12.10

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Es gibt beim heute zu diskutierenden sogenannten Sterbeverfügungsgesetz einige positive Ansätze, die wir auch zur Kenntnis nehmen. Letztendlich bleiben für uns in diesem Gesetzentwurf aber viele Fragen unbeantwortet, sodass wir diesen keinesfalls mit gutem Gewissen mittragen können.

Grund für die heutige Diskussion ist ein Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, und dazu kann man jetzt stehen, wie man will, auf jeden Fall ist dieses Erkenntnis so zu akzeptieren. Da kommt auch meine erste Kritik: Dieses Erkenntnis ist schon lange genug bekannt, und für so ein wichtiges Gesetz – das in Wahrheit höchst sensibel behandelt werden muss, weil es einfach sehr viele kontroversielle Meinungen dazu gibt – hätten wir uns ganz einfach eine längere Diskussion mit allen politischen Parteien und natürlich auch den verschiedenen Organisationen – Hospiz, Palliativpflege, Psychiater, Psycholo­gen, Heimpflege und so weiter – gewünscht, ja vielmehr sogar erwartet.

Ein breit angelegtes Beratungsforum des Nationalrates oder auch des Bundesrates bei­spielsweise, eine Enquete oder eine Anhörung – all das wären Möglichkeiten gewesen, aber diese Chance hat man ungenutzt gelassen.

Gerade einmal drei Wochen Begutachtungsfrist für ein so heikles Thema sind für uns unzureichend. In diesen drei Wochen sind auch 139 Stellungnahmen eingegangen, die aber wenig berücksichtigt wurden; manche sogar gar nicht, glaube ich. Angesichts der gesellschaftspolitischen Tragweite dieser Entscheidung fehlt mir da die Bereitschaft für einen offenen Diskurs, was dann aber wahrscheinlich wiederum auf den durch diese dreiwöchige Begutachtungsfrist künstlich erzeugten Zeitdruck zurückzuführen ist.

Frau Minister, uns ist klar, dass es mit Sicherheit sehr schwierig ist, da eine tatsächlich ausgleichende Entscheidung treffen zu können, und ich gestehe Ihnen auch zu, dass das höchstwahrscheinlich Ihr Ansinnen war. Als positiv sehe ich auch die Tatsache, dass die Einschränkung auf „volljährige und entscheidungsfähige“ kranke Personen in den Gesetzentwurf eingearbeitet wurde.

Was hingegen unklar ist, ist der Begriff der „unheilbaren“ Krankheit: Ohne genaue Def­inition lässt das den entscheidenden Ärzten doch wieder einen sehr weiten Interpreta­tionsspielraum, und wir alle wissen, dass auch Ärzte nur Menschen sind, denen man hiermit schon eine sehr große Bürde auferlegt.

Als positiv erachten wir auch das verpflichtende Aufklärungsgespräch durch zwei Ärzte – wir wünschen uns aber, dass es zumindest noch ein weiteres Gespräch geben soll, dies sollte mit einem Psychiater stattfinden.

Nun komme ich zu unseren Kritikpunkten: Alleine die Begrifflichkeit „Sterbeverfügung“ ist missverständlich, es sollte eigentlich Suiziderklärung heißen. Im Gesetzentwurf ist dann auch noch von „sterbewillige Person“ die Rede: Auch das ist unkorrekt, das sollte ganz klar suizidwillige Person heißen, denn nicht jede sterbewillige Person ist auch sui­zidwillig. Da besteht schon ein großer Unterschied, fragen Sie einmal in der Palliativme­dizin nach.

Unser größter Kritikpunkt an diesem Gesetzentwurf ist, dass kein geregelter Vorgang der Selbsttötung vorgesehen wird. Meine Damen und Herren, bei diesem hochsensiblen und heiklen Thema muss Ihnen klar sein, dass die Begleitung, die der oder dem Sui­zidwilligen beisteht, meist nur irgendeine vertraute Person ist, die aber ungeschult ist. Was geschieht, wenn dann währenddessen Nebenwirkungen auftreten? Was ist, wenn das Präparat nicht ausreichend wirkt, um letal zu sein? Was ist mit Erster Hilfe? Was ist, wenn die suizidwillige Person dann noch irgendetwas äußert oder es sich dann doch noch anders überlegt?

Da gibt es also wirklich viele Unklarheiten, Unschärfen und auch Unsicherheiten – und wenn es nur darum geht, dass man ganz klar im Gesetz regeln würde, dass zum Beispiel Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht gesetzt werden dürfen. Das alles, ganz ehrlich, muss furchtbar sein für jene Personen, die sich bereit erklären, bei einer Selbsttötung zu be­gleiten, eine ganz massive psychische Belastung.

In diesem Entwurf fehlen uns weiters auch die klaren Vorgaben von Meldepflichten der mitwirkenden Personen, um klarzustellen, dass sicher kein Straftatbestand erfüllt wird. Eine derartige Dokumentation wäre in vielerlei Hinsicht notwendig, ist aber nicht eindeu­tig geregelt.

Letztendlich ist auch nicht geregelt, was mit dem tödlichen Präparat passiert, wenn es zum Beispiel nicht vollständig verwendet oder der Suizid dann doch nicht durchgeführt wird. Das war zum Beispiel auch einer der Kritikpunkte der Apothekerkammer in einer Stellungnahme – und ja, das ist ein tödliches Präparat, das dann in Umlauf ist.

Auch nicht geregelt ist, dass jene Menschen, die unterstützend beim Suizid dabei sind – also jene, die Beihilfe leisten –, die mit Sicherheit einer großen psychischen Belastung ausgesetzt sind, entsprechende Unterstützung finden sollen: An wen können sie sich wenden? Wem müssen sie berichten? Wer hilft ihnen im Fall des Falles?

Wie gesagt: Ich gestehe Ihnen zu, Frau Minister, dass diese Gesetzesfindung mit Sicher­heit eine sehr schwierige ist, und wir erkennen auch klar an, dass versucht wurde, ei­niges Positive im Sinne leidender und beeinträchtigter Personen auf den Weg zu brin­gen. Letztendlich ist dieser Gesetzentwurf aber für uns trotzdem noch nicht fertig durch­dacht und enthält auch die eine oder andere mögliche unabsichtliche Stolperfalle für den Suizid begleitende Personen.

Das Wichtigste – ganz unabhängig von diesem Gesetzentwurf – ist, dass die Palliativ­medizin in Österreich endlich entscheidend ausgebaut und mit entsprechenden finan­ziellen Mitteln ausgestattet wird. Ich weiß, es gibt die Willensbekundungen dazu – die reichen uns aber nicht aus, denn das kennen wir aus der Vergangenheit: Versprochen wurde viel, gehalten leider wenig, und letztendlich wurde dann doch wieder alles kaputt­gespart. Wir Freiheitliche haben dazu einfach definitiv einen anderen Zugang. (Beifall bei der FPÖ.)

12.17

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.