9.31

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Frau Mi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Wir haben das heute schon öfters gehört: Power, also Stärke, aber auch Zuversicht und Selbstvertrauen braucht es in diesem Land, wenn man als Frau weiterkommen möchte, vielleicht sogar Karriere machen oder einfach nur gut verdienen und vielleicht auch noch Kinder haben möchte. Frauen haben es immer noch schwerer, in eine gute Stelle, zu gutem Verdienst und auch zu Vermögen zu kommen. Man könnte nach Hunderten Jahren, in denen Frauen nichts wert waren, sagen: Na ja, kein Wunder, dass es so lange dauert!, aber ich sage Ihnen, es liegt nicht an der Zeit, sondern am Willen, die Ungleichwertigkeit vom Frausein und Mannsein endlich hinter uns zu lassen. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

In einer modernen Gesellschaft, wie wir sie sind, in einer Gesellschaft, in der wir uns der Demokratie und Gerechtigkeit rühmen, darf Geschlecht keine Auswirkung auf Hand­lungsmöglichkeit oder gar Behandlung haben – aber das hat es! Von Geburt an werden Mädchen und Buben  und später Frauen und Männer  in Rollen gezwängt und in ihren Spielräumen definiert. Nun können wir darauf hoffen, dass sich die Einstellung der Menschen ändert und sich Gleichstellung von selbst einstellt. Sie hören natürlich den Sarkasmus, denn wir machen hier hoffentlich gerechte Politik und daher müssen wir für ausgeglichene Handlungschancen sorgen.

Auch in der Politik setzen sich aber vor allem die Frauen  wir haben es bisher gesehen, Gott sei Dank kommen aber nach uns noch Redner  für die Gleichstellung und gerechte Verteilung von Handlungs- und Definitionsmacht ein. Eine Ausnahme sind die Grünen ich bin sehr stolz darauf und das hat mich auch zu ihnen gebracht –, bei denen schon seit Jahrzehnten alle Positionen mit gleich vielen Frauen wie Männern besetzt werden  das ist der Punkt. Gleichstellung bedeutet Einschränkung von Macht und Verschiebung von Machtverhältnissen, und da liegt es auch an den Männern, diese Macht abzugeben.

Gleichstellung bedeutet, gleiche Handlungsmacht zu haben, das heißt, selbst darüber zu entscheiden, was man tun möchte. Handlungsmacht ist aber sehr unterschiedlich verteilt. Wie genau und aus welchen Gründen können Studien, wie zum Beispiel der Frauenbericht und die Zeitverwendungsstudie, aufzeigen. Mit solchen Informations­grundlagen, die die Ungleichheit im eigentlich Gleichen aufzeigen, können dann Gleich­stellung fördernde Maßnahmen gesetzt werden. Ja, es geht um Gleichstellung, denn wir wollen für die gleiche Arbeit dasselbe verdienen.

Warum rede ich nun so lange von Handlungsmacht? – Weil es im Titel der Aktuellen Stunde steckt, das englische Empowerment bedeutet auf Deutsch Handlungsmacht. Ich gebe Ihnen, Frau Ministerin, die Sie Frauen-, Familien-, Integrations- und Medienminis­terin sind, recht: Handlungsmacht ist ein essenzieller Punkt in der Gleichstellungspolitik. Wir haben das heute schon anders gehört, ich sehe das aber so.

Sie haben nun eine Initiative gestartet, sie nennt sich LEA, die Frauen und Mädchen in die sogenannten Mint-Fächer bringen soll. Mint bedeutet Mathematik, Informatik, Natur­wissenschaften und Technik, das sind Branchen, in denen Fachkräftemangel herrscht. Ich habe hier auch schon einmal unterstellt, dass dies der eigentliche Grund dafür ist, dass diese Initiativen ergriffen werden – eine Unterstellung. Jedenfalls sind es Branchen, in denen man gut verdient, daher ist es natürlich begrüßenswert.

Ginge es aber nur nach der formalen Ausbildung, auch das haben wir heute von Kollegin Grossmann schon gehört, müssten Frauen schon jetzt einen Gehaltsvorsprung von 1,2 Prozentpunkten gegenüber Männern haben. Das haben sie aber nicht! Frauen ver­dienen in Österreich noch immer um 20 Prozent weniger als Männer, und das liegt ein Drittel unter dem EU-Durchschnitt von 14 Prozent. Österreich findet sich in der Gleich­stellungspolitik wieder einmal unter den Schlusslichtern.

Solche Initiativen, wie die gestartete, sind gut. Hoffen wir, dass sie Mädchen wirklich Angebote machen. Diese Maßnahmen sind aber nur ein winziger Teil der Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, um die Lohnschere, also den Genderpaygap, zu schließen. Viele Baustellen sind da noch offen und müssen bearbeitet werden. Lassen Sie mich auch ein paar Beispiele bringen.

Erstens, die gläserne Decke: Frauen haben es noch immer sehr schwer, in die gut be­zahlten Ebenen eines Unternehmens aufzusteigen. Seit Einführung der verbindlichen Quote von 30 Prozent in Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen sind mehr Frauen in Aufsichtsräten. Ja, aber es sind immer noch nicht 30 Prozent und es sind 30 Prozent und nicht 50. Selten aber finden sich Frauen in den höchstbezahlten Posi­tionen der Unternehmensführung und auch nicht in Vorständen, und das sind die wirklich gut bezahlten Posten. Ja, da würde die Quote helfen, denn die Quote wirkt.

Zweitens, wir haben es auch schon gehört: Typische Frauenberufe, von Elementarpäda­gogInnen bis FrisörInnen, sind meistens sehr gering bezahlt. Da bedarf es höherer kollektivvertraglicher Mindestgehälter. Ich erinnere die SPÖ daran, dass da leider schon lange Handlungsbedarf gegeben ist und Sie auch einmal in Regierungsverantwortung waren.

Drittens: Frauen übernehmen die meiste unbezahlte Arbeit, sei es Kindererziehung, Alten- und Krankenpflege, Haushalt und die Familienorganisation. Durchschnittlich ar­beiten Frauen doppelt so viel wie Männer unbezahlt und sie arbeiten auch mehr. Sie haben daher weniger Freizeit, um sich weiterzubilden oder gar politisch zu engagieren; schauen wir in unsere Reihen. Es fehlt den Frauen also schlichtweg an Zeit für einen zeitaufwendigen und gut bezahlten Job. Das  auch das haben wir gehört zeigt sich bei der Teilzeitquote: 50 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit, das ist der dritthöchste Wert in der EU! Wir sind wieder eines der Schlusslichter, in der EU sind es durchschnitt­lich 30 Prozent.

Die Folgen des Geringverdienens sind Armut, auch Armut im Alter und Armut bei einem Großteil der Alleinerzieherinnen. Eine besonders schlimme Folge von dieser Armut im Erwerbsleben ist natürlich die Abhängigkeit von einem, im schlechtesten Fall gewalt­bereiten, Ehemann. Die Lösungen sind auch da vielfältig, sie reichen von einer Reduk­tion der Normalarbeitszeiten  im besten Fall auf eine 30-Stunden-Woche  und Min­destlöhnen über eine verpflichtende Väterkarenz und das Recht auf Betreuungseinrich­tungen für Kinder ab dem ersten Geburtstag bis zu leistbaren und qualitativen Pflege­einrichtungen. Solche Maßnahmen erweitern den Spielraum und die Handlungsmöglich­keiten von Frauen und sie schaffen Tatsachen.

Ein Beispiel: Wenn wir an neue Karenzmodelle denken, können wir auch an Island den­ken, das dabei mit sehr gutem Beispiel vorangeht. Dort gibt es eine verpflichtende Väter­karenz. Das bedeutet, wenn Männer nicht mindestens, ich glaube, in etwa ein halbes Jahr in Karenz gehen, dann bekommen sie kein Karenzgeld mehr, dann wird das Ka­renzgeld gestrichen. Es zeigt sich, dass mehr als 90 Prozent der Männer in Väterkarenz gehen. Dort zeigt sich ihnen auch, was es für eine Knochenarbeit ist, Haus- und Sor­gearbeit zu machen.

Erst gestern erzählte mir eine Freundin, die ein halbes Jahr zu Hause in Karenz war und nun wieder in die Arbeit geht, wie sie sich auf die Erholung Job freut. Das Wichtigste daran ist aber, dass es sorgende Männer schafft und zu einem Wandel in der Bewertung dieser jetzt meist auch noch unsichtbaren und eben minderbewerteten Arbeit führt. Es ist auch eine Minderwertigkeit, die natürlich Frauen und dem, was sie tun, zugeschrieben wird.

Sorge- und Sozialarbeit ist immer noch schlecht oder gar nicht bezahlt und wird vorwie­gend von Frauen gemacht, daher braucht es natürlich neben solchen Modellen wie Väterkarenz Gleichstellungsarbeit schon vom Kleinkindalter an. Es braucht Räume, in denen schon Buben soziale und sorgende Rollen ausprobieren und Mädchen technische oder leitende Positionen einnehmen.

Es braucht vor allem eine Werteverschiebung dahin gehend, dass Sanftheit und Sorge weit erstrebenswerter und, ja sagen wir, sogar auch cooler als Gewinnstreben und Ag­gression werden.

Hier und heute von Frauen und Mädchen zu reden, ja, das lässt uns unweigerlich an die Bilder der Flüchtenden vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine denken, an einen Krieg der Männer, ausgelöst von einem einzigen, meines Erachtens größenwahnsinni­gen Mann, in dem Männer zum Kampf verpflichtet werden oder sogar freiwillig in den Kampf ziehen, ja, auch manche Frauen, aber in dem vor allem Frauen mit ihren Kindern alles hinter sich lassen müssen, in dem zig Millionen Menschen unsagbares Leid erfah­ren, ermordet werden und auch morden müssen.

Es ist kaum vorstellbar, was das mit den Menschen macht und auch nicht absehbar, was es mit der Gesellschaft macht, wir sehen es gerade an der Diskussion um die Friedens­politik und die Aufrüstung. Schon im Sinne des Friedens gilt es daher, diese falsche und gemeinschaftsverachtende Wertehaltung endlich umzudrehen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.41

Vizepräsident Günther Novak: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanz­leramt. Ich erteile es ihr.

Auch Ihre Redezeit sollte 10 Minuten nicht überschreiten. Bitte, Frau Bundesministerin.