17.38

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Bevor ich beginne, kann ich mir eine Anmerkung nicht verkneifen: Also für die Österreicher, Herr Bernard, können Sie nicht sprechen. Hier herauszukommen und zu sagen: „Wir Österreicher“, das finde ich schon eine beeindruckende Anmaßung. Sie kön­nen vielleicht für sich sprechen, Sie können für die FPÖ sprechen, meinetwegen, aber sicher nicht für die Österreicher und Österreicherinnen. (Beifall bei den Grünen sowie der BundesrätInnen Bader und Neurauter.)

Wir beispielsweise – ich fühle mich übrigens auch als Österreicher – sehen die Dinge ziemlich anders, als Sie sie jetzt dargestellt haben. Wir reden vom Arbeitsprogramm der Kommission für 2020 zum Thema Klimaschutz. Darin findet sich weit vorne ein Satz, den ich vorlesen möchte, weil er es so gut auf den Punkt bringt:

„Die dringendste Herausforderung und Verantwortung, aber zugleich auch Chance für Europa besteht darin, unseren Planeten und die Menschen gesund zu erhalten. Dies ist die entscheidende Aufgabe unserer Zeit. Die Erderwärmung, die Erschöpfung der na­türlichen Ressourcen und die immer weiter schwindende Biodiversität gefährden zusam­men mit Waldbränden, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen unsere Si­cherheit und unseren Wohlstand.“

Mit dieser Erkenntnis – ich finde das in einem europäischen Programm, das dermaßen pointiert formuliert ist, sehr erfreulich – geht es natürlich darum, Programme zu entwi­ckeln, zu lancieren, die genau dem entgegenarbeiten und zugleich – das ist wichtig – Perspektiven aufmachen, Wohlstand sichern im Sinne eines möglichst guten Lebens für alle. Der europäische Green Deal ist eine Reaktion darauf. „Er wird dazu beitragen,“ – heißt es da im Text – „Biodiversität, Naturerbe und Meere zu schützen und zu erhalten, die unserer Union so viel Wohlstand bringen.“ – Stimmt, auch das ist eine zentrale Ein­sicht. Es ist zwar banal, aber die Praxis, die letzten Jahrzehnte zeigen leider etwas an­deres. Ohne funktionierendes Ökosystem geht gar nichts und wird gar nichts gehen.

Gerade in Zeiten wie diesen sollte eigentlich klar werden, würde man meinen, dass wir ein geeintes Europa brauchen – ein Europa, das gemeinsame Ziele verfolgt, ein Europa, das solidarisch agiert, nicht Erbsen zählt, ein Europa, das sich bewusst ist, dass wir nur gemeinsam stark sind (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), ein Europa, das sich bewusst ist, dass wir aufeinander angewiesen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Das gilt heute mehr denn je, denn die großen Aufgaben, vor denen wir stehen – und dazu gehört ein Weg aus dieser Krise, aber nach wie vor genauso das Jahrhundert­thema Klimaschutz –, können wir nur gemeinsam meistern, selbstverständlich ohne die eigene nationale, regionale und kommunale Verantwortung aufzulassen – das kann man nicht, sonst geht es auch nicht; das ist eine solidarische Haltung und gleichzeitig auch eine subsidiäre im besten Sinne.

Ein Kern des Green Deals ist ein europäisches Klimagesetz, das Klimaneutralität bis 2050 verbindlich zum Ziel macht oder machen will. Es ist eine wunderbare Sache und gleichzeitig eine gigantische Aufgabe, in maximal drei Jahrzehnten komplett aus der ge­samten fossilen Energiewirtschaft ausgestiegen zu sein – in 30 Jahren kein Brikett Koh­le, keinen Tropfen Öl mehr zu verbrennen, keinen Kubikmeter Gas mehr zu nutzen. Dazu wird es auch notwendig werden, die 2030-Ziele nachzujustieren und auf 50 bis 55 Pro­zent Absenkung anzuheben. (Bundesrat Schennach: Und das machts ihr alles mit der ÖVP ...!)

Das ist notwendig, um einerseits das 2050-Ziel zu erreichen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ich kann nur sagen, wofür wir stehen, Herr Kollege. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Es ist notwendig, um eine Chance zu haben, das 1,5-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten. Die SPÖ hätte die letzten Jahre Zeit und Gelegenheit gehabt, Klimaschutzpolitik zu machen, aber es gibt keine Klimaschutzpolitik bei der SPÖ – einmal nebenbei angemerkt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt ausschließlich Rhetorik. Sie hören mit Klimaschutzpolitik auf, sobald es ernst wird, und stellen das immer noch als sozialen Widerspruch dar. (Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Mühlwerth und Rösch.) Für eine glaubwürdige Klimaschutzpolitik haben Sie noch viel aufzuholen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Mit Zwischenru­fen erreicht man das jedenfalls nicht. (Ruf bei der SPÖ: Die SPÖ hat keine Glaubwürdig­keit, aber die Grünen ...! – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Der Grüne Deal setzt daher eine Reihe von Akzenten – es sind noch nicht alle fertig (Bundesrat Rösch: Ich glaub, die ÖVP hat ...!) –, beispielsweise sollen jährlich 260 Mil­liarden Euro an Klimainvestitionen ausgelöst werden. Mindestens ein Viertel des EU-Budgets soll klimaschutzrelevanten Aktivitäten gewidmet sein. – Wunderbar! Es sollen CO2-Zölle eingeführt werden, um die europäische energieintensive Industrie zu schüt­zen – auch das ist gut, wir wollen ja nicht, dass effiziente Betriebe wie beispielsweise die Voest zum Aufgeben gezwungen werden oder abwandern. (Zwischenruf des Bundesra­tes Rösch.) Es soll eine Welle von Gebäudesanierungen geben – auch das ist ein wich­tiger Punkt; das ist übrigens ein Punkt, der dann ganz direkt bei den Bewohnerinnen und Bewohnern ankommt (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Rösch), nämlich um in der Folge geringe Energiekosten zu haben. Es soll eine Mobilitätswende geben mit emis­sionsfreien Fahrzeugen, Gütertransport auf der Schiene, Road Pricing und natürlich ei­nen massiven Ausbau des Ladenetzes für E-Fahrzeuge – auch das findet sich im Green Deal.

Es wird einen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft, für eine umfassende ökologische Trans­formation der Wirtschaft geben. 40 Prozent des Agrarbudgets sollen zum Klimaschutz beitragen. Damit sollen auch Abhängigkeiten vom Ausland, von anderen Regionen redu­ziert werden beziehungsweise soll die Abhängigkeit von Pestiziden und Düngemitteln reduziert werden. Vor ein paar Tagen – vielleicht haben Sie es gesehen – ist auch eine europäische Biodiversitätsstrategie präsentiert worden.

Das alles war vor einem halben Jahr. Bekanntlich haben wir jetzt eine andere Situation. Ich finde es aber sehr schön, wenn man das im Green Deal wieder liest und sieht, was da drinnen steht. Es hat nichts an Richtigkeit verloren. Ganz im Gegenteil: Ich muss nämlich sagen, es ist ein Glück, dass es dieses Konzept gibt – als etwas, auf das man jetzt zurückgreifen kann oder zurückgreifen muss, wie wir meinen –, denn gerade jetzt ist Gelegenheit, die Wiederbelebung der Wirtschaft, die jetzt bei uns losgehen wird, auf europäischer Ebene zu nutzen, um derartige Ziele umzusetzen und um wirklich struktu­relle Weichenstellungen vorzunehmen.

Natürlich gibt es auch Finanzierungen. „A roadmap for recovery“ führt aus, dass über größere eigene Ressourcen, über Digitalsteuer beispielsweise, CO2-Handel und viele solche Dinge, auch die Refinanzierung wieder erreicht werden könnte. Damit kann Kli­maschutz finanziert werden. Das Geld, das jetzt investiert wird, muss ökologisch und sozial investiert werden, in eine nachhaltige Entwicklung. Das darf man jetzt nicht ver­säumen. Es ist eine große Chance, die wir haben. Wenn wir jetzt in alte Strukturen inves­tieren, verspielen wir nicht nur die Chance, Klimaziele einzuhalten, sondern auch die Chance, einen technologischen Schub auszulösen, wir verspielen die Chance zur Ge­staltung einer Kreislaufwirtschaft und damit auch eine weitere Vorreiterrolle für Öster­reich auf dem ganzen Gebiet der Ökologie und des sozial gerechten Wirtschaftens.

Das vielleicht Wichtigste, um das es geht, sind die Zukunftschancen der heute jungen Leute, denn die sind mit Sicherheit nur mit einem ökologisch intakten Planeten intakt zu erhalten. Das Regierungsprogramm der jetzigen Bundesregierung setzt da sehr, sehr ambitionierte Akzente. Noch nie gab es ein solch ambitioniertes und ausführliches Klima­programm. Klimaneutralität bis 2040 ist festgeschrieben, und wir sehen das natürlich sehr wohl in intensiver Wechselwirkung mit der Europäischen Union, denn allein können wir es auch nicht schaffen. Das geht nur, wenn sich letztlich alle Mitgliedstaaten für das gleiche Ziel committen, das im Green Deal dargestellt ist.

Bei uns in Österreich wird es jetzt darum gehen, dass sich die Konjunkturpakete, an denen intensiv gearbeitet wird und die auch bald vorgestellt werden, an ökologischen Zielsetzungen und Zielsetzungen des Klimaschutzes und der Energiewende orientieren. Einen besseren Dienst kann man der Wirtschaft unserer Meinung nach nicht erweisen und ganz bestimmt nicht, wie gerade erwähnt, den heute jungen Leuten. (Beifall bei den Grünen.)

17.48

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.