16.26

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die dringliche Behandlung dieser Anfrage aus einem Grund verlangt, nämlich um den Minister zu befragen. Es geht um den dritt­größten Bankenskandal in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren! 870 Millio­nen Euro wurden bei diesem Kriminalfall im Burgenland an Schaden verursacht. Ich wie­derhole: Es geht um den drittgrößten Bankenskandal.

Die Menschen im Burgenland, vor allem die vielen Sparerinnen und Sparer, die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, warten auf Antworten. Ich muss schon sagen, Herr Minister: Sie haben jetzt diese Fragen beantwortet, in 6 oder 7 Minuten haben Sie sämt­liche Fragen beantwortet. Für die Unternehmer, für die vielen Mitarbeiter ist das eigent­lich unglaublich – bei diesem riesengroßen Schaden.

Das war es dann? Sie haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt? – Ich möchte Ihnen und auch den Herrschaften von der ÖVP sagen – das werden Sie vielleicht noch gar nicht wissen –: Diese Arbeitsgruppe tagt seit August vorigen Jahres. Da haben Sie diese Gruppe einberufen. Heute hören wir: Wir schauen in die Zukunft! Wir werden etwas dazu ausarbeiten, wer die Zuständigkeiten hat! – Es kommt also nichts Klares heraus.

Ich bin heute hier quasi als Anwalt unserer Sparerinnen und Sparer. Das sind Zigtausen­de Betroffene in einem Bezirk, im Bezirk Mattersburg, die bei diesem Kriminalfall unter die Räder gekommen sind. Ich möchte Ihnen das heute vielleicht ein bisschen näherbrin­gen, damit Sie das empathischer sehen: Ich habe eine Dame kennengelernt, die ihr Le­ben lang gearbeitet hat, die bei dieser Bank einige Wochen vor Schließung 500 000 Euro auf ein Konto einbezahlt hat, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen, ein Haus zu bauen, ihren Enkelkindern etwas zu geben, ihren Kindern etwas zu geben – Geld –, und übrig geblieben ist lediglich die Einlagensicherung: 100 000 Euro.

Ich bitte Sie, ein bisschen in sich zu gehen und zu überlegen, was das für einen Men­schen bedeutet. Ich habe jetzt einen Einzelfall herausgezogen, einen Fall bei einer Ge­samtsumme von 870 Millionen Euro. Für die Jüngeren ist das vielleicht nicht mehr so greifbar, aber für die Älteren unter uns – die meisten wissen es –: Das waren ungefähr 10 bis 11 Milliarden Schilling, die da verlorengegangen sind.

Jetzt geht man als normale Kundschaft davon aus, dass, wenn man in eine österreichi­sche Bank geht und sein Geld dort anlegt, dieses Geld sicher ist. Oder, Herr Bader, Hand aufs Herz: Gehen Sie in Ihre Bank – ich nehme an, das wird in Ihrem Fall die Raiffeisen­bank sein – - - (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Apropos: Die Raiffeisenbank ist jene Bank, die in diesem Fall der Hauptkläger ist, die den Bund, die Republik Österreich, klagt. Das sage ich nur, damit wir wissen, wo die Zuständigkeiten sind. Die Raiffeisenbank klagt die 490 Millionen Euro Einlagensiche­rung ein.

Noch einmal zum Beispiel mit Herrn Bader – ich weiß es ja nicht genau, vielleicht ist es eh eine andere Bank, aber ich nehme es an –: Er geht zur Raiffeisenbank und legt sein Geld an. Herr Bader spart sein ganzes Leben lang, und am Schluss seines Erwerbsle­bens hat er dann ordentlich angespart, dann kommt er zur Bank und dann heißt es: Na ja, es ist halt nichts mehr da! – Das ist ein Kriminalfall. Sie kriegen 100 000 Euro, der Rest ist weg.

Jetzt ganz ehrlich: Haben Sie schon einmal bei Ihrer Bank hinterfragt, ob die Prüfungen passen? Können Sie das selber? Und wenn Sie dann als Kundschaft noch 20, 30 Jahre lang die Auskunft bekommen, dass diese Banken geprüft werden, dass alles in Ordnung ist – und auf einmal ist alles weg? Also da möchte ich mich gar nicht hineinfühlen. (Vi­zepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Wir reden hier die ganze Zeit im gleichen Slang: ja, die Pandemie, die größte Pandemie seit hundert Jahren. Versetzen Sie sich in folgende Lage: Sie sind durch die Pandemie in die schwierigste Lage Ihres Lebens gekommen, und jetzt kommt das mit der Bank dazu. Dann gibt es eine Arbeitsgruppe, die im August eingerichtet worden ist, und heute hören wir: Ja, wir werden weiterschauen und wir werden bald ein Ergebnis haben! (Bun­desrätin Gerdenitsch: Ich bin neugierig, was drinnen steht!)

Ich sage Ihnen etwas, Herr Finanzminister: Diese Gnade werde ich nicht walten lassen, wir werden Sie bei der nächsten Sitzung des Bundesrates wieder einberufen und nach­fragen, was ist. Mir geht es nämlich heute nicht um politisches Kleingeld – das möchte ich gleich einmal vorausschicken. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! Nein! – Bun­desrat Seeber: Na geh! Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich werde das gleich begründen. Kollege Hirczy aus dem Burgenland hat schon gestern medial Burgen­landbashing betrieben und einem Altlandeshauptmann, Karl Stix (Rufe bei der SPÖ: Der ist verstorben!), der verstorben ist, quasi die Schuld gegeben – das ist nicht in Ordnung. Einen Menschen anzuprangern, der sich nicht einmal mehr wehren kann, ist, glaube ich, letztklassig. (Bundesrat Spanring: Beim Haider war es okay!) Aber das ist die Marke ÖVP, das kennen wir eh schon. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Beim Hai­der war es okay! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt kommen wir einmal zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses. Ich habe mir das zusammengeschrieben, damit wir das punktuell festhalten können. Also: Was sind die Ergebnisse? – Es ist ein Kriminalfall einer Privatbank. Es stehen hier die Geständ­nisse der Vorstände. Auch noch einmal für die ÖVP-Mitglieder der anderen Bundeslän­der: Diese Vorstände waren allesamt ÖVP-Mitglieder! (Bundesrätin Gerdenitsch: Ge­nau! Genau!), nur damit wir das alle wissen. – So viel also zur Prüfung.

Zahlreiche Beschuldigte sind aus diesem Kriminalfall hervorgegangen. Ich wiederhole es noch einmal, damit es ein bisschen wirkt: 870 Millionen Euro Schaden! Frau Dr. Gitschthaler, das ist gar nicht so lustig, wie Sie das empfinden, Sie lachen da vor mir. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! Nein!) Da geht es wirklich um Existenzen, um Menschen, die kein Geld mehr haben und die jetzt auf Antworten warten.

Was wäre das Leichteste? Ich habe mir gestern „Fellner! Live“ angeschaut und habe mir gedacht: Jetzt kommt der Herr Finanzminister und teilt wieder Geld aus, er sagt uns: Ja, es gibt Geld genug! 63 Milliarden Euro haben wir bereits ausbezahlt! Ich weiß nicht, ob das ganz genau stimmt. Die Unternehmer sagen eigentlich etwas anderes. Ich höre nicht, dass alle Unternehmer das Geld schon bekommen haben. Viele Arbeitslose haben wir, glaube ich, auch. – Und der Finanzminister kam gestern mit der Überraschungsmel­dung: Wir werden in Zukunft mit den Reisepassgebühren nicht in die Höhe gehen!

Aufgrund dieser Aussage habe ich gemerkt: Wie weit muss man eigentlich schon von irgendwo weg sein, dass man sagt, man wird die Gebührenerhöhung für den Reisepass für eine Million Österreicher aussetzen – das macht ungefähr 15 Millionen Euro aus –, wenn wir in der größten Pandemie sind, in der momentan gar niemand wegfahren kann, weil wir ja noch nicht einmal die Impfungen haben?! Das ist unfassbar! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Es ist unfassbar, wie weit Sie schon von der Realität weg sind!

Dann reden Sie von 15 Millionen Euro Ersparnis! Jetzt lachen Sie (in Richtung Bundes­rätin Eder-Gitschthaler) schon wieder! (Heiterkeit bei der FPÖ. – Kopfschütteln von Bun­desrätin Eder-Gitschthaler.) Das ist schon arg, diese Aussage alleine! Dann wird ganz lässig gesagt: 63 Milliarden Euro haben wir ausbezahlt!

Dazu wollte ich eigentlich kommen: 63 Milliarden Euro haben wir ausbezahlt, wir haben aber im nächsten Jahr noch eine Schuldenquote von 85 Prozent und dann 88 Prozent!, haben Sie gesagt. Also wenn man so galant ist und 63 Milliarden Euro so locker für die Unternehmer, für die Mitarbeiter hinaushaut – wir haben eh fast keine Arbeitslosen, es passt eh alles in unserem Land (Bundesrat Seeber: Für Mitarbeiter!) –, ja dann macht es eh nichts mehr aus, wenn man sich zusammenreißt und sagt: die Prüforgane haben bei der Commerzialbank 20, 30 Jahre lang völlig versagt!, und man diesen Menschen jetzt aus der Patsche hilft und ihnen ihr Geld zurückgibt. Das steht ihnen zu. So einfach ist das. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schlagen heute kein politisches Kleingeld (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) mit irgendwelchen politischen Aktionen, es geht um die Ge­schädigten. Ihr könnt euch heute entscheiden, die ÖVP kann sich heute entscheiden: Seid ihr auf der Seite der Geschädigten oder seid ihr auf der Seite des Finanzministers, der keine Kohle für diese Menschen, für diese Geschädigten, herausrücken will? So ein­fach ist es.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, ich melde mich heute sicher noch ein zweites Mal zu Wort. (Allgemeine Heiterkeit.) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

16.35

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.