9.44

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Kollegin Zwazl, ich glaube, Sie haben es sehr gut auf den Punkt gebracht, Sie haben gesagt, Europa schaut auf Österreich, Österreich ist ein Vorbild für die ganze Welt geworden. Das stimmt, aber dahin gehend, dass es ein Vorbild dafür ist, wie man es nicht macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, kein Land in Europa – zumindest Europa, weltweit traue ich mich jetzt nicht zu sagen, aber soweit ich weiß, auch weltweit – hat eine derartige Flut von einander widersprechenden, absurden, wöchentlich sich ändernden und unvorhersehbaren Be­schränkungen für die Wirtschaft, für die Bevölkerung, für den Einzelnen gemacht, wie Österreich in den letzten drei Monaten. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, das stimmt ganz sicher nicht!) Kein Land hat es geschafft, beginnend mit Anfang November, sich zum internationalen Hotspot des Infektionsgeschehens hochzustilisieren, die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen, wenn sie nur hören, die Oma oder der Onkel oder der Bub fährt nach Österreich. Da haben wir wirklich Vorbildwirkung entwickelt, wie man es nicht macht. (Bundesrätin Zwazl: Machen Sie doch nicht die österreichische Wirtschaft schlecht!)

Deswegen wundert es mich, dass jetzt von der ÖVP das Thema vorbildliches Wirtschaf­ten in Österreich, Fortschritt, Wohlstand und so weiter gewählt wird, da alles gemacht wird, den Fortschritt zu stoppen, die Wirtschaft zu bremsen, die Unternehmen zu ruinie­ren, das Eigenkapital zu erodieren, die einzelnen Unternehmensbetreiber in den – unter Anführungszeichen – „Wahnsinn“ zu treiben (Bundesrätin Zwazl: Das sagt einer, der nicht in der Wirtschaft ist!) und die Kaufkraft und den Wohlstand der Unternehmer, ge­nauso wie der Mitarbeiter und Angestellten, erodieren zu lassen. Das ist erstaunlich! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Mir erzählen Sie nicht, was in der Wirtschaft los ist!)

Liebe Frau Kollegin Zwazl, Sie werden mir doch nicht erklären, dass es, wenn man im November davon redet: Wir machen jetzt einen Lockdown, wir machen einen Lockdown für die Ungeimpften, wir sperren die Ungeimpften ein, wir lassen sie nicht mehr rein!, Nein, doch nicht, wir machen einen Lockdown für alle!, Nein, den heben wir auf, aber für die Geimpften vielleicht doch nicht!, Wir sperren die Gastronomie - - (Bundesrätin Zwazl: Wir reden vom Wirtschaftsland!) – Ja, wir reden von der Wirtschaft. (Bundesrätin Zwazl: Ich bin Unternehmerin! ...!) – Sie werden mir doch zugestehen, dass das Zusperren des Landes, das Beschränken, das Lockdownverhängen in der Gastronomie, die Betre­tungsverbote – mit der Wirtschaft zu tun haben. Sie werden ja nicht meinen, dass Wirt­schaft nur mit Worten zu tun hat. (Bundesrätin Zwazl: Nein, aber unsere Wirtschaft ist stabil und gut und das kommt nicht von ungefähr!) Sie werden ja nicht meinen: „haltet Euch an Worte! / Dann geht Ihr durch die sichre Pforte / Zum Tempel der Gewißheit ein.“ – Das ist vielleicht im „Faust“ vor 200 Jahren ein kluger Sager gewesen, für die Wirtschaftspolitik des Jahres 2021 ist es nicht genug. Wir müssen also zu den Fakten zurückkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Spielchen, liebe Kollegen der Regierungsfraktionen, geht ja munterst weiter. Es geht munterst weiter, es gibt jede Woche irgendwelche neuen Geschichten. Drei Wo­chen lang war die Impfpflicht das große Thema. Erfreulicherweise ist die Impfpflicht jetzt angesichts der Omikrongeschehnisse ein bisschen in den Hintergrund getreten. Jetzt sind die neuen Warnungen: Omikron kommt wie eine Wand, wir müssen im Jänner wie­der alles zusperren! – Das ist genau das, was die Unternehmer nicht wollen, egal ob Industriebetriebe, Dienstleister, Hotellerie, Gastronomie – ausgenommen vielleicht die Inhaber von Spar und Billa, der Rewe-Gruppe, weil sie wissen, dass sie immer offen bleiben. Je mehr zugesperrt wird, desto mehr Geschäft machen sie. Diese nehme ich aus, die Vorstandsetagen dieser beiden Unternehmen freuen sich, sie sind aber natürlich nicht allein die österreichische Wirtschaft.

Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Zwazl), Sie reden von der Vorbildwirkung Ös­terreichs, schauen wir einmal, wie sich diese Vorbildwirkung gesamtökonomisch ausge­wirkt hat! Sie kennen ja die Zahlen für das Jahr 2020, die Frau Minister wird sie hoffent­lich auch wissen. Wir haben in den Jahren davor ein plus/minus ausgeglichenes Budget gehabt. Die Kosten der sogenannten Lockdownmaßnahmen der Pandemie, die Sie als die Kosten des Virus bezeichnen, die in Wirklichkeit durch die Maßnahmen, die Sie ge­macht haben, die Kosten der Behinderung der Wirtschaft sind, liegen bei ungefähr 40 Mil­liarden Euro. Damit haben wir einen Teil des Schadens ausgeglichen und den Unterneh­men das Überleben ermöglicht.

Von einem ausgeglichenen Budget sind wir zu einem Budgetdefizit von 31 Milliarden Euro, 8,9 Prozent des Jahresbruttosozialprodukts, gekommen. In den ersten sechs Mo­naten dieses Jahres – weitere verlässliche Zahlen habe jedenfalls ich noch keine gese­hen – haben wir ein weiteres Defizit von 12,6 Milliarden Euro produziert. Damit haben wir die Gesamtverschuldung des österreichischen Staates um circa 12,5 Prozent ange­hoben. Wir nähern uns mit rascher Geschwindigkeit der 90-Prozentmarke eines Jahres­bruttosozialprodukts. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na bravo! Danke an Schwarz-Grün!) Die Reallöhne sind in Österreich in den letzten zwei Jahren je nach Schätzung und je nach Berechnungsmethode um zwischen 2,5 und 3 Prozent gesunken. Die Unterneh­mensgewinne, also die Erträgnisse und der Lohn, den der Unternehmer für seine Tätig­keit hat, sind ins Bodenlose gefallen. Die Eigenkapitalquoten der Unternehmen, die Ei­genmittel, sind dabei, sich aufzulösen. Bis jetzt wird da nicht gegengesteuert, sondern es wird die Verunsicherung weitergetrieben und davor gewarnt, dass wir vor der abso­luten Katastrophe stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da man aber nicht nur schwarzmalen soll, sondern auch zeigen muss, wie es anders geht, müssen wir uns das einzige Beispiel in Europa und in der westlichen Welt ansehen, das einzige Beispiel eines Landes, das vernunft- und tatsächlich evidenzbasiert der Krise begegnet ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Der Kollege lächelt schon, weil er es weiß und dieses Land daher nicht erwähnt: Es ist das Land Schweden. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wir müssen uns das einfach anschauen. Das Land, das da nicht mitgemacht hat, das nicht jede Woche neue Geschichten gemacht hat, das die Bürger nicht eingesperrt hat, das die Unternehmen nicht in den Ruin getrieben hat, das das wirtschaftliche Geschehen nicht weitgehend aus der Schuldenbüchse, nicht aus dem Schatz des Staates bezahlt hat, welche Ergebnisse hat dieses Land? – Eines, denke ich, wissen wir sicher, und das ist unbestritten, wenngleich es in den Medien nicht zu finden ist: dass Schweden zumindest seit August 2021 in ganz Europa das Land mit den mit Abstand niedrigsten Infektionszahlen, mit Abstand niedrigsten Hospitalisierungszahlen und geringsten To­desraten ist, weil dort eine Gesamtimmunität der Bevölkerung erreicht wurde, und das bei einer geringeren Impfquote als in Österreich, das muss man hinzufügen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Sie lachen.

Ja, ich würde auch lachen; da kann man auch nur mehr lachen, aber da kann man nur über das reden, was man vorher gesagt hat, wenn man die wichtigen - - (Bundesrätin Zwazl: Nein, über Ihre Ausführungen! Wenn man alles so verdreht, ich meine ...!) – Na ja, wenn man alles so zerredet, wenn man sagt, das Einzige, was wir sagen dürfen, ist: Wir sind gut, wir sind ein Vorbild, wir sind die Schönsten, wir bewältigen alles, wir werden modern, wir digitalisieren, wir schaffen den Mangel an Fachkräften ab!, wenn ich das einfach sage, dann kann ich natürlich über alles andere lächeln, denn dann ist mir ja wurscht, was tatsächlich passiert, weil ich mich an die Worte halte.

So, jetzt schauen wir einmal, was in Schweden ökonomisch passiert ist: Wir haben letz­tes Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft von 6,5 oder 6,6 Prozent gehabt, Schweden circa 2 Prozent; wir haben ein Defizit von 31 Milliarden Euro produziert, Schweden circa 12 Milliarden Euro; wir haben heuer allein im ersten Halbjahr ein Defizit von 12 Milliarden Euro produziert, Schweden steuert auf einen ausgeglichenen Haushalt zu; die Arbeitslo­senquote ist in Schweden nicht gestiegen, sie ist derzeit auf einem historischen Tiefst­stand. (Ruf bei der SPÖ: Sozialdemokratisch ...!) – Ja, ja, das ist ein sozialdemokratisch organisiertes Land, deswegen – und da komme ich zum Abschluss gleich zu Ihnen (neu­erlicher Zwischenruf bei der SPÖ) – wundert es mich ja, dass gerade die Sozialdemokra­ten und gerade die große Virologin Rendi-Wagner Schweden überhaupt nicht erwähnt, dort nicht hinschaut, offenbar nicht ein einziges Mal mit dem zuständigen Obersanitäts­beamten – oder wie er sich nennt – in Schweden, der das Ganze geleitet hat, telefoniert. Er hat im März 2020 dort die Führung übernommen und hat gesagt: Wir brauchen die Herdenimmunität, in einer Pandemie zu impfen hilft nichts, wir müssen den Dingen lo­cker und gelassen entgegentreten! (Beifall bei der FPÖ.) Warum telefoniert sie nicht mit ihm, und warum versucht sie (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), die Regierung mit immer neuen Maßnahmen zu toppen?

Frau Kollegin Kahofer, was Sie gesagt haben, ist ja alles richtig (Beifall bei Bundesrä­tInnen der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Bravo!), nur: Stellen Sie sich vor, Frau Kollegin Kahofer, die SPÖ, vertreten durch Rendi-Wagner, hätte die Pandemie dirigiert und hätte gesagt, welche Maßnahmen es gibt! – Da wären wir aus dem Lockdown überhaupt nicht mehr herausgekommen und unsere Verschuldung wäre nicht 31 Milliarden Euro (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), sondern wahrscheinlich 51 Milliarden Euro, weil sie gesagt hät­te, wir lassen den Lockdown und zahlen alles aus dem Staatsbudget! (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann ja nicht sein, deswegen ist mein Weihnachtswunsch an die Sozialdemokratie: Nicht jeder von Ihnen, aber vielleicht jeder Dritte oder Fünfte von Ihnen – der Kollege lacht immer so (Bundesrätin Grimling: Wir wollen keine ...!) – könnte einmal einen schwedischen sozialdemokratischen Kollegen anrufen, könnte sich mit ihm online treffen – online natürlich (Zwischenruf des Bundesrates Kovacs), mehr darf ein Sozial­demokrat in Zeiten des notwendigen Social Distancing nicht tun (Zwischenrufe der Bun­desrätinnen Grimling und Schumann) –, und könnte mit ihm online über die Erfahrun­gen, über die Fehler, die gemacht worden sind und die nicht gemacht worden sind, über die wirtschaftlichen Entwicklungen und so weiter reden, oder er könnte die Seiten des schwedischen Gesundheitsministeriums, des schwedischen Wirtschaftsministeriums aufrufen und sich über die tatsächlichen Entwicklungen, die Fakten, die Wirtschaftslage und das Infektionsgeschehen im Vergleich zu Österreich informieren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Mit diesem - -

Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat Hübner, darf ich um den Schlusssatz bitten? Herr Bundesrat Hübner, Schlusssatz! Wir haben eine beschränkte Redezeit, 10 Minuten.

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich wünsche allen schöne Weihnach­ten und Lichter der Erkenntnis. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.54

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile dieses.