15.09

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf den Antrag kurz begründen.

Wild lebende Tiere geschützter Arten wie der Luchs, der Kaiseradler und viele andere werden häufig aus verschiedensten Motiven illegal bejagt und getötet, sei es, weil die Täter eine illegale Jagdtrophäe anstreben oder aus anderen Gründen. Für die praktische Effektivität des bestehenden Naturschutzrechts in den Ländern sind derartige illegale Tötungen jedenfalls kein theoretisches, sondern ein reales Problem. Es gibt dazu immer wieder verschiedene Fallzahlen, es gab in den letzten Jahren auch immer wieder ver­schiedene Medienberichte.

Es gibt einen strafrechtlichen Schutz, der im StGB verankert ist, der jedoch nicht aus­reicht, da sich in allen Fällen, in denen man des Täters habhaft werden kann, die Sank­tionswirkung entweder auf eine diversionelle Erledigung beschränkt oder das Verfahren mit einer ganz geringen Geldstrafe endet.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die illegale Tötung eines Luchses endete im Jahr 2020 mit einer Geldstrafe von 1 920 Euro. Das muss man den Kosten gegenüberstellen: Allein die Aussetzung des wild lebenden Tieres, des Luchses, im Nationalpark war mit Kosten von circa 12 000 Euro verbunden. Demgegenüber steht die sehr geringe Sanktionierung des Täters mit 1 920 Euro.

Wo ist denn der besondere strafrechtliche Schutz vor der vorsätzlichen Tötung von wild lebenden Tieren, der über jenen vor der mutwilligen Tötung eines sonstigen Tieres hi­nausgehen würde? – Ich gebe Ihnen gerne die Antwort: Es gibt ihn nicht, da momentan mit dem allgemeinen Maß gemessen wird. Das meine ich wörtlich. Wenn man in § 181f StGB auf der einen Seite und § 222 Abs. 3 StGB, der die mutwillige Tötungen von Tieren behandelt, auf der anderen Seite nachliest, findet man dasselbe geringe Strafmaß, die­selben milden Strafzumessungsregeln, die dazu führen, dass geschützte wild lebende Tierarten heute nicht effektiv geschützt sind.

Daher haben wir diesen Antrag eingebracht. Stimmen wir heute also für eine gezielte Anhebung des gesetzlichen Strafrahmens im Artenschutz auf ein effektives Niveau, wie es auch in unseren Nachbarländern Deutschland, der Schweiz und anderen längst üblich ist!

Es geht aber nicht nur um wild lebende Tierarten, es geht allgemein um einen verbesser­ten strafrechtlichen Schutz. Erinnern Sie sich bitte an die schockierenden Vorfälle vor allem des vergangenen Jahres: Enten wurden bei lebendigem Leib verstümmelt, indem ihnen die Beine abgeschnitten wurden. Unbekannte Täter haben mehreren Hauskatzen in Oberösterreich und der Steiermark bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.

Meine Damen und Herren, ich würde es gerne glauben, wenn man sagt, das war ein sadistischer Einzeltäter oder ein Ausnahmephänomen. Das war aber gerade nicht der Fall, das wissen wir aus den Statistiken und Medienberichten. Derartige Taten greifen immer mehr um sich und schockieren das ganze Land. Vielleicht haben Sie es heute gelesen, ganz aktuell: die bestialische Schlachtung zweier Schafe in einem Wiener Strei­chelzoo. Meine Damen und Herren, diese abscheulichen Verbrechen haben eines ge­meinsam: Das ist keine gewöhnliche Tierquälerei mehr, das ist Tierfolter. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das ist ein neues Phänomen, mit dem die Ermittlungsbehörden nicht mehr alleine zu­rechtkommen und mit dem sie auch nicht alleingelassen werden dürfen. Das ist eine neue Tatsache, der sich auch die Gesetzgebung stellen muss.

Ich möchte Ihnen hierzu eine rhetorische Frage stellen – auch wenn Sie vielleicht kein besonderes Herz für Tiere haben, gibt Ihnen diese Frage vielleicht zu denken –: Ist ein Faustschlag ins Gesicht, der zu einer Prellung und einem blauen Auge führt, dasselbe wie ein Säureattentat, das mit einer dauerhaften Verstümmelung und Verunstaltung des Gesichts einhergeht? Liegt darin – Faustschlag auf der einen Seite, Säureattentat auf der anderen  ein ähnlicher Unwert? – Es ist natürlich nicht dasselbe.

Deshalb sind aus gutem Grund die vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte, wie sie im Strafgesetzbuch verankert sind, nach solchen Fallgruppen ausdifferenziert: Körperver­letzungen mit schweren Dauerfolgen und absichtliche Körperverletzungen sind ganz selbstverständlich mit deutlich strengeren Strafrahmen sanktioniert als gewöhnliche Kör­perverletzungen.

Im Tierschutz gibt es diese Differenzierung heute nicht. Die genannten Fälle von schwe­rer Tierfolter, also sadistische Verstümmelungen unserer tierischen Mitgeschöpfe, die auch auf eine sehr hohe Gewaltbereitschaft und geradezu psychopathische Charakter­eigenschaften des Täters hinweisen, müssen derzeit von den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten nach denselben milden Strafzumessungsregeln beurteilt werden wie Quälereien – und, das sagt ja schon der Begriff, damit meine ich Vernachlässigun­gen, Haltungsfehler von Haustieren oder dergleichen, die sicher auch strafwürdig sind.

In der fehlenden strafrechtlichen Differenzierung dieser beiden Deliktsgruppen im Tier­schutz liegt aus unserer Sicht auch der Kern dieses Problems. Deshalb haben wir bereits am 8. Oktober letzten Jahres hier im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht und darin vorgeschlagen, eine solche Deliktsqualifikation für genau diese Fälle schwerer absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter einzuführen. Es gibt für diese Deliktsqualifikation mit höherem Strafrahmen mehrere gute Gründe, ich zähle von diesen jetzt im Folgenden nur einige auf.

Wir heben dadurch das Sanktionsniveau für solche Fälle auf ein angemessenes Maß, wie es in unseren Nachbarländern Deutschland, der Schweiz und anderen bereits üblich ist – dasselbe Argument also wie auch im Artenschutzantrag. Wir schärfen das Strafge­setzbuch gezielt dort nach, wo es unbedingt notwendig und dem Unwert der Tat ange­messen ist. Wir erhöhen die Ermittlungspriorität und das Ermittlungspotenzial unserer Strafverfolgungsbehörden, die Täter auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, weil wir zugleich auch das verfassungsrecht­liche Problem der Doppelbestrafung lösen. Diese verbietet nämlich den Behörden nach neuer Rechtsprechung des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes, derartige schwe­re Straftaten, die dann, verharmlosend gesprochen, als Tierquälerei zu ahnden sind, zu­sätzlich noch einmal nach verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu ahnden, also zum Beispiel nach tierschutzrechtlichen Bestimmungen oder nach naturschutzrechtlichen Be­stimmungen im Verwaltungsrecht.

Wir verbessern die Kriminalstatistik, und zwar in formaler Hinsicht, damit man erstmals minderschwere Fälle der Tierquälerei von schwerer Tierfolter transparent unterscheiden kann. Damit kann man die Sanktionswirksamkeit gezielt evaluieren und erforderlichen­falls weitere Schritte setzen. Wir geben damit unseren Staatsanwälten und Strafgerich­ten die Möglichkeit, im Einzelfall effektive Sanktionen zu fordern und zu verhängen, da­runter beispielsweise Bewährungsauflagen, die vor allem auch einer Prüfung in der Rechtsmittelinstanz standhalten. Es gibt ja allgemeine Strafzumessungsregeln, an die man sich als Richter halten muss, ob man will oder nicht. Wenn man das nicht tut, wird man von der Berufungsinstanz eines Besseren belehrt. Die einzige Antwort darauf kann nur lauten, dass man die Strafrahmen gezielt erhöht.

Zuletzt habe ich mir noch als Grund notiert, dass wir damit auch die spezial- und gene­ralpräventive Wirkung verbessern und ein klares Zeichen setzen, dass es für psychopa­thische Neigungen, die sich wirklich und tatsächlich in sadistischen Gewalttaten gegen wehrlose Tiere, unsere Mitgeschöpfe, ausdrücken, keine wie immer geartete Toleranz geben kann.

Meine Damen und Herren, Tiere sind wehrlos! Sie können sich nicht ins Parlament wäh­len lassen und ihre Anliegen nicht für sich selbst artikulieren. Sie haben auch nichts von einfachen Worten des Entsetzens oder des Bedauerns. Wie gesagt sind strengere Strafen den einzelnen Richtern, die derzeit dafür zuständig sind, faktisch nicht möglich, weil sie die bestehenden Strafzumessungsregeln zu beachten haben. Ihnen sind also die Hände gebunden. Die hier vorgeschlagene Lösung haben wir mit Experten erarbei­tet, auch aus dem Justizbereich, mit Staatsanwälten und Richtern. Die klare Empfehlung ist in unserem Antrag verankert: Man muss gezielt eine Deliktsqualifikation schaffen und den Strafrahmen erhöhen. Genau das sehen unsere heutigen Anträge vor. Beide Anträ­ge, jener zum Artenschutz und jener zur Tierfolter, wurden vergangenes Jahr auch im oberösterreichischen Landtag von allen – von allen – dort vertretenen Fraktionen unter­stützt, also auch von ÖVP, SPÖ und den Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bitte Sie daher heute um ein klares Zeichen des Bundesrates, dass uns diese ab­scheulichen Taten sadistischer Täter gegen unsere tierischen Mitgeschöpfe nicht kalt­lassen und nicht egal sein können.

Der Antrag zu den geschützten wild lebenden Tierarten ist ja bereits Gegenstand der Beschlussfassung. Aus aktuellem Anlass – ich denke da an die Schlachtungen der Schafe im Wiener Streichelzoo – stelle ich noch einmal unseren überarbeiteten Ent­schließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „abschreckende Sanktionen in schweren Fällen absichtlicher Tierquälerei und Tier­folter“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, mit der Zielsetzung, den strafgesetzlichen Schutz für schwere Fälle von absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter – hier verstanden als vorsätzliche Ver­stümmelung eines Tieres oder die absichtliche Herbeiführung von sonstigen schwerwie­genden und qualvollen Verletzungen eines Tieres – durch Einführung einer neuen De­liktsqualifikation zum bestehenden Grunddelikt der Tierquälerei zu erhöhen („§ 222a StGB – Tierfolter"), wobei – in Relation zu den Strafrahmen für Körperverletzungsdelikte und unter Beibehaltung der aktuell bestehenden Strafzumessungsregeln einschließlich einer weitestmöglichen Haftvermeidung (Verhängung von Geldstrafen an Stelle von Freiheitsstrafen, bedingte Nachsicht, therapeutische Bewährungshilfe u.a.) – eine Ober­grenze von zumindest drei Jahren Freiheitsstrafe und eine Untergrenze von zumindest sechs Monaten Freiheitsstrafe dem hohen Unwert derartiger Taten angemessen er­scheint.“

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(Beifall bei der FPÖ.)

15.19

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „abschreckende Sanktionen in schweren Fällen absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um Ihre Wortmel­dung, Herr Bundesrat.