Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister!

1914/M-BR/2021

„Inwieweit kann das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Öster­reich (NQZ) gerade in Zeiten von Covid für eine gute Lebensqualität in österreichischen Alten- und Pflegeheimen sorgen?“

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Abgeordneter, danke für diese wichtige Frage! Es scheint eine Detailfrage zu sein, aber sie ist sehr prägend für die Lebenssituation unserer be­tagten Mitbürgerinnen und Mitbürger, die in einem Alten- und Pflegeheim leben. Ich gehe davon aus, dass wir in den Detailfragen dann auch auf andere Lebensbereiche in der akuten Situation zurückkommen werden. Die Frage der Qualitätszertifizierung und damit der Sicherung von Qualitätsstandards ist eine ganz zentrale – deswegen noch einmal Danke von meiner Seite.

Was ist das Nationale Qualitätszertifikat? – Vielleicht noch einmal ganz kurz angerissen: Mit dem Nationalen Qualitätszertifikat wird die Qualitätsarbeit mit dem Fokus auf eine hohe Lebensqualität in Alten- und Pflegeheimen gefördert und unterstützt. Es ist eine Art Leitlinie, auch mit der Absicherung der Entwicklung in die richtige Richtung. Anhand von 30 Feldern werden unter anderem die Orientierung an den individuellen Bedürfnissen der BewohnerInnen sowie die Rahmenbedingungen für MitarbeiterInnen geprüft. Beides ist extrem wichtig. Gerade was den zweiten Bereich betrifft, habe ich mich in den letzten Monaten wirklich davon überzeugt, dass wir in der Pflege in den Alten- und Pflegeheimen großartige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und dass deren Arbeit dadurch, dass wir doch sehr, sehr starke Entwicklungen hin in Richtung Bürokratie haben, nicht erleich­tert wird. Es ist ein Teil dieser Zertifizierungstätigkeit, diesbezüglich Schritte zu setzen.

Die im Rahmen des Nationalen Qualitätszertifikats zu prüfenden Qualitätsfelder sind ge­rade in Zeiten von Covid wesentlich, um eine bedürfnisgerechte Begleitung älterer Men­schen möglich zu machen. Das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime bestätigt das Bemühen, dass ein solches Lebensumfeld geschaffen wird. Das ist also ein wichtiges Prädikat, eine begleitende Kontrolltätigkeit, und zwar im positiven Sinn. Das ist entscheidend. Unabhängige Expertinnen und Experten mit Branchenerfahrungen bewerten im Auftrag des Sozialministeriums und auch der Länder regelmäßig gemein­sam, was alles getan wird, damit es den Menschen in diesen Institutionen gut geht.

Auf dieser Grundlage der Bewertung leiten die Alten- und Pflegeheime für die Lebens­qualität der Bewohnerinnen und Bewohner bedeutsame Ziele und Maßnahmen ab, die anschließend auch laufend überprüft beziehungsweise evaluiert werden. Ich bin sehr froh darüber, dass trotz oder gerade wegen der enormen Herausforderung im letzten Jahr die Qualitätsarbeit von vielen Alten- und Pflegeheimen mit dieser Qualitätszertifi­zierung vorangetrieben werden konnte.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister, danke für die Ausführungen, ich darf auch den Dank an die Mitarbeiter unterstreichen.

Eine Detailfrage dazu: Wie werden die Bundesländer in die Prüfung der Alten- und Pfle­geheime im Rahmen des NQZ eingebunden?

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Danke, Herr Abgeordneter, für diese Zusatzfrage! Sie ist deswegen be­sonders wichtig, weil es das Leitmotiv unserer Pflegereform ist, als Bund auf Augenhöhe gemeinsam mit den Ländern, den Städten und auch den Gemeinden diese Pflegereform durchzuführen.

Ich glaube, es ist ganz außergewöhnlich wichtig, dass wir das als gemeinsamen Prozess sehen und damit schrittweise überwinden, dass wir in Österreich doch sehr unterschied­liche Qualitätsstandards haben. Deswegen ist es mein Ziel, nicht gegeneinander zu arbeiten, deswegen wollen wir in der Zielsteuerungskommission nach dem Vorbild im Bereich der Gesundheit auch im Bereich der Pflege gemeinsame Qualitätssicherungen und gemeinsame Qualitätsstandards realisieren, so wie das im Bereich der Qualitätszer­tifizierung bereits vorgelebt wird.

Das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime wurde in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe von Fachleuten im Bereich der Altenarbeit entwickelt. Das heißt, die Län­der waren bereits von Beginn an gemeinsam mit uns in diesen Arbeitsprozess integriert. Das Qualitätszertifikat ist eine Marke des Bundesministeriums und wird von Bund und Ländern in enger Abstimmung gemeinsam vergeben. Die Länder sind also in allen Be­reichen integriert; sie haben die Möglichkeit, sich sowohl im Hinblick auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen als auch bei den konkreten Zertifizierungen einzubringen, und tun das auch – auf eine gute, offensive Art und Weise.

Damit ein Alten- und Pflegeheim an der Zertifizierung teilnehmen kann, muss beim zu­ständigen Amt der Landesregierung angefragt werden. Das heißt, die Länder sind für die Alten- und Pflegeheime quasi der Zugang zur Zertifizierung. Das Land befürwortet die Zertifizierung des betreffenden Hauses oder kann sich theoretisch auch dagegen aussprechen, was im Regelfall nicht passiert.

Die Bundesländer beschäftigen sich als Mitglieder des Zertifizierungsbeirats, der 2013 im Zuge der Novelle des Bundes-Seniorengesetzes eingerichtet wurde, mit der strategi­schen Weiterentwicklung des Qualitätszertifikats. Das heißt, von der Entstehung über die Ausprägung des Zugangs zur Zertifizierung bis zur konkreten Entscheidung über die Zuerkennung dieser Zertifizierung ist das jeweilige Bundesland zu 100 Prozent ein we­sentlicher Partner im Prozess.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günter Kovacs gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Experten! Eine Frage zur Berufsgruppentestung: Vor wenigen Tagen – vor vier Tagen, am Montag – ist es losgegangen. Seither finden die Berufsgruppentestungen statt.

Eine Frage dazu: Wie wird das bei den mobilen Pflegekräften, bei den Betreuungskräften sein? Wird das dort auch sichergestellt? (Bundesminister Anschober: Ich habe das jetzt akustisch nicht verstanden!)

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Können Sie die Frage bitte noch einmal wieder­holen? Sie ist akustisch nicht verstanden worden.

Bundesrat Günter Kovacs (fortsetzend): Wird das für mobile Pfleger und Betreuungs­kräfte auch sichergestellt und dann auch durchgeführt oder eben noch nicht?

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Der Bereich der Gleichstellung der mobilen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter, was die Testungen betrifft, ist ein ganz zentrales Vorhaben, ja. Wir haben bereits entsprechende Screeningprogramme, die wir ja schon seit Mai/Juni im Bereich der Pfle­ge insgesamt anbieten, und da auch einen Schwerpunkt im Bereich der mobilen Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter gesetzt. Konkret wird das bereits seit Sommer Schritt für Schritt umgesetzt und durchgeführt.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Minis­ter! Ich hätte folgende Zusatzfrage: Sie haben ja jetzt praktisch hervorgehoben, wie gut dieses Qualifizierungszertifikat ist. Jetzt stellt sich für mich die Frage: Wie kann es dann sein, dass vor allem die Volksanwaltschaft in ihren Berichten von den Überprüfungen, bei denen es vor allem um den Lebensraum der betroffenen Personen geht, um den Umgang mit den zu betreuenden Personen, nach wie vor immense Mängel feststellt?

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, ja, natürlich ist es so, dass die Volksanwalt­schaft ihrer Aufgabe nachkommt. Die Aufgabe der Volksanwaltschaft in diesem Bereich ist, zu verifizieren, ob es trotz guter Standards in Teilbereichen auch noch zu notwendi­gen Verbesserungen kommen muss. Das aufzuzeigen ist die Aufgabe.

Ich habe mir angewöhnt, dass wir dann versuchen, möglichst konkret und möglichst schnell auf die entsprechenden Kritikpunkte der Volksanwaltschaft einzugehen. Ein Bei­spiel: Wir hatten im vergangenen Frühling, im Frühling 2020, die Situation, dass wir die Lebenssituation im Bereich der Alten- und Pflegeheime doch sehr stark beeinflusst und beschränkt haben, indem wir sehr drastische Zugangsbeschränkungen zum Schutz der Gesundheit der Betroffenen vorgenommen haben. Damals hat es dann sehr rasch Kri­tikpunkte seitens der Volksanwaltschaft gegeben, weil natürlich eine Balancefindung notwendig ist zwischen dem Grundrecht auf freie Bewegung, den Qualitätsaspekten der Lebenssituation, die man als Bewohner und Bewohnerin in diesem Lebensraum hat, und den gesundheitssichernden Standards.

Mein Ziel ist, dass wir mit diesem Qualitätszertifikat laufend weitere Verbesserungen er­reichen und die Kritikpunkte der Volksanwaltschaft umfassend mit einbeziehen.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger gemeldet. – Bitte, die Zusatzfrage.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundes­minister, ich schließe gleich noch ein bisschen an die Vorfrage an, und zwar: Wie unter­scheidet sich die Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen im Rahmen des NQZ eben in Bezug auf die Lebensqualität von anderen Bewertungen?

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Liebe Frau Bundesrätin, danke für diese Frage! Die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner steht für uns grundsätzlich im Mittelpunkt. Ich glaube, das ist für jeden und für alle unbestritten. Allein die Details machen es dann oft aus, wie diese Ziele tatsächlich erfüllt werden können. Das heißt, es zählt nicht nur die systema­tische Vorgehensweise, sondern die Orientierung an den Bedürfnissen der Bewohnerin­nen und Bewohner. Es ist oft angesichts der Personalknappheit für die Pflegerinnen und Pfleger alles andere als einfach, das in den gewünschten Details auch tatsächlich zu realisieren.

Lassen Sie mich dazwischen kurz zwei Sätze einflechten: Ich habe in den vergangenen Monaten im Rahmen der Dialogtour zum Thema Pflegereform wirklich Hunderte Gesprä­che mit Pflegerinnen und Pflegern geführt. Was ich von fast allen gehört habe, ist: Ich würde gerne viel mehr Zeit für die Betroffenen haben, und das wäre das Entscheidende für eine weitere Qualitätsverbesserung. – Da haben wir ein Grundthema, das ist die Personalsituation, die wir vielfach in Österreich haben, und deswegen ist der zentrale Teil der Pflegereform ja, dass wir zusätzliche qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter finden wollen, damit sich die Betreuungszeit parallel zu einer Entbürokratisierung bei der Betreuung deutlich verbessern kann.

Entscheidend ist, dass im Bereich der Qualitätssicherung und des Zertifikats, von dem wir hier sprechen, nicht nur die Strukturqualität, sondern auch die Prozess- und Ergeb­nisqualität bewertet werden, zum Beispiel ganz zentral, ob sich die Abläufe an den Be­wohnerinnen und Bewohnern orientieren oder ob diese zufrieden sind. Die Strukturqua­lität, zum Beispiel der Personalschlüssel, wird von den Ländern vorgegeben und von diesen im Rahmen der Einschau auch überprüft.

Geprüft wird die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität in den einzelnen Häu­sern. Dabei werden ausschließlich Maßnahmen, die über die Erfüllung gesetzlicher Vor­gaben hinausgehen, bewertet. Das Qualitätszertifikat hinterfragt, welche Strukturen, Prozesse und Ergebnisse erfolgreich und für die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner notwendig und sinnvoll sind. Der Zusammenhang der vom Haus gesetzten Maßnahmen und definierten Ziele mit der Lebensqualität wird bei der Bewertung zentral berücksichtigt.

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen zur 3. Anfrage, 1920/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ingo Appé, um die Verlesung der Anfra­ge. – Bitte, Herr Bundesrat.