15.26

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hau­se! Ich werde jetzt das Tempo etwas entschleunigen, nachdem die Kollegin aus zeitöko­nomischen Gründen dankenswerterweise so schnell vorgetragen hat. Ich bitte aber zu verzeihen, dass ich das jetzt etwas ruhiger angehe. Auch im Zeichen der bevorstehen­den Weihnachtszeit werde ich meine Rede heute entsprechend etwas entschleunigter bringen.

Auch die Tagesordnungspunkte 18 bis 22 stehen ganz im Zeichen der Covid-Pandemie. Eingangs möchte ich festhalten, dass wir den Tagesordnungspunkten 18, 19, 20 und 22 unsere Zustimmung erteilen werden. Betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, werden wir nicht zustimmen.

Eigentlich entsteht derzeit der Eindruck, dass wir Gefahr laufen, mit Volldampf in den nächsten Lockdown zu fahren. Der Trend der Zahlen geht zwar erfreulicherweise nach unten, doch warnt bereits heute eine Anzahl von Experten vor einer bevorstehenden Omikronwelle in wenigen Wochen. Bei Eintreffen dieser vorhergesagten extremen Omi­kronwelle droht Österreich ein Versorgungsengpass, verursacht von vielen Kranken­ständen und einem erneuten Anstieg der Zahl von Patienten in den Kliniken. Es ist gut, dass nunmehr ein Expertengremium eingesetzt wurde. Unsere Vorsitzende und Fachex­pertin hat ein solches Gremium bereits vor einem Jahr eingefordert – schön, dass es dieses nun gibt.

Für die Experten stellt sich jetzt eigentlich nicht die Frage, ob die fünfte Welle kommt, sondern wann sie kommt. Es ist erfreulich, dass die heutigen Beschlüsse des Exper­tengremiums auch wirklich umgesetzt werden, denn bis dato waren wir uns da nicht so sicher, wenn wir die Regelungen für Weihnachten und Silvester näher betrachtet haben. Es gibt da aber eine neue, aktuelle Entwicklung, und ab 27.12. kommt auch mit der Sperrstundenänderung auf 22 Uhr Bewegung in diese Sache. Ich bin mir sicher, dass der Herr Bundesminister den Bundesrat noch im Rahmen dieses Tagesordnungspunk­tes davon in Kenntnis setzen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines muss klar sein: Pandemiemanagement und Parteipolitik sollen möglichst wenig miteinander zu tun haben.

Eine Vielzahl europäischer Länder gehen einen viel härteren Weg im Umgang mit der bevorstehenden fünften Welle. Dänemark und England haben die höchsten Inzidenzen und sind derzeit so etwas wie Versuchskaninchen für den Rest der Welt. Die Niederlande stehen still, Deutschland reagiert ähnlich und spricht von einer schönen Bescherung zu Weihnachten.

Teneriffa, Mallorca werden laut heutigen Pressemeldungen von einem Omikrontsunami überrollt, und dies ist sicher nicht der unkontrollierten Einreise der Gäste aus Großbritan­nien geschuldet. An dieser Stelle liebe Grüße nach Tirol. (Beifall bei der SPÖ.)

Stündlich kommen die Meldungen aus ganz Europa über das lawinenartige Aufpoppen der Omikronvariante und massiver Erkrankungszahlen. Für den Krisenstab Gecko ste­hen nun die Testungen, Impfungen und Medikamente im Mittelpunkt.

Dies sollte die gute Botschaft sein: Laut Gesundheitsausschuss sollen Medikamente schon im großen Stil bestellt worden sein und bereits mit Jahresende geliefert werden. Dazu aber die schlechte Nachricht: Die Medikamente ersetzen nicht die Impfung, und sie sind auch nicht für die niedergelassenen Ärzte, für die Medikation zugänglich. Sie können aber – um das Medikament nicht schlechtzureden – bei rascher Verabreichung Risikopatienten vor lebensgefährlichen Reaktionen schützen.

Eines muss uns klar sein: Die Dynamik der Pandemie mit der Delta- oder jetzt mit der Omikronvariante bei einer noch immer zu niedrigen Impfquote lässt im Ergebnis keine andere Wahl zu, als sich mit einer Impfpflicht auseinanderzusetzen. Der mit der geplan­ten Impfpflicht vorgesehene Grundrechtseingriff ist nicht nur verfassungsrechtlich ver­tretbar, sondern auch unter medizinisch-ethischen Gesichtspunkten verhältnismäßig, denn der Staat hat die Aufgabe, für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu sor­gen. Die Grenzen der persönlichen Freiheit sind erreicht, wo das persönliche Verhalten andere in Gefahr bringt. Es stimmt: „Eine Pandemie ist keine Privatsache“, wie die Bio­ethikkommission richtig festgestellt hat.

Eines muss aber auch klar sein: dass die Impfung allein die Pandemie nicht beenden wird. Eine fünfte Pandemiewelle mit der Omikronvariante könnte schneller eintreten, als wir alle es erwarten, und es könnte die schwerste werden, wenn wir den Experten Glau­ben schenken dürfen. Diese raten zu einer vielfältigen Anzahl an Maßnahmen, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen.

Herr Bundesminister, wie haben Sie in einer PK festgestellt? – „Wir wissen schon vieles, aber noch nicht genug“. – Es ist so, dass Omikron all das bestehende Wissen zu Impf­schutz und Ansteckungsrisiko massiv infrage stellt. Daher ist schon zu hinterfragen, ob die für Feber in Diskussion stehende Impfpflicht wirklich zu diesem Zeitpunkt realisierbar sein wird und ob sie sinnvoll erscheint, hat doch von der Leyen zig Millionen Impfdosen für die EU bestellt, die auch bereits an Omikron angepasst werden sollen, jedoch mit einem Liefertermin nicht vor März. Wir hoffen, es kommt nicht wieder zu so einer Wurschtlerei wie beim grünen Pass, als Österreich diesen schon voreilig eingeführt hatte und schlussendlich doch wieder hintennach war. Vielleicht würde da eine Abstimmung mit der EU doch mehr Sinn machen.

Damit verbunden muss auch die Umsetzbarkeit durchdacht sein. Derzeit herrscht der Eindruck der Planlosigkeit vor. Die Hoffnung auf einen Irrtum der Experten reicht für eine sinnvolle Vorbereitung nicht aus. Spätestens die bevorstehende fünfte Welle soll Anlass geben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Wir müssen uns für den Notfall vorbereiten. Die bevorstehende Welle gefährdet die Infrastruktur.

Diese Krise ist längst nicht mehr allein als eine medizinische Gefahr zu behandeln, nein, sie hat bereits alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens befallen. Das heißt, wir müs­sen das Ganze viel breiter betrachten und uns die Frage stellen: Was macht diese Pan­demie mit der Gesellschaft?

Der vierte Lockdown hat uns 5,1 Milliarden Euro gekostet. Mit der aktuellen Schließung erhöhen sich die Pandemiekosten laut Fiskalrat auf 63,8 Milliarden Euro, und diese wer­den noch bezahlt werden müssen. Die Zwischenzeit sollte dazu genützt werden, alles zu unternehmen, um aufzuklären und die Bevölkerung zu informieren.

Wie bereits gesagt plant diese Regierung, eine allgemeine Impfpflicht gegen den Coro­navirus einzuführen, aber diese Impfpflicht kann nur ein Teil einer viel breiter anzule­genden Strategie zur Bewältigung der Pandemie und zur Anhebung der Impfquote sein. Man muss die Menschen ernst nehmen. Man muss sie über die Fakten zur Corona­impfung informieren, Ängste beseitigen und innovative Impfanreize setzen. Der Fokus, ausschließlich auf Strafen zu setzen, ist zu einseitig. Es braucht jetzt sofort eine breit angelegte, niederschwellige Impfoffensive, welche die Menschen vor Ort abholt, ihre Fragen beantwortet, ihre Ängste beseitigt und zur Impfung motiviert. Daher möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „eine breit angeleg­te, niederschwellige Aufklärungs- und Informationsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort eine umfassende Aufklärungs- und Infor­mationsoffensive über die Corona-Schutzimpfung zu starten, die der österreichischen Bevölkerung niederschwellig und vor Ort die Möglichkeit bietet, sich über die Impfung zu informieren, ihre Fragen beantwortet zu bekommen, ihren Ängsten Ausdruck zu verlei­hen und sie darüber hinaus zur Impfung zu motivieren."

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Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schwarz-Fuchs.)

15.35

Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „eine breit angelegte, nieder­schwellige Aufklärungs- und Informationsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.