer tragen alle ihren Anteil dazu bei, und das ist auch wichtig. Auch diese haben nicht mit dem Finger gezeigt. Natürlich wissen wir, dass es auch noch bei sechs, sieben anderen Bundesländern weitere Haftungen gibt, aber nie­mals in der Höhe, wie Kärnten sie gehabt hat, nämlich in der Höhe von fast 25 Milliar­den €.

Das ist eigentlich das wahre Verbrechen der Politik, und ich sage dir auch weshalb: Man hat sehr wohl Haftungsprovisionen kassiert, und man würde keine Haftungsprovi­sionen bekommen, wenn das nicht auch ein Vorteil für die Bank gewesen wäre.

Haider, unser ehemaliger Landeshauptmann, Dobernig, Finanzreferent, und Pfeifen­berger, Finanzreferent, waren da involviert. Das ist einfach so! Ich sage auch ganz of­fen: Es waren auch die anderen Parteien in die Haftungsfrage involviert, gar keine Frage, auch die ÖVP, auch die SPÖ, aber jetzt, heute und hier geht es ausschließlich darum, dass wir endlich einen Schlussstrich ziehen, damit dieses Land eine Zukunft hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich kann mich noch sehr gut erinnern – ich war ganz jung in der Politik, in der Kommunalpolitik –, als ein Landeshauptmann durch Kärnten ge­fahren ist und überall plakatieren hat lassen und überall hinausposaunt hat: Kärnten ist reich, unsere Zukunft ist gesichert!, und, und, und. Das hat schon gezeigt, welche Groß­mannssucht da am Werk war, und das ist einer der Hauptgründe, dass wir heute so da­stehen, und nicht das, was du alles aufgezeigt hast; das war eine Verschwörungstheorie.

Deswegen verstehe ich auch die Freiheitliche Partei überhaupt nicht, warum sie nicht dabei ist (Bundesrat Pisec: Wir wären ohnehin dabei, es ist aber zu spät!), wenn wir jetzt einen Schlussstrich ziehen und sagen – egal, wie die Schuldfrage auch immer aus­geht, die Schuldfrage wird geklärt werden –: Geben wir diesem Land endlich die Zukunft, die es verdient hat! – Deswegen verstehe ich euch in der Frage nicht.

Lieber Gerhard Dörfler, bei dir verstehe ich überhaupt nicht, dass du heute hier nicht mitstimmen willst. Ich werde sehen, ob du mitstimmst, ich werde genau auf dich schau­en, denn du bist der Einzige in diesem Raum, der schon damals, als diese Frage auf­getaucht ist, in der Landesregierung in einer verantwortungsvollen Position war. Du bist der Einzige in diesem Raum! Überleg dir also ganz genau, ob nicht auch du bereit bist, heute endlich zu sagen: Ziehen wir einen Schlussstrich! (Bundesrat Dörfler: Ich brau­che da keine Ratschläge!) Du hast nämlich einen gewissen Anteil an Schuld auch auf deinen Schultern zu tragen, und das sollte dir auch immer bewusst sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte noch auf das eingehen, was du vorhin gesagt hast, wie viel Geld da ver­brannt worden ist. Wenn man die Summe von 12,5 Milliarden € auf alle Kärntner Ge­meinden, und wir haben 132 Gemeinden, aufgeteilt hätte, hätte jede Gemeinde 80 Mil­lionen € für Investitionen bekommen. Jetzt stellt euch einmal vor, was das heißt: Die hätten jeden Kindergarten, jede Schule, jeden Gehsteig, jedes Feuerwehrhaus, jeden Sportplatz saniert. 80 Millionen €! Meine Gemeinde ist eine große Gemeinde und hat ein 18-Millionen-Budget. Jetzt wisst ihr, was das für die kleinen Gemeinden mit einem Budget von 3 Millionen, 4 Millionen € bedeutet hätte.

Das erwähne ich nur, damit man sieht, wie groß dieser Schaden tatsächlich ist, der da durch ein korruptes Banksystem und auch durch eine korrupte Politik angerichtet wor­den ist – und das sage ich ganz offen hier von diesem Rednerpult aus.

Das Dramatische daran ist, dass das Land Kärnten nichts, aber rein gar nichts davon profitiert hat, aber jetzt noch jahrelang zahlen wird müssen. Es ist eine riesige Summe,


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die 1,2 Milliarden €, aber die Hauptlast trägt in diesem Fall der Bund. Das Land Kärn­ten wird sich das nur mit Schwierigkeiten leisten können, aber es wird es sich leisten kön­nen.

Ich weiß schon, lieber Gerhard Dörfler, du wirst dann herauskommen und sagen, dass du dafür bist, dass der Zukunftsfonds aufgelöst wird. Liebe Freunde, es kann ja nicht sein, dass wir einen Zukunftsfonds mit 500 Millionen € dotiert haben, die aus dem Ver­kauf der Bank stammen, und das dann in die Abwicklung nicht investieren, obwohl wir in Kärnten die Hauptlast zu tragen haben. Das wird ja niemand verstehen. Da würde ich als anderes Bundesland oder als Bund auch sagen: Liebe Freunde, so funktioniert das nicht! – Deswegen werden wir das als Erstrate bezahlen müssen.

Es wird ein steiniger Weg werden, ich habe auch mit der Landesfinanzreferentin darü­ber gesprochen. Es wird auch schwierig werden, diese Tilgung von 40 Millionen € im Jahr zu erwirtschaften. Ich bin auch der Überzeugung, dass es wahrscheinlich nicht mehr Ertragsanteile geben wird, so wie behauptet wird, dass wir 20 Millionen € mehr ha­ben werden. Wir werden es aber erwirtschaften können, aber nur dann, wenn wir im Land­tag alle gemeinsam daran arbeiten!

Heute hat der Landtag eine Sitzung gehabt und einen Beschluss gefasst. Und jetzt zu den Grünen: Da verstehe ich eure Position nicht, warum ihr das nicht mittragt, wenn Rolf Holub heute im Landtag mit seinen Abgeordneten diese Lösung mitgetragen hat, weil er genauso die Verantwortung für dieses Land übernehmen muss. (Bundesrat Dörf­ler: Weil er die Haftung mitbeschlossen hat!) Deswegen verstehe ich nicht, warum ihr auf Bundesebene diesen Beschluss nicht mittragt, einen wesentlichen Beschluss, der diesem Land endlich wieder eine Zukunft gibt, unseren Betrieben eine Zukunft gibt und endlich diese Last von unseren Schultern nimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte jedem einzelnen Bundesrat, der das heute hier mitbeschließt, aus Kärntner Sicht ein herzliches Dankeschön sagen. Wir in der Kärntner Politik sind uns völlig bewusst, dass eine Schuld zu tragen ist. Wir wer­den sie tragen, wir werden unseren Anteil zahlen, und wir werden dieses Land wieder in den Vordergrund rücken und den Menschen eine Zukunft geben. – Danke schön. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

14.08


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


14.08.27

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen und Zuseher! Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben sol­len jetzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Erwerb von landesbehafteten HETA-Schuldtiteln durch den Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds geschaffen werden. Dadurch soll eine mögliche Inanspruchnahme der Haftungen – in Summe 11 Milliar­den € – durch die Gläubiger verhindert werden.

Unsere Kritik: Die vorgesehene Lösung führt dazu, dass der Bund de facto an die fast 100 Prozent – 92 Prozent, je nach Rechnung – der Gläubigerforderungen bedient, wenn auch erst nach 13,5 Jahren im Fall der Vorranggläubiger beziehungsweise 45 Jahren bei den nachrangigen. Nominal betrachtet führt dies unter der Annahme der Inanspruch­nahme der Null-Coupon-Anleiheoption durch alle Gläubiger bis zum Laufzeitende zu ei­ner Zusatzbelastung in Höhe von 3,1 Milliarden € für den Steuerzahler.

Es sagt sich immer so leicht: der Bund. Das sind alle österreichischen Steuerzahler, die zahlen und belastet werden.

Der Bund garantiert zudem einen HETA-Verwertungserlös in Höhe von 59,9 Prozent. Geht man davon aus, dass die HETA Recovery in der Höhe der von der FMA festge-


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legten Quote von 46,02 Prozent zu liegen kommt, ergibt sich eine Zusatzbelastung von weiteren 1,4 Milliarden €.

Aus dieser Perspektive und unter den getroffenen Annahmen bedeutet das weitere 4,5 Milliarden € an Steuergeld für das Hypo-Debakel. Wir konnten nicht nachvollzie­hen, dass sich das mit Null ausgehen soll. Vom Grundgerüst her ist das nicht aufrecht­zuerhalten, leider!

Da das, was heute hier vorliegt, von uns nicht klar nachvollziehbar ist, können wir dem unsere Zustimmung nicht geben. (Bundesrat Mayer: Die Kärntner können das schon!) – Ich versuche, Ihnen das noch zu erklären. Ich habe selbst Nächte dazu gebraucht!

Erschwerend kommt hinzu, dass die historische Chance einer Verbesserung des fö­deralen Gefüges, zum Beispiel eine ökonomisch sinnvolle Ausgestaltung des Finanz­ausgleichs, nicht wahrgenommen wurde, die sich aufgrund der Drucksituation, in der sich die Länder infolge des Kärntner Haftungsdebakels und der im Hintergrund schwe­lenden Insolvenz des Landes befunden haben, ergeben hat.

Es geht hier nicht gegen Kärnten! Es war immer und auch für die Grünen im Natio­nalrat ganz klar, dass Kärnten geholfen werden muss, dass sichergestellt werden muss, dass es für die Kärntner Bevölkerung eine entsprechende Zukunft gibt, die Möglichkei­ten einer wirtschaftlichen Entwicklung und so weiter bietet. Es geht vielmehr darum, dass dieses Geld in Richtung Gläubiger geht, und zwar in einer unserer Meinung nach eigent­lich auch unverantwortlichen Höhe in Richtung dieser Gläubiger geht, wobei es sich bei diesen Gläubigern doch auch in vielen Fällen um Spekulanten handelt. Das heißt, es sind Gläubiger, die eingetreten sind, als das Ende der Bank schon abzusehen war oder die Probleme der Bank abschätzbar waren, aber diese Haftung im Hintergrund eben vor­handen war. Die sind auch nicht zu 100 Prozent eingestiegen, sondern in vielen Fällen auch darunter. Das heißt, sehr viel Geld fließt hier in die unserer Meinung nach falschen Kanäle.

Es muss der Politik gelingen, einer Finanzwirtschaft, die inzwischen wirklich völlig hy­pertrophiert ist und aufgrund der fehlenden Regulierungen, die in den Neunzigerjahren abgebaut wurden, mit der Realwirtschaft eigentlich nichts mehr zu tun hat, einer Fi­nanzwirtschaft, die Gebietskörperschaften, Staaten wirklich an die Wand fährt und in vielen Fällen wie eine Weihnachtsgans ausnimmt, entgegenzutreten. Die Politik re­agiert jedoch mit einer wirklich erschreckenden Hilflosigkeit. Das ist nicht die zukunfts­weisende Vorgangsweise, um die Probleme wirklich in den Griff zu bekommen.

Das, was ich mir wünschen würde, ist der entsprechende Mut, um dagegen vorzuge­hen und dann eben auch ein entsprechendes Prozessrisiko in Kauf zu nehmen. Na­türlich ist das mit Unsicherheiten verbunden, das heißt aber nicht, dass der Bund Kärn­ten nicht auch entsprechend zur Seite gestanden wäre. So aber, wie sich das jetzt dar­stellt, liegt das Primat des Handelns bei der Finanzwirtschaft, bei den Banken und auch diesen Spekulanten. Auch Staaten werden in eine Schuldknechtschaft getrieben, aus der ein Entkommen oder deren Korrektur fast unmöglich erscheint.

Ich tue mir schwer, das dem normalen Steuerzahler zu erklären oder jetzt auch zu er­klären, warum Geld in wirklich unendlich großer Menge vorhanden ist, um solche Gläu­biger-Gruppen zu bedienen, um das alles so hinüberzuschieben, nicht aber dafür, sich da wirklich glaubhaft dagegen zu wehren und dagegenzustellen. Diese Beträge sind ja so unvorstellbar groß – es wurde schon angedeutet –, die hier durch Machenschaften verschiedenster Art verschwunden sind. Die Verschuldensfrage wird ja noch zu klären sein. Auf der anderen Seite ist dann aber eben kein Geld da für die Mindestsicherung, den Schulneubau, die Schulinstandsetzung und so weiter.

Ich denke, die Politik muss da mutiger handlungsfähig werden, als es hier geschieht. Ich wünsche es mir, dass das mit einer Nulllösung tatsächlich so über die Bühne geht,


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wir glauben jedoch nicht, dass das in dieser Form haltbar sein wird, und sind überzeugt, dass die Finanzströme in die falsche Richtung laufen.

Das, was in Kärnten geschieht, dass der Zukunftsfonds aufgelöst werden muss, das sind Schritte, die in Anbetracht dieser Lage in Kärnten natürlich zu setzen sind – auch, so denke ich, wenn man den Kampf und die Auseinandersetzung aufgenommen hätte und jetzt nicht vor der Situation stünde, diese großen Beträge aufwenden zu müssen, um die Forderungen einer Gläubiger-Gruppe auf diese Art und Weise und in dieser Hö­he zu befriedigen. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic. – Zwischenruf. – Heiter­keit.)

14.17


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


14.17.16

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Dragi ko­legice in kolegi! Ich werde versuchen, als Kärntnerin sachlich und nüchtern Stellung zu beziehen, aber auch die Wahrheit zu sagen, denn die Wahrheit ist zumutbar. Ich habe gestern mit dir lange darüber diskutiert, es ist auch äußerst legitim, dass du bei deinem Standpunkt bleibst, aber ich möchte zum Wahrheitsaspekt Stellung beziehen.

Es ist gegen Kärnten, und zwar deswegen, weil, wenn dieses Gesetz nicht zustande kommt, auf Kärnten jahrelange Prozesse mit komplett unsicherem Ausgang und enor­me Kosten warten. Das bedeutet für Kärnten einen Verlust der Handlungsfähigkeit und einen Verlust an gestalterischem Spielraum.

Das ist Kärnten, und als Kärntnerin muss ich da vor allem an die Grünen appellieren, aber auch an die FPÖ: Es geht um Kärnten, es geht um die Gestaltungs- und Hand­lungsfähigkeit!

Wir haben uns das nicht ausgesucht. Nein! Wir müssen ganz einfach Fehler aus der Vergangenheit ausbügeln, und das tut nicht gut. Ich möchte mich noch einmal, was Christian Poglitsch schon getan hat, bei allen, die mittragen, die diese Last mittragen, bei allen Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, bei euch allen, die ihr das mitträgt, bei allen im Nationalrat, bei Ihnen, Herr Minister, bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die das zustande gebracht haben, bedanken. Wir nehmen das nicht als Selbstverständ­lichkeit! Deswegen fällt mir kein Zacken aus der Krone, noch einmal Danke, hvala zu sa­gen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der zweite Aspekt: Wahrheit ist zumutbar. Christian hat es schon gesagt, es ist wirklich sehr viel Geld versenkt worden. Wogegen ich mich aber wehre, ist, dass man jeder Kärntnerin und jedem Kärntner kollektiv die Schuld zuweist. Das stimmt einfach nicht! Da hat es kriminelle Bankmanager und verantwortungslose Politiker und Politikerinnen gegeben, die das verbrochen haben. Punkt! Aus!

Ich sehe nicht ein, dass immer gesagt wird, die Kärntner und Kärntnerinnen sind schuld. Das stimmt ganz einfach nicht! – Das ist der zweite Aspekt.

Ich bitte noch einmal: Liebe FPÖ, seid doch bitte Teil der Lösung und verlängert dieses Problem nicht!

Christian Poglitsch hat dieses Gesetz im Detail erklärt, und ich werde dieses zusam­menfassen und in drei Punkten erklären, worum es geht. Es geht um eine Rechtsgrund­lage, die dem Bund ermöglicht, diese Haftungsfrage Kärntens zu lösen. Es geht – das ist der zweite Punkt – um die Umsetzung des Memorandums of Understanding, und es geht um das, was heute im Kärntner Landtag beschlossen worden ist – mehrheitlich von SPÖ, ÖVP und Grünen –, nämlich die Anpassung des Kärntner Ausgleichzahlungs-Fonds-Ge­setzes. Darum geht es.


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Ich möchte noch einmal auf die Wichtigkeit der Befreiung Kärntens von diesen Haftun­gen hinweisen. Es sind 11 Milliarden €. Ihr müsst euch vorstellen: Kärnten hat ein Jah­resbudget von 2,4 Milliarden €. Und 11 Milliarden € ist schon ein ganz schöner Ruck­sack, das ist ein Damoklesschwert, welches über uns hängt, etwas, das wir allein nicht bewältigen können. Deswegen ist das ein Zusammenspiel zwischen Land und Bund.

Wir haben schon seit 2013 Sparmaßnahmen ergriffen. Wir haben jährlich 128 Millionen eingespart. Wir haben schon Sparmaßnahmen gesetzt und werden das weiterhin tun, selbstverständlich müssen wir aber auch im Rahmen unserer Wirtschaftlichkeit das ma­chen, was rechtlich möglich ist. Noch einmal: Wir haben gespart und wir werden auch wei­terhin sparen.

Ein Betrag von 1,2 Milliarden € ist enorm viel Geld, das ist die Hälfte unseres Jahres­budgets, die Hälfte! Aber wir werden es gemeinsam schaffen, und – um noch einmal zu betonen, was Christian Poglitsch gesagt hat – wir können das nur gemeinsam schaf­fen. Allein sind wir verloren, das gebe ich ganz klar und deutlich zu.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Man kann politischen Opportunismus leben. Man kann versuchen, dieser Lösung nicht zuzustimmen und damit politisches Kleingeld zu ma­chen. Aber ich sage euch ehrlich: Das löst das Problem nicht! Derjenige, der darauf mit Opportunismus reagiert, ist gegen Kärnten, ist gegen die Handlungsfähigkeit in Kärn­ten und gibt ganz einfach Kärnten keinen großen gestalterischen Spielraum.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Als Kärntnerin möchte ich für die Kärntner und Kärnt­nerinnen die Zukunft gestalten. Ich möchte den Kärntnern und Kärntnerinnen eine Per­spektive geben, allen, vor allem aber der Jugend. Deswegen werde ich meine politi­sche Verantwortung für Kärnten wahrnehmen und werde dem Gesetz selbstverständ­lich zustimmen.

Ich bitte euch noch einmal: Überlegt euch eure Kontraposition! Es geht um Kärnten, und Kärnten braucht jede und jeden von euch.

Und noch einmal: Recht, recht herzlichen Dank für eure Zustimmung! Prav prisrcna hva­la! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.24


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Schel­ling. – Bitte, Herr Finanzminister.

 


14.24.51

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Geschätz­te Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine Damen und Herren! Ja, wir versuchen jetzt, unter ein Kapitel, das dramatische Auswirkungen hat – und zwar weit über Kärnten hi­naus, auch auf die Republik, auf den Finanzstandort Österreich, auf die Europäische Uni­on –, einen Schlussstrich zu ziehen.

Nun, Sie kennen alle ein berühmtes Schweizer Zuckerl, und die stellen immer die Fra­ge: Wer hat’s erfunden? – Also ich war es nicht. Ich habe jetzt das „Zuckerl“, und ich versuche, eine Möglichkeit zu finden, damit wir uns an diesem Brocken nicht verschlu­cken. Und daher hat der Bund viele Maßnahmen gesetzt, um hier unterstützend zur Sei­te zu stehen, soweit es uns im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten überhaupt mög­lich ist.

Ich war letzten Freitag in Kärnten und habe die Gleichenfeier der größten Hochbaustel­le Kärntens miterlebt: Dort wird das Finanzzentrum gebaut. Für 400 Mitarbeiter bündeln wir an einem Standort das Finanzzentrum. Das soll ein Symbol dafür sein, dass wir auch durch Investitionen, die gesetzt werden, versuchen, die wirtschaftliche Kraft Kärn­tens wie­der nach vorne zu bringen, und Kärnten wird das dringend brauchen.


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Und ich sage Ihnen allen: Quer über alle Parteien, die an dieser Gleichenfeier teilge­nommen haben, war niemand, der nicht gesagt hat: Gott sei Dank kommen wir zu ei­nem Ende! – Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.

Jetzt möchte ich schon auf ein paar Dinge eingehen, die hier verbreitet wurden. Und eines habe ich gelernt: Man soll keine Milchmädchenrechnungen anstellen. Das ist ei­ne Beleidigung für die Milchmädchen. Daher sollte man ein paar Zahlen, Daten und Fak­ten klarstellen.

Erstens: Wenn Sie das schon historisch betrachten, Herr Bundesrat Pisec, dann hätten Sie vielleicht darauf hinweisen können, dass die Katastrophe zwischen 2004 und 2007 dramatisch verschärft wurde, denn als es eine Rechtsgrundlage gab, die besagte, dass die Länder aufgrund beihilferechtlicher Überlegungen der Europäischen Union keine Haftungen mehr übernehmen dürfen, man aber großzügigerweise gesagt hat: Um die Landesbanken nicht sofort vom Kapitalmarkt abzuschneiden, gibt es eine Übergangs­regelung bis 2007!, haben sich alle daran gehalten, aber in Kärnten sind in diesem Zeit­raum 9 Milliarden € an Haftungen übernommen worden. Hätte man nur vernünftig ge­handelt und gesagt: Ja, Beihilfe geht nicht mehr!, dann hätten wir uns einen großen Bro­cken dessen, was jetzt noch vorhanden ist, nicht angetan.

Der zweite Punkt: Herr Bundesrat Pisec, da Sie so auf Deutschland vertrauen, kann ich Ihnen sagen: Deutschland ist stolz darauf, dass wir, Österreich, das erste Land sind, das in einem Bail-in-Verfahren eine Bank abwickelt. Die werden das tun müssen.

Und weil Sie die Westdeutsche Landesbank angesprochen haben: Zählen Sie bitte die anderen zehn Banken auf, die in Deutschland mit Steuergeld gerettet wurden! Reden wir einmal von der Hypo Real Estate! Deren Schaden ist ein Vielfaches davon, die ist ausschließlich durch Steuergeld aufgefangen worden. Man hat sie nicht in Konkurs ge­schickt, man wickelt sie ordnungsgemäß ab. Ich sage Ihnen, auch das wird den Steu­erzahler bedauerlicherweise noch Geld kosten. Das wissen die ganz genau. Daher ist es schon wichtig, zu sagen: Wir haben Gott sei Dank nur mit einer Bank ein solch rie­siges Problem gehabt, Deutschland mit vielen. Die Deutschen wissen ganz genau, wie das passiert ist, und auch sie wissen, dass es notwendig ist, eine solche Regel nun auch umzusetzen.

Wenn Sie sagen, ein Konkurs von Kärnten wäre anzustreben gewesen: Selbstver­ständlich war das eine Option. Aber die Auswirkungen möchte ich mir nicht ausmalen, nämlich nicht nur die Auswirkungen auf Kärnten und dass wir über Jahrzehnte hinweg Kärnten in diesem Verfahren drinnen gehabt hätten und es sich nie mehr erholen hätte können, sondern auch die Auswirkungen auf die Finanzkraft der anderen Bundeslän­der, auf die Refinanzierung der anderen Bundesländer, die Auswirkungen auf den Ka­pitalmarkt mit Kollateralschäden ungeahnten Ausmaßes. Es war sicher richtig, zu sa­gen, man überprüft diese Option, aber man zieht sie am Schluss nicht.

Ich kann Ihnen sagen, als ich mit der Europäischen Kommission in die Gespräche ein­getreten bin, haben die gesagt, das Dramatischste, das passieren könnte, ist, dass ein Bundesteil, sprich ein Bundesland, in Konkurs geht. Daher versucht man jetzt, eine Lö­sung zu finden, die das übersetzen kann, was da passiert.

Ein Punkt, der schon von großer Bedeutung ist, ist nämlich auch die Frage: Wie geht das überhaupt? Ich darf darauf hinweisen, dass es der Bund war, der seine ganze Kraft unter meiner Führung dazu eingesetzt hat, um mit den Bayern einen Vergleich zustan­de zu bringen, dass es der Bund war, der Tag und Nacht alle Kraft eingesetzt hat, um dieses berühmte, schon zitierte Memorandum of Understanding zustande zu bringen, da­mit die Gläubiger zustimmen und wir Kärnten von den Haftungen und Klagen befreien.

Frau Bundesrätin Reiter! Wissen Sie, wie groß das kumulierte Gesamtvolumen der dro­henden Klagen war? – 16 Milliarden €, zwischen den verschiedenen Institutionen. Und


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wenn Sie die Gerichtsgebühren, Anwaltskosten und Gutachterkosten berücksichtigen, hätte jeder Fall den Schaden deutlich erhöht.

Und zum Zweiten – weil Sie sagen: Klagen wir doch eine Runde! –: Ja, gerne, das ha­ben wir auch gemacht. Wir haben aber verloren. Wir haben das Verfahren in München verloren. Wir waren von einem Verfahren in Frankfurt bedroht, das beinahe noch die HETA in Konkurs geschickt und damit Kärnten in schwere Probleme gestürzt hätte. Wir haben diese Verfahren nicht gewonnen. Irgendwann muss der Zeitpunkt da sein, zu dem man sagt: Schauen wir uns die Dinge realistisch an, und wenn wir keine Chance ha­ben, zu gewinnen, schauen wir, dass wir das zu einem Ende führen, das verträglich ist!

Nun noch zu den detaillierten Zahlen: Die Abwicklung wird folgendermaßen funktio­nieren – Herr Bundesrat Pisec, wir machen ein Bail-in und kein Bail-out –: Wir machen einen Schnitt mit 75 Prozent auf 100. Das bedeutet – lassen Sie es mich erklären, Sie verstehen es dann vielleicht auch; ich weiß, es ist schwierig zu verstehen, wenn man sich nur einseitig mit der Materie beschäftigt –, zuerst machen wir ein Bail-in. Das heißt: Wer um 100 eine Anleihe hat, bekommt 75.

Zu Ihnen, Frau Bundesrätin Reiter: Natürlich ist die Zahl nicht richtig. Die Gutachten, die wir von der Recovery der HETA haben, sind 60. Die FMA hat aufgrund einer an­deren Zahlenbasis 46 festgestellt, allerdings waren da noch andere Netzwerke drinnen, wie das SEE-Netzwerk. Und die FMA musste auf der Zahlenbasis zu Beginn des Mo­ratoriums rechnen, nicht zum Ende des Moratoriums.

Ich kann Ihnen sagen, dass die Abwicklung der HETA planmäßig läuft und die Recov­ery in dem Umfang erreicht wird, wie ich es gesagt habe. Damit ist sichergestellt, dass diese 75 … (Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) Da kommt noch etwas dazu, Herr Bundesrat Pisec, was Sie vielleicht noch übersehen, nämlich dass mit dem Moratorium auch der komplette Zinsenschnitt erfolgt ist. Das hätte nämlich noch einmal eine Stan­ge Geld gekostet, weil durch das Aussetzen der Rückzahlungen hohe Verzugszinsen zum Ansatz gekommen wären. Die wurden mitgeschnitten. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) – Lassen Sie mich das ausführen. Sie können sich dann ger­ne hier noch einmal zu Wort melden, sofern Sie dann Ihre Meinung insofern ändern, als Sie sagen, Sie haben das Zahlengerüst jetzt auch verinnerlicht.

Diese 75 sind das Ende, und dann haben die Gläubiger die Möglichkeit, wenn sie es wollen – und niemand ist dazu verpflichtet, es zu tun –, diesen Zerobond mit 13,5 Jah­ren zu kaufen. Und jeder Gläubiger, der sagt, ich habe eine bessere Veranlagungsmög­lichkeit, ich will das nicht, ist mit diesen 75 beendet. Das ist die Grundkonstruktion die­ser Abwicklung. Daher ist es falsch, zu berechnen, was die Differenz zur FMA und HETA ist, und es ist falsch, den Zerobond zu berechnen.

Zweiter Punkt: Der Bund übernimmt null Haftung für Kärnten. Null! Der Bund über­nimmt lediglich die Finanzierung. Und dieses Gesetz brauchen wir, um sicherzustellen, dass, wenn 100 Prozent der Gläubiger das Angebot annehmen, wir Kärnten ausrei­chend Liquidität zur Verfügung stellen können. Und diese Liquidität der 75 wird zurück­geführt durch die Recovery der HETA und die 1,2 Milliarden von Kärnten.

Wir brauchen daher eine Ermächtigung, um dieses Geld zur Verfügung stellen zu kön­nen, damit der Kärntner KAF abwickeln kann, denn das Angebot kann nur von Kärnten gestellt werden. Und Kärnten kann das Angebot nur stellen, wenn der Bund sagt, ich gebe euch die Liquidität dafür. Nicht mehr und nicht weniger steckt hinter diesem Ge­setz.

Natürlich werden alle darum bemüht sein, alle Chancen zu nutzen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Auch Kärnten wird das tun.

Wir haben mit Kärnten auch vereinbart, dass es diese 1,2 Milliarden auf einer sehr langfristigen Struktur rückfinanzieren kann, weil wir die Zukunftsfähigkeit für das Land


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erhalten wollen. Dass das trotzdem über längere Zeit belastet, ist ja klar. Wenn man eine 30-jährige Laufzeit für einen Kredit macht, muss man halt 30 Jahre zurückzahlen. Nur: Bei der jetzigen Zinssituation ist es sogar noch eine Riesenchance, die wir ver­wirklichen wollen. Der Zerobond kann gezogen werden, muss aber nicht gezogen wer­den.

Daher ist es so, dass wir zuerst einmal danach zu trachten haben, dass über jene Gläubiger, die dem Memorandum of Understanding beigetreten sind, weitere Gläubiger das akzeptieren. Das werden die österreichischen Gläubiger sein. Ich bitte auch noch einmal, kurz darüber zu diskutieren, was denn Spekulanten auf dieser Welt sind. Ich würde jetzt zum Beispiel die Vienna Insurance Group oder andere nicht als Spekulan­ten bezeichnen. Ich würde auch die Weltbank nicht als Spekulant bezeichnen. Sie alle haben übrigens Anleihen der Kärntner Hypo.

Daher sollten wir, glaube ich, vorsichtig sein, wenn wir sagen, das waren irgendwelche Haie. Da sind Veranlagungen auf Basis einer Denkstruktur gemacht worden, nämlich: Ein Land kann nicht pleitegehen, sie werden immer zurückzahlen. – Ich habe den Gläu­bigern in meinen Verhandlungen immer gesagt, ich hätte schon irgendwie erwartet, dass irgendjemand einmal einen Blick auf das Kärntner Budget wirft und sagt: Wie kann man mit einem Budget von 2 Milliarden – das hatten wir damals, jetzt haben wir 2,4 Mil­liarden – für 25 Milliarden haften?

Ich kann sie auch nicht herausnehmen aus der Geschichte, und deshalb haben wir mit den Gläubigern diese Vereinbarung zustande gebracht. Ich glaube, dass das ein guter und richtiger Weg ist.

Der Bund benötigt nun dieses Ermächtigungsgesetz, damit, wenn 100 Prozent kom­men, wir auch im Rahmen dessen, was die Bundeshaftungsobergrenzen sind und was die Finanzmarktstabilität ist, die Mittel zur Verfügung stellen können.

Die Vorgangsweise wird so sein, dass der Kärntner Landtag die notwendigen Be­schlüsse fasst. Ich gehe davon aus, dass das erfolgt. Dann wird Kärnten ein Angebot an die Gläubiger legen, das genau diesen Inhalt hat, den wir vereinbart haben, und das den Vorteil hat, dass kein Gläubiger danach mehr mit uns weiterverhandeln kann. Die Gläubiger haben zugesagt, wenn dieses Angebot mit 75 gelegt wird, dann stimmen sie zu. Das ist wichtig, weil sie ja sonst ständig in einer Basar-Mentalität sagen, na viel­leicht könnten noch 76 herauskommen oder irgendetwas. Nein, wir haben mit ihnen ver­einbart, wenn das kommt, wird das akzeptiert.

Daher wird das Angebot vermutlich Anfang September kommen, es wird eine Laufzeit von zirka sechs Wochen haben. In dieser Zeit können alle Gläubiger dieses Angebot annehmen, und anschließend erfolgt die Abwicklung, sodass wir bis Jahresende hof­fentlich viele, aber zumindest die meisten der Gläubiger aus dem Geschehen heraus­nehmen können.

Das wird das sein, was Kärnten wieder die notwendige Luft verschafft. Und ich schlie­ße auch nicht aus, dass es Gläubiger geben wird, die das tun, was Sie vorschlagen, nämlich prozessieren. Auch das wird es noch geben. Dann wird man am Schluss des Tages sehen, ob das richtig oder nicht richtig ist.

International betrachtet sind zwischenzeitlich die Kapitalmärkte sozusagen wieder be­ruhigt. Das heißt, die österreichischen Bundesländer können zum Beispiel wieder mit Deutschland finanzieren – denn viele der deutschen Banken haben gesagt, solange das mit Kärnten nicht gelöst ist, streichen wir die Kreditlinien.

Es kann nicht sein, dass wir anderen Bundesländern auch noch Schaden zufügen. Da­her halte ich den Weg, den wir jetzt beschritten haben, mit dem Moratorium, mit der jet­zigen Abwicklung, für richtig. Ich hoffe, dass der Weg gelingt. Und wenn der Weg ge-


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lingt, dann haben wir nicht nur einen Riesenschaden beseitigt, sondern wir haben auch die Emotionalität dieses Themas aus der Tagesordnung heraußen.

Ich gebe Ihnen, Frau Bundesrätin, vollkommen recht: Wir sollten uns auf Zukunftsin­vestitionen konzentrieren und nicht immer nur auf die Bewältigung der Vergangenheit. Der Rucksack, den der Bund da mit Kärnten mitnimmt, ist ein großer. Das Risiko, das eingegangen wird, ist überschaubar. Ich sehe keinen anderen Weg, bis auf den der­jenigen, die sagen: Machen wir den totalen Crash, lassen wir Kärnten in Konkurs ge­hen! – Ich stehe dafür nicht zur Verfügung, denn ein Bundesland würde einen Schaden mit einem Multiplikator auf alle anderen Bundesländer auslösen. Der Schaden wäre gi­gantisch, und wir würden uns möglicherweise mehrere Jahre oder Jahrzehnte von die­sem Schock nicht mehr erholen.

Daher haben wir diese Lösung vorgeschlagen. Wir haben lange darüber nachgedacht. Wir haben alle Alternativen geprüft. Und ich meine ganz offen, was die Abwicklung der Vergangenheit anlangt, bei allem Respekt vor den Tausenden Stunden, die, wie ich gelesen habe, im Untersuchungsausschuss in Kärnten und jetzt auch auf Bundesebe­ne und vom Rechnungshofausschuss investiert worden sind: Sonderlich neue Erkennt­nisse hat das nicht gebracht, die zu einer besseren Lösung geführt hätten als jener, die wir jetzt vorschlagen!

Daher ersuche ich Sie hier auch um Zustimmung, damit wir gemeinsam mit Kärnten die­ses Problem lösen. Es wird uns noch lange genug beschäftigen. Auch wenn das Pro­blem sozusagen ein Ende hat, ist das Abarbeiten des Problems noch über Jahr­zehnte notwendig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

14.38

14.38.34

 


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.39.055. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Invest­mentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert werden (1186 d.B. und 1246 d.B. sowie 9614/BR d.B. und 9624/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (SFT-Vollzugsge­setz) erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Invest­mentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz geändert werden (1174 d.B. und 1247 d.B. sowie 9625/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesord­nung.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Weber. Ich bitte um die


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Berichte.

 


14.40.03

Berichterstatter Martin Weber: Herr Präsident! Ich darf aus dem Finanzausschuss berichten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Ich darf weiters aus dem Finanzausschuss berichten über den Beschluss des Natio­nalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2015/2365 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (SFT-Vollzugsgesetz) erlassen wird und das Fi­nanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz und das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz geändert werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


14.41.27

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Finanzminister, Sie haben gesagt, ich soll mich zu Wort melden. Ich darf nur eine einzige Aussage zum vorhergegangenen Thema machen: Wenn ich Ihre 75 Prozent als Kupon von mir aus aus­nehme – soll mir recht sein –, dann sind aber 75 Prozent Bail-out, und die 25 Prozent sind Bail-in, um den Terminus vielleicht so richtigzustellen; ich glaube, da können Sie mir auch zustimmen. Das soll ja keine Kritik sein, das ist einfach das Faktum.

Jetzt darf ich zum aktuellen Thema, zum Tagesordnungspunkt kommen – hier geht es um ein ganz interessantes Gesetz –: zur Wiener Börse. Die Börse ist für Unternehmen unheimlich wichtig, denn das ist wichtig für die Thesaurierung, für die Akquisition von Eigenkapital. Wir alle wissen, dass es in der heutigen Zeit ziemlich schwierig ist, bei Banken zu Krediten zu kommen, zu Finanzmitteln zu kommen. Finanzmittel sind aber das Wichtige, um Umsätze zu generieren und um Innovationen zu tätigen, da muss man investieren. Investitionen werden vornehmlich durch Fremdkapital oder eben Eigenka­pital geschaffen, und Eigenkapital, das ist die Börse.

Dieses Gesetz ist ein sehr, sehr wichtiges Gesetz, das schon längst notwendig gewe­sen wäre. Da geht es darum, Marktmanipulationen und Insiderhandel vorweg die Grund­lage zu nehmen und auch strafgerichtlich zu ahnden. Es ist ganz wichtig, das der ge­richtlichen Strafbarkeit zugänglich zu machen.

Insiderhandel liegt vor, wenn man Meinungen von Insidern von Unternehmen bekommt oder der Unternehmer selbst, der Manager selbst vorweg Informationen erhält, bevor sie der Öffentlichkeit kundgetan werden, und die Informationen auch missbraucht und an der Börse zu seinen eigenen Gunsten durch die Preisgestaltung, durch das Wissen allein für seinen eigenen Vorteil ausnützt. Das soll mit diesem Gesetz hintangehalten werden.

Wichtig ist auch da die Ad-hoc-Meldung für Unternehmen. Das ist ganz wichtig, damit dieser Insiderhandel praktisch erst gar nicht zum Zug kommt. Der Emittent, also das


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Unternehmen selbst, ist bei Umsatzeinbrüchen, Wachstumsschüben oder irgendwel­chen anderen Vorfällen, auch Akquisitionen oder Mergers, verpflichtet, dies ad hoc der Börse mitzuteilen, oder via Digitalität, via Reuters oder Bloomberg. Das ist auch ganz wichtig, um den Insiderhandel praktisch einzudämmen, denn – und das ist ganz ent­scheidend – die Wiener Börse hat einen negativen Ruf wegen Insiderhandels, sie gilt als Eldorado des Insiderhandels, daher ist dieses Gesetz doch ein gangbarer Weg.

Ich darf als Vergleich Südafrika nennen: Südafrika hat eine Börse, die sehr interessant ist. Südafrika hat ungefähr das gleiche Wachstum wie Österreich, das gleiche Brutto­inlandsprodukt wie Österreich, aber die Börse ist zehnmal höher kapitalisiert als die Wiener Börse. Wenn man in Südafrika an der Börse tätig ist, dort als Broker tätig ist, sind die Compliance-Vorschriften das Um und Auf. Die Basis jeder Ausbildung sind die Compliance-Vorschriften. Diese werden dort auf den Tisch geknallt; wenn man die nicht kann, hat man überhaupt keine Chance, dort tätig zu werden.

Da ist man hier in Österreich noch säumig. Die Compliance-Vorschriften sind die wirt­schaftliche Ethik, das ist die Börsenethik, da geht es eben darum, diese Marktmanipu­lationen und den Insiderhandel hintanzuhalten oder sofort ad hoc zu melden. Wenn das nicht der Fall ist, hat man überhaupt keine Chance, hier tätig zu werden. Da sind ganz harte Strafen, bis hin zu Gefängnisstrafen, möglich. Das wäre in Österreich wich­tig.

Woran ich, woran wir Freiheitliche allerdings Zweifel haben, ist, dass die Gerichtsbar­keit, die ordentlichen Gerichte – was ja hier vorgesehen ist – die ökonomische Ausbil­dung dazu haben, dies festzustellen. Die FMA hat in der Vergangenheit schon manche Bescheide erlassen, aber diese konnten mangels Beweisen, oder wie immer man das hier nennt, strafgerichtlich nicht durchgesetzt werden.

Die Wiener Börse ist eine wichtige, ganz wesentliche Institution, die gerade jetzt beim Brexit – der heute auch schon ein Thema war – Beachtung findet. Wie es jetzt mit dem Finanzmarkt London weitergeht, weiß man nicht, aber sicherlich wird der Devisenhan­del in dieser Form in London nicht mehr stattfinden. Europäische Börsen haben sich spezialisiert: Zürich für Gold, Rotterdam für Öl, Antwerpen für Diamanten, Stuttgart für Index-Zertifikate, Hamburg für Fonds, Helsinki – kaum zu glauben – für Papierindex, für Zellstoffindex. Sie haben sich alle spezialisiert.

Österreich ist das Ostgeschäft davongelaufen, aus diversen Gründen, das hängt si­cherlich auch mit der politischen Lage zusammen. Warschau hat uns den Rang im Ost­handel als Ostbörse abgelaufen. Der neue Wiener Börsenchef, der aus Stuttgart kommt, hat eine interessante Zielrichtung vorgegeben: Wir müssen uns wieder am Westen orien­tieren. Aber: Wo ist dieser Börsenchef? Wo ist dieser sicherlich tolle Mann aus Stuttgart?

Das ist meiner Meinung nach ein Fehler der Wiener Börse, und auch die Bundesre­gierung kommt da ein bisschen mit zum Handkuss: Er ist nicht hier! Die ganze Welt redet von der Finanzaufteilung aufgrund des Brexit, aber Wien hat keinen Börsenchef, denn der alte Vorstand ist praktisch im Mai zurückgetreten, und der neue wird erst En­de September implementiert. Da sieht man, wie säumig man dabei ist, dass man da überhaupt Akzente setzt. Die Industrie, die österreichische Wirtschaft braucht diese Bör­se. Sie braucht Handelsumsätze, sie braucht den Kapitalmarkt, sie braucht Tätigkeiten.

Dass Ihnen der Finanzmarkt nicht so am Herzen liegt, Herr Finanzminister, wissen wir aufgrund der Transaktionssteuer, die Sie europaweit vorantreiben und die sicherlich Wien zum Schaden gereichen wird. Wir haben ohnehin viel zu wenige Firmen; also mehr werden es sicherlich nicht werden.

Die Börse ist wichtig für strukturierte Produkte, sie ist wichtig für die Preisfestsetzung, sie ist wichtig für die Handelbarkeit des Eigenkapitals von Großunternehmen. Wenn wir, wenn vor allem Sie die Börse nicht auf Vordermann bringen können oder wollen oder


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was auch immer, werden Sie nie Industrieunternehmen in Österreich ansiedeln kön­nen, denn die Industrie braucht die volkswirtschaftliche Hygiene, und das ist die Bör­se. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.47


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Oberlehner. – Bitte.

 


14.48.01

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Liebe Seherinnen und Seher zu Hause vor den TV-Geräten! Gestattet mir auch noch einen Satz zum vorhergegangenen Tagesordnungspunkt: Ich möchte dir, lieber Herr Minister, deinem Team und deinen Mitarbeitern für die Lösung, die hier zustande gekommen ist, wirklich danken! Wenn man das aus deinem Mund hört, wird einem erst bewusst, wie schwierig das alles ist und war. Ich denke, es ist ganz wichtig für Öster­reich, da eine Lösung zu finden, um dieses Thema endgültig vom Tisch zu bringen, was ohnehin noch lange dauern wird. Ich danke dir aber wirklich und kann nur zu die­ser Lösung gratulieren. Danke schön! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bei den gegenständlichen Tagesordnungspunkten geht es zum einen um die Novellie­rung des Börsegesetzes und zum anderen um Änderungen im Wertpapieraufsichtsge­setz und im Investmentfondsgesetz. Ich darf sagen, dass es der Bundesregierung mit den vorliegenden Gesetzen wohl sehr gut gelungen ist, die vorliegenden Vorgaben der europäischen Ebene sehr vernünftig, wie ich meine, in die nationalen Rechte einzuar­beiten.

„Sehr vernünftig“ darf ich deshalb sagen, weil ein sehr praxisorientiertes Vorgehen ge­funden werden konnte und es gelungen ist, die Wettbewerbssituation der heimischen Wirtschaft dabei sehr gut zu erhalten. Sowohl von börsenorientierten Unternehmen als auch von der Finanzbranche gibt es dazu sehr positive Rückmeldungen, was also auch bestätigt, dass da sehr vernünftige und gute Lösungen gefunden wurden.

Zum Thema Whistleblowing und Insidergeschäfte darf ich festhalten, dass dabei sehr zu begrüßen ist, dass die Sauberkeit auf diesem Markt dadurch in Zukunft einen noch höheren Stellenwert bekommt. Das ist ganz besonders wichtig für einen seriösen Wirt­schaftsstandort Österreich, der wir auf alle Fälle sein wollen und auch sein müssen.

Natürlich ist es auch sehr wichtig – und das wurde schon angesprochen –, in Zukunft die Bedeutung der Wiener Börse noch weiter zu erhöhen und sie zu attraktivieren, denn das ist für den Wirtschaftsstandort Österreich in vielerlei Hinsicht wichtig. Eine Verein­fachung des österreichischen Steuerrechts ist dazu wahrscheinlich unter anderem eben­so wichtig und notwendig wie die Gewährleistung einer mittel- und langfristigen Pla­nungssicherheit, wozu vor allem auch die Rechtssicherheit in unserem Land dient; die Rechtssicherheit ist dabei ein wichtiger Faktor.

Realwirtschaft und Kapitalmarkt sind bekanntlich eng miteinander verknüpft. Eine gut funktionierende Börse korreliert zweifellos mit einem funktionierenden Wirtschaftsstand­ort. Investitionen werden dadurch ins Rollen gebracht, es gibt Wertschöpfung für die Betriebe, es entsteht Wirtschaftswachstum in vielerlei Hinsicht und damit – für uns alle ganz wichtig – eine sehr positive Wirkung auf den gesamten Arbeitsmarkt.

Beiden vorliegenden Beschlüssen wird meine Fraktion daher ihre Zustimmung ertei­len. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.50


Präsident Mario Lindner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Rei­ter. Ich erteile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 102

14.51.08

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Ja, mit diesem Gesetzesvorhaben werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Wirksamwerden der Marktmissbrauchsverordnung ge­schaffen, die Marktmissbrauchsrichtlinie sowie die Durchführungsrichtlinie bezüglich der Marktmissbrauchsverordnung umgesetzt. Marktmissbrauch sind in diesem Kontext Kursmanipulation, Insiderhandel, Verstöße gegen Publizitätsverpflichtungen und so wei­ter, im Börsegesetz geregelt.

Die Finanzmarktaufsicht ist die zuständige Verwaltungsbehörde. Es geht um ihre Be­fugnisse und die Etablierung eines Whistleblower-Verfahrens durch die FMA, außer­dem um ein Strafregime bei Verstößen gegen die vorliegenden Vorgaben. Die Strafbe­stimmungen sind streng und liegen teilweise über den EU-Vorgaben, da hat es also auch ein Gold Plating gegeben. Lux-Leaks hat ja den Umgang mit der Whistleblower-Thematik in die Kritik gebracht, da hat es erst im Frühling das Gerichtsverfahren ge­geben.

Die europäischen Grünen haben einen Gesetzentwurf präsentiert, der darauf abzielt, einen gemeinsamen Mindeststandard in der EU zu schaffen, um die Situation für Whistleblower zu verbessern, zum Beispiel eben durch einen Schutz bei Meldungen über Verstöße gegen das öffentliche Interesse. Es sollten die Meldekanäle ausgebaut werden – neben internen Stellen und Behörden auch Parlamentarier, Gewerkschaften und so weiter –, und es sollte eben einen weitgehenden Schutz von Whistleblowern ge­gen strafrechtliche Verfolgung geben.

Das vorliegende Gesetz bleibt hier in einigen Punkten hinter unseren Erwartungen zu­rück, weswegen wir nicht zustimmen – man kann es halb voll oder halb leer sehen.

Es gibt aber noch einen weiteren Ablehnungsgrund für uns, und das war ein Antrag, der im Plenum des Nationalrates eingebracht wurde, zu Art. 2, Änderung des Wertpa­pieraufsichtsgesetzes 2007, Z 5; da wird eben in § 103 nach Z 8a eine Z 8b hinzuge­fügt – keine Angst, ich werde es nicht vorlesen, auch wenn ich es mithabe –, mit folgen­dem Inhalt: Es geht um 150 Millionen €, und mit diesen 150 Millionen € wird – mein Kol­lege Kogler hat es so genannt – „eine Pleite von semikriminellen Jungs“ abgedeckt: Auer von Welsbach.

Es ist schon richtig, es geht um Anlegerschutz; aber beim Anlegerschutz, meine ich, könnte man das mit 20 000 € machen, die abzudecken sind. Und es stellt sich schon die Frage, ob da wirklich jeder geschützt werden muss, der Versprechungen glaubt. Das lasse ich offen, aber darüber hinaus gibt es doch einen Fonds, der für solche Haftun­gen zuständig ist und der sinnvollerweise aus der Branche heraus dotiert werden soll­te. Allein die Dotierungsvorschriften dafür sind so minimal, dass dieser Fonds leer ist, also selbst in der Pleite ist.

Natürlich geht es auch um den Finanzplatz, aber deswegen jetzt schnell einmal ohne Diskussion über Refinanzierung, darüber, wer diese Einleger, diese Gläubiger sind, 150 Millionen € in dieser Form hinüberzuschieben – nicht mit uns!

Der nächste Tagesordnungspunkt dient ebenfalls der Umsetzung von EU-Vorgaben, und zwar solchen, die die Transparenz von Wertpapiergeschäften im Schattenbanksektor erhöhen sollen. Also Licht auf die Schattenbanken! Das sind bankähnliche Kreditver­mittler und so weiter, die aber nicht der Bankenregulierung unterliegen. Dazu gibt es EU-Vorgaben für unionsweite Regelungen. Da müssen Wertpapierfinanzierungsge­schäfte an ein Transaktionsregister gemeldet werden. Investmentfonds müssen regel­mäßig über Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und die Verwendung von Gesamtrendite­swaps berichten. Für die Wiederverwendung von Sicherheiten werden Mindeststandards festgelegt.


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Diese EU-Vorgaben sind zu begrüßen, da sie die Transparenz der Aktivitäten einzelner Finanzmarktteilnehmer sowie das Ausmaß des Anlegerschutzes tendenziell erhöhen. Es bleibt aber die grundsätzliche Problematik, dass es notwendig wäre, auch das Schat­tenbankwesen einer effektiven Regulierung zu unterwerfen, indem man auf einen funk­tionalen Regulierungsansatz abstellt. Das heißt also, gleiche Aktivitäten, etwa anhand der Funktionen, Liquiditätsfristen, Risikotransformationen, müssten gleich reguliert wer­den, um eben eine Regulierungsarbitrage zu vermeiden.

Kritisch sehen wir auch, dass § 6 des SFT-Vollzugsgesetzes die Veröffentlichung der Namen von jenen natürlichen oder juristischen Personen vorsieht, gegen die die FMA Maßnahmen beziehungsweise Sanktionen verhängt hat. Wir glauben, dass das erst nach Rechtskraft der Maßnahme beziehungsweise Sanktion sowie gegebenenfalls nach verlorener Revision erfolgen soll, um da irreparablen Schaden an Reputation bezie­hungsweise am weiteren beruflichen Fortkommen hintanzuhalten. Die jetzt vorgeschla­gene Ergänzungspflicht der FMA erscheint uns nicht wirklich dazu geeignet, unbilligen Reputationsschaden abzuwenden.

Aus diesen von mir genannten Gründen werden wir hier nicht zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

14.57


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


14.57.30

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wesentliche Ziel – es wurde ja schon sehr viel darüber geredet – dieser Änderung in den vorliegenden Gesetzen ist, stärker gegen den Missbrauch im Bereich der Finanzmärkte vorzugehen und damit mehr Sicherheit im Bereich der Finanzmärkte zu schaffen.

Zwei Dinge sind wesentlich: einerseits das EU-weite Vorgehen, also durch Straferhö­hungen gemeinsam gegen den Marktmissbrauch vorzugehen; andererseits der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen möglichen Marktmissbrauchsvorgang melden. Mit den vorliegenden Gesetzesänderungen wird diesen Anliegen Rechnung ge­tragen.

Niemand kennt Firmen besser als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, allerdings gibt es keine Meldung, wenn man Angst um den Arbeitsplatz hat. Durch diese Änderungen ist der Melder, der Whistleblower, bessergestellt. Da wir wissen, dass heute mit moderner Technik sehr viel geschehen kann, braucht man da auch Maßnahmen, um entsprechen­de Meldungen zu bekommen.

Die Erhöhung des Strafausmaßes für diejenigen, die Marktmanipulationen betreiben, ist ein wesentlicher Schritt, um zum Beispiel Insidergeschäfte tatsächlich stärker zu un­terbinden.

All das ist eine große Herausforderung, und dieser Herausforderung stellen wir uns. Es sind grundsätzlich gute Gesetze, und wir werden diesen Beschlüssen gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.59


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich unser Herr Finanzminister. – Bitte, Herr Bundesminister Dr. Schelling.

 


15.00.03

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling|: Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Nur noch ein paar kurze Bemerkungen: Erstens, wir set­zen da EU-Richtlinien um. Ich glaube, dass die Umsetzung entsprechend gut gelungen ist.


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Zweitens, noch einmal zur HETA: Herr Bundesrat Pisec, ich glaube, Sie sind mit mir ei­ner Meinung, dass die Assets, die von der HETA verkauft werden, den Gläubigern zur Verfügung zu stellen sind und daher mit Bail-in und Bail-out überhaupt nichts zu tun haben. Sie wären auch im Insolvenzfall zu 100 Prozent den Gläubigern zur Verfügung zu stellen, nämlich die Recovery der HETA. (Vizepräsident Gödl übernimmt den Vor­sitz.)

Ein weiterer Punkt, der bei all diesen Fragen, die dann auch mit der Auer-von-Wels­bach-Geschichte zusammenhängen, zu nennen ist, ist natürlich die Forderung, die im­mer kommt: Das soll jemand anderer zahlen!

Nehmen Sie jetzt das Prozedere bei den italienischen Banken. Die italienische Regie­rung hat mit diesem Bail-in so ein Problem, weil die Frage ist: Auf wen greift sie zu? – Auf die Sparguthaben und auf die privaten Besitzer von Staatsanleihen! Ob Sie das dann wollen, ist eine zweite Frage. Wenn man sich dann noch die Gesetze anschaut, die darauf abzielen, dass es einen Anlegerschutz in dem Sinne gibt, dass wir für die Sparguthaben garantieren, dann entsteht ein gigantischer Schaden, wenn man dort zu­greift. Das heißt, wir müssen immer schauen, wo man überhaupt zugreifen kann, ohne dass der Schaden entsprechend groß wird.

Eine kurze Vorbemerkung noch, bevor ich auf die Auer-von-Welsbach-Geschichte ein­gehe: Frau Bundesrätin Reiter, ganz verstehe ich Sie jetzt nicht, denn dort, wo es um Country-by-Country-Reporting geht, sind Sie vehement für die Öffentlichkeit, und dort, wo es um die Veröffentlichung von solchen Verfahren geht, sagen Sie: Dafür sind wir nicht, und deshalb stimmen wir nicht zu! Die Frage ist immer, welchen Schutzrahmen man hat und welchen nicht, und das ist in Österreich … (Bundesminister Brandstetter betritt den Sitzungssaal.) – Willkommen, Herr Justizminister! (Bundesminister Brand­stetter: Danke!) Das muss ich sagen, denn ich muss mich gleich auf ihn beziehen.

Wir haben natürlich in vielen Verfahren, und insbesondere in solchen, die gerade ak­tuell sind, die Situation, dass die Namen derjenigen, die beschuldigt sind, öffentlich ge­macht werden, auch wenn sie am Schluss unschuldig sind. Ich gestehe Ihnen zu, dass das problematisch für den weiteren Fortgang der eigenen Entwicklung, Karriere und des Berufs ist. Das ist aber nicht zu vermeiden, das sage ich gleich dazu. Das ist immer wie­der der Fall.

Nun kurz noch zu der Auer-von-Welsbach-Geschichte: Ja, ich sage Ihnen, ich habe da­mit auch keine Freude, um es einmal sehr einfach zu sagen, aber ich möchte kurz er­klären, warum diese Lösung offensichtlich besser ist als die, die sonst kommen könnte. Ich möchte auch sagen, ich hatte keine Freude damit, dass das als Abänderungsan­trag im Nationalrat eingebracht wurde, denn ich darf darauf hinweisen, dass der Minis­terrat den Beschluss für diese Anlegerentschädigung bereits am 14. Juni gefasst hat. Der Finanzausschuss des Nationalrates tagte am 30. Juni, war aber nicht bereit, das zu behandeln.

Sie wissen, die Tagesordnung dieser Ausschüsse wird gemeinsam festgelegt. Es war nicht möglich, das als Tagesordnungspunkt dort zu behandeln, daher wurde es dann als Abänderungsantrag eingebracht; es war die letzte Möglichkeit, das am 6. Juli im Plenum zu machen. Ich hätte mir gewünscht, dass man das im Finanzausschuss be­handelt und dort auch entsprechend analysiert.

Wo ist nun das Risiko, das mit diesem Auer-von-Welsbach-Verfahren im Zusammen­hang steht? – Würde das gesamte Risiko schlagend werden, wären es etwa 350 Mil­lionen €. Wir versuchen nun mit diesem Abänderungsantrag, das auf circa 148 Millio­nen € zu minimieren. Es ist zu erwarten – Sie haben das schon erwähnt –, dass diese Anlegerschutzbestimmung bis zu 20 000 € in Kraft ist. Wenn das nicht der Fall ist, er­warten wir im Herbst dieses Jahres etwa 8 000 Staatshaftungsklagen beim Verfas-


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sungsgerichtshof, 8 000 Klagen gegen die Republik, die möglicherweise dann so aus­fallen, dass der Schaden zur Gänze zu tragen ist.

Nun sage ich das auch in Anwesenheit meines Freundes, des Justizministers … (Bun­desminister Brandstetter: Die Gebühren …!) – Also er hätte gerne die Gebühren, und ich hätte gerne das Problem nicht. (Heiterkeit.) Trotzdem möchte ich aber sagen, wir ha­ben da ein ernsthaftes Problem mit der Rechtsprechung des OGH, denn entgegen al­len europäischen Regeln, auch entgegen der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen hat der OGH in diesem Verfahren mehrfach entschieden, die Anlegerent­schädigung zur Abdeckung des wirtschaftlichen Risikos heranzuziehen.

Das ist der Grund dafür, dass wir das machen: weil der OGH so entschieden hat. Es ist völlig untypisch, dass so entschieden wurde, aber es ist so entschieden worden. Nor­malerweise versichert ja die Anlegerentschädigung ausschließlich das Risiko auf Be­trugshandlungen und Unterschlagungen. In diesem Fall hat man auch das wirtschaftli­che Risiko herangezogen.

Wir werden daher ergänzend zu diesem jetzt vorliegenden Antrag, dieser Anlegerent­schädigung, einen Gesetzentwurf vorlegen, wodurch nach dem deutschen Anlegerent­schädigungsgesetz die EU-Rechtskonformität hergestellt wird und solche Entscheidun­gen nicht mehr möglich sein werden. Diese Klarstellung ist auch durch einen Entschlie­ßungsantrag im Nationalrat, der ergänzend zu diesem Abänderungsantrag eingebracht wurde, vorgenommen worden, und wir werden das bereits im Rahmen der nächsten No­velle im Herbst vorlegen.

Da Sie gefragt haben: Wie schaut es denn mit der Abdeckung des Risikos durch die Wertpapierfirmen aus? – In diesem Fonds der Wertpapierfirmen sind derzeit 66 öster­reichische Wertpapierfirmen tätig. Das Volumen, das dort an Haftungsrücklagen da ist, liegt bei etwa 4,7 Millionen €. Es ist so, dass Sie auch den Markt angesprochen haben, und das ist richtig: Würde dieser gemeinschaftliche Haftungsfonds insolvent werden – und es ist der Fall, dass er insolvent wird –, dann würden alle 66 in Österreich tätigen Wertpapierfirmen sofort ihre Konzession verlieren und könnten sozusagen am Markt auch nicht mehr teilnehmen.

Sie haben durchaus vom Kapitalmarkt gesprochen: Natürlich ist der Schaden dann enorm, auch was die Reputation anlangt. Daher haben wir uns entschlossen, diesen Antrag einzubringen. Wie gesagt, noch einmal: Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten ihn entsprechend in den Ausschüssen, auch im Finanzausschuss, behandelt und nicht als Abänderungsantrag in der Nationalratssitzung eingebracht. Sie hatten ein bisschen länger Zeit, das zu studieren. Manche der Abgeordneten im Nationalrat waren da ziem­lich unter Zeitdruck. Ich habe das nicht verstanden, aber es ist so passiert.

Da wir bereits im Herbst die Klagen erwarten und die Finanzprokuratur uns daher drin­gend dazu geraten hat, diese Anlegerentschädigung zu überlegen, war es die einzige Möglichkeit, diesen Antrag vor der Sommerpause, also am 6. Juli, im Nationalrat einzu­bringen. Alles andere hätte dann im Herbst erfolgen müssen, bis dahin wären aber die Klagen möglicherweise schon da gewesen. Das wollten wir verhindern, und daher ist dieser Antrag eingebracht worden.

Ich habe auch im Finanzausschuss darauf hingewiesen, dass es eigentlich nicht vor­kommen sollte, dass von einer der beiden Parteien Ministerratsbeschlüsse auf der Ta­gesordnung des Finanzausschusses verhindert werden. Das ist, glaube ich, wenn man vom neuen Stil spricht, keine elegante Vorgangsweise. Ich habe auch darum gebeten, dass in Zukunft Ministerratsbeschlüsse auf die Tagesordnungen der Ausschüsse ge­setzt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.07

15.07.29

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 106

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das SFT-Vollzugsgesetz erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.08.307. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (3. Grundstücksverkehr-Änderungsvereinba­rung – 3. GruVe-ÄVE) (1149 d.B. und 1225 d.B. sowie 9626/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf mich noch bei Bundesminister Schelling herzlich für das Dabeisein im Bundes­rat bedanken. (Bundesminister Schelling: Ich wünsche allen einen schönen Sommer!) – Einen schönen Sommer, Herr Minister!

Ich darf gleichzeitig Herrn Justizminister Dr. Brandstetter sehr herzlich bei uns begrü­ßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um den Bericht.

 


15.09.17

Berichterstatterin Renate Anderl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG, mit der die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken geändert wird (3. Grundstücksverkehr-Änderungsvereinbarung).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zum Antrag.

Der Justizausschuss stellte am 12. Juli 2016 nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


15.10.14

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen mit diesem Punkt


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der Tagesordnung eine Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die zi­vilrechtliche Bestimmungen zum Grundverkehr beziehungsweise zum Verkehr mit Bau­grundstücken novelliert.

Worum geht es jetzt in dieser Artikel-15a-Vereinbarung? – Wir haben einerseits eine Bundeszuständigkeit im Justizbereich (im Sitzungssaal läutet ein Handy) – das Handy des Ministers läutet, ich hoffe, es hat nichts mit diesem Tagesordnungspunkt zu tun – für die Grundbücher und für die Grundbuchsgerichte, andererseits haben wir aber eine Länderzuständigkeit, wenn es um den Grundverkehr geht. Seit einem Jahr ist jetzt in diesem Bereich auch die europäische Ebene ins Spiel gekommen. Es gibt seit Au­gust 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung, die in diesen Bereich hineinspielt. Nach dieser Verordnung können Gerichte und Behörden in anderen EU-Staaten auch eine Erbfolge anordnen, sie können also bestimmen, wer zum Beispiel in Österreich ein Grundstück erbt.

Da gibt es viele verschiedene Themenbereiche, die angesprochen werden und die eine Herausforderung darstellen. Das kann von Übersetzungsproblemen bis hin zu Verbü­cherungsproblematiken gehen. Übersetzungsprobleme bestehen beispielsweise darin, dass nicht jeder weiß, was „Einlagenzahl“ oder „Katastralgemeinde“ in einer anderen Sprache heißt. Das ist nicht so einfach, und mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung schaf­fen wir jetzt die Grundlage, diese vielschichtigen Probleme auch lösen zu können.

Ganz wichtig aus meiner Sicht ist vor allem ein Punkt, dass man nämlich nur ein Ver­fahren in diesem Bereich hat, und das bei einem Gericht. Natürlich wird sich die Ab­wicklung in diesem Bereich noch einspielen müssen, aber diese Umsetzung ist sicher ein erster Schritt zu wesentlichen Vereinfachungen und auch zu Erleichterungen.

Prinzipiell ist, glaube ich, gerade in diesem Bereich so eine Artikel-15a-Vereinbarung, die ja sowohl den Bund als auch die Länder bindet, durchaus sinnvoll, weil die Länder diesbezüglich unterschiedliche Regelungen haben können und auch haben sollen. Das macht Sinn, weil beispielsweise der Siedlungsdruck im Westen Österreichs ein anderer ist, als er vielleicht in anderen Gegenden Österreichs ist.

Auch die Länder beschließen in diesen Tagen diese Artikel-15a-Vereinbarung, Vorarl­berg beispielsweise hat es letzte Woche im Vorarlberger Landtag beschlossen, und deswegen sollten wir heute auch nicht nachstehen und diesen Beschluss fassen. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Kurz. – Bitte.

 


15.13.12

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich jetzt zur eigentlichen Vereinbarung komme, möchte ich auch noch ein paar Überlegungen zu den Entwicklungen am Immobiliensektor insgesamt vorausschicken. Wir haben ja schon gehört, es hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwi­ckelt, und die Statistik zeigt uns auch, dass sich die Preise, was Grundstücke betrifft, vor allen Dingen im Westen – das haben wir schon gehört –, doch sehr nach oben ent­wickelt haben.

Wir haben zum Beispiel in Österreich im Jahr 2015 eine durchschnittliche Preiserhö­hung von 5,1 Prozent gehabt, wobei in Salzburg-Umgebung die Grundstückspreise al­lein im letzten Jahr um 9 Prozent gestiegen sind und die Preise für gebrauchte Häuser zum Beispiel um 5 Prozent. In Salzburg sind die Grundstückspreise insgesamt um 5,8 Pro­zent gestiegen. Dieser Druck entsteht jetzt nicht nur sozusagen durch die eigene An-


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siedlungsbevölkerung, sondern auch dadurch, dass gerade in Bundesländern wie Salz­burg und Tirol Druck von EU-Ausländerinnen und -Ausländern, allen voran aus Deutsch­land, besteht, die ihren Alterswohnsitz gerne in diese Regionen verlegen. Es gibt aber natürlich auch Österreicherinnen und Österreicher, die im Ausland Grundbesitz haben.

Wir haben schon gehört – und auch ich stimme dem zu –, dass die unterschiedlichen Voraussetzungen in Städten und ländlichen Regionen mit ganz unterschiedlichem Sied­lungsdruck zeigen, dass es wichtig ist, dass den Bundesländern die Umsetzung vorbe­halten ist. Wichtig ist natürlich für alle, dass der Umgang mit Liegenschaften rechtlich transparent und effizient abgewickelt wird. Das ist wiederum im europäischen Kontext zu sehen, und in diesem Sinne stellt sich auch der heutige Beschluss dar, nämlich die­se Artikel-15a-Vereinbarung, der eine wesentliche Verbesserung erzielt.

Für die Überarbeitung dieser zivilrechtlichen Bestimmungen ist ja auch eine EU-Be­stimmung ausschlaggebend gewesen.

Die Eckpunkte haben wir schon gehört, die brauche ich nicht zu wiederholen. Auch ha­ben wir schon gehört, dass es jetzt nur mehr ein Verfahren geben wird, was wirklich ein wesentlicher, großer Fortschritt zur Vereinfachung der Verfahren für europäische Bürgerinnen und Bürger ist. Es ist also insgesamt eine Verbesserung auf allen Ebenen, deshalb stimmen wir dieser Vereinbarung gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP.)

15.15


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


15.16.00

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben inhaltlich ja schon das meiste oder fast das Ganze ausgeführt. Es geht hier um den Verkehr, aber auch um die Anpassungen oder die inhaltliche Gestaltung in Bezug auf die Besitzverhältnis­se bei Baugrundstücken, aber auch bei Grundstücken im land- und forstwirtschaftli­chen Bereich in Bezug auf das Grundbuch, aber auch in Bezug auf die Erbangelegen­heiten.

Grundsätzlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden dieser Gesetzes­vorlage auch zustimmen, wenngleich ich an dieser Stelle trotz der vielen positiven As­pekte, die hier schon erwähnt wurden, einige Kritikpunkte nicht verschweigen möchte, nämlich zum Beispiel die Frage der Regelung betreffend Lebensgemeinschaften. Das ist doch ein etwas missbrauchsanfälliger Bereich, wo einige Fragen offen sind, auch die Frage, wie man mit Erbberechtigten umgeht, die nicht die österreichische Staats­bürgerschaft haben oder im Ausland Erbrechte zugesprochen bekommen haben.

Wird das an einem österreichischen Gericht abgehandelt, dann ist die Sache noch eini­germaßen klar, weil ja dort ein europarechtliches Nachlasszeugnis vorgelegt werden muss, womit man einigermaßen sicher sein kann, dass der vermeintlich Anspruchsbe­rechtigte auch tatsächlich derjenige ist, um den es sich handelt. Schwieriger wird es aber, wenn es sich um Nachlassfälle handelt, die vor einem ausländischen Gericht ver­handelt werden. Also diesbezüglich gibt es doch noch inhaltlichen Aufholungsbedarf, den man vielleicht nicht außer Acht lassen sollte.

Ich darf Sie, Herr Bundesminister, ersuchen, dass man das vielleicht in einer der nächs­ten Novellen nachschärft, aber grundsätzlich erkennen wir, dass das ein Schritt in die richtige Richtung ist, auch aus dem wesentlichen Aspekt heraus, dass – und das wurde auch schon angesprochen – es nur mehr ein Verfahren geben soll im Gegensatz zu der bisher gehandhabten Praxis, wo mehrere Fälle in der gleichen Erbsache unter-


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schiedlich mit vielleicht unterschiedlicher Anspruchsberechtigung verschiedener Erbbe­rechtigter abgehandelt wurden und wo zum Schluss jahrelange Verfahren mit nur ge­ringfügig zufriedenstellenden Ergebnissen herausgekommen sind.

Also so gesehen: Die Richtung passt, Herr Bundesminister. Wir werden dem auch ger­ne zustimmen, wenngleich einige Nachschärfungen in einzelnen Bereichen durchaus sinnvoll und auch notwendig wären. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bun­desrätin Grimling.)

15.18


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic. – Bitte.

 


15.18.54

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Wertes Präsidium! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Letztrednerin zu diesem Tagesordnungs­punkt werde ich jetzt nicht ausführen, was die EU-Verordnung vorsieht, was die Zu­ständigkeitsebenen und Regelungen sind. Wir wissen, dass es diese Europäische Erb­rechtsverordnung seit 2015 gibt, wir wissen von einem Verfahren – das haben, glau­be ich, auch alle hier erwähnt –, wir wissen aber auch, dass es sich nicht abzeichnet, dass wir die nächsten Jahre ein einheitliches europäisches Erbrecht haben werden.

Insofern ist es, glaube ich, wichtig und notwendig, dass über diese Artikel-15a-Verein­barung einfach klargestellt wird, wie die Länder damit in Zukunft umzugehen haben. Insofern stimmen wir zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

15.19


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Abschließend darf ich Herrn Bundesminister Dr. Brand­stetter das Wort erteilen. – Bitte, Herr Minister.

 


15.20.03

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Ich kann mich jetzt auch sehr kurz fassen. Ist auch gut so, Kollege Schelling hat ja schon so viel Re­dezeit verbraucht. (Allgemeine Heiterkeit.) Das Thema braucht auch gar nicht allzu viel Erläuterung meinerseits. Aber wissen Sie, es ist, wenn man es wirklich von der Grund­struktur, die hier deutlich wird, her betrachtet, gar nicht so uninteressant, worum es geht.

Wir haben jetzt mit der EU-Erbrechtsverordnung einfach die Tatsache, dass auch Ge­richte anderer europäischer Staaten, die Mitglieder der Europäischen Union sind, über Besitz an österreichischen Grundstücken im Erbweg entscheiden können – diese Ent­scheidungsmöglichkeit ist da. In diesem Bereich ist, wenn Sie so wollen, der Eini­gungsprozess im rechtlichen Bereich bei der Europäischen Union schon relativ weit gediehen. Ich weiß, es gibt andere Bereiche, da hätten wir uns gewünscht, dass wir schon weiter sind. Es gibt vielleicht auch welche, wo man sich wünschen würde, dass man noch nicht so weit ist, aber da mag man unterschiedlicher Meinung sein, das ist schon richtig.

Aber das Spannende ist doch, dass wir natürlich aufgrund dieser Tatsache, dass jetzt solche Entscheidungen auch grundsätzlich für Österreich auf Bundesebene beachtlich sind, jetzt die Situation haben, dass wir ja aufgrund unserer föderalen Struktur – und die ist ja in Europa nicht selbstverständlich – die Notwendigkeit haben, auf die grund­verkehrsrechtlichen Regelungen der Länder Rücksicht zu nehmen.

Rein theoretisch hätte es die Möglichkeit gegeben – rein theoretisch, sage ich jetzt –, zu sagen: Na gut, dann ist das alles nur in Bundeskompetenz, Schluss, aus, das wird jetzt so durchgezogen! – Das wäre eigentlich furchtbar! Nein, wir müssen Rücksicht auf unsere föderale Struktur nehmen. Das halte ich für richtig, das halte ich für gut, und


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Gott sei Dank haben wir mit Artikel 15a eine Möglichkeit, sehr flexibel zu reagieren und im Einvernehmen mit den Ländern – und das, worum es heute geht, wurde ja auch von den Ländern akzeptiert und mitbeschlossen – einfach zu sagen: Gut, dann passen wir eben die grundverkehrsrechtlichen Regelungen der Länder an, aber nicht mehr. Wir geben damit ja unser innerstaatliches Grundverkehrsrecht nicht auf.

Das ist das prinzipiell Interessante daran: nicht etwa den Weg zu wählen, jetzt muss halt einfach der Bund da die alleinige Kompetenz haben – nein, den eleganteren Weg zu wählen und zu sagen: Gut, jetzt muss der Bund diese Entscheidungen ausländi­scher Gerichte über österreichische Grundstücke, wenn sie im Erbwege jemandem zu­fallen, akzeptieren als Judikate von Ländern, die auch Mitglieder der Europäischen Uni­on sind, aber man muss das mit den grundverkehrsrechtlichen Regelungen der Länder harmonisieren. Das ist notwendig, und dazu dient diese Regelung.

Mehr ist es nicht, aber grundsätzlich halte ich es für den richtigen Weg. Und wir werden noch weitere Fälle haben, wo das notwendig ist, wo auf Bundesebene Verpflichtungen entstehen, die man, um sie wirklich umsetzen zu können, nur im Einvernehmen mit ent­sprechenden Vereinbarungen mit den Ländern auch tatsächlich verwirklichen kann.

So gesehen gefällt mir diese Lösung, weil ich sie auch für strukturell richtig halte, und sie entspricht eben einfach unserer föderalen Struktur – und gegen die werden Sie hier im Bundesrat ja sicher nichts haben. – Danke. (Allgemeiner Beifall. – Heiterkeit der Bun­desrätin Kurz.)

15.23

15.23.03

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.23.258. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2016, geändert wird (1735/A und 1226 d.B. sowie 9627/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Anderl. Ich bitte um den Bericht.

 


15.23.45

Berichterstatterin Renate Anderl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozess­ordnung 1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2016, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 111

15.24.37

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seitens der freiheitlichen Fraktion wird es dazu leider keine Zustimmung geben. Der Grund ist relativ einfach: Wir haben schon bei der grundsätzlichen Beschlusslage über das Kontenregister beziehungsweise die Abfragemöglichkeiten darüber aus datenschutzrechtlichen, aber auch aus Gründen der, wie wir meinen, überbordenden Einsichtsmöglichkeiten unsere Zustimmung nicht ge­geben. Daher werden wir dieser Fristverlängerung nicht zustimmen, wo es ja eigentlich nur darum geht, dass die sinnvolle Abfragemöglichkeit aus diesem Register nunmehr um zwei Monate verlängert werden soll, damit die Banken, die ja ihre Frist bekommen haben, bis 30. September die erforderlichen Daten übermitteln können.

Es kommt mir auch irgendwie so vor, als hätte irgendjemand seine Hausaufgaben nicht gemacht: entweder Ihr Haus, Herr Bundesminister, oder die Banken, denn eigentlich gab es ja genug Vorlaufzeit, um die Übermittlung dieser Daten sicherzustellen. Wie dem auch immer sei, ich möchte das nicht beurteilen. Jedenfalls wird es seitens der freiheit­lichen Fraktion keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.26


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Für­linger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.26.26

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Für mich ist das heute eine Premiere: Ich darf hier als Mit­glied der ÖVP-Fraktion die Fraktionserklärung dieser sehr bedeutenden Vertagung für die SPÖ und die Grünen mitmachen. Als Anwalt ist man gelegentlich mit Mandaten be­traut, und ich nehme die Vollmacht von den Kolleginnen Dziedzic und Kurz an und wer­de sie selbstverständlich nicht missbrauchen und keine inhaltlichen Erklärungen abge­ben, die gegen die Meinung der SPÖ, der ÖVP oder der Grünen laufen würde – ist im Grunde auch nicht notwendig.

Im Sinne der gebotenen Kürze: Es geht eigentlich um nichts anderes als um eine Ver­tagung, auch wenn hier eine Vertagung nicht aufgrund richterlichen Beschlusses er­folgt, sondern durch den Bundesrat, aber ich bin gerne Teil davon. Wir werden selbst­verständlich den Banken zur technischen Abwicklung die zwei Monate mehr Zeit ge­ben, weil sie wirklich viel dafür tun müssen, damit sie dieses gesetzliche Erfordernis er­füllen. – Zustimmung der genannten drei Fraktionen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

15.27


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.27.32

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Ich möchte nur ganz kurz anknüpfen an das, was Herr Bundesrat Werner gesagt hat. Ich bin ei­gentlich sehr froh darüber, dass sich unsere Linie durchgesetzt hat, die immer darin be­standen hat, dass wir die Einsicht in innere Kontodaten, also in tatsächliche Kontobe­wegungen, grundsätzlich von einer Bewilligung durch einen unabhängigen Richter ab­hängig gemacht haben. Das ist so und das bleibt auch so. Hier geht es ja nur um die sogenannten äußeren Kontodaten, also um die Frage, ob eine bestimmte Person über­haupt eine Kontoverbindung in Österreich hat.

Das konnte man schon bisher ohne richterliche Bewilligung abfragen, durch die Staats­anwaltschaften, nur hat das sehr lange gedauert, weil die Staatsanwaltschaft im Prinzip alle Banken in Österreich anschreiben musste, um die Frage zu stellen: Gibt es eine Kontoverbindung dieser hier konkret benannten Person?


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 112

Das war natürlich sehr mühsam, und das wollten wir mit dieser Regelung, mit dem Kontenregister, entsprechend vereinfachen. Nur darum geht es, das ist inhaltlich keine zusätzliche Kompetenz der Ermittlungsbehörde, es ist eine verwaltungstechnische Ver­einfachung, mehr ist es nicht.

Und um jetzt auf Ihre Frage, die Sie aufgeworfen haben, zurückzukommen, Herr Bun­desrat Werner: Wir waren mit unseren Gesetzen sehr schnell, schneller als, ich sage jetzt einmal, die Finanzwirtschaft, ich will jetzt nicht sagen, das Bundesministerium für Finanzen. Aber die schaffen das nicht so schnell, wie wir mit den Gesetzen schon fertig waren, sodass wir jetzt noch ein bisschen eine Verzögerung hätten. Darauf muss man Rücksicht nehmen, das ist so. Also, die zwei Monate werden auch kein wirkliches Pro­blem sein. So gesehen, glaube ich, wird sich dann alles einigermaßen in Wohlgefallen auflösen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

15.29

15.29.18

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort. – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.29.409. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Me­morial“ (Gedenkstättengesetz – GStG) (1150 d.B. und 1228 d.B. sowie 9612/BR d.B. und 9619/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger. Ich bitte um den Bericht.

 


15.29.52

Berichterstatter Mag. Klaus Fürlinger: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz über die Er­richtung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Mauthausen Memorial“ (Ge­denkstättengesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Ju­li 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic. – Bitte, Frau Bun­desrätin.

 


15.30.39

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Wertes Präsidium! Herr Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt wird es ein biss­chen komplizierter als bei den anderen, denen wir zugestimmt haben.

Vorweg möchte ich jedoch festhalten, dass die Grünen jede organisatorische Auslage­rung aller Agenden, die die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und ihre Außenlager betref-


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fen, grundsätzlich begrüßen – genauso, wie wir jede Initiative, jedes Projekt begrüßen, das der Erinnerungskultur dient und die Gedenkstätten stärkt.

Wir wissen, dass zwischen 1938 und 1945 etwa 190 000 Menschen aus 40 Nationen in den Lagern Mauthausen und Gusen oder in einem der vielen Außenlager inhaftiert waren und dass mindestens 90 000 Personen dort getötet worden sind. Ich glaube, für uns alle sollte klar und unbestritten sein, dass dadurch bis heute große Verantwortung gegeben ist.

Aber das nunmehr Vorliegende, also diese anvisierte Organisationsreform einer Bun­desanstalt, die in direkter Abhängigkeit vom Innenministerium bleibt, ist aus unserer Sicht in mehrfacher Hinsicht kritisch zu sehen.

So ist es auf der einen Seite zu begrüßen, dass sich der Bund zur dauerhaften Finan­zierung der Gedenkstätten bekennt, allerdings fehlen im Gesetzentwurf die konkreten Angaben, wie diese nachhaltige Finanzierung auszusehen hat.

Und nein, die Wirkungsziele – weil das im Ausschuss kurz Thema war – sagen nichts darüber aus, denn bekanntlich sind sie nicht bindend. Da bereits die gegenwärtige Fi­nanzierung unzureichend ist, besteht aus unserer Sicht die große Gefahr, dass der der­zeitige Zustand einer chronischen Unterfinanzierung dieser zentralen Gedenkstätte in Ös­terreich fortgeschrieben wird.

Weiters war auch im Entwurf im März 2015 noch von einer Valorisierung die Rede. Diese Konkretisierung fiel dann leider weg.

Das Gesetz sieht weiters eine erlösorientierte Finanzierung vor, zum Beispiel über Ein­nahmen bei Vermittlungsprogrammen oder durch Vorträge. Zudem ist auch die Einwer­bung von Drittmitteln geplant.

Aber es ist nicht sichergestellt und nirgendwo konkretisiert, dass diese eingeworbenen Drittmittel nicht auch für die Infrastruktur verwendet werden könnten. Für uns ist klar: Der Bund hat in jedem Fall dafür Sorge zu tragen, dass die Finanzierung dieser Ge­denkstätte auch ohne Einnahmen – und das betrifft insbesondere die Vermittlungsar­beit – gewährleistet sein muss.

Wieso ich das betone? – Im letzten Gesetzentwurf war noch die Rede davon, dass der Bund im Falle fehlender Finanzierung oder fehlender Mittel zusätzliche Beiträge zur Ver­fügung stellen würde oder zumindest zu leisten hat. Das wurde jetzt zu einer Kann-Be­stimmung und ist nicht mehr als eine gute Absichtserklärung.

Zum Kuratorium ein paar Worte: Dieses soll aus 16 Mitgliedern bestehen und hat in erster Linie die Aufgabe der wirtschaftlichen Aufsicht und der Bestellung der Beiräte. Die Mitglieder des Kuratoriums – und das ist nicht unwesentlich – werden vom BMI be­stellt.

Was heißt das? – Diese Besetzung schreibt mehr oder weniger eine ministerielle Do­minanz fort. Und dass den Vorsitzenden der Beiräte kein Stimmrecht zukommt, ist aus unserer Sicht überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir Grüne konnten immerhin hineinre­klamieren, dass dieser Beirat international besetzt wird. Aber was für uns nicht klar ist, ist eben nicht nur das fehlende Stimmrecht, die fehlende Entscheidungskompetenz die­ses Beirates, sondern dass hier zum Beispiel alle vier Sozialpartner, Industriellenver­einigung oder die GÖD vertreten sind, der internationale Standard, dass der Beirat wirk­lich auch Kompetenzen hat, aber nicht gegeben ist.

Zusammengefasst kann man sagen: Die Zielsetzungen der Auslagerung werden in den Erläuterungen – vielleicht zur Erinnerung, da ich hier die Erstrednerin bin – folgender­maßen definiert – Zitat –: Es „soll eine effiziente, inhaltlich autonome, unbürokratische und“ – Betonung – „international vergleichbare Einrichtung etabliert werden, die weiter­hin unter wirtschaftlicher und auch parlamentarischer Kontrolle des Bundes geführt wird.“


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 114

Fakt ist aber: Die bisherige Abhängigkeitsstruktur der Gedenkstätte wird erhalten blei­ben, was das BMI anlangt, und ob diese Drittmittel – wie schon erwähnt – nicht eher der Einsparung dienen, das wird sich natürlich erst zeigen.

Für uns schafft jedenfalls diese vorgesehene Konstruktion eher intransparente Struk­turen, zementiert Abhängigkeiten. Und um das auf einen Satz herunterzubrechen: Es gibt zu wenige finanzielle Mittel, dafür zu großen Einfluss des Ministeriums.

Zum Schluss noch eine persönliche politische Anmerkung meinerseits: Ich war wäh­rend dieses ganzen Werdungsprozesses in Kontakt mit der polnischen Community, und diese hat sich wenig überraschend natürlich auch eingehend mit dem Thema be­schäftigt.

Und für diese Community, aber allen voran für den polnischen Klub Mauthausen-Gu­sen, der von ehemaligen Gusen-Häftlingen beziehungsweise deren Nachfahren betrie­ben wird, war es ganz wichtig, dass die Bedeutung von Gusen auch im Namen hervor­gehoben wird. Das ist nicht geschehen.

Nicht umsonst trägt zum Beispiel die Gedenkstätte in Polen Auschwitz-Birkenau genau diesen Doppelnamen, weil neben dem Stammlager auch das Vernichtungslager wich­tig zu berücksichtigen war.

Alles in allem: Einiges wurde hier auf neue Beine gestellt. Ob diese Beine diese große Verantwortung tragen können, wird sich erst zeigen. Wir glauben nicht, dass dieses Ab­hängigkeitskonstrukt, das da kreiert wurde, zu großen Verbesserungen führen wird.

Dass dieser internationale Beirat, den ich vorhin erwähnt habe, keine Entscheidungs­kompetenz hat, tut fast schon weh. Und auch die internationale Ausrichtung im Ver­gleich zu anderen großen Gedenkstätten in Europa wird hier wenig sichtbar.

Das sage ich deshalb, weil es für mich schon – da ich eben die Debatte auch in Polen sehr gut kenne – ein bisschen eine österreichische Lösung geworden ist. Das heißt, es ist ein bisschen anders, aber es ist noch viel vom Alten übrig geblieben. Wir hätten uns gewünscht, dass hier wirklich etwas entsteht, was nicht in dieser Abhängigkeitsstruktur bleibt, sondern ausfinanziert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.38


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ham­merl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.38.45

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Das Bundesgesetz über die Errich­tung der Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Mauthausen“ ist ein gutes Gesetz, möchte ich gleich am Anfang feststellen.

Meine Damen und Herren! Niemals darf vergessen und übersehen werden, wozu ne­gative Kräfte des Menschen fähig sind, damit sich nicht wiederhole, was geschehen ist, schreibt die Historikerin Waltraud Häupl in der Gedenkdokumentation für die NS-Eu­thanasie-Opfer mit dem Titel „Spuren zu den ermordeten Kindern und Jugendlichen in Hartheim und in Niedernhart“.

Wichtig sind, meine Damen und Herren, das Ankämpfen gegen das Vergessen und der Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft, die im Wachhalten der Erinnerung am Auf­bau einer Gesellschaft der Achtung der Menschenrechte mitwirkt. Das sind auch die Ziele der Gedenkstätte Mauthausen.

Um gegen das Vergessen anzukämpfen, braucht es auch Gedenkstätten wie jene mit dem vorliegenden Bundesgesetz zu errichtende Bundesanstalt „KZ-Gedenkstätte Maut­hausen/Mauthausen Memorial“.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 115

Meine Damen und Herren! Wir brauchen Zeichen, die gegen die Entwürdigung des Menschen und gegen die Systeme wirksam sind, die sich oft langsam und unbemerkt herausbilden und in ihren Anfängen kaum erkannt werden. Das Gesetz steht zu diesen Worten.

Wenn sich jemand einmal etabliert hat, dann kann nur schwer dagegen vorgegangen werden. Mit der durch dieses Gesetz gegebenen neuen Organisationsform ergeben sich neue Möglichkeiten der Absicherung dieser Gedenkstätte. Das Kuratorium entscheidet unter Anhörung des wissenschaftlichen Beirates, der international ausgerichtet ist, über das Gedenkstättenkonzept.

Viele jüdische Organisationen in ganz Europa haben an diesem Gesetz mitgearbeitet, damit ist eine weite Unabhängigkeit vom Innenministerium gegeben. Dieses neue Kon­zept wurde in jahrelanger Diskussion mit den Opferverbänden und den Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern des Innenministeriums ausgearbeitet, nunmehr kann es als Mus­terbeispiel einer nachhaltigen Gedenkstätte gelten, auch die finanzielle Absicherung ist gegeben.

In der EU, meine Damen und Herren, wo vieles passiert ist, ist dieses Gesetz, so wie es vorliegt, einmalig. In der Gedenkveranstaltung anlässlich des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 4. Mai 2012 wies ich im Parlament darauf hin, wie einfach und schnell wir uns an Verbrechen gewöhnen, nach dem Motto: Das ist einmal so.

Wörtlich sagte ich damals: „Wenn wir die Menschenrechte nicht achten, im Alltag und in alltäglichen Begegnungen, wenn wir nicht den Weg der Menschenrechte gehen, wenn wir vergessen und abstumpfen, werden wir in Menschenverachtung abgleiten, oft unbemerkt.“

Diese Gefahr ist heute, wo die Gräuel des Rassenwahns und der Menschenfeindlich­keit im Gedächtnis der Menschen zu verblassen drohen, groß. Wir merken das etwa in der Haltung vieler Menschen zum Frieden. Krieg ist für sie nur ein Medienereignis, ir­gendwo weit weg, auch wenn es sich in der Nähe abspielt. Gott sei Dank hat die heu­tige Generation keine direkte Erfahrung mit dem Krieg, aber damit ist auch der Frieden für viele kein Ziel mehr, das wir unbedingt anstreben müssen. Friede ist ja gegeben, meinen viele, dass aber die Unmenschlichkeit der Kriege an vielen Stellen lauert, ist den meisten nicht bewusst.

In diesem Zusammenhang, das ist auch ein Schwerpunkt, wird die EU oft nicht mehr als jene Gemeinschaft gesehen, deren Gründungsziel es ist, den Frieden zu erhalten und die Grundlagen dafür zu schaffen, sondern es wird oft nur an die wirtschaftliche Ebene gedacht.

Die KZ-Gedenkstätte in der nun beschlossenen Form ist ein wichtiger Anstoß, die Ge­schichte nicht zu vergessen, sondern aus ihr zu lernen. Im vorgesehenen Gesetz ist als Zielbestimmung definiert:

„Die Bundesanstalt soll dazu beitragen, das Wissen über die nationalsozialistischen Mas­senverbrechen im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen, (…) im ehemaligen Konzentrationslager Gusen (…) sowie in allen Außenlagern (…) im öffentlichen Ge­dächtnis zu verankern und zu bewahren, die gesellschaftliche Reflexion über deren Ur­sachen und Folgen zu fördern, über Bezüge zu jeglicher Form von Rassismus, Antise­mitismus, Fremdenfeindlichkeit oder Völkermord aufzuklären und diesen entgegenzu­treten.“

Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein sichtbares Mahnmal – wir haben dieses Mahnmal – gerade für junge Menschen, denen die Erfahrung mit der Unmenschlichkeit Gott sei Dank weitgehend erspart wurde. Wir brauchen dieses Mahnmal!


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Durch unser Wirken in der Politik müssen wir aber auch sichtbar machen, dass wir den Anfängen unmenschlicher Entwicklung wehren. Meine Damen und Herren! Durch die jetzige Form der Gedenkstätte ist uns ein Schritt in diese Richtung gelungen.

Herr Minister, ich danke Ihnen, dieses Gesetz ist ausgezeichnet, wir müssen dieses Ge­setz heute hier nicht zerpflücken. Ich gratuliere! Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Lind­ner. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.44.12

Bundesrat Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Werte KollegInnen und ZuseherInnen! Mit diesem Gedenk­stättengesetz schaffen wir eine gemeinnützige Bundesanstalt, die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Das erscheint jetzt vordergründig als etwas Organisatorisches, in Wirk­lichkeit legen wir aber damit ein klares Bekenntnis zu unserer antifaschistischen Erklä­rungs- und Erinnerungsarbeit ab. Wir übernehmen politische und auch finanzielle Ver­antwortung für die Erinnerungsarbeit in Mauthausen und all seinen Außen- und Neben­lagern in ganz Österreich.

Lassen Sie mich aber auch noch einen kurzen Blick in die Geschichte der Gedenk­stätte werfen: Nach der Befreiung vom Faschismus nutzte ursprünglich die US-Armee das Lagerareal zur Versorgung befreiter KZ-Häftlinge ebenso wie als vorläufiges Ge­fängnis für SS-Angehörige. Nachdem das Mühlviertel dann der sowjetischen Besatzungs­zone zugeteilt worden war, wurde das Lager – bevor es leer stand – von der Sowjetar­mee kurz als Kaserne genützt.

Am 20. Juni 1947 übergab die sowjetische Besatzungsmacht das ehemalige KZ mit dem klaren Auftrag, eine würdige Gedenkstätte zu errichten, an die Republik Österreich. Im Frühjahr 1949 eröffnete man die Gedenkstätte erstmals als Öffentliches Denkmal Maut­hausen, und über die Jahrzehnte entwickelte sich die Gedenkstätte zur zentralen Stät­te für unsere Erinnerungskultur in Österreich.

Als Mühlviertler bin ich hautnah mit der geschichtlichen Verantwortung unserer Region groß geworden. Nicht nur die sogenannte Mühlviertler Hasenjagd hat gezeigt, dass es auch außerhalb der Lager sehr viele MittäterInnen in der Region gegeben hat. Es gab aber auch viele helfende Hände, die den Verfolgten Unterschlupf gaben.

Mir haben die Besuche in Mauthausen, aber auch in Auschwitz-Birkenau dabei gehol­fen, mir selbst diese unvorstellbare Gewalt oder eigentlich diesen industriellen Massen­mord, diese unwirklichen Zahlen, die schon genannt wurden, begreifbar beziehungs­weise – eigentlich besser – erfassbar zu machen, denn begreifen wird man diesen Wahn­sinn niemals können.

Gleichzeitig darf aus meiner Sicht aber Erinnerungsarbeit nicht beim Schaffen von Be­troffenheit stehen bleiben, es dürfen keine rein dunklen Orte sein, die uns nieder­schlagen. Bei mir persönlich war das überhaupt erst der Grund dafür, politisch aktiv zu werden, um eben solche Zeiten zu verhindern. Die zunehmende rechtsextreme Gewalt in Europa zeigt ja, dass das immer notwendiger wird.

Ich habe gemeinsam mit vielen anderen oberösterreichischen Jugendorganisationen im Rahmen der Befreiungsfeiern einen Jugendgedenkmarsch organisiert. Mehrere Hun­dert junge Menschen haben jedes Jahr gezeigt, dass für sie Gewalt, Ausgrenzung und Rassismus keine Optionen sind. Es waren an diesen Tagen die Tränen in den Augen der Überlebenden, als sie uns Junge gesehen haben, die mich tief beeindruckt und be­wegt haben. Wir haben ihnen vielleicht etwas zurückgeben können, nämlich die Über-


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zeugung, dass es genau diese aktive Erinnerungsarbeit braucht, damit ihr Schicksal nicht vergessen wird.

An dieser Stelle muss man auch Danke sagen: den vielen Menschen, die seit Jahr­zehnten diese Erinnerungsarbeit leisten, dem Mauthausen Komitee, den vielen Ver­mittlerInnen und BegleiterInnen, den vielen ZeitzeugInnen, den Opferverbänden und je­nen, die den Gedenkdienst leisten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Mit der Einrichtung dieser Bundesanstalt schaffen wir erstmals eine gesetzliche Grund­lage mit einer aus meiner Sicht professionellen Struktur in einer gemeinnützigen Bun­desanstalt – das bringt mehr organisatorischen und finanziellen Spielraum, Bewegungs­spielraum für die Gedenkstätte –, mit einem Kuratorium, wie wir schon gehört haben, ei­nem wissenschaftlichen Beirat und auch mit einem Internationalen Beirat.

Ich glaube, es darf hier nicht um vergleichsweise kleinliche Diskussionen gehen, ob nun eine Stiftung besser wäre oder Gremien anders organisiert werden sollten. Man­che meinen, Gusen sollte im Namen erwähnt werden. Das Internationale Mauthausen Komitee hat festgelegt, dass alle Nebenlager von Mauthausen gleichberechtigt sein sol­len, und sich deswegen dazu entschieden, nur Mauthausen in den Namen aufzuneh­men. Andere meinen, es sei ein Proporzsystem und die Ministerien haben zu viel Mit­sprachemöglichkeit.

Ich persönlich glaube, es ist unschätzbar, dass die Politik ihre Verantwortung gesetz­lich verankert und auch wahrnehmen muss. Mir ist viel wichtiger, welchen inhaltlichen Stellenwert die Gedenkarbeit für uns in Österreich hat, wie sich diese Erinnerungsar­beit als Auftrag für die Zukunft weiterentwickeln kann und muss. Da ist es mir als Mühl­viertler wichtig, zu betonen, dass diese Gedenkstätte aus meiner Sicht noch viel stär­ker mit der Region vernetzt werden muss. Die drei Gemeinden Mauthausen, Langen­stein und St. Georgen an der Gusen haben sich jüngst zu einer Bewusstseinsregion zu­sammengeschlossen: ein Gemeindeverband, nach eigener Beschreibung ein Projekt, das – Zitat – „den Wunsch nach einem zukunftsorientierten und Nutzen stiftenden Um­gang mit der belastenden Vergangenheit“ aufgreift.

In einer Region gibt es natürlich immer zwei Seiten: jene, die das nicht mehr hören kön­nen, und jene, die sich dem bewusst stellen wollen. Ich glaube, es ist für das zukünf­tige Projekt der Gedenkstätte inhaltlich wichtig, dass man diese regionalen Initiativen noch viel stärker mitnimmt und unterstützt, denn diese Gedenkstätte ist aus meiner Sicht ein Auftrag für die Zukunft.

Damit wir alle mitnehmen können, müssen wir gemeinsam ableiten, was diese Ge­denkarbeit für uns heute bedeutet. Wie schaffen wir es genau jetzt, dass sich der offe­ne Hass in den sozialen Medien und auf der Straße nicht weiter radikalisiert? Wie schaf­fen wir es, dass Religionsgemeinschaften nicht per se denunziert werden? Wie schaf­fen wir es, das allgemeine Misstrauen, das sich so langsam immer weiter ausbreitet, wieder in Hoffnung und Solidarität umzumünzen? – Das sind Zukunftsaufgaben, die sich nicht nur an uns, an die jüngere Generation richten können, sondern an alle gemein­sam.

Unser neuer Bundesratspräsident hat es heute Morgen folgendermaßen auf den Punkt gebracht: dass es eben nicht nur Gesetze und Verbote sind, die alles regeln können, sondern dass es eine gemeinsame Zivilcourage braucht und dass wir als gewählte VolksvertreterInnen die ersten Vorbilder sein müssen. Heinz Fischer hat es vergan­genen Freitag so schön auf den Punkt gebracht: Der Gewalt in den Köpfen folgt die Gewalt in den Worten und den Taten.

Hinsichtlich der Geschichte der Ersten Republik kann niemand im Nachhinein sagen, wann denn dieser eine Punkt war, wo alles so eskaliert ist. Es war in Wirklichkeit ein


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schleichender Prozess. In diesem Sinne: Wehren wir den Anfängen! Dazu wird diese Gedenkstätte einen sehr guten Beitrag leisten. Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.51


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Gru­ber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.51.23

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das KZ Mauthausen das erste Mal als Schülerin, damals auf dem Weg von Vorarlberg nach Wien zur Wien-Woche, besucht. Ich erinnere mich an ein sehr, sehr einschneidendes Erlebnis in meinem Le­ben.

Ich traue mich zu behaupten, dass ein Besuch in der Gedenkstätte Mauthausen ein Leben verändern kann. Ich habe in meiner eigenen Familie erlebt, dass die Aufarbei­tung der Geschehnisse während des Naziregimes, das Betroffensein einzelner Fami­lienmitglieder – in unserem Fall wurde der Urgroßvater Samuel Spindler von den Natio­nalsozialisten in den Tod getrieben – und die Auseinandersetzung einer Familie damit oft erst Jahrzehnte nach diesen Ereignisse stattfinden.

Ich habe auch bei Freunden in Israel beobachten können, dass in vielen Familien die Schoah und diese Familientragödien, für die die NationalsozialistInnen verantwortlich sind, nach wie vor tabuisiert sind und nur sehr zögerlich zu einer Aufarbeitung kom­men. Daher interessiert mich als Pädagogin insbesondere die pädagogische Kompo­nente an so einer Gedenkstätte. Wie kann es gelingen, dieses historische Erbe in einer geeigneten Form aufzubereiten, darzustellen und zu vermitteln? Wie kann es den Be­treiberInnen in Zukunft gelingen, mit diesem schweren historischen Erbe, mit dieser enor­men Verantwortung umzugehen?

Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte – gerade auch dann, wenn junge Menschen das erste Mal dorthin kommen – ist eine sehr, sehr sensible Angelegenheit. Möglicherweise kommen Jugendliche dort überhaupt das erste Mal in ihrem Leben mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den Verbrechen in einem Konzentrationslager so wirklich in Berührung. Das verlangt von den Betreibern und Betreiberinnen hohe Professiona­lität, fachliche, pädagogisch-didaktische Kompetenz.

Ich habe in der Besucherordnung des KZ Mauthausen folgende Bestimmung gefun­den: „Wir weisen darauf hin, dass der Besuch der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mit Kindern unter 14 Jahren nicht empfohlen wird.“ – Ehrlich gesagt war meine erste Re­aktion: Warum eigentlich so spät? Meine Erfahrung ist, dass man schon mit jungen Kin­dern über Faschismus, über Krieg, über Ungerechtigkeit sprechen kann. Kinder sind für solche Themen sehr aufnahmefähig und sehr sensibel. Das zeigt mir aber doch, mit welch hoher Verantwortung die BetreiberInnen dieser Gedenkstätte an ihre Arbeit ge­hen.

Im Bildungsauftrag dieser Gedenkstätte ist zu lesen, welche Anforderungen sich die BetreiberInnen selbst vorgeben: „Das Ziel der Bildungsarbeit ist die Sensibilisierung ge­genüber nationalsozialistischer Wiederbetätigung, Antisemitismus, Rassismus, Diskri­minierung von Minderheiten und Demokratiefeindlichkeit.“

Und weiter: „Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen versteht sich als Gedenkort und Lern­ort. Mit ihren Vermittlungsprogrammen möchte sie die historisch-politische Bewusstseins­bildung fördern. Deshalb beschäftigt sich die pädagogische Vermittlung multiperspekti­visch mit den Opfern, den Tätern und dem gesellschaftlichen Umfeld des KZ Mauthau­sen. In der Rekonstruktion dieser historischen Perspektiven erschließen sich Bedin­gungen, Motive und Handlungsspielräume der beteiligten Menschen.“


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Gerade diesen letzten Aspekt, nämlich den Fokus auf den Handlungsspielraum jedes einzelnen Menschen, finde ich im Hinblick auf historische, auf politische Bildung be­merkenswert. Da findet politische Bildung auf einem hohen Niveau statt, eigentlich muss man sagen: Persönlichkeitsbildung, denn nachhaltige politische Bildung geschieht ab dem Moment, in dem das Ich und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sein ins Spiel kommen.

Im pädagogischen Konzept zur Vermittlung findet man dann immer wieder das päda­gogische Ziel, nämlich die Frage: Was hat das mit mir zu tun? Wenn es wirklich gelingt, dass sich junge Menschen an einer solchen Gedenkstätte diese Fragen stellen: Was hat das mit mir zu tun? Was ist mein Anteil daran, dass so etwas, wie es in Maut­hausen passiert ist, nie wieder auch nur ansatzweise passieren kann? Was kann ich dazu beitragen, dass niemals vergessen wird? Wann ist Zivilcourage gefragt?, dann fin­det schlussendlich antifaschistische Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit statt. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch dafür bedanken, dass Mario Lindner diesen wich­tigen Aspekt aufgreift.

Wie notwendig diese Arbeit ist, beweist der aktuelle Bericht des Verfassungsschut­zes – ich zitiere –: „Im Jahr 2015 sind den Sicherheitsbehörden in Österreich insge­samt 1.156 rechtsextremistische, fremdenfeindliche/rassistische, islamophobe, antise­mitische sowie unspezifische oder sonstige Tathandlungen, bei denen, teils mehrere ein­schlägige Delikte zur Anzeige gelangten, bekannt geworden“. Gegenüber dem Jahr 2014 bedeutet das einen zahlenmäßigen Anstieg um 54 Prozent.

Bei der Meldestelle NS-Wiederbetätigung sind im Jahr 2015 insgesamt 3 913 Informa­tionen und Hinweise eingegangen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies wiederum ei­nen Anstieg, nämlich um 16,7 Prozent. Dieser Anstieg macht mir schon gewaltig Angst. Da ist etwas in Bewegung, und das darf nicht verharmlost werden, da sind wir alle ge­fragt, zu verurteilen und mit allen Mitteln dagegenzuwirken.

Ich möchte auch noch auf die hervorragende Arbeit des Mauthausen Komitees einge­hen, ich denke dabei auch an die jährliche Gedenkfeier, die uns jedes Jahr wieder zu­tiefst bewegt und auch aufrüttelt, zu der immer noch Überlebende mit ihren Angehö­rigen kommen, aber eben zum Glück auch viele junge Menschen, viele VertreterInnen von Politik und Kirchen.

Das Mauthausen Komitee wirkt auch über die Gedenkstätte hinaus, denken wir an das Fest der Freude, das jährlich am 8. Mai am Heldenplatz gefeiert wird. Das Mauthausen Komitee führt auch eine Meldestelle für Rechtsextremismus auf seiner Homepage, um eben Vorfälle zu dokumentieren. Aktuell fordert das Mauthausen Komitee einen Natio­nalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, um alle Kräfte zu bündeln, die diesen Wi­derstand leisten.

Ich komme zum Schluss: Die Gedenkstätte Mauthausen hat ein wirklich großes, schwe­res historisches Erbe und eine noch größere Verpflichtung daraus, Erinnerungsarbeit und antifaschistische Bewusstseinsarbeit zu leisten. Um das tun zu können, braucht es adäquate Ressourcen, geeignete zeitgemäße Strukturen, die wir mit diesem Beschluss heute gewährleisten werden, und natürlich fachliche Expertise.

Wir alle müssen wachsam bleiben, wir alle dürfen niemals vergessen und müssen ge­meinsam den Anfängen wehren. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.59


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster und vorläufig Letzter dazu zu Wort ge­langt Herr Bundesminister Brandstetter. – Bitte, Herr Minister.

 


15.59.31

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Wie zuletzt durch den Redebeitrag der Frau


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Bundesrätin wieder sehr deutlich wurde, ist das ein ernstes Thema. Ich darf zu diesem Thema meinen Amtskollegen Innenminister Wolfgang Sobotka vertreten, wir haben das auch besprochen, und ich tue das sehr gerne, weil es uns beiden ein wichtiges Anlie­gen ist: die Erinnerungskultur an sich und die KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Beson­deren.

Kollege Sobotka ist auch Historiker, nicht nur Musiker und Innenminister, nein, er ist auch Historiker. Ich habe das Privileg, mit ihm schon seit Jahren immer wieder über historische und auch kulturelle Themen zu diskutieren. Ich weiß daher, dass es ihm ein ganz wichtiges Anliegen war, diese Gedenkstätte erstmals auf eine gesetzliche Grund­lage zu stellen und damit auch wirklich entsprechend abzusichern.

Deshalb ist es ein wenig schade, dass auch seitens der Grünen hier doch das eine oder andere gesagt wurde, was, glaube ich, dieser Lösung nicht wirklich gerecht wird, denn wir dürfen nicht vergessen, in dem Augenblick, in dem, wie das hier der Fall ist, die Auf­gaben der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gesetzlich verankert werden, ist natürlich auch die Finanzierung klar. Das ist damit etwas gesetzlich Erforderliches, und es wird ein Punkt bei den jährlichen Budgetverhandlungen sein, auch die entsprechenden Dotie­rungen zuzuteilen und möglich zu machen. Ich habe da überhaupt keine Sorge.

Ich bin ja regelmäßig dort, und wenn man gesehen hat, was dort in den letzten Jahren geleistet wurde, auch mit dem Zubau – ich weiß nicht, ob Sie das kennen –, mit diesen neuen Ausstellungsmöglichkeiten, was in der Gedenkstätte in den letzten Jahren unter Federführung und Verantwortung des Innenministeriums geleistet wurde, natürlich auch in Kooperation mit dem Mauthausen Komitee und vielen, vielen Vereinigungen, die sich dieses Themas zu Recht angenommen haben, dann muss man schon sagen, das ist wirklich eindrucksvoll. Das soll und kann man gar nicht schlechtmachen. Da ist Großar­tiges geleistet worden, auch für die Zukunft, auch für die Jugend. Ich halte das für wirk­lich wegweisend, was dort geschehen ist. Und was jetzt aufgrund dieses Gesetzes mög­lich ist, das halte ich auch für eine sehr gute Lösung.

Frau Bundesrätin Dziedzic, Sie haben gemeint, das sei keine gute Lösung, sondern ei­ne österreichische. Ich sage Ihnen ganz offen, meiner Meinung nach muss das kein Wi­derspruch sein. Ich halte das für eine gute, sogar für eine sehr gute österreichische Lö­sung, die wir gefunden haben.

Sie dürfen eines nicht vergessen: Es geht gerade bei solchen Gedenkstätten auch um die staatspolitische Verantwortung, auch darum, dass man sicherstellt, dass es bei den diversen Gedenkfeiern nicht irgendwelche Störaktionen gibt, die wir alle nicht wollen. Da braucht es schon eine entsprechende Kompetenz, Fachkompetenz und auch Po­tenzial seitens des Bundes. Das Innenressort ist natürlich besonders dafür geeignet, sicherzustellen, dass diese Einrichtung die Funktion, die sie erfüllen soll, auch erfüllt. Ich wüsste auch nichts, was man daran, wie das in den letzten Jahren gemacht worden ist, kritisieren könnte.

Noch etwas kommt dazu: Wissen Sie, das Thema, das mich und Kollegen Sobotka wirklich verbindet, führt auch dazu, dass ich in meinem Ressort mit ähnlichen Frage­stellungen konfrontiert war und bin. Auch wir im Bereich der Justiz machen sehr viel im Bereich Erinnerungskultur, und ich bin sehr froh darüber. Ich bin wahnsinnig froh da­rüber und stolz darauf, dass wir Richter und Staatsanwälte haben, denen das ein Anlie­gen ist, die auch viel Eigeninitiative einbringen.

Ich sage Ihnen aber auch ganz offen: Ich bin froh darüber, dass ich als Bundesminister die Möglichkeit habe, zu sagen: Ja, an diesem Gericht – wie voriges Jahr in Silz in Tirol – bringen wir jetzt eine Gedenktafel zu Ehren jenes Gerichtsvorstehers an, der im Jahr 1938 durch die Nationalsozialisten abgesetzt wurde!, wir machen dies oder jenes. Wir unter­stützen alles an Aktivitäten in diesem Bereich. – Das kann ich im Rahmen meiner Ver-


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antwortung als Bundesminister machen. Ähnlich ist es natürlich auch da. Und verges­sen Sie nicht, wenn Sie ein anderes Konstrukt wählen würden, dann haben Sie eine zusätzliche Institution. Das führt natürlich auch, wenn man so will – ich meine das jetzt nicht negativ –, zu mehr Bürokratie, und es ist für den Bund letztlich auch schwieriger, diese Verantwortung unmittelbar wahrzunehmen.

Es kommt noch etwas dazu, Sie haben gesagt, diese Lösung sei nicht transparent ge­nug: Das sehe ich auch nicht so, denn wann immer der Bund irgendwo die Verantwor­tung trägt, und hier tun wir es auch gerne, wann immer ein Bundesminister die Verant­wortung hat, dann haben Sie alle Möglichkeiten – und das ist gut so –, mit parlamen­tarischen Anfragen bis ins Detail für Transparenz und Kontrolle zu sorgen. Bei ausgela­gerten Gesellschaften ist das schon schwieriger.

Wenn man alles überlegt, wirklich hin und her überlegt, dann muss ich ehrlich sagen, auch aufgrund meiner Erfahrung bei vergleichbaren Fragestellungen, das ist wirklich ei­ne gute Lösung und es gibt keinen Grund, dieser Lösung nicht zuzustimmen.

Ich freue mich darüber, dass dieses Gesetz 70 Jahre nachdem das frühere KZ Maut­hausen in die Verantwortung der Republik Österreich übergeben wurde, zustande kommt. Ich glaube, das, was bisher dort geschehen ist, war wirklich eindrucksvoll, notwendig, wichtig und wirklich hervorragend. Ich denke, mit dieser Gesetzesgrundlage wird dort in diesem Sinne noch mehr getan werden können, letztlich in unser aller Interesse. Das ist ein gutes österreichisches Gesetz, glauben Sie mir! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

16.05


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dem ist nicht so. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.06.0110. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das EU‑Polizeikooperationsgesetz und das Waf­fengebrauchsgesetz 1969 geändert werden (Präventions-Novelle 2016) (1151 d.B. und 1229 d.B. sowie 9620/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Hammerl. Ich bitte um den Bericht.

 


16.06.13

Berichterstatter Gregor Hammerl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das EU-Polizeikooperationsge­setz und das Waffengebrauchsgesetz 1969 geändert werden (Präventions-Novelle 2016).

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Ju­li 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Als erste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Dziedzic. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.07.03

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Wertes Präsidium! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Womöglich wenig überraschend, auch hier vertreten wir eine Minderheitenmeinung beziehungsweise sind wir kritischer als die Koa­lition. Was nämlich für manche nach Prävention klingt, kann unserer Meinung nach un­ter Umständen zu Repression führen.

Im Wesentlichen sind in dieser Novelle zwei Regelungsbereiche enthalten, und zwar soll die bisher im Bereich von Fußball-Hooligans bestehende Möglichkeit von Gefähr­deransprachen und Meldeverpflichtungen auf die Bereiche häusliche Gewalt, Extremis­mus sowie Gewalt- und Sexualstraftaten übertragen werden. Die betroffenen Personen sollen zu entsprechenden Belehrungen, wie es heißt, über rechtskonformes Verhalten und mögliche Konsequenzen zur Polizei vorgeladen werden können. Das kann auch wie­derholt werden.

Wieso kritisieren wir das? – Erstens: Bei den Hooligans war der eigentliche Hauptzweck dieser Maßnahmen das Fernhalten dieser Hooligans von bestimmten Risikospielen. Bei den anderen Gruppen, die ich jetzt gerade aufgezählt habe, sind derartige Risiko­ereignisse grundsätzlich nicht gegeben. Diese Belehrung, die ich ebenfalls erwähnt ha­be, soll durch die Polizei erfolgen. Wir fragen uns, wie es mit entsprechenden Kapazi­täten zum einen, zum anderen aber auch mit der Qualifikation der Polizei, was diese Be­lehrungen anbelangt, aussehen wird oder aussieht.

Des Weiteren werden auch rechtsstaatliche Prinzipien berührt, da bereits vor einer Ver­urteilung derartige Sanktionen gesetzt werden und das Nichterscheinen oder auch Stö­ren bei einer Vorladung mit Verwaltungsstrafen geahndet wird oder geahndet werden kann. Wir halten das weiters für bedenklich, da nämlich die Kompetenzen der Polizei, was das Vorgehen gegen – unter Anführungszeichen – „unerwünschte Personen be­ziehungsweise Verhaltensweisen“ betrifft, mit dieser Novellierung deutlich gestärkt wer­den. Das heißt, der Verwaltungsstrafbestand der Störung der öffentlichen Ordnung wird rückgeführt auf die Erregung öffentlichen Ärgernisses, ergänzt um ein Wegweisungsrecht.

Zweitens: Aggressives Verhalten gegenüber Polizisten kann vorbestraft werden, auch wenn dadurch keine Amtshandlung behindert wird. Dann weiter: Die jeweiligen Strafen werden von 350 € auf 500 € erhöht, und bereits außerhalb von Schutzzonen und Si­cherheitsbereichen, beispielsweise bei Sportveranstaltungen, kann das Betreten dersel­ben einzelnen Personen präventiv verboten werden.

Neu ist auch die Möglichkeit, die Daten von Personen, von denen verfassungsgefähr­dende und andere Angriffe befürchtet werden, im EKIS, im Elektronischen Kriminalpoli­zeilichen Informationssystem, zu speichern.

Diese ausufernde – so nenne ich es jetzt einmal – Definition der verfassungsgefähr­denden Angriffe schwappt somit unserer Meinung nach direkt in die Hauptpolizeida­tenbank über, auf die, wie wir wissen, sehr viele Beamte in Österreich Zugriff haben. Auswirkungen der präventiven Überwachung durch den Staatsschutz werden so, wie ich vorher schon erwähnt habe, nicht notwendigerweise ausgeweitet.

Das schafft auch die Möglichkeit, und ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt, dass zum Beispiel Randgruppen, aber zum Beispiel auch Personen, die gewisse Amtshand­lungen zwar nicht stören, aber etwa beobachten oder filmen, als störend empfunden, vom öffentlichen Raum verdrängt und somit auch mit Strafen belegt werden könnten.

Wenn Sie jetzt sagen würden, Nein, das ist grundsätzlich nicht geplant, wir wollen jetzt nicht alle wegschicken, die bei einer Amtshandlung beispielsweise etwas aufnehmen,


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dann kann ich darauf verweisen, dass mit dieser Ausweitung der Kompetenzen eben das, was als strafbar eingestuft worden ist, insofern ausgeweitet worden ist, als es bis jetzt hieß, besonders rücksichtslos wird beispielsweise bei einer Amtshandlung gestört. Mittlerweile reicht es aber, wenn es ein aggressives Verhalten ist. Da stellt sich natür­lich schon die Frage, wann aggressives Verhalten beginnt, wann es endet und wer ei­gentlich darüber urteilt, was aggressives Verhalten sein könnte.

Das heißt, in Zukunft reicht es, ein Ärgernis hervorzurufen. Und das ist eben genau die­ser kritische Punkt, glaube ich, den ich nochmals wiederholen kann, dass jemand weg­gewiesen werden kann, auch wenn er oder sie die Amtshandlung nicht stört, aber bei­spielsweise durch aggressives Verhalten auffällt.

Alles in allem ist das für uns aufgrund der erwähnten Punkte jetzt weniger etwas, das mit präventiven Maßnahmen zu tun hat, sondern etwas – ich wiederhole das bewusst noch einmal –, das unter Umständen zu Repression führen kann. Deshalb, glaube ich, werden Sie verstehen, dass gerade die Grünen dem nicht zustimmen können. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

16.13


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Schödinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.13.21

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen vor den Bildschirmen! Schade, dass heute ein Tag ist, an dem wir den Grünen nichts recht machen können, aber das wird sich sicher wieder ändern. (Bundesrat Stögmül­ler: Nein! Nein! Nein! – Bundesrätin Dziedzic: Nein, das waren gerade mal zwei Punkte!)

Ich möchte nur kurz anmerken, das aggressive Verhalten ist relativ leicht zu erkennen, weil der Beamte beim aggressiven Verhalten zuerst verpflichtet ist, die Person abzu­mahnen. Das heißt, er schreitet nicht gleich ein, sondern er mahnt zuerst ab. Und wenn diese Abmahnung einmal ausgesprochen ist, dann sollte das Visavis wissen, jetzt ist Schluss mit lustig und jetzt wird die Amtshandlung ernsthaft fortgesetzt.

Deswegen glaube ich, dass sehr wohl klar und deutlich ist, was aggressives Verhalten im Sinne des amtshandelnden Kollegen bedeutet. Ich weiß, dass unsere Kollegen dies­bezüglich sehr tolerant sind und es auch verstehen, wenn hier nicht alles so läuft, wie sie sich das wünschen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei diesem Gesetzesblock möchte ich nur einige Punkte herausgreifen, da ich glaube, dass wir nicht in jedes Detail eingehen müssen. Aber eines ist mir schon wichtig, denn es wurde unter anderem auch der Schutz für Minderjährige erweitert, indem das Betre­tungsverbot von der Wohnung auch auf Schulen und sonstige Betreuungseinrichtun­gen erweitert wurde.

Weiters ist es uns auch wichtig, die Gefährderansprache als Instrument zur Deradika­lisierung einzusetzen; das geht bis zu einer bescheidmäßigen Verpflichtung zum Er­scheinen auf einer Dienststelle. Jetzt werden natürlich einige sagen: Na ja, was ist das schon? Aber wir haben, was das betrifft, doch schon die eine oder andere Erfahrung sammeln können; im Umgang mit Fußball-Hooligans hat das sehr gut gewirkt. Ich glau­be auch, dass die Erhöhung der Mittel für die Behörde gerade so weit ausreichend sein soll, bis sie wirkt. Und ich glaube, dass das bereits ein Schritt ist, der dementsprechend wirken wird und mit dem wir uns bei den Radikalisierten zumindest einmal Gehör ver­schaffen könnten.

Ein weiterer Punkt ist für mich besonders wichtig, nämlich das Mitnahmeverbot von Waffen in alle Gebäude der Dienststellen des BMI. Ich glaube, dem ist nichts hinzuzu-


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fügen. Es ist doch, wie wir das in der Vergangenheit gesehen haben, ein wirklich ge­fährliches Unterfangen, wenn Leute, die komplett aus der Norm fallen, die Möglichkeit bekommen, sich mit Waffen zu bewegen und eventuell Dienststellen des Bundesminis­teriums für Inneres zu betreten.

Jetzt komme ich als Polizist zu einem Punkt, der vielleicht nicht bei allen Zustimmung findet, auch bei meinen Kollegen nicht, der mir aber besonders wichtig ist, und zwar ist das die zentrale Einsatzleitung in den Landesleitstellen.

In der Stadt Wien ist das kein Thema, weil das schon lange entsprechend umgesetzt wurde, aber draußen am Land ist es sehr wohl ein Thema. Ich habe mich heute noch mit vielen Kollegen und auch Bezirkskommandanten abgesprochen, weil ich wissen wollte, wie sie das sehen, und ich merke, dass da ein sehr pragmatischer Zugang herrscht. Wir haben gesehen, dass bei Rettung und Feuerwehr die landesweiten Ein­satzalarmierungen zwar Anlaufschwierigkeiten hatten, aber dann sehr gut zu funktio­nieren begonnen haben. Aus diesem Grund scheint es auch auf Landesebene vernünf­tig zu sein, die Alarmierungen zentral vorzunehmen. Das heißt, die Bezirksleitstellen verlieren an Wertigkeit, sie werden nicht ganz aufgelöst, aber sie verlieren an Wertig­keit, und die Einsatzzentrale wird immer die Landesleitstelle sein.

Das Ganze müsste mit der Ausstattung der Polizeistreifenwagen mit GPS einherge­hen, um sofort erkennen zu können, wo das Fahrzeug gerade unterwegs ist. Ich weiß schon, es kommt immer wieder das Argument, ich bin dann als Beamter überwachbar – das sehe ich auch so –, aber es für mich unabdingbar, das aus Gründen der Sicherheit auch zu fordern. Es ist für mich auch ganz klar, dass dabei der Sicherheitsaspekt über­wiegt und die Sicherheit der Beamten in diesem Sinne einen wirklich deutlichen Schub nach vorne bekommt.

So bleibt mir nur noch, einen letzten Punkt anzuführen, nämlich die Meldeverpflichtung für Menschen, die bereits einen gefährlichen Angriff gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begangen haben. Das ist eigentlich die Reaktion auf die Probleme, die wir in den letzten Monaten hatten.

Wenn ich das jetzt alles zusammenfassen darf, dann möchte ich schon sagen, dass unsere Regierung, dass die einzelnen Minister ihren Job gut machen. Hier werden Punkt für Punkt all jene Probleme in einer relativ kurzen Zeit aufgearbeitet, die uns in letzter Zeit wirklich massiv befasst haben und bei denen auch wirklich Handlungsbe­darf gegeben war.

Aus diesem Grund denke ich, dass wir diesbezüglich auf einem guten Weg sind. Ich glaube auch, dass es ein Beweis dafür ist, wie effizient und fleißig unsere Regierung, unsere Minister und Ministerinnen arbeiten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.)

16.18


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Weber zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.18.40

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Werter Herr Bundesminister! Mir geht es ein wenig so wie dem Kol­legen Schödinger, ich dachte eigentlich auch, die grüne Farbe ist die Farbe der posi­tiven Hoffnung, aber es ist eher die Farbe der Angst, es könnte unter Umständen auch ein Missbrauch geschehen. Also ihr schaut da schon sehr fantasievoll in die Glaskugel, ich könnte mit dem gleichen Argument auch gegen eine Leiter sein, denn da könnte ich auch herunterfallen.

Für mich und für meine Fraktion ist die vorliegende Novelle zum Sicherheitspolizeige­setz, zum EU-Polizeikooperationsgesetz und zum Waffengebrauchsgesetz die Präven-


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tions-Novelle, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen, zu beseitigen und gar nicht erst entstehen zu lassen.

Auch für Polizeibeamte gilt diese Novelle, da sie ein Mehr an Sicherheit bringt. Da ist mir im Speziellen das Waffenmitnahmeverbot sehr wichtig – das haben wir schon ge­hört –, auch die möglichen Sicherheitskontrollen in den Amtsgebäuden des Bundesmi­nisteriums und seinen nachgeordneten Dienststellen.

Wenn ich mit einem hohen Grad an Mitgefühl des jungen Beamten, dem in Wien-Pen­zing vor der Billa-Filiale Anfang Juli kaltblütig in den Kopf geschossen wurde und der wenige Tage später aufgrund seiner Verletzungen verstarb, gedenke, so muss ich be­tonen, dass dieses Gesetz ein Mehr an Sicherheit auch für die Polizei bringen wird (Zwi­schenrufe bei den Grünen), obwohl man so etwas nie völlig verhindern kann.

Ein Mehr an Sicherheit bringt es auch für die Bevölkerung; die Befugnisse der Sicher­heitsbehörden zur Verhinderung von terroristischen, ideologischen und religiös motivier­ten Straftaten werden erweitert. Wichtige Argumente sind da, dass man vorausschau­end und vorbeugend eingreifen kann, bevor eine Gefahr entsteht.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung kann künftig ein­schlägig auffällig gewordene Personen – wir haben es heute schon gehört – zur so­genannten Gefährderansprache laden. Diese Person muss sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Behörde melden. Tut sie das nicht, droht eine Verwaltungsstrafe. Man kann so, wie es sich im Bereich der Hooligans bei Sportgroßveranstaltungen gut be­währt hat, den Betroffenen auch über die Rechtsfolgen von derartigen Handlungen auf­klären und ihn ebenso zu einem Unterstützungsangebot zur Deradikalisierung einla­den. Weiters kann die Exekutive durch die Meldepflicht mit diesen Personen regelmä­ßig in Kontakt bleiben und einen möglichen Ortswechsel, eine Ortsveränderung zeitnah erkennen. Diese Novelle bringt also, wie ich es erwähnt habe, auch ein Mehr an Sicher­heit für die Bevölkerung.

Die Exekutive erhält eine zusätzliche Erweiterung der Befugnisse, was die Verarbei­tung von Daten betrifft. Sie kann nun mutmaßlich gefährdende Personen zur verdeck­ten Kontrolle ausschreiben.

Die Einziehung von Pässen und Ausweisen von Personen, die für terroristische Zwe­cke ins Ausland reisen oder etwa von einem Terrorcamp ins Heimatland zurückkehren wollen, ist leichter machbar. Dies fußt im Übrigen auf einer einstimmig beschlossenen UN-Resolution, welche unter dem Vorsitz von US-Präsidenten Obama zustande gekom­men ist.

Auch ist es künftig erlaubt, aus Anlass der Anmeldung eines Fahrzeuges zu überprü­fen, ob dieses Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben ist.

Es sind also viele kleine Aspekte, viele kleine Themen, die ein Mehr an Sicherheit bringen und vor allem präventiv, vorausschauend und vorbeugend eingesetzt werden können. Ich für meinen Teil kann dieses Gesetz sehr gut unterstützen, es bringt ein Mehr an Sicherheit für die Exekutivbeamten und ein Mehr an Sicherheit für die Bevöl­kerung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.23


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.23.42

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich wurde dieses Gesetz von mei­nen Vorrednern bereits ausgiebig erläutert. Es wurden die wesentlichen Dinge wie die


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neuen Befugnisse zur Verhinderung von radikalen und extremistisch motivierten Straf­taten erläutert. Auch auf die neuen Maßnahmen zur Gefährderansprache betreffend den Schutz vor Gewalt ebenso wie auf den sprengelüberschreitenden Einsatz und die damit zusammenhängende Speicherung von Daten wurde hingewiesen.

Was mich an diesem Gesetz besonders freut – und darum stimme ich so gerne dieser Präventions-Novelle zu –, ist der Umstand, dass da mit dem neu geschaffenen § 15a ein wirklich proaktiver Schutz für unsere Polizistinnen und Polizisten nicht nur in den Amtsgebäuden des BMI, sondern eigentlich in allen Polizeidienststellen geschaffen wur­de, indem einfach festgeschrieben wurde, dass Waffenträgern das Tragen dieser Waf­fen in Amtsgebäuden, nämlich in Dienststellen des BMI, grundsätzlich zu untersagen ist beziehungsweise die Möglichkeit dafür besteht.

Gerade in der jüngsten Vergangenheit erleben wir Zeiten, in denen mit oft maßloser und brutaler Gewalt gegenüber Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen vorgegangen wird, in denen wir erst einen höchst dramatischen und tragischen Vorfall bei der Wie­ner Polizei erleben mussten. Ich denke, dass diese unmittelbaren, exzessiven und di­rekt gegen die Polizei gerichteten Angriffe passieren, weil sie sich nicht im Zuge auf­bauender Gewalt ergeben, sondern weil damit gezielt Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten zur Anwendung gebracht werden soll, weil sie eben diesen Beruf ausüben. Sie müssen sich in der Ausübung dieses Berufes auch mit einem Gegenüber konfron­tieren, dem sie sich vielleicht in privater Hinsicht nicht stellen würden, aber weil es ihr Job ist und sie diesen ausüben, machen sie es eben. Ich denke, aus diesem Grund ist es ein besonderes Anliegen – nicht nur meiner Fraktion, sondern ich erkenne es auch bei der Bundesregierung –, dass man da endlich auf aktive Maßnahmen setzt, um die­sen Schutz auch künftig besser zu gestalten.

So bin ich eigentlich nicht zuletzt aufgrund der tragischen Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit gegenüber der Polizei doch ein bisschen – ich will gar nicht sagen über­rascht – irritiert, dass die Grünen einmal mehr hier nicht nur ihre allgemeine Ablehnung gegenüber der Polizei zum Ausdruck bringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja nichts Neues!) Das wäre nichts Neues, aber wenn Sie, Frau Kollegin Dziedzic, der Po­lizei und auch den Sicherheitsbehörden hier indirekt unterstellen, dass sie möglicher­weise gesetzliche Bestimmungen bewusst rechtswidrig zur Anwendung bringen wer­den (Bundesrätin Dziedzic: Das ist Ihre Interpretation!), dann, denke ich, ist das doch eine überschießende Argumentation. Bei aller Wertschätzung für unterschiedliche poli­tische Haltungen, die man einnehmen kann, denke ich aber, dass das in keiner Weise inhaltlich gerechtfertigt ist und dass sich unsere Polizistinnen und Polizisten eine sol­che Unterstellung schon gar nicht verdient haben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Mayer.)

Was mich auch irritiert hat, ist Ihre Pro-Hooligan-Haltung, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben, obwohl wir eigentlich alle der Meinung waren, oder zumindest meine Fraktion der Meinung ist, dass das Verhalten dieser radikalen Fußballfans in einer nor­malen Gesellschaft nichts verloren hat. (Bundesrätin Dziedzic: Haben Sie mir über­haupt zugehört?!) Wenn Sie jetzt für diese Fangruppe oder diese Gruppe mit dieser Einstellung das Wort ergreifen, dann ist das auch eine Darstellung, die eigentlich nicht nur aufgrund der Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit höchst irritierend ist.

In diesem Sinne sage ich allen Polizistinnen und Polizisten hier an dieser Stelle na­mens meiner Fraktion Dank und Anerkennung dafür, dass sie ihren Job pflichtbewusst und manchmal – wie wir es leider erfahren haben – auch bis zur letzten beruflichen Kon­sequenz ausüben. Ich hoffe, dass wir mit diesen Schutzmaßnahmen – Stichwort § 15a, der in diesem Gesetz verankert ist – zumindest einen Teil dazu beitragen können, dass wir diese direkte Konfrontation von PolizistInnen mit gewaltbereiten Tätern, die Waffen­gewalt proaktiv gegen Polizistinnen und Polizisten anwenden, einigermaßen eindämmen.


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Daher stimme ich dieser Gesetzesnovelle gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.28


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


16.28.55

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bun­desminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ich möchte bei diesem Gesetz vor allem auf den frauenpolitischen Aspekt eingehen, weil dieses Gesetz eine Maßnahme für Gewaltschutz und auch für Gewalt­verhinderung mit sich bringt. Ich möchte vorweg erwähnen, dass ich jeder und jedem, die oder der Gewalt ausübt, die rote Karte zeige, denn Gewalt bedeutet einen Verstoß gegen die Menschenrechte und Gewalt ist strafbar. (Vizepräsidentin Winkler übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin sehr froh, dass seit 1. Jänner 2016 – initiiert von der damaligen Bundesminis­terin Gabi Heinisch-Hosek – sexuelle Belästigung strafbar ist.

Es ist sicherlich absolut nicht romantisch, zu wissen, was jede Statistik belegt, nämlich dass fast jede fünfte Frau in ihrem Leben mit Gewalt zu tun hat. Und Gewalt, sexuelle Gewalt ist auf keinen Fall eine Privatsache der Frauen und überhaupt kein Kavaliers­delikt. Gewalt kann durch keine Tradition und auch durch überhaupt keinen anderen Grund akzeptabel werden. Dies gehört bestraft und muss geahndet werden.

Was bringt dieses Gesetz? – Wie schon gesagt, dieses Gesetz bringt einen Ausbau im Bereich des Gewaltschutzes und der Gewaltverhinderung. Es geht hier um eine Aus­weitung der Betretungsverbote. Künftig kann ein Betretungsverbot zugunsten unmündi­ger Personen über einen Ort, wie zum Beispiel Schule, Kindergarten oder andere Orte, erlassen werden, auch wenn kein Betretungsverbot über die Wohnung besteht. Bisher war das alles gekoppelt. Konkret heißt das, dass bis dato Frauen, die in Schutzeinrich­tungen oder zum Beispiel in Frauenhäusern gelebt haben, dieses Betretungsverbot praktisch nicht bekommen konnten, weil es immer an eine Wohnung gekoppelt worden ist.

Der zweite Punkt, der für mich auch sehr wichtig ist, ist, dass ein Fokus auf die Täter­arbeit gelegt wird, und zwar präventiv. Bei Fällen von sexueller Belästigung, etwa im öffentlichen Raum oder bei häuslicher Gewalt, wird der Täter beziehungsweise Gefähr­der zu einer Rechtsbelehrung bei der Exekutive verpflichtet. Bis jetzt war es so, dass es auf freiwilliger Basis war. Jetzt wird es zur Pflicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt, sexuelle Gewalt ist im 21. Jahrhundert leider noch immer ein Tabuthema. Ich möchte wiederholen, dass heute unser neuer Herr Bundesratspräsident Courage zum Schwerpunkt gemacht hat: Schauen wir nicht weg! Schauen wir hin! Ich appelliere an unsere Courage, denn Gewalt heißt Verletzung von Menschenrechten. Und es wird dabei auch der österreichischen Rechtsordnung wider­sprochen.

Es wurde schon viel getan, das muss man sagen. Was Gewaltschutz betrifft, hat Ös­terreich eine internationale Vorreiterrolle. Ich möchte vielleicht das Erste und Zweite Ge­waltschutzgesetz erwähnen. Ich möchte das Anti-Stalking-Gesetz von 2006 erwähnen. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass seit 2016 Gewalt, sexuelle Gewalt strafbar ist. Und gerade auch dieses Gesetz ist wieder eine weitere Maßnahme, um Gewaltschutz gesetzlich festzuschreiben.

Aber ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen, den auch unser Herr Bundesratsprä­sident heute in der Früh genannt hat: In dem Fall sind Gesetze alleine zu wenig. Ich


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appelliere auch an unsere Bewusstseinsbildung. Deswegen sage ich noch einmal: Sei­en wir uns dessen bewusst, dass wegschauen eine Menschenrechtsverletzung und straf­bar ist!

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

16.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Brand­stetter. – Bitte, Herr Minister.

 


16.34.09

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Das ist auch ein ernstes Thema, aber es trifft sich gut, dass ich heute auch zu diesem Punkt meinen Kollegen Wolfgang Sobot­ka vertreten darf. Er ist ja gemeinsam mit dem Kollegen Doskozil in Ungarn unterwegs, wie Sie sicher wissen werden.

Es trifft sich deshalb gut, weil es heute hier um Punkte geht, die ich gemeinsam mit ihm am 12. Mai im Rahmen eines Aktionsplans vorstellen durfte. Das sage ich Ihnen ganz offen: Ich stehe da sowas von dahinter – auch mit den Maßnahmen, die noch aus mei­nem Ressort dazukommen sollen –, weil ich es einfach für notwendig und richtig halte, diese Maßnahmen zu setzen.

Ich möchte jetzt auch nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. Das geht auf das Konto der Redezeit des Kollegen Sobotka, aber ich muss einiges schon gesagt ha­ben.

Wissen Sie, Frau Kollegin Dziedzic von den Grünen, die Grünen waren für mich immer traditionell eine Bewegung, eine Partei, die – abgesehen von Umweltanliegen, die viel­leicht zuletzt bedauerlicherweise nicht mehr so stark im Vordergrund waren (Bundesrat Stögmüller: Na, na, na, na, na!) – sich aus meiner Sicht doch immer sehr intensiv mit der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats und mit Entwicklungen, in denen der Rechts­staat vielleicht nicht optimal funktioniert, beschäftigt hat. Ich habe das immer sehr ge­schätzt.

Nur, was Sie heute gesagt haben und was Sie jetzt tun, das enttäuscht mich, weil es nach meinem Dafürhalten letztlich ein Beitrag dazu ist, den Rechtsstaat zu untergra­ben. Ich sage Ihnen auch, warum und wieso – auch auf die Gefahr hin, dass es Sie über­raschen wird. Was Herr Bundesrat Werner heute hier gesagt hat, ist hundertprozentig richtig, und man muss es unterstützen.

Ich würde Ihnen gerne einmal die Gelegenheit geben, Frau Bundesrätin, sich einmal in der Realität umzusehen und insofern auch in der Realität anzukommen! Schauen Sie einmal mit mir in eine Justizanstalt, schauen Sie einmal, was sich in den letzten Jahren dort verändert hat!

Vor wenigen Tagen habe ich Schutzausrüstungen an Justizwachebeamte übergeben, insbesondere stichfeste Westen. Das ist notwendig, weil das Verhalten der Inhaftierten in der letzten Zeit immer aggressiver geworden ist. Die Gefährdung der Justizwachebe­amten hat zugenommen. Ich brauche heute nicht zu wiederholen – es fällt mir schwer, das überhaupt wieder in Erinnerung zu rufen –, dass die Polizeibeamten eben jene sind, die jeden Tag für uns draußen auch ihr Leben riskieren. Dass man sie schützen muss, stärker schützen muss, als das bisher erforderlich war, das, glaube ich, ist et­was, dem man zustimmen muss. Und wir müssen alles tun, um ihren Schutz sicherzu­stellen, so wie ich das in Bezug auf die Justizwachebeamten tun muss, für die ich ver­antwortlich und zuständig bin.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 129

Wir sind in der letzten Zeit mit Entwicklungen konfrontiert, auf die wir reagieren müs­sen. Wir tun das mit diesen Maßnahmen. Das sind im Kern Präventionsmaßnahmen – na, selbstverständlich –, mehr ist es nicht. Aber es sind Präventionsmaßnahmen, Frau Bundesrätin, die man auch rechtsstaatlich mit allen rechtsstaatlichen Kautelen durch­setzen können muss. Und wenn man sie nicht durchsetzen kann, dann gibt es die Repression. Damit kann man sie durchsetzen, davon lebt der Rechtsstaat. Das ist ein wesentlicher Punkt, auf den ich Sie wirklich hinweisen wollte. Der Rechtsstaat und sei­ne Glaubwürdigkeit leben davon, dass er auch durchgesetzt werden kann. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Zur Durchsetzung von Präventionsmaßnahmen brauchen Sie natürlich rechtsstaatlich kontrollierte Repression. Das ist auch selbstverständlich. Und vielleicht – das denke ich mir manchmal in stillen Stunden – haben wir in den letzten Jahren auch ein bisschen zu wenig aufgepasst, wenn es darum ging, dass man auf allen Ebenen geradezu als Volkssport die Autorität der Exekutivorgane untergraben hat. Das hat auch zu einem Punkt geführt, an dem man natürlich auch durchaus Schwierigkeiten hat, der Autorität der Exekutivorgane im Einzelfall wirklich auch zum Durchbruch zu verhelfen. Das ist aber notwendig. Der Rechtsstaat lebt davon, dass er tatsächlich auch durchgesetzt wer­den kann; und insofern lebt er auch davon, dass er dadurch glaubwürdig wird.

Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen, da Sie zwei Punkte genannt haben, auf die ich speziell etwas antworten muss. Sie haben gesagt: Diese Belehrungspflichten wür­den keinen Sinn machen, weil die Polizei die Qualifikation gar nicht hätte, diese Beleh­rungspflicht zu erfüllen. So haben Sie es gesagt. Ich habe es mir aufgeschrieben.

Also wenn Sie es nicht so gesagt haben, dann ist es wunderbar, aber ich habe es so verstanden. Nur, wenn man diesen Gedanken, den ich für wirklich gefährlich halte, kon­sequent zu Ende denkt, dann führt das zur Kapitulation. Dann müsste man Folgendes sagen: Gut, wir haben keine Exekutivorgane, die das, was notwendig ist und was als notwendig erkannt wurde, umsetzen können, also verzichten wir darauf.

Ich kann auch nicht sagen, wenn ich zu wenige Haftkapazitäten habe, dass wir alle lau­fen lassen. Nein, dann muss man sie halt erweitern, dann muss man etwas tun. Und wir tun ja auch etwas. Das ist aber ein gefährlicher Gedanke, den ich nicht unbeant­wortet lassen möchte.

Ein zweiter Punkt: Sie haben gesagt oder kritisiert, dass jetzt aggressives Verhalten auch ohne Behinderung einer Amtshandlung schon strafbar ist, verwaltungsstrafrecht­lich erfasst wird. Ich sage darauf: Na selbstverständlich! Wenn aggressives Verhalten gegenüber einem Exekutivorgan stattfindet, dann ist das etwas, was grundsätzlich – selbstverständlich maßvoll – mit den entsprechenden Mitteln bekämpft werden muss, um auch die Autorität der Exekutivorgane und die Umsetzung ihrer Aufgaben sicher­stellen zu können. Das und nichts anderes ist im Interesse und im Sinne des Rechts­staats.

Und wenn Sie fragen: Wer definiert denn dann aggressives Verhalten, wer entscheidet denn darüber?, dann sage ich Ihnen: Ganz einfach, das ist der Rechtsstaat, letztlich ent­scheiden die Bundesverwaltungsgerichte. Und so funktioniert es auch.

Aber bitte: Verwechseln Sie nicht die notwendige Kontrolle – auch was alle Maßnah­men im Rahmen der Sicherheits- und auch Justizbehörden betrifft – damit, dass man letztlich die Autorität eines Exekutivorgans derart untergräbt, dass darunter der Rechts­staat leidet. Das darf nicht geschehen!

Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir halt Maßnahmen setzen müssen, Präventiv­maßnahmen, die auch umgesetzt werden müssen und die mit allem, was wir eben zur Verfügung haben, unter rechtsstaatlicher Kontrolle umgesetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 130

Das ist der Punkt, da bin ich hundertprozentig derselben Meinung wie mein Kollege vom Innenressort, da verstehen wir uns als Partner einer Sicherheitspartnerschaft. Das ist einfach notwendig, richtig und zielführend, und mein Angebot bleibt aufrecht: Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen einmal die wirkliche Realität, damit Sie das kennenlernen. Vielleicht werden Sie den einen oder anderen Standpunkt Ihrerseits dann auch relati­vieren müssen; ich würde es fast erwarten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.40


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Es sei mir gestattet, Frau Bundesministerin Dr. Ober­hauser in unserer Mitte recht herzlich zu begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.41.4111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Ärztegesetz 1998 geändert werden (GuKG-Novelle 2016) (1194 d.B. und 1240 d.B. sowie 9615/BR d.B. und 9636/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz geändert wird (1710/A und 1238 d.B. sowie 9637/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.42.47

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Ärztege­setz 1998 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte weiters den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztege­setz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 131

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erster Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


16.44.08

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher vor den Fernsehgeräten! Bei der ersten Gesetzesvorlage handelt es sich eigentlich um eine völlige Umgestaltung der Pflegeberufe. Es gibt in Zukunft drei Stufen: Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und als tertiären Bereich die gehobene Ausbildung. Letztere ersetzt die bisherige Ausbil­dung zum diplomierten Pflegepersonal.

Unsere Kritik – und das ist der Grund, warum wir dieser Vorlage nicht zustimmen wer­den – richtet sich vor allen gegen die Pflegeassistenz, eine zweijährige Ausbildung (Bun­desministerin Oberhauser – den Daumen in die Höhe haltend –: Einjährig!), wobei zukünftig von diesen Pflegeassistenten bisherige Aufgaben des diplomierten Personals übernommen werden sollen. (Bundesministerin Oberhauser: Einjährig, zweijährig ist der Pflegefachassistent!) Das große Fragezeichen ist dabei für uns, ob die Kranken­anstalten dies dann in Zukunft verstärkt beanspruchen werden, und zwar einfach aus Kostengründen, weil dieses Personal dann billiger kommt, und dadurch die Qualität der Pflege leidet.

Wir sind ja nicht die Einzigen, die diese Bedenken haben; kritisiert wird das unter an­derem auch von der Arbeiterkammer. Was in der Theorie, wenn man sich diese drei­stufige Ausbildung anschaut, durchaus gut ausschaut, kann in der Praxis oft problema­tisch sein. Und dass wir diesbezüglich eben nicht ganz falsch liegen, beweisen neben der Arbeiterkammer auch zahlreiche andere kritische Stellungnahmen von diversen Be­triebsräten, Pflegedirektionen, der Ärztekammer, auch des Rechnungshofes, der Berufs­verbände und so weiter. Deshalb werden wir da nicht unsere Zustimmung geben.

Das zweite Gesetz, das Tierärztegesetz, findet unsere Zustimmung. Da kann man sa­gen: Das ist ausnahmsweise einmal etwas, was sozusagen auf Druck der EU, über ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren, durchgesetzt wurde und sinnvoll ist.

Im Wesentlichen sollen Richtsätze für tierärztliche Leistungen von der Kammer aufge­stellt werden. Das halten wir für vernünftig, denn dann weiß man oder kann wahr­scheinlich – beispielsweise als Hundebesitzer; das sind ja nicht immer die bestfinan­zierten und reichsten Leute, sondern es gibt sehr viele Ältere, die ein Haustier haben, oft als einzigen Bezugspunkt, und gerade Tierarztrechnungen können dann sehr ins Geld gehen, da Haustiere, wie man weiß, keine Krankenversicherung haben – im Vor­hinein abschätzen, was so eine Behandlung kosten wird. Das ist durchaus positiv zu bewerten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.47


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Ebner zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.48.14

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zur


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 132

freiheitlichen Fraktion wird unsere Fraktion diesem Gesetz selbstverständlich die Zu­stimmung erteilen. In Anbetracht der Verbesserungen, die dieses Gesetz vorsieht, ist es meiner Ansicht nach ein Gesetz für eine positive Zukunft in allen Lebenslagen.

Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen, und die Zahl der chronischen Erkrankungen hat zugenommen, wobei auch die Krankheitsbilder von Patientinnen und Patienten immer komplexer geworden sind. All das hat natürlich auch Auswirkungen auf die im Pflegebereich tätigen Personen, und somit erscheint es auch angezeigt, dass dieses Gesundheits- und Krankenpflegegesetz novelliert wird.

Dabei war es wesentlich, im Sinne der Patientinnen und Patienten die bisher immer wie­der aufkommenden Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Ärzteschaft und dem Pflege­personal zu beseitigen.

Durch die Reform der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege wird sowohl auf internationale als auch auf nationale Veränderungen in der Versorgung reagiert. Mit Ausnahme von Deutschland ist diese Ausbildung des gehobenen Dienstes in der Ge­sundheits- und Krankenpflege auf tertiärem Bildungsniveau angesiedelt. In Österreich ist zwar seit 2008 auch eine Ausbildung in diesem Bereich auf FH-Niveau möglich, al­lerdings war die Parallelität der Ausbildung auf Schul- und FH-Niveau als Übergangs­lösung gedacht. Ein Fortführen des Nebeneinanderbestehens der Ausbildungswege zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege bei demselben Berufsbild – einmal auf Sekundarniveau, einmal auf tertiärem Niveau – erscheint auf Dauer problema­tisch. Daher wird nun diese Ausbildung an den Gesundheits- und Krankenpflegeschu­len auslaufen, jedoch mit einer angemessenen Übergangsfrist für die Schaffung aus­reichender Arbeits- und Ausbildungsplätze an diesen Fachhochschulen.

Da die Pflegeassistenz, vormals Pflegehilfe, Teil der Ausbildung fast aller auf Länder­ebene geregelter Sozialbetreuungsberufe ist, beispielsweise der Altenarbeit oder der Familienarbeit, hat sich das Ministerium mit den Sozialbetreuungsberufen um eine faire Pflegereform bemüht.

Die Ausbildung sowohl für die Pflegeassistenz als auch für die Pflegefachassistenz ist an den Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege möglich. Selbstverständlich kön­nen bestehende Gesundheits- und Krankenpflegeschulen für Ausbildungen im Bereich der Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz weiterhin genützt werden.

Für die berufliche Erstausbildung sollen Personen eine Ausbildung in der Pflegefachas­sistenz absolvieren, um eine breite berufliche Erstausbildung zu erwerben. Die Ausbil­dung in der Pflegeassistenz ist insbesondere als Ausbildung im zweiten Bildungsweg beziehungsweise in der Erwachsenenbildung attraktiv.

Die Verteilung der Tätigkeiten in der Pflege wird durch diese Reform verbessert. Der­zeit müssen die PflegehelferInnen in der Praxis patientenferne Tätigkeiten, zum Bei­spiel hauswirtschaftliche Arbeiten, ausführen. Gleichzeitig übernehmen die Angehöri­gen des gehobenen Dienstes Tätigkeiten, die nach einer dreijährigen Ausbildung nicht ihrer hohen Qualifikation entsprechen.

Die neue Kompetenzabstufung soll einen bedarfsgerechten und ihrer jeweiligen Kom­petenz entsprechenden Einsatz der drei Gesundheits- und Krankenpflegeberufe ermög­lichen. Im Rahmen einer Evaluierung wird überprüft werden, ob der Einsatz der Pflege­assistenz in den Krankenanstalten langfristig weiterhin nötig sein wird.

Ziel der Reform ist die Gewährleistung einer optimalen und bedarfsorientierten Versor­gung durch Anpassung der Berufsbilder an die Anforderungen des heutigen Versor­gungssystems. Jeder/jede soll dafür eingesetzt werden, wofür sie oder er ausgebildet wurde. Es sollen keine Bildungssackgassen entstehen; vielmehr soll die berufliche Wei­terbildung ermöglicht werden. Beginnend mit der einjährigen Ausbildung zur Pflegeas-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 133

sistenz hat man dann die Möglichkeit der Ausbildung zur Pflegefachassistenz und schließlich des Zugangs zur FH-Ausbildung, was durch den Zugang zur Berufsreifeprü­fung erleichtert wird. Dadurch werden die Ausbildungen der betroffenen Berufsgruppen modernisiert und auf zukunftssichere Beine gestellt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Novelle einen Beitrag dazu leisten kann, die Pflegeberufe interessanter zu machen, um so den steigenden Bedarf an Pflegekräften auch in Zu­kunft abdecken zu können.

Ich möchte zum Schluss noch all jenen danken, die in diesen Pflegeberufen tätig sind und unter großem und oft selbstlosem Einsatz Menschen bei Krankheit und Gebrechen beistehen.

Die zweite Gesetzesvorlage sieht die Änderung des Tierärztegesetzes vor. Diese ist notwendig, um ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich zu verhin­dern. Von der Änderung betroffen sind die derzeit geltenden Mindesttarife für tierärztli­che Leistungen, die laut EU eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen. Diese Mindesttarife werden nun von der Tierärztekammer durch Richtsätze für tier­ärztliche Leistungen ersetzt, wobei diese Richtsätze bloß eine Empfehlung darstellen, aber nicht bindend sind.

Es bleibt zu hoffen, dass die hohe Qualität der tierärztlichen Versorgung in Österreich auch weiterhin flächendeckend erhalten bleibt, denn Österreich hat nicht nur Großbe­triebe mit industrieller Landwirtschaft, sondern auch viele kleine Familienbetriebe, die – man denke etwa an Kärnten und Tirol – Landwirtschaft in exponierten Hanglagen be­treiben.

Meine Fraktion wird beiden Gesetzesvorlagen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Mayer und Stögmüller.)

16.54


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte, Frau Kollegin.

 


16.55.00

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es sei mir erlaubt, mich in erster Li­nie auf einen der beiden Punkte, denen wir gerne die Zustimmung geben, zu konzen­trieren: auf die Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes. Dies auch deshalb, weil ich mich einfach freue, dass es jetzt so weit ist. Ich freue mich, das hier als Bundesrätin mit beschließen zu können, ich freue mich aber auch als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester. Schließlich weiß gerade ich sehr gut, wie lange das bereits Thema ist.

Das war eine jahrelange Forderung, und es war auch ein sehr langer Weg (Bundesmi­nisterin Oberhauser nickt zustimmend), der bereits vor Ihrer Zeit, Frau Ministerin, be­gonnen worden ist. Ich glaube, dass gerade solche Gesetzesänderungen eine ganz große Herausforderung sind, weil dies doch sehr viele Interessenbereiche betrifft; es gibt viele, die da mit hineinspielen. Nun gibt es aber mit dieser Gesetzesvorlage einen guten Kompromiss, der auch sehr breit getragen worden ist.

Meine Vorrednerin hat es ja auch schon sehr ausführlich erklärt, ich brauche also, glau­be ich, nicht alles zu wiederholen. Auch ich sehe jedenfalls die große Bedeutung der dreistufigen Ausbildung, denn nur so ist es uns auch möglich, die komplette Breite der Pflege gut abzudecken.

Was aber wirklich sehr entscheidend ist – auch das wurde bereits angesprochen –, ist die Klarheit bei den Kompetenzen. (Bundesministerin Oberhauser: Mhm!) Wir kennen


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 134

das, glaube ich, beide – Sie aus der ärztlichen Sicht (Bundesministerin Oberhauser: Mhm!), ich aus der Pflegesicht –: Aufgrund gesetzlicher Graubereiche sind oft wirklich lähmende Diskussionen entstanden. (Bundesministerin Oberhauser: Richtig!) Ich weiß das auch aus der Krankenhauszeit, wenn es darum gegangen ist: Dürfen wir jetzt Blut abnehmen oder nicht? Dürfen wir die Infusionen für die Ärzte herrichten oder nicht? Da­für, dass das jetzt einmal vom Tisch ist, bin ich sehr dankbar.

In Bezug auf die Anhebung der Kompetenzen möchte ich einen Aspekt anführen, der meiner Ansicht nach wichtig ist: Wir können nicht das Niveau einer Pflegeausbildung anheben und ihnen dann nicht mehr Kompetenz geben. Aber – weil das ja auch immer wieder zu Diskussionen führt, auch aufseiten der Ärzteschaft – eines ist ganz klar: Die Pfleger wollen nicht die besseren Ärzte oder Mini-Ärzte sein. Vielmehr kann gerade die Pflege sehr wohl einschätzen: Wo habe ich meine Verantwortung? Wo liegen meine Kompetenzen? Was ist der rechtliche Rahmen, den ich ausschöpfen und vertreten kann? Letztendlich ist es und soll es meiner Meinung nach wirklich das Ziel sein, dass die Ärz­teschaft gut mit der Pflege zusammenarbeitet, um gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Zusätzlich zur Dreistufigkeit möchte ich noch einen weiteren Punkt erwähnen, den ich auch wichtig finde, nämlich die Spezialisierungen. Es wird etwa zehn Spezialisierungen geben, die für die Pflege sehr wichtig sind, wie das Wundmanagement, die Palliativ­pflege, die psychogeriatrische Pflege – insbesondere die letzten zwei sind meiner Mei­nung nach von großer Bedeutung, gerade auch in Bezug auf die Herausforderungen in der Zukunft –, und vor allem ist es am Schluss auch noch gelungen, den Behinderten­bereich speziell zu berücksichtigen.

Zu den Ausführungen von Herrn Krusche möchte ich jetzt noch eine Korrektur anbrin­gen und mich auf die genannten E-Mails beziehen. Zur Korrektur: Die Pflegefachas­sistenz ist die zweijährige Ausbildung, nicht die Pflegeassistenz, man sollte die beiden Begrifflichkeiten nicht vermischen. Zudem möchte ich in Bezug auf diese E-Mails noch etwas erwähnen: In vielen Mails wurde nämlich, auch von Betriebsräten – was mich wirklich erschüttert oder eigentlich total geärgert hat (Bundesministerin Oberhauser: Mich auch!) –, die Ausbildung der Pflegeassistenz salopp (Bundesministerin Oberhau­ser: Mit Tierpflegern!) mit der Ausbildung von Tierpflegern verglichen. Dagegen möch­te ich mich wirklich entschieden verwahren! (Beifall der Bundesministerin Oberhauser.)

Mir ist es daher ein Anliegen, eine Lanze für diesen Bereich zu brechen: Die Pflegehilfe war und ist ein ganz essenzieller Teil der Pflege. Ich habe immer gesagt, das ist für mich das Herz der Pflege. (Bundesministerin Oberhauser: Bei den Patienten!) Sie sind es nämlich, die die meiste Zeit bei den Patienten und den zu Betreuenden ver­bringen und die sich auf die unglaublich wichtige Basispflege konzentrieren können. Ich habe sie nicht selten darum beneidet – muss ich auch zugeben – und, wenn ich als Diplomierte mit Visitendiensten und Ähnlichem eingedeckt war, gesagt: Die können ein­fach die Pflege leben in einer Form, die unglaublich wichtig ist. Ich glaube, das sollte auch in Zukunft ein fixer Bestandteil der Pflege sein, gerade im Langzeitpflegebereich.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum ich die Pflegeassistenz so wichtig finde und warum es diese kürzere Ausbildung geben soll: Man gibt dadurch vielen Menschen und in erster Linie auch Frauen eine Chance. Bei mir im Heim kam es nicht selten vor, dass Frauen vielleicht zuerst im Servicebereich gearbeitet haben, dann durch den Kon­takt mit den Menschen eigentlich die Liebe zu diesem Beruf entdeckt haben, ihnen aber aufgrund der finanziellen oder vielleicht familiären Situation nur eine kurze Ausbildung möglich war. Genau da birgt auch diese einjährige Ausbildung wirklich eine große Chan­ce für Wiedereinsteiger oder jene, die es sich beruflich verbessern wollen. Das ist für mich der zweite Grund, warum das so wichtig ist.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 135

Wenn es um die Befürchtungen geht, die jetzt auch von Herrn Krusche erläutert oder in manchen E-Mails thematisiert wurden – das wurde auch vorgestern im Ausschuss be­handelt –, möchte ich schon eines sagen: Ich denke, da liegt auch ganz viel in den Kom­petenzen der Länder, sei es von der Ausbildung her – wo bilde ich wieviel in welcher Form aus – oder wenn es um die Steuerung geht, um den Personalschlüssel.

Ich weiß auch, dass es ja Wünsche in Richtung eines bundesweiten Schlüssels gege­ben hat. Ich halte aber nichts von einem bundesweiten Schlüssel, denn das ist kein Pauschalsystem, über das man drüberfahren kann. (Bundesrat Stögmüller: Mindest­schlüssel!) – Lieber David, ich denke, man muss auch unterscheiden, was es betrifft: Ist es eine Krankenanstalt? Ist es extramural? (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Ist es ein Langzeitpflegebereich? Vor allem auch: Wie schaut die Betreu­ung aus? – Das ist in den Krankenanstalten nicht überall gleich, aber auch nicht in der Langzeitpflege. Auch da wird ja jährlich der Personalschlüssel errechnet: Wie viele Be­wohner/Bewohnerinnen haben wir in welcher Pflegestufe und was brauchen wir, um das abzudecken?

Wenn es um die Errechnung des Schlüssels pro Haus geht, dann beschließt das ja nicht irgendjemand, sondern da reden – Gott sei Dank – in erster Linie die Pflegedirektorin­nen und Pflegedirektoren mit. Ich denke also, dass es in der Verantwortung jener vor Ort liegt, dass sie sagen: Das ist wirklich gut aufgeteilt.

Ich komme langsam zum Schluss meiner Ausführungen. Es ist ein bisschen schwierig für mich, denn ich glaube, über die Pflege könnte ich sehr lange sprechen, aber in Rück­sicht auf die noch offenen Punkte der Tagesordnung und da ja noch mehr KollegInnen dazu sprechen werden, werde ich das jetzt abkürzen.

Ich denke, es ist wichtig, zu sagen: Es ist eine gute gesetzliche Vorlage. Es ist eine Vorlage, die jetzt aber mit Leben erfüllt werden muss, und das liegt in den Händen der entscheidenden und handelnden Personen vor Ort. Ich denke, diese Chance muss man auch geben, und ich finde es auch richtig, dass man den Mut hat, zu sagen, dass man das 2020 bereits wieder evaluiert. Auch jene, die das jetzt noch kritisch sehen, sollte es eigentlich zur Zustimmung bewegen, dass man sagt, man hat einen guten Ausgangswert, man lebt das und schaut sich an, wo man noch etwas verbessern kann.

Ganz zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung oder eine Anmerkung aus der Pflegepraxis: Wir sprechen auch immer wieder von gesetzlichen Grundlagen, von Kompetenzen, von der Ausbildung. Dabei ist, denke ich, eines ganz entscheidend, und das dürfen wir einfach nie vergessen: Wie wird die Pflege gelebt? – Ich denke, dass all jene, die in irgendeiner Form schon damit zu tun gehabt haben, sehr schnell gemerkt haben, ob jene, die mich oder einen Angehörigen von mir betreuen, mit einer gewissen Begeisterung und Liebe zum Beruf dabei sind oder nicht. Das macht letztendlich die Qualität mit aus.

Ich denke, ein Spruch aus Tibet bringt es auf den Punkt: „Das Herz muss Hände ha­ben, die Hände ein Herz.“ – Ich denke, das zeigt, wie wichtig die Pflege ist, wie wichtig es ist, dass die Menschen mit Herz dabei sind, dass sie mit Liebe zum Beruf dabei sind.

Eines wünsche ich mir für uns alle: dass wir der Pflege auch in Zukunft diese Präsenz geben, diese Wichtigkeit, diese Wertigkeit, denn wir werden sie in Zukunft brauchen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.03


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Mayer: Mit Liebe und Herz, David! – Bun­desrat Stögmüller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bitte?! – Bundesrat Mayer: Mit Liebe und Herz! – Bundesrat Stögmüller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Mit Liebe und Herz!)

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 136

17.03.22

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das heute im Bundesrat verabschiedet wird, schon einiges gehört. Ich beziehungsweise wir Grüne sind der Meinung, dass wir damit einen Schritt in die Gegenwart gehen, da einfach viel angepasst wird, das eigentlich schon längst hätte angepasst werden sollen. Wenn man sich das international anschaut, dann sieht man, dass das ja schon in vielen Ländern umgesetzt worden ist.

Ein paar Kleinigkeiten sind dabei geändert worden: So ist endlich der Begriff „Schwes­ter“ aus dem Gesetz entfernt worden. Die Bezeichnung „diplomiert“ bleibt noch bis zum Auslaufen, bis zur endgültigen Umstellung auf die Fachhochschule. Das ist ja schon ein erster Schritt.

Der größte Punkt dieser Novelle ist sicher die Einführung einer tertiären Ausbildung, einer Hochschulausbildung für Pflegekräfte an der Fachhochschule, die sechs Semes­ter dauert. Das begrüßen wir Grüne im Bundesrat wie auch im Nationalrat.

Was wir kritisieren – und das wissen Sie auch, Frau Ministerin –, ist die lange Über­gangsfrist bis 31. Dezember 2023. Das ist für uns einfach eine viel zu lange Frist. Ich denke, es hätte auch gereicht, eine Übergangsfrist bis 2020 zu machen. Das wäre mei­ner Meinung nach möglich gewesen, das hätte man hinbekommen. Wir Grüne haben dazu im Nationalrat auch einen Entschließungsantrag eingebracht, der leider nicht an­genommen wurde. Wie gesagt, wir halten diese Zeitspanne einfach für zu lang.

Ein Punkt, den ich auch immer wieder höre, ist, dass wir bei der Ausbildung in der Fach­hochschule einen Schwerpunkt auf Praxis und Soft Skills setzen müssen. Erst gestern bei der Feier unseres Bundesratspräsidenten habe ich das von einer Altenfachbetreu­erin gehört. Wir sollten uns nicht nur auf theoretische Grundausbildung konzentrieren – damit wir dann Gesundheits- und Krankenpfleger haben, die alles theoretisch können –, sondern wirklich viel Wert auf Praxis und Soft Skills legen. Das wäre uns ein ganz gro­ßes Anliegen, und das hört man auch sehr oft in den Gesprächen. Das wollte ich nur anmerken und Ihnen vielleicht auch mitgeben. Es wäre gut, das umzusetzen.

Neben den Gesundheits- und Krankenpflegern gibt es zukünftig die Pflegefachassis­tentInnen und die PflegeassistentInnen. Die Pflegefachassistentin/der Pflegefachassis­tent hat dann eine zweijährige Ausbildung, wird im Bereich Langzeitpflege, Behinder­tenbetreuung und Palliativversorgung eigenverantwortlich tätig und übernimmt die ihr oder ihm übertragenen Aufgaben. Das ist der Unterschied zu den PflegeassistentIn­nen. Ich denke, Herr Kollege Krusche hat das ein bisschen verwechselt. Es gibt auch die einjährige Ausbildung zum Pflegeassistenten/zur Pflegeassistentin. Diese werden wohl nicht im Bereich der Langzeitpflege, im medizinischen Bereich, eingesetzt werden, son­dern im Altenheim oder im Behindertenbereich arbeiten. Das ist ein Unterschied.

Genau in diesem Punkt sehen wir Grüne auch das große Problem dieses gesamten Gesetzes. Was geschieht gerade im Bereich der Langzeitpflege? – Da wird eingespart, wo es nur geht. Wo sparen wir ein? – Natürlich beim Personal. Kollegin Sonja Ledl-Rossmann, das ist genau der Punkt. Deswegen wollen wir ja einen ganz klar definier­ten Mindestschlüssel für Personaleinheiten, der sich nach den veränderten Krankheits­bildern der Gegenwart und Zukunft richtet.

Stichwort Demenz: Wenn Sie in der Pflege arbeiten, wissen Sie, was ich damit meine. Demenzkranke Patienten werden oft auf eine relativ niedrige Pflegestufe eingestuft (Bun­desministerin Oberhauser: Nicht mehr!), sind aber sehr betreuungsintensiv und brau­chen oft viel mehr Betreuung als Bettlägerige in Pflegestufe 6 oder 7.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 137

Das ist ein großes Problem, und da werden in der Praxis meistens jetzt schon Pflege­assistentInnen als Ersatz der teuren PflegefachassistentInnen oder Gesundheits- und KrankenpflegerInnen eingesetzt. Das geschieht ja jetzt schon.

Ich bin selbst Mitglied im Sozialhilfeverband, war am Montag noch bei zwei Sozialein­richtungen im Innviertel und habe mit FachexpertInnen und Menschen, die vor Ort, in der Praxis, arbeiten, gesprochen und sie gefragt, was sie von diesem Gesetz halten, wie sie das für die Zukunft einschätzen. Sie haben mir wieder bestätigt, dass sie genau da die Gefahr sehen, dass durch einfaches Ersetzen durch PflegeassistentInnen oder PflegefachassistentInnen gespart werden soll.

Ich appelliere noch einmal an Sie, dass wir gemeinsam einen bundesweiten Mindest­personalschlüssel finden, der ein geeignetes und optimales Arbeitsumfeld für die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter schafft und die optimale Klientenversorgung sicherstellt. Das wäre uns ein ganz, ganz großes Anliegen.

Das ist natürlich nicht der einzige Punkt. Auch gegen Imageprobleme und die eher schlechte Bezahlung im Pflegebereich müssen wir kämpfen. Das ist ja auch ein großer Punkt. Ich hoffe natürlich, dass mit dieser Reform gerade das Gehalt von Pflegeassis­tentInnen ein bisschen steigen wird, aber ich bin trotzdem skeptisch. Schauen wir ein­mal!

Aber zurück zu dieser einjährigen Ausbildung von Pflegeassistenten: Wir Grüne sehen kein fachliches Argument für die Beibehaltung der einjährig ausgebildeten Pflegeassis­tenz außerhalb der Krankenanstalten nach 2025. Dafür sehen wir kein fachliches Argu­ment. Die Berufsausübung wäre ja nur dann weiterhin möglich, wenn das Bundesmi­nisterium für Gesundheit das per Verordnung beschließen würde. Das würde aber nur dann geschehen, wenn mindestens drei Bundesländer beziehungsweise in einem Gut­achten die Kommission im Gesundheitsministerium, in der wiederum Experten aus den Ländern sitzen, zu dem Schluss kommen würde, dass in mindestens drei Bundeslän­dern erhebliche Mehrkosten entstehen würden. – Na ja, Mehrkosten entstehen, wenn man Personal aufstocken müsste, das ist ja irgendwie logisch. (Bundesministerin Ober­hauser: Ein einstimmiger Beschluss steht auch noch!) – Bitte? (Bundesministerin Ober­hauser: Ein einstimmiger Beschluss muss in der Kommission gefasst werden!) – Ja, es braucht einen einstimmigen Beschluss, aber die Mehrkosten entstehen ja, wenn man teures Personal einsetzen muss. Wir hätten uns da wirklich eine sauberere Lösung ge­wünscht, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Ich denke trotzdem, dass dieses Gesetz ein wichtiger und großer Schritt im Pflegebe­reich ist. Hoffentlich wird es auch zu einer Steigerung der Wertschätzung der Pflegebe­rufe führen – gerade auch vonseiten der Ärzte und der Patienten!

Wir werden heute im Bundesrat natürlich diesem Gesetz zustimmen. Gerade betref­fend den Pflegeschlüssel bitte ich Sie aber, da wirklich etwas zu unternehmen. Das wäre uns wirklich ein großes Anliegen, dass wir da gemeinsam vorankommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

17.10


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Stöckl zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.10.40

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Heute beschließen wir eine wichtige Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, eines Gesetzes, das seit 1997 nicht mehr geändert wurde. Ich denke, nach beinahe 20 Jahren ist das mehr als notwendig, denn gerade im Pflegebereich hat sich sehr viel


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 138

getan. Bei den anderen gehobenen medizinischen Berufen fand eine Akademisierung bereits 2006 statt und hat sich auch bewährt. Da spreche ich aus eigener Erfahrung in meiner Funktion als Physiotherapeutin. Die Ausbildung hat sich von einer Schulausbil­dung über eine Akademieausbildung bis hin zu einem FH-Studium entwickelt. – Warum nicht auch bei der Pflege?

Vieles ist schon gesagt worden, ich möchte nicht näher auf die verschiedenen Aus­bildungsvarianten eingehen. Es ist mir aber ein persönliches Herzensanliegen, zu die­ser Novelle sprechen zu dürfen. Ich arbeite neben meiner Tätigkeit im Bundesrat seit 1997 im Landespflegeheim Mödling und erlebe seither die hervorragende Arbeit des dor­tigen Pflegepersonals mit. Der Bewohner steht bei unseren Tätigkeiten immer im Mit­telpunkt. Empathie, Wertschätzung, Einfühlungsvermögen, Geduld, Humor, fachliche Kompetenz und Weiterbildung sind nur einige der Werte, die unseren Alltag im Pfle­geheim prägen. Egal, ob auf der Hospiz- und Schwerstpflegestation, auf der Übergangs­pflege, Kurzzeitpflege, Langzeitpflege, in unserem Heim wird mit Herz gearbeitet, da kann ich meiner Kollegin nur zustimmen. Ich kann Sie nur einladen: Kommen Sie zu uns, ma­chen Sie sich ein Bild von der hervorragenden Arbeit des Pflegepersonals!

Mit der heute zu beschließenden Novelle wird die Ausbildung im Pflegebereich endlich attraktiver gestaltet, ja sie wird sogar ausgeweitet. Die Krankenpflege zählt zum größ­ten Beschäftigungsbereich im Gesundheitswesen, wir sprechen da von 90 000 Be­schäftigten. Wir wissen, die Lebenserwartung steigt, die Menschen werden immer äl­ter, und die Nachfrage nach gut ausgebildetem Pflegepersonal wird immer größer. Mit dieser Novelle schaffen wir jetzt endlich eine Akademisierung, eine Mehrstufigkeit in der Ausbildung. Wichtig für mich ist, dass die dreistufige Ausbildung auch eine gewisse Durchlässigkeit hat, denn es soll Aufstiegsmöglichkeiten geben. Das bringt Chancen auf Karrieren in dem noch immer sehr frauenlastigen Beruf.

Nun auch zum Argument seitens der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, dass der Pflege nicht mehr Verantwortung übergestülpt werden kann: Gerade aus obigem Grund muss ich das dementieren. Pflege hat ganz besonders mit Verantwortung zu tun, und umso mehr Verantwortung die Pflege erhält, umso wichtiger wird sie aus der Perspektive un­serer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft neigt ja dazu, sozial Unangenehmes – das Al­ter, das Leid, das Kranksein – zu verdrängen und beiseitezuschieben. Ist es nicht schön, Verantwortung zu übernehmen, Kompetenzen übertragen zu bekommen? Unterstreicht das nicht die Bedeutung?

Die Ausweitung der Kompetenzen wurde übrigens von den Ländern gefordert – Gott sei Dank! Und wie sagte schon Molière? – „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ – Besonders gilt das für den Pfle­gebereich, und umso mehr soll es eine qualitätsvolle, mehrstufige Ausbildung geben.

Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst forderte auch die Abschaffung der Pflegehilfe, al­so der Pflegeassistenz, Herr Kollege. Für mich ist das wenig nachvollziehbar. Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen, gerade ein modularer Aufbau bietet Aufstiegs- und Um­schulungsmöglichkeiten. Es gibt, wie meine Kollegin schon gemeint hat, viele Bewer­ber, die Interesse an einer kurzen Einstiegsausbildung haben. Ich denke da an junge Interessenten, mitunter Orientierungssuchende, an Wiedereinsteiger, Berufsumsteiger, Personen mit Migrationshintergrund – übrigens allesamt zum überwiegenden Teil Frauen.

Neben der gewerkschaftlichen Kritik gibt es aber auch die Nicht-Akzeptanz der Ärztekam­mer aufgrund der Übernahme von quasi ärztlichen Tätigkeiten durch die Pflege. Da müss­te die Ärztekammer vom hohen Ross heruntersteigen und von der „Gott-in-Weiß“-Poli­tik Abstand nehmen. Mit diesem Gesetz erreichen wir nämlich ein besseres Zusam­menwirken innerhalb eines multiprofessionellen Teams auf hohem Niveau am Kran­kenbett. Die Pflege bekommt zwar extra ausgewiesene Kompetenzen, aber es wer­den – ich betone – keine Mini-Ärzte ausgebildet. Wir wollen eigenständige Pflegeper-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 139

sonen, und das ist in der Dreistufigkeit der akademisierten Pflege, der Pflegefachassis­tenz und der Pflegeassistenz, gegeben.

Wir schaffen ein Gesetz, das im internationalen Vergleich sehr, sehr gut ist. Der geho­bene Dienst ist nun auch mit der Gesundheits- und Krankenpflege im universitären Be­reich angesiedelt. Wir haben es schon gehört, bis auf Deutschland, das noch immer daran arbeitet, ist es in allen Ländern rund um Österreich bereits gang und gäbe. Ich sehe es als Chance, die wichtige Rolle der Pflege im Gesundheitswesen abzusichern.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass sich zu jedem Gesetz Gegen­argumente finden lassen, aber eines möchte ich schon noch erwähnen: Gerade die Angehörigen der medizinischen Berufe sind verpflichtet, sich kontinuierlich fortzubilden, um auf dem aktuellsten Stand der neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse zu sein sowie die fachlich erworbenen Kompetenzen zu bewahren. Dass sich die Pflege am Pa­tienten also verschlechtern wird, wie manche Stimmen behaupten, glaube ich nicht. Au­ßerdem ist eine Evaluierung des Gesetzes geplant, um etwaige Schwachstellen zu kor­rigieren.

Frau Bundesminister, ich freue mich sowohl in meiner Funktion als Bundesrätin als auch in meiner Funktion als Physiotherapeutin über diese Novelle. Meine Fraktion stimmt die­sem Gesetz gerne zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.16


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Ober­hauser. – Bitte, Frau Ministerin.

 


17.17.04

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte mich vor allem bei Sonja Ledl-Rossmann für diese so emotionale Rede bedanken. Man sieht sowohl bei dir als auch bei Angela Stöckl, als auch bei mir, denke ich, dass wir in diesen Berufen tätig waren und dass wir auch wissen, wovon wir beim Thema Zusammenarbeit sprechen.

Für mich war, so ähnlich wie du das geschildert hast, mit dem Inkrafttreten des Ge­sundheits- und Krankenpflegegesetzes 1997 die gute Zusammenarbeit, die wir vorher hatten, durch die Kompetenzstreitigkeiten am Bett in der Frage des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches, nämlich: Wer macht was?, völlig zerstört. Diese Streitereien wur­den nicht in den hohen Etagen ausgetragen, sondern am Bett der Patienten. Es war eine Vergeudung von Ressourcen, es hat für viele das Arbeiten unleidlich gemacht und es war extrem unangenehm.

Meinen Leuten, die da hinten sitzen, die auch maßgeblich für diese Novelle verantwort­lich sind, muss ich auch danken. Das Erste, das sie von mir kennengelernt haben, als ich das Amt von Alois Stöger übernommen habe, war: Als sie mir die ersten Entwürfe hingelegt haben, war das Erste, das ich mir angeschaut habe, der mitverantwortliche Tätigkeitsbereich. Ich habe ihnen gesagt: Den möchte ich neu gestaltet haben, denn bei mir geht kein Gesetz hinaus, bei dem nicht von vornherein klar ist, wer was in der Ausbildung hat, wer was machen darf. Denn ich habe wie ein Hund unter den ver­schlechterten Arbeitsbedingungen am Krankenbett gelitten, und ich wollte das nicht mehr. Ich denke, dass uns das gut gelungen ist. Dieser Bereich findet in den Diskus­sionen zur Dreistufigkeit leider immer weniger Bedeutung, deswegen freut es mich sehr, dass das hier auch gekommen ist.

Was den Brief der Pflegehilfe betrifft, habe ich auch schon im Nationalrat aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Ich habe mich wahnsinnig über die Schreiben der Betriebsräte geärgert, die gesagt haben, dass ein Tierpfleger drei Jahre lang ausgebil­det wird und jemand, der am Menschen arbeitet, nur ein Jahr.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 140

Die Betriebsräte und Betriebsrätinnen, die diesen Brief geschrieben haben, arbeiten seit Jahrzehnten Seite an Seite mit Stationsgehilfen, so hat es früher geheißen, als ich noch in diesem Bereich gearbeitet habe. Und ich habe diese Zeit sehr genossen, weil man viel Zeit beim Patienten hatte. Dann hieß das Pflegehilfe. Seit Jahrzehnten arbei­ten sie also Seite an Seite mit Menschen, die ein Jahr ausgebildet sind, und sie arbei­ten gut zusammen. Ich denke, jeder weiß zu schätzen, was Pflegehelfer am Patienten leisten. Bedenken haben wir alle, daher gibt es auch bereits 2020 einen Fortschrittsbe­richt zur Evaluierung, um zu schauen, ob das, was wir am grünen Tisch gemacht ha­ben, auch in der Praxis passt. Aber dass man das Gesetz nur deshalb, weil es einem nicht passt, kritisiert und ganze Berufsgruppen diffamiert, das hat mich wahnsinnig ge­ärgert!

Bei der Dreistufigkeit haben wir das probiert, was auch schon gesagt wurde: Die ein­jährige Ausbildung dient als Einstieg, und um diese noch zu verbessern, haben wir alle hauswirtschaftlichen Tätigkeiten – und jeder, der sich auskennt, weiß, dass sehr viel Haus­wirtschaft bei der Pflegehilfe enthalten war – herausgenommen. Diese Tätigkeiten wer­den in Zukunft nicht mehr von Angehörigen eines Gesundheitsberufs durchgeführt. Es gibt in dieser einjährigen Zeit eine bessere theoretische Ausbildung, und – auch das ist gesagt worden – sie ist kompatibel mit den Sozialbetreuungsberufen, um da auch mehr Durchlässigkeit zu schaffen.

Diese einjährige Ausbildung ist nur für WiedereinsteigerInnen und für Menschen ge­dacht, die bereits eine Berufsausbildung haben. Das ist genau die Gruppe, von der (in Richtung Bundesrat Stögmüller) du erzählt hast. Das sind Menschen, die vielleicht vor­her im Service gearbeitet haben und sich dann irgendwann denken, sie möchten viel­leicht doch irgendetwas Soziales tun, Pflege wäre etwas, sie haben aber nicht so viel Zeit. Zum Beispiel MigrantInnen. Wir haben jetzt immer wieder Berichte, wonach auch MigrantInnen sagen, sie würden das gerne machen, das ist einjährig, das geht. Und wir wissen, dass durch diese einjährige Ausbildung ganz viele motiviert werden, dann auch weiterzumachen. Das war früher das Diplom, wo dann manche weitergemacht haben, das wird jetzt die zweijährige Pflegefachassistenz sein und möglicherweise dann auch die tertiäre Ausbildung.

Worauf wir ganz genau geachtet haben, ist, welche Tätigkeitsbereiche es sind, in de­nen diese Menschen arbeiten dürfen, um eben auch Überforderungen auszuschließen. Das heißt, wir haben versucht – und ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen –, ein durchlässiges System zu schaffen, bei dem aber ganz klar ist, welche Ausbildung wel­che Kompetenzen erlaubt. Worauf wir achten müssen – und die Bedenken der Be­triebsrätinnen und Betriebsräte teile ich –, ist, was die Länder damit machen. Wird es ein Sparpaket, dann haben wir im Prinzip die Aufgabe, da einzugreifen.

Wir schauen uns das in Schritten bis 2023 an, und in der Kommission, die du erwähnt hast, muss Einstimmigkeit sein. Das sage ich deshalb, weil auch mein Ministerium, glaube ich, vier Personen in diese Kommission entsenden kann. Das heißt, wenn wir uns da auch nicht einig sind, dann kann man immer noch schauen, wie wir auch da noch Verbesserungen machen können. Wenn wir bei dieser Evaluierung bemerken, es entwickelt sich ins Negative, dann wird uns etwas anderes einfallen müssen. Dann wird man entweder bei den Kompetenzen etwas machen müssen oder im Gesetz nachjus­tieren.

Es ist, glaube ich, die größte Ausbildungsreform, die wir seit Langem gemacht haben. 1997 war, wie gesagt, die letzte große Reform, und da haben wir eigentlich relativ viel fortgeschrieben. Aber mit dem neuen Berufsbild ist das auch eine große Reform. Schauen wir uns an, wie es vom grünen Tisch mehr oder weniger in die Praxis geht! Ich freue mich sehr darüber. Dies ermöglicht es, einen Frauenberuf wieder in die ter­tiäre Ausbildung zu bringen. Das heißt, wir haben wieder die Möglichkeit, auch bessere


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Qualifikationen anzubieten. Er ist durchlässig für alle Frauen und hoffentlich auch für viele Männer, denn wir hätten, sage ich immer, bessere Bezahlungen und es würden viel mehr Männer in diesen Berufen sein, da, wie wir traditionell wissen, in Berufen, wo viele Männer sind, auch Löhne und Gehälter besser sind.

In diesem Sinne danke ich sehr für die Zustimmung, und die Kritik nehme ich mir zu Herzen. Wir werden sie uns anschauen. Wir werden wirklich ordentlich drauf schauen. Und ich danke auch für die sehr emotionalen Worte, die mich wirklich sehr gefreut ha­ben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.22


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend eine GuKG-Novelle 2016.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Ju­li 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierärztegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.24.0613. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Registrierung von Gesundheitsberufen (Gesund­heitsberuferegister-Gesetz – GBRG) erlassen und das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das MTD-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die Gesundheit Ös­terreich GmbH geändert werden (690 d.B., 1706/A und 1239 d.B. sowie 9616/BR d.B. und 9638/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 13. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um den Bericht.

 


17.25.00

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte KollegInnen! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Registrierung von Gesundheitsberufen (Gesundheitsberu­feregister-Gesetz – GBRG) erlassen und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz sowie das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH ge­ändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 142

17.25.40

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Gegen dieses Gesetz haben wir schon ein­mal gestimmt, das werden wir auch heute wieder machen. (Bundesrat Novak: Jetzt nützt es nichts mehr, jetzt ist es zu spät!)

Damals ist es darum gegangen, dass dieses Berufsregister ausschließlich von der Ar­beiterkammer gefüttert wird. Jetzt soll es also von zwei Stellen gefüttert werden, von der Arbeiterkammer und der Gesundheit Österreich GmbH. Es ist also eine typisch ös­terreichische Kompromisslösung: Nachdem das ursprüngliche Gesetz am Widerstand zweier Länder gescheitert ist, hat man sich also jetzt zu dieser Lösung durchgerungen und hofft, dass sie halten wird. Man wird sehen.

Wir haben heute am Beginn dieses Sitzungstages schon viel über „Gemeinsam neue Wege gehen“ gehört. Das hier ist bestimmt kein Paradebeispiel für diese gemeinsa­men neuen Wege. Ich frage mich schon, ob es nicht vielleicht geschickter wäre, im Vor­hinein, bevor wir hier irgendetwas beschließen, die entsprechenden Übereinkünfte mit den Interessenpartnern und den Ländern zu finden, statt dass wir dann sozusagen wie­der zurück an den Start kommen und das noch einmal diskutieren. Deshalb werden wir auch heute wieder gegen dieses Berufsregister sein. (Beifall bei der FPÖ.)

17.27


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Posch-Grus­ka. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.27.37

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Ministe­rin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Es wäre ja ein Wunder gewesen, wenn Sie jetzt mitgestimmt hätten. (Bundesrat Krusche: Gell, jetzt auf einmal!) Irgendwie wären wir vielleicht alle ganz nervös geworden und hätten gar nicht gewusst, was wir machen sollen.

Ja, es hat lange gedauert, es war keine einfache Geburt. Aber da ich vorher so kritisch war, darf ich jetzt Folgendes lobend erwähnen: Eine von denen, die einen guten Vor­schlag für die Lösung dieses Gesetzes gemacht haben, warst (in Richtung Bundesrätin Zwazl) du, denn, sofern ich das noch in Erinnerung habe, hast du die Gesundheit Ös­terreich GmbH vorgeschlagen, damit wir zu einer Lösung kommen. Ich denke, das ist der Sinn und Zweck der Sache.

Ja, es haben im Bundesrat als Länderkammer zwei Länder nicht zugestimmt, infolge­dessen ist alles wieder zurückgegangen. Es ist mit den Ländern verhandelt worden, es ist noch einmal gesprochen worden, und es sind Änderungen gemacht worden. Es war nicht so, dass sich nur jemand herausgestellt und gesagt hat, wir wollen nicht, wir tun das nicht, sondern es war so, dass wir eben Lösungen gesucht haben.

Ich denke, dass es gerade für die Patientinnen und Patienten ein sehr gutes Gesetz ist. Das Gesundheitsberuferegister-Gesetz hat zwei große Schwerpunkte, die für mich sehr wichtig sind. Das eine ist die Qualität und das Zweite ist die Patientensicherheit, die Patientensicherheit deswegen, weil dieses Gesetz wirklich Transparenz und auch sehr große Qualität bringt, die für Patientinnen und Patienten dann sehr leicht nachzuvoll­ziehen ist. Jede und jeder, die in dieses Register aufgenommen wird, muss für die Auf­nahme Kriterien erfüllen. Man kann sich nicht einfach mit seinem Namen anmelden und sagen, das mache ich jetzt, sondern es müssen die Zeugnisse vorgelegt werden, es müs­sen die Kriterien erfüllt werden. Das Berufsregister kann aber auch immer wieder um jede Zusatzqualifikation, die sich jemand erwirbt, erweitert werden, es können auch die Arbeitsschwerpunkte sehr genau festgelegt werden. Ich denke, gerade in dieser Be­rufssparte ist es für uns als Konsumentinnen und Konsumenten, als Patientinnen und Patienten sehr, sehr wichtig, dass wir da auch Klarheit haben.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 143

Für mich ist es ein Gesetz, auf das man in Zukunft aufbauen kann. Für mich ist es ein Gesetz, das immer wieder neu adaptiert werden kann. Alle fünf Jahre wird hier auch die Aktualität überprüft, es wird auf die Sicherheit geschaut.

Und ja, es gibt jetzt zwei Stellen, aber zur großen Angst, dass die Arbeiterkammer die Daten aufnimmt: Na, wer soll es denn machen, wenn 95 Prozent aller, die schon diese Ausbildung gemacht haben, sowieso erfasst sind? Es ist für mich ja wirklich unver­ständlich, dass ich nur, weil ich Arbeiterkammer höre, plötzlich sage, es geht alles nicht mehr. Aber es gibt jetzt eben diesen Vorschlag mit der Gesundheit Österreich GmbH und der Bundesarbeitskammer, und es ist ja das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen die zentrale Stelle, wo die Daten auch alle aufliegen, und ich glaube, dass das so sehr, sehr gut ist.

Was für mich in diesem Gesetz auch noch wichtig ist, sind die EU-weiten Standards, die auch angeglichen werden. Ich denke, dass gerade das ein Bereich ist, wo wir auch sehr große Internationalität haben, wo die Vergleichbarkeit sehr wichtig sein wird und wo für die Patienten und Patientinnen auch das Vertrauen eine sehr große Rolle spielt. Vertrauen ist gerade im Gesundheitsbereich sehr wichtig, und da tut man sich mit die­sem neuen Gesetz ganz sicher viel leichter.

Frau Ministerin, ich möchte Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich zu diesem Gesetz, zu dieser schweren Geburt gratulieren. Meine Fraktion wird dem sehr gerne zu­stimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.31


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.31.36

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Präsidentin! Man braucht nicht mehr viel dazu zu sagen. Bei der letzten Sitzung, bei der ich gesprochen habe, habe ich auch das Thema Gesundheit Öster­reich GmbH hervorgehoben, um das Gesundheitsberuferegister dort anzusiedeln. Das ist leider nicht möglich gewesen.

Ich finde es sehr gut, dass diese Lösung durch Kollegin Sonja Zwazl mitbeeinflusst worden ist und dass sie dabei federführend war, dass das Gesundheitsregister auf die Arbeiterkammer und die Gesundheit Österreich GmbH aufgeteilt worden ist. Denn auf der einen Seite sind es, wie schon meine Vorrednerin gesagt hat, sehr viele, die in der Arbeiterkammer sowieso schon mitversichert und dementsprechend registriert sind, und auf der anderen Seite finden sich die Selbständigen bei der Gesundheit Öster­reich GmbH.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Registrierung stattfindet. Es wurde ja auch bei der letzten Debatte schon hinterfragt, ob die Registrierung notwendig ist. Man sieht aber, dass in ganz Europa die Registrierung stattfindet, im höheren medizinisch-tech­nischen Bereich in 14 Ländern der Europäischen Union. Das ist wichtig für die Sicher­heit der Patientinnen und Patienten, damit sie wissen, ob das ein Physiotherapeut ist, ob das eine Diätologin ist oder wer auch immer, damit man auch eine Rücksicherung hat, wenn man zu jemandem geht. Besonders bei uns in Grenznähe ist es wichtig, dass jemand international registriert ist.

In diesem Sinne können wir dem zweiten Anlauf natürlich gerne zustimmen und alles Gute wünschen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 144

17.33


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.33.19

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ferdinand (in Richtung des Bundesrates Tiefnig), Minis­terin! Das nur als Anmerkung! (Allgemeine Heiterkeit. – Ruf: Stögmüllerin!) – Man muss nicht alles gendern. Sehr geehrte Damen und Herren! Das neue Gesundheitsberufere­gister-Gesetz sehen wir Grüne als ein Instrument für Transparenz, für Planung der Ge­sundheitsversorgung, für Qualitätssicherung und zuletzt auch für Patientensicherheit. Wir Grüne werden diesem Gesetz im Bundesrat deshalb genauso wie schon im Natio­nalrat zustimmen.

Ich möchte vielleicht noch etwas anmerken: Sie wissen es sicher, Frau Ministerin, wir erwarten uns gerade im Bereich der Fort- und Weiterbildung der gehobenen medizi­nisch-technischen Dienste Maßnahmen der Qualitätssicherung, zum Beispiel durch das MTD-CPD-Zertifikat. Das ist ja ein modernes Fort- und Weiterbildungskonzept, und es wäre wieder im Sinne des lebenslangen Lernens, da einen Schritt weiterzugehen.

Auch hätten wir uns erwartet, dass ähnlich dem GuKG-Beirat ein MTD-Beirat installiert wird, sozusagen als Ergänzung der Expertise des Bundesministeriums für Gesundheit. Das wäre sicher auch sinnvoll für zukünftige Herausforderungen, gerade auch um den Herausforderungen im medizinischen Bereich etwas Herr zu werden und auf praxis­nahes und spezifisches Fachwissen zurückgreifen zu können.

Also gesamt gesehen: Wir werden diesem Gesetz heute zustimmen und sind sehr glücklich, dass wir dieses Gesetz heute verabschieden. – Danke schön. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ.)

17.35


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Dr. Ober­hauser zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.

 


17.35.10

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Frau Präsidentin! Das Gesundheitsberuferegister-Gesetz hat wahrlich eine lange Geschich­te, und um dem Ablauf ein bisschen Genüge zu tun, wie dieses jetzige Gesetz ent­standen ist, vielleicht auch kurz zur Geschichte: Sie waren dabei, es gab eine Dis­kussion, ich weiß nicht mehr ganz genau, worum es gegangen ist, und Renate Anderl hat das Gesundheitsberuferegister wieder zum Thema gemacht. Ich habe dann ein bisschen auf Sonja Zwazl hingestichelt, und Ferdinand, Sonja und ich haben uns dann draußen am Gang zusammengestellt und gesagt: Wie könnten wir es machen? – Und das ist schon ein neuer Weg, denn das ist nicht der Weg, bei dem man versucht, ein­fach immer mit dem Schädel durch die Wand zu stoßen, sondern man versucht, die Türe zu finden. Ich denke, was wir draußen diskutiert haben, war der Weg, die Türe zu suchen.

Worum ist es gegangen? – Der erste Versuch dieses Gesetzes ist daran gescheitert, dass die medizinisch-technischen Dienste sehr viele Freiberufliche haben, die gesagt haben, sie wollen sich nicht bei der Arbeiterkammer registrieren. An dieser Geschichte hat sich das Ganze hochgeschaukelt, vom Beschluss im Ministerrat, im Nationalrat, bis zur Blockade hier. Dann kam es noch einmal in den Ministerrat und dann ist es hier im Haus gelegen. Mit dieser Lösung, die uns jetzt gelungen ist, bei der wir gesagt haben, die Gesundheits- und Krankenpflege macht es in der Arbeiterkammer, die freiberuflich Tätigen machen es in der Gesundheit Österreich GmbH, und wir führen das Ganze in einer Liste zusammen, damit keiner einen Nachteil hat, bringen wir das im Prinzip zu einem guten Ende. Das war mit allen Ländern besprochen, das war mit allen Teilen des Koalitionspartners besprochen. Wir haben bis zuletzt gekämpft, und ich denke, es findet wirklich ein gutes Ende.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 145

Ich sage dem Bundesrat herzlichen Dank für ein Gesetz, das ihr heute beschließt. Ihr seid nicht unbeteiligt daran, dass wir es so weit gebracht haben. Ich sage wirklich Danke dafür, denn seit ich 1996 in der Gewerkschaft als Ärztereferentin zu arbeiten be­gonnen habe, gab es die Frage: Wie machen wir ein Register, wie schaffen wir es, auf­zulisten, wie viel Pflegepersonal wir haben, welche Ausbildungen wir haben, welche Qua­lifikationen wir haben?

Also: Was lange währt, wird endlich gut. Vielen herzlichen Dank! Ich freue mich sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

17.37


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.37.5614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (1187 d.B. und 1230 d.B. sowie 9639/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zu Punkt 14 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist wieder Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um den Be­richt.

 


17.38.29

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte KollegInnen! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme zur Antragstellung:

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.39.3315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz, mit dem die Verpflichtung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche geregelt wird (Aus­bildungspflichtgesetz – APflG), erlassen wird sowie das Arbeitsmarktservicege­setz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs-


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gesetz geändert werden (Jugendausbildungsgesetz) (1178 d.B. und 1219 d.B. so­wie 9617/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


17.40.08

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Frau Präsidentin! Frau Ministerin Oberhau­ser! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz ge­ändert wird, die Verpflichtung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche geregelt wird (Ausbildungspflichtgesetz) sowie das Arbeitsmarktservicegesetz, das Behindertenein­stellungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (Ju­gendausbildungsgesetz).

Weiters bringe ich folgende Druckfehlerberichtigung vor:

Der Titel des zitierten Berichtes soll richtig heißen:

Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz, mit dem die Verpflich­tung zu Bildung oder Ausbildung für Jugendliche geregelt wird (Ausbildungspflichtge­setz – APflG), erlassen wird sowie das Arbeitsmarktservicegesetz, das Behindertenein­stellungsgesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (Ju­gendausbildungsgesetz)

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.41.43

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier und zu Hause an den Fernsehgeräten oder Internetgeräten via Livestream! Es ist immer so eine schwierige Sache mit so einem Jugendausbildungsgesetz. Natürlich will niemand von uns, dass Jugendliche die Schule abbrechen, dann auf der Straße ste­hen, im Kaffeehaus oder sonst irgendwo herumlungern, womöglich kriminell werden. Das ist ja etwas, das uns eint.

Die Frage, die uns trennt, ist ja dann immer die: Wie kommen wir dorthin? – Ich denke, dass dieses Jugendausbildungsgesetz, wie wir es jetzt salopp und kurz nennen, die Probleme nicht lösen wird. Ich glaube, man muss damit einfach früher ansetzen. Sie wollen jetzt eine Art Jugendcoaching machen, eine Beratung, die Eltern müssen mit­einbezogen werden. Das kostet auch etwas, wenn die Jugendlichen bis 18 nicht in die­sem Ausbildungsprogramm sind. Die Frage ist aber, ob die Jugendlichen da wirklich mitspielen werden, denn es gibt ja seit dem Jahr 1998 ein Jugendausbildungsgesetz. Damals hat der damalige Bundeskanzler Klima gesagt: Im Herbst soll kein Lehrling mehr auf der Straße stehen! So wurde dieses Jugendausbildungssicherungsgesetz, kurz JASG genannt, geschaffen. Heute stehen wir vor der Situation, dass wir vom ersten Platz, was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, nämlich von der geringsten Jugendarbeitslosigkeits­quote, abgestürzt sind. Wir sind jetzt irgendwo auf Platz vier oder fünf.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 147

Ich kann Ihnen von diesem Jugendausbildungsgesetz und dessen Umsetzung, vor al­lem in Wien, wirklich sehr viele Geschichten erzählen. Eine davon ist, dass da immer nur die Hälfte der Berufsschüler in der Klasse war, die dann aber trotzdem benotet worden ist, weil man es nicht zulassen konnte, dass die Hälfte der Auszubildenden komplett aus­steigt.

Das gibt es ja auch: Jugendliche brechen manchmal die Schule ab, brauchen eine Zeit, in der sie ein bisschen zu sich selbst finden können, steigen wieder ein oder beginnen eine Ausbildung und machen die dann sehr, sehr gut fertig. Wir sollten vielleicht in un­serer Gesellschaft, die ja immer mehr überschießende Gebote und Verbote produziert, auch einmal bedenken, dass es vielleicht nicht so dramatisch ist, wenn ein Jugendli­cher einmal, so er nicht komplett im Stich gelassen ist, eine Zeit lang nichts macht.

Hier schaffen Sie gleich wieder einen Beirat von zwölf Personen, hübsch rot-schwarz besetzt, wie wir das kennen. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Es werden wieder einige Trainer mehr beschäftigt werden, die meistens auch Rot und Schwarz zumin­dest nahestehen. Und Sie haben einen weiteren Vorteil: Diese Jugendlichen fallen für die nächsten zwei Jahre aus der Arbeitslosenstatistik hinaus, und das ist ja auch et­was. Das heißt, Sie schlagen hier mehrere Fliegen mit einer Klappe.

Die Grünen machen da natürlich sehr gerne mit, wie immer, wenn es so Spitz auf Knopf steht (Bundesrat Stögmüller: Ja, ja!), zwar nicht um jeden Preis, sie lassen es dann schon etwas kosten. Sie wollten ja alle Asylwerber drinnen haben. An dem sind sie gescheitert und jetzt haben sie gesagt: Ja, aber die Asylwerber, deren Asylverfah­ren Aussicht auf Erfolg haben wird. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Sehr geehrte Grüne! Ich gratuliere euch wirklich zu eurem Blick in die Kristallkugel, weil ihr schon von vornherein wisst, welche Verfahren Aussicht auf Erfolg haben werden oder auch nicht. (Heiterkeit. – Bundesrat Stögmüller: … Entwicklungshilfe, werte Frau Kol­legin!) – Ja, aber sie müssen wirklich hellseherische Fähigkeiten haben, das ist aller­dings nicht das erste Mal. (Bundesrat Schennach: Bei Syrern ist das nicht so schwer!)

Jetzt stehen wir vor der Situation, dass wir bei den Jugendlichen eine hohe Arbeitslo­sigkeit haben, dass wir 7 Prozent Jugendliche haben, die aus dem System überhaupt rausfallen. Sie werden dieses Gesetz heute ja auch beschließen, weil Sie eine Zwei­drittelmehrheit dazu brauchen, aber wir unterhalten uns wieder einmal nicht darüber, dass die Wurzel des Problems ganz woanders liegt.

Wenn ich lese, dass in Wien ein Drittel der Volksschüler an den Bildungsstandards, vor allem in Deutsch, scheitert, dann frage ich mich: Was ist denn los in diesem System? Ein Drittel der Volksschüler kann am Ende von vier Klassen Volksschule nicht ausrei­chend lesen, schreiben und rechnen. (Bundesrat Mayer: 14 Prozent!) Der Anteil bei den Migranten ist natürlich wieder einmal höher als bei den Österreichern, das ist ja nichts Neues für uns. Und ein Fünftel aller Schüler kann nach neun Schuljahren nicht ausrei­chend lesen, schreiben und rechnen.

Die Unternehmer haben mittlerweile aufgegeben, aber nicht weil es ihnen zu teuer ist oder weil sie überhaupt nicht mehr ausbilden wollen. Fragen Sie Unternehmer, die sa­gen: Ich würde einen Lehrling ausbilden, wenn ich einen fände, der ausreichend lesen, schreiben und rechnen kann. (In Richtung der Bundesrätin Zwazl:) Die Frau Wirtschafts­kammerpräsidentin wird es vielleicht bestätigen. Meistens sagt sie, das stimmt nicht, aber Sie können es in den Zeitungen nachlesen. Dort müssen wir ansetzen.

Stattdessen haben wir immer eine Diskussion um diese – Ihre vielgeliebte – Gesamt­schule, die das Heil von allem ist, was es an Problemen gibt. Ich sage Ihnen ja nicht zum ersten Mal an dieser Stelle, dass es natürlich völliger Nonsens ist, und in Deutsch­land weiß man auch, dass es nicht so ist. Die sozialen Unterschiede werden nicht ent­schärft, sondern verschärft, und die Schüler der Gesamtschule hängen bildungsmäßig


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 148

zwei Jahre hinter den Gymnasiasten her. Das haben eine Studie zu Bildung und Ju­gend und eine gleichlautende Studie des Max-Planck-Instituts ergeben.

Wir sagen noch immer: die tolle Gesamtschule! Warum? – Weil Ihr leuchtendes Vorbild Finnland ist. Aber Sie übernehmen natürlich nicht das, was in Finnland gemacht wird. Die haben eine eigene Struktur. Dazu zählt, dass in Finnland nur jene das Lehramts­studium beginnen können, die vorher ein beinhartes Auswahlverfahren durchlaufen ha­ben. Das ist ja etwas, das Sie überhaupt nicht machen wollen, und daran wird auch Ihre vielgeliebte Gesamtschule scheitern.

Zu diesem Gesetz, von dem Sie heute überzeugt sind, werden Sie mir ja auch sagen: Das ist ja eh so super! Es wird ganz wunderbar funktionieren, und mit den Sanktionen wird alles ganz wunderbar werden. Es wird überhaupt kein Schüler mehr aus dem System aussteigen. (Bundesrat Stögmüller: Ja!) Ich prophezeie Ihnen: Das Gegenteil wird der Fall sein! Sollte ich mich geirrt haben, sage ich Ihnen beim nächsten Mal: Okay, da bin ich falsch gelegen, und ich freue mich, dass es geklappt hat. Heute sind wir nicht mit an Bord. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesrä­ten von SPÖ und FPÖ.)

17.48


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Anderl. – Bit­te, Frau Kollegin.

 


17.49.01

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren hier im Hohen Haus und zu Hause vor den Fernsehapparaten! Ich denke, es wird kaum jemanden ge­ben, der folgenden Satz noch nicht vernommen hat: Die Jugend ist unsere Zukunft!

Ich finde es schon dramatisch, dass man es schafft, über ein gutes Gesetz, nämlich ge­rade für unsere Jugend, die eine Zukunftsperspektive braucht, hier am RednerInnen­pult so negativ zu reden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, wegen dem Bildungssystem …!)

Liebe Frau Bundesrätin Mühlwerth, es ist richtig, dass das JASG, das Klima damals, 1998, umgesetzt hat, sehr gut funktioniert hat, das möchte ich hier festhalten. (Bundes­rätin Mühlwerth: In Wien aber nicht!) Zwischen dem Jahr 1998 und heute liegen al­lerdings fast 20 Jahre, und da ist es uns schon erlaubt, auch an etwas anderes zu den­ken. Ich denke, was vor 20 Jahren beschlossen wurde, muss vielleicht nicht unmittel­bar die Wirkung im Jahr 2016 haben. Nichtsdestotrotz war es damals eine sehr gute Maßnahme, die es sicher nicht verdient hat, hier an dieser Stelle schlechtgeredet zu wer­den. (Bundesrätin Mühlwerth: Doch!)

Wir sind uns einig, dass wir nicht wollen, dass die Jugend auf der Straße steht. (Zwi­schenruf des Bundesrates Samt.) Es ist auch korrekt, was Sie angeführt haben, dass wir eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit haben. Die haben wir nicht nur in Österreich, sondern europaweit. Wir haben derzeit fast 5 Millionen Jugendliche in der Europäi­schen Union, die der Statistikbehörde Eurostat zufolge arbeitslos sind. Das ist korrekt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, die haben wir schon seit Jahren!) Da sind wir uns einig.

Wir sind uns auch einig, dass, auch wenn wir in Österreich sehr gut dastehen, trotzdem bei uns schön langsam die Alarmglocken läuten, und deswegen haben wir uns etwas überlegt. Schon im Jahr 2015 haben sich alle EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer sogenannten Jugendgarantie verpflichtet, wonach jungen Menschen nach vier Mona­ten, nachdem sie die Schule verlassen haben oder arbeitslos geworden sind, eine hoch­wertige Arbeitsstelle, ein Ausbildungs- oder Praktikumsplatz angeboten werden soll.

Wir diskutieren heute über ein Gesetz, mit dem sich die österreichische Bundesregie­rung verpflichtet, jungen Menschen bessere berufliche Chancen zu eröffnen. Sie setzt


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 149

daher auf die Initiative Ausbildungspflicht bis 18. Für mich persönlich ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wenn es die eine oder andere gibt, die meint, es ist ein kleiner Schritt, dann sage ich es noch einmal: Das ist vor allem ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Richtung stimmt!

Einerseits wird dadurch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft, andererseits dem Wunsch der Unternehmen nach gut ausgebildeten jungen Menschen auch entsprochen. Wir müs­sen immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass Jugendliche, die ihre Ausbildung frühzei­tig abbrechen, deutlich häufiger arbeitslos sind und lebenslange Nachteile haben, die sie kaum mehr aufholen können. Ich denke, dass wir ihnen mit diesem Gesetz die Perspektive geben sollten, diese Nachteile auszuräumen. Derzeit sprechen wir von cir­ca 16 000 Jugendlichen, die ihre Ausbildung frühzeitig beenden, und jeder zweite Ju­gendliche, der nur eine Pflichtschule absolviert hat, ist arbeitslos. Daher ist es umso wichtiger, den Jugendlichen diese gute Ausbildung zukommen zu lassen und ihnen vor allem, wie ich schon erwähnt habe, eine Perspektive mitzugeben. Daher begrüßen wir die Einführung einer Ausbildungspflicht bis 18. Vor allem begrüßen wir, dass sie bereits mit dem jetzigen Schuljahr, nämlich schon 2016/2017, zu wirken beginnt und nicht erst irgendwann.

Für mich als Gewerkschafterin ist es neben der Zukunftsperspektive für Jugendliche aber ebenso wichtig, dass mit diesem Gesetz auch sichergestellt werden muss, dass es ausreichende und passende Ausbildungsangebote für die angesprochenen Jugend­lichen gibt.

Ich gehe davon aus oder hoffe zumindest, dass sich jetzt auch wieder alle Unterneh­men intensiver um die Lehrausbildung kümmern werden, sodass sie den Jugendlichen auch im Unternehmen eine Chance geben, eine Lehre zu absolvieren, und dass wir bei diesem Gesetz nicht immer davon ausgehen, dass es um rein schulische Ausbildun­gen geht. Ich denke, das ist auch für die Unternehmen wichtig, denn wir werden auch in Zukunft immer mehr ausreichend qualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter brauchen. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir hier gemeinsam schauen, wie wir der Jugend eine bessere Perspektive geben können.

Liebe Frau Mühlwerth, liebe Bundesrätin, ich schließe mich auch hier an: Auch ich per­sönlich hätte es viel lieber gesehen, wenn diese Ausbildungspflicht auch für asylbe­rechtigte Jugendliche hier in unserem Land gelten würde. Liebe Kolleginnen, liebe Kol­legen, ich finde, wir verpassen damit eine große Chance, Integration gleich über schuli­sche beziehungsweise berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Ich denke, darüber soll­ten wir vielleicht alle gemeinsam nochmals nachdenken.

Wie schon eingangs erwähnt, die Jugend ist und war immer unsere Zukunft. Wer will nicht, dass wir alle gemeinsam, vor allem die jungen Menschen in unserem Land, in ei­ne positive Zukunft gehen? Da begrüße ich die Ausbildungspflicht bis 18, denn da­durch wird es klar und deutlich, dass es darum geht, den jungen Menschen in unserem Land eine Chance zu geben. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

17.55


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Hackl zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


17.55.17

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher an den Fernsehgeräten zu Hause! Lernschwache Schülerinnen und Schüler, die hat es schon immer gegeben, und die wird es auch immer geben. Das muss einmal ganz offen aus­gesprochen werden.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 150

Früher gab es jedoch noch viele Möglichkeiten an Hilfsarbeiterjobs, die sie dann aus­führen konnten. So fanden auch jene jungen Menschen einen Arbeitsplatz, die sich mit dem Lernen vielleicht nicht ganz so leicht taten. Das finden wir aber heute in dem Aus­maß nicht mehr. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Wichtig ist, dass wir diesen Jugendlichen nun unter die Arme greifen und dass wir ih­nen auch zur Seite stehen. Auch jene, die lernschwächer sind oder vielleicht – aus wel­chen Gründen auch immer – ihre Ausbildung abbrechen, gehören unterstützt. Das wird mit dem neuen Ausbildungspflichtgesetz nun gemacht. Das halte ich für eine sozial­politisch wichtige Maßnahme für die Jugend in unserem Land. (Präsident Lindner über­nimmt den Vorsitz.)

Ich bin selbst Lehrlingsausbildnerin und weiß, wie wertgeschätzt sich meine Mädchen im Salon fühlen, wenn man sie dementsprechend unterstützt und ihnen behilflich ist. Ich habe selbst drei Kinder, und mir war es immer wichtig, nicht in materielle Dinge zu investieren, sondern in die Ausbildung meiner Kinder. Ich halte das für eine Verpflich­tung der Eltern.

Österreich liegt mit 11 Prozent Jugendarbeitslosigkeit – im internationalen Vergleich sind es nämlich 19 Prozent – recht gut. In einigen Ländern, wie etwa Spanien oder Grie­chenland, beträgt die Jugendarbeitslosigkeit fast beängstigende 50 Prozent. Wenn bei­nahe die Hälfte der jungen Menschen eines Landes das Gefühl hat, nicht gebraucht zu werden und weder einen Ausbildungsplatz noch einen Arbeitsplatz hat, dann ist es of­fensichtlich, dass es in der Zukunft massive gesellschaftliche Probleme geben wird.

Es ist schlimm, wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, dass man in der Gesell­schaft nicht gebraucht wird. Ich muss das hier klar und deutlich sagen: Junge Men­schen sollen entweder über einen Schulplatz, über einen Lehrplatz oder über eine sons­tige Ausbildung das Gefühl haben: Ja, ich werde gebraucht, ich werde an den Arbeits­markt herangeführt.

Ich kann diesbezüglich keinerlei Verständnis für die Kritik der Opposition zeigen. Das Gesetz ist eine wichtige Maßnahme, damit wir jungen Menschen signalisieren: Ihr wer­det in der Gesellschaft gebraucht. Wir brauchen euch auf dem Arbeitsmarkt. Daher ist die Ausbildungspflicht auf alle Fälle zu unterstützen.

Ich möchte aber auch feststellen, dass ich froh bin, dass bei diesem Gesetz, dem Aus­bildungspflichtgesetz, auch behinderte Menschen miteinbezogen wurden. (Bundesrat Stögmüller: Das haben wir …!) Ja, ja. (Bundesrat Stögmüller: Sicher!) Niemand darf sie zurücklassen. Es ist ein Zeichen der Chancengleichheit, wenn behinderte Men­schen ebenso eine Ausbildungsgarantie bis zu ihrem 18. Lebensjahr haben. Man sieht gerade mit der teilqualifizierten Lehre, bei der die Ausbildung in der Berufsschule und in den Unternehmen stattfindet, sehr gute Erfolge.

Weiters muss ich sagen, dass selbst im ländlichen Raum über 50 Prozent der beim AMS gemeldeten Personen maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Da müs­sen die Alarmglocken bereits läuten. Es ist höchste Zeit, die Erziehungsberechtigten in die Pflicht zu nehmen, sich um die Ausbildung ihrer Kinder zu kümmern, sodass sie ei­nen guten Start ins weitere Leben haben.

Auf der anderen Seite haben wir oft jede Menge an offenen Stellen. Das versteht kein Unternehmer, keine Unternehmerin, das versteht auch kein Bürger, keine Bürgerin. Ich glaube, dass das Ausbildungspflichtgesetz ein wichtiger, ein richtiger Schritt ist, davon bin ich persönlich überzeugt. Man darf nun bloß nicht versuchen, mit Antworten von ges­tern die Herausforderungen von morgen zu lösen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

17.59



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 151

Präsident Mario Lindner: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Stögmüller zu Wort. – Bitte.

 


18.00.01

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Apropos: Gra­tulation zum neuen Amt! Das wollte ich auch auf diesem Wege einmal machen. (Allge­meine Heiterkeit.) Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Auch sehr geehrter Herr Minister Stöger, vielleicht in Bratisla­va! Es geht um ein wichtiges Gesetz, weswegen ich ihn heute wirklich gerne da gehabt hätte, um mit ihm zu reden. Aber vielleicht schaut er es sich ja zu Hause an – bin guter Hoffnung. (Allgemeine Heiterkeit.)

Es geht um 80 000 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren in Österreich und auch um die sogenannten NEETs, die Not-in-Education-Employment-or-Training-Jugendlichen. Pro Jahrgang sind davon – das haben wir schon in der Ausschusssitzung von den Be­amten des Sozialministeriums gehört – circa 5 000 Jugendliche betroffen, ein Drittel da­von sind MigrantInnen und zwei Drittel sind ÖsterreicherInnen – nur damit Sie ein we­nig wissen, wovon wir hier reden, Frau Kollegin Mühlwerth (Bundesrätin Mühlwerth: Wobei jetzt genau?) –, die in Österreich aus dem Ausbildungs- und Bildungssystem he­rausfallen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Von diesen 5 000 NEETs sind jeweils ein Drittel MigrantInnen und zwei Drittel Österrei­cherinnen und Österreicher. (Bundesrätin Mühlwerth: Ah ja, österreichische Staats­bürgerschaft!) Genau für diese Jugendlichen wird es ab Juli 2017 eine Ausbildungs­pflicht bis 18 Jahre geben. Damit bekommen Tausende Jugendliche in Österreich eine zweite Chance, denn ohne Berufsausbildung stehen ihnen meist nur Arbeitslosigkeit und Mindestsicherungsbezug bevor. Genau dieses Risiko soll mit diesem Gesetz ver­mindert werden, denn den Jugendlichen wird mit einer Kombination von Maßnahmen und Betreuung eine helfende Hand geboten.

Frau Ministerin, ich bitte Sie, Herrn Minister Stöger mitzuteilen – das kommt nicht wirk­lich oft vor –, dass wir als Opposition oder als Grüne Danke sagen, Danke dafür, dass Sie beziehungsweise Herr Minister Stöger sich um Jugendliche, die es nicht so leicht haben, sich im Bildungsbereich oder im Arbeitsmarkt zu integrieren, kümmern und ein dringend notwendiges Gesetz schaffen. Ich glaube, da werden wir Grüne heute im Bun­desrat ganz klar zustimmen. Wir geben Ihnen gerne die Zweidrittelmehrheit, damit die­ses Gesetz auch wirklich auf Schiene kommt.

Aber ganz zufrieden sind wir noch nicht. Das wissen Sie beziehungsweise weiß das auch Herr Minister Stöger, denn gerade bei den Verhandlungen um die Zweidrittel­mehrheit im Nationalrat hat es harte Diskussionen gegeben. Ich weiß, dass weder Sie noch Herr Minister Stöger dieser Partei angehören – ich muss hier im Bundesrat etwas nach rechts schauen, nämlich in die Richtung der ÖVP.

Es ist meiner Meinung nach mehr als bedauerlich, dass jungen AsylwerberInnen diese Chance verwehrt worden ist, in dieses Gesetz mit einbezogen zu werden. Diese jun­gen Menschen haben so oder so ohnehin schon ein schwieriges Leben. Wir Grüne wollen, dass wirklich jedes Kind, egal, woher es kommt und warum es in Österreich ist, zumindest eine kleine Chance auf Schul- oder Berufsausbildung hat und nach deren Anerkennung einen Job, der auch wirklich seinen Talenten entspricht und von dem man leben kann.

Aber das hat die ÖVP leider überhaupt nicht verstanden, auch nicht, dass uns allen der Ausschluss von Flüchtlingskindern ohne Asylbescheid mehr Probleme macht als nötig wäre und vor allem viel mehr Kosten verursacht und … (Bundesrat Gödl: Das Erste ist, Deutsch zu lernen! Das ist das ganz Wichtige! Mach das mal vor Ort!) – Das können sie ja nicht, weil sie nicht in das Gesetz hineinkommen. (Bundesrat Gödl: Die erste Auf­gabe ist, Deutsch zu lernen! …!)


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 152

Herr Gödl, die ÖVP kapiert nicht, dass es, wenn man die Flüchtlingskinder in dieses Gesetz nicht integriert (Zwischenruf des Bundesrates Gödl), im Nachhinein viel mehr Kosten verursachen wird als die Einbeziehung gekostet hätte – das ist so, Punkt. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ.)

Trotz aller Kritik haben wir ein paar Verbesserungen für Asylwerberinnen und Asylwer­ber in das Gesetz bekommen, denn sonst hätte der Minister die Zweidrittelmehrheit nie auf die Reihe bekommen.

Das ist zum Beispiel die Einbeziehung von Asylwerberinnen und Asylwerbern in die erste Stufe des Jugend-Coachings. Das ist eine Initiative der Grünen, ohne sie wäre sie nicht möglich. Auch die Deutsch- und Alphabetisierungskurse sind nun endlich in dieses Gesetz hineingekommen – bis A1 für alle minderjährigen, nicht schulpflichtigen Kinder. Das war eine ganz große Verpflichtung, die wir gehabt haben. Und ich bin auch stolz, dass uns dabei das Sozialministerium beziehungsweise der Sozialminister so stark unterstützt hat, auch gegenüber der ÖVP. Darauf bin ich wirklich stolz.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Finanzierung der nötigen Fahrkosten. Weitere Punkte, die wir hineingebracht haben, sind die 27 Millionen € an bereitgestellten Mitteln bis 31. De­zember 2017 sowie die Ermöglichung einer dualen Ausbildung im regionalen Umfeld nach Maßgabe der vorhandenen Arbeitsplätze. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) – Ja, zum Glück. (Zwischenruf des Bundesrates Gödl.) – Ja, damit wir überhaupt eine Zweidrittelmehrheit bekommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich will das jetzt gar nicht mehr ausführen.

Positiv möchte ich auch noch anmerken und weitergeben, dass Herr Minister Stöger uns Grüne wirklich von Anfang an, seit der Vorlage des Ministerialentwurfes, in die Weiter­entwicklung mit einbezogen hat und uns wichtig erscheinende Kernpunkte mit aufge­nommen hat, wie zum Beispiel die Einbeziehung von jungen Menschen mit Behinde­rung – was die Kollegin schon gesagt hat – oder dass Hilfsarbeit nur mehr vorüberge­hend zulässig ist bis hin zur Einbeziehung von qualitätssichernden und qualitätskontrol­lierenden Elementen in dieses Gesetz.

Positiv finden wir auch, dass explizit genannt wird, was die einzelnen Ressorts zur Um­setzung beitragen sollten. Gerade das Sozialministerium und das Wirtschaftsministe­rium haben eine ausführliche Liste von konkreten Vorgaben. Etwas vager halte ich im Vergleich dazu die Vorgaben für das Bildungsressort und das Jugendressort. Ich hätte mir gewünscht, dass diese zwei Ministerien schon etwas mehr in die Pflicht genommen werden.

Abschließend noch einmal: Wir Grüne werden heute diesem Gesetz zustimmen. Ich per­sönlich bin wirklich froh, dass so ein Gesetz geschaffen wurde. Ich kann Ihnen und Ih­rem Team, Herrn Stöger und seinem Team, den Beamten, wirklich nur danken. Vielen Dank für den Einsatz, so ein Gesetz auf den Weg zu bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.06


Präsident Mario Lindner: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhau­ser, MAS zu Wort. – Bitte.

 


18.06.47

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Das Lob gilt, glaube ich, den Beamten – ich brauche nicht zu gendern, weil es nur Beamte sind, die dafür zuständig sind. (Bundesrat Stögmüller: Entschuldigung!) – Ich sage es ja nur. Diese Beamten sind anwesend, das heißt, ich nehme an, sie werden das Alois Stöger berichten, nämlich auch das Lob für die Einbeziehung und den Abschluss.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 153

Vielen sozialdemokratischen Sozialministern der letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, war es ein extremes Anliegen, die Chancen für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Zum Beispiel gab es die Frage des Blum-Bonus bei den Lehrlingen. Das ist, glaube ich, damals unter Bartenstein gekommen, das heißt, das war ein Arbeits- und Sozialmi­nister der ÖVP.

Die Sozialminister waren im Prinzip immer daran interessiert, die Chancen für unsere Jugendlichen zu verbessern, aus dem einfachen Grund, weil sie nicht nur unsere Zu­kunft sind, sondern auch diejenigen, denen gegenüber wir, glaube ich, die Verpflich­tung haben, ihnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Frau Kollegin Mühlwerth hat sehr viel an diesem Ausbildungspflichtgesetz kritisiert, sehr viel auch an der Schulbildung, an der Schulpflicht und an der Schulausbildung. Ich habe gerade versucht – deswegen das Herumtippen am Handy –, zu schauen, welche Vorschläge die FPÖ zur Bildung hat. Ich habe versucht, mir das noch einmal kurz durch­zusehen. Was ich gefunden habe: einen schlanken Stadtschulrat, ein Gymnasium und eine Hauptschule, Deutsch lernen oder Deutsch in der Pause.

Aber erklären Sie mir, wie wir das schaffen, was Sie als die Idylle geschildert haben, dass wir Kindern, die die Schule abgeschlossen haben, dann mehr oder weniger ein bisschen Zeit lassen, um sich im Leben zu finden und dann wieder einzusteigen! Wie wir das heute in die Realität umsetzen, das merken wir: Kinder und Jugendliche, die wir aus dem Bildungssystem, aus der Schule verlieren – das war ja eine der Geschich­ten, die Rudi Hundstorfer mit der Schulpflicht gemacht hat, wofür er lange gekämpft hat –, sind weg, die kommen nicht wieder. Sie sind früher wiedergekommen, weil das Elternhaus oft noch Treiber, Mahner und Vorbild war. Aber das sind nicht nur Migran­tinnen und Migranten, Frau Mühlwerth. Wir merken nun – das war das, was Rudi Hunds­torfer immer erzählt hat –, dass wir diesen Kindern beibringen müssen, aufzustehen und pünktlich in die Schule zu kommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber das beginnt mit sechs Jahren …!)

Ich habe letztens mit einer Gymnasialprofessorin gesprochen, also mit einer Person, die aus einem Schulsystem kommt, wo man sich denkt, dass es dort funktionieren sollte. Die Professorin hat gesagt, dass die Kinder, die bei ihr in die Schule gehen, oft die Einzigen sind, die in der Früh aufstehen, weil die Eltern arbeitslos sind. Und diese Kinder kommen dann oft nicht. Es liege an den Lehrern, an den Professorinnen und Pro­fessoren, dort anzurufen und zu sagen: He, komm, es ist Schule! Los, aufstehen!

Das heißt, diese Geschichte, wir überlassen jedem sein Bildungssystem, funktioniert nicht. Was die Bundesregierung nun gemacht hat, ist, dass wir das versuchen. Es ist in der Schulpflicht … (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Bitte? (Bundesrätin Mühlwerth: Warum muss eigentlich die Schule alles machen?)

Liebe Frau Mühlwerth, erklären Sie es mir! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich möchte es gerne wissen. Wir können darüber diskutieren, ob die Schule alles machen muss. Wenn die Schule alles machen muss oder sehr viel machen muss – was wir gerade erleben –, dann braucht die Schule Zeit. Die Bundesregierung hat nun 1 Milliarde € aus der Bankenabgabe in die Bildung investiert oder 750 Millio­nen € in den Ausbau – da scheiden sich ein bisschen die Geister – ganztägiger Schul­formen, wenn es nach mir und nach der Sozialdemokratie geht, um ganztägige Schul­formen mit verschränktem Unterricht zu haben, um vieles zu ersetzen, was Elternhäu­ser heute nicht mehr bieten können. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Wie bitte? (Bundesrätin Mühlwerth: Solange es nicht für alle verpflichtend ist!) – Ja, das ver­stehe ich alles. Wir, die wir uns um unsere Kinder sorgen, denen es auch ein Anliegen ist, die Kinder weiterzubringen, können uns vielleicht leisten, als Frau Teilzeit zu arbei­ten oder gar nicht zu arbeiten und zu sagen: Ich hole meine Kinder am Nachmittag ab


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 154

und lerne mit ihnen. – Es gibt aber sehr viele, die das nicht können. Da scheiden wir dann in zwei Gruppen.

Erklären Sie mir, warum ganz viele derjenigen, die gut ausgebildet sind, die viel Geld haben, ihre Kinder in Privatschulen geben, die genau das anbieten, nämlich eine ganz­tägige Schulform, häufig mit verschränktem Unterricht, wo Sport und Musik gemacht wer­den, aber auch andere soziale Fähigkeiten erlernt werden.

Das heißt, das, was Sie kritisiert haben, ohne in der Frage auch mir eine Lösung zu­mindest zu offerieren, versucht die Bundesregierung nun im Rahmen der Schulautono­mie, im Rahmen der Länderautonomie auszugleichen, nämlich verschränkten Unter­richt, ganztägige Schulformen mit Betreuung auszubauen. Wie gesagt, das sind diese zwei Dinge, die auch im Regierungsbeschluss drinnen sind.

Aber das, was wir da machen, ist einfach der nächste Schritt. Sie haben gesagt, die Kinder stehen dann auf der Straße. Ja, und genau das gilt es zu verhindern, dass Kin­der auf der Straße stehen.

Es ist schon gesagt worden: Früher gab es in den Ministerien und in den Ämtern Amts­gehilfen, und zwar solche, die nur Akten geschoben haben. Da war keine Schulbildung notwendig. Aber heute haben wir Mindestlöhne von 1 500 €, 1 700 €. Glauben Sie, dass jemand jemanden, der ungelernt ist, noch für den Job einstellt? – Vielleicht, aber den Job gibt es nicht mehr, denn diese Jobs hat die EDV erledigt.

Das heißt, es gibt fast keine Hilfsarbeiter-Arbeiten mehr – gut so. Wir haben gute Löh­ne – gut so. Aber dafür brauchen wir gut ausgebildete Kinder und Jugendliche, denen wir im Prinzip den Respekt und die Arbeit schulden, sie nicht auf der Straße und nicht unausgebildet zurückzulassen. Das ist ein Schritt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Zu dieser Differenzierung, was ein Migrant, was ein Österreicher und was ein Asylwer­ber ist: Wir wissen, dass wir gerade im sozialen Bereich ganz viele Jobs brauchen werden. Es wird viele Asylwerber und Asylberechtigte geben, die in Österreich bleiben. Am gescheitesten ist, dass man sie relativ rasch ausbildet. Und sie müssen Deutsch lernen. Das können sie in einem Betrieb wahrscheinlich noch viel besser als in einem Deutschkurs. Jeder von uns, der einmal ein Auslandssemester gemacht hat, weiß, dass es nicht der Kurs in der Volkshochschule ist, der einem eine Sprache beibringt, son­dern die Kommunikation mit den anderen. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!) Das heißt, es wäre durchaus auch eine andere Möglichkeit drinnen gewesen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.13


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Artikels 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu ertei­lenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 155

zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.14.4816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlecht­wetterentschädigungsgesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz 1979, das Arbeit­nehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoordinationsgesetz und das Arbeitsins­pektionsgesetz 1993 geändert werden (1185 d.B. und 1220 d.B. sowie 9618/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich bitte um den Bericht.

 


18.15.18

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Ab­fertigungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, das Arbeiter-Abfertigungsgesetz 1979, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, das Bauarbeitenkoor­dinationsgesetz und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Anderl zu Wort. – Bitte.

 


18.16.10

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Bundesrätinnen! Werte Bundesräte! Vor allem sehr ge­ehrte Damen und Herren, die noch vor den Bildschirmen sitzen! Ich beziehe mich in mei­ner Rede auf die Novelle des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes, eines Ge­setzes, das sehr oder ausschließlich branchenspezifisch gestaltet ist.

Das ist eine jener Branchen, wo Menschen beschäftigt sind, die nicht um 7 oder 8 Uhr in die Arbeit gehen und dort dann ein Dach über dem Kopf haben, das sie vor Hitze und Nässe schützt. Wir sprechen von Arbeitsverhältnissen, die sehr stark von der Wit­terung abhängig sind, wo es nicht egal ist, ob die Sonne mit 40 Grad scheint oder ob ein Gewitterblitz dem anderen Platz macht oder ob ein Sturm kommt, der gerade alles wegweht, was nicht niet- und nagelfest ist.

Ich persönlich habe mich schon vor drei Jahren, nämlich im Jahr 2013, sehr gefreut, als es genau für diese Beschäftigungsgruppe gelungen ist, den Begriff Schlechtwetter zu erweitern. Was meine ich damit? – Er wurde solcherart erweitert, dass es auch un­ter Schlechtwetter fällt, wenn es mehr als drei Stunden 35 Grad hat und es nicht mög­lich ist, den BauarbeiterInnen eine Chance zu geben, dass sie sich irgendwo im Kühlen aufhalten können.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 156

Laut Kollektivvertrag haben jene dann die Möglichkeit, frei zu haben, weil es unter solchen Umständen eigentlich unmenschlich ist, die Arbeit zu verrichten. Wer von uns kennt nicht die Baustellen auf den Autobahnen, die uns persönlich als Verkehrsteilneh­mer vielleicht nicht so sehr freuen? Die Bauarbeiter dort haben kaum eine Chance, bei Schlechtwetter irgendwo ihre Arbeit zu verrichten, wo man ein Dach über dem Kopf hat.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, auch mit dieser Novelle ist es wieder gelungen, gerade für diese Beschäftigten einen Vorteil, ein Plus zu erreichen. Und was mich als Gewerkschafterin besonders freut, ist, dass die Grundlage dieser Novelle eigentlich ei­ne Einigung der Sozialpartner ist. Es zeigt sich, dass konstruktive Gespräche und sehr intensive Verhandlungen innerhalb der Sozialpartnerschaft zu einem sehr tollen Erfolg führen.

In dieser Novelle geht es ja unter anderem auch darum, Verbesserungen für Lehrlinge zu erreichen. Auch das ist geglückt. Es ist nun neu, dass Lehrlinge ebenfalls Anspruch auf eine Schlechtwetterentschädigung haben und nicht wie bis dato – was für mich sehr unverständlich war – die Zeit, die sie aufgrund des Schlechtwetters nicht arbeiten konnten, vom Urlaub abgezogen bekommen. Das war für mich unverständlich. Daher freue ich mich sehr, dass es nun gelungen ist, auch die Lehrlinge in diese Schlechtwet­terentschädigung mit aufzunehmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bun­desräten der FPÖ.)

Des Weiteren ist anzuführen, dass es mit dieser Novelle gelungen ist, eine Verbesse­rung des Vollzugs von Regelungen im Bereich des Überbrückungsgeldes sowie Ver­besserungen bei der Anpassung einer Baustellendatenbank herbeizuführen. Das sind ebenfalls alles Schritte, die sehr wichtig sind, um die Spielregeln am Bau einhalten zu können.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, gerade wenn es um den Bereich Bau geht, wur­den hier im Hohen Haus schon ganz viele Maßnahmen beschlossen. Ich denke zum Beispiel an das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz.

Wir alle wissen, und besonders ich als Gewerkschafterin weiß es, dass gerade in die­ser Branche der Kampf gegen unfairen Wettbewerb, der Kampf um gute Arbeitsbedin­gungen und um Arbeitsplätze, die auch menschlich sind, einfach weitergehen wird.

Aber bei all dem dürfen wir eines nicht vergessen, und da möchte ich den Vorsitzenden der Baugewerkschaft, den Abgeordneten zum Nationalrat Josef Muchitsch zitieren – er sagte –:

„Es ist mit diesen Maßnahmen gelungen, die Arbeitslosigkeit am Bau in Österreich in den letzten Monaten um 10,5 Prozent zu senken.

Wir haben wirklich sinkende Arbeitslosenzahlen in einer der schwierigsten Branchen. Wir haben 2 900 neue oder zusätzliche Jobs geschaffen. Wir haben 200 neue österrei­chische Betriebe auf dem Markt, die sich entsprechend am Wettbewerb beteiligen. […] Die Zahl der älteren Bauarbeiter steigt, das Antrittsalter steigt“ und die Jugendbeschäf­tigung steigt ebenfalls in dieser Branche.

Ich glaube, dass dies ein ganz, ganz wesentlicher Punkt ist, mit all den Maßnahmen, die hier beschlossen werden, und das konnte eben durch all das erreicht werden. Da­her wird meine Fraktion dieser wichtigen Novelle, diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 157

18.21


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kern. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


18.21.18

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln heute eine Regierungsvorlage, mit der wir mehr Rechtssi­cherheit für Bauarbeiter schaffen. Konkret geht es um eine praktikable Lösung für Un­ternehmen, die ihrer Meldepflicht nicht im Sinne des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abferti­gungsgesetzes nachgekommen sind.

Bei Kontrollen wurde festgestellt, dass Betriebe zwar der Bauarbeiter-Urlaubs- und Ab­fertigungskasse unterliegen, aber nicht korrekt gemeldet haben. Diese Lücke wird nun möglichst unbürokratisch im Einvernehmen mit den Sozialpartnern geschlossen. Diese Lösung ist im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch der Unter­nehmen in der Baubranche.

Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse organisiert als sozialpartnerschaftli­che Institution seit vielen Jahrzehnten die Verrechnung von Urlaubsentgelten, Abferti­gung und Schlechtwetterentschädigung für die Bauarbeiter.

Mir ist klar, es handelt sich um eine branchenspezifische Novelle, aber gerade im Bau­bereich braucht es klare Regeln für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, denn gerade im Baubereich sind wir immer wieder mit Problemen betreffend korrekte Anmeldungen, Entsendungen et cetera konfrontiert. Nun verbessern wir mit dem Be­schluss dieser Novelle den Vollzug von Regelungen im Bereich des Überbrückungsgel­des, auch unter Einbeziehung von Lehrlingen in die Schlechtwetterentschädigung.

Nun haben Lehrlinge am Bau Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wie wir schon gehört haben. Bisher war es üblich, im Fall von Schlechtwetter Lehrlingen Urlaub oder Zeitausgleich abzuziehen. Das ist ab dem 1. Jänner 2017 vorbei. Für Lehrlinge gelten dieselben Regelungen wie für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Rund 6 000 Lehr­linge profitieren von dieser Novelle.

Meine geschätzte Damen und Herren! Mit dieser branchenspezifischen Novelle schaf­fen wir Klarheit für die Bauarbeiter, für Unternehmen und vor allem auch für unsere Lehrlinge. Dieser Novelle werden wir gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

18.23


Präsident Mario Lindner: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Rösch. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.23.38

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Zuseher! Bei diesem Punkt fällt es mir besonders leicht zuzustimmen. Das ist so, wenn man im Gesetz eine Lücke schließt, wo man sieht, dass Verbesse­rungen kommen, die eigentlich schon längst hätten kommen können – aber bei Geset­zen dauert es manchmal ein bisschen, bis man die Erfahrung hat und draufkommt, wo es Lücken gibt. Nun wird eine Lücke geschlossen, und es gibt mehr Gerechtigkeit.

Aber wenn ich schon bei der Gerechtigkeit bin, die hier einkehrt, dann würde ich mir Gerechtigkeit dahin gehend wünschen, dass wir uns weiterentwickeln in der Arbeits­welt für die Arbeitnehmer – und wenn wir Arbeitnehmer sagen, meinen wir ja immer noch Angestellte und Arbeiter –, indem wir irgendwann einmal auch Angestellte und Ar­beiter gleichsetzen.

Da bin ich natürlich schon hoffnungsfroh, wenn ich an Industrie 4.0 und an die Digita­lisierung denke, die uns ja immer mehr abverlangt und wo die Politik der Arbeitsgesell­schaft noch immer Antworten auf viele, viele Fragen schuldig ist. Diese Fragen werden


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 158

wir beantworten müssen, und dann wird es diese Ungerechtigkeiten für die Arbeiter nicht mehr geben.

Wenn ich zum Beispiel an einen Lagerarbeiter denke, der vielleicht das Gleiche macht, mit dem gleichen Excel oder anderem Programm wie die Facharbeiterin oder der Fach­arbeiter oben in der Logistikabteilung im Büro, dann muss ich sagen, sie sind nicht gleichgestellt. Da gehört auch eine Gleichstellung her. Deswegen ist es heute umso einfacher, wenn wir hier zustimmen können, und ich glaube, dass das bei allen Fraktio­nen einen hohen Zustimmungsgrad hat. (Allgemeiner Beifall.)

18.25


Präsident Mario Lindner: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stögmül­ler. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.25.35

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine VorrednerInnen ha­ben schon sehr viel über dieses Gesetz gesagt. Diese Änderung unterstützt die Ur­laubs- und Abfertigungskasse beim Eintreiben der entgangenen Leistungen und betrifft durch die Einbindung in die Schlechtwetterentschädigungslogik und durch die Senkung des Urlaubszuschlages die Entlohnung von Lehrlingen im Baubereich.

Wie meine Kollegin Anderl schon gesagt hat, basiert all dies auf einer sozialpartner­schaftlichen Einigung im Vorfeld. Ich muss ganz ehrlich sagen, als ich zum ersten Mal dieses Gesetz und die Stellungnahme der Arbeiterkammer gelesen habe, habe ich mir gedacht: Meine Güte, diesem Gesetz können wir wohl kaum zustimmen, vor allem auf­grund der Regelung der Schlechtwetterentschädigung, der Lehrlingsentschädigungen wie auch des Urlaubsgeldes für Lehrlinge. Darüber hat die Bundesarbeitskammer sehr negativ geschrieben.

Ich habe dann recherchiert, habe bei der Gewerkschaftsjugend angerufen und mich dort noch informiert: Wie könnt ihr dem zustimmen? Was ist da dahinter? Und die ha­ben uns dann einige Informationen gegeben, die nicht im Gesetz, sondern in KVs aus­gehandelt worden sind. Dadurch wird die Lehrlingsentschädigung in den Bauberufen erhöht und auch der Tagessatz für auswärtige Arbeiten jenem der Erwachsenen ange­glichen. Somit findet zumindest ein Ausgleich statt.

Das Gleiche geschieht dann auch bei den Schlechtwetterentschädigungen für Lehrlin­ge. Das heißt, die Lehrlinge bekommen 60 Prozent vom Ist-Lohn; bis jetzt mussten ja die Lehrlinge im Baubereich Urlaubstage opfern oder inoffizielle Minusstunden ansam­meln, was ja eigentlich nicht erlaubt wäre, oder Überstunden abbauen. Das fällt jetzt weg. Somit haben Lehrlinge im Baubereich eine Entschädigung wie die ausgelernten Kolle­ginnen und Kollegen.

Also wir Grüne werden diesem Gesetz zustimmen. Eine Bitte hätte ich aber noch, die Sie vielleicht dem Herrn Minister mitgeben können. Ich gebe immer gerne ein paar An­stöße mit. Das wissen Sie eh, die Opposition (Bundesministerin Oberhauser: Ja, ja! – allgemeine Heiterkeit) und auch die Beamtinnen und Beamten – ich habe es schon im Ausschuss erwähnt.

Es gibt nämlich, was mir ganz wichtig ist, auch andere Berufssparten, die an Hitzeta­gen und bei Schlechtwetter ihre Arbeit ruhend stellen müssen. Diese sollten gleichfalls im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzes berücksichtigt werden. Und hier erwarten wir uns sehr wohl auch bald Novellen für diese Berufssparten im Sinne der Arbeitnehme­rInnen und Auszubildenden.

Das könnten Sie vielleicht mitgeben. Das sollte auch für viele andere Berufssparten gelten, die an manchen Tagen aufgrund von Hitze oder Kälte nicht arbeiten können. In


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 159

diesem Sinne: Wir stimmen zu. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten von SPÖ und ÖVP.)

18.28


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Oberhau­ser. – Bitte, Frau Ministerin.

 


18.28.23

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Also die Brunnenbauer sind ja als eine weitere Sparte bereits jetzt miteinbezogen. Das heißt, Alois Stöger hat im Prinzip in weiser Voraussicht schon einmal eine Sparte mit hinein­genommen.

Ich möchte an einen Satz anschließen, den der Herr Bundesrat Rösch gesagt hat: Es gibt Lücken, die gehören entdeckt und dann behoben. – Die Lücken entdeckt meistens nicht der Gesetzgeber, sondern die Lücken entdecken meistens Gewerkschafter, Per­sonalvertreter vor Ort.

Und dann braucht es eine funktionierende Sozialpartnerschaft, um den Vorschlag be­treffend das Schließen dieser Lücken zu einer Einigung zu bringen, und dann gilt es, dem Parlament hier und der Regierung Vorlagen zu unterbreiten und diese im Parla­ment dann auch zu beschließen.

Das heißt, ich möchte für die Sozialpartnerschaft, auch für die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor Ort wirklich eine Lanze brechen. Ich glaube, jemand, der we­der selbst Bauarbeiter ist noch Bauarbeiter in der Familie hat, weiß ja gar nicht, was mit Menschen passiert, wenn es die ganze Zeit regnet.

Viele glauben wahrscheinlich, die werden sowieso bezahlt und sitzen dann zu Hause. In Wirklichkeit bedarf es harter Arbeit, da irgendwie Einkommen zu sichern. Deswegen ist die Sozialpartnerschaft sehr, sehr wichtig. Ich danke dem Beppo Muchitsch – es ist ja nicht die erste Verbesserung, die er für seine Leute erreicht hat – für sein Engage­ment, um das irgendwie hier weiterzubringen. Ich glaube, das sind wirklich die Dinge, um die man sich kümmern muss. Das sind so die alltäglichen Sorgen draußen, und das beweist, dass es gut funktioniert.

Was ich noch sagen möchte: Ich freue mich, dass ich ein Gesetz erleben durfte, wo die FPÖ mitstimmt.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen allen einen schönen Sommer wünschen. Ich hoffe, wir sehen einander im Herbst gesund wieder, und ich danke für die immer sehr netten und sehr angenehmen Diskussionen hier im Bundesrat. (Allgemeiner Beifall.)

18.29


Präsident Mario Lindner: Danke, Frau Bundesministerin. Ich denke, in unser aller Na­men sprechen zu dürfen: Auch wir wünschen dir einen schönen Sommer!

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.31.0317. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver-


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tragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, die Reisege­bührenvorschrift 1955, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsge­setz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 und das Auslandszulagen- und ‑hilfeleis­tungsgesetz geändert werden, ein Bundesgesetz zur Änderung der Dienstrechts­verfahrensverordnung 1981 erlassen und die Pensionsdatenübermittlungsverord­nung – Post aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2016) (1188 d.B. und 1195 d.B. sowie 9628/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kern. Ich bitte um den Bericht.

 


18.31.23

Berichterstatterin Sandra Kern: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfas­sung und Föderalismus des Bundesrates über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend die Dienstrechts-Novelle 2016.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf deshalb gleich zur Antragstel­lung kommen.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Ich danke für den Bericht und begrüße unseren Herrn Bun­desminister Mag. Leichtfried. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


18.32.19

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der Über­begriff Bundesdienstrecht umfasst alle Regelungen zur Sicherung der Funktionsfähig­keit des Bundesdienstes. Das Bundesdienstrecht bildet daher den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit beim Bund.

Während in der Privatwirtschaft das allgemeine Arbeitsrecht Rechte und Pflichten von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fest­legt, kommen im Bundesdienst den Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung Rech­nung tragend eigene Gesetze zur Anwendung, insbesondere die normierten Verwal­tungsstandards für Bundesbedienstete.

Beispielsweise dienen das Gebot der rechtmäßigen und unparteiischen Aufgabenerfül­lung sowie das Verbot der Geschenkannahme et cetera der Vermeidung von Korrup­tion, sichern die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und damit auch das Ver­trauen der Bevölkerung in die Sauberkeit, Integrität und Objektivität der österreichi­schen Bundesverwaltung.

Das gegenwärtig geltende Recht kennt zwei verschiedene Formen: erstens das ältere, öffentlich-rechtliche Beamtenrecht, das noch immer in wesentlichen Punkten auf der Dienstpragmatik 1914 der ehemaligen Monarchie basiert, mit dem daher noch immer so bezeichneten pragmatischen Dienstverhältnis auf Lebenszeit mit eigenen Pensions­ansprüchen und Rechtsverfolgung im Verwaltungswege, zweitens das modernere pri­vatrechtliche Vertragsbedienstetenrecht, mit Möglichkeiten der Befristung und Auflösung ohne Pensionsversorgung und Rechtsverfolgung auf dem Wege des Arbeitsgerichtes.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 161

Das Vertragsbedienstetensystem ist natürlich billiger. Tatsächlich wurde auch im letz­ten Jahrzehnt die Zahl der Pragmatisierungen erheblich zurückgenommen beziehungs­weise auf bestimmte Bereiche, wie Justiz und Exekutive, eingeschränkt. Im Bereich der allgemeinen Verwaltung werden frei werdende Planstellen grundsätzlich nur mehr durch Vertragsbedienstete nachbesetzt.

Wenngleich im Laufe der Zeit die Aufgabenstellung und die Pflichtkataloge angeglichen wurden, bestehen weiterhin gravierende Unterschiede. Anstatt ein modernes, einheit­liches Dienstrecht für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes zu schaffen, müssen alle notwendigen Anpassungen und Ergänzungen durch die Novel­lierung einer Vielzahl einschlägiger Einzelgesetze getroffen werden.

Ein derartiges Gesetzeswerk mit Abänderungen von 17 Bundesgesetzen liegt uns neu­erlich unter der Bezeichnung Dienstrechts-Novelle – diesmal des Jahres 2016 – vor und umfasst auszugsweise folgende Maßnahmen: eine teilweise Anpassung der Vorgaben für Konkurrenzklauseln an jene der Privatwirtschaft, eine Gleichstellung akuter psychi­scher Belastungsreaktionen aufgrund außergewöhnlicher dienstlicher Ereignisse mit Dienstunfällen, einen besseren Informationsfluss bei Disziplinarverfahren und in Anleh­nung an EU-Vorhaben neue Regeln für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen für Lehrerinnen und Lehrer.

Zudem soll schwer erkrankten Richterinnen und Richtern der Wiedereinstieg ins Be­rufsleben erleichtert werden. Im Militärbereich ist eine Aufwertung von Unteroffizieren vorgesehen. Auch in Bezug auf die 2015 beschlossene Besoldungsreform für den Bun­desdienst sind noch einzelne Nachbesserungen erforderlich, um Nachteile für bestimmte Bedienstetengruppen zu vermeiden.

Im Sinne der Harmonisierung der Rechte von Vertragsbediensteten und Beamten kön­nen Vertragsbedienstete künftig sämtliche für Beamte vorgesehene Amtstitel als Ver­wendungsbezeichnung führen. Obwohl es sich hierbei eigentlich nur um eine kosmeti­sche Operation handelt, halte ich diesen Schritt für wichtig, weil er innerhalb der hie­rarchischen Struktur des Verwaltungsapparates sowohl bei den Betroffenen als auch in der Öffentlichkeit Diskriminierung verhindert.

Es ist nämlich nicht einzusehen, dass etwa ein Beamter alter Prägung den schönen Amtstitel – ich habe jetzt nur einen genommen – „Ministerialrat“ oder „Ministerialrätin“ füh­ren darf, während seine Vorgesetzten als Vertragsbedienstete lediglich die Funktions­bezeichnung „Abteilungsleiter“ oder „Abteilungsleiterin“ tragen.

Natürlich könnte man auch den vielleicht verwegenen Gedanken haben, Amtstitel künf­tig überhaupt abzuschaffen. (Bundesrat Mayer: Sehr verwegen! – Heiterkeit des Bun­desrates Todt.) Aber ich wage zu behaupten, dass dies eine utopische Idee ist, die dem Panoptikum der österreichischen Seele widerspräche.

Ich hoffe, dass diese Klarstellungen und Anpassungen nunmehr eine ordnungsgemäße Vollziehung im Sinne der betroffenen öffentlich Bediensteten gewährleisten.

Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Posch-Gruska: Ohne Abschaffung!)

18.39


Präsident Mario Lindner: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Oberlehner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


18.39.12

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Zualler-


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erst möchte ich angesichts der hier vorliegenden Dienstrechts-Novelle, die zweifellos ein gelungenes Paket von zahlreichen wichtigen Einzelmaßnahmen darstellt – meine Vorrednerin hat das schon sehr ausführlich dargestellt –, auch der inzwischen ausge­schiedenen Frau Staatssekretärin Sonja Steßl ein Dankeschön sagen.

Sie hat mit ihren Mitarbeitern gemeinsam mit den Vertretern der GÖD dieses umfas­sende Paket noch ausgehandelt, und ich denke, es darf auch hier erwähnt werden, dass sie zu diesen Ergebnissen entscheidend beigetragen hat.

Die Frau Ministerin hat vorhin von Lücken gesprochen, die man im System finden und dann wieder korrigieren muss. Ich denke, auch hier wurde eine ganze Reihe solcher Lücken entdeckt, die man eben verbessert und schließt. Dieses große Paket, das hier vorliegt, enthält wichtige Einzelmaßnahmen, und das trägt sicher dazu bei, dass der öf­fentliche Dienst in Österreich noch attraktiver wird und mit den Regelungen, die jetzt gelten, dort und da vielleicht auch noch ein wenig menschlicher wird.

Hervorzuheben ist beispielsweise, dass in Zukunft auch darauf Rücksicht genommen wird, dass es im Berufsleben immer wieder Phasen geben kann, in denen man nicht in der Lage ist, hundert Prozent seiner Leistungsfähigkeit einzubringen. So wird der Tat­sache Rechnung getragen, dass auch ganz außergewöhnliche Ereignisse, die im dienst­lichen Zusammenhang passieren und die aus dem Dienst heraus geschehen, zu psy­chischen Belastungsstörungen führen können und deshalb vorübergehend beispiels­weise eine Dienstverrichtung nicht im üblichen Maße möglich ist. Das Einstellen einer pauschalierten Nebengebühr für solche Zeiten wird durch eine Regelung in diesem Pa­ket verhindert, und ich finde es gut, dass man Menschen, die in einer schwierigen Si­tuation sind, nicht auch gleich monetär das Leben schwerer macht.

Auch vom bisherigen Erfordernis der vollen Handlungsfähigkeit kann zukünftig in Ein­zelfällen abgegangen werden, wenn die für die vorgesehene Verwendung erforderliche Handlungsfähigkeit gegeben ist. Es gilt wieder das Gleiche: Ich denke, Menschen in ei­ner schwierigen Situation dürfen unterstützt werden, und das wird hiermit gemacht.

Eine meiner Meinung nach ganz besondere Veränderung konnte für die Richterinnen und Richter erreicht werden. Zur Erleichterung des Wiedereinstiegs in den Dienst nach längerem Krankenstand wird nämlich die Möglichkeit geschaffen, ihre Auslastung he­rabzusetzen. Richterinnen und Richter haben bekanntlich keine vorgegebene Dienst­zeit, und man kann daher nicht von einer Teilzeitregelung sprechen und die Dienstzeit verkürzen. Daher hat man hier eben die Auslastung, sprich die Aufgabe, verringert, so­dass es hinkünftig möglich ist – unter Anführungszeichen –, auch als Richterin und Rich­ter quasi „Teilzeit“ zu machen. (Bundesrat Schennach: Nur bei schwerer Krankheit!) – Das habe ich gesagt, dass das nach längerem Krankenstand bei schwerer Krankheit möglich ist.

Der Einsatz von Sprengelrichterinnen und Sprengelrichtern im Falle von mutterschutz­rechtlichem Beschäftigungsverbot wird vor allem an kleineren Dienststellen in Zukunft zu höherer Flexibilität führen und ist auch eine wichtige Maßnahme im Bereich der Ge­richte.

Natürlich kommt es auch zu europarechtlichen Anpassungen in dieser Novelle. So gibt es beispielsweise eine Verbesserung bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung in Anlehnung an ein EuGH-Urteil, das es dazu gibt.

Veränderungen und Verbesserungen gibt es aber auch bei der Konkurrenzklausel, auch das wurde schon gesagt, und auch beim Ausbildungskostenrückersatz für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter.

Als besonders wichtig erachte ich es auch – dies wurde gleichfalls bereits erwähnt –, dass in Zukunft auch Vertragsbedienstete Amtstitel bekommen können. Ich denke, das


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ist eine emotional wichtige und richtige Maßnahme, so nach dem Motto: Es kostet nichts, aber es macht doch Freude. Ich finde, dass man hier eine gute Regelung gefun­den hat.

Teil dieser Novelle ist aber natürlich auch das durchaus leidige Thema der bezahlten Mittagspause, das auch entsprechend diskutiert wurde. Dazu erscheint es mir sehr wichtig, dass man dem öffentlichen Dienst gegenüber Fairness zeigt, denn bekanntlich hat der öffentliche Dienst noch immer die 40-Stunden-Woche, also eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, und nicht, wie in fast allen anderen Berufen, 38,5 Stunden. Auch wenn es verständlich ist, dass es immer wieder auch reizvoll sein mag, auf den öffentlichen Dienst loszugehen oder über den öffentlichen Dienst dort und da ein biss­chen herzuziehen, so denke ich, dass man hier doch fair und objektiv bleiben sollte und vielleicht besser darüber nachdenken sollte, ob es nicht überhaupt sinnvoller wäre, auch für den öffentlichen Dienst generelle Regelungen so zu schaffen, dass eben solche Spe­zialitäten gar nicht zutage treten können und dass es die Diskussionen dazu dann auch nicht geben muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Überhaupt darf ich abschließend festhalten, dass diese Dienstrechts-Novelle zweifellos viele zu begrüßende Einzelmaßnahmen enthält. Trotzdem sollte man aber nicht vom Weg abgehen, eine generelle Modernisierung des Dienstrechtes im Auge zu behalten, und ich hoffe, dass die zuständige Frau Staatssekretärin entsprechende Verhandlun­gen in der Zukunft auch mit den Vertretern der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst führen wird, um auch insgesamt weitere Verbesserungen zu erreichen.

Seitens meiner Fraktion werden wir dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Natio­nalrates jedenfalls sehr gerne die Zustimmung erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.44


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


18.45.10

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau, ah, Herr Staatssekretär! (Allgemeine Heiterkeit.) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Rufe: Mi­nister! Minister!) – Entschuldigung, Herr Minister! Ich war noch so bei der Kollegin Steßl verhaftet. (Bundesminister Leichtfried: Aber wir schauen uns optisch gar nicht ähn­lich!) – Na, eh nicht! Schade, hätte ich jetzt fast gesagt. (Heiterkeit beim Redner.)

Meine Vorredner haben die hier in Rede stehende Dienstrechts-Novelle derart intensiv vorgebracht, dass ich mir Detailausführungen erspare. Ich möchte aber auf drei beson­dere Bestimmungen hinweisen, auch weil sie langjährige Forderungen der FPÖ waren. Das war beispielsweise die Möglichkeit der Herabsetzung der Dienstauslastung von Richterinnen und Richtern bei längerem Krankenstand oder bei unheilbarer Krankheit. Es war dies die finanzielle Verbesserung beim Bundesheer im Bereich der Chargen­dienste im Zusammenhang mit der Aufwertung der Unteroffiziere, und es war dies die Forderung, Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit nicht automatisch von jed­weder Verwendung im Bundesdienst auszuschließen. Das sind langjährige Forderun­gen der FPÖ, die hier zur Umsetzung gelangt sind, weswegen wir dieser Dienstrechts-Novelle 2016 auch gern unsere Zustimmung geben werden.

Was den Punkt der Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit betrifft, die nun­mehr auch die Möglichkeit haben, in den Bundesdienst aufgenommen zu werden, war es für mich eine interessante Erfahrung, im Ausschuss festzustellen, dass keine eige­nen Planstellen für diese Personen vorgesehen sind, sondern dass allgemeine Plan­stellen für die allgemeine Verwendung mit ihnen besetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 164

Das ist für mich insofern überraschend gewesen, als ich weiß, dass im öffentlichen Dienst die Planstelle ja nicht nur die besoldungsmäßige Grundlage darstellt, sondern auch die arbeitsmäßige Grundlage. Wenn ich jemanden mit einer eingeschränkten Hand­lungsfähigkeit habe, mit ihm aber aufgrund der allgemeinen Ernennungserfordernisse eine Planstelle besetze, in der er auch Tätigkeiten durchführen müsste, die von seiner eingeschränkten Handlungsfähigkeit divergieren, dann ist das in sich ein Widerspruch in der dienstrechtlichen Pragmatik.

Ich darf hier anregen, dass man das noch einmal überdenkt und vielleicht für die we­nigen Fälle, in denen das zum Tragen kommt, eigene Planstellen schafft, damit man sich etwaige rechtliche Nachwirkungen durch Kolleginnen und Kollegen, die da glauben, dienst­rechtlich benachteiligt zu werden, erspart.

Was in dieser Dienstrechts-Novelle auch sehr positiv zu bemerken ist, ist jene Geset­zesstelle, in der nunmehr lang andauernde Krankenstände zugestanden werden, wenn diese aufgrund besonderer beruflicher Belastungen erfolgen. Das ist ein wichtiger Um­stand, der vor allem im Bereich der Exekutive in der jüngsten Vergangenheit beson­ders zum Tragen gekommen ist, gerade bei so einem dramatischen Schusswaffenge­brauch, wie wir ihn erst bei dem Supermarktüberfall vor wenigen Wochen gehabt ha­ben, bei dem ein Polizist ja bedauerlicherweise sein Leben lassen musste. Aber auch Erfahrungswerte wie damals auf der A4, als dieser mit Leichen überfüllte Schlepper­kleinwagen von den Kolleginnen und Kollegen der Exekutive, die diesen Fund gemacht haben, aufgemacht wurde, stellen eine enorme Belastung dar. So ist auch diese Be­stimmung ein kleines Mosaiksteinchen dahin gehend, wie man den Exekutivbeamten, den Polizistinnen und Polizisten mit kleinen rechtlichen Möglichkeiten doch eine große Wertschätzung entgegenbringen kann.

Genauso würde ich es als große Wertschätzung empfinden, wenn man diverse Zula­gen und finanzielle Anerkennungsbeiträge für besondere dienstlich erbrachte Leistun­gen auch laufend valorisierte und dem Index anpasste. Das ist nicht bei allen Zulagen so. Ich darf hier beispielsweise die sogenannte E-2b-Zulage im Exekutivdienst ins Tref­fen führen, in deren Genuss man in der Gehaltsstufe 12 – das sind schon eher fortge­schrittene Beamte – kommt. Diese wurde damals quasi als Anerkennungszulage für langjährig im Dienst stehende Beamte eingeführt.

Nun ist es aber so, dass diese Zulage seit der Einführung nie valorisiert wurde und ei­gentlich auch nur auf einer Verordnung des Innenministers beruht, aber nicht im Ge­haltsgesetz verankert ist. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ruhegenussfä­hige und an den Verbraucherpreisindex angepasste Funktionszulage für Beamte der Ver­wendungsgruppe E 2b.

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die eine ruhegenussfähige und an den Verbraucherpreisindex angepasste Funktionszulage für Beamte der Verwendungsgruppe E 2b zum Inhalt hat.“

*****

Das ist eine kleine Maßnahme, das ist keine große finanzielle Belastung für diese Re­publik, aber ein Zeichen der Wertschätzung für die Kolleginnen und Kollegen der Poli­zei, denen ich hier auch Dank und Anerkennung für ihre besonderen Leistungen für un-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 165

ser aller Wohl zuteilwerden lassen möchte. Das würde ihnen sicherlich zustehen, und da die Zulage so lange nicht angepasst wurde, bedarf es wohl auch einer Adaptierung und einer Aktualisierung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.51


Präsident Mario Lindner: Der von den Bundesräten Herbert, Kolleginnen und Kolle­gen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend ruhegenussfähige und an den Ver­braucherpreisindex angepasste Funktionszulage für Beamte der Verwendungsgruppe E 2b ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


18.52.18

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Es ist jetzt auch schon viel im Detail über diese Novelle gesagt worden. Wir sehen die meisten Änderungen, die durchgeführt wurden, positiv, und sie sind eigentlich auch schon fast alle besprochen worden.

Vielleicht noch eine Sache: Im Disziplinarverfahren wegen sexueller Belästigung oder Gewalt können nun auch erwachsene ZeugInnen eine Vertrauensperson bei der Ver­nehmung beiziehen. Das finden wir wichtig und positiv. Auch der Informationsfluss bei Disziplinarverfahren wird verbessert. Uns ging das nicht weit genug, wir glauben, dass man da noch weitergehen sollte. Wir haben auch im Nationalrat einen entsprechenden Antrag dahin gehend eingebracht, eine Regierungsvorlage vorzulegen, die das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung für ZeugInnen in Verfahren zu sexueller Belästi­gung, zu Belästigung und Mobbing im Disziplinarrecht des öffentlichen Dienstes veran­kert.

Ein Wort noch zu den Amtstiteln, die hier auch immer wieder erwähnt wurden: Es ist da einiger Novellierungsaufwand betrieben worden, um zum Beispiel eben den Rat, die Rätin wieder einzuführen, und zum Teil wird auch der Grundsatz „Formulierung in weib­licher und männlicher Form“ komplettiert. So sind wir schon sehr froh darüber, dass es jetzt auch den Obersonderkindergärtner gibt. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schen­nach: Das klingt schön!) Sehr modern wirkt das nicht, muss ich sagen. Ich finde, das hinterlässt schon eher einen etwas antiquierten Eindruck, das klingt etwas nach öster­reichischer Folklore. Ich glaube, es wäre kein Problem, sich nach und nach von Titeln in dieser Form zu verabschieden. (Bundesrat Schennach: Aber wir haben ja auch die Oberbereiter in der Spanischen Hofreitschule!) – Ja, eben! Aber so klingt es eben auch in vielen Bereichen, so ein bisschen nach österreichischer Folklore. Ich weiß nicht, ob die nachfolgende Generation und die Jüngeren das in dieser Form wirklich noch so wichtig finden. Ich denke, man könnte sich davon eigentlich verabschieden.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

18.55


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 166

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung ei­ner Entschließung betreffend ruhegenussfähige und an den Verbraucherpreisindex an­gepasste Funktionszulage für Beamte der Verwendungsgruppe E 2b vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Einige Bundesräte heben die Hand. – Bundesrat Stögmüller: Wir ha­ben den erst jetzt bekommen! – Bundesrat Schennach: Man muss jeder Fraktion zu­mindest ein Stück geben! – Anhaltende Zwischenrufe und Unruhe im Sitzungssaal.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unterbreche die Sitzung des Bundesrates und bit­te die Präsidialmitglieder zu mir.

*****

(Die Sitzung wird um 18.57 Uhr unterbrochen und um 19.02 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Mario Lindner: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und wiederhole:

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Herbert, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung ei­ner Entschließung betreffend ruhegenussfähige und an den Verbraucherpreisindex an­gepasste Funktionszulage für Beamte der Verwendungsgruppe E 2b vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen.

Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

*****

 


19.03.43

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Das ist ei­ne Praxis, mit der ich nicht einverstanden bin. Sie sagen, der Antrag ist ordnungsge­mäß eingebracht, und fragen, wer zuzustimmen wünscht. Daraufhin gehen die Hände hoch; dann fällt irgendjemandem ein, dass er den Antrag erst jetzt bekommen und gar nicht lesen können hat. Daraufhin gibt es eine Stehpräsidiale, und jetzt wiederholen wir die Abstimmung. Wiederholen wir in Zukunft die Abstimmungen drei, vier, fünf Mal, bis das Ergebnis, je nachdem, wer sich was wünscht, passt? (Ruf bei der ÖVP: So wie ihr bei der Präsidentenwahl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Habe ich Ihr Ohr, Herr Präsident?

 


Präsident Mario Lindner: Die Frau Bundesrätin hat das Wort.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (fortsetzend): Haben mich jetzt alle verstanden, oder soll ich es wiederholen?

Also für die Freiheitlichen ist dieser Antrag abgestimmt, denn der Herr Präsident hat gesagt: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht. Wer wünscht ihn zu befürwor­ten? – Daraufhin gingen hier (Richtung SPÖ) und hier (Richtung ÖVP) und bei uns die Hände hoch. Dann ist jemandem aufgefallen, dass er den Antrag erst jetzt bekommen


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 167

hat. Daraufhin gab es eine Präsidiale, aber der Antrag an sich war abgestimmt. Das Einzige – was richtig ist –: Das Ergebnis ist nicht verkündet worden. Aber Abstimmung ist unserer Ansicht nach Abstimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsident Mario Lindner: Frau Fraktionsvorsitzende! Ich habe festgestellt, dass der Antrag ordnungsgemäß eingebracht wurde. Ich habe abstimmen lassen, aber ich habe nicht festgestellt, ob die Stimmeneinhelligkeit beziehungsweise -mehrheit beziehungs­weise die Stimmengleichheit oder -minderheit vorliegt, und das hätte ich feststellen müs­sen. (Zwischenrufe bei der FPÖ und Gegenrufe von ÖVP und SPÖ.)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich wiederhole mich noch einmal: Ich habe nicht die Stimmeneinhelligkeit, -mehrheit, Stimmengleichheit oder -minderheit festgestellt.

*****

Ich habe jetzt ein zweites Mal über diesen Antrag abstimmen lassen, und dieser Antrag ist mit Stimmenminderheit abgelehnt worden. Ich stelle daher fest, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Bundesrätin Mühl­werth: Das nehmen wir Freiheitliche nur unter Protest zur Kenntnis!)

19.06.5818. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (17. FSG-Novelle) (1191 d.B. und 1210 d.B. sowie 9629/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (33. KFG-Novelle) (1192 d.B. und 1211 d.B. sowie 9630/BR d.B.)

 


Präsident Mario Lindner: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 18 und 19 der Ta­gesordnung.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Pfister. – Ich bitte um die Be­richte.

 


19.07.56

Berichterstatter Rene Pfister: So, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass wir das jetzt hinbringen.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Natio­nalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheinge­setz geändert wird.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates erweitert den Kreis der Berechtigten zur Durchführung von Perfektionsfahrten für die Klassen A1, A2 und A sowie der Motorrad­ausbildungen im Rahmen des Stufenzuganges bei diesen Klassen. Diese Ausbildun­gen sollen außer von Fahrschulen auch von den Autofahrerklubs durchgeführt werden dürfen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 168

Automatisiertes Fahren ist ein zentrales, in der breiten Öffentlichkeit diskutiertes Zu­kunftsthema. Entsprechend den Zielen des Gesamtverkehrsplans kann automatisiertes Fahren dazu beitragen, den Verkehr sicherer, effizienter und umweltfreundlicher zu ma­chen.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird die gesetzliche Grundlage ge­schaffen, um automatisiertes Fahren unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Mario Lindner: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


19.09.37

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Die vorliegende Novelle zum Tagesordnungspunkt 18, Führerscheingesetz, hat vor allem zwei Inhalte. Der eine ist vor allem die Betrauung der beiden großen Automobilklubs, ÖAMTC und ARBÖ, mit Aufgaben im Motorradführerscheinwesen, die bisher nur die Fahrschulen durchführen durften.

Der zweite größere Inhalt ist die Einführung einer Aufzeichnungspflicht bei der Durch­führung von Perfektionsfahrten und Aufstiegsfahrten. Diesen zweiten Teil finden wir sehr positiv und befürworten ihn natürlich. Dadurch wird eine effektive Kontrolle durch die Be­hörde ermöglicht, und es führt auch zu höherer Transparenz und zur Qualitätssicherung bei der Durchführung dieser Ausbildungsteile.

Nicht positiv finden wir allerdings den ersten großen Inhalt, und darum können wir hier auch nicht zustimmen. Der betrifft, wie gesagt, die Betrauung der beiden großen Auto­mobilklubs, ARBÖ und ÖAMTC, mit Aufgaben im Motorradführerscheinwesen, die bis­her nur die Fahrschulen durchführen durften, und das sehen nicht nur wir sehr kritisch, sondern das sieht unter anderem auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts sehr kritisch. Es werden sehr viele verfassungsrechtliche Bedenken angeführt, weil die Novelle eben so punktgenau auf den ÖAMTC und auf den ARBÖ zugeschnitten ist und alle anderen vom Geschäft ausschließt.

Die Begründung für dieses Vorhaben finden wir auch noch ganz besonders absurd, nämlich dass die Verbreiterung des Angebots zur Förderung umweltfreundlicher Ver­kehrsträger und einer nachhaltigen Mobilität beiträgt, und das stimmt einfach so nicht. Darum können wir hiezu unsere Zustimmung leider nicht geben.

Zum Tagesordnungspunkt 19, zur Novelle des Kraftfahrgesetzes: Dabei geht es um ein Zukunftsthema, nämlich um das automatisierte Fahren im Straßenverkehr, also um selbstfahrende Autos, in denen sich die Fahrerin beziehungsweise der Fahrer während der Fahrt gemütlich zurücklehnen kann und die Arbeit dem Bordcomputer überlässt. Das ist sicherlich die Zukunft des Autofahrens. Da wollen wir uns ja Innovationen und Forschung auf keinen Fall verschließen. Für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Österreich kann es ja auch ein sehr wichtiger Zukunftszweig werden, um gerade mit In­novationen zukunftsstark zu werden.

Wogegen wir uns jedoch in dieser Novelle auf jeden Fall stellen, ist, dass sie rein in­dustriepolitisch gestaltet ist. Sie ist in Sachen Sicherheit verantwortungslos, und zwar so­wohl in Bezug auf Verkehrssicherheit als auch in Bezug auf Datensicherheit. Der Haupt­grund, warum wir dagegen stimmen, ist der, dass im Gesetz überhaupt nur sehr wenig


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 169

konkret drinnen steht und es stattdessen Verordnungen geben soll. Das entspricht schon fast einem Blankoscheck, weil Verordnungen ja nicht das Parlament passieren müssen und daher nicht der Kontrolle durch den Nationalrat und den Bundesrat unterliegen.

Das ist bei einem so wichtigen neuen Anwendungszweig, der ganz neu ist, wo es auch ganz große ethische Herausforderungen gibt, einfach zu unsicher für uns, und daher kön­nen wir da nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.12


Präsident Mario Lindner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Novak. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


19.12.57

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Grunde genommen und auf den Punkt gebracht ist jeder Tote, den wir auf unseren Straßen haben, einer zu viel. Im Vorjahr haben wir 4 000 Verkehrsunfälle gehabt, 479 Ver­kehrstote. Wenn wir uns auf die Motorradfahrer und auf die Mopeds konzentrieren, so hat es da 90 Todesfälle gegeben. Warum ist das passiert? – Weil es eine falsche Selbsteinschätzung gegeben hat, zu geringe Fahrpraxis, Überforderung in gefährlichen Verkehrssituationen. Das sind nur einige Ursachen für diese abschreckende Zahl.

Frau Mag. Schreyer, ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie meinen, dass wir die Auto­fahrerklubs ARBÖ und ÖAMTC ausschließen sollen. Die Öffnung hilft ja in weiterer Fol­ge auch den Menschen, denn durch diesen Wettbewerb sollte sich im Sinne des Konsu­menten auch eine positive Entwicklung in der Preisgestaltung ergeben. Eines ist auch klar: Die Autofahrerklubs haben a) Kapazitäten und b) Kompetenz und Expertise.

Wichtig ist in Zukunft, dass den Motorradfahrern ausreichend Möglichkeit geboten wird, diese Handicaps, von denen ich vorhin gesprochen habe, zu überwinden und qualifi­zierte Schulungen zu bekommen. Damit auch die Qualität der Ausbildner stimmt, wur­den die Kriterien dafür genau festgelegt.

Es ist zu hoffen, dass diese Maßnahmen, die jetzt in dieser Novelle festgelegt werden, die Unfallzahlen in den nächsten Jahren verringern werden. Das heißt, unser gemein­sames Ziel muss es sein, dass es keine Verkehrstoten mehr auf österreichischen Stra­ßen gibt, und dafür ist eine Fahrerausbildung mit viel Praxis wichtig – im Grunde ge­nommen egal, wer sie durchführt. Es müssen gute Leute sein, die diese Motorradfahrer ausbilden, und das ist mit der heute zu beschließenden Novelle gesichert.

Kommen wir zum zweiten Gesetz: Es geht um das Kraftfahrgesetz, die 33. KFG-Novel­le. Im Bereich der intelligenten und der automatisierten Fahrsysteme für Kraftfahrzeuge gibt es große Innovationen. Die Medien berichten derzeit von immer neuen Erfolgen auf diesem Gebiet. Wenn man jetzt nur über Erfolge spricht, dann wissen wir natürlich auch, dass es in Amerika auch schon Unfälle gegeben hat. Dank der Digitalisierung und ihrer Möglichkeiten stehen wir jedoch durchaus vor einer historischen Mobilitätsre­volution. Bereits heute ist ein moderner Serienwagen offline nicht mehr denkbar. Jeder Neuwagen verfügt über ein hochkomplexes Softwaresystem, in welchem eine Reihe von Fahrerinformationen gesammelt und verarbeitet werden.

Fahrerassistenz und automatisierte Fahrsysteme sind im Grunde genommen der nächs­te Schritt, durch welchen die Mobilität eine völlig neue Dimension erfährt. Rund 140 Stake­holder aus allen Bereichen haben darüber diskutiert und sich damit befasst, Lösungen zu finden. So ist dieses Kraftfahrgesetz dabei herausgekommen. Bisher war es auf­grund der Lenkerpflicht – eine Hand muss immer am Lenkrad sein – nicht möglich, be­stimmte Assistenzsysteme beziehungsweise automatisierte Fahrsysteme zu nutzen. Wel­che Fahraufgaben wie zum Beispiel Abstandhalten, Beschleunigen, Bremsen, Spur­halten, Spurwechseln oder Stauassistenz unter welchen Bedingungen an automatisier-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 170

te Fahrsysteme übertragen werden dürfen, wird in der Folge in entsprechenden Ver­ordnungen genau zu regeln sein. Grundsätzlich ist dieses Thema natürlich auch aus Sicht des Datenschutzes genau anzusehen.

Es geht um die Testsituation, die die Verwendung auf lange Sicht regelt. Das heißt, der Fahrer hat in Zukunft die Situation unter Kontrolle zu halten, er ist verantwortlich für das, was passiert. Und auch bei dem durch eine Ausnahmebestimmung möglichen automa­tisierten Einparken muss die Kontrolle vor Ort, auch wenn man sich außerhalb des Fahr­zeuges befindet, immer noch gegeben sein.

Wir werden vonseiten unserer Partei diesen zwei Novellen zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.17


Präsident Mario Lindner: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


19.18.03

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Redebeitrag ist zum Führer­scheingesetz. Das Führerscheingesetz hat zwei positive Aspekte: Zunächst einmal im Zusammenhang damit, dass aufgrund der drohenden Klage der Europäischen Union wegen Vertragsverletzung die Berechtigung zum Fahren von unbesetzten Omnibussen mit C-Führerschein aufgehoben werden muss und dafür künftig der Busführerschein not­wendig sein wird. Die Übergangsregelung ist das Positive, denn alle, die vor dem 19. Jän­ner 2013 schon eine Berechtigung erhalten haben, verlieren diese nicht und können diese auch weiter ausüben.

Das zweite Positive ist die Sicherstellung für all jene, die ein sechsmonatiges Studium oder einen Schulbesuch im EU-Ausland absolvieren, bei einer Mehrphasenausbildung diese nicht mehr nachholen zu müssen.

Der Grund, warum diese Novelle überhaupt gemacht worden ist – und da muss man jetzt nicht wirklich bis drei zählen können, dass man es weiß –, war einfach der poli­tische Wille, die Autofahrerklubs bei den Perfektionsfahrten und bei der Dreiphasen­ausbildung zum Zug kommen zu lassen. In Wirklichkeit wird an der Ausbildung ja nichts verändert, es wird nicht mehr oder weniger, es wird aufgezeichnet, was die Fahrschu­len ja sowieso schon gemacht haben.

Wir reden immer über die Stärkung des ländlichen Raumes. Wo sind denn die Automo­bilklubs? – Die sind in den Ballungszentren. Die Fahrschulen im ländlichen Raum ver­lieren ihre Kunden; es gibt sowieso schon immer weniger Kinder auch im ländlichen Raum. Jugendliche machen meistens den Führerschein, denn sie wollen ja von A nach B kommen, und das nicht nur mit dem Fahrrad, und brauchen daher auch den Füh­rerschein für Mopeds. Die Fahrschulen müssen die Maschinen bereitstellen, sollten die Arbeitnehmer haben. Ich befürchte, dass dadurch unter Umständen – je nachdem, wo es ist – Arbeitsplätze verloren gehen werden.

Und zu argumentieren, dass es dadurch, dass das Automobilklubs machen können, zu mehr Verkehrssicherheit kommt, stimmt einfach nicht. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Aber wir gefährden damit auch die Fahrschulen. Als ich gefragt habe, wer das be­stellt hat, damit wir diese Lieferung bekommen haben, hat es im Ausschuss geheißen: Es ist der politische Wille.

Und dem muss man einfach auch ins Auge sehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.20


Präsident Mario Lindner: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte, Herr Kollege.

 



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 171

19.21.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! An und für sich haben wir ja geplant, beiden Novellen zuzustimmen, aber vielleicht überlegen wir es uns ja kurz nach der ersten Abstimmung noch einmal und verlangen dann noch eine zweite und stimmen dagegen. Wer weiß? – Alles scheint möglich zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Schödinger: Wie beim Bundespräsidenten!)

Wie auch immer das sein mag, ich möchte nur ganz kurz auf die …

 


Präsident Mario Lindner: Herr Kollege Krusche! Ich wiederhole mich noch einmal: Ich habe das Abstimmungsverhalten nicht festgestellt. – Sie sind am Wort.

 


Bundesrat Gerd Krusche (fortsetzend): Wir können es also schnell machen:

Was die Bedenken der Grünen betrifft, habe ich die gegenteilige Ansicht. Ich hoffe so­gar, dass der Herr Minister die zugehörige Verordnung möglichst rasch in Kraft setzt, weil ich glaube, dass es einfach ein Erfordernis der Zeit ist, nicht nur für die Industrie, sondern auch für das, was an Assistenzsystemen schon im praktischen Einsatz ist.

Und da geht es ja nicht darum, dass einer mit 100 auf der Landstraße fährt, ohne die Hände am Lenkrad zu haben, sondern beispielsweise primär um Stauassistenten und solche Dinge. Also wenn man sich auf der Autobahn im Schritttempo fortbewegt, dann halte ich das für durchaus sinnvoll.

Und da man damit rechnen muss, dass die Entwicklung fortschreitet und es immer neue technische Möglichkeiten geben wird, ist es sehr vernünftig, das auf dem Weg einer Verordnung wesentlich rascher lösen zu können, anstatt bei jeder Neuigkeit das Parlament damit befassen zu müssen. Aber ich glaube, das ist bei den Grünen die angeborene Phobie vor der Industrie, zu glauben, es wird dann Schindluder damit ge­trieben.

Einen Wermutstropfen hat das Gesetz allerdings für mich, die Frau Kollegin Junker hat es bereits angesprochen: die Streichung der Lenkerberechtigung für C-Führerschein-Inhaber, um leere Busse beispielsweise nach einem Service, nach einer Reparatur tes­ten zu können. Und der zuständige Beamte im Ausschuss hat uns das sehr plausibel und sehr eindrucksvoll erklärt. Kein Mensch weiß, warum, aber die Kommission hat in dieser Sache, die von der anderen Kommission vor zehn oder zwölf Jahren bereits to­leriert wurde, auf stur geschaltet und ist ganz pingelig und sagt: Nein, das geht nicht.

Und das sage ich gerade Ihnen, Herr Bundesminister, als ehemaligem EU-Abgeordne­ten: Das sind genau die Punkte, die die Menschen nicht verstehen, nämlich wenn es nur um die offensichtliche Bestätigung der Macht und Kraft der Kommission geht. Es wird sinnlose, bürokratische Buchstabenreiterei betrieben. Ich glaube, es wird nieman­den geben, der mir von einem Unfall seit der Erfindung des Kraftfahrzeuges berichten kann, der passiert ist, weil jemand einen leeren Bus gelenkt hat und nur einen C-Füh­rerschein besessen hat. Das ist weder im Sinne der Verkehrssicherheit, noch macht das sonst Sinn.

Wir werden diesen Wermutstropfen trotzdem schlucken. Aber ich hoffe, dass Sie mit Ihrer Erfahrung und Ihren Connections in der EU in Zukunft solche Sinnlosigkeiten ver­hindern können und dazu beitragen, dass damit vielleicht das Bild der EU in der Öf­fentlichkeit wieder ein bisschen verbessert wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.25


Präsident Mario Lindner: Bevor ich Herrn Bundesrat Armin Forstner das Wort erteile, eine kurze Anmerkung meinerseits: Ich habe in meiner Antrittsrede etwas ganz We­sentliches vergessen. Die Einstandsgeschenke des Präsidenten kommen dieses Mal


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 172

aus der Heimatregion von Armin und mir, aus dem Naturpark Gesäuse. Das wollte ich noch ganz kurz mitteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Forstner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


19.26.08

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich gratuliere noch einmal! Herzli­chen Dank dafür, dass du in meiner Gemeinde eingekauft hast. Wir sind schon sehr lange ein gutes Team im Regionalmanagement. Ich danke dir auf diesem Wege auch für die gute Zusammenarbeit.

Mit dieser KFG-Novelle, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung bestimmter Assistenzsysteme beziehungsweise automatisierter Fahrsysteme geschaffen, damit automatisiertes Fahren unter bestimm­ten Rahmenbedingungen möglich wird.

Der Lenker soll bestimmte Fahraufgaben den im Fahrzeug vorhandenen Assistenzsys­temen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen übertragen dürfen. Weiters sollen auch die Rahmenbedingungen dafür festgelegt werden, in welchen Verkehrssi­tuationen, auf welchen Straßen, in welchen Geschwindigkeitsbereichen, bei welchen Fahr­zeugen bestimmte Fahraufgaben auf Assistenzsysteme oder automatisierte oder vernetzte Fahrsysteme übertragen werden können.

Von den hier besprochenen Systemen sind schon einzelne Komponenten auf dem Markt – es ist schon kurz von den Kollegen Novak und Krusche angesprochen wor­den –, wie der Bremsassistent, das Spurhalten oder auch – die letzten Jahre schon ver­mehrt zu bemerken – das automatische Einparken bei gewissen Fahrzeugtypen, wobei man das Lenkrad von Haus aus auslassen kann und das Fahrzeug bereits von alleine einparkt.

Aber warum ist dieses Thema für uns so wichtig, geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen? Durch diese Änderungen wird für den Wirtschaftsstandort, die Forschung und die Entwicklung, aber auch für die Automobilzulieferindustrie, die in Österreich ein sehr wichtiger Arbeitgeber ist, speziell bei uns in der Steiermark – der Herr Minister wird mir das bestätigen –, ein wichtiger Schritt in die Zukunft gemacht. (Bundesminister Leicht­fried: Ja, ich bestätige!) Aber vor allem wird die Möglichkeit geschaffen, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dadurch sichern wir die bereits bestehenden Arbeitsplät­ze, beziehungsweise können wir damit auch neue schaffen. Und wie uns ja allen be­kannt ist: Arbeitsplätze werden immer benötigt. In der Zukunft bedeutet das, dass Ös­terreich in diesem Bereich Schritt halten kann und möglicherweise sogar ganz vorne mit­arbeiten wird.

Diese Technologie kommt auf uns zu. Dadurch werden wir in ein paar Jahren vom au­tomatisierten Fahren nicht mehr weit entfernt sein.

Natürlich muss man sich auch da die Frage der Datensicherheit stellen, Frau Kollegin Schreyer hat es vorhin schon angesprochen. Das wird auch unsere Aufgabe sein, ge­meinsam mit dem Herrn Minister und seinen Expertinnen und Experten aus dem Minis­terium.

Wir werden versuchen, in möglichst kleinen Schritten möglichst transparent in die rich­tige Richtung weiterzugehen, damit wir auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen fest­legen können, sobald wir alle Informationen haben, die sich in der jetzigen Testphase er­geben.

Abschließend kann man sagen: Es ist ein richtiger Schritt in die Zukunft, denn es ist wichtig für die Forschung, für die Entwicklung und für die Arbeitsplätze in unserem Land. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.29



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 173

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als vorläufig letzter Redner hat sich Herr Bundesmi­nister Mag. Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


19.29.40

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Es ist schon sehr viel zu dem Thema gesagt worden. Deshalb werde ich mich bemühen, auf einige Dinge, auf die ich angesprochen wurde, einzugehen.

Ich darf mit den Ausführungen des Herrn Bundesrates Krusche beginnen. Mir geht es auch öfters so, dass ich mir denke: Warum ist das jetzt notwendig? Und man muss schon auch versuchen, das zu hinterfragen, und kommt dann manchmal zum Ergeb­nis: Ja, es ist wirklich nicht notwendig. – Das gibt es.

Manchmal kommt man aber auch zum Ergebnis, dass eine einheitliche Gesetzgebung auf europäischer Ebene so viele unterschiedliche Regelungen abdecken muss. Es mag sein, dass bei uns vielleicht etwas zu hinterfragen ist – ich würde das auch so sehen wie Sie –, aber insgesamt macht die Gesetzgebung für ganz Europa dann doch Sinn. Das muss man schon mit bedenken, bevor man meint, über europäische Institutionen den Stab brechen zu müssen.

Ich meine, in diesem Fall hat es schon auch einen gewissen Sinn. Aber, wie gesagt, wir müssen alle gemeinsam versuchen, denke ich, eine europäische Gesetzgebung zu erreichen, die dem Subsidiaritätsprinzip entspricht, nämlich dort zu entscheiden, wo es am sinnvollsten ist. Und das heißt in der Regel, große Entscheidungen in Brüssel zu treffen, die mittleren bleiben bei den Staaten, kleinere in den Bundesländern und die ganz kleinen in den Gemeinden. Ich glaube, so wäre vernünftige Gesetzgebung dar­stellbar.

Zum Inhalt selbst: In der Frage die Autofahrerklubs betreffend habe ich die Diskussion, die Sie geführt haben, sehr gut mitverfolgt und möchte eines einwerfen: Wir haben in Österreich eine große Anzahl an sehr guten Fahrschulen. Diese Fahrschulen sind aber regional so aufgestellt, dass es eigentlich relativ wenig Konkurrenz unter diesen Fahr­schulen gibt und die Auslastung relativ gut ist. Und die Qualität ist, wie gesagt, mit ei­nigen Ausreißern nach unten auch sehr gut.

Der Zweck dieser Novelle war folgender: Wir haben eine sehr, sehr interessante – das Wort „interessant“ ist vielleicht nicht ganz das richtige –, eine sehr schwierige Situation im Verkehrssicherheitsbereich bei den Motorradfahrern. Ich sage jetzt bewusst: Motor­radfahrer. Wir haben bei jungen Männern sehr, sehr hohe Unfallzahlen und erstaunli­cherweise auch in der Altersgruppe, wieder hauptsächlich Männer, von 45 Jahren auf­wärts. Diese meinen, sich neue Hobbys zulegen zu müssen. (Bundesrat Stögmüller: Midlife-Crisis!) Und das Gerät, das sie sich zulegen, beherrschen sie nicht so wirklich, sehen das aber auch nicht ein. Und gerade für diese beiden Altersgruppen sind diese Kurse meines Erachtens sehr wichtig. Und das Angebot auszuweiten ist der richtige Schritt, geschätzte Damen und Herren.

Wir haben eben die Situation, dass es derzeit zwei Klubs gibt, die von der Kompetenz und von der Kapazität her dazu in der Lage sind. Ich glaube, es wäre unverantwortlich, zu sagen, das sollen alle machen. Es gibt schon gewisse Notwendigkeiten, die zu er­füllen sind, und die werden eben derzeit von diesen Klubs erfüllt. Aber, geschätzte Da­men und Herren, wenn es da andere gibt, die sich diese Kompetenzen auch aneignen wollen, das notwendige Know-how haben, die Ausbilder dafür haben, dann glaube ich nicht, dass der österreichische Gesetzgeber dem im Wege stehen wird. Dann wird es auch möglich sein, wie ich meine, das dementsprechend zu erweitern. Also die Diskus­sion in diese Richtung ist eine, die man durchaus führen kann.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 174

Was jetzt die zweite, die KFG-Novelle betrifft, so möchte ich eines deutlich klarstellen: Selbstverständlich ist überlegt worden, ein sehr, sehr umfangreiches Gesetz zu ma­chen, um diese Verordnungsermächtigung sozusagen viel weiter zu fassen. Und das ist nicht von irgendwelchen Beamten im Ministerium, dem Minister oder sonst irgend­wem überlegt worden, sondern von einer unglaublich großen Gruppe von Stakehold­ern – über 140 Beteiligte in dieser Diskussion –, und am Ende war dann die Erkennt­nis: Es geht nicht.

Warum geht es nicht? – Die Vorgehensweise wird folgende sein: Es wird für jede Test­situation eine eigene Verordnung geben, das heißt, eine Verordnung für Abstandhalt­systeme, eine Verordnung für Spurhaltsysteme, eine Verordnung für Notbremssysteme und was immer es da alles gibt. Aufgrund dieser Verordnung werden dann Bescheide erlassen für diejenigen, die diese Dinge testen wollen. Aber wir wissen ja jetzt schon nicht, welche Arten von Tests es insgesamt geben wird. Wir haben beispielsweise ge­glaubt, das Hauptinteresse derer, die testen wollen, wird auf Autobahnen liegen. Dem ist nicht so. Es gibt auch einige, die auf Bergstraßen testen wollen oder im Stadtver­kehr. Also wenn man ein Gesetz allein mit Festlegung auf die Autobahn gemacht hätte, dann wären der Sinn und Zweck dieses ganzen Gesetzes schon wieder zu hinterfra­gen gewesen.

Das Zweite, was ich anmerken möchte, ist: Es geht dabei um Tests. Es geht nicht um lang dauernde Bewilligungen für privates Fahren, sondern es geht um Testsituationen. Und es geht um solche Testsituationen, wo stets der Fahrer, die Fahrerin die Endver­antwortung zu tragen hat. Es werden aufgrund dieser Gesetzesänderung keine Autos herumfahren, in denen niemand drinnensitzt. Es werden auch keine Autos herumfah­ren, bei denen in einer Unfallsituation die Endentscheidung ein Computer zu treffen hat. Nein, am Ende hat bei diesen Tests immer der Mensch, der drinnensitzt, die Entschei­dung darüber zu treffen, was geschieht. Und ich glaube, es ist auch wichtig, dass das in der Öffentlichkeit klargestellt wird.

Und das Dritte, geschätzte Damen und Herren, was ich auch noch ansprechen möch­te: Frau Bundesrätin Schreyer hat gemeint, der Datenschutz passt nicht. Was ist Da­tenschutz? – Beim Datenschutz geht es meines Erachtens darum, dass Private ihre Da­ten erstens gegenüber der Hoheitsgewalt und dann auch gegenüber anderen Privaten schützen. Ich glaube, so kann man fürs Erste zusammengefasst den Datenschutz be­schreiben.

Aber in diesen Testsituationen möchten mein Ministerium und ich vom kleinsten Fehler wissen. Da soll nichts vertuscht werden von denjenigen, die testen. Da soll von den großen Unternehmen nichts nicht bekannt gegeben werden. Bei Tests, geschätzte Da­men und Herren, brauchen wir keinen Datenschutz für die Unternehmen, die testen. Es ist genau das Gegenteil, was wir möchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Öffentlichkeit muss über jeden Fehler, der vorkommt, informiert werden. Die Öf­fentlichkeit muss auch über jeden Unfall informiert werden. Es kann nicht sein, dass da irgendjemand testet, dann geht das schief und keiner weiß etwas davon. Geschätzte Damen und Herren, bei diesen Testsituationen möchte ich die Datenschutzdebatte et­was anders führen, nämlich so, dass jeder Fehler, jedes Problem, jede Gefährdung von Menschenleben bekannt wird, damit auch eingegriffen werden kann, falls dem so ist.

Das ist im Prinzip die Novelle. Das war, was ich dazu anmerken wollte. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Präsident Mario Lindner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 175

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend eine 17. FSG-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend eine 33. KFG-Novelle.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

19.37.5420. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1741/A und 1212 d.B. sowie 9631/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.38.05

Berichterstatter Ewald Lindinger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Be­schluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


19.38.52

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen hier und zu Hause! Der hier vorliegen­de Gesetzentwurf ist ja an und für sich sinnvoll. Es soll der Rahmen für die Erteilung von Außenlande- und Außenlandeabflugbewilligungen für Helikopter erleichtert werden, für die Umsetzung sind dann die Länder zuständig.

Es gibt zwar einige Punkte und einige Tatbestände, in denen dies sinnvoll und nötig sein kann, nämlich wenn es nicht möglich ist, zum Antragszeitpunkt die genaue Örtlich­keit anzuführen, zum Beispiel bei Bergungsflügen für Almviehkadaver, bei Lawinenbe­obachtungen und so weiter.

Die Novelle öffnet aber aus unserer Sicht mit ganz extrem offenen Formulierungen die­ser Zwecke die Tür viel weiter, als es sinnvoll ist. Und wir haben die Befürchtung, dass damit den Ländern weitgehend die Möglichkeit genommen wird, andere öffentliche In­teressen noch erfolgreich geltend zu machen, zum Beispiel den Naturschutz, Lärm­schutz oder den Emissionsschutz. Es schießt also nach unserer Einschätzung deutlich übers Ziel hinaus. Darum können wir hier nicht zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 176

Einen weiteren Kritikpunkt haben wir noch gefunden, und zwar ist das § 10 bezüglich der Praktikabilität. Da geht es um Abflüge und Landungen von Fallschirmen und Para­gleitern. Für das Starten und Landen von eben Fallschirmen und Paragleitern müssten die über das Grundstück Verfügungsberechtigten gesucht und kontaktiert werden.

Das ist jetzt in Wien, im Burgenland oder im niederösterreichischen Flachland vielleicht nicht so akut, wie es das zum Beispiel in Tirol ist. Ich habe mir dann genau ange­schaut, wie diese Novelle zustande gekommen ist, nämlich durch einen Initiativantrag im Nationalrat. Und siehe da: Die beiden Antragsteller kommen aus Wien und aus Böheimkirchen! Da ist es eben vielleicht nicht so akut, da kommen Fallschirmspringer und Paragleiter nicht so häufig vor.

Aber gerade im Alpenraum ist das ein boomender Tourismuszweig! Ich stelle mir jetzt gerade vor, wie sich ein Niederländer beim Bauamt in der Gemeinde die Telefonnum­mern zu Grundstücken von zehn verschiedenen Bauern geben lässt, dort durchtelefo­niert und anfragt, ob er von dort starten (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler) und ob er dort landen darf. Es ist also einfach nicht praktikabel. Es ist nicht durchführbar, es ist nicht kontrollierbar. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass das ein bisschen passiert ist, und ich würde Sie dazu auffordern, dass das repariert wird.

Mit diesem wunderschönen Bild von Paragleitern über den Tiroler Alpen möchte ich Sie auch seitens des Parlamentsklubs der Grünen in den Sommer entlassen und Ihnen ei­nen schönen Sommer wünschen! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

19.41


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für die Wünsche!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: … Te­lemark, ja! – Bundesrat Pfister – auf dem Weg zu Rednerpult –: Telemark ist aber nicht Fallschirmspringen, das ist Skispringen!)

 


19.41.39

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Herr Vizepräsident! Wir haben ja am Dienstag im Ausschuss auch da­rüber diskutiert. Ich habe mir das sehr genau gemerkt, Nicole: Du hast da eigentlich kei­ne Anmerkungen gehabt, jetzt auf einmal die Wendung gemacht und gesagt, dass das doch nicht so toll ist, und jetzt seid ihr auf einmal dagegen. Zusammenfassend muss aber gesagt und festhalten werden, dass es bei diesem Gesetz um eine rechtliche An­passung geht, damit kurzfristig erforderliche Abflüge und Landungen im öffentlichen In­teresse auch außerhalb von Flugplätzen stattfinden können.

Wie all jene, die sich mit der Luftfahrt in Österreich beschäftigen, wissen, gibt es ja auch diesen Flugplatzzwang. Das heißt, alle, die fliegen oder in die Luft gehen, sollen an ei­nem registrierten oder normierten Flugplatz den Ausgang nehmen und auch wieder dort­hin zurückkommen. Natürlich ist das, wie du auch schon ausgeführt hast, nicht immer möglich. Auch Luftfahrzeuge oder Geräte, die sich in die Luft begeben, können das ei­ne oder andere technische Problem haben. Die Schwierigkeit dabei ist nicht, dass man dann auf den Pannenstreifen auf einer Wolke fährt und wartet, bis der Abschleppdienst kommt, sondern die Schwierigkeit ist dann, für keine Gefährdung zu sorgen, nämlich dass man dieses Luftfahrzeug oder das Fluggerät auch wieder sicher auf den Boden bringt.

Ich glaube auch, dass damit die Länder diese Möglichkeit haben. Soviel ich weiß, ist es ja in Tirol auch so, dass die Landesrätin für Verkehr eine von deiner Fraktion ist, dass dies auch in Länderinteressen liegt und dass sie so auch die Möglichkeit hat, dies ge­nau zu prüfen und die Bewilligung zu erteilen, dass es auch möglich ist, außerhalb von Flugplätzen Außenlandungen oder auch Abflüge zu genehmigen.

Ich glaube auch, dass genau dann, wenn diese Verantwortung Ländersache wird oder in die Hände der Länger gelegt wird, wir als Länderkammer das auch hier sehr wohl


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unterstützen müssen, denn auf der anderen Seite diskutieren wir immer, dass es keine Möglichkeiten gibt und alles irgendwo zentral verordnet wird. Mit dieser Gesetzesno­velle gibt es genau diese Möglichkeit, das auch als Landessache zu haben. Daher ver­stehe ich nicht, dass hier von eurer Seite diese Zustimmung nicht gegeben wird, wenn es diese freie Entscheidung in jedem Bundesland gibt, fernab des Flugplatzzwanges, der sehr, sehr wichtig ist, auch das zu machen.

Auch mit der Belastung, die dazukommt: Wenn du die Fallschirmspringer oder auch die Paragleiter ansprichst, dann geht es hier nicht um Lärmbelästigung und um zusätzliche Emissionsausstöße, sondern das ist ein wunderschönes Fluggefühl, das nichts mit Um­weltverschmutzung oder sonst etwas zu tun hat. Ich glaube auch, dass wir hier nicht unnötig irgendjemandem Fesseln oder Ketten anlegen sollen, sondern wirklich diese Mög­lichkeit, so wie sie auch im Gesetzentwurf festgelegt ist, den Ländern geben sollten, dies zu nutzen.

Lieber Herr Verkehrsminister, mit dieser Vorlage haben Sie eine rechtlich scharfe und klare Sache umgesetzt. Dafür sagen wir recht herzlich Danke im Namen des Luftver­kehrs! (Beifall bei der SPÖ.)

19.44


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prei­neder. – Bitte.

 


19.45.02

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätztes Präsidium! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde schon ausgeführt, worum es in der Vorlage geht, nämlich um eine Vereinfa­chung bei Außenlandungen und Außenstarts von Fluggeräten. Ich glaube, wir sollten einer jeden Vereinfachung zustimmen. Dasselbe gilt auch da, wo es eine gewisse Ver­einfachung für das Fallschirmspringen gibt, und – das Dritte ist noch nicht erwähnt wor­den – auch beim Entzünden von Feuerwerkskörpern bei Flugplätzen.

Liebe Frau Kollegin Schreyer! Wenn die Länder mehr Spielraum bekommen – auch wenn wir im Gesetz nicht alles so explizit regeln –, dann wäre das für mich ein Fort­schritt, weil ich glaube, dass genaue Regeln nicht immer die Verwaltung vereinfachen. Wir können von hier aus nicht jeden Einzelfall regeln; da ist es, wie ich meine, geschei­ter, das vor Ort zu regeln, wo man die Bedingungen und Voraussetzungen kennt. Da bin ich ein Föderalist, da bin ich einer, der Subsidiarität pflegt, nämlich die Probleme dort zu lösen, wo man sie kennt. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Novak.) – Ja, das sollte man tun! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als Grundeigentümer möchte ich trotzdem noch anführen, dass man, wenn Fallschirm­springer auf einen Privatgrund springen wollen, vorher durchaus das Einvernehmen her­stellen muss. Ich meine, wenn sie sich irgendwie verfliegen, dann ist das, wie soll ich sa­gen, ein Notfall, aber im Normalfall, wenn ich weiß, wo ich als Fallschirmspringer lan­den will, muss ich das Einvernehmen mit dem Grundeigentümer herstellen.

Auch das ist für uns klar und verständlich, und darum werden wir als Fraktion dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.46


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Längle. – Bitte.

 


19.46.49

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Von meinen Vorrednern, insbeson­dere den Herren Kollegen Pfister und Preineder, wurde hier mehr oder minder alles ge-


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sagt. Es wurde die Geschichte mit den Feuerwerkskörpern angesprochen, die Sache mit den Außenlandungen und dergleichen. Frau Kollegin Schreyer hat auch den § 10 erwähnt.

Da hätte ich jetzt an Sie, Herr Minister, eine direkte, konkrete Frage, und zwar geht es nach dem neuen Gesetzesmodell eben darum, wie da so schön steht – ich zitiere –: „Außenlandungen von Segelflugzeugen und Freiballonen“, „Außenlandungen von Hän­ger- oder Paragleitern“, „Außenlandungen von Fallschirmen außerhalb von dicht besie­deltem Gebiet“ und eben die „Außenabflüge von Freiballonen außerhalb von dicht be­siedeltem Gebiet“. Dann steht dort noch: „Die Außenlandungen und Außenabflüge ge­mäß den Z 4 bis 6 sind nur zulässig, wenn der über das Grundstück Verfügungsbe­rechtigte mit der Benützung einverstanden ist.“

Dazu jetzt meine Frage: Heißt das, der Punkt 3 ist da ausgenommen, und ich kann somit mit einem Segelflugzeug oder Freiballon dort landen, ohne die Zustimmung des Verfügungsberechtigten über das Grundstück zu haben, aber mit einem Paragleiter darf ich dort nicht landen? – Das ist schon etwas komisch, und das entspricht eigentlich nicht dem Gleichbehandlungsprinzip. Entweder müsste das für alle gelten oder für keinen. Ich denke, dass eine kleine Änderung noch durchgeführt werden muss, denn so ent­spricht das eben nicht der Gleichberechtigung.

Ich glaube grundsätzlich, dass das Gesetz gut ist, und ich habe es auch gesagt, als die Kollegen das ausgeführt haben: Wir Freiheitliche werden hier auch zustimmen. Aber ich bitte Sie, Herr Minister, gerade diesen § 10 noch einmal genauer anzuschauen und dort eine Gleichberechtigung herzustellen. Aber vielleicht sagen Sie im Anschluss noch selbst etwas dazu. – Danke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

19.49


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Abschließend zu Wort gemeldet ist Herr Bundesmi­nister Mag. Leichtfried. – Bitte.

 


19.49.10

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Danke für die Anmerkun­gen und die letzte Frage! Ich möchte vielleicht zuerst auf einen Punkt eingehen, der er­wähnt wurde, nämlich: Wie haben Landeshauptleute bei der Bewilligung dann auch vor­zugehen? Ist da eine gewisse Willkür zu erwarten?

Es gibt relativ eindeutige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, wie hier öf­fentliches Interesse zu definieren ist. Öffentliches Interesse ist da nicht nur das Inter­esse derer, die landen wollen, oder das Interesse der Freizeitindustrie, sondern – ich darf das erläutern – gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das gesamte Spektrum des öffentlichen Interesses gemeint, zum Beispiel Naturschutz, Jagd­gebietsschutz, Lärmschutz für Siedlungsgebiete, Verkehrssicherheit, Sicherheit der Luft­fahrt. Also dieses öffentliche Interesse ist meines Erachtens sehr allumfassend defi­niert, und deshalb meine ich auch, dass der Vorschlag, wie er im Gesetzentwurf zu fin­den ist, so schon gut ist.

Was jetzt die Unterscheidung verschiedener Luftfahrzeuge oder Luftbewegungsmög­lichkeiten – wenn man das so beschreiben darf – betrifft, so ist einmal eines im Gesetz­entwurf relativ klargestellt – es ist auch schon erwähnt worden –: Es ist natürlich schon aus zivilrechtlichen Gründen so, dass man eigentlich, wenn man irgendwo landen möch­te, die Einwilligung dessen erteilt bekommen müsste, dem das Grundstück gehört. Das ist jetzt im Gesetzentwurf noch einmal so festgehalten. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Dieser Unterschied zu Segelflugzeugen und den anderen Fluggeräten erklärt sich meines Erachtens schon daraus, dass Segelflugzeuge in der Regel auf Flug­plätzen landen und nicht sozusagen in freier Natur. Wenn das mit Segelflugzeugen ge-


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schieht, ist das doch eher gefährlich und unvorhergesehen, während Paragleiter, Fall­schirme und andere Fluggeräte sozusagen planmäßig in der freien Natur und nicht auf Flughäfen landen. Deshalb ist meines Erachtens auch diese Unterscheidung da so vor­genommen worden.

Sollte es aber der Fall sein, dass die technische Entwicklung so weit kommt, dass die­ser Typus Segelflugzeug in Zukunft auch überall landen könnte, dann auch ordnungs­gemäß wegtransportiert werden kann und dabei auch keine Gefährdung entsteht und keine Schäden angerichtet werden können, dann muss man darüber wahrscheinlich noch einmal nachdenken. Aber der jetzige Typus Segelflugzeug ist doch etwas recht Großes, das im Regelbetrieb auf Flughäfen landet, und deshalb wurde die Unterschei­dung so vorgenommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.51


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

19.52.1821. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (1740/A und 1214 d.B. sowie 9632/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Nun gelangen wir zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.52.29

Berichterstatter Rene Pfister: Herr Bundesminister! Herr Vizepräsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird.

Das zeitgleiche Inkrafttreten beider Novellen in der konsolidierten Fassung des Kraft­fahrliniengesetzes hat zu dem ungewollten Effekt einer doppelten Absatznummerie­rung geführt. Mit diesem Beschluss soll das geändert und korrigiert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 12. Juli 2016 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein. Es liegen allerdings keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte sogleich wie­der geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 180

19.53.3122. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzge­setz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebührengesetz ge­ändert werden (1144 d.B. und 1204 d.B. sowie 9633/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Grimling. – Ich bitte um den Bericht.

 


19.53.42

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der gegenständliche Bericht des Ausschusses für Innovation, Techno­logie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebühren­gesetz geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorla­ge am 12. Juli 2016 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 


19.54.49

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser beabsichtigten Maßnahme macht die große Koa­lition aus dem Jahr 2016 ein Gesetz der großen Koalition aus dem Jahr 1992 rückgän­gig. Damals war es die Schaffung des teilrechtsfähigen Bereiches unter dem damali­gen Wirtschaftsminister Schüssel. Laut dem aktuellen Regierungsprogramm sollte eine nationale Strategie für geistiges Eigentum geschaffen werden. Diese besteht jedoch bis dato nicht und ist auch in dieser Novelle nicht beinhaltet. Auch das Wissenschafts­ministerium hat in seiner Stellungnahme zum Ministerialentwurf die ausständige natio­nale Strategie als logische Vorbedingung für legistische Einzelschritte – so wie es eben diese gegenständliche Novelle ist – vorgeschlagen beziehungsweise eingefordert.

Hinter dem Terminus dieser Auflösung des teilrechtsfähigen Bereiches, dieser Zusam­menlegung, verbirgt sich in Wirklichkeit eine Erhöhung des Personalstandes um 48 Plan­stellen. Das bedeutet 25 Prozent mehr Personal im Bereich der Verwaltung der Ver­waltung und nicht direkt in einem produzierenden Expertenbereich, es ist somit unserer Ansicht nach ohne Effizienzgewinn. Ich erinnere daran, was heute in der Früh der Herr Landeshauptmann gesagt hat: Die Verwaltungsreformen, von denen wir schon sehr lange reden, sind hier nicht wirklich beinhaltet.

Die österreichischen Jahresgebühren für Patente sind europaweit die zweithöchsten. Die Einnahmenüberschüsse aus dem Österreichischen Patentamt betragen derzeit 16 Millionen € jährlich, gehen an das BMVIT und werden dort unter anderem für Me­dienkooperation und dergleichen verbraten. Das BMVIT hat ganz sicher kein Interesse an einer Änderung dieses Zustandes. Daher bringt diese Novelle auch auf der Gebüh­renseite keine Entlastung des Innovationsstandortes Österreich, denn da wäre eine massive Senkung der unvergleichlich und unnötig hohen staatlichen Patentgebühren nötig (Beifall bei der FPÖ) – danke, das ist gerechtfertigt –, so wie es auch vom Rech­nungshof kritisiert wird, zu dem ich schlussendlich noch kommen möchte. Der Rech­nungshof stellt in seiner Follow-up-Prüfung aus dem Jahr 2015 fest: Keine innerbe-


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 181

triebliche Geschäftsfeldstrategie ist vorhanden, kein Business Plan für die Zukunft, kei­ne maßgebliche Senkung der hohen Gebühren, nur teilweise Umsetzung betreffend Ak­tivierung beziehungsweise Ausbau der vorhandenen Kosten- und Leistungsrechnung, teilweise Senkung des Overheadanteiles. Der einzige vollständig umgesetzte Punkt ist, wie wir im Ausschuss gehört haben, die Nebenbeschäftigung von Bediensteten des ho­heitlichen Bereiches, die in dieser Novelle enthalten ist, laut Information als Ex-lege-Re­gelung.

Geschätzte Damen und Herren! Trotz alledem bleiben die wesentlichen Kritikpunkte, die uns dazu bewegen, dieser Gesetzesänderung nicht zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.58


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Hubert „Hubsi“ Koller zu Wort. – Bitte.

 


19.58.19

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Das ist aber sehr nett, Herr Vize­präsident! (Bundesrat Kneifel: Von Steirer zu Steirer!) Das ist einmal eine nette Begrü­ßung. Wir Steirer halten halt zusammen!

Es hat ja steirisch angefangen mit der Rede vom neuen, steirischen Bundesratsprä­sidenten. Dann hat der Landeshauptmann der Steiermark die Erklärung abgegeben. Jetzt sitzt der steirische Vizepräsident hinter mir, ein steirischer Minister ist neben mir, und zwei Steirer haben jetzt bald das Schlusswort gehabt, denn wir haben beim nächs­ten Tagesordnungspunkt, glaube ich, keine Reden mehr. (Bundesrat Dörfler: Jetzt gibt es einen Schilcher! – Ruf: Und jetzt kommt Hubsi! – Weitere Zwischenrufe.) – Und jetzt kommt Hubsi, ein stolzer Steirer! (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte da gleich mit der Steiermark weitermachen und einen Bogen zum Patent­gesetz spannen, denn auch da ist die Steiermark sehr gut unterwegs, innovativ unter­wegs mit steirischen Erfindungen. Man kann weit zurückgehen bis zur Kaplanturbine von Viktor Kaplan; das ist allerdings schon 1913 gewesen. Aber ich möchte aufzeigen – das ist also der Bogen –, dass sich eigentlich auch die Ansprüche an das Patentamt sehr gesteigert haben und dass es notwendig war, da Gesetzesänderungen durchzuführen. Wir haben junge Unternehmen, die beispielsweise einen Soundgenerator für Elektro­fahrzeuge erfunden haben, in der Steiermark, die REMUS-Sound for Safety; das heißt, es entsteht ein motorähnliches Geräusch, damit man da nicht überrascht werden kann. Wir haben sehr, sehr gute Firmen, die weltweit bekannt sind, zum Beispiel eine, die das Doppelkupplungsgetriebe mit mehreren schaltbaren Gangstufen erfunden hat, AVL List in Graz, und wir haben auch Erfindungen jener Dinge, die uns das Leben ein bisschen bequemer machen, wie ein Bluetooth-Türschloss, das heißt, man kann über Bluetooth die Tür selbst öffnen. Die Ansprüche haben sich in dieser Zeit verändert.

Die Aufgaben des Patentamtes sind aber sehr wohl festgeschrieben. Es geht vor allem darum, Patente und Gebrauchsmuster für technische Erfindungen und Neuerungen zu schützen, Marken und Muster ebenfalls. Was aber der große Bereich ist und wo in die­sem Gesetz eine Veränderung stattfindet, sind die Beratung und das Service. In den letzten Jahren gibt es diese Anforderungen. Wir wissen, jetzt wird Wissen auf Wissen aufgebaut. Es geht viel rascher, viel schneller. Man braucht das Rad nicht mehr neu zu erfinden – das ist übrigens auch schon 6 000 Jahre her. Die Zahl der Erfindungen macht einen Quantensprung.

Das ist so – ich bin ja auch Kapellmeister gewesen – wie in der Musik. Man hat ein Mo­tiv, ein Thema und muss aufpassen, dass man nicht in sogenannte Urheberbereiche hi­neinkommt. So ist es auch beim Patentamt. Die Rolle des geistigen Eigentums wird im­mer stärker, die Bedeutung nimmt zu. Nicht nur Produkte, sondern vor allem die Abläu­fe, die Prozesse bis hin zum Materialeinsatz sind schützenswert.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 182

Das Patentamt – und die Vizepräsidentin wird das sicher unterstreichen – unterstützt die österreichische Wirtschaft, die Wissenschaft und die Forschung. Die Serviceleistungen betreffen Fragen, wie man zu einem Patent kommt, was bereits geschützt wurde, aber auch, wie man speziell gegen Patentverletzungen vorgehen kann. Das unterstützt auch die erst vor Kurzem von der Regierung beschlossene Start-up-Initiative in diesem Be­reich.

1992 wurde – Kollege Samt hat es angesprochen – die Teilrechtsfähigkeit zuerkannt, die jetzt wieder wegfällt. Sie sollte die Verbesserung der Service- und Informationsleis­tungen für die Wirtschaft, also für die gewerblichen Erfinder, ausbauen. Ziel muss es aber sein, im europäischen Innovations-Benchmark von der Gruppe der innovativen Fol­lower zur Gruppe der innovativen Leader zu kommen, in diese neue Gruppe aufzu­steigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Patentanmeldungen sind eine Botschaft in die Welt hinaus, wie innovativ ein Land ist. Wir brauchen also diese besagte offensive Strategie. Man sieht es am Beispiel Chinas oder Südkoreas, die sich ein sehr ambi­tioniertes Ziel gesetzt haben, nämlich die Patentanmeldungen bis 2020 zu verdoppeln. Das sagt zwar noch nichts, aber das würde in China zwei Millionen Patente pro Jahr be­deuten.

Der Vorgänger unseres jetzigen steirischen Ministers Jörg Leichtfried, Minister Stöger, hat damals so ähnlich zusammenfassend gesagt: Das Patentamt muss ins Zentrum des Innovationsgeschehens in Österreich rücken.

Dieses Gesetz sorgt für die organisatorische Neuausrichtung sowie die Aufhebung der Bestimmung der Teilrechtsfähigkeit und setzt den Fokus auf österreichische Unterneh­men, auf den österreichischen Erfindungsgeist. Früher war das mit der Bundesstelle und dem teilrechtsfähigen, ausgelagerten Unternehmen getrennt. Es gab Doppelgleisigkei­ten, Nebenbeschäftigungen, die jetzt ausgeräumt werden.

Laut Bericht 2015 gab es 3 195 Erfindungsanmeldungen, 2 205 davon kamen aus Un­ternehmen mit dem Sitz im Inland. Oberösterreich, das Industrieland, war natürlich auf Platz eins, Wien auf Platz zwei und die Steiermark schon wieder auf Platz drei. Ich ha­be vorher schon AVL List erwähnt, denn die haben mit 88 Patenteinreichungen die meisten eingereicht. Ich möchte Professor List und seinem ganzen Team, den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich danken, dass sie solche Arbeit leisten und den Standort in der Steiermark haben.

Das Patentamt selbst ist aber auch ein Wirtschaftsfaktor, und wir haben schon gehört – vielleicht habe ich falsche Zahlen, aber ich habe es aus dem Bericht herausgelesen –, die Einnahmen waren 38 Millionen €. Etwa die Hälfte, so zirka 19 Millionen €, waren Ausgaben, und den Rest bekommt der Herr Finanzminister in sein Budget.

Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen, und zwar auf die wichtige Aussage, dass kein Patent auf Tiere und Pflanzen erfolgen darf. Das Europäische Patentamt hat da schon Ausnahmen gemacht. Auf Brokkoli, Paradeiser und ähnliche Dinge gibt es schon 180 Patente, 1 200 sind in Warteposition. Die haben das irgendwie spitzfindig ausge­legt, dass sie das machen konnten. Ich hoffe, dass die österreichische Bundesregie­rung – vor allem unser steirischer Minister – stark dafür kämpfen und mithelfen wird, dass das streng auszulegen ist. Manche europäischen Länder folgen unserem Beispiel, aber da ist noch viel zu tun. Vor allem half und hilft weiterhin sicher auch die Petition – in Europa haben 800 000 Menschen unterschrieben, in Österreich 127 000 –, die von ARCHE NOAH, BIO AUSTRIA und PRO-GE initiiert wurde.

Zum Abschluss noch: Vielen Dank, Herr Minister, dass du dafür gesorgt hast, dass es faire Lösungen für die Mitarbeiter gibt. Es gibt ein anständiges Angebot, es gibt ausrei­chend Zeit, sich zu entscheiden, und der Übergang wird reibungslos garantiert. Unsere Fraktion wird deshalb diesem Gesetz zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 183

Da ich von der SPÖ jetzt der letzte Sprecher bin, wünsche auch ich euch allen schöne Sommertage, und zeigt Zivilcourage! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­räten von ÖVP, FPÖ und Grünen.)

20.07


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Bevor der nächste Redner zu Wort gelangt, darf ich noch einen ehemaligen Kollegen im Bundesrat herzlich begrüßen. – Efgani Dönmez, herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Fürlinger aus Oberösterreich. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Die letzten zwei Redner sind Oberösterreicher!)

 


20.07.32

Bundesrat Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Ho­hes Präsidium! Ich störe nur ungern die steirischen Festspiele, die hier heraußen be­gonnen haben. Ich kann meine tiefe innere Enttäuschung darüber, dass ich vom Herrn Vizepräsidenten nicht mit einem adäquaten Spitznamen begrüßt worden bin, verber­gen; wir werden darüber reden. Ich widerstehe der Versuchung, zu dieser Stunde tief­greifende juristische Ausführungen zum Immaterialgüterrecht zu machen, das ja an und für sich ein durchaus erotisches Rechtsgebiet ist. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich widerstehe allerdings nicht, wenn es darum geht, in einer entsprechenden Replik auf die Kritik seitens des Herrn Kollegen von der FPÖ, wir müssen die Verwaltung ver­einfachen, wir sollen dem Rechnungshof zuhören, zu reagieren. Gelegentlich tun wir das ja auch. Ich kann mich erinnern, dass der scheidende Rechnungshofpräsident in der „Pressestunde“ gesagt hat, von den 577 Vorschlägen, die der Rechnungshof ge­macht hat, hat die Bundesregierung die Hälfte umgesetzt. – Basses Erstaunen! Es gab also auch einmal Lob für die Regierung, und die Regierung hat wieder etwas umgesetzt.

Manchmal muss man Strukturen bereinigen. Wenn Teilrechtsfähigkeit und hoheitliche Rechtsfähigkeit nicht mehr zusammenpassen, dann kann man das auch wieder zu­sammenführen. Wenn wir der Meinung sind, dass geistiges Eigentum, geistige Schöp­fung, dass der Kreator und seine Kreation zu schützen sind, dann muss uns das auch hoheitlich etwas wert sein, das muss man einmal klar dazusagen, denn da gibt es zwei Schutzadressaten: Das eine ist eben der Kreator, das andere ist der Verwender.

Es ist auch für Klein- und Mittelbetriebe gar nicht so ohne, wenn sie heute versehent­lich in den Fettnapf einer Urheberrechtsverletzung oder einer Markenschutzverletzung hineintappen, ohne es zu wissen. Es ist die Aufgabe dieser Behörde, die wir schaffen, dass sie auch in aller Transparenz und Publikation allen sagt, was geschützt ist, schnell sagt, was geschützt ist, wobei man dazusagen muss, dass das Patentamt diesbezüg­lich bisher bereits eine sehr vorbildliche Behörde war.

Zu dieser Zusammenführung möchte ich zum Schluss noch eines sagen: Es gab eine Stellungnahme des Rechnungshofes zu dem Gesetz, das Sie jetzt hier unter Bezug­nahme auf den Rechnungshof kritisieren, in dieser hat er ganz klar gesagt: Das ist das, was wir wollten, es wird das umgesetzt, was wir vorgeschlagen haben!; daher ist mir die Kritik da eigentlich nicht ganz klar.

Ich glaube, dass der aufgesetzte Prozess zum Immaterialgüterkomplex zuerst eine or­dentliche Verwaltung schafft, die diesem boomenden Teil – bis hin zu Tomaten, Herr Kollege Vorredner – Rechnung trägt, und vielleicht muss dann das Rechtliche noch ein wenig nachgeschoben werden. Ich denke, die Regierung wird diese Strategie mit Si­cherheit fahren; wir müssen sie fahren. Es ist ein modernes und größer werdendes Rechtsgebiet, daher stimmt unsere Fraktion zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.10



BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 184

Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Schließlich darf ich Herrn Bundesrat Stögmüller das Wort erteilen. – Bitte. (Bundesrat Stögmüller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bitte jetzt keinen Spitznamen! – Ruf bei der ÖVP: Stögi!)

 


20.10.33

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Da jetzt so viel über die Steiermark geredet worden ist: Ober­österreich ist auch ein herausragendes Land, was Patente angeht, es werden nämlich 20 Prozent der österreichischen Patente in Oberösterreich angemeldet. 3 200 Patente wurden in Österreich angemeldet, davon stammen 621 Patente aus Oberösterreich – nur, damit nicht immer nur die Steiermark genannt wird.

Zur Gesetzesvorlage, die uns heute vorliegt, meinen wir Grüne: Das ist ein Schritt in Richtung Verwaltungsvereinfachung, auch werden damit Mehrkosten reduziert, Doppel­gleisigkeiten abgebaut, und auch die Compliance-Konflikte werden auf der einen Seite bereinigt. Das halten wir natürlich für einen guten Schritt in diese Richtung.

Was wir Grüne im Bundesrat natürlich auch sehr begrüßen, ist der im Nationalrat – und das ist schon wieder ein weiterer Punkt – beschlossene Entschließungsantrag der Ab­geordneten Berlakovich, Kucher, Kolleginnen und Kollegen – also von Ihren Kollegen – betreffend keine Patentierung von Pflanzen und Tieren. Das können wir nur begrüßen, und diesbezüglich erwarten wir uns von Ihnen, Herr Minister, dass Sie, wie es schon Ihr Vorgänger, Minister Stöger, gemacht hat, wirklich auch auf die Europäische Union Druck ausüben und eine klare Positionierung vornehmen im Sinne von: keine Patentie­rung von Pflanzen und Tieren.

Uns muss einfach klar sein: Die Natur gehört nicht den Menschen oder irgendeinem Konzern, sondern wir sind ein Teil dieser Natur und müssen schauen, dass wir diese erhalten und so wenig wie möglich davon verändern, vernichten oder stören. Dafür ha­ben wir Verantwortung, dafür müssen wir alle uns einsetzen. Das ist ganz, ganz wich­tig. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Rundfunkgebührengesetz und Fernsprechentgeltzuschussgesetz möchte ich noch etwas anmerken beziehungsweise Ihnen mitgeben: Wir werden diesen Gesetzen na­türlich die Zustimmung geben. Das Einzige, was ich noch sagen möchte, ist, dass es eine Reihe von Befreiungen, Reduzierungen beziehungsweise Berücksichtigungen beim Fernmeldegebührengesetz geben sollte, zum Beispiel für Alleinerzieherinnen und Al­leinerzieher, für Blinde und auch für gehörlose Menschen. Da wäre eine Reduzierung der Rundfunkgebühren sicherlich sinnvoll. Diese Personengruppen zu berücksichtigen wäre uns Grünen wirklich ein großes Anliegen, ansonsten können wir diesen zwei Ge­setzen heute zustimmen.

Im Namen der Grünen wünsche ich euch einen schönen Sommer, und weil ich gerade (in Richtung des im Sitzungssaal anwesenden Efgani Dönmez) Efi sehe: Nach der Som­merpause ist es ein Jahr her, dass ich Mitglied des Bundesrates geworden bin – eigent­lich unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht!

Ich wünsche euch, wie gesagt, einen schönen Sommer, genießt ihn! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

20.13


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Abschließend zu diesem Punkt hat sich Herr Bun­desminister Mag. Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.13.34

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Sie mögen mir nachsehen,


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 185

dass ich jetzt diese Bundesländerdiskussion nicht fortsetze (Heiterkeit – Bundesrätin Posch-Gruska: Das verstehe ich jetzt nicht!) und das Bundesland, das ich am besten kenne, unerwähnt lasse.

Ich möchte nur einige Dinge kurz anmerken und vielleicht mit einem Vergleich begin­nen: Das, was im ausgehenden 19. Jahrhundert die Dampfmaschinen waren, das, was vielleicht später das Fließband war, sind jetzt das Wissen und die Fähigkeit, dieses Wis­sen zu bewahren und wirtschaftlich zu verwerten. Ich glaube, das, was wir insgesamt als Wissen, als Zugang zum Wissen verstehen, wächst derart exponentiell, dass die Aus­einandersetzung mit dieser Situation wahrscheinlich die wichtigste Herausforderung für eine Nation im 21. Jahrhundert ist.

Das Patentamt ist einer der Eckpfeiler dieser Auseinandersetzung und dieser Heraus­forderung. Das Patentamt ist dafür da, das im Land erworbene Wissen, die Fähigkeit zur Produktion, die Fähigkeit zur Innovation, die Fähigkeit, die neueste Technik zu ent­wickeln, zu beschützen, es gleichzeitig aber auch Menschen, die glauben, etwas erfun­den zu haben, zu erleichtern, herauszufinden, ob es das schon gibt, herauszufinden, ob es vielleicht notwendig ist, nur Kleinigkeiten zu ändern.

Das alles macht für mich ein Patentamt aus, wie ich es mir vorstelle. Und ich glaube, mit dieser Novelle gelingt es uns, einerseits diese Möglichkeiten zu definieren, diese Möglichkeiten dann auch den Menschen in Österreich, die erfinden, die nutzen wollen, die damit auch Geld verdienen wollen, zur Verfügung zu stellen, andererseits aber auch die ursprünglichen amtlichen Aufgaben, die ein Patentamt zu erfüllen hat, beizu­behal­ten. Deshalb war es, glaube ich, auch notwendig, diesen teilrechtsfähigen Bereich wie­der ins Amt einzuführen, geschätzte Damen und Herren.

Es hat sich herausgestellt – und das ist ja nicht nur im Bereich des Patentamts so ge­wesen, sondern in vielen, vielen Bereichen –, dass dieser Weg, diese teilrechtsfähigen Körperschaften zu installieren, nicht der richtige war. Wer immer das installiert hat, es hat sich als Fehler herausgestellt. Und wenn wir es waren, die Fehler gemacht haben, haben wir sie gemacht. Wenn sie jemand anderer gemacht hat, dann hat sie jemand anderer gemacht. Ich glaube aber, es ist auch Wesensmerkmal einer vernünftigen Poli­tik, zu erkennen, dass Entwicklungen, die in die falsche Richtung gehen, einfach abzu­stellen sind. Wenn diese Entwicklungen auch noch mit Doppelgleisigkeiten, mit Dop­pelbezahlungen und mit Reibungsverlusten einhergehen, dann war es hoch an der Zeit, das zu ändern.

Ich glaube auch, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind. Ich glaube, dass wir insge­samt für die Wirtschaftsentwicklung Österreichs damit den richtigen Schritt gesetzt ha­ben, und bin froh, dass das so gelungen ist.

Um eines klarzustellen, weil es auch angesprochen wurde – ich glaube, darin sind wir uns alle einig –: Leben zu patentieren, geschätzte Damen und Herren, ist nicht das, was wir Menschen tun sollten. Das ist meines Erachtens etwas zu viel des Guten.

Auch ich möchte Ihnen allen einen schönen Sommer wünschen. Ich glaube, wir haben es teilweise schon nötig (Heiterkeit und Zwischenrufe) – ich nicht, nein (Bundesrat May­er: Steirer sind ja fit!) –, und es ist gut, wenn es manchmal auch eine Zeit des Nach­denkens, des Zurückschaltens gibt, damit wir dann im Herbst wieder so richtig – viel­leicht nach dem Motto eines deutschen Fußballtormanns: „Weiter, immer weiter!“ – los­legen können. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

20.18

20.18.09

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 186

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.18.29 23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgebührengesetz, die Fernmeldegebührenordnung und das Fern­meldegebührengesetz geändert werden (1175 d.B. und 1206 d.B. sowie 9634/BR d.B.)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernsprechentgeltzuschussgesetz geändert wird (1176 d.B. und 1207 d.B. sowie 9635/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 und 24 der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich bitte um die Be­richte.

 


20.18.52

Berichterstatterin Elisabeth Grimling: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Na­tionalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkge­bührengesetz, die Fernmeldegebührenordnung und das Fernmeldegebührengesetz geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstel­lung:

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vor­lage am 12. Juli 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf den nächsten Bericht bringen, und zwar: Bericht des Ausschusses für Innova­tion, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2016 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernsprechentgeltzuschussgesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und so komme ich so­gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorla­ge am 12. Juli 2016 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen zu diesen Punkten liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgebührengesetz und weitere Gesetze ge­ändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 187

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fernsprechentgeltzuschussgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit an­genommen.

20.21.1025. Punkt

Wahl eines Mitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalra­tes und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Aufgrund des Ausscheidens eines Mitglieds des Bundesrates ist ein Mitglied neu zu wählen, wobei dieses Mitglied von der ÖVP für die entsprechende Wahl vorzuschlagen ist.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Der entsprechende Wahlvorschlag der ÖVP-Fraktion liegt mir vor. Dieser lautet auf Ro­bert Seeber (Oberösterreich).

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diesen Wahlvor­schlag durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Wahlvorschlag ih­re Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Robert Seeber ist somit mit Stimmeneinhelligkeit gewählt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

20.22.08Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 3163/J-BR/2016 bis 3169/J-BR/2016, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Selbständige Entschließungsantrag 220/A(E)-BR/2016 der Bundes­räte Inge Posch-Gruska, Sonja Ledl-Rossmann, Rosa Ecker, David Stögmüller, Kolle­ginnen und Kollegen, der dem Kinderrechteausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird der 6. Oktober 2016, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 4. Oktober 2016, 14 Uhr, vorgesehen.

*****


BundesratStenographisches Protokoll856. Sitzung / Seite 188

Ich darf somit von dieser Stelle aus auch im Namen des gesamten Präsidiums allen ei­nen erholsamen Sommer und einen schönen Urlaub wünschen. Wir sehen uns zu Be­ginn des Herbstes in dieser Runde wieder. – Danke für euer Kommen! Schönen Som­mer! (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

20.23.06Schluss der Sitzung: 20.23 Uhr

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