13.03

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht kann ich als Gesundheitsminister etwas zur Senkung des Blutdruckes beitragen, indem ich jetzt versuche, ruhig und sachlich zu bleiben.

Ich habe die Debatte übrigens interessiert verfolgt und möchte Ihnen auch sagen, dass ich dieser Länderkammer gegenüber eine hohe Wertschätzung habe, nicht nur weil ich Vertreter eines Bundeslandes bin, sondern weil ich es für einen Vorteil halte, in politi­schen Systemen ein Zweikammernsystem zu haben. Ich beobachte das in Deutschland, in der benachbarten Schweiz und auch in Österreich. Meine Wertschätzung gegenüber dem Haus sei also ausdrücklich an den Beginn gestellt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich bin jetzt als Gesundheitsminister 24 Stunden im Amt. Das waren mitunter sicher die intensivsten 24 Stunden meines doch schon etwas längeren Lebens, das können Sie mir glauben, weil man da von null auf hundert gehen muss. Die Entscheidung heute mit der Impfpflicht war eine ganz wesentliche, darum komme ich darauf zurück, was das auch bedeutet.

Lassen Sie mich eines aber gleich vorweg sagen: Ich bin nicht nur Gesundheitsminister, ich bin auch Sozialminister. Das ist schon eingemahnt und angesprochen worden, und dem möchte ich auch gerecht werden. Sie haben die Themen genannt: Es ist bei der Pflege schon seit vielen Jahren (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nichts weitergegangen!) die Notwendigkeit da, in Ausbildung, in die Finanzierung, in die Unterstützung zu inves­tieren.

Ich kenne aus meinem eigenen Bundesland die Situation, dass Stellen in Alten- und Pflegeheimen nicht nachbesetzt werden können. Ich kenne die Situation der Abhän­gigkeit in der 24-Stunden-Betreuung von Arbeitskräften, die weitgehend aus dem Osten kommen und sehr schlechte Arbeitsbedingungen haben. Ich kenne all das und weiß um die Notwendigkeiten.

Jetzt stelle ich mich nicht her und verspreche Ihnen, dass das in den nächsten drei Wo­chen erledigt wird. Was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass die Pflege, die Sicherung der Pflege, die Verbesserung der Ausbildung, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ganz oben auf meiner Agenda steht. Das ist jedenfalls klar.

Es ist auch mit Recht darauf hingewiesen worden, dass die Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden sollen. – Ja, das stimmt, die kommen immer zu kurz, immer am Ende. Ich habe das wahrgenommen, ich weiß das auch und werde – da können Sie sicher sein, weil ich auch in der sozialen Arbeit tätig war und dort auch mit Behinderten gearbeitet habe – darauf großes Augenmerk legen.

Noch ein Satz zur Sozialpolitik: Mir ist klar, dass die Pandemie in diesem Land nicht nur gesundheitliche, nicht nur wirtschaftliche Folgen verursacht hat, sondern auch soziale. Die werden sich erst in der Langzeitwirkung zeigen, nichtsdestotrotz wird es notwendig sein, dort hinzuschauen und verstärkt entstehende Armut zu bekämpfen und Hilfen zu geben.

Wir können nicht zulassen, dass wir aufgrund der Pandemie beispielsweise Kinder, Jugendliche aus Familien, die jetzt mit Homeschooling konfrontiert waren, bei denen es nicht möglich war, private Nachhilfe zu finanzieren und die deswegen Schulabschlüsse nicht mehr in der Zeit machen können, wie sie vorgesehen sind, verlieren. Dort wird es notwendig sein, Unterstützung zu bieten. Dafür sind schon Maßnahmen in Vorbereitung.

Jetzt wird Sie aber naturgemäß natürlich der Bericht der Impfkommission interessieren, und auf diesen möchte ich nun doch etwas näher und detaillierter eingehen. Er steht online zur Verfügung, er ist allen Fraktionen, meine ich, auch zugeleitet worden, und ich kann Sie nur bitten, diesen Bericht auch zu lesen, weil er über die Kurzzusammenfas­sung hinaus in meinen Augen schon Erkenntnisse bietet, die beachtenswert und le­senswert sind. Immerhin ist da nicht nur die Expertise in medizinischer Hinsicht, sondern auch in juristischer Hinsicht abgebildet.

Genau diese beiden Leitplanken sind es, die uns den Rahmen abstecken, wie wir damit umgehen: Auf der einen Seite steht die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die persön­lichen Entscheidungen – und das ist einer, wenn eine Impfpflicht angeschafft und verord­net wird –, auf der anderen die Prognosesicherheit, die epidemiologische Lage, wie sie sich darstellt.

Die Prognose für den Herbst – das ist jetzt unschwer zusammenzufassen – ist unsicher. Auch die Kommission sagt: Wir können nicht ausschließen, dass wir September/Okto­ber, zu Beginn der kalten Jahreszeit möglicherweise wieder mit einer anderen Variante konfrontiert sein werden, die auftaucht, mit möglicherweise Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem, auf die Spitäler, und die damit Situationen schafft, wie wir sie schon hatten und die uns dann genötigt haben, einen Lockdown auszurufen. Das ist im Übrigen auch ein Eingriff, und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, der in seiner Dramatik beim ersten Mal vielleicht noch überschaubar war, beim zweiten Mal aber dann schon schwieriger zu bewältigen war. Sie kennen alle die Geschichten.

Die zweite Aussage, die die Kommission getroffen hat, ist: Impfen wirkt. Und das möchte ich festhalten, weil man jetzt nicht so tun kann, als wäre mit der Aussetzung der Impf­pflicht die Botschaft verknüpft: Lasst es mit dem Impfen sein! – Das Gegenteil ist der Fall. Die klare Aussage ist: Wenn Sie sich impfen lassen, genießen Sie einen weitaus höheren Schutz davor, ins Spital zu kommen, schwer zu erkranken, an Long-Covid-Fol­gen zu leiden, als wenn Sie es nicht tun. (Bundesrätin Grimling: Das kommt nicht an!)

Der nächste Punkt, der festgehalten wird, ist, dass jetzt im Augenblick – und das sagt die Kommission im Wortlaut so – derzeit das Abwägen von Verhältnismäßigkeit auf der einen und die Notwendigkeit, Vorsorge zu treffen, auf der anderen Seite es derzeit noch nicht erforderlich macht, die Impfpflicht umzusetzen. Das ist die Botschaft – die können Sie als doppelbödig bezeichnen, aber es sind die Eckpunkte, um die es jetzt geht.

Klar ist auch, dass die Kommission sagt, sie wird den Auftrag natürlich weiter so ausfüh­ren, dass sie in drei Monaten den nächsten Bericht vorlegt. Das wird in meiner Welt spätestens Ende Mai sein. Und Sie können sich sicher sein, dass auf jeden Fall für beide Szenarien Vorkehrungen getroffen werden und Vorbereitungen in Angriff genommen werden. Es wird sicher nicht so sein, dass bis Ende Mai abgewartet und geschaut wird, was die Kommission sagt, um dann die weiteren Maßnahmen zu treffen.

Klar ist auch – das habe ich heute schon gesagt –, dass wir eine höhere Impfquote brauchen, weil es notwendig sein wird, auch offensiv in Kampagnen einzutreten, die die Leute wieder animieren, impfen zu gehen und dieses Angebot in Anspruch zu nehmen.

Ein Satz noch zur Gesamtgemengelage: Mir ist vollkommen klar – und das hat jeder Mensch mitbekommen –, dass es total unterschiedliche Zugänge gibt – auf der einen Seite Leute, die sagen: Lasst mich in Ruhe, ich will von dem nichts wissen!, bis hin zur Botschaft: Ich lasse mich sicher nicht impfen, denn damit sind sozusagen Geheimopera­tionen verbunden!, das Implantat von einem Chip oder ähnliche Dinge mehr, und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Maßnahmen das Wort reden, die sehr, sehr radikal und sehr dauerhaft in das Leben von Menschen eingreifen.

Diese Balance zu halten und zu wahren, ist eine Schwierigkeit; das haben alle erfahren, aber es ist notwendig. In diesen Dialog einzutreten – im Übrigen auch mit den Parla­mentsparteien, auch mit dem Bundesrat –, ist jedenfalls meine Zielsetzung. Was ich gestern als Erstes gemacht habe, nachdem ich diesen Bericht zwei Stunden hatte, war, die Klubobleute im Nationalrat – auch von den Oppositionsparteien – anzurufen. Ich ha­be eine noch gestern Abend in der Nacht um 11 Uhr erreicht, zwei heute Früh um halb sieben. Auch Herrn Kickl habe ich angerufen – weil schon die Rede davon war, mit de­nen redet man gar nicht. Es ist jedenfalls mein Zugang, in einen Dialog einzutreten, und es wird notwendig sein, die Entscheidungen, soweit es möglich ist, auch gemeinsam zu treffen.

Jetzt weiß ich schon – ich habe das schon mehrfach gesagt –: Die Pandemie hat auch demokratische Zumutungen mit sich gebracht, weil natürlich Regierungen, Landesregie­rungen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aufgrund der Situation, die wir hatten, Entscheidungsbefugnisse eingeräumt worden sind, die sehr weitreichend sind und die ein Stück weit den parlamentarischen Betrieb auch ausgehebelt haben. Auch da wird es notwendig sein, hinzuschauen, wie wir wieder in einen Normalzustand kommen.

Schlusssatz von meiner Seite: Ich kann Ihnen nur Folgendes anbieten: Ich nehme dieses Haus ernst, ich nehme die Anliegen der Bundesländer ernst. Ich stehe für Dialog und Austausch jederzeit zur Verfügung und freue mich auf die Zusammenarbeit auch mit diesem Haus. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.12

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Sebastian Kolland. – Bitte.