22.32

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst darf ich mich bei Ihnen, Herr Minister, für den ausführlichen Bericht Ihres Ressorts bedanken.

Als mit Abstand größte Herausforderung für Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt wird ja sowohl im Achtzehnmonatsprogramm des Rates als auch im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission verständlicherweise die Coronapandemie definiert. Ja, diese Herausforderung besteht natürlich nach wie vor, und es ist wichtig, auch die Wirtschaft dafür zu wappnen. Fakt ist aber auch, dass sich mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine neue Herausforderung für Wirtschaft und Arbeitsmarkt ergeben hat, wobei wir die Auswirkungen nach wie vor noch nicht ermessen können.

Aber die großen Leitlinien, die in diesem Programm gezeichnet sind, haben weiterhin Gültigkeit, sie haben teilweise wahrscheinlich sogar an Priorität gewonnen, wie eben der Fokus auf grünes Wachstum, auf grünen Wandel oder das Dossier zur Entwicklung einer umfassenden und koordinierten Industriepolitik mit Blick auf faire und angemessene Löhne.

Ich möchte aus den insgesamt 14 Initiativen eine herausgreifen, die ich für sehr inter­essant und auch zukunftsweisend halte, und zwar den Vorschlag zur Einführung eines individuellen Lernkontos für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Europa den Wettbewerb der Hände auf Dauer nur sehr schwer gewinnen kann. Sehr wohl muss es aber unser Ziel sein, den Wettbewerb der Köpfe zu gewinnen. Gelingen kann das, wenn Fort- und Weiterbildungen ganz normaler Bestandteil eines jeden Arbeitslebens werden.

Genau hier setzt eben dieses individuelle Lernkonto an. Der Vorschlag sieht vor, dass die nationalen Behörden jeder Person im erwerbsfähigen Alter ein Konto mit einem an­gemessenen jährlichen Weiterbildungsanspruch zuweisen. Ziel ist, bis 2030 die Weiter­bildungsquote von derzeit rund 40 Prozent auf 60 Prozent zu erhöhen. Ich finde den Ansatz wichtig und gut. Entscheidend, damit das Ganze aber auch einen wirklichen Mehrwert bringt, ist, dass bestehende Angebote dann in dieses Konto integriert werden und dass sichergestellt ist, dass das Ganze nicht zu einem Bürokratiemonster verkommt.

Abschließend sei mir noch ein ganz grundlegender Befund erlaubt, der sich aus der Lektüre vieler dieser Berichte ergibt: Wir müssen in der EU schneller bei der politischen Entscheidungsfindung werden. Auch in diesem Bericht sind wieder Materien enthalten, die teils seit über zehn Jahren verhandelt werden. Teilweise ist in diesen zehn Jahren und darüber hinaus auch in einem längeren Zeitraum fast kein Fortschritt erzielt worden.

Mir ist schon bewusst, dass es ein mühsamer und sehr bürokratischer Prozess ist, 27 EU-Nationalstaaten zusammenzuführen, die verschiedenen Interessen zu bündeln und Kompromisse zu finden, aber wenn es uns in der EU nicht gelingt, die Geschwin­digkeit von politischen Entscheidungsprozessen zumindest einigermaßen an die immer schneller werdenden Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft anzuglei­chen, dann werden wir ein riesiges Problem im internationalen Wettbewerb kriegen. Da bin ich mir sicher.

Und eines ist auch klar: Auch Österreich ist massiv gefordert, beizutragen, damit diese Dinge an Tempo gewinnen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

22.36

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sa­scha Obrecht. – Bitte sehr.