11.12

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Ofner, es ist immer wieder erstaunlich, wie locker ihr die Tagesordnung seht, denn was du jetzt ge­sprochen hast, hat mit den Tagesordnungspunkten, um die es geht, meiner Meinung nach gar nichts zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: Das musst nicht du beurteilen! – Bundesrat Steiner: Gut, dass deine Meinung nichts zählt!)

Durch das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbs­bedingungen werden unlautere Handelspraktiken verboten, und das ist gut so. Es wird eine EU-Richtlinie umgesetzt und in nationales Recht umgewandelt. Das war jetzt auch höchste Zeit.

Was sind die Hauptgesichtspunkte dieses Gesetzentwurfes? – In der Agrar- und Le­bensmittelversorgungskette bestehen oft erhebliche, wirklich erhebliche Ungleichge­wichte in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Durch die Richtlinie sollen Lieferanten, welche oft kleine und mittlere Betriebe sind, in der Lebensmittelkette gestärkt werden. Im vertikalen Verhältnis können ungleiche Machtverhältnisse für die Akzeptanz von Vertragsklauseln durch ei­nen Vertragspartner ausschlaggebend sein. Es ist einfach wichtig, wie das geregelt ist. Marktmächtigere Unternehmen können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die nachteilig für schwächere Geschäftspartner sind. Einzelne Produkte oder Produktgrup­pen können aus dem Sortiment des Handels genommen werden. Letztlich könnte das zum Ausscheiden von bäuerlichen Betrieben aus dem Markt führen und eine höhere Konzentration bewirken, die langfristig für den Wettbewerb schädlich sein könnte.

Ein wichtiger Punkt ist eine Maßnahme, die dem sogenannten Feareffect entgegenwirkt, also der Angst, Klagen einzubringen, weil befürchtet wird, dass man ausgelistet wird. Das ist die sogenannte Beschwerdestelle. Diese ist notwendig – wir brauchen dafür eine zusätzliche Behörde, Kollegin Kahofer! Dort ist es nämlich möglich, das anonym und vertraulich einzubringen. Dort wird auch im Vorfeld analysiert, welche rechtlichen An­knüpfungspunkte vorliegen. Das ist sozusagen ein niederschwelliger, unbürokratischer Zugang, der wichtig ist.

Die Richtlinie verbietet bestimmte Handelspraktiken und enthält auch eine Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in den Beziehungen zwischen Käu­fern und Lieferanten. Auch bestimmte, in der Praxis relevante Praktiken sind umfasst, zum Beispiel das Fordern von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattun­gen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen.

Der Fokus auf den niedrigsten Preis für den Endkonsumenten führt mittel- und langfristig dazu, dass die erste Stufe der Lieferkette, nämlich die Produzenten, also die Bäuerinnen und Bauern, massiv unter Druck gesetzt werden und letztlich viele Marktteilnehmer, insbesondere kleinere, aus dem Markt ausscheiden, was zu Arbeitsplatzverlusten führt, die Produktvielfalt verringert und die Marktkonzentration automatisch erhöht. Und das ist eben das Gegenteil der Zielsetzung des Wettbewerbsrechts, schadet langfristig den KonsumentInnen und geht zulasten von Arbeitsplätzen, von Resilienz und Vielfalt.

Die Konsumentenwohlfahrt darf nicht nur die Preise für Konsumenten im Fokus haben, sondern sie muss auch auf langfristige Auswirkungen wie insbesondere Qualität, Innova­tion und Vielfalt abgestellt werden. Das ist wirklich wichtig.

Noch einmal zusammengefasst: Basierend auf einer EU-Richtlinie werden unlautere Handelspraktiken für den Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen verboten. Bäuerinnen und Bauern verdienen faire Preise und faire Handelsbedingungen für ihre Erzeugnisse. In ungleichen Machtverhältnissen ist es eben notwendig, klare gesetzliche Regelungen dafür zu schaffen. Das betrifft nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel, es betrifft auch die verarbeitende Industrie, und das gar nicht so wenig.

Ich freue mich sehr, dass nun ein Gesetz vorliegt, das auch die Direktvermarktung der Bäuerinnen und Bauern absichert, denn die bisher üblichen Einschränkungen der Direkt­vermarktung verhindern auch wieder Innovation, Weiterentwicklung und Unabhängigkeit der bäuerlichen Betriebe, sozusagen auch ein zweites Standbein.

Mit dem Verbot dieser Praxis wird sich nun beispielsweise in den Verträgen mit den Molkereien oder anderen verarbeitenden Betrieben einiges ändern. Es freut mich auch, dass es den Grünen in den Verhandlungen gelungen ist, dass zwei Hauptforderungen der IG-Milch, die den bäuerlichen Betrieben mehr Unabhängigkeit verschaffen will und bereits vor 15 Jahren auf die marktbeherrschende Stellung der Molkereien aufmerksam machte, in das Gesetz eingearbeitet worden sind. Noch immer schreiben Molkereien den zuliefernden Genossenschaftsmitgliedern vor, wie viel ihrer Milch sie direkt vermark­ten dürfen oder verbieten die Direktvermarktung überhaupt. Auch aus weiteren Bran­chen sind ähnliche Entwicklungen bekannt.

Konkret wurden im Gesetz den Regelungen, was EU-rechtlich zu verbieten ist, zwei weitere entscheidende Punkte hinzugefügt: Die Direktvermarktung darf nicht unange­messen eingeschränkt werden, und Direktvermarkter dürfen nicht aus unsachlichen Gründen in Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung benachteiligt werden. Auch dieses Szenario kennen wir bisher zur Genüge. Das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz – so würde ich es nennen – ist ein großer Erfolg für die bäuerlichen Betriebe, deren Position und Unabhängigkeit gegenüber Handel und verarbeitender Industrie nun eindeutig gestärkt wird.

Abschließend noch ein paar Worte zur Einigung der nationalen Ausgestaltung der GAP-Mittel, der Agrarfördergelder, die heute gemeinsam von Ministerin Köstinger und unserer Agrarsprecherin Olga Voglauer präsentiert wird. Es war so etwas wie eine doppelte Premiere: Für die Grünen war es das erste Mal, die GAP zu verhandeln, und ich glaube, für das Landwirtschaftsministerium war es das erste Mal, das mit einer anderen Partei zu verhandeln. Die Verhandlungen haben sich ausgezahlt: Sie haben sich für die kleine­ren und bäuerlichen Betriebe und für die Biobetriebe ausgezahlt.

Es wird in Österreich – und das ist wirklich historisch – erstmals eine Förderobergrenze geben: Bei 100 000 Euro ist Schluss. Es werden die ersten 20 Hektar deutlich höher gefördert, und es ist gelungen, die Förderungen für die Biobetriebe in den Verhandlun­gen nochmals deutlich zu erhöhen.

Mit dem Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken und mit der GAP-Einigung im eben beschriebenen Sinne ist heute ein guter Tag für die bäuerliche Landwirtschaft und für die ökologische Landwirtschaft. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.20

Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Dr. Magarete Schramböck. Ich erteile ihr das Wort.