10.33

Landeshauptmann von Vorarlberg Mag. Markus Wallner: Geschätztes Präsidium! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich noch von meiner Seite zwei, drei Rückmeldungen auf das Geäußerte geben, weil ja auch viele Denkanstöße dabei waren.

Kollege David Egger hat das Thema Wohnen zumindest angetönt. Ich glaube, man könnte eine ganze Debatte damit verbringen, darüber zu sprechen, was zu tun ist, und auch über die Rolle der Länder dabei. Wir müssen darauf achten, dass uns die Wohn­bauförderung bleibt  das ist auch ein Bundesthema. Ich sage das auch so offen, weil es immer wieder einmal kam – in dem Fall vonseiten der Wirtschaft –, den Wohnbauför­derungsbeitrag abzuschaffen. Wir haben ihn jetzt verländert, das heißt, obwohl der Bund den Rahmen dazu vorgibt, ist das ein wesentliches Instrument für uns – ohne Wohnbau­förderung kein leistbares Wohnen in Vorarlberg!

Im Übrigen sind wir ein Bundesland, das die Darlehen nicht verkauft hat. Wir haben aus­haftende Darlehen in Höhe von ungefähr 1,4 Milliarden Euro in einer konsequenten Re­finanzierung der Wohnbauförderung  ein sehr gutes System, weil ungefähr 100 Mil­lionen Euro pro Jahr in das Budget zurückfließen und wieder in den Wohnbau investiert werden können. Ohne diese Mittel, ohne diese Initiative, ohne diesen Beitrag, wäre es, glaube ich, noch schwieriger.

In unserer Region ist das eine Riesenherausforderung. Grundstückspreise explodieren – wir sind eine attraktive Region – aufgrund großen Zuzugs, vor allem auch aus Deutsch­land, es gibt die Nähe zur Schweiz  ich muss Ihnen das nicht beschreiben. Da haben Sie natürlich ein für die Jugend, für die Familien wichtiges Thema angesprochen. Woh­nen ist ein zentrales Grundbedürfnis, die Leistbarkeit ist ein Riesenthema geworden.

Wohnbauförderung, Wohnbeihilfe, Grundstückssicherung; den „Ausverkauf“ haben Sie genannt: Das sind schon wichtige Fragen. Ich weiß auch, dass in Salzburg einiges in diese Richtung gemacht wird. Wir schauen uns das sehr genau an, stehen in einem Austausch, weil natürlich die Frage, was sich bei uns weiter am Grundstücksmarkt ent­wickelt, ungemein wichtig ist, da die Preise so nach oben gehen.

Persönlich bin ich der Meinung, dass man vor allem über Grundverkehrsgesetzgebung und Raumplanungsinstrumente arbeiten muss und dass wir insbesondere mit befristeten Widmungen arbeiten müssen. Es kann heute bei der Rendite, die man erzielen kann, jeder verstehen, dass an sich das Beste, was Sie tun können, wenn Sie ein paar Euro zu viel haben, ist, sich ein Grundstück zu kaufen. Da erzielen sie relativ locker eine Rendite von 4,5 Prozent. Es gibt kein anderes Produkt im Moment, mit dem Sie das so erreichen können, außer sie sind spekulativ unterwegs. Das heißt, viele weichen auf diese Möglichkeiten aus, und das führt natürlich insgesamt zu großem Druck.

Das Horten von Grundstücken ist in unserer Region ein Thema, und das ist insbeson­dere dort, wenn man eben ein kleineres Bundesland ist, auch ein gebirgiges Bundesland mit insgesamt wenig verfügbarer Fläche, ein großes Thema. Auf jedem Quadratmeter Grund und Boden herrscht ein großer Nutzungsdruck, nicht nur vonseiten des Wohn­baus – von Familien, die leistbares Wohnen wollen –, sondern auch vonseiten der Wirt­schaft, des Naturschutzes, der natürlich auch Dinge erhalten möchte, vonseiten des Tou­rismus, der Freizeitnutzung und, und, und. Jeder Quadratmeter Grund und Boden in unserem Bundesland ist nicht nur vom Inland, sondern auch vom Ausland aus betrachtet höchst interessant, und Sie können sich vorstellen, dass das eine der größten Heraus­forderungen der Landespolitik schlechthin ist.

Zur Pflege ein paar Sätze, weil sie jetzt so in den Mittelpunkt gerückt ist: Ich bin eigentlich dankbar dafür, dass man die Pflegedebatte führt. Führen Sie sie weiter, und zwar in­tensiver, wir werden Gelegenheit dazu haben! Dass Sie pflegende Angehörige so in den Mittelpunkt stellen – dazu gibt es jetzt viele Diskussionen –, ist absolut richtig.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich zumindest skeptisch gegenüber diesen An­stellungsverhältnissen innerhalb der Familie bin, auch aus eigener Erfahrung heraus. Wenn die Pflege zu Hause funktionieren soll, ist es für mich immer eine Grundfrage, ob wir mit dem Angestelltengesetz und mit allem, was dahintersteht, dort, in der Familie, überhaupt etwas bewerkstelligen können. Die Pflege zu Hause ist etwas, was in der Familie geleistet wird und bei dem man mit diesem sozusagen Regime eines Ange­stelltengesetzes seine Schwierigkeiten haben wird.

Was da im Burgenland passiert, ist insgesamt sicher eine gute Initiative. Wir beobachten das auch ganz genau, und dort ist auch nicht das abschließende Wort in dem Zusam­menhang gesprochen, ich möchte Ihnen aber folgenden Gedanken mit auf den Weg geben: Schauen Sie in Ihre eigenen Familien, wie Sie dort mit einem Angestelltengesetz die Pflege in der Familie organisieren würden: mit Urlaubszeiten, Arbeitszeiten, Über­stunden, Wochenenden, Nachtzuschlägen und mit was weiß ich was allem, also dem ganz normalen Angestelltenverhältnis! Innerhalb einer Familie ist es nicht einfach, das gut hinzubringen. Ich bin aber dankbar, wenn man so offen darüber redet.

Was die pflegenden Angehörigen brauchen, ist jede Form der Unterstützung. Achten Sie mit uns gemeinsam auf das Pflegegeld, schon in diesem Zusammenhang! Wissen Sie, wo das Pflegegeld erfunden wurde? In Vorarlberg. Der damalige Abgeordnete zum Nationalrat Feurstein, ehemaliger Sozialsprecher der Volkspartei  eigentlich legendär, weil sehr wissend (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann); Sie werden ihn vielleicht noch kennen, weil Sie so lachen, er war jedenfalls einer derer, die spontan wussten, was in jedem Paragrafen steht, war sehr genau, aber auch sehr wissend und sehr visionär ‑, hat damals Pflegegeld für die zu Pflegenden gefordert  nicht für die Angehörigen, für die zu Pflegenden! , um ein Höchstmaß an eigener Beweglichkeit zu fördern, um ein Höchstmaß an eigener Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Unsere Idee und meine Idee der Pflege war nie, Leute in eine Abhängigkeit zu führen, sondern sie möglichst lange selbstständig entscheiden zu lassen. Das Pflegegeld steht den zu Pflegenden und nicht den Angehörigen zu, um das einmal klar zu sagen. Wir wollen, dass Leute möglichst lange selbstständig bleiben! Es ist eine Frage, mit welchem Selbstbild, mit welchem Bild von Menschenwürde Sie durch das Leben gehen. Nach meinem Selbstbild ist das klar: Ich hätte gerne, dass zu Pflegende möglichst lange selbst über ihr Leben entscheiden können, möglichst lange zu Hause bleiben können und dort jede Form der Unterstützung kriegen, die sie brauchen.

Die Angehörigen brauchen Entlastungsangebote jeglicher Art: Kurzurlaube, vielleicht auch ein pflegefreier Tag – auch solche Dinge kann man überlegen. Das wird im Moment alles diskutiert. Auch etwas in Sachen eines Pflege-daheim-Bonus für Angehörige zu tun, wäre absolut richtig.

Ich bin in diesem Bereich sehr offen, wir sollten aber eben richtig gewichten. Wenn 80 Prozent der Pflege in unserem Bundesland zu Hause erfolgen, dann ist das zu sehen. Wir wollen den Anteil nicht verschieben, sondern eigentlich halten oder sogar ausbauen können. Es ist also gut, das im Blickfeld zu halten.

Ein Wort noch zu Kollegin Marlies Steiner-Wieser: Wir kennen uns schon sehr lange, das stimmt, schon aus Hochschülerschaftszeiten. Wer sie näher kennt, weiß, dass das heute geradezu eine Charmeoffensive an Freundlichkeit war. (Allgemeine Heiterkeit.) Sie kann auch anders, das weiß ich. Sie dürfen also nicht überrascht sein: Ich habe das als wohltuende freundliche Worte empfunden, nämlich gegenüber dem, was ich sonst schon erlebt habe. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall. Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Das kommt heute schon noch schärfer!)

Falls also manche Medienvertreter meinen, sie haben mich heute kritisiert: Ich habe das fast als Lob empfunden. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich möchte aber einen Punkt herausgreifen, bei dem wir eigentlich durchaus beide etwas sehen, was für das Bundesland wichtig ist: Ich teile einen gewissen Groll und einen ge­wissen Ärger über diese S-18-Debatte, das muss ich sagen – und bei dem Thema bin ich farbenblind –, weil wir seit Jahren und Jahrzehnten einfordern, dass diese Autobahn­verbindung zwischen der Schweiz und Österreich – schauen Sie vielleicht einmal von oben auf das Land hinunter, da sieht man es dann ganz gut! – hergestellt wird, und ich verlange in dem Zusammenhang auch von der zuständigen Ressortministerin Gewess­ler nichts anderes, als dass das Bundesstraßengesetz umgesetzt wird. Es gibt einen gesetzlichen Auftrag, diese Autobahnverbindung herzustellen, und ich gehe bei einer Ministerin davon aus, dass sie das einhält und nichts anderes tut. Mehr verlange ich in dem Zusammenhang nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zu Kollegen Arlamovsky noch einen Satz; wir waren offenbar in der gleichen Fraktion, das habe ich gar nicht gewusst. Wo sitzt er? – Da hinten. Heute ist er bei den NEOS gelandet – schade! (Heiterkeit bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.) Wir müssen einmal darüber reden, was da passiert ist.

Um jedenfalls noch auf zwei, drei Dinge einzugehen: Die NEOS in Vorarlberg haben Sie nur einseitig informiert. Wenn Sie die Kinderbetreuungsangebote im Land, auch bei uns, anschauen – ich habe jetzt nicht den Gesamtüberblick in Österreich, aber bei uns –, werden Sie sehen, die Ausgaben dafür haben sich in den letzten zehn Jahren verzehn­facht, vor allem auf der Gemeindeseite und der Länderseite. Das heißt, wir investieren massiv im Bereich der Kinderbetreuung, wir bauen das aus für alle Bereiche. Wir sind bei den Vier- und Fünfjährigen bei 100 Prozent Betreuungsquote, bei den Dreijährigen nahezu bei 100 Prozent, bei den unter Dreijährigen tiefer.

Das heißt, die Initiative, die meiner Meinung nach jetzt gemacht werden musste, ist, ge­meinsam mit dem Bund – der Herr Bundeskanzler, der soeben gleichfalls eingetroffen ist, hat sich als Gesprächspartner in dem Zusammenhang schon in Stellung gebracht – auch die 15a-Vereinbarung betreffend Elementarpädagogik, die wir angesprochen haben, vor gut zwei Wochen auf den Weg zu bringen. Das heißt, da gibt es ein gemein­sames Interesse zwischen Bund und Ländern, auch zwischen uns beiden, eine Ver­einbarung zustande zu bringen, die mehr Mittel in den Bereich pumpt, die aber auch einen Ausbau im Bereich der unter Dreijährigen sicherstellen kann.

Eines muss aber auch klar sein, weil Sie da die Bürgermeister etwas eigenartig hinstel­len: Ein Bürgermeister hat schon die Verantwortung, vor Ort zu schauen, wie er das Angebot ausbaut, aber er muss auch bedarfsorientiert vorgehen. Das muss man ihm schon überlassen können. Eine Gemeindevertretung hat auch die Funktion, bedarfs­orientiert vorzugehen, ein Angebot auch leistbar zu halten. Und ich sage es auch ganz offen: Diesen deutschen Weg, den man dort eingeschlagen hat, nämlich einen Rechts­anspruch zu formulieren, der dazu führt, dass sich Eltern und Gemeinden vor Gericht wiederfinden, halte ich persönlich für falsch.

Das Angebot muss ausgebaut werden, muss bedarfsorientiert sein, muss leistbar sein, mit besseren Öffnungszeiten. Regionenübergreifend oder gemeindeübergreifend ist für mich eigentlich auch klar. Wenn es kein Angebot in der Gemeinde A gibt und die Ge­meinde B 10 Minuten entfernt liegt, dann sollte das natürlich dort auch wahrgenommen werden können – übrigens auch am Arbeitsplatz, also dort, wo jemand arbeitet. Eine gewisse Flexibilisierung und eine gewisse Flexibilität sind in dem Bereich notwendig, aber ansonsten sage ich natürlich: Vielen Dank, dass Sie das Thema mitaufgreifen und mithelfen wollen, dass wir diese Vereinbarung auch über Ihre Fraktion in Bund und Land auf den Weg bringen. Es ist ein gemeinsames Interesse von Bund und Ländern, die Elementarpädagogik bedarfsorientiert, aber gut, mit mehr Mitteln, weiter auszubauen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen heute noch eine gute Debatte. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

10.43

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Landeshauptmann.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.