15.32

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Jetzt eine kleine Pause: Lieber Magnus Brunner! Bevor ich in die Debatte einsteige: Lieber Kollege Ofner! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Oje!) – Nein, nicht „Oje!“, aber man kann das, was da jetzt gerade geschehen ist, nicht so stehen lassen. Du hast Menschen verächtlich gemacht, die an 13 000 Tote erinnert haben. Die haben keinen Krawall gemacht wie bei den anderen Demonstrationen. (Bundesrat Ofner: Nein, da ist auch kein Krawall!) Die haben keine Gitter über den Haufen gerannt. Die haben sich nicht mit Polizisten und Polizistinnen duelliert und diese verletzt. (Bundesrat Steiner: Ja, das ist auch gut ...!) Die haben an die Toten erinnert. Vielleicht hättest du Danke sagen sollen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), denn gerade bei der Falschinformation, der Fakeinfor­ma­tion, die wieder zu Toten geführt hat, wart ihr führend. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Jetzt kommen wir zur Debatte zurück: Ich schaue in die Mitte, da sitzt der Mann, der normalerweise mit dem Wolf tanzt, aber heute hat er den Tanz des Wolfes ausgelassen: Silvester Gfrerer. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Er hat sich an seine Salzburger Wurzeln erinnert und die ersten Etappen eines Krippenspieles inszeniert, wobei die Frage ist: Wer ist in diesem Krippenspiel der Verkündigungsengel? – (Heiterkeit bei der SPÖ.) Immerhin hat er – ganz kurz, glaube ich – den Kanzler als Engel gemeint.

Passt aber auf! Mit diesen Heilandsgeschichten seid ihr ganz tief hinuntergestürzt. Geh du aber voran, wir folgen dir! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) – Das ist bemer­kenswert für eine parlamentarische Debatte, bemerkenswert für eine Debatte zu einer Regierungserklärung, das muss ich schon sagen. Normalerweise findet das: Geh du voran, wir folgen dir!, unter anderen Umständen statt. Das nennt man dann den Zug der Lemminge, die dann auch freiwillig, weil sie folgen, in den Abgrund stürzen. Wenn ihr aber einmal ganz kurz in den Abgrund hinunterschaut, seht ihr, dass da schon zwei sitzen, und die heißen Kurz und Blümel. Ich glaube nicht, dass ihr weiter dorthin wollt.

Dann kommt auch noch der Zweite, der offensichtlich kurz in dieses Krippenspiel hinein­gekommen ist: Marco Schreuder, der nach der oppositionellen Rede von Herrn Steiner – man kann jetzt sagen, die ist gut oder schlecht, das ist jedem überlassen – zum Krip­pen­spiel herauskommt (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder) und sagt: Wo sind die Lö­sun­gen zu den großen Krisen? – Wo waren aber vorher in all den Reden zu den Regie­rungsumbildungen Lösungen? – Das waren Überschriften. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Herr Steiner kommt aus dem Zillertal und bemüht sich, ein ordentlicher Oppositions­führer seiner Fraktion zu sein. Niemand erwartet, dass er jetzt die großen Lösungen auf den Tisch legt, aber das kann man von einer Regierung verlangen. (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.) Ich frage mich jetzt eines: Wo sind, lieber Marco Schreuder, die großen Lösungen dieser Regierung (Bundesrat Schreuder: ... Demokratie!) im Bereich der Pfle­gemilliarde? (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wo ist der Pflegegarantie­fonds? Wo ist die Pflegeausbildung? – Wir warten darauf. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, so gut kennen wir uns nicht, dass ich jetzt da - - – mein Gott, wie soll ich das sagen? Ich habe Ihre Auftritte und Ihre Interviews der letzten Zeit verfolgt. Sie haben da wortreich erklärt, dass Ihre Sprache als Innenminister die eines Sheriffs war. Jetzt sind Sie Bundeskanzler, jetzt bedienen Sie sich einer anderen Sprache.

Das ist eigentlich ein Rollenspiel, so nennt man das. In der Politik und in der Führung einer Bundesregierung geht es eigentlich immer um Vertrauen. Worauf sollen wir jetzt vertrauen? – Vieles, was Sie als Innenminister – jetzt sage ich das Wort – angestellt haben, werden wir nicht vergessen. Dass Sie das Triumvirat des türkisen Projekts Blümel, Kurz und Köstinger ergänzt haben und als Generalsekretär nicht unwesentlich an der schamlosen Wahlkampfkostenüberziehung beteiligt waren, werden wir auch nicht ver­ges­sen.

So, jetzt sind wir neugierig: Was kommt da jetzt mit Ihnen als Bundeskanzler daher? – Passen Sie auf! Die gebrochenen Versprechen, all das, was bisher unter verschiedenen Bundeskanzlern der ÖVP in wenigen Monaten passiert ist, ist schon relativ viel. Wo sind denn die – lieber Marco Schreuder, hör wieder einmal zu! – großen Projekte dieser Bun­desregierung gegen diese immense Teuerung, die derzeit stattfindet? (Bundesrätin Schumann: Nirgends!) Wo sind endlich die Maßnahmen? Wann sagt man: Wir haben einen Fehler gemacht, wir haben bei den Helden und Heldinnen zwei, drei Gruppen vergessen!? – Die habt ihr vergessen: die Sanitäter und Sanitäterinnen. Wieso sind da die Sanitäter und Sanitäterinnen nicht berücksichtigt, warum sind die Putzkräfte in den Spitälern nicht drin? Das sind alles Helden und Heldinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bis heute warten wir. Vielleicht wäre jetzt der richtige Augenblick, dass endlich das Arbeitslosengeld auf eine richtige, auf eine lebenswürdige, auf eine menschenwürdige Höhe erhöht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab schon einmal einen Minister aus dem Bundesrat, der belächelt wurde, weil er ein Wort kreiert hat. (Rufe bei ÖVP und SPÖ: Situationselastisch!) – Genau! Er war aus der Steiermark und muss damals schon gewusst haben, dass es Jahre später einen steirischen Vizekanzler geben wird, der diese Situationselastik geradezu in einem Kür­programm präsentiert, wie wir es uns davor gar nicht vorstellen konnten. Bei so vielen Kanzlern in so kurzer Zeit sagt er immer: Passt!, Passt, wir haben die beste Gesprächs­basis!, und so weiter.

Auf eines werde ich in der nächsten Zeit unter Schmerzen verzichten müssen: Schalli und Wernherr, den Beitrag in „Willkommen Österreich“. Das wird mit Nehammer und Kogler einfach nicht lustig. Wer sie nicht gesehen hat, kann dies sicher in „Willkommen Österreich“ nachsehen und sich die verschiedenen Beiträge dort anschauen.

Herr Bundeskanzler! Bundeskanzler zu sein, ist kein Wanderpokal. Man hat das Gefühl, dass die ÖVP aus diesem hohen Staatsamt einen Wanderpokal gemacht hat. Es ist ja wurscht, wer jetzt den Kanzler macht: Schicken wir einmal den Schallenberg, den Schallenberg ziehen wir dann gleich wieder zurück und so weiter. Das Einzige, was daran gut ist, ist, dass mit all diesen Rücktritten der Respekt vor dem Verfassungs­ge­richtshof und vor der Justiz zurückgekehrt ist. Das muss man sagen, denn so geht das hier jetzt nicht mehr, wobei Sie intern diesen Respekt allerdings ein bisschen missen lassen.

Okay, wir wissen ja jetzt noch nicht, wer wirklich Bundeskanzler ist. Ist es Frau Mikl-Leitner aus Sankt Pölten oder ist es Herr Nehammer, der hier bei uns sitzt? Irgend­jemand von den beiden wird es sein. Weil aber gerade der Präsident den Vorsitz führt: Es könnte unter Umständen auch ein bisschen Platter sein. So sieht das halt aus.

Eines, Herr Bundeskanzler, ist ja heute wieder passiert, dass nämlich dieses Krip­penspiel aufgeführt wird, dieses Danke, Danke, Danke. Danke sagt Frau Maurer in der „Kronen Zeitung“, Danke sagt Herr Wöginger, Danke sagt Herr Kogler, alle danken sich bei allen durch. Wofür eigentlich? Danke, dass ihr uns aufgrund unseres Versagens nicht mit Tomaten bewerft? Wofür wird gedankt?

Wissen Sie, Herr Bundeskanzler, dass ein, zwei Danke aber ausstehen? – Überspringen Sie einmal die Kluft! Sie könnten sich einmal bei Frau Pamela Rendi-Wagner bedanken. (Bundesrat Himmer: Bei der bedanken wir uns dann die nächsten Tage!) Sie hat in den letzten zwei Jahren immer jenen Schritt in der Pandemiebekämpfung eingefordert, den die Regierung mit einem Stottern von drei, sechs bis zu acht Wochen nachvollzogen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur in einem Punkt hat es über ein Jahr gedauert, und der betrifft das derzeitige Gremium für das Krisenmanagement. Genau das hat sie am Anfang der Pandemie gefordert, denn anders geht es nicht. Jetzt haben Sie es gemacht. Das ist auch richtig so, aber dafür könnten Sie ihr Danke sagen.

Zweitens, Frau Köstinger: Die ist ja bei der Regierungsumbildung vergessen worden, denn die gehört schon längst raus aus der Regierung – allein dafür, was Frau Köstinger am Anfang der Pandemie der Wiener Bevölkerung mit der Schließung der Bun­desgärten, der Parkanlagen in Wien, angetan hat. Umgekehrt sollten Sie der Stadt Wien, die als Millionenstadt als einzige über den gesamten Sommer hinweg einen Kurs gefahren ist, der uns jetzt hilft, diese Krise zu bewältigen, danken. Ein Dank an den Wiener Bürgermeister und an die Bundeshauptstadt würde guttun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich dann schon bei denen bedankt, sollte man vielleicht Köstinger auch Danke für ihre bisherige Tätigkeit sagen, denn es ist mehr als an der Zeit, dass es in dieser Position der Regierung zu einem Wechsel kommt.

Wir stellen uns aber gar nicht auf einen so langen Zeitraum ein, denn wir sind es ja gewohnt, in immer kürzeren Rhythmen in den Bundesrat zu kommen, um uns Regie­rungserklärungen anzuhören. Ich weiß, für Vizekanzler Kogler wird das alles situations­elastisch super sein. Er wird ja hier möglicherweise auch noch an der Seite des nächsten Bundeskanzlers eine Rede halten. Das ist, wie es eben ist.

Herr Bundeskanzler, ich weiß, Sie sind jetzt ein Gefangener der Landeshauptleute. Wichtig ist allerdings: Reden Sie mit Ihrem Gesundheitsminister! Es geht doch nicht an, dass es in Großbritannien den strengsten Lockdown gibt, dass dort der Notstand ausgerufen wird, aber in Innsbruck in der Woche bis zu drei Flugzeuge mit Skitouristen aus Großbritannien landen. Da tut niemand etwas! Wisst ihr, was das bedeutet? – Welcome to Omicron. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.45

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Finanz­minister Magnus Brunner. – Ich bitte darum.