12.57

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf der Steiermark sehr herzlich zum Vorsitz gratulieren. Obwohl heute die Steiermark zu Recht im Mittelpunkt steht, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass das Burgenland dieser Tage sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert hat! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen sowie des Bundesrates Steiner.)

Da es hier im Bundesrat unsere primäre Aufgabe ist, die Interessen der Bundesländer im Prozess der Bundesgesetzgebung zu vertreten und ich in der Länderkammer das Burgenland vertreten darf, darf ich an dieser Stelle meinem Heimatbundesland symbo­lisch dazu gratulieren, dass es seit 100 Jahren die Stellung als selbstständiges und gleichberechtigtes Land im Bund innehat. Ich bin stolze Burgenländerin und ich bin ge­nauso stolz darauf, dass ich das Burgenland im Bundesrat vertreten darf. Das Burgen­land ist kein großes Land, aber es ist ein großartiges Land, das immer wieder von sich reden macht.

Nun darf ich zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt kommen: Für uns Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten ist es ganz klar, dass die Zusammenlegung des Fami­lien- und des Frauenressorts eine Schwächung der frauenpolitischen Agenden darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist aus unserer Sicht problematisch, dass die Familien- und Frauenagenden wie selbstverständlich zusammengeführt werden. Passiert das jetzt aus einem Reflex he­raus, dass Frauen augenscheinlich immer für die Familienarbeit zuständig sind? – Offen­bar findet da das typisch türkise Frauen- und Familienbild seinen Niederschlag, und das sehe ich als absolut bedenklich an.

Es tritt immer mehr ein, worauf die SPÖ seit Anbeginn der Pandemie vehement hinge­wiesen hat: Die Coronakrise ist weiblich! Dass nun die Agenden Jugend und Familie automatisch und scheinbar bedenkenlos zum Frauenministerium wandern, ist das abso­lut falsche Signal. Frauen verdienen eine starke Stimme und ein eigenständiges Ressort, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ.) Daher kann die SPÖ da nicht zustimmen.

Wir sehen gerade jetzt in der Krise frauenpolitische Rückschritte. Die Benachteiligungs­strukturen, die wir seit Jahren massiv bekämpfen, verschärfen sich. Wir haben gesehen, Frauen leisten den überwiegenden Teil der Betreuungsarbeit, sie übernehmen das Homeschooling, den Haushalt, und entweder machen sie nebenbei selbst noch Home­office oder sind eine der viel beklatschten Systemerhalterinnen im Bereich der Pflege oder im Handel. Es sind vor allem die Frauen, die diese Krise stemmen. Dass nun die Familien- und Jugendagenden zu den Frauenagenden wandern, verstärkt diese Proble­matik.

Dies ist eine Zeit, in der wir einen massiven Rückschritt für die Frauen beobachten. Frauen werden in ein altes Rollenbild der Fünfziger- und Sechzigerjahre zurückgedrängt. Frauenpolitik geht sehr stark in der familienpolitischen Betrachtungsweise unter. Gerade jetzt aber brauchen Frauen eine starke Lobby, da wir uns mit dieser Entwicklung in die völlig falsche Richtung bewegen.

Die aktuellen Arbeitslosenzahlen zeigen deutlich, dass Frauen von der Coronakrise noch massiver betroffen sind. Kommt keine Trendwende, hat das drastische Folgen für das Einkommen der Frauen und damit auch für ihre Pensionen. Besonders wichtig – und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden sicher nicht müde, das immer wie­der aufzuzeigen – ist die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Viele Frauen leiden unter Existenzängsten: die Fixkosten bleiben, weniger Geld steht zur Verfügung. Politische Verantwortung zu übernehmen heißt, die Frauen im Blick zu haben und damit einen frauenpolitischen Backlash zu verhindern.

Auch eine deutliche Erhöhung der Mittel für das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm des AMS – zumindest 50 Prozent des AMS-Förderbudgets für Frauen – ist notwendig, damit die Frauen nicht die reinen Verliererinnen dieser Krise sind.

Meine Damen und Herren, wir leben im 21. Jahrhundert. Bitte verabschieden Sie sich endlich vom Irrglauben, dass Frauenpolitik Familienpolitik ist. Man muss einen Mann in Wirklichkeit auch nicht davon befreien, dieses Ressort zu verantworten, so wie es jetzt passiert ist. Sie vermischen da zwei eigenständige Bereiche; das ist gefährlich und ein Rückschritt für uns Frauen. Dazu kommt: Familienpolitik ist Gesellschaftspolitik und geht uns alle etwas an. In Ihrem Idealbild einer Familie – und gerade bei den Grünen kann ich nicht verstehen, dass sie diese Ansicht teilen – ist es selbstverständlich, dass Frauen zu Hause bleiben und die unbezahlte Arbeit leisten. Wir brauchen ein neues, ein zeitge­mäßes Familienbild.

Diese Neuordnung, die nun am Tisch liegt, ist keine Verbesserung, weil bei einem Ex­perten wie Minister Kocher auch Familien- und Jugendpolitik als Querschnittsmaterie gut aufgehoben wäre.

Liebe Frau Ministerin Raab, ich darf Ihnen von Frau zu Frau, von Mutter zu werdender Mutter, sehr herzlich dazu gratulieren, dass Sie ein Baby erwarten. Herzlichen Glück­wunsch! Ich wünsche Ihnen einen gesunden Verlauf Ihrer Schwangerschaft und eine schöne Geburt! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Entscheidung, Mutter zu werden, ist eine weitreichende, und ich kann Ihnen sagen, danach ist nichts mehr so, wie es vorher war. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader – in Richtung Bundesministerin Raab, die Hände von oben nach unten bewegend –: Bleib ruhig!) Jede Frau, die Kinder hat, kann dies bestätigen. (Bundesmi­nisterin Raab – erheitert –: Ich hoffe, auch jeder Vater!) – Ja!

Natürlich hat es mich als Sozialdemokratin sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass der Vater des Babys nach dem Sommer in Karenz gehen wird. Ich finde das echt gut, dass bei Ihnen die Vereinbarkeit offenbar so gut funktioniert. In Ihrer Position ist das aber sicher gut machbar, da man sich jederzeit Hilfe und Unterstützung, zum Beispiel in Form eines Au-Pairs, holen kann.

Bitte nehmen Sie daher Ihre eigene Erfahrung zum Anlass, die Vereinbarkeit auch für die normal sterblichen Eltern umzusetzen. Solange nämlich Frauen in Österreich um durchschnittlich 20 Prozent weniger verdienen als Männer, so lange wird es sich kaum eine Familie leisten können, dass der Vater länger in Karenz geht.

Ein guter Lösungsansatz von Sozialpartnern und Industriellenvereinigung liegt in Form eines Forderungspapiers zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie am Tisch. Wir brau­chen endlich die Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrich­tungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen Sie hierzu bitte Verhandlungen auf! Sie haben bereits versichert, gute Rahmen­bedingungen zu schaffen, und haben gesagt, dass Sie sich freuen, die neue Aufgabe zu übernehmen und dass Sie noch einen Turbo zulegen werden und sich mit aller Kraft für die Familien und die Jugend in diesem Land einsetzen werden.

Da komme ich auch schon zu dieser nächtlichen Aktion von heute: Wenn die Informa­tionen so stimmen, wie sie vorliegen, ist es einerseits völlig klar, dass der Rechtsstaat gewahrt werden muss, aber andererseits muss man die viel zu langen Asylverfahren kritisieren, die dann diese dramatischen Situationen erst ermöglichen und gut integrierte Kinder und Jugendliche aus ihrer Umgebung reißen. Wie geht es Ihnen als werdende Mutter dabei? – Das geht so nicht! Gleichzeitig bekommen wir jene nicht aus dem Land, die straffällig werden oder durch ihr Verhalten dokumentieren, dass sie mit unseren Wer­ten eigentlich gar nichts zu tun haben wollen. Es stellt sich die Frage, wer daran schuld ist. Dass die Grünen noch nicht aufgeschrien haben, wundert mich ebenso.

Sie werden die Synergien nutzen, das haben Sie bereits gesagt, und auch, dass für viele Frauen Themen wie Kindererziehung, Vereinbarkeit, Kinderbetreuung, Elternbeteiligung wichtig sind. Frauen sind aber nicht nur Mütter, Frauen sind auch Arbeitnehmerinnen. Frauen brauchen eine entsprechende Gesundheitsvorsorge, die auf sie zugeschnitten ist, Frauen sind Gewalt ausgesetzt, Frauen sind Pensionsbezieherinnen. – Bitte verges­sen Sie all diese Facetten nicht!

Sie sind den Familien und den Frauen im Wort. Die Familien und die Frauen werden Sie daran messen, was Sie umsetzen und wie Sie es umsetzen. Als erste Maßnahme emp­fehlen wir Ihnen, die Antragsfrist für den Coronafamilienhärtefonds zu erweitern. Die Kri­se ist noch lange nicht vorbei und sie wird noch sehr lange nachwirken.

Sehr geehrte Frau Ministerin, meinen Appell werden Sie immer wieder hören: Schaffen Sie endlich die Möglichkeit – nein, besser gesagt, schaffen Sie endlich die Realität der Gleichberechtigung von Mann und Frau! (Beifall bei der SPÖ.) Zeigen Sie Engagement und zeigen Sie, dass Frauenpolitik kein Nebenschauplatz ist – in Zeiten von Corona ist das wichtiger denn je!

Verhindern Sie, dass das Gleiche mit der Familienpolitik passiert! Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass Frauen, Kinder und Jugendliche keine Lobby in diesem Land haben. Da ist jetzt die Bundesregierung in der Pflicht, den Schaden umgehend zu beheben.

Zusammenfassend stelle ich fest: Mit der Ressortzusammenlegung kommt es leider zu einer Vermischung von Frauen- und Familienpolitik. Frauen werden wieder verstärkt in die Rolle als Zuständige für die Familie gedrängt. Wir von der SPÖ werden dem heute keine Zustimmung erteilen.

Ich merke, das Licht leuchtet schon, deshalb komme ich gleich zu unserem Entschlie­ßungsantrag. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Soforthilfepaket für Alleinerzieherinnen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Inte­gration, Familie und Jugend wird aufgefordert, ehestmöglich ein Soforthilfepaket für Al­leinerziehende umzusetzen, welches folgende Eckpunkte beinhaltet:

- Rechtsanspruch auf Betreuungszeit mit vollem Entgeltanspruch;

- Umsetzung einer Unterhaltsgarantie;

- Aufstockung des Familienhärteausgleichfonds sowie leichterer Zugang zu den Leistun­gen;

- Errichtung einer Beratungshotline für Alleinerziehende sowie Ausbau der (Online‑)In­formationsangebote.“

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Nehmen Sie sich ein Beispiel am Burgenland, wo wir schon die Alleinerziehendenför­derung haben! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Soforthilfepa­ket für Alleinerzieherinnen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als weitere Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. – Bitte schön.