9.57

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer! Als Steirer freut es uns natürlich, dass wir heute hier sprechen können und dürfen, denn es ist ja nicht immer so, dass die Stei­ermark – mit Christian Buchmann – den Präsidenten im Bundesrat und gleichzeitig – mit Hermann Schützenhöfer – den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz stellt. Da­für wünsche ich euch viel Glück und viel Kraft! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde heute aber nicht allzu viel auf die Besonderheiten der Steiermark eingehen, weil es in der Krise nur eines geben kann – und das hat Herr Landeshauptmann Her­mann Schützenhöfer hier schon richtig gesagt –: Es muss Zusammenhalt geben, denn wenn wir Politiker uns jetzt in solch einer Pandemie gegenseitig mehr oder weniger zer­reißen, glauben uns die Leute in Österreich einfach nicht mehr. Das darf einfach nicht sein!

Wir brauchen aber auch – das möchte ich da noch kurz einwenden – keine Horrorvideos mit einem Atompilz über Wien oder einem Atompilz über Graz. Was da in den Medien herumgeistert – ich weiß nicht, was das soll! Für mich ist das unverständlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nämlich eine schwere Krise und brauchen daher die ganze Kraft, damit Österreich da gut wieder herauskommt. Das gilt vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Ich verweise darauf, dass die Regierung in der Steiermark grundsätzlich gut für die Men­schen arbeitet und auch immer wieder das Gespräch und die Abstimmung mit den So­zialpartnern sucht. Wir haben erst vor Kurzem, vorige Woche am Freitag, bei uns in der Steiermark einen Sozialpartnergipfel gehabt, bei dem wir mit dem Landeshauptmann und dem Vizelandeshauptmann darüber diskutiert haben, wie wir das mit den Impfungen jetzt machen.

Wir haben gehört: Wir kriegen für die Steiermark 140 000 Impfdosen. Es sollten keine übrig bleiben. Was passiert? Wie machen wir das in den Betrieben? Impfen die Be­triebsärzte? – Wir haben erst vor Kurzem ein Gesetz beschlossen, das regelt, dass die Betriebsärzte auch impfen dürfen. Darüber haben wir also in der Steiermark wirklich Einigkeit, und das ist auch gut so. Am Nachmittag aber, als ich dann nach Wien gefahren bin, weil wir eine Bundesratssitzung gehabt haben, habe ich schon erfahren, dass Astra Zeneca eigentlich gar keine Impfungen mehr zur Verfügung stellt, dass keine mehr kommen. Das heißt, die 140 000 Impfdosen sind in Wirklichkeit einfach nicht da, der ganze Plan ist zur Seite geschoben. Zumindest müssen wir jetzt abwarten; ich habe gehört: Ende Februar/Anfang März.

Ich glaube, dass das schon auch ein schweres Versagen der Bundesregierung ist. Wir wissen, dass wir bei drei Herstellern bestellt haben. Dass das aber einfach so passieren muss – und das betrifft ja die gesamte Europäische Union!

Ich möchte nur noch eines sagen: Heute in der Früh beim Herausfahren habe ich gehört, dass der Vertrag von Astra Zeneca nicht herausgegeben wird. Ja wer hat denn den Vertrag gemacht? Nur Astra Zeneca allein, oder hat das die Bundesregierung bezie­hungsweise die Europäische Union mitunterschrieben? Wenn ein Vertrag gemacht wird, dann gibt es immer zwei Partner, und beide Partner haben jeweils einen Vertrag. Wenn mir jetzt die Europäische Union oder auch Österreich erzählen will, dass sie nicht wissen, was in dem Vertrag steht, muss ich sagen: Na habe d’Ehre, wo sind wir da? (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Generell ist es aber die richtige Vorgehensweise – ganz besonders in der Krise –, dass man zusammenarbeitet. Wir in der Steiermark, das kann ich euch sagen, haben in der Coronakrise für die Beschäftigten, für die Menschen, die in der Steiermark wohnen, viel gemacht – ob das jetzt eine Coronastiftung war, ob das eine Stiftung für die ATB war, ob das eine Klimastiftung war. Ich glaube, da sind wir sehr weit voraus und haben wirklich eine ganz, ganz gute Zusammenarbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben aber nicht nur eine Gesundheitskrise, son­dern auch eine soziale und eine wirtschaftliche Krise, die wir ordentlich zu bewältigen haben. Vor diesem Hintergrund steht ein Thema eindeutig im Zentrum: Du (in Richtung Landeshauptmann Schützenhöfer) hast es heute schon angesprochen, von den Öster­reicherinnen und Österreichern ist ungefähr eine Million Menschen in Kurzarbeit oder in Arbeitslosigkeit geschickt worden. Ich sage euch, das ist einfach zu viel, und da braucht es Maßnahmen, damit es nicht so bleibt.

Was muss man da machen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss einfach schauen, dass man die Arbeitsplätze erhält, dass man Arbeitsplätze schafft und dass Arbeitslose ordentlich unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsplätze erhalten: Ich glaube, als Sozialpartner haben wir uns sehr gut in die Zu­sammenarbeit mit der Regierung eingebracht, indem wir so schnell wie möglich die Kurz­arbeit geschaffen haben. Trotzdem ist die Situation mit der Kurzarbeit gefährdet, weil die Bundespolitik jetzt auch dahin gehend gefordert ist, dass dieser Erfolg nicht durch eine Insolvenzwelle zerstört wird. Wir wissen ganz genau: Wenn es jetzt mit dem Lockdown so weitergeht, werden wahrscheinlich viele Betriebe gar nicht mehr aufsperren, und dann haben wir die dort beschäftigten Menschen nicht mehr in Kurzarbeit, sondern in der Ar­beitslosigkeit.

Das Zweite, das ich gesagt habe, ist, Arbeitsplätze zu schaffen. Für den neuen Arbeits­minister gilt: viel mehr Einsatz, viel mehr Fantasie und viel mehr Sachverstand für die Arbeitslosen und für die Wirtschaft. Wenn die Bundesregierung da nicht endlich die Schlagzahl erhöht, wird es mit der Arbeitslosigkeit noch schlimmer werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte, das ich angesprochen habe, ist, Arbeitslose ordentlich zu unterstützen, sehr geehrte Damen und Herren. Arbeitsminister Kocher und andere sehen in einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes ein falsches Signal – dem ist einfach zu widersprechen. Die zwei Einmalzahlungen auf das Arbeitslosengeld waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie stellen unter Beweis, dass die Nettoersatzrate von 55 Prozent zu niedrig ist. Men­schen geraten unverschuldet in die Arbeitslosigkeit. Auf einmal haben sie nur mehr die Hälfte an Geld zur Verfügung, und trotzdem müssen sie wie bisher für Wohnung, Kredite, Essen und Kinder aufkommen.

Ich habe es hier schon zweimal gesagt, und ich sage es heute noch einmal: Man muss sich vorstellen, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer ungefähr 1 800 Euro netto im Monat verdient; da ist man schon gut unterwegs. Wird man dann arbeitslos, hat man keine 1 000 Euro mehr zur Verfügung, und mit diesem Geld, diesen 1 000 Euro, muss man aber auskommen – das geht sich einfach nicht aus!

Deshalb fordern wir wirklich dringendst eine Erhöhung auf 70 Prozent! Lieber Herr Lan­deshauptmann, ich würde dich bitten, dass du das in der Landeshauptleutekonferenz auch vorantreibst, indem du sagst: Bitte schön, machen wir etwas für die Arbeitslosen, denn die brauchen das Geld! Da brauchen wir eine Erhöhung auf 70 Prozent. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, warum sage ich das? – Weil natürlich der Konsum auch nicht angekurbelt werden kann, wenn die Menschen kein Geld haben. Das betrifft genauso die Kurzarbeit. Zur Kurzarbeit bringe ich euch ein kleines Rechenbeispiel, ganz leicht zu rechnen: Jemand verdient 2 000 Euro netto, dann geht er in Kurzarbeit und hat nur mehr 1 600 Euro. Das muss man sich einmal vorstellen, der hat dann 400 Euro we­niger im Geldbörsl! Es ist gut, dass wir die Kurzarbeit haben, denn als Arbeitsloser hätte er noch weniger, aber trotzdem muss er jeden Euro zweimal umdrehen, bevor er ihn ausgeben kann. – Das ist wichtig, denn wenn wir die Wirtschaft stärken wollen, dann müssen wir etwas dafür tun! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.)

Ich habe es schon angesprochen, wir brauchen den Konsum, wir brauchen eine funk­tionierende Wirtschaft, aber da gibt es gewisse Faktoren, die in dieser Hinsicht komplett negativ sind: Die Wirtschaft leidet unter dem langen Lockdown, das wissen alle, die Wirt­schaft leidet ebenso unter den hohen Arbeitslosenzahlen, denn, wie ich soeben gesagt habe, mit 55 Prozent Nettoersatzrate kann sich niemand das Leben richtig leisten, kann niemand mehr Geld ausgeben. Die Wirtschaft, vom Handel bis zur Gastronomie und darüber hinaus, leidet bis zu einem gewissen Grad ebenso unter der Kurzarbeit – das habe ich vorhin schon angesprochen –, es ist nämlich ganz, ganz wichtig, dass die Men­schen Geld zum Ausgeben haben.

Deswegen wäre unsere Forderung, die wir, aber auch die FPÖ, schon mehrmals vorge­bracht haben, dass es einen Coronatausender wenigstens in Form eines Gutscheins gibt. Damit hilft man ja der Wirtschaft. Es ist nicht so, dass ich jetzt sage, dass sich alle Österreicherinnen und Österreicher oder alle, die in Österreich leben, bereichern müs­sen, aber wenn man denen einen Tausender in Form eines Gutscheins gibt, kann man sagen, dass man diesen in den nächsten zwei Monaten verbrauchen muss. Man darf ihn nur in Österreich verbrauchen und kann damit nicht nach Kroatien oder sonst ir­gendwohin fahren. Damit würde der Wirtschaft geholfen werden, und ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es gibt noch etwas ganz Wichtiges, das ich mir aufgeschrieben habe und das ich noch ansprechen möchte: Wer soll nachher die Zeche, die Kosten der Krise bezahlen? Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen im Bundesrat, das können nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein sein. Man muss ein bisschen mehr darüber nachdenken, was man diesbezüglich machen kann. Ich sehe nicht ein, dass viele Betriebe, die jetzt Krisenge­winner sind und waren, nichts dazu beitragen. Ich sehe nicht ein, dass zum Beispiel IT-Riesen nichts dazu beitragen; ich denke nur an Amazon, an Google, an Facebook, an Twitter und so weiter und so fort. Freunde, da müssen wir etwas tun, die müssen in Österreich Steuern zahlen, damit wir uns den sozialen Standard, den wir brauchen, leis­ten können! (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren. Ich wünsche mir, dass wir Ende Juni sagen können: Unter der Präsidentschaft von Hermann Schützenhöfer und Christian Buchmann haben wir in diesem Halbjahr Fortschritte bei der Krisenbewältigung gemacht. Wir haben auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaut, viel gegen die Arbeitslosigkeit und gegen Firmenpleiten getan und können daher endlich wieder optimistisch in die Zukunft schauen. – Ein herzliches steirisches Glückauf! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.07

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Bundesrat.