9.22

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Erlauben Sie mir zu Beginn, mich für Ihre Präsidentschaft zu bedanken. Als in Oberösterreich Auf­gewachsener habe ich natürlich – obwohl ich Wiener Bundesrat bin – immer auch noch ein kleines Stück meines Herzens in Bad Ischl, und somit auch in Oberösterreich.

Ich möchte an dieser Stelle im Namen der grünen Fraktion auch der sozialdemokrati­schen Fraktion mein Beileid für den Verlust unseres wirklich sehr geschätzten Kollegen aussprechen, den wir sehr, sehr vermissen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Lockerungen – das ist ein verlockendes Wort – in Zeiten einer Pande­mie, das ist natürlich keine so einfache Aufgabe und keine so flockige Sache, die man so aus dem Ärmel schüttelt. Das ist eine Entscheidung, die man mit Augenmaß treffen muss, die man immer auch begleitend treffen muss und die man immer wieder auch mit einem Blick auf die Zahlen treffen muss, denn eine Priorität muss immer im Zentrum jeder Lockerung stehen – und das tut diese Bundesregierung –: Das ist die genaue Be­obachtung der Zahlen und das Verhindern einer zweiten Welle. Das ist das Wichtigste, das ist Priorität Nummer eins.

Wir können allerdings durchaus optimistisch sein, die Zahlen, von denen wir jetzt täglich lesen, lassen uns alle, lassen die zukünftige Präsidentin hoffen, dass Veranstaltungen im Parlament durchgeführt werden können, denn wir alle haben Round Tables, Enque­ten, Diskussionsrunden geplant, die bislang nicht in dieser Form stattfinden konnten.

Allerdings haben wir auch alle festgestellt, dass Digitales gut funktioniert, und überra­schend gut funktioniert. Das ist auch etwas, was mir in der Kulturszene besonders auf­gefallen ist. Natürlich sind – ich sage es einmal so – Wutvideos oder Wutreden – die ich auch nachvollziehen kann, denn, wie der Präsident gesagt hat, ist auch Kritik in einer Demokratie wichtig – die am meisten beachteten Dinge. Allerdings möchte ich auch da­rauf hinweisen, dass gerade in Zeiten des Lockdowns unglaublich spannende Kultur stattgefunden hat, weil eben die Kultur genau der Ort ist, weil Künstlerinnen und Künstler genau diejenigen sind, die so ein Weltereignis auch sehr gut reflektieren und unserer Gesellschaft auch Denkimpulse geben können, intellektuelle oder auch sinnliche Impul­se geben können, was diese Coronakrise für uns alle bedeutet.

Ich denke da zum Beispiel – das fand ich eine super Sache – an die „Standard“-Bühne, gestern mit derWooster Group, eine ganz tolle Sache. Ich denke an Festivals, die ins Netz gegangen sind, wie die Diagonale. Ich habe mir einige Filme zu Hause auf der Couch angeschaut, unter anderem beispielsweise auch den Film „Die Dohnal“, den man sich mit einer Eintrittskarte ins Kino dann zu Hause anschauen konnte und damit Teil eines Festivals war. Das war eine sehr spannende Sache. Es gab unzählige Homekon­zerte von Künstlerinnen und Künstlern. Ich möchte hier auch die Digitalangebote der öffentlichen Bibliotheken wie der Büchereien Wien hervorheben, die ganz viele E-Books, Hörbücher, Medien und Filme auch online anbieten, ein Angebot, das von den Menschen auch tatsächlich angenommen worden ist.

Sehr spannend habe ich die Museen gefunden, die gesagt haben, wenn die Menschen nicht zu uns kommen können, dann gehen wir zu den Menschen. Ich möchte ein Mu­seum besonders erwähnen, und zwar das Belvedere. Da habe ich mich jeden Tag um 15 Uhr gefreut – muss ich ehrlich gestehen –, wenn in einem Livestream ein anderes Kunstwerk präsentiert worden ist, mit einer Leidenschaft und mit einer Lust, dass man dort wirklich wieder hingehen möchte. (Bundesrat Steiner: Das nützt alles nichts, wenn nichts reinkommt!)

Das ist etwas, was wir wirklich unterstützen möchten. Daran sieht man auch, wie wichtig Kultur für unser Leben geworden ist. Hermann Hesse hat einmal gesagt: „Das Paradies pflegt sich erst dann als Paradies zu erkennen zu geben, wenn wir aus ihm vertrieben sind.“ – Wenn man Kultur nicht wahrnehmen kann, dann fehlt uns Menschen etwas, wenn wir nicht in Konzerte gehen können, wenn wir nicht Veranstaltungen besuchen können. Jetzt gibt es wieder Lockerungen, jetzt können Proben wieder stattfinden, und das halte ich für eine ganz wichtige Sache. Im künstlerischen Prozess sind wir es ge­wohnt, immer das Endergebnis zu sehen, ich als ehemaliger Max-Reinhardt-Seminarist kann aber nur betonen, wie wichtig das Proben für das künstlerische Entwickeln von Theaterprojekten ist.

Vom regen Interesse an den Museen, das wir jetzt sehen, nachdem wieder geöffnet worden ist, konnte ich mir selbst ein Bild im Kunsthistorischen Museum machen, wo die Leute mit Pay as you wish – selber entscheiden, wie viel sie zahlen wollen – die Museen jetzt wieder genießen können. Genießt es, geht in die Museen, es gibt jetzt so eine ein­zigartige Möglichkeit, die Museen in einem ganz besonderen Ausmaß zu frequentieren! Schaut euch die Albertina Modern an oder schaut euch die Ausstellung – da ja Ober­österreich jetzt noch die Präsidentschaft hat – Josef Bauer im Lentos Kunstmuseum Linz an, ein Chronist von Demonstrationen, die genau jetzt in der Black-Lives-Matter-Bewe­gung eine ganz interessante Widerspiegelung dessen ist, was Demonstrationskultur be­deutet.

Und auch Theater kann wieder stattfinden: Schauen Sie sich im TheaterArche „Hikiko­mori“ an, ein Stück, das genau die jetzige Zeit sehr gut reflektiert, in dem es um soziale Isolation geht, in dem es um eine Person geht, die sich von der Welt sozial abkapselt. Das ist wahrscheinlich eine ganz spannende Sache.

Was bedeutet diese Öffnung jetzt? Was bedeutet es, dass wir jetzt wieder Museen, Theater, Kabaretts und so weiter besuchen können? Wir haben seit dem 29. Mai wieder die Möglichkeit, dass 100 Personen Kultureinrichtungen wie Theater besuchen können. Das ist eine wunderbare Sache, wobei natürlich unter den gegebenen Umständen ein Schutz vor Ansteckungen gegeben sein muss. Danach wird es schrittweise zu weiteren Öffnungen kommen, und hier wird natürlich unterschieden – das ist ja auch wissen­schaftlich begründet – zwischen Veranstaltungen, die in Räumen, und Veranstaltungen, die außerhalb von Räumen stattfinden, also indoor und outdoor.

Wir sind ja vor dem Sommer, es finden bald sehr viele Outdoorveranstaltungen statt, Theaterfestivals, Musikfestivals. Da wird es ab 1. Juli möglich sein, für 250 Personen Indoorveranstaltungen stattfinden zu lassen, ab 1. August für 500 Personen. Wenn man ein Präventionskonzept vorlegt, wie man Menschen auch tatsächlich schützen kann, sind auch mehr Besucherinnen und Besucher möglich und die zuständigen Behörden in den jeweiligen Bundesländern können dann dafür sorgen, dass diese Veranstaltungen auch genehmigt werden.

Outdoor sind dann ab 1. Juli 2020 Veranstaltungen bis maximal 500 Personen möglich und bis maximal 750 Personen ab 1. August. Auch hier – das ist etwas, was für uns im Bundesrat wichtig ist – können die Bundesländer dann Genehmigungen erteilen, sobald Veranstalterinnen und Veranstalter ein Konzept für Covid-19-Präventionsmaßnahmen vorlegen können. So ist auch ein reges kulturelles Leben nicht nur in Wien, sondern auch in den anderen Bundesländern möglich – und das ist uns besonders wichtig –, also über­all, wo Kultur passiert.

Wir wissen alle – ich weiß nicht, ob Sie zum Beispiel die Podcasts des Virologen Drosten verfolgen –, dass leider große Veranstaltungen, die indoor passieren, wie etwa religiöse Zusammenkünfte oder auch Restaurantbesuche tatsächlich eine große Gefahr darstel­len. Aerosole ist ein Wort, das uns allen vor dieser Epidemie vielleicht noch nicht so bekannt war, das wir jetzt aber alle gut kennen. Daher sind genau diese Vorsichtsmaß­nahmen im Indoorbereich so enorm wichtig und daher ist es auch so wichtig, dass wir Kultur stattfinden lassen können, aber mit allem Schutz, der notwendig ist, gerade damit Kultur stattfinden kann. Und ich bin sehr froh, dass sie wieder stattfinden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

9.31

Präsident Robert Seeber: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler zu Wort. Ich erteile ihr dieses.