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Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Werte Bundesräte! Der Vorhabensbericht, das Arbeitspro­gramm ist natürlich immer noch stark durch die Covid-Pandemie und durch Herausforde­rungen, die die grüne und digitale Transformation betreffen, gekennzeichnet. Damals, als es geschrieben wurde, war die Ukrainekrise, der Krieg in der Ukraine noch kein Thema. Das hat sich rasch geändert, die EU ist natürlich jetzt in einer ganz anderen Art und Weise gefordert.

Wir sind insgesamt geopolitisch in einer Lage – und ich glaube, das haben wir alle noch nicht realisiert –, die die gefährlichste seit dem Zweiten Weltkrieg ist. Das wird natürlich auch den Fokus der EU ändern, das wird den Fokus auch in der Arbeitsmarktpolitik än­dern, weil es potenziell viele Vertriebene gibt, die auch – so soll es nach dem Ver­triebenenstatus, den die EU in der Richtlinie letzte Woche beschlossen hat, sein – Zu­gang zum Arbeitsmarkt haben werden.

Wie groß die Gruppe sein wird, wird sich erst zeigen, aber es wird natürlich potenziell eine große Herausforderung für den österreichischen Arbeitsmarkt, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir gut vorbereitet in diese Herausforderung gehen. Und das sind wir, zumindest am Arbeitsmarkt. Was uns aber wirklich erwartet, kann, glaube ich, seriöser­weise niemand vorhersagen.

Es wurden einige aktuelle Themen angesprochen, die sich auf Richtlinien beziehen, die jetzt gerade im Trilog oder in der Vorbereitung als Vorlage der Europäischen Kommis­sion sind.

Ich sage vielleicht noch einige Worte zum Mindestlohn: Es lässt sich leicht erklären, dass wir beim Mindestlohn jetzt auch eine etwas andere Einschätzung vornehmen. Letztes Jahr war die Richtlinie noch eine ganz andere als dieses Jahr. Es wurde sehr viel an dieser Richtlinie geändert. Glücklicherweise hat sich alles in die richtige Richtung ent­wickelt.

Es gibt einige Punkte, ganz prinzipielle Punkte – und es stimmt natürlich nicht, dass alle Rechtsexperten einer Meinung sind –, die man auch kritisieren kann. Es ist jetzt die Frage, wie es im Trilog mit dem Parlament weitergeht, aber der entscheidende Punkt, dass Österreich nicht verpflichtet wird, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen und dass die österreichische Sozialpartnerschaft und die Kollektivvertragsautonomie durch die Richtlinie nicht unterhöhlt werden kann, ist weitgehend gesichert. Das war auch das Ziel. (Bundesrat Obrecht: Das stand auch nie zur Debatte! – Bundesrätin Schumann: Das stand nie zur Debatte! Nie zur Debatte! Nie! Nie!) Ich weiß schon, dass das immer so gesagt wird. Ich darf Sie gerne an Ihre schwedischen und dänischen Kollegen ver­weisen, die waren auch sehr skeptisch. (Bundesrätin Grimling: Wir sitzen da in Öster­reich! – Bundesrätin Schumann: Ich darf Sie an den ÖGB-Präsidenten verweisen!) Wir haben mit denen einen sehr intensiven Austausch geführt, und es war klar, dass es eine Präzisierung der Richtlinie braucht. Die ist passiert, ich bin glücklich darüber und hoffe, dass im Trilog diese Balance, die jetzt gefunden wurde, auch aufrechterhalten wird.

Was die Plattformrichtlinie betrifft, so begrüße ich natürlich, dass es Klarstellungen gibt. Ich bitte aber auch um Verständnis: Es gibt viele hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei mir im Ministerium, allerdings arbeiten diese auch nicht rund um die Uhr und über Weihnachten. Der Bericht wurde im Jänner erstellt, die Richtlinie kam kurz vor Weihnachten. Ich glaube, man kann nachvollziehen, dass wir da noch keine fertige Einschätzung haben und dass es sich um eine recht komplexe Materie handelt. Es geht um Regeln, was als Plattformarbeit gesehen wird und was nicht. (Bundesrat Obrecht: Aber jetzt ist März! Jetzt ist März!) Ich glaube, es ist auch wichtig, dass die Reaktion, die es in Österreich zu solchen Richtlinien gibt, auf einer fundierten rechtlichen Basis und nicht ad hoc passiert. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

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