16.36

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler! Bevor ich auf den fachlichen Bereich unserer Dringlichen Anfrage einge­he, möchte ich schon auf ein paar Dinge replizieren, die Sie in Ihrem Eingangsstatement erwähnt haben. Sie haben uns erzählt, dass es Ihnen absolut keinen Spaß macht – also Spaß, davon bin ich überzeugt, macht das sicherlich nicht –, aber dass es nicht Ihr oberstes Interesse ist, die Schulen geschlossen zu halten, dass das für Sie auch eine sehr schwere Entscheidung ist.

Sie können uns aber nicht absprechen, dass der Eindruck entsteht, dass Sie natürlich lieber die Geschäfte und viele andere Dinge öffnen und deshalb die Schulen gerne so lange geschlossen lassen. Diesen Eindruck vermitteln Sie mit Ihren Entscheidungen.

Sie sagen immer wieder, es gibt von uns Thesen. Mein Kollege, Herr Steiner, hat Studien zitiert, in denen man zu diesen Erkenntnissen gekommen ist, und nicht irgendwelche Thesen aufgestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was die Bevölkerung bei diesem Thema gerade so aufbringt und verärgert, ist, dass mittlerweile jeder Österreicher mitbekommt, dass es einen Fachminister gibt, der für Bildung und Unterricht zuständig ist und der sicherlich eine gute Fachexpertise hat, auf Fachleute in diesem Bereich hört, es aber einen Bundeskanzler gibt, der ihn immer wie­der overrult und einfach sagt: Nein, die Schulen werden geschlossen! (Beifall bei der FPÖ.) – Das sind die Dinge, die verunsichern und verärgern!

Ich darf Sie erinnern: Am 22. November 2020 erschien ein Zeitungsartikel, in dem drin­steht: „Die Grünen und auch der türkise Bildungsminister hatten sich vehement für offene Schulen eingesetzt“, aber der Bundeskanzler hat wieder einmal die Schließung durchge­setzt. Darum geht es!

Sie sind jemand, der immer wieder darauf verweist, dass es ja wichtig ist, auf Experten zu hören, aber gerade im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen, gerade im Be­reich der Schulen hören Sie nicht auf die Expertise der Pädagogen und der Fachleute auf diesem Gebiet! Ich kann Ihnen eines versichern, ich kriege es in meinem Bundes­land, der Steiermark, mit: Da gibt es irrsinnig viele engagierte Lehrer, Direktoren, die sich wirklich den Kopf zerbrochen haben, wie sie ihren Schützlingen, denn so bezeichnen sie ihre Kinder, in dieser Coronakrise helfen und wieder Präsenzunterricht ermöglichen kön­nen. Was machen Sie? – Sie negieren diese Konzepte, obwohl das gute Konzepte sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss Ihnen jetzt wirklich unterstellen, dass Sie absolut keine Ahnung haben, was Ihre Maßnahmen für jedes Kind in Österreich und die Eltern bedeuten. Ich sage Ihnen ein paar Beispiele. Eine sehr liebe Freundin von mir hat zwei Kinder, die eine Tochter ist schon in der Oberstufe, schon eine junge Dame, für die ist das Distancelearning, das Organisieren kein Problem. Ihr Sohn ist zwölf Jahre alt und im heurigen Schuljahr von der Volksschule in die Unterstufe gewechselt – allein, wie sich ein Zwölfjähriger einmal zurechtfinden und organisieren muss, woher welche Information für welche Aufgabe kommt. Dieses Kind hat aber das große Glück, in eine Familie geboren worden zu sein, in der die Eltern Akademiker sind, eine hervorragende Infrastruktur der Digitalisierung vorhanden ist, die entsprechenden Geräte, die Räumlichkeiten vorhanden sind.

Was so schlimm ist, ist, dass Sie eigentlich bereit sind, eine ganze Generation wirklich für Ihre Maßnahmen – ich unterstelle Ihnen das – im Interesse der Wirtschaft zu opfern. Ich finde das ganz, ganz, ganz schlimm, das muss ich Ihnen wirklich sagen.

Es ist so schwierig! Zum Beispiel: Dieser Zwölfjährige hat einen Klassenkollegen, der nicht diese Möglichkeit hat; der hat zu Hause keine digitale Möglichkeit, hat keinen Lap­top und wird auch zur Betreuung in die Schule geschickt. Dann bekommt meine Freundin mit, wie der Klassenvorstand in der Videokonferenz diesem Mitschüler erklärt, dass es für ihn mit einer positiven Benotung im Halbjahreszeugnis sehr schlecht ausschauen wird, weil er die ihm gestellten Aufgaben nicht erfüllt hat. Wie kann es passieren, dass ein Kind diese Aufgaben nicht erfüllt, obwohl es zur Betreuung in die Schule geschickt wird? Warum machen jene Kinder, die zur Betreuung in den Volksschulen sind, nicht die gleichen Aufgabenblätter wie jene Kinder, die das Glück haben, Eltern zu haben, die sich ernsthaft bemühen? Warum ist das alles so unterschiedlich? (Beifall bei der FPÖ.)

Man hört es immer wieder gebetsmühlenartig, man erklärt jedem jungen Menschen, der in das Ausbildungsleben eintritt: Bildung ist der Schlüssel zur Selbstbestimmtheit, zur Freiheit, zu einem gesunden und erfolgreichen Leben. Und dann gehen Sie her, nehmen unserer Jugend die Zukunft und begründen eigentlich eine Generation Corona? Sie neh­men so vielen Kindern die Möglichkeit der Chancengleichheit, und zwar deshalb, weil wir auch in Zeiten, als es diese Pandemie nicht gegeben hat, schon ganz, ganz viele Lücken in unserem Bildungssystem hatten. Damals war schon sichtbar, dass es sehr wohl Unterschiede gibt, dass es darauf ankommt, in welche Familie ein Kind hineinge­boren wird, in welchem Bundesland es lebt, ob es in der Stadt oder im ländlichen Raum aufwächst.

In Belgien wurde extra eine Studie gemacht, um herauszufinden, welchen Unterschied Distancelearning – von der Bildungsqualität, vom Bildungsinhalt – zum Präsenzunter­richt macht. Neun Monate Heimunterricht bedeuten ein halbes Jahr Verlust an Präsenz­unterricht. Bitte, wie wollen Sie das jemals aufholen, vor allem bei Volksschülern? Wir wissen von unseren Kinder, als sie in die erste Klasse gekommen sind, wie enorm wich­tig das gerade für die Erstklässler ist. Wie sollen die das halbe Jahr aufholen? Das ist ein Verlust, der ihnen die ganze Bildungszeit nachhängen wird.

Es gibt keine Konzepte, das verstehe ich nicht. Sie als Bundeskanzler haben sicherlich das letzte Wort, denn deshalb sind Sie der Bundeskanzler, aber warum haben Sie diese Energien, die Sie jetzt immer so vehement für das Schulschließen einsetzen, nicht dafür verwendet, im Sommer den Herrn Bildungsminister zu unterstützen, dass Konzepte und Maßnahmen kommen, damit die Schulen offen bleiben und nicht geschlossen werden müssen? (Beifall bei der FPÖ.)

Und dieses Hü und Hott – man hört, es bleibt offen, dann wird wieder zugesperrt. Das erinnert mich an Peter Rosegger und das Gedicht vom Regenschirm: Nehme ich ihn mit? Lasse ich ihn daheim? Nehme ich ihn mit? Lasse ich ihn daheim?

Jetzt werden auf einmal die Semesterferien vorverlegt. In den meisten Betrieben müssen in den ersten Jännerwochen von sämtlichen Mitarbeitern die Urlaube bekannt gegeben werden. Das ist vor allem in den jetzt so wichtigen Bereichen, in den Krankenhäusern, in den Polizeistationen, also bei allen, die für uns eine wichtige Aufgabe haben, die Sys­temerhalter sind, so. Dort geht es nicht, dass man von heute auf morgen sagt: Nein, ich habe es mir überlegt, oder es ist aus irgendeinem anderen Grund anders!

Warum treffen Sie immer wieder solche Entscheidungen? (Bundesrat Schreuder: Sie wissen aber schon, dass man die Pandemie nicht kalkulieren kann?!) – Sie haben wirk­lich keine Ahnung von der Wirtschaft, das darf ich Ihnen sagen! (Beifall bei der FPÖ.) Wann waren Sie das letzte Mal Arbeitnehmer? (Bundesrat Schreuder: Ich bin Unterneh­mer!) – Ja, ein Unternehmer! Wissen Sie, als Unternehmer kann ich es mir richten, aber als Arbeitnehmer kann ich es mir nicht immer richten. (Bundesrat Schreuder: Die Pan­demie ist doch nicht planbar! Das geht doch gar nicht!) – Doch. Es gibt Semesterferien, die schon seit Jahrzehnten in Österreich, in der Steiermark immer zum gleichen Datum stattfinden – jetzt werden sie vorverlegt, und das erfahre ich im Jänner. Man kann bereits im November den Schulkalender mit den Ferienterminen für das nächste Jahr kaufen, also das weiß man früh genug. Das muss eingemeldet werden, denn sonst kann man bestimmte Dinge gar nicht organisieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ja auch schon wieder die Gerüchte – und wir sind eher davon überzeugt –, dass die Schulöffnung mit 15. Februar wahrscheinlich wieder wackeln wird. Auch wenn Herr Bundesminister Faßmann – wie sehr, sehr viele Experten – dafür plädiert, dass die Schulen endlich wieder geöffnet werden sollen, damit die Kinder wieder eine Chance bekommen, eine fundierte und gute Ausbildung zu haben, sehen wir das Gelingen eher skeptisch.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Si­cherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Steiner, Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu“?

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass nach den Semesterferien 2021 wieder ein regulärer Präsenzunterricht für alle Schulstufen stattfindet.“

*****

Ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler: Überdenken Sie in diesem Fall wirklich Ihre Strategie! (Beifall bei der FPÖ.)

16.46

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr die­ses.