12.47

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! 1986 war Niederösterreich auf der Suche nach einer eigenen Landeshauptstadt, und es wurde ein Spruch kreiert – Frau Kollegin Zwazl wird es noch wissen –: Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft. – Diesen Spruch möchte ich mir heute leihen und sagen: Ein Land ohne Kultur ist wie ein Gulasch ohne Saft (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP), nämlich eine ganz trockene Angelegenheit. Wenn man die schmackhaften Gewürze und das ganze Drum­herum weglässt, dann schmeckt es nicht so gut. Kunst und Kultur gehören nach meiner Ansicht einfach und aufrichtig zum Leben, sind mir ganz, ganz wichtig, essenziell wichtig.

Nach wie vor ist allerdings die Kunst- und Kulturszene eine der am schwersten betrof­fenen Branchen. Die Pandemie hat einen großen und hoffentlich nicht nachhaltigen Schaden in dieser Branche angerichtet. Sie ist wie ein Orkan über die Kulturstätten und über alle in der Kunst- und Kulturbranche tätigen Personen hinweggefegt und hat Spuren hinterlassen. Mittlerweile wandern leider auch Leute aufgrund der Perspektivenlosigkeit aus dieser Kulturbranche ab, um in anderen Branchen Fuß zu fassen. Das ist unendlich traurig, denn damit gehen Kompetenzen und Talente verloren. Hoffentlich gibt es bald einen anderen Weg.

Die bis dato 13 eingerichteten Unterstützungsmaßnahmen mit einem Volumen von über 1 Milliarde Euro sind wichtig und richtig. Das von allen am meisten ersehnte Öffnen der Kunst- und Kulturstätten ist jedoch wieder in weite Ferne gerückt. Noch immer gibt es keine Planungssicherheit, keine Hoffnung auf Schritte zur Normalität. Der Tag, an dem die Kultur endlich wieder öffnen kann, ist in weite Ferne gerückt. Es gibt noch immer Kinobetriebe, die finster sind, und noch immer proben Schauspielerinnen und Schau­spieler in leeren Theatern, also ohne Publikum und ohne Applaus.

Die finanzielle Ebene ist das eine, aber was bedeutet diese Krise langfristig für die Künstlerinnen und Künstler und für die gesamte Branche? Welche Lebensbedingungen, welche Arbeitsbedingungen wird es geben? – Viele Fragen, und am besten geht man deren Beantwortung sofort an, und zwar mit einer Kunst- und Kulturstrategie.

1 500 Kunst- und Kulturschaffende sowie 350 Kultureinrichtungen haben einen Offenen Protestbrief unterzeichnet, in dem sie endlich eine Perspektive verlangen. Die von den Kulturbetrieben schon vielfach erstellten Präventionskonzepte sollen der zentrale Aus­gangspunkt für diese neuen Regelungen sein. Die jeweiligen Bedingungen vor Ort wären damit optimal berücksichtigt. Laut Gerhard Ruiss, dem Kulturinteressenvertreter, und Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich, braucht es branchenspezifi­sche Regelungen für den gesamten Kulturbereich, klare und vor allem rechtzeitige Vor­gaben für die Kulturbetriebe, eine Gleichbehandlung der Kultur, niederschwellige Test­möglichkeiten und ehestmögliche und lebensnahe Öffnungszeiten von Kultureinrichtun­gen – natürlich sobald es die Lage gestattet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht auch einen Fahrplan für die nächsten Monate, denn der Sommer steht vor der Tür, und Kunst- und Kulturveranstaltungen – gerade im Sommer, denken wir an die Sommerfestivals – sollen gesichert sein; wie gesagt, immer soweit die gesundheitliche Lage es erlaubt, ganz klar. Ein Fairnessprozess soll gestartet werden, der nicht nur die Bezahlung, sondern auch eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Branche und ihrer Akteure zum Ziel hat.

Nun zur Verlängerung der Gutscheinlösung – es ist ja so angedacht: Die Gutscheinlö­sung wird für Veranstaltungen, für die man Karten gekauft hat, die aber nicht stattgefun­den haben, bis Ende des Jahres verlängert. Es wurde eine Lösung gesucht. Herausge­kommen ist meiner Meinung nach allerdings eine Kompromisslösung, denn für die Ver­anstalter gibt es unterschiedliche Unterstützungshilfen, für die Konsumentinnen und Konsumenten jedoch nicht, nicht einmal für die, die von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die sollten meiner Meinung nach ihr Geld sehr wohl zurückbekommen. Zumindest die GIS-Befreiten, die selbst jeden Cent zum Überleben benötigen, sollten von dieser Form der Abgabe ausgenommen werden. Das ist ja eigentlich eine Vergabe eines kostenlosen Kredits. Ich habe im Ausschuss den Sachbereichssprecher gefragt, und der hat gemeint, das wäre nicht handhabbar, es wäre zu aufwendig, das rückzuver­rechnen. – Das mag sein, aber ich denke, es wäre doch wichtig, dass wenigstens die GIS-befreiten Personen aufgenommen würden. Wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion werden daher diesem Antrag nicht zustimmen.

Ich möchte als Bundesrätin für Niederösterreich allerdings noch einmal auf mein Bun­desland verweisen, denn da passieren viele Unterstützungsmaßnahmen für die Kunst- und Kulturbranche, und zwar wurden vor wenigen Tagen und Wochen in der niederös­terreichischen Landesregierung und in der Stadt St. Pölten Projekte fixiert, die zeigen, wie wichtig es ist, den kulturellen Ruf, den man sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aufgebaut hat, zu wahren, aber auch auszubauen.

Dazu zählt in erster Linie das Kinderkunstlabor in St. Pölten, das sogenannte KiKuLa, eines der kulturellen Leuchtturmprojekte, die für das Jahr 2024 – wenn St. Pölten den Titel Landeskulturhauptstadt tragen wird – ganz wichtig sind. Es ist eine in Europa ein­zigartige Kunst- und Kulturinstitution, ein innovativer Ort der Begegnung von Kindern von bis zu zwölf Jahren mit zeitgenössischer Kunst und deren Vertretern. Als Mitglied des Ausschusses für Kinderrechte macht es mich sehr stolz, dass bei diesem Projekt Kinder­beiräte beigezogen wurden, die bei den inhaltlichen und gestalterischen Entscheidungen mitarbeiten durften. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Enden möchte ich mit einem Appell. Ich möchte den Appell des Kollegen, der vor Kurzem aus der Politik ausgeschieden ist, nämlich des Nationalrats und Kultursprechers Thomas Drozda, wiederholen: Bitte schauen Sie wirklich auf die Künstlerinnen und Künstler in unserem Land! Sie vollbringen Großartiges und durchleben gerade sehr schwere Zei­ten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.