9.21

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Einen schönen guten Morgen! Ich möchte ja diese morgendliche Euphorie nicht total ausbrem­sen, aber mich lässt schon ein bisschen das Gefühl nicht los, dass wir sportlich gesehen beim Fußball gerade beim 0:3-Rückstand sind oder uns beim Skifahren schwertun, in den zweiten Durchgang zu kommen.

Wir haben über 15 000 Sportvereine, die seit einem Jahr quasi stillstehen: keine Zu­schauer, Trainer, die zu Hause sitzen, die zum Daumendrehen verdammt sind, Sponso­ren, die abspringen, was dem einen oder anderen auch im Breitensport richtig wehtut – das weiß ich aus persönlichen Erfahrungen. Trainer, ob ehrenamtlich, nebenberuflich oder hauptberuflich, können ihrer Leidenschaft, ihrer Passion nicht nachgehen. Wir ha­ben im Salzburger Jugendreport bei einer Umfrage unter Zwölf- bis 20-Jährigen gehört, dass jeder Zweite, der Sport macht und/oder Mitglied in einem Verein ist, richtig frustriert ist, dass er seiner Leidenschaft, dem Sport, nicht nachgehen kann. Mir als begeistertem Hobbysportler blutet das Herz, wenn Millionen Sportlerinnen und Sportler zu Hause sitzen müssen. Jedes Mal, wenn ich am Tennisplatz oder am Fußballplatz vorbeigehe, ist dort höchstens der Platzwart anzutreffen, es finden keine Kindertrainings, keine Ju­gendtrainings statt, und die 1 b-Mannschaft ist auch nicht dort – das macht mich richtig traurig.

Finanzielle Hilfen sind gut und schön, ein Hashtag ist da aber auch ein bisschen zu we­nig. Vielleicht holen wir auf, dann machen wir das 1:3. Wenn Ihnen aber der Sport wirk­lich am Herzen liegt und wir die Zahlen nüchtern betrachten, dann sollten Sie ganz ehr­lich sagen, wie viel denn von diesem 430-Millionen-Förderungspaket, das gestern me­dial ausgeschickt worden ist, wirklich für den Sport übrig ist. Wenn man sich die 160 Mil­lionen Euro Spielgeld von Frau Schramböck, die ihre Prestigeprojekte in den Sand setzt, anschaut: Ich würde mir ein bisschen mehr Budget, ein bisschen mehr Zug aufs Tor und einen Zug auf das Ziel von Ihnen wünschen, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das Wirtschaftliche schon angesprochen, jetzt kommen wir einmal zum Emo­tionalen: Die Sportlerinnen und Sportler vor den Bildschirmen und hier im Saal wissen wahrscheinlich, wie es den Athleten draußen geht – wenn man weg vom Trainingsplatz ist, wenn man weg von den anderen Athletinnen und Athleten ist. Es fehlt nicht nur der zwischenmenschliche Kontakt, sondern es gibt auch diese Distanz zum Messen im Wettbewerb, wer der Bessere ist. Da will man ja seinen Ehrgeiz umsetzen und auf die Laufbahn oder aufs Spielfeld bekommen, und das dürfen wir denen nicht weiterhin wegnehmen. Auch im Breitensport sollten wir ganz, ganz rasch über eine Öffnung für alle reden – das ist mir extrem wichtig. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Warum dauert es so lange, bis wir aufsperren? Wir haben schon x-mal darüber diskutiert, wir haben das Testen verschlafen, wir sind beim Impfen hintennach. Deswegen auch hier die Bitte: Drücken wir da aufs Tempo! Die Sportvereine haben es schon gezeigt: Sie können das umsetzen, sie wollen das umsetzen, sie wollen die Verantwortung überneh­men – und jetzt geben wir ihnen bitte auch die Mittel dafür!

Was passiert, wenn wir keine Alternativen zu diesem Sportlockdown haben? – Die Leu­te – ich habe es anfangs schon angesprochen – sind frustriert, sitzen zu Hause. Die Decke fällt einem auf den Kopf, man pendelt nur mehr hin und her zwischen daheim und der Arbeit und geht höchstens einmal einkaufen. Da fragen sich dann selbstverständlich viele, warum man beim Möbelhaus und beim Elektrohändler an der Kassa stehen, aber nicht in kleinen Gruppen Sporttraining machen oder eins gegen eins auf dem Tennisplatz spielen darf. Das versteht keiner, und das möchte ich jetzt auch an dieser Stelle gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arla­movsky. – Vizekanzler Kogler: Sie dürfen ja am Tennisplatz spielen!)

Wenn wir dann zurückblicken, erkennen wir, dass die Maßnahmen teilweise auch nicht gegriffen haben. Da hat neulich ein Obmann seine Spieler von der Kampfmannschaft gefragt, als sie ihre Fußballschuhe aus der Kabine geholt haben: Was macht ihr, Jungs? – Sie haben gesagt, sie dürfen ja nicht spielen und gehen in den Park zum Spie­len, weil sie nicht auf den Sportplatz gehen dürfen. Der Frühling ist da, die Temperaturen steigen, sie gehen hinaus, sie bewegen sich. Das ist wichtig so, und das ist auch gut so. Es ist wichtig für die Psyche, und es ist vor allem wichtig für den Körper und für die Gesundheit.

Was bedeutet es für einen Sportler und besonders für Kinder und Jugendliche, wenn sie ihrem Hobby so lange nicht nachgehen können? Die Drei-, Vier-, Fünfjährigen, die zum Beispiel Kinderturnen gemacht haben, können sich gar nicht mehr daran erinnern, wie das vor einem Jahr war. Oder wenn man sich Zehn-, Elf-, Zwölfjährige anschaut: Denen hängt es zum Hals heraus, die hundertste Runde zu laufen, die ganze Zeit Rad fahren zu gehen. Das ist eh wichtig, aber die wollen wieder ihre Freunde beim Sport sehen, und Gott sei Dank werden wir das in naher Zukunft auch wieder ermöglichen. Denken wir an die 16-, 17-, 18-Jährigen – wenn ich mich an meine eigene sportliche Karriere zurücker­innere –: Man will sich matchen, man will am Platz einlaufen und dieses Gefühl des Wettkampfs haben, und das sollten wir ihnen ganz, ganz schnell zurückgeben.

Da heute schon angesprochen worden ist, dass der Leistungssport auch die Sportler aus dem Breitensport herauszieht – was die sportliche Karriere betrifft –, möchte ich ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde bringen, dem Nachbarort Köstendorf. Da ist ein ganz guter Fußballer „entstanden“ – so kann man unter Anführungszeichen sagen –, der hat über den Breitensport seinen Weg in den Spitzensport gefunden. Er spielt jetzt bei einer Profimannschaft in Oberösterreich und ist sogar in das Nationalteam einberufen worden. Hätten wir damals in seiner Jugend ein Jahr zugesperrt, dann wäre er jetzt nicht im österreichischen Nationalteam, und das wäre wirklich, wirklich schade. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Bader.)

Was bedeutet es für die Gesundheit? – Ein Drittel macht, statistisch gesehen, weniger Sport. Wir wissen, dass wir uns durch regelmäßigen Sport 1 Milliarde Euro im Gesund­heitssystem sparen würden, das heißt, der Staat spart sich Geld. Es warnen Psycholo­gen, es warnen Ärzte, es warnen die Sportmediziner vor den Folgen, wenn wir weiterhin die Sportstätten nicht öffnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Frau Kollegin Eder, ich kann Sie zu 100 Prozent unterstützen. Wenn der Wohnzimmer­test und der Schultest als Eintrittskarte in den Sport gelten sollen, dann bitte ab sofort auch für den Indoorsport. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Das ist wirklich wichtig, und dafür habe ich mich in Salzburg auch immer eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.) Aktuell gibt es ja genügend Verhinderer, aber meine Unterstützung haben Sie. Ich war auch froh, dass Landesrat Stefan Schnöll in Salzburg meine Idee sofort aufgegriffen hat und wir da zusammen an einem Strang ziehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Wir wollen Klarheit schaffen, und dafür stehen wir auch. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) Wir wollen sichere Bedingungen für die Sportlerinnen und Sportler schaffen, damit sie ihrer Leidenschaft, ihrem Hobby und ihrem Ehrgeiz nachgehen kön­nen. Finden wir ein Rezept, liebe Regierung, Herr Vizekanzler, für eine dauerhafte Sport­öffnung, finden wir ein Rezept für ein ordentliches Coronamanagement im Vereinssport! Ich möchte auch die Gelegenheit nützen, mich bei Sport-Austria-Präsidenten Hans Niessl herzlich zu bedanken, der sich immer für den Sport in Österreich eingesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Sportmediziner Josef Niebauer hat es geschrieben: „Viele haben mittlerweile Alternati­ven abseits des Sports gesucht. Der Ball wurde sozusagen gegen Sofa und Internet eingetauscht. Wir als Gesellschaft müssen alles daran setzen, den Kindern die Freude am Sport zu vermitteln“. – Ja, wir sind uns alle einig, dass es gescheiter ist, dass man sich den Fußball nimmt, dass man sich den Volleyball, den Faustball, den Tennisschlä­ger nimmt und wieder Sport betreibt, statt vor der Playstation zu sitzen. Das ist gesund, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nicht vergessen, zu guter Letzt noch einmal auf die tägliche Turnstunde hin­zuweisen. Auch der Sportmediziner sagt, die tägliche Turnstunde sollte an den Schulen zu einer Selbstverständlichkeit werden. Das würde sich auch stark auf den sozialen Um­gang auswirken.

Sehr geehrter Herr Sportminister, bei allen Öffnungen haben Sie unsere volle Unterstüt­zung. Wir müssen, was den Sport betrifft, über die Parteigrenzen hinweg denken – Frau Kollegin, ich glaube, da sind wir einer Meinung. Ich danke allen Trainerinnen und Trai­nern und allen Funktionären in den Vereinen für die unglaubliche Arbeit, die sie geleistet haben. Ich kann das nachfühlen und sage an dieser Stelle: Bitte, bitte, bitte macht weiter so! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.31

Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner: Herr Bundesrat Markus Lein­fellner. – Bitte, Herr Bundesrat.