10.11

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf mein Redethema eingehe, möchte ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion der neuen Bundes­ratspräsidentin aus Vorarlberg ganz herzlich alles Gute für ihre Präsidentschaft wün­schen und dem Präsidenten aus Tirol vielen Dank für seine Präsidentschaft sagen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Herr Bundesminister, ich darf mit einem Appell beginnen: Bitte schützen Sie endlich alle Schwangeren! Die nun vorliegende Regelung ist wieder mangelhaft und Sie, Herr Bun­desminister, und die Bundesregierung tragen Verantwortung gegenüber den Frauen und ihren ungeborenen Kindern. Seit vielen Pandemiemonaten nehmen Sie sie nicht aus­reichend wahr. Ja, es ist wichtig, dass sich Frauen, die einen Kinderwunsch haben, impfen lassen, und auch die Impfung von Schwangeren wird von medizinischen Ex­pertInnen ab der 14. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Fakt ist auch: Corona ist eine schwere Krankheit, sie ist eine Lungenkrankheit. Gerade in der Schwangerschaft ist die Sauerstoffversorgung der Mutter, durch die auch die Sauerstoffversorgung des Kindes gewährleistet ist, extrem wichtig. Schwangerschaft in der Coronazeit ist alles andere als leicht. Sie müssen den Schutz der Schwangeren doch in allen Berufsgruppen als wesentlich erachten. Die Situation für die KollegInnen in körpernahen Dienstleistungsberufen und für Ungeimpfte ist geregelt, sie erhalten die Möglichkeit zur Freistellung, aber: Was ist mit all den anderen? Die Schwangeren haben Sorgen, auch weil es zu Impfdurchbrüchen kommt, und ganz besonders angesichts der drohenden Omikronvariante. Da wäre doch die Möglichkeit zur Freistellung für alle Schwangeren, die nicht ins Homeoffice ausweichen können, ein Gebot der Stunde. Sie haben kein Herz für die Sorgen der Schwangeren!

Außerdem – und das macht mich besonders betroffen – gibt es da auch keine Unter­stützung durch die Frauenministerin. Wie so oft nimmt sie ihre Aufgabe nicht wahr, aber gerade in der Pandemie wäre es so wichtig, eine starke Frauenministerin zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir befinden uns in einer der größten Belastungskrisen dieses Landes, besonders für Frauen, und die zuständige Ministerin ist auf Tauchstation. Wie oft haben die SPÖ-Frau­en, haben die Gewerkschaftsfrauen darauf hingewiesen, dass beim Schutz der Schwan­ge­ren dringender Handlungsbedarf besteht? Die Regierung hat bisher aber kein Ohrwaschl gerührt. In der letzten Rede zu diesem Thema haben Sie, Herr Bundesminister, von der Evaluierung der Situation gesprochen. – Nein, es muss nicht mehr evaluiert werden, Sie müssen bitte handeln! Ich kann Ihnen viele Geschichten aus dem Alltag von Schwan­geren erzählen, wie es ihnen geht; zum Beispiel jener Kollegin aus der Produktion, die im sechsten Schwangerschaftsmonat an Covid erkrankt ist und der es gar nicht gut geht. Die Betriebsrätin und die KollegInnen haben alles versucht, um sie im Arbeitsumfeld zu schützen, aber das geht bei der Arbeit am Bandl, das heißt am Fließband, auch nicht immer. Die KollegInnen machen sich größte Sorgen um sie und ihr Kind. Das darf nicht vorkommen. – Herr Bundesminister, bitte handeln Sie hier endlich!

Trotz allem – dem Coronachaos der Bundesregierung – gibt es in Österreich wesentliche Teile, die funktionieren und die wirklich zur Stabilität dieses Landes beitragen; das ist in dieser Zeit die Sozialpartnerschaft. Die Weiterentwicklung und Verlängerung der Kurz­arbeit bis zum März 2022, die Phase sechs, ist unter diesen Coronabedingungen ganz, ganz wesentlich. Es ist den Sozialpartnern gelungen, im Interesse der Arbeitneh­merIn­nen, die ihren Job behalten, und im Interesse der Arbeitgeber, die ihre gut ausgebildeten und ge­schulten Fachkräfte nicht verlieren wollen, abermals eine gute Regelung auszu­ver­handeln.

Wir wissen: Eine lange Kurzarbeitszeit bedeutet für die betroffenen ArbeitnehmerInnen große Einkommenseinbußen. Durch den Bonus von 500 Euro erhalten jene Kurzar­beiterInnen, die jetzt insgesamt sechs Monate oder länger in Kurzarbeit waren, endlich eine Unterstützung. Auch die ArbeitnehmerInnen in den Trinkgeldbranchen erhalten ab Dezember eine besondere Unterstützung. Das ist so wichtig, weil diese Beschäftigten in der Kurzarbeit doch wirklich ganz schwere Verluste erlitten haben.

Also zusätzlich gibt es noch eine Erleichterung bei der Beantragung von Kurzarbeit und eine Saisonstarthilfe für Tourismusbetriebe. Ein Erfolgsmodell der Sozialpartner ist diese Kurzarbeitsregelung. Sie hat insgesamt 1,3 Millionen Arbeitsplätze abgesichert und wir werden dieses Modell, wenn man sich die Pandemieprognosen ansieht, noch weiter dringend brauchen.

Ein weiteres Thema ist die Sonderbetreuungszeit. Sie wird in diesem Gesetzeskonvolut verlängert. Auch das beschließen wir heute. Das ist gut so, aber es wird nicht reichen. Was machen die Eltern, wenn die Sonderbetreuungszeit schon verbraucht ist, aber die Bildungseinrichtung – die Schule, der Kindergarten, die Kindergartengruppe – wieder zumacht? Die Sonderbetreuungszeit ist da zu kurz greifend, es braucht eine Ausweitung; dass die Menschen den eigenen Erholungsurlaub für den Pandemiewinter verbrauchen, kann doch nicht Ziel dieser Regierung sein. Vor allen Dingen brauchen die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten jetzt Unterstützung. Die Eltern, da besonders die Frauen, sind schon so lange durch diese Pandemie gefordert. Unter­stützen Sie, erleichtern Sie ihr Leben und weiten Sie die Sonderbetreuungszeit aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Trotzdem sind das alles nur Notprogramme. Das Scheitern der Bundesregierung in der Pandemiebekämpfung lähmt uns in vielen Bereichen und hat dieses Land in den vierten Lockdown getrieben – ein Lockdown, der nicht notwendig gewesen wäre, wenn die Regierung im Sommer und Herbst dieses Jahres gehandelt hätte: keine Impfkam­pagne – bis jetzt nicht –, keine Anreize, um zum Impfen zu bewegen. Wo ist der Impfbonus für alle, die die dritte Impfung erhalten haben? Keine umfassende und zielgruppengerichtete Information für alle, die Ängste und Sorgen rund um die Impfung haben. Das ist eine Regierung, die nur mit sich selbst beschäftigt ist.

Wir gehen jetzt aus dem Lockdown in eine kurze Atempause. Wenn man den Virolo­ginnen und Virologen Glauben schenkt – und das tun wir –, so steht uns eine große Omikronwelle bevor. Diese wird zu ganz, ganz starken Herausforderungen für die ArbeitnehmerInnen, aber auch für die Wirtschaft führen. Zu wenige sind voll immunisiert, hohe Ansteckungszahlen werden notgedrungen zu Ausfällen – sei es durch Quarantäne oder, wenn es noch schlimmer ist, durch Erkrankung – bei den ArbeitnehmerInnen führen, gerade in den systemerhaltenden Berufen. Wir steuern auf eine schwierige Zeit zu.

Die Zielrichtung der Politik rund um das Thema Arbeit kann doch nicht sein – das ist auch ganz wichtig –: Wie erschwere ich zum Beispiel den Arbeitslosen das Leben?, oder: Wie räume ich in Krisenzeiten den Insolvenzfonds, dessen Leistung im Insolvenz­fall für die ArbeitnehmerInnen so wichtig und lebensnotwendig ist, aus? – Nein.

Wir stellen deshalb folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finan­zielle Hilfe für Arbeitslose“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, wird aufgefordert, unverzüglich zu handeln und das Arbeitslosengeld sofort auf 70 Prozent des Nettoein­kommens zu erhöhen und die Regelung, wonach die Notstandshilfe in Höhe des zuvor geleisteten Arbeitslosengeldes zumindest vorerst bis zum 30. Juni 2022 verlängert wird, dem Bundesrat sowie dem Nationalrat zur Beschlussfassung zuzuleiten.“

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Ziel der politischen Arbeit muss jetzt sein: Wie kann man die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich gesundheitlich unterstützen, ihnen besonders in Krisenzeiten die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten erleichtern sowie Arbeitsplätze schaffen und sichern? Das ist jetzt noch dringender die Aufgabe im politischen Handeln, und dafür steht die Sozialdemokratie. Wir lassen sicher niemanden zurück. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.20

Präsident Dr. Peter Raggl: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „finanzielle Hilfe für Arbeitslose“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses.