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Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Der diesjährige Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegen­heiten über das Arbeitsprogramm 2020 der Europäischen Kommission gab im März einen guten Überblick über die damals anstehenden EU-Themen. Er ist nicht in der Zeit der weltweiten Pandemie entstanden, sondern davor. Es sind also keine nennenswerten Antworten auf die aktuellen Fragen enthalten.

Hinsichtlich der Europäischen Menschenrechtskonvention sollten weitere Verhandlun­gen mit dem Europarat im Frühjahr 2020 erfolgen. Dieser Schritt ist grundsätzlich zu begrüßen. Mit Blick auf einzelne EU-Staaten wie Ungarn oder Polen wäre es aber wich­tig, insbesondere auf die Einhaltung der Menschenrechte hinzuweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das sage ich als Wiener Sozialdemokratin auch mit Blick auf den aktuellen Regenbo­genmonat Juni, in dem wir üblicherweise am Wiener Rathaus die Regenbogenfahnen hissen, um Sichtbarkeit für die Queercommunity zu schaffen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) In diesem Kontext bräuchte es definitiv auch auf europäischer Ebene einen Fokus auf den Schutz von Minderheiten.

Unter Beteiligung der Zivilgesellschaft soll alle zwei Jahre eine EU-Zukunftskonferenz stattfinden. Inwieweit diese Einbeziehung der Öffentlichkeit etwa durch Bürgerforen er­folgen soll, ist im Detail bisher noch nicht bekannt. Wir begrüßen jedenfalls eine Ein­bindung von Bürgerinnen und Bürgern. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass die Schwerpunkte für die EU die lebenswichtigen Bereiche der Menschen sein sollten und kein bürokratisches Subsidiaritätsprinzip, das für die meisten Menschen schlichtweg nicht greifbar ist.

Wichtiger wäre ein Fokus auf Umweltpolitik, eine Sozialunion, europaweite Arbeitspro­gramme oder Investitionen in die Digitalisierung. Die Position der österreichischen Bun­desregierung dazu ist, dass sich die EU künftig auf einen neuen Vertrag für Europa ei­nigen sollte. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind grundsätzlich dazu bereit, Gespräche in alle Richtungen zu führen, aber, sehr geehrte Damen und Herren, reden wir doch über Lösungen für real anstehende Probleme und nicht über inhaltsleere Wortschöpfungen des Bundeskanzlers, der keinerlei Antworten gibt.

Im Vorhabensbericht wird ein mehrjähriger Finanzrahmen der EU thematisiert. Die ak­tuelle Situation zeigt jedoch einmal mehr die Uneinigkeit der Staaten, wenn es darum geht, wie die Krise zu bewältigen ist. Auf der einen Seite stehen die sparsamen vier, die Zukunftsinvestitionen bremsen, auf der anderen Seite die großen zwei, die unkompliziert Hilfen zur Verfügung stellen wollen. Die Kommission hat letzte Woche versucht, einen Mittelweg zu finden. Jetzt wäre es für Österreich an der Zeit, diesem Kompromiss endlich zuzustimmen und seine Blockadehaltung aufzugeben, um eine schnelle Lösung im Sin­ne einer starken und solidarischen Union zu ermöglichen.

Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt, Klimawandel sowie Migration sind nicht vom Tisch. Es gilt, allen sozialen Dimensionen gerecht zu werden. Gerade deshalb ist es essenziell, über neue Einnahmemöglichkeiten zu diskutieren, wie auch schon die EU-Kommission gefordert hat. Der Ausbau des gemeinsamen Außengrenzschutzes zur Be­wältigung illegaler Migrationsströme wird durch die EU-Kommission als neuer Migra­tions- und Asylpakt geplant. Nähere Einzelheiten dazu sind auch da noch nicht bekannt.

In der EU-Sicherheitsunion gibt es auch offene Fragen über das weitere Vorgehen hin­sichtlich der nuklearen Abrüstung nach dem Austritt der USA und Russlands aus dem bisherigen Abkommen. Im Zusammenhang mit den USA, die im Bericht als strategischer Partner bezeichnet werden, ist aber auch auf die besorgniserregende aktuelle Situation abseits von Covid hinzuweisen. Rassistische Verbrechen der Staatsgewalt und unfass­bare Bilder einer Polizei, die auf Demonstrantinnen und Demonstranten, aber auch auf Medienvertreter und Medienvertreterinnen Druck ausübt, und ein Präsident, der die Ar­mee gegen sein Volk einsetzen möchte, dürfen nicht unkommentiert bleiben. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

„Die Strategische Partnerschaft EU-USA beruht“ laut Bericht – ich zitiere – „auf einem soliden Fundament gemeinsamer Werte, wie dem Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und freier Marktwirtschaft, sowie dem Einsatz für die Menschenrechte und Armutsbekämpfung.“ – Aus diesem Blickwinkel erwarte ich mir von der EU, aber auch von der Bundesregierung eine klare Verurteilung der rassistischen Vorgänge in den USA.

Ein europäisches Klimagesetz mit einem verbindlichen Klimaneutralitätsziel bis 2050 soll geschaffen werden. Die EU will damit ihre Führungsrolle bei der Erreichung der Pariser Klimaziele ausbauen. All das sind wichtige und begrüßenswerte Absichten, aber lassen Sie mich deutlich werden: Klimapolitik erfordert entschiedenes und entschlossenes Han­deln. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, deshalb ist die Bundesregierung da beson­ders gefordert, Druck für eine wirkliche Lösung und nicht für weitere schöne Worte zu machen.

Als SPÖ setzen wir uns dafür ein, dass Nuklearenergie keine Option bei der Bekämpfung des Klimawandels ist. Wir werden auch weiterhin gegen direkte und indirekte Förderung von Kernenergie auftreten. Außerdem fordern wir die Stilllegung der Schrottmeiler in Eu­ropa, die jederzeit eine Katastrophe verursachen können. Wir brauchen aber eine sozial verträgliche Lösung für die Erzeugung sauberer Energie. Da sind wir im Sinne einer zu­kunftsgerechten Klimaperspektive besonders gefordert, endlich den Green New Deal umzusetzen, der weiter reicht als derjenige auf europäischer Ebene.

Hinsichtlich einer Erweiterung der EU bleiben die Beitrittswerber des Westbalkans eine außen- und europapolitische Priorität. Dies gilt insbesondere für das rasche Nachholen der Beschlussfassung zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Die Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die de facto einem Abbruch gleichkommt, begrüßen wir.

Die Europäische Kommission hat bereits eine Mitteilung über einen verbesserten EU-Beitrittsprozess vorgelegt. Da ist ein wichtiger Schritt gelungen. Schließlich ist auch die Umsetzung des Austrittsabkommens Europäische Union und United Kingdom nach wie vor offen. Liegt bis zum Ende der Übergangsperiode am 31.12.2020 kein Abkommen vor, müsste auf multilaterale und internationale Abkommen zurückgegriffen werden.

Das zukünftige Verhältnis zwischen United Kingdom und EU ist nach wie vor ungeregelt. Wichtig wird sein, dass für alle Bereiche des Lebens, in denen es enge Verknüpfungen gibt, insbesondere für junge Menschen ein guter Weg gefunden wird beziehungsweise bestehen bleibt.

Trotz der angeführten Vorbehalte zu einem veralteten Bericht wird ihn meine Fraktion zur Kenntnis nehmen. Mit Blick auf die Covid-Situation wäre es wichtig, Lösungen zu finden, die für einen nachhaltigen und sozial verträglichen Wiederaufbau Europas wich­tig und notwendig sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

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