15.23

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher via Live­stream! Ja, am 15. Mai, da war es so weit, die Gastronomie durfte ihre Pforten wieder öffnen, die Gastronomen und Gastronominnen, die Kellnerinnen und Kellner, sämtliches gastronomisches Personal durften sich von dieser Rolle des Abhol- und Servicedienstes, in die es über Nacht geraten ist, wieder verabschieden.

Natürlich war die Begeisterung groß. Ich selbst bin Gastronomin und Touristikerin, habe das gelernt, habe diesen Beruf jahrelang ausgeübt, war lange selbstständig, und ich weiß, dass das, was Gastronominnen und Gastronomen ausmacht, ist, Gäste zu emp­fangen, Gäste zu bewirten. Das ist die Leidenschaft, und es war schön, dass das wieder passieren durfte. Und groß waren natürlich auch die Hoffnungen, die Erwartungen, dass jetzt doch wieder der Umsatz kommt.

Die Sorge war groß, dass die Maßnahmen, die Platzregelungen, die Abstandsregelun­gen, dazu führen, dass der Umsatz natürlich weniger sein wird. Aber es kam noch viel schlimmer, denn nicht einmal diese Tische und Sitzplätze, deren Zahl eh schon reduziert war, waren besetzt. Der Umsatzrückgang liegt bei 50 bis 70 Prozent. 50 bis 70 Prozent, man muss sich vorstellen, was das für den Unternehmer und die Unternehmerin bedeu­tet! Es ist einfach einerseits die Angst der Menschen noch zu groß, aber was da vor allem auch mitspielt: Die Menschen haben kein Geld. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Menschen ohne Job“ und einer Auflistung der monatlichen Ver­änderungen der Arbeitslosenzahlen seit Jänner auf das Rednerpult.) Es fehlt am Geld, denn wenn wir 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit haben, über 500 000 Arbeitslose, die eine Nettoersatzrate von 55 Prozent bekommen, dann kämpfen diese Menschen da­rum, ihre Fixkosten zahlen zu können, sie kämpfen darum, im Alltag überleben zu kön­nen, und sie haben dann einfach nicht das Geld, um sich diesen liebgewordenen Luxus des Wirtshausbesuches leisten zu können.

Dann tausche ich mein Taferl gleich einmal aus (eine Tafel mit der Aufschrift „517.221 Men­schen ohne Job“, „Existenzen sichern – Arbeitslosengeld erhöhen!“ auf das Rednerpult stellend): Hier steht drauf: Existenzen sichern! Es könnte aber auch draufstehen: Wirt­schaft fördern! – Heben Sie die Nettoersatzrate auf die 70 Prozent an, das ist eine wirt­schaftsfördernde Maßnahme! Die Menschen müssen ihr Auskommen sichern können, dann können sie auch wieder der Wirtschaft unter die Arme greifen, indem sie konsu­mieren. Das ist eine Grundvoraussetzung (Beifall bei der SPÖ), denn wie sagt schon ein altes niederösterreichisches Sprichwort: Ohne Göd ka Musi! – Das gilt für die Kultur und das gilt für die Gastronomie.

Den inhaltlichen Sinn dieses Sprichwortes versteht die Bundesregierung sehr gut, denn die Repräsentationskosten hat man um über ein Vierfaches erhöht, auf 1,2 Millionen Eu­ro. Da weiß man, dass man Geld braucht, damit es eine „Musi“ gibt.

Aber dieses Geld fehlt ganz vielen. Es fehlt den EPUs, es fehlt den Kleinunternehmen, es fehlt allen Unternehmen, es fehlt den Menschen. Und die warten noch immer auf diese schnellen und unbürokratischen Hilfen, von 2 Millionen Euro sind gerade einmal 200 Millionen Euro angekommen. Ich bin mir sicher, dass es nicht daran liegt, was der Herr Bundeskanzler als Grund in einem Interview angeführt hat, nämlich dass unsere Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Namen nicht richtig schreiben können: Mit Verlaub, den Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern unseres Landes, nachdem man sie eh schon zu Bittstellern degradiert hat, auch noch Unfähigkeit vorzuwerfen, das ist schlichtweg entwürdigend. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt soll mit der Änderung des Umsatzsteuergesetzes, des Einkommensteuergesetzes und des Schaumweinsteuergesetzes die große Rettung kommen. Anfangs war ich und waren wir ja gleich einmal erfreut, als wir gesehen haben, dass die Forderung der SPÖ nach der Anhebung betreffend Essensgutscheine, sogar in der gleichen Höhe wie im Antrag 228/A von der SPÖ, angenommen wurde. Aber dann trübt sich die Freude gleich wieder, denn man verpackt das in ein Sammelgesetz, obwohl es vorher die Vereinba­rung und die Zusicherung gegeben hat, dass die Zeit der Sammelgesetze vorbei ist. Aber natürlich will man mit diesem Gesamtpaket die Opposition dazu bringen, auch al­lem anderen in diesem Gesamtpaket zuzustimmen. Darin sind halt auch die Steuerbe­günstigungen für die Geschäftsessen enthalten. Was das jetzt aber den Gastronomen bringen soll, weiß ich nicht. Wie viele Unternehmer gibt es denn noch, die sich die großen Geschäftsessen leisten können? Was macht das fürs Beisel am Eck aus? Was macht das im Kaffeehaus aus? Was macht das für die kleinen Betriebe aus? Wie viele Betriebe sind es, wo man Geschäftsessen macht? – Das ist bei Weitem keine flächendeckende Unterstützung, das ist ein Zuckerl, sonst gar nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann kommen wir gleich zum nächsten Szenario. Es wird jetzt nicht lange dauern, dann werden wir sehen, wie die Menschen in Scharen ins nächste Beisel, ins nächste Res­taurant gehen werden. Da ist mir eine Werbung eingefallen oder ein Spruch, den die Kinder oft verwenden, meine Kinder zumindest, und den formuliere ich jetzt einmal um: Das ist Harald Mahrer. Er trinkt gerne Schampus. Sei wie Harald Mahrer! – Das heißt, der Bauarbeiter geht nach der Schicht auf ein Glaserl Sekt, die Krankenschwester in der Früh auf ein Glaserl Sekt. Das ist doch wirklich nicht zu glauben, das ist ja eine Fantasie­geschichte.

65 Prozent des Schaumweinumsatzes in Österreich werden im Handel gemacht. Der Schaumweinabsatz ist eigentlich nur zu Silvester in der Gastronomie und in einigen aus­gewählten Bereichen groß, wie Veranstaltungen, Hochzeiten, Geburtstagsfeiern. Das habe ich mir jetzt nicht aus der Nase gezogen, das können Sie beim Verband der (Bun­desrat Steiner: Der Schaumweinsteuer!) Sektkellereien im Bericht aus dem letzten Jahr abrufen.

Worauf es aber wirklich ankommt – und das wird mit diesen Maßnahmen nicht erreicht –, das ist eine Erhöhung der Gästefrequenz. Die Gastronomie braucht Frequenz (Bundes­rat Steiner: Die Gäste haben Angst und kein Geld!), und die wird auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke nicht bringen. Aber wem die ganz, ganz viel bringt, das sind die Fastfoodketten, dort rennen nämlich die alkoholfreien Getränke über die Schank. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit und mit all diesen Maßnahmen werden wir die Gastronomie nicht retten.

Wie es aber funktioniert, die Gästefrequenz zu steigern, das kann man andernorts ler­nen, und zwar in Wien. Da wird es vorgezeigt. Wenn wir es alle nach Wiener Vorbild machen (Bundesrat Steiner: Na ja, jetzt übertreibst du ein bisschen!), wenn wir den Menschen Gutscheine geben, die sie animieren, wieder in der Gastronomie zu konsu­mieren, und ihnen dann noch 70 Prozent Nettoersatzrate zugestehen, dann gehen sie auch wirklich wieder in die Wirtshäuser. Und das bringt etwas. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Dann stimmt unserem Tausender zu!)

15.32

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.