15.06

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren, die via Livestream dabei sind! Erlauben Sie mir eingangs meines Redebeitrags, den Dank der Familie Leit­ner für die überfraktionelle Anteilnahme zu Beginn der heutigen Sitzung auszusprechen! Sie haben sich über die tröstenden Worte sehr gefreut: ein großes Dankeschön.

Betreffend den zur Diskussion stehenden Tagesordnungspunkt, mit dem das Einkom­mensteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz und das Schaumweinsteuergesetz geändert werden sollen, möchte ich mich zu Beginn dem Entfall der sogenannten Sektsteuer zu­wenden. Mit dieser Gesetzesänderung soll ein weiteres Hilfspaket der Regierung auf die Reise geschickt werden. Spricht man darüber mit Betroffenen aus der Gastronomie, sind die Erwartungen dazu nicht sehr hoch, wie etwa beim Betreiber des Cafés Landtmann, Berndt Querfeld, der im „Standard“ – den ja auch die Kollegin Mühlwerth schon eingangs der heutigen Sitzung zitiert hat – meinte: „Die Pakete sind tolle Luftballons, vielleicht gut gemeint, aber geplatzt. Sich verschulden, Steuern stunden – ist das ein Strukturpro­gramm? Ein Hohn in Zeiten wie diesen sind die Abschaffung der Sektsteuer und die Ab­setzbarkeit von Geschäftsessen.“ – So weit eine Stimme von vielen.

Aber zurück zur Sektsteuer: Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bereits 1922 wurde die Sektsteuer in Österreich erstmals eingeführt, denn die in „Saus und Braus le­benden Reichen und Lustigen“ sollten unter anderem die Not der „Armen und Traurigen lindern“, wie der Sozialdemokrat Hubert Breitner 1922 in der „Arbeiter-Zeitung“ schrieb. 1992 wurde sie zusammen mit der Luxussteuer, damals 32 Prozent, gänzlich abge­schafft, nur um 1995 mit dem EU-Beitritt als neue Verbrauchssteuer wiedereingeführt zu werden. 2005 setzte die damalige ÖVP-FPÖ-Koalition den Steuersatz für die Schaum­weinsteuer auf null, mit der Begründung, die Menschen würden ohnehin nur noch Pro­secco trinken, für den es keine zusätzliche Steuer gab.

Bis dato ist es ja so, dass Schaumweine, die mit mehr als 3 bar Druck in der Flasche prickeln, um 90 Cent teurer sind als der milder schäumende Frizzante oder Prosecco, der ja nicht dem Steuersatz unterliegt. Auch da haben sich anscheinend wieder Groß­betriebe erfolgreich des Lobbyings bedient und die Regierung dazu getrieben, sich schon vor Corona damit zu beschäftigen, denn bereits vor den Coronagesetzen jubelte die Geschäftsführung von Schlumberger, dass nach intensiven Interventionen diese nun Früchte tragen und die Steuer abgeschafft werde.

Ich finde diese Botschaft in Zeiten wie diesen wirklich herausragend (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“ und einer Grafik auf das Rednerpult stellend): Bei einer gestiegenen Arbeitslosenzahl von über 174 000 – und hier stimmen die Nul­len – gegenüber dem Vergleichszeitraum zum Vorjahr, bei 517 221 Arbeitslosen insge­samt und über einer Million Menschen in Kurzarbeit setzt diese Regierung das Signal zum Ankurbeln der Gastronomie mit der Senkung der Champagnersteuer. – Gratulation, liebe Bundesregierung!

Das sogenannte Steuerpaket für Wirte beinhaltet aber auch die befristete USt-Tarifsen­kung und den Zusatzsteuerentfall für offen abgegebene nicht alkoholische Getränke. Von 1. Juli bis 31. Dezember 2020 soll für die Abgabe von offenen nicht alkoholischen Getränken der ermäßigte Umsatzsteuertarif von 10 Prozent zur Anwendung kommen. Dieser gilt nicht für den Handel mit Getränken.

Wie schaut das in der Praxis aus? Jetzt reden wir nicht von größeren Gastronomiebe­trieben, sondern von den kleinen Beiseln und Gasthäusern. Diese Betreiber leben nicht vom Verkauf von nicht alkoholischen Getränken. Bei Gesprächen mit Gastwirten hat mir ein Betreiber die Hilfsmaßnahme so erklärt: Durch die Reduktion des Steuersatzes für diese Getränkegruppe ist auch eine Adaptierung der Software in den Registrierkassen notwendig. Diese kann der Gastwirt jedoch nicht selbst durchführen, dazu sind die Dienste eines Programmierers notwendig. Unter Berücksichtigung eines günstigen Stun­densatzes und Aufwandes der EDV-Firma ist mit einem einmaligen Aufwand von circa 300 Euro zu rechnen, der mit Jahresende wiederholt werden muss. Um diesen Aufwand von 600 Euro kostenneutral im Umsatz hereinzuspielen, wäre im zweiten Halbjahr 2020 der Verkauf von sage und schreibe 4 000 nicht alkoholischen Getränken notwendig. Der Betreiber verkauft zum Beispiel, was die Sektsteuer betrifft, im Jahr zwischen sechs und zehn Flaschen Sekt – ich rede da nicht von Champagner, sondern von ganz normalen Sektflaschen. Er freut sich also wirklich schon auf dieses Hilfspaket für die Gastronomie. Wie Herr Querfeld schon festgestellt hat: der nächste geplatzte Luftballon.

Interessant war für mich auch die Auskunft des Experten des Finanzministeriums, der die Frage, wie sich der prognostizierte Steuerentfall mit einer Gesamtsumme von circa 500 Millionen Euro zusammensetzt, zuerst nicht beantworten konnte, jedoch versprach, dies bis heute nachzuholen. Das ist auch geschehen. Demnach werden sich die Teilbe­träge wie folgt zusammensetzen: USt-Senkung auf nicht alkoholische Getränke: minus 200 Millionen Euro; geänderte Gaststättenpauschalierung: minus 75 Millionen Euro; An­hebung der Höchstgrenze für steuerfreie Essensgutscheine: minus 150 Millionen Euro; befristete Abzugsfähigkeit der Geschäftsessen zu 75 Prozent: minus 25 Millionen Euro; und die Abschaffung der Schaumweinsteuer: minus 30 Millionen Euro.

Was die Anhebung der Höchstgrenze für Essensgutscheine betrifft, würde es unsere Zustimmung geben, da hier genau jene Beträge übernommen wurden, die schon von der SPÖ im Antrag 228/A im Jänner 2020 eingebracht wurden. Allerdings liegt hier wie­der ein Sammelgesetz vor, mit dem die ÖVP versucht, die Opposition zu einer Zustim­mung zum Gesamtpaket zu bewegen. Die Zustimmung zur Abschaffung der Schaum­weinsteuer ist jedoch angesichts der allgemeinen Lage und der angespannten Haus­haltslage für unsere Fraktion ein No-Go, denn hier fließt ein Gewinn ausschließlich den Sektkellereien zu. Dies ist kein Hilfspaket für die Gastronomie, sondern Klientelpolitik.

Aber wenn so kleine Summen wie 25 bis 30 Millionen Euro nicht das große Thema sind, dann ist es für uns zum Beispiel unverständlich, warum eine abschlagsfreie Pension nach 45 Jahren für diese Regierung kein Thema ist. Hier sprechen wir auch von circa 30 Millionen Euro. Da stellt sich schon die Frage: Was ist dieser Regierung wichtiger: Champagnerpartys oder faire Pensionen? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.)

Ich denke, es ist an der Zeit, den Betroffenen hier anstelle von Luftballons wirkliche Hilfe zukommen zu lassen. (Bundesrätin Zwazl: Da geht es ja um den Wettbewerb!) Beispiele gibt es in Österreich genug, wie zielsicher und nachhaltig geholfen werden kann. Bei uns in Kärnten gehen Städte und Gemeinden mit Hilfspaketen, die direkt bei den Betrieben ankommen, schon einen erfolgreichen Weg. In Villach, in Klagenfurt, aber auch in meiner Gemeinde werden erfolgreiche Aktionen gesetzt, mit denen wir dem Handel in Zeiten wie diesen direkt unter die Arme greifen können. Auch das Bundesland Wien hat eine sehr erfolgreiche Maßnahme gesetzt. Nun ist es an der Zeit, dass auch die Bundesre­gierung entsprechende Schritte einleitet. Wir geben dazu gerne eine Hilfestellung.

Um der nach dem Lockdown am Boden liegenden Wirtschaft und hier der besonders getroffenen Branche der Beherbergungs- und Gastwirtschaftsbetriebe, die vor existenz­bedrohenden Umsatzverlusten stehen, wirklich helfen zu können, möchte ich jetzt fol­genden Entschließungsantrag der SPÖ einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Beherbergungsbetriebe und Hotels“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 5 Beschluss des Nationalrates vom 26. Mai 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert werden (19. COVID-19-Gesetz) (537/A und 184 d.B.)

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend ein finanzielles Hilfspaket für die Gastronomiebetriebe Österreichs zu be­schließen und zu finanzieren, mit dem jedem Einpersonenhaushalt Österreichs ein 25€ und jedem Mehrpersonenhaushalt ein 50€ Gutschein, zur Verwendung in einem lokalen Gastronomiebetrieb bis spätestens 30. Juni 2020 zugesendet wird, und der bis längstens 31.12.2020 zu konsumieren ist. Außerdem wird die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Finanzen aufgefordert, umgehend ein finanzielles Hilfspaket für die Beherbergungs- und Hotelbetriebe Österreichs zu beschließen und zu finanzieren, mit dem jedem Einpersonenhaushalt Österreichs ein 100€ und jedem Mehrpersonenhaus­halt ein 250€ Gutschein, zur Verwendung in einem lokalen Gastronomiebetrieb bis spä­testens 30. Juni 2020 zugesendet wird, und der bis längstens 31.12.2020 zu konsumie­ren ist.“

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Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17

Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Hilfspaket für Gastwirte, Be­herbergungsbetriebe und Hotels“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte. Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Elisabeth Matters­berger. – Bitte.