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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

940. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Mai 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

940. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Mai 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Mai 2022: 9.00 – 18.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (40. KFG-No­velle)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Hebammengesetz, das Tierärztegesetz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (EU-Berufsanerkennungsgesetz-Gesundheitsberufe 2022 – EU-BAG-GB 2022)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdgasabga­begesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz und das Mineralölsteuergesetz 2022 geändert werden

*****

Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung .........................................................................  71, 97

Verlangen der Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR, bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu den in der Debatte über die Dringliche Anfrage 4011/J-BR/2022 eingebrachten Entschließungsanträ­gen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ die Anzahl der Für- und Gegen­stimmen bekannt zu geben ......................................................................................    142

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...........................    143

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    144

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................         7


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 2

Ordnungsruf ..............................................................................................................    104

Aktuelle Stunde (95.)

Thema: „Nationaler Kraftakt Energiewende“ ......................................................         7

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................         7

Florian Krumböck, BA ............................................................................................         9

Günther Novak ........................................................................................................      13

Michael Bernard ......................................................................................................      15

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      18

Andreas Lackner .....................................................................................................      21

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................      22

Günter Kovacs ........................................................................................................      23

Markus Leinfellner ..................................................................................................      25

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      26

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      30

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      30

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  28, 144

Dringliche Anfragen

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Versorgungskrise im Gesundheits- und Langzeitpflegebereich“ (4010/J-BR/2022)        71

Begründung: Korinna Schumann ...........................................................................      72

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................      75

Debatte:

Günter Kovacs ........................................................................................................      81

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................      83

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      85

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      87

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      89

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................      92

Markus Steinmaurer ...............................................................................................      94

Ingo Appé ................................................................................................................      95

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      96

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Öster­reich“ (4011/J-BR/2022) ...........................................................................................      98

Begründung: Christoph Steiner ..............................................................................      98

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................    104

Debatte:


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Josef Ofner ..............................................................................................................    110

Sebastian Kolland ...................................................................................................    115

Andrea Kahofer .......................................................................................................    117

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    120

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    123

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    125

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    127

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    129

Ingo Appé ................................................................................................................    132

Günter Pröller ..........................................................................................................    134

David Egger .............................................................................................................    136

Korinna Schumann .................................................................................................    137

Sonja Zwazl .............................................................................................................    139

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    141

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ – Ablehnung (Bekanntgabe der Für- und Gegenstimmen) ..........................................................................  115, 143

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsatzsteuer auf Lebensmittel aussetzen“ – Ablehnung         120, 143

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ – Ablehnung (Bekanntga­be der Für- und Gegenstimmen) ...............................................................  138, 143

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (40. KFG-Novelle) (1424 d.B. und 1425 d.B. sowie 10956/BR d.B.) .....................................................      30

Berichterstatterin: Barbara Tausch .........................................................................      31

RednerInnen:

Michael Bernard ......................................................................................................      31

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      32

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      33

Andrea Kahofer .......................................................................................................      34

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      35

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................      37

Markus Leinfellner ..................................................................................................      38

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      39

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (2066/A und 1438 d.B. sowie 10954/BR d.B.) ..............................................................................      39

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................      39

RednerInnen:

Christoph Steiner ....................................................................................................      39

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      44

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................      45

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      46


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Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................      48

Josef Ofner ..............................................................................................................      50

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortiges und generelles Ende der Corona-Maskenpflicht in allen Wirtschaftsbereichen und insbesondere im Handel“ – Ablehnung ......  42, 53

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Schutzschirm für Kinder und Jugendliche umset­zen“ – Annahme (359/E-BR/2021) ................................................................  47, 54

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      53

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Apothekengesetz, das Apothekerkam­mergesetz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Hebammengesetz, das Tierärztegesetz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (EU-Berufsanerkennungsgesetz-Gesundheitsberufe 2022 – EU-BAG-GB 2022) (1403 d.B. und 1437 d.B. sowie 10955/BR d.B.) .....................................      54

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................      54

RednerInnen:

Günter Pröller ..........................................................................................................      54

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      56

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................      56

David Egger .............................................................................................................      58

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      59

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdgasabgabegesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz und das Mineralölsteuergesetz 2022 geändert wer­den (2421/A und 1439 d.B. sowie 10953/BR d.B. und 10957/BR d.B.) ..................      59

Berichterstatterin: Alexandra Platzer, MBA ............................................................      59

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................      60

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................      62

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      63

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      64

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      66

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. .......................................................      68

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuergerechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen“ – Ab­lehnung ..........................................................................................................  61, 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      71


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Eingebracht wurden

Petition .....................................................................................................................    144

Petition betreffend „Nein zur geplanten Schließung zweisprachiger Bezirksgerichte in Kärnten“ (48/PET/-BR/2022) (überreicht von Bundesrat Ingo Appé)

Anträge der BundesrätInnen

Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafbarkeit des Versen­dens von „Dickpics“ (334/A(E)-BR/2022)

Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutzschirm für Kinder und Jugendliche umsetzen (335/A(E)-BR/2022)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuergerechtigkeit für arbei­tende Österreicher*innen (336/A(E)-BR/2022)

Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsatzsteuer auf Lebensmittel aussetzen (337/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie (4004/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie (4005/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Democracy Report 2022 – Abstieg Österreichs von der liberalen zur Wahldemokratie (4006/J-BR/2022)

David Egger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Verkauf von Teilen der Schwarzenbergkaserne (4007/J-BR/2022)

David Egger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Dienstwohnungen für Angehörige des Österreichischen Bundesheeres (4008/J-BR/2022)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Folgenanfrage zu 3975/J Evakuie­rungen aus Afghanistan (4009/J-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versorgungskrise im Gesund­heits- und Langzeitpflegebereich (4010/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich (4011/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auszahlungschaos beim Energiekosten­ausgleich (3695/AB-BR/2022 zu 3987/J-BR/2022)


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des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend willkürliche Personalfeststellung in Orth an der Donau? (3696/AB-BR/2022 zu 3986/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Eva Prischl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend explodierende Mietpreise (3697/AB-BR/2022 zu 3988/J-BR/2022)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mögliche Bundesmittel für öffentlichen Verkehr in Graz (3698/AB-BR/2022 zu 3990/J-BR/2022)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altersstruktur steirischer Kassenärzte (3699/AB-BR/2022 zu 3989/J-BR/2022)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altersstruktur von Kassenärzten (3700/AB-BR/2022 zu 3991/J-BR/2022)


 


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09.00.30Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident Günther No­vak, Vizepräsidentin Sonja Zwazl.

09.00.31*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich eröffne die 940. Sitzung des Bundes­rates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 939. Sitzung des Bundesrates vom 7. April 2022 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Karl Bader, Heike Eder und Marco Schreuder.

09.00.52Aktuelle Stunde


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Nationaler Kraftakt Energiewende“

mit der Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, die ich herzlich willkommen heißen darf. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsi­dialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.02.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Schönen guten Morgen al­lerseits! Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Viel zu viele fossile Brennstoffe sind in den letzten Jahrzehnten angezündet worden. (Ruf bei der FPÖ: Geht’s zu Fuß!) Wir setzen die Welt damit förmlich in Flammen, erhitzen die Atmo­sphäre mit gigantischen Energiemengen, die sich dann in Stürmen, Fluten und Hitze entladen.

Die Welt wird in Flammen gesetzt, indem Kriege um Gas und Öl geführt werden, indem Energie als geopolitische Waffe missbraucht wird – beides nicht neu, beides erleben wir aber derzeit schmerzlich, und diesmal sind wir in Europa direkt betroffen, wenn auch in keinem Verhältnis zu anderen Weltgegenden.

Die Preise für fossile Energie jagen nach oben, die Tragik der Abhängigkeit von diesen fossilen Klimakillern wird allen plötzlich bewusst.


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Leider sind das Versagen der Klimapolitik in den letzten Perioden und die extreme und einseitige Abhängigkeit von Gas und Öl selbst gemacht. Über Jahrzehnte wurde eine offensive und weitsichtige Energie- und Klimapolitik behindert, vor allem von jenen be­hindert, die jetzt am lautesten nach Konzepten und Maßnahmen schreien.

Nein, sage ich den Leuten, die jetzt sagen: Nach vorne schauen!, nein, schon nach vorne schauen, aber das Blockieren und systematische Abhängigmachen von fossilen Ener­gieträgern ist nicht verjährt, denn wir wären heute in einer fundamental anderen und besseren Position, wenn viel früher – und das Erfordernis einer Energiewende ist nun definitiv nichts Neues – gehandelt worden wäre. Stattdessen waren Vorteile für die eige­ne Klientel wichtiger, stattdessen wollte man sich mit geschlossenen Augen auf immer­während niedrige Energiepreise und auf kostenlose CO2-Freisetzung verlassen. Wie oft haben wir das gehört: Klimapolitik, Energiewende, ach, das machen wir später, jetzt ge­rade ist etwas anderes wichtiger!?

Wir haben dazu in den letzten Wochen überaus anschauliche Beispiele von Spitzenfunk­tionären aus der Industrie und vor ein paar Tagen von einem Landeshauptmann erlebt, die meinten, man solle doch den Klimaschutz, mithin die CO2-Bepreisung, verschie­ben. – Ja, haargenau diese Haltung, genau diese Haltung, hat dazu geführt, dass wir heute in dieser Misere stecken.

Was man uns Grünen ganz bestimmt nicht vorwerfen kann, ist, dass wir Energiewende und Klimaschutz nicht schon eingefordert hätten, seit es uns gibt – das ist doch schon einige Jahrzehnte. Wir haben das nicht nur eingefordert, sondern ebenso hat seit vielen Jahren eine intensive fachliche Auseinandersetzung damit stattgefunden. Seit zig Jah­ren weisen wir darauf hin, dass eine umfassende Transformation zu einer ökologischen und sozial gerechten Wirtschaftsweise eine Notwendigkeit ist, die uns einholen wird, wenn sie nicht aktiv angegangen wird.

Es ist schon interessant, dass jetzt diejenigen, die das immer abgetan haben, nun Pläne einfordern. Aber ich sage Ihnen, diese Pläne sind da – und nicht nur die Pläne. Werfen Sie einen Blick zum Beispiel in das Regierungsprogramm! Dort steht: „Klimaneutralität bis 2040“. Da mögen so manche locker drüberlesen, aber das heißt zum Beispiel nicht weniger, als innerhalb von nicht einmal 20 Jahren die gesamte Energiewirtschaft und die Energienutzungssysteme umzubauen. Es folgen dann in vielen Kapiteln detaillierte Maß­nahmen dazu. (Bundesrat Steiner: Verlängerung von Atom...!)

Beschlossen ist das EAG, das für einen systematischen Umstieg auf 100 Prozent Öko­strom bis 2030 die Rahmenbedingungen definiert, inklusive Finanzierung. Es liegt nun an den Ländern, dafür zu sorgen, dass insbesondere die Flächen, die es dafür braucht, bereitgestellt werden.

Das BMK hat es gemeinsam mit den Ländern geschafft, ein unterschriebenes, also von allen unterschriebenes, Strategiepapier auf den Weg zu bringen, das die vollständige Dekarbonisierung der Wärmeversorgung festschreibt – oder mit anderen Worten: keine Öl- und keine Gasheizungen mehr bis 2040. Ein Kernstück darin ist das Erneuerbaren-Wärmegesetz – aus unserer Sicht längst ausformuliert –, das dafür einen Rechtsrah­men, der Planbarkeit ermöglicht, definiert.

Damit die Betroffenen nicht allein gelassen werden, darauf habe ich schon oft hingewie­sen, gibt es allein letztes Jahr und heuer 600 Millionen Euro, um den Kesseltausch auf erneuerbare Energieträger zu unterstützen. Schon bald ein Jahr liegt es zurück, dass der Masterplan Wärme vorgelegt wurde, eine Strategie eines nachhaltigen Verkehrssys­tems mit hoch ambitionierten Zielen. – Übrigens auch ein wunderbares Thema, bei dem sich zeigt, wie ernst es so manche jetzt laut nach der Energiewende Rufenden meinen, wenn es darauf ankommt.


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Ich erinnere an den Shitstorm und die Aufschreie weiter Kreise, als sich die Klimami­nisterin etwa vor einem Jahr dafür aussprach, die EU möge, weil das nur europaweit durchführbar ist, im Idealfall ab 2030 keine Verbrenner mehr zulassen. Die Welt ging praktisch unter. Oder: Ich erinnere an die Empörung, als die Ministerin festgelegt hat, dass jetzt einige Straßenprojekte auf die Zeitgemäßheit überprüft werden, aufgrund des Klimaschutzes und damit natürlich der Energiewende. Die Welt ist untergegangen.

Das BMK hat weiters zum Beispiel eine Roadmap Geothermie erstellt. Es gibt eine ge­setzliche Vorgabe, Netzentwicklungspläne zu erstellen, um der Energiewende gerecht zu werden.

Wir haben auf Initiative der Grünen eine sozial-ökologische Steuerreform auf den Weg gebracht, mit einer vollständigen Rückführung der zusätzlichen Einnahmen.

In kürzester Zeit wurde – aktuell – ein Krisenbevorratungsgesetz für Gas auf die Reihe gebracht, mit umfänglichen Detailplänen im Rahmen der Energielenkung. Das BMK hat, exzellent ausgearbeitet von der Energieagentur, einen Ausstiegsplan betreffend russi­sches Gas bis 2027 vorgelegt. Ich rate Ihnen wirklich, diesen Plan zu lesen; immerhin geht es da um viel. Die Umsetzung dieses Planes wird Konsequenzen haben. (Bundes­rat Steiner: Da seid ihr nicht mehr in Regierungsverantwortung, also ist das ...!)

Raus aus Öl und Gas, raus aus der massiven Abhängigkeit von Gas aus dem Krieg führenden Russland wird uns einiges abverlangen. Das wird nur möglich sein, wenn wir alle gemeinsam bereit sind, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen jetzt zu definie­ren – und die haben es in sich: 33 Prozent Energieeinsparung bei Gas bis 2030; das geht nicht von selber. Die Energiewende braucht daher alle. Die Energiewende ist nicht delegierbar. Sie wird nur dann gelingen, wenn sie als gemeinsamer nationaler Kraftakt verstanden wird, wenn das so etwas wie Staatsräson wird.

Das wird noch heftige Diskussionen und Turbulenzen verursachen. Man muss da not­wendigerweise an den Strukturen ansetzen, aber – und das ist das Schöne – das Ergeb­nis wird wunderbar sein (Zwischenruf des Bundesrates Steiner): eine Energieversor­gung ohne Klimagifte, eine Energieversorgung, die dezentral auf lokalen Ressourcen beruht, eine Energieversorgung, die riesige Investitionen mit sich bringt und Einkommen schafft, eine Energieversorgung zu stabilen Preisen, die leistbar sind, eine Energiever­sorgung, die nicht einfach abgedreht werden kann.

Lassen Sie uns das bei allen Detaildifferenzen mutig angehen und den Weg dorthin durchstehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

9.10


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster ist Herr Bundesrat Florian Krumböck zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm die­ses.


09.10.35

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen uns nichts vormachen und wir müssen die Sache auch beim Namen nennen: Zum einen hat der Einmarsch Russlands in die Ukraine, dieser eiskalte Angriffskrieg Putins, unser all­tägliches Leben verteuert und unsicherer gemacht (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring), das betrifft gerade auch die Energie, aber – und lassen Sie uns auch das klar benennen – die Notwendigkeit für eine Energiewende bestand schon zuvor, und sie wird auch dringend gebraucht, und wir dürfen das eine nicht ohne das andere denken. (Bundesrat Spanring: ... zu wenig!)

Wir im Parlament haben gemeinsam mit der Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr mit ganz breiter Mehrheit zum Beispiel das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auf den


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Weg gebracht. Dieses bringt, wie Kollege Gross ausgeführt hat, 100 Prozent erneuer­bare Energie zur Stromproduktion bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040. Dafür wird seitens der Bundesregierung jährlich 1 Milliarde Euro investiert, oder anders gesagt: Wir leben da Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen in Österreich, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrätin Schumann: Ihr seid die Besten!)

Wind, Sonne, Wasser – Land feiert die Stromrevolution: Diese Headline ist kein Wunsch­denken von mir als jungem Bundesrat, sie stammt vom 6. November 2015 und bezieht sich auf mein Heimatbundesland Niederösterreich. Niederösterreich ist seit fast sieben Jahren bilanziell unabhängig von fossilen Energieträgern bei der Stromproduktion, und mittlerweile eint uns das mit Kärnten und dem Burgenland und auch mit Salzburg und Tirol. (Bundesrat Egger: Was?) Das ist aber vor allem ein Zeichen dafür, dass der Kraft­akt zu dieser Energiewende für uns zu stemmen ist, und ich bin deshalb diesbezüglich auch ein bisschen positiver gestimmt als Kollege Gross; wenn es da auch um die Daten der Vergangenheit geht.

Im Vergleich der letzten 15 Jahre, von 2005 bis 2020, konnten wir den Energieverbrauch Österreichs trotz Wachstums – trotz Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums – kons­tant halten beziehungsweise sogar leicht senken, dabei aber die Bedeutung der erneu­erbaren Energieträger sogar erhöhen: Wir sprechen von 36 Prozent plus bei Fotovoltaik, 12 Prozent plus bei Windkraft, minus 3 Prozent bei Kohle und minus 2 Prozent bei der Energie aus Öl. Und um das auch zu sagen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Wir waren das alle gemeinsam – Bundesregierungen, die bestanden haben aus ÖVP, aus SPÖ, aus FPÖ, aus den Grünen, und auch Landesregierungen, in denen dann auch die NEOS mitregieren –, aber, und Sie werden mir das erlauben und Sie werden sich darü­ber wenig wundern, ich bin stolz darauf, dass gerade in den Ländern dieser Ausbau die Handschrift der Volkspartei trägt (Rufe bei der SPÖ: Ja?! Geh, hör auf! Wirklich?): eine Handschrift, geprägt von Realismus, weil, geschätzte Damen und Herren, die Nachhal­tigkeit in unserer DNA als Volkspartei liegt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Super! Bravo!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, all das sind Zeichen, die uns eigentlich grund­sätzlich positiv stimmen sollten. Wir sollten nicht mit einer Stimmung à la Apokalypse in diese Sache hineingehen, dieses Thema angehen, sondern eigentlich ein bisschen Zu­versicht zeigen. Wir haben mit dem EAG nämlich ein gutes Werkzeug in der Hand und wir haben mit diesen Zahlen, die ich Ihnen gerade gesagt habe, ein gutes Fundament, auf dem wir aufbauen können, denn wir sprechen von nicht weniger als dem Um- bezie­hungsweise sogar Neubau unserer Energieversorgung.

Mit dem EAG wollen wir den Anteil der Erneuerbaren ja deutlich erhöhen: Wir sprechen von insgesamt 27 Terawattstunden – oder anders gesagt, von drei Jahren Energie für Wien –, die wir in den kommenden zehn Jahren aus erneuerbaren Energiequellen produ­zieren wollen. Der Ausbau von Fotovoltaik, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Biogas führt zum Ausbau von Energie made in Austria, und dieser Ausbau führt uns vor allem aus der Abhängigkeit und in eine Zeit, in der unsere Wirtschaft, nämlich Industrie und Mittelstand, und auch unsere Landwirtschaft stark von diesen Investitionen werden profi­tieren können, und vor allem in eine Zeit, in der Konsumentinnen und Konsumenten den Strom aus diesen erneuerbaren Energiequellen vergünstigt nutzen können.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Krise in der Ukraine macht es aber noch ein­mal dringlicher, dass wir diese Werkzeuge bestmöglich nutzen. Deshalb kann ich Sie, Frau Minister, nur bitten, nicht in einem Reflex die Kritik und die Anregungen von Landes­hauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und des oberösterreichischen Landesrats Achleitner einfach wegzuwischen. Wir haben hier eine gewisse Notwendigkeit: Die Län­der und Gemeinden, die Verbraucher und Produzenten brauchen bessere Rahmenbe­dingungen bei UVP-Verfahren zum Beispiel für den notwendigen Netzausbau, denn wie


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sonst wollen wir es schaffen, 27 Terawattstunden Energie in diese Netze zu bringen? Wir brauchen teilweise noch Antworten auf offene Fragen durch ausständige Umset­zungsverordnungen im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes und wir brauchen vor allem auch – und das ist, glaube ich, in dieser aktuellen Situation besonders wichtig – Klarheit bei der Energielenkung im Fall einer Energiekrise. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich finde, es muss jetzt informiert werden, wer im Fall eines Ausbleibens von russischem Gas in welchem Ausmaß betroffen ist, um darüber auch diskutieren zu können. Es geht da um ganz verschiedene Themen, nicht nur sozusagen um den Privathaushalt, um die Frage: Wann und wie viel kann ich heizen, wie warm ist meine Wohnung?, es geht da um Lebensmittelsicherheit – ich meine, bei uns in Niederösterreich sind 80 Prozent der Bä­ckereien abhängig von Gas, um Brot zu backen –, es geht um Maschinen, die einfach kaputt sind, wenn das Gas nicht mehr fließen kann, und es geht dann auch um Arbeitsplätze.

Wir dürfen meiner Meinung nach in keine Situation kommen, in der wir politisch Haushal­te gegen Unternehmen ausspielen. Wir brauchen deshalb jetzt auch eine gesellschaft­lich tragfähige Ausgestaltung, und ich glaube, das erreichen wir mit möglichst großer Transparenz und Offenheit in der Diskussion dieser Frage. (Beifall bei der ÖVP sowie Bravoruf des Bundesrates Buchmann.)

Ich darf an dieser Stelle aber auch einen klaren Appell an die Opposition richten, nämlich im Zusammenhang mit der laufenden Debatte um die Energiekosten. Ich würde Sie bitten, hier auch Verantwortung wahrzunehmen (Ja-Rufe bei der SPÖ – Bundesrätin Grimling: Seid ihr die Regierung oder wir?) und mit der Verunsicherung der Österreiche­rinnen und Österreicher aufzuhören. Sagen Sie den Menschen auch, was wir hier ge­meinsam oder teilweise auch zu großen Teilen beschlossen haben beziehungsweise heute auch noch beschließen werden! (Bundesrätin Hahn: Ja, aber da fehlt ja trotzdem noch etwas! Der Beschluss kann ja nicht alles gewesen sein!)

Schauen Sie sich das an! Wir haben allein bei der ökosozialen Steuerreform – auch wenn sie nicht dafür gedacht war, Teuerung abzufedern, sondern dafür, Menschen mehr Geld im Geldbörsel zu lassen (Bundesrätin Schumann: Nehmt die Vorschläge der Op­position wahr, dann geht schon was weiter!) – knapp 1,6 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die von der Erhöhung des Familienbonus Plus und des Kindermehrbe­trags profitieren werden (Bundesrat Spanring: ... gebt ihnen 50 Euro und 300 nehmt ihr ihnen weg!) – 312 000 davon in Niederösterreich –, 6,8 Millionen Menschen, die von einer Tarifsenkung, der Erhöhung des SV-Bonus und den Pensionistenabsetzbeträgen profitieren werden – 1,3 Millionen NiederösterreicherInnen zum Beispiel im Ausmaß von 704 Millionen Euro. Rund 771 000 Betriebe und Unternehmen werden entlastet. Wir sprechen vom regionalen Klimabonus, durch den noch einmal 1,2 Milliarden Euro an die Österreicherinnen und Österreicher überwiesen werden (Bundesrätin Schumann: Na, dann haben wir eh kein Problem! Was jammern dann die Leute?), nämlich genau dorthin und dort mehr, wo das Öffi-Angebot schlecht ist, wo es wenig Öffi-Angebot als Substitut gibt. Das Wifo spricht von knapp 738 Euro an Energie- und Treibstoffkosten, die bei den Österreicherinnen und Österreichern, bei den Haushalten zusätzlich dazukommen werden, und ganz oft wird es einfach schon so sein, dass die ökosoziale Steuerreform diese Mehrkosten zu guten Teilen abdeckt.

Wir haben uns seitens der Regierungsparteien aber trotzdem dafür entschieden, ein wei­teres Paket in der Höhe von 4 Milliarden Euro zu schnüren, nämlich nicht nur kurzfristig, sondern für ganze 14 Monate, bis zum nächsten Sommer – das umfasst die Aussetzung der Ökostrompauschale, den Teuerungsausgleich für vulnerable Gruppen um 300 Euro, den wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, den Energiekostenausgleich, die Er­höhung des Pendlerpauschales, die Senkung der spezifischen Energieabgaben um 90 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Was jammern dann die Leute? Wirklich! – Weite­re Zwischenrufe bei der SPÖ.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, sagen Sie auch das den Menschen, die sich an Sie wenden! (Bundesrätin Schumann: Genau! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Seien Sie ehrlich in Ihren Antworten und sagen Sie, dass die Regierung arbeitet (Beifall bei der ÖVP), dass wir miteinander arbeiten, dass wir gemeinsam wichtige Beschlüsse fassen! Schenken Sie den Leuten reinen Wein ein (Rufe bei der SPÖ: Ja, ihr! Ihr!) und lassen Sie dieses politische Giftmischen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Wir werden aber – und lassen Sie uns auch da ehrlich sein – nicht überall die Teuerung zu 100 Prozent abfangen können. (Ruf bei der SPÖ: Wie viel Mehreinnahmen hat der Herr Minister? Sagen wir das einmal den Menschen! – Bundesrätin Schumann: Ja, ge­nau!) Es wird schon gar nicht einfache Antworten wie pauschale Steuersenkungen für alles und jeden geben, wie Sie es sich wünschen, geschätzte KollegInnen, die zugleich treffsicher sind und wirken, wo die Not am größten ist. Lesen Sie zum Beispiel einfach einen Wifo-Bericht: Die Senkung der Mehrwertsteuer geht in vielen Fällen mit problema­tischen Verteilungseffekten einher. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich bin mir nicht sicher, ob das Ihr Anliegen sein könnte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen hier nämlich zielgerichtet handeln. (Bundesrätin Schumann: Ist das das Thema der Aktuellen Stunde? – Bundesrätin Grimling: Aktuelle Stunde! – Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring.)

Das Ding ist: Wir können uns gegenseitig mit Forderungen überbieten, aber die be­schlossenen Maßnahmen müssen zuerst wirken, dann müssen wir die Wirkung analysie­ren und dann neue Maßnahmen setzen, weil irgendwann nämlich auch irgendwer die Zeche zahlen muss. Und ich sage Ihnen: Wenn wir das alles auf Pump finanzieren, dann trifft das uns Junge, und vor allem wird das mit der Inflation auch nicht besser, wenn wir eine riesige Geldschwemme auslösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns um den Energiemarkt kümmern, dann sage ich Ihnen als Mandatar der ÖVP und auch als wirtschaftsliberal denkender Mensch auch ganz klar und deutlich: Wir müssen zwischenzeitlich auch dafür sorgen, dass der Energiemarkt weiter funktioniert, denn wir leben in einer ökosozialen Marktwirt­schaft und nicht im wilden Westen, wo die Goldgräberstimmung Regeln aussetzt. Darum haben wir als Bundesregierung zum Beispiel die Preiskommission eingesetzt, in der Re­gierung, Sozialpartner, Expertinnen und Experten vertreten sind, und deshalb schauen wir auch auf diejenigen, die in der Kriegssituation Gewinne auf Kosten der BürgerInnen machen wollen und da zulangen, damit wir da Fairness ermöglichen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen! Ich bin mir sicher, dass uns Fragen der Energieversorgung in den nächsten Wochen und Mo­naten weiter und länger beschäftigen werden, egal ob es um den Krieg oder um den Klimawandel geht, beides ist diesbezüglich ein Faktum. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir auch riesige Verantwortung haben, unser Energiesystem um- beziehungsweise neu aufzubauen, damit wir den Herausforderungen der Zukunft auch gewachsen sind. Es geht um mehr erneuerbare Energie, bessere und leistungsfähigere Netze, weniger Abhängigkeit von Gas und Öl und damit auch von manch zwielichtigen Staatenlenkern.

Wir brauchen dafür aber auch Realismus und Mut und weniger Schlagzeilen und weniger Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand. Aber – und das ist das Positive, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das Sie heute mitnehmen sollten – wir haben dafür nicht nur eine gute Ausgangsbasis, sondern auch die richtigen Werkzeuge in der Hand. Sorgen wir also gemeinsam für Fortschritt, Energiesicherheit, leistbare Preise bei uns in Österreich und lassen wir dieses politische Hickhack (Ah-Rufe der Bundesrätin Schumann), das heute schon wieder spürbar ist und das niemanden interessiert, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, beiseite! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.21



BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 13

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


09.21.26

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte eigentlich, dass das eine Aktuelle Stunde ist. Ich habe jetzt aber Herrn Kollegen Krumböck zugehört und glaube nun, dass das eine Märchenstunde ist. Es tut mir leid, aber dieses Gefühl beschleicht mich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich heute „blockieren“ höre, dann frage ich mich an dieser Stelle wirklich: Wer blockiert sich hier? – Das ist die Regierung! Die Regierung blockiert sich hier gerade im Klimabereich, vor allem die Schwarzen die Grünen. Das muss man ganz klar und deut­lich sagen. (Beifall bei der SPÖ.) Das wissen wir und das wisst ihr genauso, denn sonst wären schon so viele Verordnungen und so viele Dinge auf dem Weg, die von der Bundesministerin auf den Weg gebracht worden sind, die aber teilweise – weil man den anderen halt den Erfolg nicht gönnt – nicht umgesetzt werden.

Um diese ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss einfach der Ausbau der erneu­erbaren Energie schneller vorangehen. Das ist einfach so. Wir wissen – und das ist heu­te schon gesagt worden; allein durch den Angriffskrieg auf die Ukraine durch Putin ist das deutlich aufgezeigt worden –, dass offensichtlich viel zu lange nicht ausreichend über unsere Energiesysteme nachgedacht wurde. Die Situation ist nun wirklich drama­tisch, das wissen wir auch. Erdgas ist nach Öl unser zweitwichtigster Energieträger und ist aus Industrie, Stromerzeugung, Fernwärme sowie für das Heizen aktuell einfach nicht wegzudenken.

Diese Abhängigkeit ist hausgemacht, auch das ist heute schon angeklungen, weil wir uns einfach über Jahrzehnte hinweg auf einen Energieträger und auf ein Land konzen­triert haben. Ich frage mich nur – und ich möchte mir persönlich das gar nicht ausmalen –, was ist, wenn etwas passiert, das wie jetzt offensichtlich zu einer Katastrophe führen könnte, wenn es dazu kommt, dass die Energielieferungen gänzlich ausgesetzt werden, wenn Russland zum Beispiel sagt, aufgrund dieser Situation liefert es nicht mehr, oder wenn Bomben- oder Raketenangriffe in der Ukraine den Durchfluss behindern und die Leitungen teilweise zerstören. Das wäre natürlich das Schlimmste, das uns passieren kann.

Es bedarf tatsächlich aller Kraftanstrengungen, um mittelfristig eine Energiewende zu schaffen und eine Abkehr von der derzeitigen Energiepolitik einzuleiten. Die Potenziale sind vorhanden – Strom, Wind, Wasser und Sonne sowie Biomethan und grüner Was­serstoff –, sie sind da und müssen in den kommenden Jahren entschlossen umgesetzt und mobilisiert werden. Gerade im Bereich der Fotovoltaik und der Windkraft bestehen noch sehr, sehr viele Möglichkeiten. Da brauchen wir nur ins Burgenland zu schauen. Das Burgenland ist, glaube ich, zu 110 Prozent autark, was die Windkraftanlangen an­langt. Das hat mir schon der damalige Landeshauptmann Niessl gesagt, wahrscheinlich ist es jetzt bedeutend mehr, was diese Situation anlangt. Also nicht nur schwarze Bun­desländer, auch rote haben in diesem Bereich schon einiges für die Zukunft geschafft, aber das müssen wir ja eh gemeinsam machen, und dafür bin ich natürlich auch.

Es bedarf jetzt nicht nur entsprechender Investitionen, Förderungen, es braucht dazu vor allem zuerst noch ein festes politisches Bekenntnis, insbesondere auch der Länder, zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Und was wir auch noch tun müssen, ich glaube, das ist auch wichtig: Wir müssen versuchen, all diese Dinge, diese Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen und so weiter, UVPs und so weiter, zu minimieren, sonst bringen wir für die Zukunft nichts weiter.

Bis es jedoch so weit ist, müssen jetzt rasche Maßnahmen gesetzt werden, dass die Verbraucher, vor allem jene mit geringen Einkommen, nicht zu den großen Verlierern


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dieser Energiewende werden. Die derzeit galoppierende Teuerung im Bereich der Energieversorgung, von den Treibstoff- bis zu den Strompreisen, macht für viele Menschen das tägliche Leben fast nicht mehr möglich. Wenn man am Abend überlegen muss, ob man heizt oder sich etwas zum Essen kauft, na bitte, dann sind wir ja dort, wo wir vor vielen, vielen Jahren waren! Das ist einfach nicht machbar. Es braucht wirklich eine spürbare und vor allem eine rasche Entlastung für die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Überall in solchen Situationen gibt es Gewinner. Das sind vor allem die Energiekon­zerne, die ihre Gewinne überproportional steigern konnten, denn die Preise an den Zapf­säulen steigen sichtbar rascher als jene am Rohstoffmarkt. Deswegen – es ist heute schon darüber gesprochen worden – müssen wir Hilfspakete schnüren, auf den Weg bringen, um die Menschen zu unterstützen. Das Ganze aber, was derzeit stattfindet, ist meiner Meinung nach ein Flickwerk – der große Bumm vielleicht in Richtung Senkung der Mehrwertsteuer, auch wenn das mit der Mehrwertsteuer immer wieder kritisiert wird, oder Abschaffung der kalten Progression, der würde vielen Menschen helfen.

Dass es auf der anderen Seite Konzerne gibt, deren Aktionäre riesige Kriegsgewinne einfahren, ist moralisch schwer zu akzeptieren. Lesen Sie die Zeitung! Eine kleine Zei­tung, ich möchte jetzt den Namen nicht nennen, hat eine Umfrage mit 40 000 Leuten gemacht und die Frage gestellt, ob staatsnahe Betriebe tatsächlich eine Extrasteuer zah­len sollten; Extrasteuer ist für mich ein bisschen weit hergeholt. – 80 Prozent der Men­schen in Österreich wollen, dass dieses Geld, das zusätzlich eingenommen wird, wieder an die Ärmsten der Armen, die es dringend brauchen, verteilt wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen wir nur die OMV her, die hat in den ersten drei Monaten 2,6 Milliarden Euro Gewinn gemacht. 2021 hat der Verbund 880 Millionen Euro verzeichnet, heuer wird er wahrscheinlich 1,6 Milliarden Euro machen. General Strugl selbst sagt, er werde wohl den Armen irgendetwas zukommen lassen.

Bundeskanzler Nehammer hat sich mit diesen Dingen schon beschäftigt, er hat es nur falsch vorgebracht. Er hat damit dafür gesorgt, dass der Börsenwert sofort in den Keller gestürzt ist – leider Gottes; ich weiß nicht, wie weit er wieder hochgegangen ist –, aber er hat recht. Er hat recht damit, dass man sagt, man muss jene, die es jetzt in dieser Zeit schwer haben, unterstützen. Das wollen nicht nur wir in Österreich machen, das ge­schieht in Griechenland, dort werden 90 Prozent jener Erlöse dafür verwendet, und das geschieht in Spanien und in Portugal genauso. Dort gibt es einen Preisdeckel, der die Kosten für die Konsumenten halbiert, dort gibt man es zum Teil an die Menschen weiter, denn das kann ja nicht sein.

Da denke ich auch an unseren Herrn Finanzminister, der heute noch kommen wird. Wenn er 12 oder 11 Millionen, Entschuldigung, Milliarden oder 10 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer, an Lohnsteuer und so weiter zusätzlich einnimmt, dann sind das zusätz­liche Einnahmen, die aus dieser Situation erwirtschaftet worden sind, und das muss man doch an die Menschen auf dieser Welt, an die Menschen in Österreich, denen es hier und heute schlechtgeht, weitergeben. Also dieser Appell geht von meiner Seite noch einmal in diese Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Kollegen, die vor mir hier gestanden sind, haben gesagt, was alles passiert ist. Ja, natürlich sind viele Dinge passiert, keine Frage. Auch wir haben dazu beigetragen, wenn ich an das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz denke, dass Verhand­lungen schwierig waren, weil wir halt immer an die Menschen denken, die weniger Geld in der Brieftasche haben. Okay, das gehört auch irgendwo dazu, aber es sind einige Dinge, die meiner Meinung nach – wie ich begonnen habe, so möchte ich auch enden – verhindert, teilweise irgendwo in dieser Koalition nicht weitergebracht worden sind, und das hemmt einfach den Fortschritt in diesem Ökostromausbaugesetz, natürlich.


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Das muss man jetzt auch in dieser Situation sagen: Investitionsförderungen wurden zu­erst von 60 Millionen, glaube ich, auf 300 Millionen Euro erhöht – gewaltig, keine Frage, alles richtig –, aber was ist mit dem fehlenden Klimaschutzgesetz? Was ist mit dem feh­lenden Energieeffizienzgesetz? Was ist mit dem fehlenden Erneuerbaren-Wärmege­setz? Was ist mit dem Konzept, über die Wasserstoffstrategie nachzudenken? Auch das ist leider Gottes noch immer in der Nachdenkphase.

Ich erwähne auch die Biodiversitätsstrategie und sage es noch einmal an dieser Stelle: Liebe Damen und Herren in der Regierung, versucht zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher, miteinander auszukommen, denn es wird da die Umsetzung wichtiger Dinge verhindert, weil man einer Umweltministerin den Erfolg unter Umständen nicht gönnt. So sieht man das aus unserer Sicht.

Noch etwas – das habe ich mir herausschreiben müssen –: Es gibt bis dato keine Ent­scheidung zum Standort Umweltbundesamt. In einer Laune der ÖVP wird gesagt und darüber gesprochen: Wir müssen den Standort von Wien nach Klosterneuburg verlegen. Bis heute ist es nicht passiert – Gott sei Dank nicht passiert. Was machen wir jetzt weiter in dieser Situation? Es sind immerhin 500 Leute mit ihren Familien, die nicht wissen, ob sie in Wien bleiben oder irgendwann einmal nach Klosterneuburg kommen werden. Die Liste wäre noch lange fortzusetzen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Bundesminister, die Problematik um eine sichere, leistbare und klimaneutrale Energiezukunft ist äußerst komplex, ja, sie ist es, es ist ein schwieriges Thema, welches nur durch eine gemeinsame – das ist auch unser Ange­bot – nationale und parteiübergreifende Kraftanstrengung gemeistert werden kann.

Gehen wir es an! Das, glaube ich, ist das Wichtigste: Die Menschen draußen, die uns heute hier zuschauen, erwarten von uns, dass wir etwas Gescheites für die Zukunft leis­ten. (Beifall bei der SPÖ.)

9.31


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


9.31.38

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zum Thema Versagen der Bundesregierung, das Kollege Gross angesprochen hat: Ja, aber nicht die vorhergegangenen Bundesregierungen, sondern die jetzige Bundesregierung versagt an allen Ecken und Enden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen von der grünen Partei mit Ihrer Gallionsfigur in Form der Ministerin zum Beispiel zum Thema Wasserstoff – der Kollege hat es vorhin erwähnt – Folgendes: Vor drei Jahren war unter Norbert Hofer als Verkehrsminister das komplette Konzept mit dem Wasserstofftankstellenausbau fertig, es wären 1 000 Hyundai-Lkw nach Österreich ge­kommen, und so weiter. Was ist geschehen? – Nichts! Außer leeren Worthülsen ist nichts gekommen. In der letzten Sitzung haben wir erfahren, dass für 2030 geplant ist, dass die Wasserstofftankstellen ausgebaut werden, aber jetzt zahlen alle schon eine Strafsteuer dafür.

Zum Thema Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das Sie immer wieder so hervorheben, frage ich mich: Was hindert Sie daran, zum Thema Gaseinspeisung endlich etwas zu tun? Damals hat Staatssekretär Brunner gesagt, ja, es wird noch ein bissel dauern, das kommt dann in der Nachfolge – aber bis dato ist nichts passiert, und das schon jahrelang nicht. Das würde aber auch einen Teil der Versorgungssicherheit, wenn auch nur einen Bruchteil, aber trotzdem, zusätzlich gewährleisten.

Sie, Herr Gross, stellen sich hier heraus und wiederholen Ihre spöttischen Bemerkungen mehrmals, wie etwa: „Die Welt ist untergegangen.“ Ich sage Ihnen: Ja, die Welt geht


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gerade unter, für viele, viele Familien, die nicht mehr wissen, wie sie tagtäglich mit ihrem Auto in die Arbeit kommen sollen, ob sie Lebensmittel kaufen sollen oder das Geld fürs Heizen verwenden sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man die Ausführungen von Kollegen Krumböck hört, glaubt man sowieso, er lebt auf einem anderen Planeten. Niederösterreich ist ein Vorzeigeland in puncto Strompro­duktion aus erneuerbarer Energie, aber ich sehe gegenüber den anderen Bundeslän­dern keinen Grund dafür, dass die EVN jetzt unbedingt die Strompreise erhöhen muss, wenn wir eh alles mit erneuerbarer Energie und nicht mit Gas produzieren. Warum hän­gen wir uns dann mit den Preisen trotzdem beim Gas an? Warum brauchen wir trotzdem saftige Strompreiserhöhungen? – Das müssen Sie mir einmal erklären.

Frau Minister, sind Sie sich überhaupt im Klaren, dass Sie unter dem Titel „Nationaler Kraftakt Energiewende“ mit den von Ihnen getroffenen Maßnahmen der letzten Monate mittlerweile den kompletten österreichischen Mittelstand massiv belasten und in die Ar­mut treiben? Sind Sie sich im Klaren, wie sich die von Ihnen gesetzten Maßnahmen der letzten Monate auf die Familien auswirken? Sind Sie sich im Klaren, wie sich die von Ihnen gesetzten Maßnahmen der letzten Monate auf die Generationen auswirken, die unser wunderschönes Heimatland mühevoll aufgebaut haben? Sind Sie sich im Klaren, wie sich die von Ihnen gesetzten Maßnahmen der letzten Monate auf die Jüngsten unserer Gesellschaft, unsere Kinder, auswirken? Ist es für Sie nicht genug, was Sie als Teil dieser Bundesregierung gemeinsam mit der Partei, die nachweislich, wie man sieht, für die österreichische Bevölkerung eh nichts mehr übrig hat, die mittlerweile sogar aus ihrem Parteinamen den Bezug auf Österreich herausgestrichen hat und sich jetzt nur mehr Die Volkspartei nennt, an der österreichischen Bevölkerung verbrochen haben?

Waren Sie in Ihrem Leben schon einmal in einer Situation, in welche Sie mittlerweile einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung gebracht haben und mit Ihren völlig überzogenen geplanten Maßnahmen noch bringen werden, nämlich sich entscheiden zu müssen – wie vorhin schon erwähnt –, ob der verbliebene Euro für Lebensmittel oder für Heizmaterial oder für Treibstoff ausgegeben wird? Wissen Sie, dass Sie sich mit den von Ihnen gesetzten Maßnahmen schuldig machen, Menschen gesundheitlich massiv zu belasten, Belastungen herbeizuführen, die im schlimmsten Fall bis zum Tod führen können?

Ich als Freiheitlicher, als Familienmensch, als Großvater und als gewählter Vertreter for­dere Sie hier noch einmal auf, zum Wohle der österreichischen Bevölkerung sofort alle Maßnahmen, die Sie mit Ihrem Ministerium unter dem Titel „Nationaler Kraftakt Energie­wende“ setzen und mit denen Sie den Wohlstand gefährden, zu unterlassen! (Beifall bei der FPÖ.)

Es hilft den Familien nichts, wenn diese Bundesregierung einen Energiegipfel nach dem anderen medienwirksam einberuft und außer Spesen und heißer Luft nichts produziert.

Ein Armutszeugnis Ihres Ministeriums mit Ihnen als Leitfigur ist – oder ist das Ihre Wert­schätzung des Bundesrates? –, ich habe es letztes Mal schon gesagt und ich werde es immer wieder wiederholen, so lange, bis ich endlich meine Fragen beantwortet bekom­me: Die Fragen sind bereits vor zwei Monaten im Ausschuss gestellt worden, und es wurde versprochen, dass die Zahlen nachgereicht werden. Die Antworten auf meine Fra­gen und die Zahlen wurden natürlich wie gewohnt bis heute nicht übermittelt.

Dazu kommt, dass Sie die von mir verlangten Zahlen ohnehin haben müssten, denn bei den sogenannten Energiegipfeln brauchen Sie ja die Zahlen, um Entscheidungen treffen zu können. Auch ohne gelieferte Zahlen – wie es Kollege Novak heute eh schon kurz erwähnt hat – wissen wir alle, die die Grundschule besucht haben, dazu brauchen wir keine höhere Schule, dass der große Gewinner bei dem ganzen Wahnsinn der Finanz­minister ist. Wenn man unglaubliche zusätzliche 8 bis 11 Milliarden Euro einnimmt und


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die der Bevölkerung nicht wieder zurückgibt, sondern nur irgendwelche Almosen wie diesen 150-Euro-Gutschein verteilt – das muss man sich auf der Zunge zergehen las­sen: Die meisten können diesen Gutschein, wenn sie ihn überhaupt einlösen können, erst nächstes Jahr einlösen! –, dann ist das nur mehr Willkür, dann ist das nur mehr dieser türkis-grüne Zynismus und nicht mehr aushaltbar für die österreichische Bevölke­rung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie lautstark dabei sind, wenn es darum geht, der österreichischen Bevölkerung mit dem Ölembargo den nächsten Knieschuss zu verpassen, dann frage ich Sie: Was alles muss noch passieren, dass Sie verstehen, dass Sie mit den Maßnahmen, die Sie setzen, nicht Russland, sondern der österreichischen Bevölkerung schaden?

Nun zu weiteren Details, die ich auch nicht verstehe, aber vielleicht können Sie als ehe­malige Mitarbeiterin von Global 2000 heute einige Dinge klarstellen, zum Thema Fra­cking etwa: Wie verträgt es sich, wenn wir uns in Niederösterreich, in meiner Heimatge­meinde Poysdorf, wir Freiheitliche gemeinsam mit Bürgerinitiativen, wo auch Personen von Global 2000 dabei sind, seit vielen Jahren eindeutig gegen Fracking aussprechen und sich sogar der Landtagspräsident von Niederösterreich in einem Artikel gestern klar dagegen ausspricht, wie verträgt sich das damit, dass Sie Frackinggas aus Amerika ein­kaufen wollen? (Beifall bei der FPÖ.)

Ist das jetzt der Alleingang Ihrerseits? Sind Sie jetzt auf einmal für Fracking? Gehört Fracking für Sie jetzt zur Energiewende? Im Zusammenhang mit Ihrem Verständnis von Umwelt- und Einkaufspolitik: Ist für Sie Gas, welches in Ländern wie Katar produziert wird, in denen man bei den Themen Menschen- und Frauenrechte weit von unseren Standards entfernt ist, sauberes Gas? (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zum Thema Ihrer Reise nach Katar stellt sich für mich sowieso noch eine weitere Frage: Stellen Sie sich einmal vor, wie sich die österreichische Bevölkerung dabei fühlt, die, speziell im ländlichen Raum, tagtäglich auf das Auto angewiesen ist, um zum Beispiel zur Arbeit zu kommen, durch Ihre Maßnahmen und Gesetze unter dem Titel Klima- und Umweltpolitik und CO2-Einsparung zur Verzweiflung gebracht wird, während Sie selbst mit dem Privatjet durch die Gegend fliegen! (Bundesrat Steiner: Skandal!) – Ja. Jetzt frage ich mich, Frau Minister: Wissen Sie, wie viel CO2 (Zwischenruf bei der SPÖ) Sie mit Ihrem Flug ausgestoßen haben oder sind Sie mit Altspeisefetttreibstoff oder mit einem Elektroflieger geflogen? (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema Wasserkraft: Wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass die Stromproduktion durch Wasserkraft weiter ausgebaut werden muss, aber leider hört man von Ihnen, außer dass es im Regierungsprogramm ist, nichts davon. Wo sind die nächsten neuen Wasserkraftwerke, die gebaut werden?

Verwunderlich und unverständlich ist für mich natürlich auch noch der Zusammenhang der Preisgestaltung mit den dazugehörigen Argumentationen des derzeitigen Stromprei­ses und der Erhöhungen. Wir decken derzeit österreichweit bereits 80 Prozent unseres Strombedarfs in Österreich aus Wasserkraft und erneuerbaren Energien ab – woraus entstehen dann die massiven Strompreiserhöhungen, bei denen sich die Energieliefe­ranten auf das Thema Gas ausreden? (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch – und da muss ich zu Kollegen Novak kommen –: Wenn man sich das nach Mehrheitseigentümern im Vergleich der Bundesländer anschaut, dann ist bei den sozialistisch geführten Bundesländern bei der Höhe der Strompreise Wien Nummer eins, das Burgenland Nummer zwei und Kärnten Nummer drei. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Beim Gas nimmt Wien die Vorreiterrolle ein, dann kommt das Burgenland und dann kommt natürlich gleich Nieder­österreich – die dürfen ja auch nicht fehlen, wenn es um Medaillen geht. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.)


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 18

Eines ist für uns klar – ich denke, für alle hier im Saal –: Die Produktion aus erneuerbaren Energien ist uns wichtig. Ich selbst lebe sie schon seit mehr als 20 Jahren. Es darf aber nicht so sein, dass Sie als Mitglied der Bundesregierung und als Hauptakteurin, Frau Minister, tagtäglich – um noch einmal auf den Titel dieser Aktuellen Stunde zu kommen; leider erleben wir es so – unter dem Titel „Nationaler Kraftakt Energiewende“ zum natio­nalen Kraftakt werden, Ihr Gedankengut der österreichischen Bevölkerung aufzwingen und gleichzeitig einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung in die Armutsfalle treiben.

Wichtig ist – so sehen wir Freiheitliche es –, Politik in allen Bereichen mit Hausverstand zu machen. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

9.43


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Für eine erste Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. – Auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


09.43.29

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Es könnte, glaube ich, kein besserer Zeitpunkt für diese Diskussion auch hier im Bundesrat unter dem Titel „Nationaler Kraftakt Energiewende“ sein, denn der ab­scheuliche Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns in den letzten Wochen eines schmerzlich vor Augen geführt, nämlich was unsere Abhängigkeit von russischem Gas für uns bedeutet, was unsere Abhängigkeit von fossilen Energien für uns bedeutet. Das hat auch der UN-Generalsekretär gestern in Wien gerade wieder sehr, sehr deutlich for­muliert.

Diese Abhängigkeit hat uns vor Augen geführt, wie erpressbar wir sind. Wir haben uns – so ehrlich und so offen muss man sein – als Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehenden Auges in die Fesseln eines Autokraten begeben. Wir haben immer mehr billi­ges Gas, immer mehr Gas aus Russland gekauft. Die Devise hat über lange Jahre ge­lautet, immer noch einen Vertrag, immer noch einen Freundschaftsvertrag, immer noch mehr Gas, noch mehr Abhängigkeit, anstatt sie zu reduzieren.

Jetzt müssen wir in dieser Situation erkennen, uns aus dieser Abhängigkeit angesichts dieses Krieges zu befreien, das werden wir nicht von heute auf morgen machen kön­nen – das ist schlicht nicht möglich. Auch wenn sich viele Menschen – auch in unserem Land – wünschen, auch aus moralischen Gründen – wenn man die Bilder aus Butscha sieht –, dass wir sagen, wir müssen sofort auf russisches Erdgas verzichten, dann müs­sen wir leider hier stehen und sagen: Nein, diesem Wunsch, dieser Forderung können wir derzeit nicht entsprechen, die Konsequenzen für unser Land, für unsere Wirtschaft wären zu groß. – Das ist der Boden der Realität, auf dem wir in Österreich angelangt sind, und wir müssen dieser Realität einfach ins Auge sehen. Wir schaffen das nicht von heute auf morgen.

Unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas ist eine Realität, die schwer zu ertragen ist, weil wir uns da, wie ich gesagt habe, sehenden Auges hineinbegeben haben, in un­serem Land bewusst Entscheidungen getroffen haben, die die Abhängigkeit immer wei­ter vergrößert haben. Wir haben erst vor wenigen Jahren weitere Lieferverträge mit Gaz­prom unterzeichnet, sie wieder verlängert, uns noch länger abhängig gemacht. 2016 hat die damalige Bundesregierung großen Druck auf die OMV ausgeübt, Gasfelder in Nor­wegen gegen Gasfelder in Russland zu tauschen. Österreich war das erste Land der Europäischen Union, das 2014, nach der Annexion der Krim, Wladimir Putin wieder


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willkommen geheißen hat. Diese Fehler zu bekennen und zu benennen halte ich für un­erlässlich, denn nur dann können wir auch daraus lernen – alle gemeinsam – und dafür Sorge tragen, dass sie uns nicht wieder passieren. Auch das sehe ich als meine Verant­wortung in dieser Situation. Die Verantwortung und wie wichtig sie ist, das hat uns dieser Krieg auch gezeigt und zeigt uns dieser Krieg jeden Tag wieder aufs Neue.

Das heißt, die Konsequenz, die sich daraus ergibt, ist, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu beenden – das steht außer Frage. Das ist die einzige Antwort, die die Europäi­sche Union konsequenterweise und angemessenerweise auf diesen Krieg geben kann. Das heißt, wir müssen jetzt über das Wie sprechen, und da kommen wir zu diesem na­tionalen Kraftakt – Sie haben dieses Thema ja nicht zufällig genau heute zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht. Vor uns steht ein nationaler Kraftakt Energiewende, ein nationaler Kraftakt Ausstieg aus russischem Erdgas. Wir müssen es geplant tun, wir müssen es vernünftig tun und gleichzeitig so schnell wie nur irgendwie möglich tun, ohne – auch das ist wichtig – uns selbst dabei mehr zu schaden als Russland.

Wir können diesen Kraftakt bis 2027 stemmen, wenn wir sofort damit beginnen, wenn alle in unserem Land die Verantwortung übernehmen, die es dafür braucht. Dafür braucht es drei Säulen, auf die ich hier auch kurz eingehen möchte, nämlich erstens: den Gasverbrauch zu reduzieren, zweitens: die eigene Produktion zu erhöhen, und drit­tens: die Lieferländer zu diversifizieren.

Unabhängigkeit von Russland heißt, wir müssen mit dem Gasverbrauch herunterkom­men. Jeder Kubikmeter Gas, den wir einsparen, ist ein Beitrag dazu. Bis 2030 – Kollege Gross hat es vorhin schon erwähnt – müssen wir unseren Gasverbrauch – ich formuliere es so herum – um rund 29 Terawattstunden reduzieren, damit wir den Ausstieg aus rus­sischem Erdgas bis 2027 schaffen.

Das ist enorm ambitioniert, das ist richtig viel, aber es geht, das zeigen uns die Daten, das zeigen uns die Potenziale, die wir haben: wenn wir in unserem Land die Gasheizun­gen ausbauen und durch bessere erneuerbare Alternativen ersetzen, wenn wir mit gut gedämmten Häusern Gas sparen – das spart mit effizienten Energiebetrieben by the way auch Betriebskosten –, wenn wir in der Energieversorgung in den Häusern, in vielen Betrieben auf erneuerbare Alternativen umsteigen und deswegen auch die Erzeugung dieser erneuerbaren Alternativen aus Sonne, aus Wind, aus Wasser, aus Biomasse aus­bauen, damit wir eben Schritt für Schritt, Kubikmeter für Kubikmeter den Gasverbrauch reduzieren.

Deswegen sind es gute Neuigkeiten, dass wir die Investitionsförderung, wie Kollege No­vak gerade erwähnt hat, heuer noch einmal im Vergleich zu dem, was geplant war, deut­lich vervielfacht haben. Deswegen sind es gute Neuigkeiten, dass wir so viele Anträge wie überhaupt noch nie zuvor in diesem Land haben. Deswegen sind es gute Neuigkei­ten, dass 2022 ein Rekordjahr für den Windkraft- und den Fotovoltaikausbau wird. Wir brauchen die Menschen in unserem Land nämlich für diesen Kraftakt, den wir vor uns haben.

Zweitens: Unabhängigkeit von russischem Erdgas bedeutet auch, die eigene Produktion auszubauen, in Österreich Gas, Biomethan, grünen Wasserstoff zu produzieren. Es gibt in Österreich eine Erdgasförderung, die rund 10 Prozent unseres Verbrauchs abdeckt – auch die müssen wir weiterführen. Österreich hat aber großes Potenzial gerade in der Biogasproduktion, in der Biomethanproduktion. Es gibt engagierte Unternehmen, es gibt engagierte Menschen. Wenn wir mehr Biogas einspeisen, dann haben wir hier in der Zukunft, bis 2027 deutliches Potenzial, um russisches Erdgas zu ersetzen.

Die dritte Säule heißt: Ja, wir müssen diversifizieren. Wir können nicht länger in einem derartig ungesunden Ausmaß von einem Partner abhängig sein, sondern wir müssen auch den Gaseinkauf auf ein stabiles Fundament stellen. Diese Freiheit fehlt uns derzeit,


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das spüren wir gerade. Genau aus diesem Grund müssen wir darangehen, auch vielfäl­tiger in den Lieferländern zu werden. Schon jetzt bezieht Österreich einen Teil seiner Gaslieferungen aus Norwegen. Diesen Anteil müssen wir deutlich erhöhen, sonst wird sich das nicht ausgehen. Wir brauchen aber auch Lieferungen über andere Pipelines, etwa aus Nordafrika. Wir beteiligen uns intensiv am gemeinsamen Vorhaben der Euro­päischen Kommission, Gas gemeinsam einzukaufen, um unsere Kraft auch am Welt­markt zu bündeln. Wir werden dazu auch Flüssiggaseinkäufe machen müssen, weil wir andere Lieferländer außer Russland brauchen.

Ich sage es auch hier – die Europäische Kommission meint das ernst mit 2027 –: Der Ausstieg aus russischem Erdgas ist unausweichlich. Russland führt Krieg, Russland be­geht Kriegsverbrechen. Auf Russland können wir uns – das sehen wir gerade in der Be­richterstattung der letzten Tage – als stabilen Energielieferanten nicht verlassen.

Das heißt, wir müssen auch das Szenario – und auch das ist in den Reden ja schon angeklungen – im Blick haben, dass wir plötzlich einer dramatischen Situation gegen­überstehen, nämlich: Was passiert, wenn Russland die Gaslieferungen beendet? Auch darauf sind wir vorbereitet, dafür wurden Notfallpläne entwickelt, aufbauend auf dem Energielenkungsgesetz. Das Energielenkungsgesetz gibt da einen ganz klaren Rahmen vor, geschützte KundInnen, Haushalte, soziale Dienste, Krankenhäuser, systemrelevan­te Bereiche zu priorisieren, die Stromerzeugung, die zum Teil noch mit Gas betrieben wird, die Lebensmittelproduktion, die kritische Infrastruktur. Wir haben das ja schon öfter auch in diesem Rahmen diskutiert.

Aber ganz egal, wie gut wir vorbereitet sind, Russland ist der größte Erdgasexporteur weltweit. Wenn Russland von einem Tag auf den anderen kein Gas mehr liefert, dann gibt es für ganz Europa, von Italien bis Deutschland, von Ungarn bis Österreich, eine Antwort, und die heißt, großen Energieverbrauchern die Versorgung zu reduzieren, ins­besondere in der Industrie, damit die Haushalte auf Basis der Energielenkung auch weiter geschützt sein können. Die ganze Bundesregierung setzt auf allen Ebenen alles daran, dieses Szenario zu verhindern, denn das ist ein Szenario weitreichender Konse­quenzen. Wenn Russland von heute auf morgen für Europa als Energielieferant ausfällt, dann bedeutet das Produktionsausfälle, dann bedeutet das Arbeitslosigkeit, dann ist das eine Situation, die wir in vielen, vielen Jahren und Jahrzehnten noch nie hatten.

Ich würde jetzt gerne hier stehen und sagen, dass sich diese Tatsache einfach abwen­den lässt, aber das wäre unehrlich. Das wäre unehrlich. Österreich ist abhängig, Öster­reich ist zu abhängig. Ich hatte am Freitag den Chef der Internationalen Energieagentur zu Besuch, der auch noch einmal bestätigt hat, dass wir in Europa in einer wirklich au­ßergewöhnlich exponierten Situation sind: 80 Prozent, ein Binnenland, abhängig von Pipelinelieferungen. Deswegen müssen wir die Abhängigkeit beenden und vorsorgen, so gut es geht, auch für alle anderen Situationen. Deswegen speichern wir ein. Wir legen Gasreserven an. Wir haben ein Gesetz für die strategische Gasreserve in Rekordzeit – danke, auch hier im Bundesrat – beschlossen. Die Ausschreibung ist seit gestern drau­ßen. Der Staat kauft erstmals selbst Gas ein.

Wir haben im Finanzausschuss des Nationalrates noch eine Versorgungssicherheit be­schlossen, die es uns ermöglicht, Energieversorger zu beauftragen, auch physisch ein­zuspeichern, angelehnt an das deutsche Modell. Das wird auch bald bei Ihnen im Bun­desrat sein und ich darf hier schon um breite Unterstützung werben. Wir haben eine Lösung für die Industrie auf den Weg gebracht, um der Industrie Sicherheit zu geben, wenn sie vorsorgt und selbst physisch einspeichert.

Wir sorgen dafür, dass die Speicher in unserem Land bis zum Beginn der Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sind, nehmen dafür auch Geld in die Hand, bis zu 6,6 Milliarden Euro, aber ja: Wenn die Gasversorgung von einem Tag auf den anderen ausfällt, kann das im schlimmsten Fall immer noch zu wenig sein.


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Deswegen tragen wir gemeinsam – und dieser Appell an die Gemeinsamkeit ist ja in vielen Reden schon vorgekommen – in solch einer Situation eine weitreichende Verant­wortung. Auch ich habe eine weitreichende Verantwortung, ich stehe auch zu dieser Verantwortung und sage: Je schneller wir den Ausstieg aus russischem Erdgas schaffen, desto geringer wird unsere Abhängigkeit, desto schwieriger kann man uns erpressen. Jedes bisschen Gas, das wir uns aus den Lieferungen aus Russland ersparen, ist ein bisschen mehr Unabhängigkeit, und dafür brauchen wir alle in ganz Österreich, jeden Betrieb, jedes Unternehmen, jedes Bundesland, jeden Bürgermeister, jede Bürgermeis­terin, jeden und jede Einzelne/n von uns und Ihnen in der politischen Verantwortung, denn wenn wir diesen Kraftakt als Österreich gemeinsam annehmen, dann können wir ihn auch gemeinsam stemmen.

Dafür bitte ich auch Sie um Ihre Unterstützung und sage herzlichen Dank, dass Sie sich diesem wichtigen Thema heute auch widmen. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

9.55


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm dieses.


9.56.14

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir heute über das Thema Energiewende als nationalen Kraftakt sprechen, sehe ich zuerst einmal, dass von so mancher Interessenvertretung zu viel Energie darauf verschwendet wurde, das größte Thema unserer Zeit einseitig darzustellen, und zwar aus Kalkül, um von den eigenen Versäumnissen, von den eigenen Fehleinschätzungen abzulenken, nämlich dem falschen Produktversprechen, dass fossile Energie billig, in großen Men­gen und immer verfügbar sein würde.

Das Problem dabei ist: Das hat nie gestimmt und wird auch nie stimmen, auch wenn man es Generationen von UnternehmerInnen und Generationen von KundInnen so ver­kauft hat. Anstatt nämlich, wie die Wissenschaft und auch die Grünen es seit Jahrzehn­ten fordern, frühzeitig nachhaltige Energie zu forcieren, hat man die Basis jeder Pro­duktion, von der Landwirtschaft bis zur Industrie, outgesourct mit dem Ergebnis, dass man Abhängigkeit, Technologierückstand und die Klimakatastrophe importiert und Mil­liarden über Milliarden exportiert hat.

Warum? – Weil man eindimensional, weil man nur in kurzfristigen Kostenstrukturen gedacht hat, weil man Folgekosten nicht eingepreist und wissenschaftliche Erkenntnisse spätestens seit den Siebzigerjahren ignoriert hat, kurz, weil der Tellerrand zu weit weg war. Deswegen gibt es jetzt nur noch eine Chance, und zwar der Energiewende die Dimension einzuräumen, in der sie begriffen werden muss, nämlich nicht als gefracktes Tankergas, das über nicht vorhandene LNG-Terminals teuer eingespeist wird und erst recht Abhängigkeiten und CO2-Wahnsinn schafft, Energiewende heißt Wind, Wasser, Sonne, Biomasse, Biogas, Geothermie, heißt Altbausanierung, Energiegemeinschaften und massive Reduzierung unseres Bodenverbrauchs, Energiewende heißt Recycling und Upcycling hin zu regionaler, am besten autarker Kreislaufproduktion, Energiewende heißt, mit öffentlichem Verkehr Boden gutzumachen.

Es bieten sich jede Menge Chancen, jede Menge neuer Jobs entstehen. Ja, wir stehen vor großen Veränderungen und vor einer gewaltigen Transformation. Und wir haben jetzt


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die Wahl: Wollen wir jammern, zaudern und zögern und bremsend an Gewohntem fest­halten oder gehen wir positiv, zuversichtlich und gestaltend in dieses neue Zeitalter?

Die Länder, die Gas geben  Gas geben ist da vielleicht der falsche Ausdruck (Heiterkeit bei BundesrätInnen von Grünen, ÖVP und SPÖ) –, also jene Länder, die bei diesen Veränderungen, die so oder so, auch gegen den Widerstand der Bremser kommen wer­den, vorne mit dabei sind, werden am Ende auch wirtschaftlich stärker davon profitieren. Es ist eine Riesenchance, wieder mehr Wertschöpfung im eigenen Land zu haben.

Es ist aus mehrfacher Hinsicht viel gescheiter, wenn wir die Energie selber machen, als jedes Jahr zigmilliarden Euro an irgendwelche Despoten oder Scheichs zu überweisen und abhängig davon zu sein, ob die den Hahn jetzt zudrehen oder nicht.

Die Energiewende hat aus meiner Sicht drei Hauptwirkungen: Sie ist unerlässlich, um die Klimakrise abzuschwächen; sie befreit uns von Abhängigkeiten; sie generiert lokale Wertschöpfung.

Geschätzte Damen und Herren, Verantwortung zu übernehmen ist mehr als die Be­reitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen. Es ist vor allem auch der Mut, Lösungen in Generationsmaßstäben zu denken, denn eines ist klar: Die Energiewende ist alterna­tivlos, sie ist vielschichtig, und wir müssen sie mit Siebenmeilenstiefeln gemeinsam an­gehen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.00


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr dieses.


10.01.07

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kraftakt ist der richtige Ausdruck, wenn wir über die Energiewende reden. Wir sehen an der Diskussion, wie komplex und wie breit die Themen sind. Ich möchte mich jetzt vor allem sehr sachlich, realistisch und auch kritisch damit beschäftigen, wie wir die Ziele der Energiewende erreichen können und was uns dazu noch fehlt.

Wie viele von Ihnen wissen, beschäftige ich mich schon sehr lange mit den Alternativ­energien, erneuerbaren Energien. Ich habe auf meinem Hof schon lange meine Res­sourcen genutzt und eine 120-kW-Fotovoltaikanlage und ein Wasserkraftwerk gebaut. Ich weiß also, wovon ich rede.

Durch die aktuellen Ereignisse sind Investitionen in die Erneuerbaren nun auch wirt­schaftlich attraktiver geworden. Die Zeiten sind also gut für einen raschen, effizienten Energiewandel – und ich glaube, darin sind wir uns alle einig.

Die Frage ist also: Welche Voraussetzungen brauchen wir, um diese Ziele zu errei­chen? – Da muss man zuerst mit Einsparungen beginnen. Da sind wir alle gefragt, jeder in seinem persönlichen Bereich. Auch durch Innovationen und durch Technologieoffen­heit kann man aber Einsparungen erreichen.

Mit dem EAG, das wir vor zehn Monaten beschlossen haben, haben wir einen sehr guten Grundstein für den Ausbau hin zu den Erneuerbaren gelegt. Ein Teil der Verordnungen fehlt leider noch immer.

Was brauchen wir noch? – Wir brauchen eine bessere Netzinfrastruktur. Die Verteiler­netze der Zukunft müssen viele Produzenten verbinden und noch viel stärkeren Schwan­kungen gewachsen sein. Wir brauchen einen viel rascheren und umfassenderen Ausbau unserer Netze. Wir brauchen aber auch eine wirkliche Verkürzung der Verfahrensdauer.


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Einige Beispiele dazu: Das Genehmigungsverfahren für das Speicherkraftwerk Kühtai hat in Summe 118 Monate gedauert, also – Sie hören richtig! – fast zehn Jahre. Das Verfahren der Salzburgleitung, Knoten Sankt Peter bis Knoten Tauern, hat 76 Monate gedauert – Sie hören richtig! –, das sind mehr als sechs Jahre. Bei der derzeitigen Ver­fahrensdauer können wir die Ziele der Energiewende 2030 buchstäblich in den Wind schreiben.

Die Wirtschaft, die Energieversorgungsunternehmen und alle, die bereit sind, in diesen Bereich zu investieren, brauchen Investitionssicherheit, das heißt, die Verfahrensdauer und damit auch die Projektkosten müssen überschaubar und berechenbar werden – denn wir werden alle brauchen: die großen, die mittleren und alle kleinen Projekte und Anlagen.

Es liegen zahlreiche Maßnahmen auf dem Tisch, die helfen, die Dauer der Genehmi­gungsverfahren massiv zu verkürzen. Erstens: Eine angemessene Öffentlichkeitsbetei­ligung darf nicht zur Verhinderung von Projekten bis hin zur nachträglichen Anfechtung von Bescheiden führen. Eine Digitalisierung von Anlagen- und UVP-Verfahren mit klar definierten Fristen ist unabdingbar. Eine verbesserte Ausstattung von Behörden mit Per­sonal, IT, Kommunikationsmitteln ist dringend notwendig, und auch die Amtssachver­ständigen müssen dringend entlastet werden.

Zum Schluss noch ein mir sehr wichtiger Punkt: Wenn man sich die Umsetzung vieler Projekte zu Windkraft, Fotovoltaikanlagen und auch Wasserkraft ansieht, muss man fest­stellen, dass praktisch jedes größere Projekt gegen massiven Widerstand von lokalen und regionalen Aktivisten anzukämpfen hat. Dies führt dazu, dass die Umsetzung unse­rer gemeinsamen Ziele behindert oder deutlich verzögert wird. Diesbezüglich habe ich wirklich eine herzliche und konkrete Bitte an Sie, liebe Frau Ministerin: Da diese lokalen und regionalen Aktivisten in sehr vielen Fällen auch aus dem Ihnen nahestehenden ge­sellschaftlichen Umfeld kommen, bitte ich Sie um Ihre Überzeugungskraft und Ihren Ein­fluss.

Wir alle müssen da Farbe bekennen, was unsere Prioritäten sind. Wenn wir Wasserkraft wollen, müssen wir Wasserkraftwerke bauen. Wenn wir Windkraft wollen, müssen wir Windräder bauen, und wenn wir die Sonnenenergie nutzen wollen, dann müssen wir Fotovoltaikanlagen bauen, und wenn wir mehr Fotovoltaikanlagen, Wasserkraftwerke und Windräder bauen, dann wird sich auch unser Landschaftsbild verändern – und dazu müssen wir stehen. Wer A sagt, muss auch B sagen – und die Menschen in unserem Land sind dafür bereit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Novak.)

Helfen wir jenen in Wirtschaft und Industrie, in der Landwirtschaft, aber auch jeder Pri­vatperson, allen, die ihren Beitrag zur Energiewende leisten wollen, helfen wir ihnen, jene Projekte umzusetzen, die die Erreichung unserer Ziele möglich machen! – Ich dan­ke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.06


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


10.06.17

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich ha­be bei der Rede der Frau Kollegin Kaltenegger genau gelauscht: Die Verfahren sollen sozusagen beschleunigt werden. – Ich darf dir berichten, dass im Burgenland ein Antrag, ein beschleunigtes Verfahren umzusetzen, im Landtag eingegangen ist – und wer hat das im Burgenland abgelehnt? (Ruf bei der SPÖ: Die ÖVP!) – Die ÖVP und die Grünen haben das abgelehnt.

Wir wollten ein beschleunigtes Verfahren, um schneller autonom zu werden, klimaneutral zu werden. Unser Ziel ist es, bis 2030 klimaneutral zu werden, und wir werden im


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eigenen Land von Schwarz-Grün blockiert. Das ist die ganze Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Pröller.) Das sei also einmal zum beschleunigten Verfah­ren gesagt.

Frau Minister, Sie haben vorhin drei Säulen erwähnt, die Ihnen ganz wichtig sind. Ich finde aber, die wichtigste Säule ist momentan, dass man die Bevölkerung mitnimmt. Die Bevölkerung muss mitgenommen werden. Kollege Günther Novak hat es gut gesagt, er hat die Menschen angesprochen, denn die müssen mit dabei sein. Es ist richtig, dass natürlich die Bürgermeister, die Kommunen, die Länder dabei sein sollten, aber natürlich müssen wir die Menschen mitnehmen.

Warum sage ich das? – Weil – vielleicht spüren Sie das, was momentan draußen los ist, nicht so richtig – die Menschen nicht mehr können. Das spreche ich jetzt schon offensiv an: Die Spritverteuerung in den letzten Monaten ist exorbitant. Der Preis liegt schon jetzt wieder bei 2 Euro, 2,10 Euro pro Liter, aber in wenigen Wochen wird das durch die CO2-Steuer noch einmal gesteigert. Es werden noch einmal 8 bis 10 Cent mehr pro Liter Sprit. (Zwischenrufe bei den Grünen. – Bundesrat Köck: Im Burgenland kostet er 2,10 Euro?! Kassiert da der Doskozil so viele Steuern?) Die Menschen können nicht mehr, aber es wird nichts dagegen gemacht. Da wäre der Ansatz, dass man auf der einen Seite natür­lich sagt, man muss klimaneutral werden, das ist ja ganz klar, das ist eine klare Sache, aber auf der anderen Seite muss man die Menschen jetzt rasch entlasten. Wir können doch nicht noch länger zuschauen, bis die Menschen überhaupt nicht mehr können und sich das Pendeln in die Arbeit nicht mehr leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, Frau Minister, wenn man in Wien, wenn man ortsnah wohnt, wenn man öffentliche Verkehrsmittel in der Nähe hat, dann kann man das machen, aber für einen Burgen­länder oder für einen, der im ländlichen Raum lebt – ich glaube, das können mir alle Kollegen aus den Ländern bestätigen –, ist das nicht so leicht möglich.

Ich möchte Ihnen jetzt noch ein Beispiel bringen: Wir haben im Burgenland einen Antrag eingebracht, weil Sie uns von den 18,2 Milliarden Euro Investitionssumme bis 2027 lediglich 1 Prozent im Burgenland zugestanden haben – 1 Prozent in einem ländlichen Raum, von dem man wirklich sagen kann, er ist in den letzten Jahrzehnten benachteiligt worden. Es gibt heute noch keine ordentliche Bahnanbindung, wir können also gar nicht umsteigen. Ich kann nicht sagen, dass ich als Bundesrat jetzt locker hergehen und mit der Bahn nach Wien fahren kann – das geht ja alles gar nicht!

Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Kann man das den Menschen noch zumuten? Müssen wir da nicht mehr investieren? – Auch dazu haben wir im Burgenland einen An­trag gestellt, und da war es dann so, dass selbst die ÖVP und die Grünen gecheckt haben, dass wir mehr brauchen. Dieser Entschließungsantrag wurde Ihnen da mitgege­ben, damit wir mehr Unterstützung haben, nämlich diese 3,5 Prozent – das ergibt sich nämlich nach dem Einwohnerschlüssel und das benötigen wir auch.

Frau Ministerin, wir haben auch eine Frage an Sie, die ich, wenn es möglich ist, von Ihnen heute gern beantwortet hätte. Fotovoltaikfreiflächenanlagen werden notwendig sein, damit wir diese Ziele bis 2030 erreichen, und die Frage heute an Sie ist: Sind Sie auch der Meinung, dass wir diese Freiflächen brauchen? Sind Sie der Meinung, dass wir diese Freiflächen brauchen, um diese Ziele zu erreichen? – Und wenn ja, dann frage ich Sie, warum ÖVP und Grüne im Burgenland dagegen auftreten, obwohl zwei Drittel der Felder im Burgenland brach liegen – also maximal gefördert werden –, nicht bewirtschaf­tet werden, und wir massivsten Widerstand im Burgenland gegen die Klimaneutralität haben – unfassbar eigentlich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köck: Du bist ja kom­plett von der Rolle! Wann warst du das letzte Mal im Burgenland? So einen Blödsinn daherreden!)

Ich gebe Ihnen da auch noch ein Beispiel mit, damit man sieht, wie schwer das umzu­setzen ist, was Sie vorher gesagt haben – den Vergleich Gemeinden, Kommunen, Länder,


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alle muss man ins Boot holen: Wissen Sie, wie viele Windräder in Salzburg seit 2014 unter der Regierung von ÖVP und Grünen aufgestellt wurden, wissen Sie das? – Kein einziges Windrad seit 2014, in der Zeit von ÖVP und Grünen! (Beifall bei der SPÖ.)

Anstatt sich heute hierherzustellen und zu sagen: Wir machen schon!, Wir tun schon!, Wir sind die Einsatzfreudigen!, sollte man sich wirklich Bundesländer als Beispiele neh­men. Als Burgenländer darf ich da offensiv mein Heimatland erwähnen: Wir können be­reits – du hast (in Richtung Bundesrat Novak) vorhin 110 Prozent gesagt, das war noch unter Landeshauptmann Niessl – 160 Prozent des benötigten Stroms am Tag erreichen. Die Problematik ist aber, und das wissen Sie, Frau Ministerin, die Speicherkapazität, diese Speicherungen durchzuführen. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat aber auch da schon die nächsten Ziele, nämlich Speichermöglichkeiten zu schaffen, um eben bis 2030 das Ziel zu erreichen. (Bundesrat Köck: Du musst einmal ins Burgenland fahren ...!)

Ich appelliere an Sie: Überzeugen Sie ÖVP und Grüne im Burgenland, damit wir das auch zustande bringen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.12


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


10.12.05

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher! Liebe Österreicher! Frau Bundesminister, Sie ha­ben das Thema Abhängigkeiten beenden angesprochen. Ja, es ist wichtig, Abhängigkei­ten zu beenden. Das trifft natürlich auch auf viele andere Bereiche zu, aber ich glaube, das würde jetzt meine 5 Minuten Redezeit sprengen. Sie haben auch gesagt: Flüssiggas aus anderen Ländern importieren. – Da würde ich noch einmal darüber nachdenken – in sich gehen, heißt das so schön –, welche Transportkapazitäten wir mit den Schiffen überhaupt haben, welche Verlademöglichkeiten und Entlademöglichkeiten wir haben. Da wird man wahrscheinlich recht schnell draufkommen, dass man damit zurzeit keine Alternative hat.

Kommen wir zur Energiewende: Ja, genau in diesem Bereich muss sich etwas tun, und wir Freiheitliche sagen ja schon sehr, sehr lange, dass es dabei den viel zitierten und auch oftmals strapazierten Hausverstand braucht. Sie waren am Dienstag in meinem Heimatbezirk in Voitsberg beim Baustart der größten Fotovoltaikanlage Österreichs selbst dabei und haben dort auch gesagt, dass Sie hoffen, dass die Steiermark weiterhin vorne bleibt und dass ein Wettbewerb der Bundesländer herrscht. Frau Bundesminister, wissen Sie, was ich wirklich hoffe? – Ich hoffe, dass auch die Grünen bei diesem Thema einmal auf dem Boden der Realität und auf dem Boden der Vernunft ankommen. Es werden nicht nur Landschaftsbilder teilweise verschandelt – zu diesem Thema komme ich noch –, die Fotovoltaikanlagen, aber auch der Flächenfraß sind bei dieser erneuerba­ren Energie sehr wohl ein großes Thema, Frau Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt genügend Flächen auf Immobilien, die noch nicht verbaut sind, Dachflächen, Wandflächen, Fensterflächen, ja, viele, viele Möglichkeiten gibt es zur Energiegewin­nung, um nicht hektargroße Anlagen irgendwo in unser schönes Landschaftsbild in Ös­terreich hineinzustellen und dieses zu zerstören. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines darf man dabei aber auch nicht vergessen – weil wir gerade von der Steiermark gesprochen haben –: Im Bereich der Oststeiermark sind die Netze bereits so überlastet, dass gar nichts mehr eingespeist werden kann. Ich glaube, darauf, nämlich auf die Netz­betreiber, hat man komplett vergessen. Der Ausbau dieser Netze kostet einfach Geld. Im Bereich Hartberg-Fürstenfeld – Sie wissen das ja – ist es nicht mehr möglich, Strom einzuspeisen, weil die Netze überlastet sind. Auch diesen Aspekt sollte man nicht ganz vergessen.


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Ich habe den Flächenfraß angesprochen: Die Fotovoltaikanlagen betrifft das natürlich nicht, die kann man rückstandslos wieder abbauen, aber sprechen wir einmal über die Windkraft, ich als Voitsberger spreche über den Windpark Stubalpe: ein Projekt, das uns schon seit vielen Jahren beschäftigt. Man muss diese Dinge errichten, metertief im Bo­den verankern, auf unseren Almen, in unserem Naturschutzgebiet Lkw-breite Zufahrts­straßen errichten, und das ist dann wurst. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.) Da ver­misse ich die Stimmen der Grünen schon, denn wenn es um eine Straßenverbreiterung geht, dann redet man von Flächenfraß, aber wenn man unsere Naturschutzgebiete und unsere Almen zubaut, dann hört man von den Grünen überraschenderweise gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie wirkt sich der Schall bei diesen Windkraftanlagen überhaupt auf Menschen, auf Tiere, auf die Umwelt aus? Man weiß es nicht, wie man so vieles in diesem Bereich nicht weiß. Die Lipizzaner sind auf der Stubalpe untergebracht, wie wirkt sich das auf diese Tiere aus? Wie wirkt sich das auf die Menschen aus, die – wir haben heute schon sehr oft von der Teuerung gesprochen – die einzige Möglichkeit zur Erholung haben, indem sie auf unsere Almen fahren und unsere Naherholungsgebiete nutzen, wenn das mit einer riesengroßen Windkraftanlage zugepflastert ist? Da vermisse ich ein wenig den Hausverstand.

Wo ich den Hausverstand auch ein wenig vermisse – das bringt mich schon zum nächs­ten Thema –, das ist beim Atomstrom, der ja inzwischen zum grünen Strom geworden ist. Frau Bundesminister, nur 70 Kilometer von der steirisch-kärntnerischen Grenze ent­fernt befindet sich das AKW Krško, und wir Freiheitlichen fordern seit vielen, vielen Jah­ren eine sofortige Schließung dieses Schrottkraftwerks, möchte ich fast sagen. Jetzt im Mai findet an der TU Graz eine öffentliche Erörterung statt, und da vermisse ich Ihre Stimmen auch ein wenig, denn das wäre ein guter Zeitpunkt, die Menschen darüber aufzuklären, wie desolat dieser Schrottmeiler tatsächlich ist, und darüber aufzuklären, dass dieses Atomkraftwerk Krško auf einem Erdbebengebiet steht. Frau Bundesminis­ter, da vermisse ich Ihre Stimmen.

Wir Freiheitlichen haben dazu eine Petition ins Leben gerufen (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Nein zu Atomkraft in Europa! Nein zum Atomkraftwerk Krško! – Diese Bundesregierung hat schon viele Forderungen an sich selbst gestellt, es ist immer wenig dabei herausgekommen, deswegen stellen wir eine Petition an die Europäische Union. Ich darf Ihnen, Frau Minister, diese im Anschluss übergeben. Vielleicht können auch Sie diese unterstützen, bei einem Tagesordnungspunkt sind Sie ja noch hier. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir diese Unterstützung heute noch schaffen würden, denn ich weiß bei dieser Bundesregierung nie, wen ich am nächsten Tag noch sehen werde. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Leinfellner übergibt Bundesministerin Gewessler das genannte Schriftstück.)

10.18


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


10.18.27

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gleich einleitend muss gesagt werden, dass unser Land zu einem großen Teil in diesem Schlamassel ist, weil SPÖ, ÖVP und FPÖ, aber auch die Wirtschaftskammer und die mehrheitlich in Staats­besitz befindliche OMV in den letzten 20 Jahren konsequent alles getan haben, um ei­nerseits die Energiewende zu blockieren oder uns andererseits sogar proaktiv abhängi­ger von russischem Gas zu machen. Da hilft es wenig, wenn ehemalige SPÖ-Kanzler lukrative Jobs in russischen Staatskonzernen annehmen oder ehemalige FPÖ-Ministe­rinnen vor Putin knien oder die halbe Parteispitze auf Pilgerfahrt nach Moskau reist oder


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wenn unser Außenminister sich entgegen den Interessen europäischer Partner, des Kli­mas oder der Wirtschaft als einer der Letzten für die Nord-Stream-2-Pipeline starkge­macht hat.

Auch der Ausbau der Erneuerbaren wird seit Jahrzehnten aus fadenscheinigsten Grün­den von SPÖ, ÖVP und FPÖ blockiert, und vor allem das Argument, dass diese teuer seien, welches wir seit Jahrzehnten hören, entbehrt natürlich nicht der Ironie. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schennach.)

Die wohl größten Bremser der Energiewende befinden sich allerdings auf Landesebene, wo natürlich auch die Verhaberung mit den Landesenergieversorgern und Netzbetrei­bern sehr stark ist. Widmungen und Zonierungen für erneuerbare Energien werden blo­ckiert, die Bauordnungen bilden noch die 1980er-Jahre ab und die Netzbetreiber im Lan­desbesitz sind bei Gewährleistung von Netzanschlüssen für Erneuerbare, die nicht den Landesenergieversorgern gehören, alles andere als kooperativ.

Aber auch die Grünen und die Naturschützer müssen ein wenig in den Spiegel schauen, denn wie sinnvoll die regelmäßige Fundamentalopposition gegen zahlreiche Windparks, Wasserkraftprojekte oder wie aktuell im Burgenland gegen Freiflächen-Fotovoltaik für das Klima und die Unabhängigkeit von Putin sind, kann genauso hinterfragt werden. (Beifall der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Abgerundet wird die systematische Torpedierung der Erneuerbaren durch österreichi­sche Klassiker wie Bürokratie, lange Verfahren, Fachkräftemangel und hohe Steuern ohne Lenkungseffekt.

Langfristig lautet die Devise also: Wenn wir nicht am Tropf von Putin hängen wollen, muss die Politik aufhören, erneuerbare Energien in Österreich systematisch zu behin­dern, und endlich bei den Sanierungen einen Zahn zulegen.

Kurzfristig gibt es aber auch einiges, was die Politik machen kann. Wenn man sich die typische Stromrechnung eines österreichischen Haushalts ansieht, merkt man schnell, dass der eigentliche Strompreis nur ungefähr die Hälfte der Rechnung ausmacht, der Rest sind Steuern und Netzabgaben.

Zu diesen Netzabgaben konkret: Die Netze sind natürlich fest in der Hand der Bundes­länder und dienen trotz ihrer Monopolstellung weniger als Ermöglicher der Energiewen­de, sondern vor allem als Cashcow der Landespolitik und politische Spielwiese. 40 Pro­zent der Stromrechnung sind Netzabgaben für Netze in öffentlicher Hand. Da will man uns weismachen, dass man da nicht ordentlich senken könnte?

Weiter zu den Steuern: Da gibt es die Energieabgabe, die Gebrauchsabgabe und dann obendrein auf alles noch einmal 20 Prozent Umsatzsteuer. Das hat dann nichts mit Markt oder Putin zu tun, das ist alles der Staat, welcher bei hohen Preisen noch einmal Geld einstreicht.

Ähnlich verhält es sich auch bei einer typischen Gasrechnung: Steuern, Abgaben und Gebühren machen das Heizen teuer. Da könnten wir auch kurzfristig, während wir aus dem Gas aussteigen, Abhilfe schaffen. Wir könnten sofort und ohne Bürokratiedesas­ter  wie bei diesen komplett sinnlosen Gutscheinen oder Klimaboni  unkompliziert Ab­hilfe schaffen, beginnend etwa mit den Energieabgaben, welche keinerlei klimapoliti­schen Lenkungseffekt haben. Das würde je nach Haushalt 50 bis 100 Euro pro Jahr sparen, ohne jeden Verwaltungsaufwand.

Diese Handlungsfelder sind weder neu noch unlösbar, sofern der politische Wille be­steht. Teilweise müssten sogar nur Vorhaben des Regierungsprogramms endlich umge­setzt werden. Österreich hat sich mehr oder weniger bewusst in eine energiepolitische


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Abhängigkeit von einem Regime manövriert, welches jetzt Zehntausende Tote auf dem Gewissen hat und unsere Volkswirtschaft zig Milliarden bei den Importen gekostet hat. Wir müssen sofort beginnen, gegenzusteuern, ein weiteres Zögern ist nicht mehr recht­fertigbar. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.22


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.23.05Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Hinsichtlich der eingelangten und verteil­ten Anfragebeantwortungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage) (siehe auch S. 5

)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021) (III-783-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

*****


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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundes­ministerin für Landesverteidigung Mag.Klaudia Tanner vom 8. bis 14. Mai 2022 in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek am 11. Mai 2022 und Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. für den restlichen Zeitraum der Reise mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsord­nung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundes­räte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versorgungskrise im Ge­sundheits- und Langzeitpflegebereich“ an den Herrn Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlan­gen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Die Behandlung der an den Bundesminister für Finanzen gerichteten Dringlichen Anfra­ge wird unmittelbar im Anschluss an die Behandlung der Dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erfolgen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.26.121. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (40. KFG-Novelle) (1424 d.B. und 1425 d.B. sowie 10956/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Ich bitte um den


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Bericht.


10.26.46

Berichterstatterin Barbara Tausch: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Natio­nalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrge­setz 1967 geändert wird.

Der Beschluss der 40. KFG-Novelle enthält folgende Schwerpunkte:

Zum Ersten: Es werden bestimmte Verhaltensweisen bei der Verwendung von Kraftfahr­zeugen, die speziell im Rahmen von Treffen der Tunerszene beobachtet werden können, ausdrücklich für unzulässig erklärt werden. Damit werden die Kontrolle und das Ein­schreiten der Kontrollorgane erleichtert werden.

Zum Zweiten: Weiters wird der Strafrahmen im KFG generell stark angehoben, und spe­ziell für solche Delikte wird auch eine Mindeststrafe eingeführt, damit die abschreckende Wirkung erhöht wird.

Die Unterlagen dazu liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben. – Danke schön.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


10.28.01

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Gale­rie und vor den Bildschirmen! Bei der erwähnten Gesetzesänderung des Kraftfahrge­setzes geht es meiner Meinung nach um eine Anlassgesetzgebung, verursacht durch Personen, die im Rahmen von Treffen der Tunerszene verstärkt Lärm produzieren und sich damit den Unmut der Anrainer einhandeln.

In der Ausschusssitzung gab es dazu bereits eine längere Debatte, in der wir die ver­schiedenen Standpunkte ausdiskutiert haben. Alle vertretenen Fraktionen haben sich dafür ausgesprochen, dass die dort ansässige Bevölkerung natürlich zu schützen ist.

Für uns Freiheitliche ist es aber unverständlich, dass man aufseiten des Ministeriums, ohne zu wissen, wie oft man bis jetzt vom maximalen Strafrahmen, der bis 5 000 Euro reichte, Gebrauch gemacht hat, den Strafrahmen auf 10 000 Euro angehoben hat. Noch unverständlicher ist für uns, dass aufgrund dieser Anlassgesetzgebung mit der Erhö­hung des Strafrahmens auf 10 000 Euro dieser für alle KFG-Delikte angehoben wird.

Frau Minister, das ist das, was wir als Freiheitliche immer von Ihnen denken: Das geht wieder in Richtung Autofahrerbashing, und aufgrund dessen werden wir dieser Geset­zesänderung nicht die Zustimmung geben.

Wir haben im Zuge der Ausschusssitzung mehrmals angefragt – und natürlich haben wir auch wieder keine Antwort auf die Fragen bekommen und eine solche auch bis jetzt nicht erhalten, aber vielleicht können Sie sie beantworten – bezüglich des Mindeststrafrah­menkatalogs für KFG-Delikte. Es wurde uns mitgeteilt, dass es angeblich keinen Min­deststrafrahmenkatalog gibt. Ich weiß, dass es bei den KFG-Delikten einen gibt für die Lkw-Fahrer und die jeweiligen Unternehmen, und – wir haben das ohnedies auch schon diskutiert – wenn jetzt aufgrund dessen, dass sich einige Personen bei GTI-Treffen, bei der Wörtherseefahrt nicht ordnungsgemäß verhalten, alle anderen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die die Waren aller Art durch Österreich karren, auch den doppelten Straf­rahmen bekommen und – ich habe es schon erwähnt, eine leere Scheibenwaschanlage


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kostet den Arbeitnehmer bis jetzt 150 Euro und den Arbeitgeber auch 150 Euro – nach der Erhöhung der Mindeststrafe durch Ihre KFG-Novelle – denn dort wird von Mindest­strafen auf der Bezirkshauptmannschaft gesprochen – für eine leere Scheibenwaschan­lage der Arbeitnehmer 300 Euro und der Arbeitgeber ebenfalls 300 Euro bezahlen, sprich zusammen 600 Euro, oder für einen Haarriss im Heckcellon 300 Euro und so wei­ter, dann werden wir bald keine Personen mehr haben, die unsere Waren aller Art von Punkt A nach Punkt B bringen.

Aufgrund dessen bitte ich Sie nochmals, die Sache zu überdenken. Wir können aufgrund dieser ganzen Konstruktion diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

10.31


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


10.31.54

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Also eines: Das Grundprinzip im Straßenverkehr ist Rücksicht – Rücksicht auf andere und somit logischerweise auch Rücksicht anderer auf einen selbst. Das erwarten alle zu Recht. Vermutlich erwarten das sogar diejenigen, die mit dieser Novelle adressiert werden, aber es selber an Rücksicht mangeln lassen, die aber jetzt auf dem Rechtsweg eingefordert wird und deren Mangel geahndet werden kann. Und das ist gut so!

Es sollen bestimmte Verhaltensweisen bei der Verwendung von Fahrzeugen – speziell tritt das im Rahmen von Treffen der sogenannten Tunerszene auf – ausdrücklich für un­zulässig erklärt werden. Dabei geht es um keine Kleinigkeiten, sondern um Dinge wie starke Anfahrbeschleunigung – so kann man es auch in den Erläuterungen lesen –, ab­rupte Abbremsungen, Schleuderbewegungen, Driften, Drehenlassen des Fahrzeuges um die eigene Achse, da geht es um extreme Lärmerzeugung durch absichtlich herbei­geführte Fehlzündungen und so weiter – man kann es auch illegales Tuning nennen. Das sind Verbesserungen, die dringend notwendig und auch angemessen sind. Ich möchte schon betonen, dass es dabei um das Verhindern von Extremdelikten geht, und derlei Verhalten hat vor allem in bewohnten Gebieten definitiv nichts verloren. Das ist weder lustig noch ein Kavaliersdelikt – und meistens handelt es sich um Kavaliere, um ältere und um jüngere.

Es gab andererseits ja auch Kritik an der Novelle dahin gehend, dass sie zu wenig weit­reichend sei. Dieses Verhalten und die bisher fehlende Möglichkeit, es zu ahnden – oder jedenfalls hinreichend zu ahnden –, ist ja auch ein Affront gegenüber denjenigen, die sich im Verkehr rücksichtsvoll verhalten, und das sind im Übrigen die allermeisten Lenke­rinnen und Lenker. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Es geht also überhaupt nicht – so wie es von manchen, vor allem von der FPÖ, behaup­tet wird – um eine Schikane gegenüber der großen Mehrheit der AutofahrerInnen, son­dern um eine Maßnahme gegen jene, die unverbesserlich meinen, die Straße nebst Um­feld gehöre ihnen und die betroffene Bevölkerung habe ihre Exzesse einfach hinzuneh­men. Ein absichtliches Verursachen von enormem Lärm, Dreck und Gestank hat in ei­nem Zusammenleben – wenn man zusammenleben muss und hoffentlich auch will – keinen Platz. Wir geben mit dieser Novelle jetzt der Exekutive und den Behörden die notwendigen Instrumente gegenüber den Unverbesserlichen auf der Straße in die Hand.

Wie relevant das ist, zeigt ein kleiner Blick auf die Erfahrungen, zum Beispiel beim GTI-Treffen am Wörthersee im Jahr 2021: Da war aufgrund von Corona und mäßigem Wetter nicht besonders viel los, trotzdem gab es laut Polizei – das kann man nachlesen – sage


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und schreibe 2 130 verkehrsrechtliche Übertretungen. Und diese Übertretungen finden ja nicht einmal innerhalb der gemeldeten Veranstaltung statt, sondern rundherum. Ich selber war – wenig überraschend – noch nie auf so einem Treffen, ich habe mir aber die Mühe gemacht, ein bisschen zu recherchieren, auf Youtube zum Beispiel, und da findet man dann sehr schnell mehr als genug Beweise – noch dazu mit großem Stolz vorgetra­gen – des demonstrierten Wahnsinns. Da sieht man dann beispielsweise Filmaufnah­men der Rennen auf Straßen durch Dörfer. Das ist einfach alles unfassbar, was da ab­geht. Kollege Novak aus Kärnten hat vorgestern im Ausschuss sehr eindrücklich ge­schildert, was auf diesen Treffen abgeht, und ich verstehe in keiner Weise, wie man so etwas verteidigen kann.

Verhaltensweisen und Fahrzeuge, die im normalen Straßenverkehr nichts verloren ha­ben, gehören, wenn man es nicht lassen kann, auf die Rennstrecke, aber sicher nicht auf unsere Straßen. Der Straßenraum ist für alle VerkehrsteilnehmerInnen da – und das funktioniert nur, wenn sich alle in Rücksicht üben, und wenn nötig darf man diese Rück­sicht auch durch das Setzen von Konsequenzen einfordern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.36


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr das Wort.


10.36.26

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Mi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren am Livestream und wo immer Sie uns zuhören und zusehen! Mir war es heute ein beson­deres Bedürfnis, zu dieser Novelle zu reden, denn wir hatten in Salzburg einen wirklich sehr, sehr traurigen Fall: Kati Koch lebt leider nicht mehr, sie wurde am 20. April 2020 auf der B 1 zwischen Eugendorf und Henndorf am Beifahrersitz neben ihrem Freund infolge eines riskanten Überholmanövers durch einen Raser getötet. Die Mutter, Frau Peterbauer, hat seit diesem Zeitpunkt – und Sie wissen das, Frau Ministerin – sehr, sehr intensiv darum gekämpft, dass Raserei nicht nur als Kavaliersdelikt bezeichnet, sondern auch wirklich konkret etwas dagegen getan wird, und unser Landesrat Stefan Schnöll hat sie dabei wirklich tatkräftigst unterstützt. Es gab mehrere Sitzungen bei uns im Land­tag und dann auch mit Ihnen, es hat alles Gehör gefunden, und darum beschließen wir nach dem ersten Raserpaket jetzt das zweite Raserpaket. Ich hoffe, dass Frau Peterbau­er darin einen kleinen Trost findet, wobei ihr natürlich die verlorene Tochter nie und nim­mer ersetzt werden kann.

Wie wir daran sehen, hat diese Novelle also auch eine Vorgeschichte. Sie hat nichts mit Autofahrerbashing zu tun, sondern es geht um konkrete Maßnahmen, damit sich solche Fälle nicht mehr wiederholen. Es geht dabei um Menschenleben – um Menschenleben und um viel Leid.

Wir haben schon gehört, dass das vorliegende Gesetzespaket gegen Extremraser meh­rere Maßnahmen gegen die illegale Tuningszene beziehungsweise gegen Lärmbelästi­gung umfasst: Es werden die Strafen auf bis zu 10 000 Euro erhöht, und es geht auch um die Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichen, damit die abschreckende Wirkung erhöht wird.

Ich kann Ihnen auch als Betroffene bei uns in Wals-Siezenheim sagen: Ich kenne diese Tuningszene leider auch selber. (Bundesrat Steiner: Sind Sie Mitglied?) Bei uns sam­meln sich diese Personen bei einer Tankstelle oder bei einem großen Einkaufszentrum, sie machen illegale Rennen durch die Unterführung beim Flughafen, dann zu uns rauf über die B 1 bis zum Walserberg, und auch bei mir zu Hause, wo ich wohne, ist eine lange Gerade, der Ederweg, und das Ganze ist wirklich von großem Lärm, aber natürlich


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auch von Gefahr begleitet. Es droht auch Gefahr, denn dort gehen ja auch Fußgänger mit Hunden, Kinder fahren dort Fahrrad – und die fahren dort so schnell.

Darum ist es wichtig, dass wir heute hier dieses zweite Raserpaket beschließen. Wie gesagt, die Mindeststrafe wird auf 300 Euro erhöht, auch Organstrafen können sofort eingehoben werden, und damit treffen wir diese Wiederholungstäter. Ich glaube, die ein­zige Möglichkeit, diese Menschen wirklich einzuschränken, ist, dass wir ihnen das Auto wegnehmen, denn das Auto wird durch ein solches Verhalten zu einer Waffe. Darum bin ich sehr froh, dass wir das heute beschließen können.

Bei der Ausarbeitung dieser Novelle wurde sehr eng mit den Praktikern aus der Exeku­tive und aus den Landesbehörden zusammengearbeitet. Damit haben sie jetzt eine Handhabe, sodass genau bei solchen Problemfällen unmittelbar und konsequent vorge­gangen werden kann und man damit diese Unbelehrbaren künftig auch wirkungsvoll be­strafen kann.

Ich bin sehr froh, dass wir das heute beschließen können und danke allen, die sich enga­giert eingebracht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.40


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.


10.40.38

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer und Zuhörerin­nen – und Zuseher! (Bundesrat Steiner: Bissel gendern, dann wird’s leichter! – Heiter­keit bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Preineder.) „Geschmolzener, verklumpter Asphalt, Löcher in der Straße“, mehrere 10.000 Euro Schaden durch die Notwendigkeit von Neuasphaltierungen – das sind die Folgen der „Burnouts, bei denen die Reifen [...] durchdrehen und zu rauchen beginnen“. Das ist eine Schlagzeile aus Vöcklabruck, wo sich eine sehr starke Szene befindet.

Autorunnerpartys im Gewerbepark Gänserndorf: Aufheulende Motoren rauben Anrai­nern den Schlaf. Auf der B 17, dem Autobahnzubringer zur A 2 in Leobersdorf und Trais­kirchen, trifft sich ebenfalls die Autorunnerszene. Wie sie sich verabredet? – Das geht ganz schnell über die sozialen Medien. Dort wird auch ganz schnell darüber informiert, wo gerade die Polizei ist. (Bundesrat Spanring: Dann sollten wir die sozialen Medien auch verbieten!)

Die Tuningszene mit diesen Burnouts, diesen Schießgeräuschen, den Fehlzündungen, dem Driften, den Donuts, den rechts- und linksdrehenden – ich meine damit nicht die Bakterien im Joghurt, sondern die rechts- und linksdrehenden Rennen in den Kreisver­kehren, das funktioniert nämlich tatsächlich so, und ich habe es schon selbst gesehen (Bundesrat Steiner: Wahrscheinlich mitgefahren!) –, das beschäftigt nicht nur Kärnten, das betrifft nicht nur das GTI-Treffen und die Anrainer, das gibt es in ganz Österreich. Natürlich geben so große Treffen den richtigen Rahmen für diese Performances, und da passiert es noch häufiger, aber selbst in einer Kleinstadt wie Neunkirchen haben wir mit diesem Problem ganz massiv zu kämpfen.

Herr Steiner, ich fahre nicht selbst mit, aber ich springe mitten in der Nacht auf und fahre zu diesem Kreisverkehr hin, weil ich weiß, dass das dort passiert. (Bundesrat Steiner: Und was machst du dann dort? Was machst du da im Kreisverkehr mitten in der Nacht? Im Kreis spazieren gehen, oder was? – Ruf bei der SPÖ: Na geh!) Das besprechen wir im Anschluss, ich werde es dir erzählen. (Bundesrat Steiner: Das wäre interessant! Wenn die mitten in der Nacht im Kreisverkehr ...! Das ist ein Verkehrshindernis! – Heiter­keit der Bundesräte Ofner und Spanring.)


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Das wirkt jetzt vielleicht cool, wenn man Ausdrücke wie Donuts, wie Driften, wie Burnouts hört, aber das ist nicht cool. Das ist gar nicht cool, das ist verdammt gefährlich und das ist schädlich.

Herr Steiner, Sie können sich im Anschluss sofort zu Wort melden. (Bundesrat Steiner: Ja, danke!) Sie reden ohnehin so gerne lang und ausführlich, aber jetzt bitte einfach einmal kurz zuhören! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist eine ganz besondere Fertigkeit und Fähigkeit und hat auch ein bisschen mit Charakter zu tun. (Bundesrat Steiner: Na lo­gisch!)

Es leiden die Anrainer, es leidet auch die Natur, es leiden die Tiere, die in ihrem Lebens­raum ganz massiv gestört sind, und es kommt zu vielen Unfällen. Wir haben keine Zah­len, wir haben keine Statistiken. Wir haben eben von einem traurigen, einem sehr tragi­schen Beispiel gehört; es sterben auf Österreichs Straßen wirklich viele Menschen, und jeder Einzelne ist einer zu viel. Im Jahr 2021 ist die Zahl wieder gestiegen, und zwar um 15 Verkehrstote gegenüber 2020. Es ist wirklich jeder zu viel. Man muss das nicht auch noch heraufbeschwören, indem man dem, was hier passiert, tatenlos zusieht und indem man solche Unfälle auch noch leichtsinnig heraufbeschwört.

Ich denke, es ist sogar die Pflicht der Politik, hier dafür zu sorgen, dass das Risiko mög­lichst minimiert wird. Es ist die Pflicht der Politik, da einzuschreiten – und ja, da gehören ohne Frage Strafen dazu – und auch, die Höchststrafe für genau dieses Fehlverhalten, das ja extra aufgelistet ist, hinaufzusetzen. Das ist gut.

Die Mindeststrafen zu erhöhen ist bedingt gut, denn es wird für den Ferrarifahrer wohl nicht wirklich ein Schock sein, 300 Euro zahlen zu müssen, es wird aber für den leicht­sinnigen jugendlichen Lehrling schon zu einem Problem. Ich denke, wir müssen diesbe­züglich weitergehen und darüber nachdenken, ob nicht eine soziale Dienstleistung, das Leisten von Ersatzstunden ein Thema sein kann, denn es trifft vielleicht auch den, der viel Geld hat, wenn er seine Zeit einsetzen muss, und es ist für den Jugendlichen lehr­reich.

Es ist ganz wichtig, nicht nur zu strafen, sondern Bewusstsein zu bilden. Wenn diese Sozialdienste vielleicht auch noch genau dort ausgeführt werden, wo die Folgen des Fehlverhaltens zu sehen sind, dann ist das bestimmt kein schlechter Weg.

Grundsätzlich stimmen wir aber diesem zweiten Raserpaket zu. Es ist ein guter An­fang. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.46


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminis­terin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesministerin.


10.46.20

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundes­rates! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich möchte mit einer Feststellung begin­nen, weil sie in dieser Debatte, glaube ich, manchmal auch ein bisschen verloren geht: Die allermeisten Menschen in unserem Land halten sich im Straßenverkehr an die Re­geln. Sie passen aufeinander auf, sie nehmen Rücksicht, sie sind selbst froh, wenn es in der Nacht leise ist, wenn sie saubere Luft atmen können, und sie verhalten sich auch im Straßenverkehr genau so, dass das gelingt.

Es gibt aber eben auch eine andere Seite dazu, und das wurde in den Reden hier heute ja auch sehr, sehr deutlich. Es häufen sich in den vergangenen Jahren Berichte über Tuningtreffen, Veranstaltungen, wo von manchen Teilnehmern auch alle Regeln über Bord geworfen werden. Das gibt es nicht nur in Kärnten. Wir haben es jetzt aus Oberös­terreich, aus Salzburg, aus Wien, aus Wien-Umgebung in Niederösterreich gehört.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 36

Was passiert da? – Da sind Fahrzeuge mit illegalen Umbauten, die enorme Lärmbelästi­gung für die Bevölkerung verursachen, die Luftverschmutzung verursachen. Menschen, die bei solchen Hotspots leben, leiden massiv darunter: an Lärm, an unbeschreiblichem Lärm, an absichtlich teils durch illegale Umbauten an den Autos herbeigeführtem Lärm, an Abgasen, an dem Rauch endlos quietschender Reifen. Die Frau Kollegin hat es so­eben beschrieben.

Einzelne rücksichtslose Lenker bringen aber darüber hinaus teils auch andere Verkehrs­teilnehmerinnen und -teilnehmer und Zuseher wirklich in Gefahr, zum Beispiel, indem sie ihr Fahrzeug auf einer öffentlichen Straße kreiseln lassen, durch Fahrweisen wie auf einer Rennstrecke und eigenmächtige, teils illegale Manipulationen am Auto, die letztlich uns alle gefährden. Darum geht es.

Unsere Straßen sind für alle da. Es gibt gemeinsame Regeln, an die wir uns halten. Deswegen gilt auch: legal durchgeführtes Tuning, das typisiert und ordnungsgemäß durchgeführt wird – alles gut. Illegale Umbauten, unsachgemäße Umbauten gefährden aber letztlich die Sicherheit von uns allen im Straßenverkehr.

Wer sich nicht daran hält und stattdessen besondere Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, soll künftig auch sofort Konsequenzen erfahren, sodass Belästigungen, Gefährdun­gen auch wirksam abgestellt und die betroffenen Menschen auch sofort entlastet werden können.

Deswegen fünf Punkte aus dieser KFG-Novelle, die ich kurz hervorstreichen möchte:

„Bei gefährlichem Verhalten wie [...] Kreiseln des Fahrzeugs um die eigene Achse oder Driften“ – oder Fahrweisen, die schlicht und ergreifend im normalen Straßenverkehr nichts zu suchen haben – „können künftig Maßnahmen zur Unterbrechung der Fahrt für bis zu 72 Stunden gesetzt werden [...]. Das betrifft etwa die Abnahme des Fahrzeug­schlüssels oder der Kennzeichentafeln oder auch das Anlegen von technischen Sperren.“

Der zweite Punkt: „Illegale Umbauten, mit denen gezielt Fehlzündungen [...] ausgelöst werden“, also das Explosionsgeräusch, das auch in den Reden beschrieben wurde, „können in Zukunft sofort die Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichentafeln zur Folge haben“. Dazu „reicht künftig die Wahrnehmung der Sicherheitsorgane“ aus.

Für solche Delikte gibt es – drittens – eine Mindeststrafhöhe, wobei diese auch als Or­ganstrafe sofort eingehoben werden kann.

Weiters – der vierte Punkt – erfolgt „eine generelle Verdoppelung des Strafrahmens“, was speziell bei diesen Delikten auch schlicht und ergreifend wirksamere Strafen er­möglicht.

Der fünfte Punkt: Mit den deutlich empfindlicheren Strafen, auch das ist schon erwähnt worden, müssen diejenigen rechnen, die nicht nur einmal einen Fehler begehen, son­dern die Rowdies, die einfach immer und immer wieder auffällig werden, als Wiederho­lungstäter die Menschen vor Ort belasten oder mit ihrer Manipulation andere gefährden.

Insgesamt erhalten die Sicherheitsorgane mit dieser Novelle des KFG künftig die Hand­habe, um solche Problemfälle unmittelbar und konsequent anzugehen. Die Behörden erhalten die Mittel, um Unbelehrbare künftig wirkungsvoller und härter zu bestrafen, und ich glaube, wir alle erhalten mehr Sicherheit und ein besseres Miteinander im Straßen­verkehr, und deswegen freue ich mich über Ihre Unterstützung für diese Novelle. – Dan­ke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 37

10.50


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm das Wort.


10.50.54

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt – noch nicht alles, es gibt noch ein paar offene Fenster. Als im Wirtschaftswunderjahr 1967 das Kraftfahrgesetz beschlossen wurde, war ja dieses Autotuning an Motoren ein regelrech­ter Volkssport. Wer die Zeit fand und auch über technisches Wissen verfügte, verbrachte viel Zeit mit dem Umbau seines Autos in Eigenregie. Natürlich wurden auch Autoher­steller darauf aufmerksam, und es entstanden zahlreiche Firmen, die entsprechende Tu­ningteile erzeugten. Ein neuer Wirtschaftszweig entstand.

Heute sind natürlich viele Tuner dazu übergegangen, die elektronische Steuerung für ihre Zwecke zu nutzen, besonders das Chip- und das Modultuning sind sehr bekannt. „Es ist ein neues“ österreichisches „Phänomen, das nun erstmals auch in Graz“, meiner Heimatstadt – größte Stadt Österreichs, Wien ist ja Bundesland –, „aufgeschlagen ist“, wie eine kleinformatige Tageszeitung schrieb: „Auto-Fans treffen sich an ausgewählten Orten“ – wie heute hier auch schon angeführt, aber nicht aus Graz –, „um dort ihre aufge­motzten Pkw zu zeigen und vorzuführen. Dröhnende Motoren mitten im Grazer Stadtge­biet und der Qualm von durchdrehenden Reifen am Stand gehören in der Szene zum guten Ton. Und das Rasen mit [...] überhöhter Geschwindigkeit mitten durchs Stadt­gebiet.“

Wenn es einfach nur darum ginge, welches Fahrzeug schöner ist, hätte damit wahr­scheinlich keiner ein Problem, außer es findet sich jemand, der einem Auto grundsätzlich nichts Positives abgewinnen kann (Bundesrat Leinfellner: Nach links ume schauen! – Bundesrat Spanring: ... Frau Minister!), nach dem Motto: Wer sich selbst nicht mag, mag keine Autos. (Bundesrat Spanring: Sitzt links von Ihnen!) Wenn es aber gefährlich und eine zusätzliche Belastung für die Umwelt wird, wenn der Lärm kilometerweit zu hören ist, dann hört sich natürlich der Spaß vor allem für jene auf, die ihren Wohnsitz dort in unmittelbarer Nähe haben.

Geschätzte Damen und Herren, bei dieser 40. KFG-Novelle geht es vor allem um mehr Rücksicht im Straßenverkehr. Das ist der Hauptgrund, so sehe ich es. Es geht um die Sicherheit unserer Kinder und der älteren Personen, von Menschen mit Mobilitätsein­schränkung, die selbstbestimmt oder mithilfe von Begleitung unterwegs sind, also um die Sicherheit vor der eigenen Haustür. Es geht darum, zu verhindern, dass Unfälle pas­sieren, die wir hätten vermeiden können, was allen Betroffenen viel Leid erspart.

Die Tuning- und die Raserszene gehen Hand in Hand, und das macht sie so gefährlich. Unser Grazer Polizeidirektor teilte mir mit, dass es beim Aufmotzen von Straßenfahrzeu­gen und illegalen Straßenrennen nicht nur um ein paar Beteiligte geht, sondern vielmehr um eine organisierte Szene, die sich da wichtigmacht, die sich regelmäßig verabredet und das zu ihrem Hobby macht, zum Leidwesen der Menschen, die ihren Wohnbereich in unmittelbarer Nähe haben. Verhaltensweisen und Fahrzeuge, die im normalen Stra­ßenverkehr nichts verloren haben, gehören, wenn überhaupt, auf die Rennstrecke im Motorsport. Wir in der Steiermark haben dafür eine besonders geeignete Strecke, näm­lich den Österreichring in Zeltweg. Da gibt es keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Auf den Straßen allerdings, die ja öffentlich finanziert werden und deren Nutzer der Straßen­verkehrsordnung unterliegen, haben Raser nichts verloren.

Zur Klarstellung für alle Tuningliebhaber – es wurde auch schon gesagt –: Die Novelle geht ja nicht generell gegen Tuning. Wenn man sich etwas legal typisieren lässt, ist das selbstverständlich in Ordnung. Es betrifft ja nur die illegale und unsachgemäße Verän­derung eines Fahrzeugs. Diese Novelle steht für mehr Sicherheit und mehr Umweltbe­wusstsein. – Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

10.55



BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 38

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege, bitte.


10.55.39

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Kollege Schwindsackl, du hast sehr, sehr viel Richtiges gesagt, aber dass die Tuningszene mit der Raserszene einhergeht, das möchte ich jetzt nicht ganz so im Raum stehen lassen, aber darauf wer­de ich noch genauer eingehen. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl. – Bun­desrat Steiner: Ah, da kennt sich Kollege Schwindsackl ... so gut aus!)

Ganz überrascht haben mich – oder eigentlich haben mich die Worte des Kollegen Gross gar nicht überrascht: Du redest vom GTI-Treffen und dem demonstrierten Wahnsinn, und ich glaube, genau das ist diese grüne Denkweise da drinnen, warum es überhaupt zu solchen Gesetzesänderungen kommt. Des „demonstrierten Wahnsinns“ hast du ge­sagt! Frau Bundesminister, Grüne und Verkehrspolitik passen eben genauso wenig zu­sammen wie Grüne und Klimapolitik mit Hausverstand, das beweist man ja schon seit vielen, vielen Monaten in diesem Ministerium, wo man wie der Elefant durch den Porzel­lanladen stolziert. Und was kommt dabei heraus? – Wir drangsalieren unsere Öster­reicher mit der Klimahysterie und wir greifen unseren Österreichern tief in die Tasche.

Dieses Gesetz, alles, was man da hineingepackt hat, hat ja sehr wenig mit Hausverstand und sehr wenig mit Verkehrssicherheit zu tun, das muss man ja auch einmal offen und ehrlich ansprechen. Die Straßen werden durch diese Gesetzesänderungen, mit einer Anhebung der Mindeststrafen oder einem Autoliebhaberbashing, wie man es hier be­treibt, nämlich definitiv nicht sicherer. Die Straßen würden sicherer, wenn Sie endlich einmal die Straßenbauprojekte, die seit vielen Jahren anstehen, umsetzen würden und das nicht unterbinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke dabei zum Beispiel an den Ausbau der A 9 in der Steiermark oder an den Ausbau der Murtal Schnellstraße. Da könnten wir einen wesentlichen Beitrag zur Ver­kehrssicherheit leisten, aber da ist sie Ihnen völlig egal, und genau bei diesem Thema ist Ihnen auch der Klimaschutz völlig egal! Es ist Ihnen völlig egal, dass sich vom Grazer Umland bis nach Leibnitz hinunter stundenlange Staulawinen bilden! Es ist Ihnen völlig egal, dass dadurch vermeidbare Unfälle produziert werden – aber ja, das ist eben grüne Verkehrs- und Klimapolitik! (Beifall bei der FPÖ.)

Was sich die Menschen in diesem Land wirklich wünschen würden, das wäre eine Ver­kehrs- und Klimapolitik mit Hausverstand, aber anstatt sich um diese Dinge – wie einen Ausbau von Straßen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit – zu kümmern, na, da küm­mern wir uns lieber darum, ein GTI-Treffen in Kärnten, in Reifnitz, zu unterbinden. Und ja, Frau Bundesminister, das beschädigt auch den Tourismus! Dafür braucht es aber die Grünen nicht, das hat die ÖVP schon ganz allein geschafft. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ich ganz und gar nicht verstehen kann: Wir haben uns ja im Ausschuss mit den Experten darüber unterhalten, und es gibt diesbezüglich ja absolut keine Evaluierungen, wie oft Höchststrafen für welche Delikte überhaupt ausgeschöpft wurden. Also diese Verdoppelung der Strafen ist ja völlig evidenzbefreit! Sie verdoppeln sie einfach, um eine abschreckende Wirkung nach außen zu erzeugen. Die Hintergründe: Na, man ändert halt etwas, weil es ins grüne Programm gerade hineinpasst; evidenzbasiert ist das Gan­ze nicht.

Was Sie mir heute vielleicht auch noch erklären können, das sind diese unerwünschten Verhaltensweisen. Also unerwünschte Verhaltensweisen, so wie es da drinnen steht, das müsste man schon etwas konkretisieren, weil ich glaube, mir passen andere Sachen nicht als Ihnen, Kollegen Steiner passen andere Sachen nicht als Kollegin Schumann.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 39

Was sind diese unerwünschten Verhaltensweisen? – Die sind da einfach nicht näher ausgeführt. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, abschließend: Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie einmal zum Billa einkaufen! Der Billa hat ja bekanntlich den Hausverstand; vielleicht treffen Sie ihn dort auch einmal. (Beifall bei der FPÖ.)

Hören Sie endlich auf, den Österreichern das Geld aus der Tasche zu ziehen! Hören Sie auf, die Österreicher mit Ihren grünen Klimahysteriefantasien zu drangsalieren! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.00


11.00.36

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.01.092. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (2066/A und 1438 d.B. sowie 10954/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Dazu begrüße ich bei uns hier im Plenum Herrn Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


11.01.43

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort.


11.02.23

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen! Ja wie soll man das jetzt nennen, wenn man zumindest den Vormittag ein bisschen zusam­menfasst? – Das letzte Aufgebot, vielleicht: das letzte personelle Aufgebot, das letzte Aufgebot an Gesetzesvorlagen. Man muss sich einmal vorstellen: Heute beschließt oder berät der Bundesrat ganze vier Gesetzesnovellen. Also diese Regierung ist wahrlich am Ende. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 40

Ich habe nicht mitgezählt – Herr Rauch, Sie werden es auch nicht wissen, weil Sie ja noch nicht so lange in Wien sind –, wie oft wir das COVID-19-Maßnahmengesetz inzwi­schen angepasst, geändert, verschärft haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Ich kann es nicht sagen.

Auf jeden Fall geht es dieses Mal bei dem Covid-19-Maßnahmengesetz um keine klei­ne Anpassung, sondern dieses Mal ist es sehr gefährlich. Was passiert heute? – Das ist heute sicher mit Abstand der gefährlichste Tagesordnungspunkt für Österreich für den Herbst, in den Österreich mit dieser Regierung gehen muss. Ich hoffe zwar nicht, dass sie bis Herbst überlebt, aber derzeit schaut es danach aus, dass ihr euch durchwursch­teln werdet.

Jetzt bekommt Herr Minister Rauch – im Übrigen nie gewählt – eine Verlängerung seiner Verordnungsermächtigung bis Ende 2023. Das heißt nun: weitere eineinhalb Jahre Co­ronachaospolitik, weitere eineinhalb Jahre Verlängerung des Ausnahmezustandes in Österreich. Was heißt das jetzt genau? – Diskriminierung von gesunden Personen, Dis­kriminierung von genesenen Personen, Diskriminierung von mittlerweile zweimal ge­impften Personen, die sich entschieden haben, sich die dritte Impfung nicht mehr zu holen. Also dieser gesamte Personenkreis, der mittlerweile Millionen umfasst, ist in Ös­terreich dann vogelfrei für Herrn Rauch.

Was heißt das weiters? – Willkürlich kann Herr Rauch, der mein Vertrauen nicht genießt, Betretungsverbote verordnen, Schließungen von Geschäften verordnen, mir nichts, dir nichts wieder einmal einen Lockdown veranlassen; Ausgangssperren kann er verord­nen, Hausarreste kann er verordnen, Verbote, verfassungswidrige Verordnungen kann er wieder erlassen, Diskreditierungen, Beschimpfungen, Vorverdächtigungen, Herab­würdigungen kann es geben. Kurzum: Man spuckt wieder einmal auf die österreichische Verfassung. Den Bürger gefügig zu machen, das ist der Plan, und deshalb wird ver­längert.

Doch wo ist der Plan für den Herbst? Wo ist die Vorbereitung für den Herbst? Wo sind die Vorkehrungen für den Herbst? Anstatt Behandlungskapazitäten zu erweitern, hat man in Österreich nach zwei Jahren Coronawahnsinn keine validen Daten. Nach zwei Jahren schafft es diese Regierung nicht einmal, die Toten ordentlich zu zählen. Vor einem Monat sind 3 000 Tote nachgemeldet worden. Das ist peinlich für diese Regie­rung, nicht nur in Österreich selber, sondern weltweit. Ihr müsst euch ja in Grund und Boden schämen!

Ihr habt keine Gelder für Planstellen, für den niedergelassenen Bereich. In Ihrer heutigen Pressekonferenz haben Sie den niedergelassenen Bereich wieder komplett vergessen, Herr Rauch! Sie schwächen den niedergelassenen Bereich, was Ärzte betrifft, sowieso nur und stärken ihn nicht.

Die Versorgung zu Hause mit Ärzten im niedergelassenen Bereich ist auch kein Thema für Sie. Anstatt alte Menschen weiterhin – denn das ist ja der Plan für den Herbst; jetzt hätten wir aber wieder monatelang Zeit, das zu ändern – zu Hause zu versorgen, wenn sie coronapositiv sind, isoliert man sie wieder und lässt sie allein zurück, bis sie so schwach und krank sind, dass sie ins Krankenhaus müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister Rauch, Sie schaffen ja auch keine Anreize für Hausärzte! Das ist Ihnen ja auch völlig egal. Ich würde mir wirklich wünschen, erstens, dass Sie einmal von diesem Zettel aufschauen, und zweitens, dass Sie ehrlich aufklären und ehrlich sind. Ich weiß schon: Die Vorarlberger haben es mit der Ehrlichkeit nicht so. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Vielleicht waren sie früher so, aber ihnen hat wahrscheinlich die Zusammenarbeit mit dem ÖVP-Landeshauptmann nicht gutgetan. Vielleicht haben sie sich zu viel von ihm abgeschaut (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), denn ehrlich ist dieser Herr in Vorarl­berg noch nie gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 41

Deshalb würde ich mir wünschen, dass mit den Lügereien rund um Corona einmal Schluss ist. Was ist denn der Status quo? – Millionen von Bürgern in Österreich haben ja mittlerweile eine gewisse Grundimmunität. Sind diese erfasst? – Nein, sind sie nicht. Gesundheitsbehörden: In vielen Bezirken Österreichs gibt es nicht einmal einen Amts­arzt. Den gibt es nicht, die haben diese Stelle nicht besetzt.

Wir sind auch das einzige Land in ganz Europa – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, das die Impfpflicht nach wie vor in der Schublade hat. Mit dieser Covid-19-Maßnahmenverlängerung, die dieser Herr links neben mir bekommt, braucht er im Herbst den Schuber nur aufzumachen und – wumms! – haben wir alle wieder eine Impfpflicht vor uns. Das ist der wahre Skandal, und das ist euch allen egal. Es ist euch allen egal, wie es dann den Leuten da draußen geht, egal ob es die Teuerung oder eben diese schwindlige Impfpflicht ist, um ein halbwegs normales Wort zu ver­wenden.

Es gäbe aber genug Vorbildländer in Europa. Da müssen wir gar nicht so weit schauen. Die Deutschen haben sie im Parlament abgeschmettert. (Beifall bei der FPÖ.) Da haben die Abgeordneten Rückgrat gezeigt, da haben sich die Abgeordneten im Deutschen Bundestag hinter die Bevölkerung gestellt – und nicht gegen die Bevölkerung, wie ihr, SPÖ (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), ÖVP und NEOS, das hier herinnen macht. Genug Länder gibt es: die Schweiz, Schweden, Niederlande, Dänemark, Portugal, Ir­land. Wir müssen gar nicht weit schauen, wir bleiben einfach in Europa.

Eure eigene Supervirologin von Laer – ich weiß jetzt nicht, ob Sie (in Richtung Bundes­minister Rauch) die auch noch anstellen und zahlen, sie wurde aber zumindest sonst immer als sehr tolle Regierungsexpertin genannt, ich weiß ja nicht, wie das jetzt unter Ihrer Ägide läuft – hat ja selber gesagt, die dritte Coronaimpfung verpuffe nach maximal drei Monaten – nach maximal drei Monaten!

Ich kann mich noch an die Diskussionen hier herinnen erinnern: Die Wunderimpfung! Jetzt brauchen wir sie! Einmal impfen und alles wird gut! – Dann: Zweimal impfen und alles wird gut, wir bekommen kein Corona mehr, nichts passiert mehr! – Dann hat es geheißen: Jetzt brauchen wir unbedingt die dritte Impfung, weil es eventuell sein kann, dass dann ein schwerer Verlauf verhindert wird! – Mittlerweile wissen wir aber, dass die dritte Impfung auch keine schweren Verläufe verhindert. Ihr wisst es ja selber. Jeder hat mittlerweile in seinem Umfeld Personen, die dreimal oder schon viermal geimpft sind – die, die es ganz gerne machen, sind wahrscheinlich schon viermal geimpft –, da kenne ich zwei in meinem Umfeld, die auf der Intensivstation gelandet sind.

Also: Shit happens!, würde man sagen. Was habt ihr uns verkauft? Was habt ihr den Bürgern da draußen verkauft? (Beifall bei der FPÖ.) Lügen, Lügen und nochmals Lügen! Und wenn wir hier herinnen etwas dagegen gesagt haben, gab es den großen Aufschrei. Wir sind von euch als Nazis, als Aluhutträger, als Coronaleugner, als Impfgegner und als was nicht alles bezeichnet worden. (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Jetzt stellt sich heraus, die großen Aluhutträger sitzen vor mir: ÖVP und SPÖ. Mich blendet es schon, weil ihr so große Aluhüte aufhabt – aber sei’s drum. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir ja die allertollste Verordnung überhaupt, das muss man sich einmal vorstellen: Zweimal geimpft und genesen gilt quasi als dreimal geimpft, einmal genesen und zweimal geimpft gilt natürlich nicht. Diese Verordnung bringt eure chaotische Poli­tik auf einen perfekten Punkt zusammen.

Wir sind ja das einzige Land in ganz Europa – weiter habe ich es jetzt nicht recherchiert, aber wahrscheinlich eh weltweit –, in dem im Mai Vorsorge getroffen wird, um im Herbst wieder alle einsperren zu können. Und das ist euer Konzept für den Herbst! Das ist bitte für eine Regierung, die den Anspruch hat, Österreich ordentlich zu regieren, traurig und peinlich. Das ist ja nichts anderes als peinlich!


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 42

40 000 Menschen feierten im Ernst-Happel-Stadion oder tanzten im Ernst-Happel-Sta­dion für die Ukraine – ohne Masken. 5 000 Menschen feierten am vorvergangenen Wo­chenende am Gauderfest – im Zelt, dicht an dicht, ich war selber dabei. Super! Tradition wird wieder gelebt. Das war richtig, richtig lässig. Man hat geschwitzt, es war heiß, es war eng. Tadellos! Die Grünen waren dabei. Die Grüne Neßler, Barbara Neßler – im Parlament sitzt sie brav mit der Maske –, hat gefeiert in diesem Zelt, dass ihr der Schweiß nur so runtergeronnen ist – ohne Maske. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Alles war egal. Es war alles wurscht.

Was machen Sie? – Sie ziehen hier herinnen die Show ab: Maske auf. Draußen das Personal: Wenn ich zum Tante-Anna-Laden einkaufen gehe, steht die Dame mit über 60 Jahren hinten drin, muss die Maske aufhaben, und ich bin allein mit ihr im Geschäft, ich muss auch die Maske aufhaben. Wobei, Herr Rauch, keine Sorge: Ich mache bei diesem Schabernack nicht mehr mit, da können Sie sich sicher sein. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn ich am Freitag, als das Gauderfest stattgefunden hat, mittags im Tante-Anna-Laden eine Maske brauche und dann mit 5 000 Personen im Zelt feiern kann, setze ich mir in einem Tante-Anna-Laden keine Maske mehr auf. Da könnt ihr euch si­cher sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Heute, vor 5 Minuten – vor 5 Minuten! –, Herr Rauch, habe ich Sie mit Frau Gewessler fotografiert, dicht an dicht, ohne Maske. Da wart ihr beim Zusammentuscheln, hier (auf die Regierungsbank weisend) auf dem Platz. Ich habe das Foto drüben auf meinem Platz. Jetzt sitzen Sie wieder mit der Maske da. Wir haben aber einen Abstand von sicher 2,5 Metern. Was ist das für eine Heuchelei von Ihnen, Herr Rauch? Erklären Sie mir das einmal! Das ist doch ein Wahnsinn!

Die Mitarbeiterin im Supermarkt muss Maske tragen, 8 Stunden,10 Stunden lang. Wir alle sitzen heute plötzlich ohne Masken da – bis auf vier Grüne. Komisch ist das. Man erhöht sich also über die Mitarbeiterin im Supermarkt, denn was machen wir hier? – Wir sitzen dicht an dicht. Die Mitarbeiterin im Supermarkt hinter der Wursttheke oder die, die die Regale einräumen muss, muss die Maske aufhaben. Die sitzt aber nicht, die arbei­tet – das ist ein riesengroßer Unterschied –, und die muss die Maske aufhaben. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb stellen wir auch gleich einen Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortiges und generelles Ende der Corona-Maskenpflicht in allen Wirtschaftsbereichen und insbe­sondere im Handel“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Corona-Maskenzwang in allen Wirtschafts­bereichen und insbesondere im Handel generell und unmittelbar zu beenden, um so die derzeit bestehende Ungleichbehandlung von Handelsangestellten zu beseitigen und damit die Lebensqualität der betroffenen Angestellten sowie der Konsumentinnen und Konsumenten wieder zu steigern.“

*****

Ich frage mich ja wirklich – weil es heute ganz so ruhig ist –, wo der allwissende Corona­experte Kornhäusl von der ÖVP ist, denn er mit seinem gefährlichen Anhängsel, mit Frau Hauschildt-Buschberger von den Grünen, die Frau der Wissenslücken (Heiterkeit bei der FPÖ – Bundesrätin Zwazl: Nein, bitte!), hat sich ja schon lange nicht mehr zu Wort ge­meldet, wenn es um Corona ging.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 43

Herr Kornhäusl ist aber nicht der Einzige, der hier heraußen oft einmal komische Sachen von sich gegeben hat. Herr Schallmeiner, der Gesundheitssprecher der Grünen (Zwi­schenruf der Bundesrätin Platzer), hat sich bei der vergangenen Nationalratssitzung hin­gestellt und hat wahrlich gesagt – ich zitiere –: Manche Maßnahmen waren wohl „etwas übermütig“. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Übermütig?! Ja, sagt einmal, spürt ihr euch noch? Habt ihr den Schuss nicht gehört? (Beifall bei der FPÖ.) Übermütig! Sperrt Leute ein, drangsaliert Leute, straft Leute, straft Leute nach Verordnungen, die verfassungswidrig waren, gebt ihnen das Geld nicht zurück – und er stellt sich her und sagt: Das war über­mütig! – Spürt sich der Herr noch? Spüren sich die Grünen überhaupt noch? Ich glaube es nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Um noch einmal zum besten Coronapolitiker aller Zeiten im Bundesrat, Dr. Kornhäusl, zurückzukommen: Dem ist die Politik, die Coronapolitik dieser Regierung, glaube ich, mittlerweile peinlich, weil er sich hier seit Monaten nicht mehr zu Corona zu Wort gemel­det hat, auch heute nicht – heute spricht er dann beim nächsten Tagesordnungspunkt –, zumindest ist er nicht auf der Rednerliste. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Raggl und Zwazl.) Aber Herr Doktor, Herr Coronadoktor Kornhäusl (Bundesrat Raggl: Mei, bist du ein Schauspieler heute! So ein Schauspieler!): Ich verstehe, dass Sie sich nicht mehr gern zu Wort melden! Wissen Sie, warum? – Weil man jetzt ja wieder rausgehen darf. Das heißt, man trifft plötzlich wieder Leute auf der Straße, Leute im Gasthaus, und die werden Ihnen natürlich klar gesagt haben, was sie vom Herrn Coronadoktor Kornhäusl halten.

Da habe ich gleich noch eine Anekdote, eine Grazer Anekdote, Herr Kollege Kornhäusl, weil Sie ja aus Graz sind. Das hat mir vor Kurzem ein Grazer ÖVP-Parteimitglied ge­schrieben, ich darf zitieren: Kornhäusl kommt immer, ohne eingeladen zu sein, und keiner will das! (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel. – Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) Ich habe ihm zurückgeschrieben: Ja wie geht das jetzt? Wie geht das jetzt? Das sind ja öffentliche Veranstaltungen, da kann ja jeder hin! Dann sagt er: Na, na, na, zu Parteiveranstaltungen kommt er immer und keiner will ihn haben! (Heiterkeit der Bundes­rätin Schartel.) – Es war also ein ganz ein lustiges Hin- und Herschreiben mit dem Herrn aus Graz von der ÖVP.

Ich hoffe jetzt einmal, lieber Herr Kornhäusl, Sie werden wohl, wenn wir bei Graz bleiben, schon zum ÖVP-Parteitag eingeladen werden, der findet ja in Ihrer Heimat statt. Und da gebe ich Ihnen jetzt zwei Tipps – jetzt nehmen Sie einen Zettel zur Hand und einen Stift, und dann schreiben Sie einmal auf! (Bundesrätin Zwazl: He, he, he!) Sie werden viel­leicht – und das wäre sinnvoll – am ÖVP-Parteitag in Graz zwei Anträge stellen. Der erste Antrag von Dr. Kornhäusl am Parteitag der zerbröselten ÖVP solle lauten: Impf­pflicht für ausnahmslos alle ÖVPler im ganzen Land gegen Korruption. – Ich glaube, das wäre die einzige Impfpflicht, die wahrlich Sinn bringt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Preineder: ... Impfpflicht!)

Dann können Sie gleich weiterschreiben, Herr Kornhäusl, zweiter Antrag: Herr Kornhäusl stellt am ÖVP-Parteitag in Graz folgenden weiteren Antrag: Auflösung einer mafiaähnli­chen Vereinigung in Österreich. Ich würde einmal sagen, dann würde sich am Wochen­ende die ÖVP ganz auflösen, und das hätte zwei massive Vorteile für Österreich und auch einen massiven Vorteil für die ÖVP: Ihr müsstet dann nicht mehr den Reserve-Nehammer, den ja eh keiner haben will, wählen, der dann diese Partei mit euch gemein­sam logischerweise unter 10 Prozent führt. Ich habe es Ihnen, Herr Kornhäusl, und noch jemandem von der ÖVP schon oft gesagt: Hochmut kommt stets vor dem Fall. Jetzt werdet ihr wieder demütig, und das gefällt mir ganz gut. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.)

Es hat aber noch einen weiteren Vorteil: Der Wahnsinn, unter dem die Bürger aufgrund eurer Politik leiden, hätte dann ein Ende. (Bundesrat Preineder: ... ich schreibe das zu­sammen und schicke ...!)


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 44

Das heißt also, zum Abschluss: Besser ein ÖVP-Parteitag mit Schrecken als ein Schre­cken ohne Ende für ganz Österreich. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesra­tes Preineder.)

11.21


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „sofortiges und gene­relles Ende der Corona-Maskenpflicht in allen Wirtschaftsbereichen und insbesondere im Handel“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Das waren 19 Minuten Redezeit.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. – Jetzt kommt sie, Herr Kollege Steiner.


11.21.59

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wie ich der Rede des Kollegen Steiner entneh­men konnte, verkennt er die Situation in vielen Bereichen – da geht es nicht nur um Corona. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Vielleicht ist meine Rede ja ganz hilf­reich – also gut zuhören! –, um Erkenntnisse zu erlangen, die Sie vielleicht auch irgend­wann einmal weiterbringen können. (Bundesrat Steiner: Ja, ja!)

Ja, den vielfach milderen Verläufen der Omikronvarianten BA.1 und BA.2 zum Trotz ist eine Covid-Erkrankung weiter alles andere als ein harmloser Virusinfekt. Das Abflachen der derzeitigen Welle bei sommerlichen Temperaturen, wenn sich die Menschen nun wieder verstärkt im Freien aufhalten, sollte uns doch nicht vergessen lassen, dass der nächste Herbst und der nächste Winter kommen und es da schon wieder ganz anders aussehen kann.

Mögliche kommende Szenarien für den dann schon dritten Pandemieherbst wurden letzte Woche vom Gesundheitsminister in einem Variantenmanagementplan, der von 80 Expertinnen und Experten entwickelt wurde, vorgestellt. Dieser Plan enthält vier Sze­narien für die Coronaentwicklung. Sie reichen vom Idealfall, das heißt, ohne irgendwel­che erforderliche Einschränkungen, über den günstigen Fall mit neuen Varianten ähnlich der Omikron- oder Deltamutation mit partiellen Erkrankungen bis hin zu den weniger günstigen Szenarien drei und vier. Im ungünstigen Fall drei treten unvorhersehbare Aus­brüche neuer Varianten, die zu weitreichenden Störungen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens führen, auf. Szenario vier umfasst den sehr ungünstigen Fall, sozusa­gen den Worst Case; in diesem Szenario kommt es zu starken Einschränkungen im ge­sellschaftlichen und sozialen Leben.

Wenn wir die Nachrichten aufmerksam verfolgen, sehen wir in anderen Teilen der Welt durchaus schon ernst zu nehmende und weitere kritische Szenarien in Bezug auf Covid-19. In Österreich wurden in den letzten Wochen viele Maßnahmen gelockert. Wenn man so durch die Straßen geht – oder als ich heute Morgen nach Wien gefahren bin –, meint man zu glauben, dass Corona nur ein böser Traum war. Das ist aber nicht so. Ich halte es für sehr wichtig, dass der Gesundheitsminister weiterhin vorausschauend agieren kann, dafür ist die heutige Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes notwen-dig.

Aus diesem Grund haben die Grünen gemeinsam mit ÖVP und SPÖ in der letzten Natio­nalratssitzung die Verlängerung der Geltungsdauer des COVID-19-Maßnahmengeset­zes bis Ende Juni 2023 beschlossen. Die Bundesregierung kann per Verordnung auch einen anderen, früheren oder  wenn notwendig  späteren Zeitpunkt des Außerkraft­tretens bestimmen, dieser darf jedenfalls aber nicht nach dem 31. Dezember 2023 liegen.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 45

Ich darf noch einen kurzen Satz zum Antrag des Kollegen Steiner zur Aufhebung der Maskenpflicht im Handel sagen: Weiterhin verpflichtend ist die FFP2-Maske dort, wo Menschen besonders geschützt werden müssen, und an Orten, die die Menschen aufsu­chen müssen. Dazu zählt sicher nicht ein Fest in Tirol, und Tante Emma oder Anna, ich weiß jetzt nicht genau (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl)  ich glaube, Anna oder Emma, da war irgendwas –, zählt sicherlich nicht dazu. In das Geschäft, um Lebensmit­tel zu kaufen, muss ich gehen, da bin ich sehr dankbar, wenn vor mir jemand Maske trägt und nicht auf die Gemüsetheke gehustet hat. (Bundesrat Steiner: So viel Topfen auf einen Haufen, das ist ...!)

Ja natürlich kann es zu Situationen kommen, in denen es manchmal nicht nachvollzieh­bar ist, aber im Großen und Ganzen ist eben das Maskentragen in gewissen Bereichen die einfachste und auch effektivste Schutzmaßnahme. (Bundesrat Spanring: Frau Kol­legin, Sie sind so weit weg von der Realität, gehen Sie einmal hinaus zu den Leuten! Das ist unfassbar!)

Wir sollten achtsam und vorausschauend agieren, um nicht in die nächste Welle zu stolpern. Das kann jeder Einzelne und jede Einzelne von uns tun, auch der Gesetzgeber braucht aber eben genau den Rahmen, um handeln zu können  und den sollten wir heute beschließen. – Danke sehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.26


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm das Wort.


11.26.58

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Wir sind heute hier, um das COVID-19-Maßnahmengesetz bis Mitte des Jahres 2023 zu verlängern, mit einer weiteren Verlängerungsmöglichkeit bis Ende 2023, ganz einfach deshalb, weil die Coronapandemie leider noch nicht zu Ende ist.

Wir haben nun mehr als zwei Jahre Pandemie hinter uns – keine Frage, das ist schon ermüdend – und es ist so, dass die Infektionszahlen seit einigen Wochen Gott sei Dank wieder rückläufig sind und im Sommer stabil bleiben werden. Es kommt aber auch der Herbst, und wir müssen darauf vorbereitet sein. Das ist die Herausforderung, die wir jetzt haben, der wir uns jetzt stellen müssen. Mit der Verlängerung des COVID-19-Maßnah­mengesetzes regeln wir die Rahmenbedingungen dafür.

Ja, keine Frage, vor allem auch Dank der Impfung und der dadurch vielen milden Ver­läufe in den vergangenen Wochen und Monaten hat Corona für viele den Schrecken etwas verloren. Eines dürfen wir aber nicht vergessen: Bei Covid-19 handelt es sich um eine Krankheit, die, gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen, zu intensivmedizini­scher Behandlung und sogar zum Tod führen kann und immer wieder führt. Keiner kann genau sagen, wie es in den nächsten Monaten weitergehen wird. Das Gesundheitsminis­terium hat erst am Freitag vier mögliche Szenarien vorgestellt. Kehrt eine bekannte Va­riante zurück, entsteht eine neue, erreichen wir einen endemischen Zustand? Diese Fragen können wir heute nicht beantworten und daher auch nicht sagen, ob, wann, wel­che Maßnahmen notwendig sind.

Wenn man heute nach Südafrika blickt, so zeigt sich, dass dort die neuen Omikron­varianten BA.4 und BA.5 schon wieder eine neue Welle ausgelöst haben. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Auch in Österreich wurden erste Fälle nachgewiesen, na­türlich kann man auch da noch nicht sagen, wie gefährlich diese Varianten sind.


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Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, ist es so wichtig, dass wir auf alle Eventuali­täten vorbereitet sind, und das sind wir mit der Verlängerung des COVID-19-Maßnah­mengesetzes. Wir müssen jetzt den rechtlichen Rahmen schaffen, um flexibel auf unter­schiedliche Szenarien, die im Herbst auf uns zukommen können, zu reagieren. Alles andere wäre leichtfertig und verantwortungslos. Wir tragen gegenüber den Österreiche­rinnen und Österreichern die Verantwortung, ihre Freiheit so wenig wie möglich einzu­schränken, aber auch, die Gesundheit und das Leben besonders gefährdeter Gruppen nicht unnötig zu gefährden. Das ist unsere Verantwortung.

Diese Verlängerung – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen – bedeutet nicht, dass dadurch automatisch Maßnahmen ergriffen werden. Es wird nur der rechtli­che Rahmen dafür geschaffen, um reagieren zu können, wenn es nötig ist. Eine Nicht­zustimmung bedeutet Sorglosigkeit und Verantwortungslosigkeit, daher ersuche ich um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.30


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.


11.31.03

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stimmen diesem COVID-19-Maßnahmengesetz in der Hoffnung, dass wir es nicht brauchen werden, zu. Leider pro­gnostizieren uns aber viele ExpertInnen schon jetzt, dass die Pandemie im Herbst und Winter wieder Fahrt aufnehmen wird. (Bundesrat Spanring: Das sagen die Experten, die auch gesagt haben, es wird bei uns eine Million Tote geben!) Wir stimmen in der Hoffnung zu, dass Sie, Herr Minister, diesmal die Chance nutzen und vorausschauend und rechtzeitig planen, entscheiden und handeln.

Die letzten beiden Herbste waren, das muss man sagen, geprägt von viel Planlosigkeit und Entscheidungsunfähigkeit und haben schlussendlich zu Lockdowns mit all den be­kannten Konsequenzen geführt. Diese Planlosigkeit und die Lockdowns haben sich be­sonders auf junge Menschen sehr dramatisch ausgewirkt. (Bundesrat Spanring: Ihr habt mitgestimmt, liebe SPÖ! Mea culpa!)

Es ist für uns alle kein Geheimnis mehr, was diese Pandemie und der Umgang damit mit dieser Generation, mit den jungen Menschen angestellt hat. Die Sache ist nämlich die, dass junge Menschen nicht nur die größte Pandemie seit Jahrzehnten erleben müssen, sondern zusätzlich zu Recht massiv Sorge wegen der Klimakrise haben. Zusätzlich müs­sen sie damit klarkommen, dass heute, im Jahr 2022, in unmittelbarer Nähe ein brutaler Krieg tobt, und – nicht zu vergessen – sie erleben die aktuelle dramatische Teuerung in so vielen Bereichen des täglichen Lebens. Das verursacht Stress in den Familien und diesen spüren Kinder und Jugendliche ganz massiv, die Schere zwischen Arm und Reich wird sehr zu Recht von Kindern und Jugendlichen als große Ungerechtigkeit empfunden.

Diese vier großen Themen hängen wie dunkle Gewitterwolken über den Köpfen von Kin­dern und Jugendlichen, und das macht mir Sorgen. Ich denke mir: Was für eine Kindheit, was für eine Jugend haben diese jungen Menschen aktuell? Laut einer von Sora und Ö3 jüngst veröffentlichten Studie geben mehr als die Hälfte der jungen Menschen an, sich als Generation Dauerkrise zu fühlen, und dieser Anteil erhöht sich noch, wenn die jungen Menschen sich vielleicht in einer finanziellen Notlage befinden oder die psychische Be­lastung groß ist.

Was uns allen hier besonders zu denken geben muss, ist, dass die jungen Menschen sich laut dieser Studie großteils von uns, der Politik, im Stich gelassen fühlen und das Gefühl haben, sie müssen mit den Folgen der Pandemie alleine zurechtkommen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Daher fordern wir die Bundesregierung heute


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dringend auf, da gegenzusteuern, Maßnahmen zu setzen, den jungen Menschen eine Perspektive zu geben, die ihnen Lebensfreude und auch ein Stück Unbeschwertheit zu­rückgibt! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Wir SozialdemokratInnen könnten uns das in verschiedenen Bereichen vorstellen. So wie es Rettungspakete für die Wirtschaft, für den Tourismus gegeben hat, braucht es jetzt ganz dringend einen Schutzschirm für Kinder und Jugendliche. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Geben wir ihnen etwas von dem zurück, was ih­nen in der letzten Zeit genommen wurde!

Ich präsentiere hier ein paar Ideen, was das sein könnte: Was wäre beispielsweise mit einem sofortigen Ausbau der mobilen und niederschwelligen psychologischen Beglei­tung für junge Menschen? Rund um die Bildungseinrichtungen, rund um die Jugendzen­tren, wo auch immer Kinder und Jugendliche sind, könnte man mobile Teams zum Ein­satz bringen.

Was wäre beispielsweise mit einem freien Zugang zu Vereinen, zu Sport, zu Kultur, nachdem dieser für so viele Kinder und Jugendliche lange nicht möglich war und gerade jetzt die körperliche Betätigung und die Sozialkontakte so wichtig wären? Herr Minister, dazu gehören auch gute Rahmenbedingungen für das Ehrenamt und die Vereine, die jetzt unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten.

Was wäre zum Beispiel damit, einmal ein Semester lang den Druck aus den Bildungs­einrichtungen, aus den Schulen zu nehmen und ganz bewusst auf die psychische Ge­sundheit und den sozialen Zusammenhalt zu setzen? (Beifall bei der SPÖ.) Was wäre beispielsweise mit einem Gutschein für unbeschwerte Ferien für jedes Kind, damit gewährleistet ist, dass tatsächlich jedes Kind, egal wie die familiäre Situation gerade ist, im Sommer ein schönes Highlight erleben darf?

Oder was wäre mit der kostenlosen Nutzung aller Öffis für Kinder und Jugendliche in den Sommermonaten, damit sie mobil sein können und für die Zeit der Isolation und des An-einem-Ort-Seins entschädigt werden? Selbstverständlich hat der Schutz vor dem Coronavirus nach wie vor hohe Priorität, und die Gesundheit der Kinder muss natürlich auch immer im Fokus sein.

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, wir hätten viele Ideen und es gibt viele Möglichkeiten, unseren Kindern und Jugendlichen jetzt etwas Gutes zu tun! Ich finde, sie hätten es sich verdient und es wäre dringend notwendig.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutzschirm für Kinder und Jugendliche umsetzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert eine Evaluierung der bisher getrof­fenen Maßnahmen zur Krisenbewältigung für Kinder und Jugendliche durchzuführen und im Sinne einer nachhaltigen Krisenbewältigungsstrategie einen Schutzschirm für alle junge Menschen in Österreich umzusetzen.“

*****


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Herr Minister, ich bitte Sie und erwarte mir eigentlich auch von Ihnen, dass Sie den Sommer zur Vorbereitung des anstehenden Herbstes nutzen und vor allem auch die Situation junger Menschen nicht ignorieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.38


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schutzschirm für Kinder und Jugendliche umsetzen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister.


11.38.46

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht steige ich so ein: Ich hatte diese Woche die Vertretung der Intensivmedizin in Spitälern bei mir zu Gast, also drei Primarärzte, die für die Intensivmediziner in Österreich gesprochen ha­ben. Sie haben mir, weil ich es wissen wollte, die Erfahrungen der letzten beiden Jahre während der Pandemie geschildert und mir noch einmal sehr eindrücklich vor Augen geführt, wie sich das für die Ärztinnen und Ärzte und für das Pflegepersonal auf Inten­sivstationen dargestellt hat. Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Gespräch live zur bes­ten Sendezeit im Österreichischen Rundfunk übertragen worden wäre, weil sie – sie sind alle sehr lang, also 20 Jahre und mehr, im Geschäft – mir einfach geschildert haben, wie und mit welcher Vehemenz die Pandemie in den letzten beiden Jahren dort eingeschla­gen hat.

Wir haben immer nur von der Überlastung der Intensivstationen gesprochen, die sich dann an Bettenkapazitäten bemessen hat, dass wir es geschafft haben, Gott sei Dank, nicht darüber hinauszukommen. Wir haben zu wenig über die Verhältnisse, die sich dort abgespielt haben, gesprochen, und wir haben auch zu wenig darüber gesprochen, wie dieses Sterben dort vonstattengeht.

Die Dramatik der Schilderung, wie Intensivmedizin, die sich in Österreich auf höchstem Niveau bewegt, mit einer unglaublichen Hilflosigkeit danebensteht oder -stehen muss und zuschauen muss, wie sich Lungenfunktionen in Nichts auflösen, hat mich noch ein­mal erstens sehr bewegt und mir zweitens in Erinnerung gerufen, dass diese Pandemie nicht vorbei ist.

Sie haben mir auch geschildert, dass das eben nicht nur Menschen waren, die hochbe­tagt waren und vorerkrankt waren, sondern in weiten Teilen auch gesunde, ohne Vorer­krankungen eingelieferte Personen, und es wurde auch noch einmal deutlich gemacht, was Long Covid an Langzeitfolgen anrichten kann. Da ist die Forschung noch nicht am Ende. Wir merken nur, die Zahlen steigen dort an, das heißt, es ist nicht notwendig, Panik zu verbreiten, aber die Ernsthaftigkeit dieser Erkrankung ist bitte nicht kleinzu­reden.

Das ist eine ernsthafte Erkrankung, wenn Menschen damit im Spital landen. Es ist mög­licherweise auch dann ernsthaft, wenn ein sogenannter milder Verlauf auftritt, dann aber Long-Covid-Folgen auftreten; und ja, es ist bei ganz vielen Gott sei Dank so, dass die jetzt vorherrschenden Varianten sehr milde verlaufen und keine Langzeitfolgen haben, es ist aber einfach unsere Aufgabe, diejenigen Personengruppen zu schützen, die einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.

Genau mit dieser Vorsicht gehen wir vor. Wenn wir jetzt dieses COVID-19-Maßnahmen­gesetz verlängern, dann heißt das eben nicht, dass wir zu jeder Gelegenheit und beliebig


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davon Gebrauch machen und das ausnützen. Ich weiß, das sind dann mitunter recht massive Eingriffe in Lebensgewohnheiten, da sind Einschränkungen mit dabei, und das muss auf dem Boden der Verfassung stattfinden. (Zwischenruf des Bundesrates Span­ring.) Wir sind in unserem Haus mit Verfassungsklagen sonder Zahl – 270 oder in der Größenordnung – konfrontiert, und es ist jüngst wieder bestätigt worden: Auch der Lock­down für Ungeimpfte war verfassungskonform, alle wesentlichen Gesetze sind bestätigt worden.

Mir ist das bewusst, und ich kann Ihnen nur diese beiden Leitplanken sagen: Die Maß­nahmen müssen im Rahmen der Verfassung sein und es darf nicht überschießend sein, es dürfen nicht ohne Grund freiheitsbeschränkende Maßnahmen verhängt werden, ohne dass sie von der Verfassung gedeckt sind  und da ist der Rahmen klar vorgegeben. Es ist das COVID-19-Maßnahmengesetz, das den Rahmen setzt, und es ist die Fachlichkeit auf der anderen Seite, die dann den Bogen aufspannt: Was geht sich aus, was ist argu­mentierbar und was nicht?

Auf dieser Basis planen wir, und zwar auch für den Herbst, und das tun wir seit Wochen. Wir warten nicht, bis die Sommerferien begonnen haben, um uns dann auf den Herbst vorzubereiten. Der Variantenmanagementplan, den wir jetzt entwickelt haben und wei­terentwickeln – im Übrigen gemeinsam mit den Ländern und in sehr engem Austausch mit den Landesgesundheitsreferentinnen und ‑referenten, denen ich auch einmal, egal welcher Parteizugehörigkeit sie sind, danken möchte; die sind mit dabei, da ist die Zu­sammenarbeit hervorragend –, geht davon aus, dass wir nicht wissen, mit welcher Va­riante wir es zu tun bekommen. Und ja, ich wünsche mir nichts so sehr, wie, dass es möglich sein wird, aufgrund eines dann endemischen Zustandes, einer abflachenden Kurve einer Variante, die nicht hochansteckend ist, die nicht zu schweren Verläufen führt, in einen Zustand überzutreten, in dem wir keine einschränkenden Maßnahmen mehr brauchen.

Ja, das ist eine Möglichkeit, keine einschränkenden Maßnahmen mehr zu brauchen, und da spannt sich dann der Bogen von: So einfach wird es nicht werden, wir werden etwa in den Variantenentwicklungen BA.4, BA.5 so sein wie jetzt! – wissen wir noch nicht –, bis hin halt eben zur Möglichkeit: Es wird noch einmal eine neue Variante auftauchen! – Diese Möglichkeit ist einfach nicht ausgeschlossen. Da vorbereitet zu sein und auch den rechtlichen Rahmen dafür zu haben, ist erforderlich, und deshalb gibt es die Verlänge­rung dieses COVID-19-Maßnahmengesetzes.

Deshalb gibt es die Variantenplanung, und Sie können sich sicher sein, dass wir damit sehr sorgfältig umgehen. (Bundesrat Steiner: Das bezweifle ich! Das bezweifle ich stark!) – Na, da können Sie sich sehr sicher sein, dass wir sorgfältig damit umgehen. (Bundesrat Steiner: Das müssen Sie noch beweisen!) Ich habe Sie nicht verstanden. Was meinten Sie? (Bundesrat Steiner: Das müssen Sie noch beweisen!) Ah, ich muss es beweisen (Bundesrat Steiner: Richtig!), na selbstverständlich werde ich es beweisen müssen, ja, das wird so sein müssen.

Sie werden mich dann daran messen können, ob es funktioniert hat oder nicht, und ich stehe nicht an, zu sagen: Ja, wenn es Kritik gibt, dann nehme ich sie an und sage, da hat nicht alles perfekt funktioniert, keine Frage! Wir haben jetzt die Vorbereitungen vor Wochen begonnen, gehen gut vorbereitet hinein, werden das auf jeden Fall so machen.

Jetzt lassen Sie mich noch einen Satz zur Kooperation und Zusammenarbeit mit den anderen Stakeholdern sagen, das kann man auch nicht oft genug sagen: Es haben sich in den letzten beiden Jahren vom niedergelassenen Bereich, vom stationären Bereich, von den Alten- und Pflegeheimen, vom Pflegepersonal bis hin zu allen Berufsgruppen, die davon betroffen waren, sehr viele in enorm hohem Ausmaß und mit großer Solidarität an der Bewältigung der Pandemie beteiligt. Das möchte ich an dieser Stelle auch sagen


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und mich dafür bedanken, weil das alle an den Rand dessen, was man aushalten kann, bringt. Es geht allen unglaublich auf die Nerven, ich verstehe das.

Es ist aber aufgrund der Umstände, die ich geschildert habe, geboten, weiterhin mit Vor­sicht zu Werke zu gehen, und genau das tun wir. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.46


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – Bitte, Herr Kollege Ofner.


11.46.33

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Jetzt muss ich mich doch noch zu Wort melden, denn wenn da ein paar - - (Heiterkeit und Zwischenrufe bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.) Es war ja zu erwarten, was heute kommt.

Es war ja zu erwarten, was heute kommt, und der Herr Minister hat das eigentlich gut bestätigt – ja –, was man aber nicht stehenlassen kann – und ich möchte vielleicht mit einer Vorrednerin, das ist Frau Hauschildt-Buschberger, beginnen –, ist, wenn da also so Geschichten wie über das Maskentragen, wie wichtig das sei, kommen. Da sage ich Ihnen zum wiederholten Mal – und das sage ich, glaube ich, schon seit eineinhalb Jah­ren –: Ja, Maskentragen und Schutzmasken zu tragen kann verhindern, dass man sich ansteckt, aber nicht so, wie Sie sie tragen. Wenn man sie zehnmal abnimmt, hinter den Spiegel hängt, dort oder dort ablegt, und zwar dreimal oder drei Tage hintereinander dieselbe Maske, dann bringt das eben nichts. Das kann Ihnen vielleicht der Herr Minister einmal – vielleicht nach der jetzigen Debatte – erklären, wie das mit Schutzmasken funk­tioniert und wie oft diese zu wechseln sind, damit sie wirklich helfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie – der Herr Minister hat das auch getan – von den Experten sprechen, davon, dass jetzt mit den Experten wieder ein Plan erstellt worden ist, dann hoffe ich, dass das nicht wieder die gleichen Experten sind, die eigentlich immer als Handlanger im Einklang mit den gekauften Medien agieren und alles entsprechend auch bestätigen, was von Regierungsseite kommt, wenn es auch noch so ein Blödsinn ist. Dann sind das vielleicht nicht dieselben Experten, die bis heute die Infektionszahlen nicht richtig vorlegen, die, wie es Kollege Steiner vorhin gesagt hat, es nicht einmal schaffen, auch die Coronatoten entsprechend zu zählen. Dann sind das vielleicht nicht die gleichen Experten, die uns erklärt haben, wie viele Ungeimpfte in den Spitälern liegen, aber nicht dazugesagt ha­ben, dass unter die Ungeimpften die Genesenen, die einfach Geimpften und die doppelt Geimpften fallen, und dann sind das vielleicht nicht jene Experten, von denen Ihr Vorgänger, Herr Minister, nicht einmal einen hat beim Namen benennen können, wer das etwa ist. Wenn das also diese Experten sind oder jene, die die Gecko scharenweise verlassen, dann ist mir sehr bang um die Zukunft.

Ich muss Ihnen schon sagen, Herr Minister, Sie haben das richtig angesprochen: Ja, wenn Intensivmediziner über viele Jahre – und Sie haben von 20 Jahren und mehr ge­sprochen – in ihrem Beruf tätig sind, dann gibt es Situationen, die sich seit 20 Jahren auf den Intensivstationen wiederholen, und da muss man einmal fragen, warum das so ist. Das hat nichts damit zu tun, dass wir fehlende Bettenkapazitäten haben, sondern das hat damit zu tun, dass wir einen eklatanten Personalmangel haben, an dem die SPÖ, die es heute wieder einmal bekrittelt hat, genauso schuld wie Ihre Vorgänger ist (Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn) – und auch Sie, weil Sie nichts, auch nicht in Pandemie­zeiten, dagegen unternehmen, dass es da zu einer Verbesserung kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie davon sprechen, muss man auch einmal bei der Wahrheit bleiben: Ja, es gibt schwer verlaufende Fälle, auf die auch der Tod folgen kann, und ja, es trifft nicht nur


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ältere Personen, aber vor allem Personen mit schweren Vorerkrankungen. Wenn Ihr eigenes Ministerium sagt, dass das Durchschnittsalter bei den Coronatoten bei 82,5 Jah­ren gelegen ist, dann können es Gott sei Dank nicht so viele junge Menschen gewesen sein. Auf Intensivstationen gehört der Tod aber nicht nur bei Corona, sondern auch bei anderen schwerwiegenden Krankheiten leider dazu.

Wenn Sie dann auch noch die verfassungsrechtliche Komponente ansprechen, so ist das eine Komponente, eine andere Komponente ist aber die moralische. Was Sie mit der Verlängerung dieser sinnbefreiten Maßnahmen hier heute wieder in schaugespielter Sachlichkeit an den Tag legen, rechtfertigen möchten und sagen: Ja, wir wollen vorbe­reitet sein!, bedeutet, dass Sie die Menschen in den nächsten Jahren weiterhin drangsa­lieren möchten und dieser Spuk wiederum kein Ende findet, weil er im Gegensatz zu allen anderen Ländern in Europa bei uns einfach nicht zu Ende sein darf. Das darf nicht zu Ende sein, weil viele aus der ÖVP davon profitieren (Beifall bei der FPÖ), und das darf nicht zu Ende sein, weil Sie einfach mit Ihrer Verbotspolitik weiter herumwursteln wollen und dieses Management by Chaos prolongieren wollen.

Es gibt mit dieser Regierung nur eine Sicherheit in diesem Land: Diese Regierung führt uns sicher von einer Krise zur anderen. Das hat sich bei Corona gezeigt, das zeigt sich jetzt beim Russland-Ukraine-Konflikt, das zeigt sich bei der Teuerung und sowieso bei der täglichen Regierungskrise à la Bananenrepublik, denn das hat derzeit eine Dimen­sion angenommen, die ihresgleichen sucht.

Was Sie vor allem schaffen, ist, dass Sie die Menschen jeden Tag neuen Belastungen aussetzen, und daher wird es für diese Unsinnigkeiten und diese Prolongation von uns keine Unterstützung geben. Wir stehen ganz klar auf der Seite der Menschen in diesem Land, und die Menschen vertrauen dieser Regierung einfach nicht mehr, vor allem trau­en sie aber dieser Regierung nichts mehr zu. Das ist ja verständlich, denn sie fühlen sich von dieser Chaostruppe seit zwei Jahren belogen und betrogen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie auch heute wieder glauben, Herr Minister, Sie können die Menschen in unse­rem Land für blöd verkaufen, indem Sie ihnen eine vermeintliche Sicherheit suggerie­ren – auch Kollege Ebner hat das wieder gesagt, er hat gesagt: nur mit der Impfung, und die Impfung schützt –: Ja, eine Impfung, die Österreich schützen würde, wäre die, die Kollege Steiner angesprochen hat, eine gegen ÖVP-Korruption. Diese müsste allerdings sterile Immunität besitzen, denn sonst ist sie gleich sinnlos wie die Impfung gegen Coro­na. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Sie wissen, dass Realität nicht gleich Wahrheit ist. Daher geht es gar nicht darum, vorbe­reitet zu sein, sondern Ihnen geht es darum, dass Sie mit einem Handstreich sofort wie­der die sinnbefreiten Maßnahmen in Kraft setzen können. Dabei ist Ihnen völlig egal, dass Sie mit diesem heutigen Beschluss wieder eine totale Planungsunsicherheit in un­serem Land auslösen – für die Bevölkerung, vor allem aber auch für die Unternehmen, für den Tourismus im Winter. Keiner kann jetzt wieder sicher planen, weil er ja nicht weiß, wann Sie Ihre Unterschrift daruntersetzen.

Sie haben eben jetzt auch die Menschen auf Gedeih und Verderb Ihrer Willkür ausge­setzt, das heißt, es kann wieder zu Betretungsverboten und Lockdowns kommen, es kann wieder zu dem evidenzlosen Testregime – um bei Ihrem Sprachgebrauch zu blei­ben – kommen, zu den Zwangstests am Arbeitsplatz, in den Schulen und überall. Dabei hat man gerade im Elementar- und Grundschulbereich unsere Kinder so lange drangsa­liert, dass wir heute mit enormen psychischen Auswirkungen zu kämpfen haben, die sogar mit einer existenziellen Erhöhung der Suizidversuchsrate verbunden sind. (Bun­desrat Spanring: Das ist Long Covid! Richtig!) Diese werden auch wieder geknechtet. Maskenzwänge gibt es überall, Einschränkungen gibt es überall, und Sie wollen vor allem eines: Sie wollen den nächsten Versuch starten, Ihren Impfzwang endlich durchzu­setzen, denn jetzt ist es nicht ganz gelungen, Sie wollen aber diesen Impfzwang mit aller


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Gewalt durchsetzen und weiterhin eine bewusste Spaltung der Bevölkerung in unserem Land forcieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht umsonst haben Sie ja auch in der vorangegangenen Nationalratssitzung hören lassen: Wir werden die Menschen dazu bringen müssen, dass sie die Impfung brau­chen!  Was bedeutet denn das? Das ist kein Appell, sondern wenn das aus Ihrem Mund kommt, ist das mehr eine gefährliche Drohung. Wäre es nicht so, hättet ihr auch nicht um Hunderte Millionen Euro Steuergeld entsprechende Impfdosen angekauft, obwohl die Impfbereitschaft gegen null geht. Dann hättet ihr nicht Hunderte Millionen Euro an Steuergeld für eine Impfwerbung verprasst, bei der wieder bewusst gelogen wird, denn wenn es dort heißt: „GemeinsamGeimpft“, „Beim ersten Date schmusen? Geht sicher!“, dann ist das Schwachsinn und Lüge. Wenn Eltern dazu animiert werden, ihre Kinder spritzen zu lassen, weil man sagt „Wieder sorgenfrei miteinander spielen. Geht sicher!“, dann ist das Schwachsinn und Lüge, denn auch geimpfte Kinder können sich leider infi­zieren und das Virus auch übertragen. Wenn es lautet „Gemeinsam geimpft, damit die Gemeinsamkeit wieder sicher ist“, so ist das ebenso Schwachsinn und Lüge, weil man sich trotz Impfung infizieren kann und das Virus trotzdem übertragen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Glauben Sie mir, die Menschen in unserem Land sind nicht blöd, sie haben dieses perfi­de Coronaspiel, das Sie machen, längst durchschaut. Viele haben Ihnen ja vertraut, sie haben sich dreimal impfen lassen, und gerade in den letzten Monaten haben sie sich trotzdem infiziert, obwohl Sie mit Ihrem ganzen Team aus Rot, Schwarz, Grün über Mo­nate propagiert haben: Wer geimpft ist, ist sicher, kann Corona nicht bekommen und kann es auch nicht übertragen. Ich kann mich noch an all diese Geschichten hier herin­nen erinnern. (Zwischenrufe der Bundesräte Schachner und Spanring.) Wir sind als die Covidioten hergestellt worden, aber nein, diese sitzen in Wirklichkeit im Bereich links von mir (in Richtung ÖVP, SPÖ und Grüne deutend). Das sind die wahren Covidioten in Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen haben es durchschaut. Als die Infektionszahlen am niedrigsten waren, teilweise mit 2 500 am Tag, hat man Lockdowns ausgerufen, und als wir dann 60 000 In­fizierte gehabt haben, hat man gesagt: Jetzt geht eh schon gar nichts mehr, jetzt können wir eigentlich eh alles aufmachen. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) Das sind die Maßnahmen, die Sie gesetzt haben. Sie haben aber bei 60 000 nicht aus gesundheit­lichen Gründen aufgemacht, sondern der Druck auf der Straße ist Ihnen allen zu groß geworden. Keiner von Ihnen hat sich mehr auf die Straße getraut, weil Sie natürlich ge­merkt haben, dass die Menschen diese Situation durchschaut haben.

Und sie haben auch durchschaut, dass sie als Österreicher eingesperrt worden sind, während man im gleichen Zeitraum, als man jeden zu Hause eingesperrt hat, 41 000 Asylanträge in Österreich gehabt hat. Das heißt, wir haben die Haustüren zuge­sperrt und dafür die Grenzen in Österreich aufgesperrt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben aber auch die bewusste Spaltung nicht vergessen, weil Sie zum Impfen nicht animiert haben, sondern bewusst gespalten haben mit Slogans wie: „Alle gehen in den Club. Nur nicht Jochen, der ist noch nicht gestochen.“ Ich meine, etwas Blöderes – und das bezahlt mit Steuergeld – muss einem einmal einfallen! (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Sie haben aber keinen einzigen Euro von diesen Millionen in unser Gesundheitssystem gesteckt, nicht einen einzigen Euro! Sie haben keine Maßnahmen und finanziellen Anrei­ze getroffen, um gegen den Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich anzu­gehen und den niedergelassenen Bereich zu stärken. (Bundesrat Spanring: Genau! – Bundesrätin Schartel: Richtig!) Nein, Sie haben jetzt natürlich auch noch das mitzutra­gen, was Sie damit verursacht haben, und das ist die Teuerungswelle, die über uns he­reingeschwappt ist. Die Ursache sind nämlich diese Maßnahmen und nicht, wie die Kol­legen in der ÖVP so gerne sagen, der Russland-Ukraine-Konflikt. Nein, das hat auch


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das Wifo entsprechend widerlegt: Es waren Ihre Maßnahmen und die unverhältnismäßi­gen Lockdowns. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Jeden Tag, meine Damen und Herren, ist das Missmanagement dieser unsäglichen Re­gierung zu erkennen. Sie ist ja mittlerweile eh schon wie die Gecko-Kommission von kontinuierlichen Auflösungserscheinungen betroffen, und die Handlungsunfähigkeit zeigt sich leider täglich.

Meine Damen und Herren von Grün, Türkis und Schwarz, glauben Sie mir eines: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht; und dieser grün-türkis-schwarze – wie auch immer –, vor allem von den Schwarzen mit Korruption angefüllte Krug ist dem Zer­bersten nahe. Das wird auch in Kürze passieren. Dann wird es Neuwahlen geben, und die Menschen werden sich genau erinnern, wer sie unverhältnismäßig schikaniert hat. Sie werden sich genau erinnern und werden Ihnen Beschränkungen geben, nämlich Be­schränkungen in der Erreichung von Prozentzahlen bei den Wahlen. Da gehören die ÖVP und die Grünen dazu, aber auch die regierungstreue Oppositionspartei à la SPÖ.

Bei der SPÖ steht das s ja nicht mehr für sozialistisch oder sozialdemokratisch, sondern mittlerweile nur mehr für scheinheilige Partei Österreichs. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn ihr so wie heute wieder stän­dig alle Maßnahmen kritisiert – wie Frau Gruber-Pruner –, wenn ihr alle Lockdowns kri­tisiert und dann alle Maßnahmen so wie heute wieder mitträgt. Das muss man einmal zusammenbringen! Das kann nur einem auffälligen Krankheitsbild geschuldet sein, oder man ist einfach Verräter am eigenen Volk. Ich glaube, bei euch trifft beides zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, von uns wird es keine Zustimmung für künftige Repressalien geben. Es wird auch keine Zustimmung für weitere Einschränkungen geben. Wir sagen Nein zu einer Verlängerung dieses Ermächtigungsgesetzes, wir sagen auch Nein zum Zwang, aber wir sagen Ja zur Freiheit für Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

12.01


12.01.20

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Lassen Sie mich bitte zwei Sätze sagen. Ich habe heute zwar keine Ordnungsrufe erteilt, aber ich bitte doch die Freiheitliche Partei, in Zukunft darauf zu achten, dass wir der Würde dieses Hauses entsprechen. Begriffe wie „mafiaähnliche Vereinigung“, „Chaos­truppe“, „Schwachsinn und Lüge“ oder „scheinheilige Partei“ entsprechen einfach nicht der Würde unseres Hauses, in dem wir gemeinsam zu debattieren versuchen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber der ÖVP entspricht das! – Bundesrat Ofner: Die Wahrheit ist zumutbar!)

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „sofortiges und generelles Ende der Corona-Mas­kenpflicht in allen Wirtschaftsbereichen und insbesondere im Handel“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Schutzschirm für Kinder und Jugendli­che umsetzen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (359/E-BR/2022) (Beifall bei der SPÖ.)

12.03.253. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Apothekengesetz, das Apothekerkammerge­setz 2001, das Gehaltskassengesetz 2002, das Hebammengesetz, das Tierärztege­setz, das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (EU-Berufsanerkennungsgesetz-Gesundheitsberufe 2022 – EU-BAG-GB 2022) (1403 d.B. und 1437 d.B. sowie 10955/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 3.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich bitte um den Bericht.


12.03.46

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz 2001, das Ge­haltskassengesetz 2002, das Hebammengesetz, das Tierärztegesetz, das Zahnärztege­setz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen. (Vizeprä­sidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Mai 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Günter Pröller. – Ich bitte um Ihren Beitrag.


12.04.32

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher und Besucherinnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ja, wir wissen, dass wir in Österreich eines der weltbesten Gesundheitssysteme haben; aber nicht wegen dieser Regierung, sondern weil Pflege­personal, Ärzte, viele Menschen draußen Enormes leisten, und dafür ist ein großer Dank an das gesamte Gesundheits- und Pflegepersonal zu richten. (Beifall bei der FPÖ sowie der BundesrätInnen Grimling und Kornhäusl.)

Mit dem Berufsanerkennungsgesetz sollen wir wieder einmal Vorgaben der EU-Richtli­nien umsetzen. Ich sehe mit dem Gesetz eine gewisse Gefahr verbunden, und wir wer­den daher diesem Gesetz nicht die Zustimmung geben.

Auch so manche Verordnungen aus dem Gesundheitsministerium – die Kollegen Steiner und Ofner haben schon angesprochen, wie viele Coronaverordnungen in den letzten


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Jahren, und auch jetzt diese, umgesetzt worden sind und auch teilweise durch den Ver­fassungsgerichtshof wieder aufgehoben worden sind – tragen dazu bei: Wir haben kein Vertrauen mehr in diese Regierung! (Beifall bei der FPÖ.)

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine bedingte Zulassung von vielen Gesundheits­berufen vor. Es betrifft Berufsqualifikationen von ÄrztInnen, Hebammen, Zahnärzten und ApothekerInnen. Es ist zwar tatsächlich so, dass ein Versäumnis vonseiten Österreichs vorliegt, eine EU-Richtlinie ordnungsgemäß umzusetzen, aber, Herr Bundesminister, so wie dieses Gesetz nun hier vorliegt, wird es, glaube ich zumindest, bei vielen mehr für Verwirrung als für eine Klarstellung sorgen.

Wie soll diese Berufszulassung denn ausschauen? Darf dann ein Arzt zwar eine Dia­gnose stellen, aber keine Arzneimittel mehr verordnen? Darf eine Hebamme eine Stillbe­ratung durchführen, aber keine Geburt mehr begleiten? Wie soll denn das in der Praxis mit einer eingeschränkten Berufszulassung in solchen medizinischen Berufen, die ja nicht nur Ärzte, Apotheker und Hebammen, sondern auch zum Beispiel Tierärzte betrifft, funktionieren?

In den relevanten Stellungnahmen im Rahmen des Begutachtungsverfahrens haben sich zum Beispiel der Dachverband der Sozialversicherungsträger, die Apothekerkam­mer, die Zahnärztekammer und die Tierärztekammer sehr kritisch geäußert. Bei der Hu­manmedizin, aber auch bei der Veterinärmedizin haben wir in Österreich ein sehr hohes Niveau, und unser gemeinsames Ziel müsste es ja sein, dieses Niveau zu halten. Eine nunmehrige Berufsöffnung stellt diesen Status infrage.

Die vorliegende Novelle sieht einen Zugang zu bestimmten Gesundheitsberufen auch dann vor, wenn die ausländischen Berufsqualifikationen den innerstaatlichen nur teilwei­se entsprechen. Es droht vor allem eine weitere Aushöhlung der freien Berufe. Anstatt in diesem Bereich mit dieser Teilzulassung zu diesen Berufen für Verwirrung zu sorgen, was für die Patienten gar nichts bringt und auch in der Praxis sehr schwer ausschilderbar wäre, wäre es viel wichtiger und notwendiger, die Arbeitsbedingungen für alle Gesund­heitsberufe in diesem Land zu verbessern. Das sei gerade heute am Tag der Pflege einmal gesagt! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen, dass wir in Österreich bereits enormen Personalmangel in der Pflege haben und dass dieser Personalmangel Auswirkungen hat: Pflegeheime sperren zu, Stationen werden geschlossen. Neben dem Pflegepersonalmangel haben wir auch einen Mangel an Kassenärzten; und das nicht, weil wir zu wenig Ärzte hätten, die diesen Beruf ergrei­fen wollen, sondern deshalb, weil die Rahmenbedingungen, die Arbeitsbedingungen und der bürokratische Aufwand nicht dem entsprechen, was sich junge Ärzte erwarten.

Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem, das immer öfter an seine Grenzen stößt. Um es klar auszusprechen: Es ist die Versorgung der Bevölkerung in Gefahr. Daher ist hier dringendst Handlungsbedarf gegeben, und da werden wir mit einer bedingten Zulas­sung in Österreich die Lücken nicht füllen können.

Sehr geehrter Herr Minister! Konzentrieren Sie sich auf diese Dinge, verbessern Sie die Rahmenbedingungen und halten Sie die Versprechen, die Sie heute wieder bei einer Pressekonferenz angekündigt haben! Wir haben schon so viele Pressekonferenzen erlebt, aber letztendlich gesehen, dass sehr, sehr wenig umgesetzt wird. Daher ist das Vertrauen einfach nicht mehr da. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt im Land sehr viele Probleme, einerseits die Teuerungswelle, die wir heute noch intensiver debattieren werden, illegale Flüchtlingspolitik, die Problematik der Energiever­sorgung, aber eines der größten Probleme sind die Taten, die Politik dieser Regierung. Geschätzte Damen und Herren, zwei Jahre Schwarz/Türkis-Grün sind mehr als genug. Gefühlt tritt jede Woche ein Bundeskanzler, ein Minister zurück. Geschätzte Damen und


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Herren, es soll diese gesamte Regierung zurücktreten und Neuwahlen ausrufen! Das ist dringend notwendig, je früher, umso besser. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

12.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Wortmeldung: Frau Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


12.10.08

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister! Liebe ZuseherInnen hier – so viele, sehr schön! Nach der FPÖ muss man immer wieder zum Tagesordnungspunkt zurückgehen, ich stimme Ihnen aber zu: Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, das hängt aber natürlich auch mit den Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs zu­sammen. Auf der anderen Seite sind wir aber Teil der Europäischen Union und haben uns damit zur Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr sowie zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer, egal wo in der Europäischen Union, verpflichtet. Daher stellt diese Gesetzesänderung eine EU-konforme Rechtslage her.

Die Berufsqualifikationen – um den Tagesordnungspunkt noch einmal zu erklären – von ÄrztInnen, ZahnärztInnen, TierärztInnen, ApothekerInnen und Hebammen aus anderen EU- und natürlich EWR-Staaten sowie der Schweiz werden nun mit dieser Gesetzesän­derung teilweise auch in Österreich anerkannt. Für den Beruf der Krankenpflege wurden diese Vorgaben schon im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz umgesetzt.

Zu betonen ist, dass diese Gesetzesänderung – wir haben es schon gehört – nur einen teilweisen Berufszugang in diesen Gesundheitsberufen ermöglicht und dass diese nur eingeschränkte Zulassung für die Patienten auch deutlich erkennbar sein muss. Das heißt, der Beruf darf nicht in seinem gesamten Umfang ausgeübt werden. Das wird aber nicht so schwierig umsetzbar sein, denn selten im Gesundheitswesen stemmt eine Ärztin alleine eine Praxis oder schupft ein Apotheker die ganze Apotheke allein. Arbeitsteilung, aber auch Coworking sind ein schon lange beobachteter Trend und können auch hier Anwendung finden. Daher denken wir inklusiv und nutzen den partiellen Berufszugang für die Verbesserung unseres Angebots im Gesundheitsbereich.

Ja, sicher, bei der Attraktivierung von Kassenarztstellen ist noch Luft nach oben. Aller­dings ist Kritik schnell geübt, aber Gesetze zu entwerfen ist ein langer Prozess. Neue gesetzliche Regelungen müssen in ein ganzes Rechtssystem, in ein Arbeitssystem, in ein Ausbildungssystem, in ein Finanzsystem, in ein Wirtschaftssystem und nicht zuletzt auch in ein Gesellschaftssystem eingepflegt werden. Auch StakeholderInnen und Inter­essenvertreterInnen müssen miteinbezogen werden, genauso wie zukünftige Gesetze mit den Ländern, mit den Ministerien und auch hier im Parlament abgestimmt werden müssen. Das geht nicht von heute auf morgen und schon gar nicht in einer Pandemie oder einem Krieg mit all seinen Implikationen.

Daher freut es mich ganz besonders, dass uns heute, so passend am Tag der Pflege, unser Sozialminister ein Paket präsentiert, das Pflegeberufe und die Pflege an sich hö­her bewertet. Sprichwörtlich wird die Pflege mit finanziellen Mitteln ausgestattet und nicht nur, indem man klatscht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.13


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster gelangt Bundesrat Kornhäusl zu Wort. – Bitte schön.


12.13.23

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschal­tet sind! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber auch liebe Schülerinnen und


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Schüler – nehme ich an –, die auf der Galerie sitzen! Ich möchte vielleicht zu Beginn auf das replizieren, was Kollege Steiner gesagt hat. Er ist wohlwissend rausgegangen, Mut kann man sich natürlich nicht kaufen. Mittlerweile sind wir, glaube ich, nichts anderes von ihm gewohnt, daher erschüttert es kaum noch. Es gelingt ihm aber doch von Mal zu Mal immer wieder, noch eine Schublade tiefer zu greifen und dann mit irgendwelchen fiktiven E-Mails daherzukommen, von Leuten, die mich vielleicht weniger mögen. Er kennt das sicherlich aus seiner eigenen Erfahrung nur zu gut. Aber lassen wir einmal seine fiktiven Geschichten beiseite und kommen wir zu den Fakten, die sind nämlich gar nicht so unspannend.

Ich habe mir das Wahlergebnis von Zell am Ziller – das ist seine Gemeinde in Tirol, auf die er zu Recht sehr stolz ist – angeschaut. Von allen Bürgermeisterkandidaten und kan­didatinnen, die dort angetreten sind, war Kollege Steiner der einzige, der als Person weniger Stimmen bekommen hat als seine eigene Partei. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das muss man sich einmal vorstellen. – So viel zur Beliebtheit des Herrn Kollegen Stei­ner. Das sind die Fakten. Die Geschichten, die er da so bringt, sind wohl eher in das Reich der Mythen zu verweisen.

Kommen wir aber zum eigentlichen Punkt dieser Tagesordnung: EU-Berufsanerken­nungsgesetz-Gesundheitsberufe 2022. Worum geht es? – Es ist eigentlich schon alles Wesentliche gesagt worden. Es geht im Wesentlichen um Änderungen in acht Berei­chen. Das betrifft das Ärztegesetz, das Apothekengesetz, das Apothekerkammergesetz, das Gehaltskassengesetz, das Hebammengesetz, das Tierärztegesetz, das Zahnärzte­gesetz und das Zahnärztekammergesetz. Das hört sich jetzt unheimlich kompliziert an, ist es im Wesentlichen aber nicht. Worum geht es? – In Wahrheit nur um die Herstellung einer EU-konformen Rechtslage betreffend Anerkennung von Berufsqualifikationen für Personen aus EU-Mitgliedstaaten, aus dem EWR-Raum und aus der Schweiz.

Da müsste man jetzt kurz einen Blick zurück in die Geschichte werfen, nämlich in das Jahr 2013. Seit damals gibt es diese EU-Richtlinie, und schon damals hat es divergieren­de Meinungen zwischen der Europäischen Kommission und Österreich gegeben. Das Ganze hat dann in einem Verfahren gemündet, bis 2021 der Europäische Gerichtshof letzten Endes die Rechtsansicht der Europäischen Kommission bestätigt hat. Deshalb sind wir heute hier, das zu beschließen, nämlich diese EU-Richtlinie zur partiellen Be­rufserlangung in Österreich in nationales Gesetz zu gießen.

Kollege Pröller hat die Stellungnahmen angesprochen. Ja, da hat man zu Recht da und dort Kritik geübt, aber – und ich habe heute noch einmal ein Packerl Stellungnahmen durchgelesen und ich glaube, da werden wir uns einig sein – im Großen und Ganzen ist dafür, dass Standesvertretungen, Gewerkschaften und Länder so in diesen Prozess ein­gebunden wurden, Lob geübt worden.

Etwas zurückhaltender wäre ich bei Behauptungen – das ist wieder ein bisschen Pa­nikmache –, dass sich die Bevölkerung nicht mehr auskennt, nicht weiß, was der Arzt oder die Hebamme tun darf. Das hat meine Kollegin Kittl schon schön angesprochen: Erstens liegt die Zukunft natürlich in der Teamarbeit. Und zweitens, und ich habe selber Gespräche mit Expertinnen und Experten geführt, gehen wir nicht davon aus, dass jetzt Massen an Kolleginnen und Kollegen aus den EU-Staaten, den EWR-Ländern oder der Schweiz zu uns kommen werden.

In diesem Sinne danke ich schon jetzt für die breite Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.17


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Bundesrat David Egger zu Wort gemel­det. – Bitte.



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12.18.00

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Und eines freut mich ganz besonders: dass heute wieder Leben hier herinnen ist. Also auch: Liebe Zuseherinnen und Zuseher oben auf der Galerie! Worum es in der Debatte gerade geht, ist ja schon ausführlich auch von meinem Vorredner, Herrn Kornhäusl, ausgeführt worden. Es geht um eine EU-konforme Rechtslage in der Anerkennung von Gesundheitsberufen. Da sind wir in Österreich zwei Jahre hintennach, aber lieber spät als gar nicht. Dieses Gesetz betrifft die Ärztinnen und Ärzte, die Hebam­men, Zahnärzte, Apotheker und so weiter. Diese Anerkennung ist in Österreich, wie an­gesprochen, seit zwei Jahren längst überfällig. Wir sind froh, dass sie jetzt hier auch beschlossen wird, und wir werden dazu auch zustimmen. Es gibt aber eine Folgenab­schätzung, die davon ausgeht, dass sich nur wenige Berufsangehörige aus dem soge­nannten EWR-Raum dazu werden bewegen lassen, ihren Beruf dann in Österreich aus­zuüben.

Wenn immer wieder vom Tag der Pflege, vom Ärztinnen- und Ärztemangel und vom Pflegemangel gesprochen wird, dann müssen wir uns schon grundsätzlich fragen, wa­rum das bei uns in Österreich so ist. Heute wurde in einer Presseaussendung ein Papier präsentiert, zwei, drei Seiten, von PR-Expertinnen und -Experten geschrieben, mit vielen Überschriften, und da werden wir uns genau anschauen, was davon wirklich gelandet wird, was davon auf den Boden kommt. Die Wahrheit ist nämlich, dass die Anerkennung durch die Regierung für die Menschen in der Pflege, die tagtäglich ihren Einsatz zeigen, aber auch für die Ärztinnen und Ärzte bis jetzt nicht gegeben ist; von ein paar Überschrif­ten lassen wir uns noch lange nicht überzeugen.

Ja, Herr Minister, es ist ein erster Schritt, aber es ist meiner Meinung nach eine halbher­zige Pflegemilliarde, und eine Pflegereform ist das noch lange nicht, Herr Minister! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Warum ist das so? – Ich möchte das kurz erklären und darauf eingehen: Zur 24-Stunden-Pflege steht hier ein einziger Satz, glaube ich. Die mobilen Dienste werden nicht wirklich angesprochen. Eine Erweiterung oder Vermehrung des Urlaubs ist gut, auch eine Aner­kennung der Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler. Das ist aber, ganz ehrlich, zu wenig.

Das ist keine Pflegereform. Ich sage Nein, denn wir haben immer gesagt, es soll eine echte Wertschätzung gegenüber pflegenden Angehörigen geben – und 125 Euro, die­ser 1 500-Euro-Bonus für die pflegenden Angehörigen, die zu Hause bleiben und ihre Angehörigen jeden Tag pflegen, 125 Euro, glaube ich, im Monat, das ist bei der derzeiti­gen Teuerungswelle vielleicht einmal volltanken, wenn ich meine Angehörigen zum Arzt fahren muss, wenn ich meine Angehörigen zur Apotheke fahren muss, vielleicht mit ihnen ins Spital fahren muss. 125 Euro – so viel ist es der Regierung wert, wenn Men­schen ihre Angehörigen zu Hause pflegen. Das ist keine Wertschätzung und das ist auch keine Absicherung im Alter, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sagen ganz klar: Wir wollen eine echte Wertschätzung für die pflegenden Angehöri­gen, wir wollen eine echte Wertschätzung für die Pflegerinnen und Pfleger. Da soll nie­mand unter 2 000 Euro netto nach Hause gehen müssen.

Ja, es ist heute in Ihrer Pressekonferenz der Urlaub angesprochen worden, aber ganz ehrlich: Dieser Beruf ist dermaßen anstrengend, körperlich wie auch psychisch, da muss man endlich auch über die Reduzierung der Normalarbeitszeit in der Woche auf 35 Stun­den sprechen und das endlich umsetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wie heute über die Einsparungen im Gesundheitssystem geredet wird, nämlich durch ÖVP und Grüne, das muss man einfach einmal auf den Tisch legen, dann stimmt mich das traurig. Ich darf vom 11. April 2022 aus den Salzburger ORF-Onlinenachrichten


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zitieren: „Tamsweg: Geburtenstation schließt für neun Tage“, Herr Kollege Kornhäusl. Und am 3. Mai 2022: „Kündigungswelle auf Gynäkologie Schwarzach“. – Das darf nicht passieren!

Was macht der Landesrat, der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Stöckl? Er ist beleidigt, weil man ihn nicht informiert hat. Also ich sehe es schon als Pflicht des Ge­sundheitsministers und als Pflicht des Landesrates, dass man da aktiv etwas tut, um solchen Sachen vorzubeugen. Das darf nicht passieren! – Und da stimmen Sie mir wahr­scheinlich auch zu, liebe Damen und Herren von der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, was wir wirklich brauchen, ist eine echte Gesundheitsoffensive zum Wohle der Beschäftigten in diesen Berufen, zum Wohle des Gesundheitssystems und vor allem zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Wir brauchen mehr Pflegekräfte, eine echte Wertschätzung, weniger Wochenstunden und mehr Gehalt, und das regelmäßig und nicht auf zwei Jahre mit irgendwelchen monatlichen Boni irgendwie ausgebreitet, ohne dass irgendjemand weiß, wie sich das auf die Pension oder auch auf das 13. und 14. Gehalt auswirkt. Zur Bezahlung der Pflegekräfte in der Ausbildung sagen wir immer: Ihnen gebührt die gleiche Wertschätzung wie den Polizistinnen und Polizisten in der Ausbildung. Wir brauchen mehr Krankenbetten, krisensichere Intensivstationen und eine echte Absicherung, ein echte Wertschätzung für pflegende Angehörige.

Herr Minister, seit zwei Jahren darf ich mein Bundesland Salzburg hier im Bundesrat vertreten, und es ist mir immer eine große Ehre. Bis jetzt, in den kurzen zwei Jahren, habe ich 13 oder 14 Ministerinnen und Minister kommen und gehen gesehen. Ich bin gespannt, wie viele ich noch in der nächsten Zeit hier kommen und gehen sehe. Das ist keine Stabilität, das hat sich Österreich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


12.24.58

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir begrüßen recht herzlich unseren Bundesminister für Finanzen Magnus Brunner. – Herr Minister, herzlich willkommen!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Wenn das nicht der Fall ist, dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, ge­gen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist mehrheitlich angenommen.

12.25.394. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdgasabgabegesetz, das Elektrizi­tätsabgabegesetz und das Mineralölsteuergesetz 2022 geändert werden (2421/A und 1439 d.B. sowie 10953/BR d.B. und 10957/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist uns Frau Bundesrat Alexandra Platzer genannt worden. – Bitte.


12.26.01

Berichterstatterin Alexandra Platzer, MBA: Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erdgasabgabegesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz und das Mineralölsteuergesetz 2022 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 60

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Dominik Reisinger. – Ich bitte um Ihren Redebeitrag.


12.26.41

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier auf der Galerie und zu Hause! Dieser Tagesordnungspunkt befasst sich mit Änderungen von gleich vier Gesetzen. Mit diesem Paket versuchen die Regierungspar­teien, die immense Teuerung, unter der die Menschen in diesem Land so sehr leiden, abzufedern. Ich betone, es ist ein Versuch und es bleibt beim Versuch. Leider ist es, wie so oft, mehr Flop als top.

Auch wenn wir einzelnen Maßnahmen in diesem Paket durchaus etwas Positives abge­winnen können, zum Beispiel der Senkung der Erdgasabgabe, werden wir Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten diesem Antrag nicht zustimmen, weil Ihre Maßnahmen mehr Schall und Rauch als echte und wirksame Hilfe sind.

Was Sie aber sehr gut können – da meine ich vor allem Mandatare der ÖVP –, ist, den Menschen etwas vorzumachen, ihnen Sand in die Augen zu streuen. Anders kann ich es mir nicht erklären, wenn Nationalratsabgeordnete, ja sogar auch der Herr Finanzmi­nister in Interviews von sich geben, dass die Pendlerpauschale verdoppelt wird. (Bun­desminister Brunner: ... um 50 Prozent erhöht!) Das ist nämlich unrichtig, das wissen Sie auch ganz genau: Die Pendlerpauschale wird nicht verdoppelt, sie wird um 50 Pro­zent erhöht.

Wenn man Ihnen das vorwirft, bringen Sie immer gleich den Pendlereuro ins Spiel. Ja, das stimmt auch, der Pendlereuro wird erhöht. Aber das ist ja gar nicht mein Vorwurf oder die Kritik, mein Vorwurf ist der, dass Sie immer wieder, und das hat ja einen Modus, mit falschen Zahlen operieren, mit Worten spielen und so etwas vortäuschen, das es ganz einfach nicht gibt. Das ist in dieser prekären Situation den Menschen gegenüber aus meiner Sicht unredlich.

Wenn die SPÖ etwas fordert, Vorschläge macht, dann kommt von der Regierung meist die Keule des Gießkannenprinzips. ÖVP und Grüne möchten nicht mit der Gießkanne, sondern sozial treffsicher verteilen – allein mir fehlt der Glaube. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist Ihr Pendlerpauschale-Modell denn anderes als Verteilung mit der Gießkanne, vor allem aber in Richtung der Besserverdienenden und Wohlhabenden? Genau die sind es nämlich, die profitieren, aber nicht die Pendlerinnen und Pendler mit geringem oder mittlerem Einkommen.

Unseren seit Wochen auf dem Tisch liegenden Vorschlag, die Pauschale von einem Freibetrag in einen Absetzbetrag umzuwandeln, lehnen Sie leider vehement ab. Zusam­menfassend muss beziehungsweise darf ich feststellen: Unser Modell wäre sozial treffsi­cher, Ihr Modell hingegen ist wieder einmal Umverteilung von unten nach oben.

Dann komme ich zum nächsten Flop, dem 150-Euro-Energiegutschein. Den, sehr ge­ehrte Damen und Herren von der ÖVP und den Grünen, können Sie nicht schönreden. Was habe ich da letztes Wochenende in den Printmedien gelesen? – Ich zitiere: „Skan­dal um Energie-Gutschein [...] 30 Millionen Euro Aufwand für Energie-Gutschein-Flop. Viele Probleme, wenig Entlastung: Österreicher bleiben auf Stromkosten sitzen.“ „‚Eine Farce‘ – Kritik an 150-Euro-Energiegutschein“. – Zitatende.

Dabei ist das gar nicht unsere Diktion, sondern das ist die Meinung der österreichischen Medien und mittlerweile auch der österreichischen Bevölkerung. Was in der Praxis aufgrund


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 61

technischer Probleme und der Komplexität bei der Abwicklung nicht oder nur sehr schleppend funktioniert, verkaufen Sie, sehr geehrter Herr Minister, als großen Wurf. Es ist aber alles andere: Es ist der nächste Flop.

Er kostet die SteuerzahlerInnen Millionen, anstatt ihnen schnelle und echte unbürokrati­sche Hilfe zu bringen. Der Gipfel: Für rund 40 Prozent der Haushalte ist das wie ein Schlag ins Gesicht, wenn sie diesen Gutschein erst im nächsten Jahr bei der Jahresab­rechnung einlösen können. Sie bleiben sozusagen über Monate auf ihren hohen Strom­kosten sitzen – und das in einer Zeit, in der viele Familien, Alleinerziehende, Pensionis­tinnen und Pensionisten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen.

Diese belastende Situation wirkt sich natürlich auch auf die Kaufkraft der Menschen aus. Mit dieser sinkenden Kaufkraft wird auch die Wirtschaftsleistung in diesem Land sinken. Wir haben sozusagen eine Negativspirale, der man eigentlich alles entgegensetzen müsste. Nur tut es diese Regierung leider nicht.

Neben den Stromkosten und den Treibstoffpreisen gehören auch die Lebensmittelpreise und die Wohnkosten zu den enormen Preistreibern. Dazu gibt es von Ihrer Seite bis dato noch gar keine Vorschläge.

Zusammenfassend auch noch ein Gedanke zu unserem Steuersystem: Die wirklichen LeistungsträgerInnen, also die arbeitenden Menschen in diesem Land, werden eindeutig zu hoch besteuert. Dieses System ist leistungsfeindlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist genau Ihre Steuerreform, die Steuerreform der Regierung, die diese Schieflage auch noch verstärkt. Während jene mit kleineren und mittleren Einkommen unter der Last erdrückt werden, machen Sie von der ÖVP und den Grünen den Konzernen ein Milliardengeschenk, nämlich mit der Körperschaftsteuersenkung. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Übrigen zahlen sich die ArbeitnehmerInnen durch die kalte Progression die Steuer­reform ohnehin selbst, und das ist aus unserer Sicht, aus meiner Sicht untragbar. Des­halb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuerge­rechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehebaldig ein Gesetzespaket für eine echte strukturelle Steuerreform vorzulegen, in welchem

- die Lohn- und Einkommensteuern auf Arbeitseinkommen stärker und nachhaltiger im Ausmaß von zumindest 1000 € jährlich mehr Nettoeinkommen gesenkt werden,

- ein Automatismus geschaffen wird, der verhindert, dass Mittel der kalten Progression zur Senkung anderer Steuern (zB der Konzernsteuer) verwendet werden. Die Mittel der kalten Progression dürfen ausschließlich zur Senkung der Lohn- und Einkommenssteu­er – mit besonderem Fokus auf kleine und mittlere Einkommen – samt strukturverän­dernden Maßnahmen verwendet werden,

- der unfaire Familienbonus in die Familienbeihilfe integriert wird, und

- höhere Steuern auf leistungslose Einkommen aus Kapital und sehr hohe Vermögen,

- - durch die Rücknahme der Senkung der Körperschaftsteuer,

- - eine Sonderabgabe der Onlinemultis zur Krisenfinanzierung,


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 62

- - die Rückzahlung der Überförderung der Corona-Krisen-Gewinner und

- - eine Millionärssteuer auf Millionenvermögen und Millionenerbschaften

eingehoben werden.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mein Fazit: Bei einer Inflation von über 7 Pro­zent ist es absolut unverantwortlich, wenn man nur zögerlich und in viel zu geringem Umfang Entlastungsmaßnahmen für die betroffenen Menschen andenkt.

An ÖVP und Grüne sei deshalb gerichtet: Schauen Sie bitte nicht länger weg! Nehmen Sie unsere Vorschläge auf! Kommen Sie endlich in die Gänge und helfen Sie den betrof­fenen Menschen und Familien unbürokratisch und sofort! – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Dominik Reisinger, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Steuergerechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach in Ver­handlung.

Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Bitte.


12.35.54

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her auch heute hier auf der Galerie! Bei dem heutigen Gesetzesbeschluss – wir haben es ja auch schon gehört – geht es bereits um das zweite Paket der Bundesregierung zur Entlastung der Menschen in der Höhe von rund 2 Milliarden Euro. Konkret geht es um die Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 Prozent, die Vervierfachung des Pendlereu­ros von Mai 2022 bis Juni 2023, die Senkung der Elektrizitäts- und der Erdgasabgabe um 90 Prozent und somit auf EU-Mindestniveau für den gleichen Zeitraum und die Rück­vergütung beim Agrardiesel in Höhe von 7 Cent pro Liter.

Darunter kann man sich jetzt vielleicht noch ein bisschen wenig vorstellen, was das wirklich bedeutet. Es ist aber nicht nur Schall und Rauch, wie das mein Vorredner be­hauptet, und ich möchte das auch kurz veranschaulichen.

Durch die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Vervierfachung des Pendlereuros werden rund 400 Millionen Euro ausgeschüttet. So bekommt zum Beispiel ein Paar mit einem Haushaltseinkommen von 2 900 Euro unter Nutzung der großen Pendlerpau­schale eine Entlastung von rund 482 Euro – nur durch die Erhöhung der Pendlerpau­schale und des Pendlereuros.

Man merkt es aber nicht nur an der Tankstelle, wenn man höhere Preise zahlt. Vor allem Strom- und Gaspreise sind eine massive zusätzliche Belastung für alle und für unser tägliches Leben. Bezüglich der Elektrizitäts- und der Erdgasabgabe kommt es daher zu einer Entlastung von rund 900 Millionen Euro. Für eine Bäckerei als Kleinunternehmen mit einem Verbrauch von rund 200 Kilowattstunden Strom und 10 000 Kubikmeter Gas kommt es mit diesem Paket zu einer Entlastung von rund 3 340 Euro.

Ebenso wurde an Pensionistinnen und Pensionisten sowie an Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher gedacht. So bekommt zum Beispiel ein Pensionist oder eine Pensionistin in Wien mit einer Mindestpension durch den Energiekostenausgleich, den Teuerungs­ausgleich und den Heizkostenzuschuss eine Entlastung von 650 Euro. (Bundesrätin Schartel: Wenn es das irgendwann einmal gibt!)


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Auch an Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher wurde gedacht. Bei einem Jahresein­kommen von rund 11 000 Euro bekommt zum Beispiel eine Alleinerzieherin in Vorarlberg einen Zuschuss von 810 Euro. Das ist meiner Meinung nach wirklich gezielte Hilfe.

Es geht nicht darum, mit dem Schöpflöffel das Geld des Staates zu verteilen, sondern darum, gezielte Maßnahmen zu setzen, um die Personen in den Bereichen, in denen sie betroffen sind, zu entlasten. Mit dem Beschluss dieses Pakets tun wir das. Wir entlasten die Menschen auf allen Ebenen. Wir machen das durch die Durchsetzung der Steuer­reform und nicht wie in anderen EU-Ländern durch die Aussetzung. Dem einen oder anderen ist es vielleicht schon aufgefallen: Es ist ein bisschen mehr Geld am Konto. Das kommt auch dadurch, dass die Einkommensteuer gesenkt wurde.

Mittlerweile wurde auch schon der zweite Energiegutschein zugestellt. Somit haben die Menschen 300 Euro pro Haushalt zur Verfügung. Ich denke, das ist wirklich schnelle und effektive Hilfe. (Bundesrat Reisinger: Nächstes Jahr! – Ruf bei der SPÖ: ... 40 Prozent!) Der Gutschein befindet sich schon in den Postkästen.

Man sieht also: Es ist wirklich ein extrem großes Bündel an gezielten Maßnahmen. Wenn sich die Umstände nicht plötzlich ändern und weiterhin mit Kostensteigerungen zu rech­nen ist, werden das sicherlich auch nicht die letzten Maßnahmen sein.

Ich möchte aber trotzdem betonen: Wir haben in Österreich ein System der ökosozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet, der Staat steht unterstützend beiseite, wenn wie in den letzten Jahren Herausforderungen bevorstehen, die für die UnternehmerInnen nicht vor­hersehbar waren und die von den UnternehmerInnen selber nicht bewältigt werden können. Es kann aber auch nicht der Fall sein, dass alle Kostenbelastungen, die jetzt auf die Unternehmen oder auch auf die Familien zukommen, komplett vom Staat abgefe­dert werden. Das ist einfach nicht möglich.

Deswegen bitte ich vor allem auch die Seite der SPÖ: Hören Sie auf mit populistischen Forderungen, ohne diese zu durchdenken! (Bundesrat Reisinger: Ihr müsst einmal mit den Leuten reden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht darum, wirksam zu helfen. Im Finanzministerium mit unserem Minister Brunner sind wir hier sehr gut aufge­stellt. Diese Regierung wird sich auch stets daran orientieren, wo die Betroffenheit herrscht, welche Maßnahmen zu setzen sind, um dort wirksam zu helfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

12.40


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Wortmeldung: Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.


12.40.38

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Paket gibt es wieder vier Komponenten – oder in Wirklichkeit dreieinhalb –, auf die ich wieder der Reihe nach eingehen möchte.

Artikel 1 – Erhöhung von Pendlerpauschale, Pendlereuro und Pendlersozialversiche­rungsbonus: Wir NEOS sind zwar immer für sinnvolle Entlastungen zu haben, aber diese Erhöhungen fallen aber nicht darunter. Die Benzin- und Dieselpreise schwanken stark. Es ist nicht klar, ob die Preise bis Juni 2023, im Anwendungszeitraum dieses Gesetzes, so hoch bleiben werden. Wir halten das für eine unnötige steuerliche Entlastung. Die Verteilungswirkung ist sehr fragwürdig. Es handelt sich um noch mehr ÖVP-Klientelpoli­tik. Von den Maßnahmen zur Pendlerinnen- und Pendlerförderung profitieren nämlich insbesondere das oberste Einkommenssegment, die obersten zwei Dezile – siehe Ana­lyse des Budgetdienstes des Nationalrates – und zu zwei Dritteln Männer.


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Die Zersiedelungsprämie Pendlerpauschale wird erhöht, sie wird sogar einbetoniert. Von einer Ökologisierung, wie es im Regierungsprogramm vorgesehen wäre, ist keine Rede mehr. Es handelt sich um eine Bankrotterklärung der Grünen, nur damit die ÖVP Wahl­kampfzuckerl an ihre Wählerinnen und Wähler in den diversen Speckgürteln Österreichs verteilen kann. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Diese Maßnahmen schauen sehr nach Wahlkampfzuckerln aus, vor allem für die vier Landtagswahlen, die im nächsten Jahr anstehen.

Hingegen werden die Artikel 2 und 3 – Senkung der Erdgas- und der Elektrizitätsabga­be – von uns NEOS begrüßt. Wir fordern Ähnliches in einem Antrag im Nationalrat. Die Steuersätze für die Energieabgaben in Österreich liegen deutlich über den Mindestsät­zen der EU: um den Faktor 15 bei Strom und um den Faktor 6 bei Erdgas. Die Herab­setzung der Elektrizitätsabgabe auf Höhe der EU-Mindeststeuersätze würde die derzeiti­ge steuerliche Schlechterstellung von Strom aus erneuerbaren Stromquellen verringern.

Da die Mindeststeuersätze in der EU für alle Energieträger, bezogen auf den Energie­inhalt, annähernd gleich hoch sind – ungefähr 15 Cent pro Gigajoule betrieblich und 30 Cent pro Gigajoule für Private –, würde auch eine Herabsetzung von Erdgas- und Elektrizitätsabgabe auf EU-Mindestniveau die Schlechterstellung von elektrischem Strom aus erneuerbaren Stromquellen verringern und kann daher von uns NEOS – abgesehen von der Entlastungswirkung – auf jeden Fall mitgetragen werden. Mittelfristig wollen wir weiter gehen und einen Ersatz aller bestehenden Energieabgaben zugunsten einer CO2-Bepreisung mit entsprechender Lenkungswirkung.

Da es hier um die Elektrizitätsabgabe geht, möchte ich einen kurzen Exkurs zur Kop­pelung des Strompreises an den Gaspreis machen. Wir wissen, das ist ein großes Pro­blem. Wir haben alle in den letzten Wochen das System der Strompreisbildung kennen­gelernt: Meritorder. Jetzt gibt es Möglichkeiten, wie man dem begegnen kann.

Es gibt ein Vorbild aus Spanien. Es wird deswegen auch das iberische Modell genannt, auch in einem Gastkommentar von Lukas Stühlinger unlängst in der „Wiener Zeitung“ beschrieben. Da geht es darum, dass das System zwar nicht verändert wird, aber die Stromerzeugung aus Gaskraftwerken trotz hoher Gaspreise verbilligt werden kann, indem nämlich die Stromproduktion in den Gaskraftwerken so subventioniert wird, dass sie einen niedrigeren Einkaufspreis beziehungsweise dann einen niedrigeren Erzeu­gungspreis bekommen. Das ist natürlich eine Beihilfe, die auf europäischer Ebene ge­nehmigt werden muss. Das ist in Spanien passiert. Das wäre eine Möglichkeit, diese strikte Koppelung der Strompreise an die Gaspreise zu beheben und somit für niedrigere Strompreise zu sorgen. Ich würde mir auch für Österreich wünschen, dass wir uns das anschauen.

Schließlich wieder zurück zu Artikel 4 dieses Gesetzes, da geht es um die Agrardiesel­vergütung. Wir halten das für eine reine Klientelpolitik. Die ÖVP schüttet hier Geld an die Bauern aus, obwohl die Landwirtschaft natürlich nicht die einzige Branche ist, die auf Benzin oder Diesel als Betriebsmittel angewiesen ist. Auch hier handelt es sich wieder um ein Beispiel dafür, dass die ÖVP immer nur an kleinen Schrauben dreht – ein paar Millionen hier, ein paar Millionen da –, aber nie wirksame und treffsichere Maßnahmen umsetzt. Insgesamt führt das daher dazu, dass wir diesen Gesetzesvorschlag ableh­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.45


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrat Andrea Michaela Schartel. – Bitte schön.


12.45.54

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Werte Kollegen! Ich möchte mich ein bisschen intensiver mit der von der ÖVP


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 65

bekannt gegebenen Erhöhung der Pendlerpauschale und des Pendlereuros auseinan­dersetzen. Das ist wieder so ein Beispiel, bei dem man hergegangen ist und den Men­schen natürlich sehr marketingwirksam mehr oder minder gesagt hat: Wir schenken euch jetzt Millionen, wir schenken euch jetzt so viele Milliarden. Wir merken, wie schlecht es euch geht, und wir helfen euch sofort.

Wenn man sich aber mit der Materie ein bisschen genauer auseinandersetzt, dann ist es schon so, wie Kollege Reisinger es gesagt hat: Es betrifft halt wirklich wieder nur einen sehr kleinen Teil der Arbeitnehmer. Jene, die nicht Arbeitnehmer sind, aber das Auto trotzdem dringend brauchen, weil sie zum Beispiel eine Mobilitätseinschränkung haben und zum Arzt oder in die Apotheke müssen, Familien, die draußen am Land woh­nen, wo der öffentliche Verkehr nicht so zur Verfügung steht, die aber den Kindern wei­terhin ermöglichen wollen, dass sie in die Musikschule gehen können, dass sie zum Turnunterricht oder zum Sportverein fahren können – alle diese Menschen haben nichts von der Erhöhung dieser speziellen Pendlerpauschale und des Pendlereuros.

Zum Beispiel kann es bei jemandem, der wenig verdient, durchaus sein, dass die neue Pendlerpauschale die Bemessung so drückt, dass er gar keine Lohnsteuer mehr zahlt. Dann hat er vom vierfachen Pendlereuro aber auch nichts, denn es ist keine Negativ­steuer, sondern es ist nur ein Wert, der mit der Lohnsteuer, die jemand zahlen muss, gegengerechnet wird.

Noch schlimmer finde ich es dann für jene, bei denen gesagt wird: Ja, aber es gibt diesen erhöhten Bonus. Wenn man zum Beispiel keine Lohnsteuer zahlt, bekommt man die SV-Beiträge zurück – im Jahr 2022 und im Jahr 2023. Die Menschen brauchen jetzt die Hilfe und nicht in zwei, drei Jahren! Jetzt brauchen sie diese Hilfe! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben in Ihrer Rede im Nationalrat erwähnt, dass sich Ihr Ministerium sehr wohl rechnerisch überlegt hätte, die Mineralölsteuer zu senken. Dann haben Sie gesagt, es würde je nach Treibstoff pro Liter zwischen 16 und 18 Cent billiger werden. (Bundes­minister Brunner: Das habe ich nie gesagt!) Das haben Sie im Nationalrat gesagt. (Bundesminister Brunner: Zwischen 15 und 18! Da müssen Sie zuhören oder lesen!) – Ja, 15 Cent, gut, aber Sie haben sich ausgerechnet, es würde pro Liter etwas günstiger werden.

Das wäre wirklich eine sinnvolle Maßnahme, denn das trifft jeden Menschen, der darauf angewiesen ist, dass er von A nach B kommt, dass er zu einem Arzt kommen kann, dass er ins Krankenhaus kommt. Dass diese Menschen wirklich etwas davon gehabt hätten, das wäre richtig gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben es sich ja ausrechnen lassen. Es ist schon klar, dass man sagt, man versucht, in schwierigen Situationen natürlich etwas zu machen, aber das, was bei Ihnen immer so falsch ist, ist: Sie sagen immer, es geht rasch, es ist für alle Menschen, es hat jeder etwas davon. – In Wirklichkeit, wenn man es sich genauer anschaut, ist das immer nur ein bestimmter Teil der Menschen, und von rasch kann man bei diesen Dingen über­haupt nicht reden.

Wie gesagt wäre das meiner Meinung nach der richtige Ansatz gewesen: herzugehen und die Mineralölsteuer zu senken. Das kann man ja auch befristet machen.

Dann hätte ich noch einen Wunsch an Sie. Die EU hat zum Beispiel – das kann man heute bereits in vielen Medien lesen – empfohlen, dass man die CO2-Steuer aussetzt. Wir wissen: Österreich ist gerade, wenn es um EU-Richtlinien oder die Ratifizierung von Gesetzen geht, ein Musterschüler. Teilweise sind wir sogar Übermusterschüler. Jetzt würde ich mir echt wünschen – das wäre meiner Meinung nach wirklich einmal eine Möglichkeit –, dass Österreich da auch ein Musterschüler ist und die CO2-Bepreisung unbedingt aussetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

12.50



BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 66

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Nächster Redner: Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


12.50.28

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Minister, gratuliere übrigens zum Gouverneurspräsident­schaftsvorsitz, du hast sicher genug zu tun! – Zur Umsetzung des ja schon vor ein paar Wochen vorgestellten zweiten Maßnahmenpakets zum Teuerungsausgleich liegen jetzt drei weitere gesetzliche Implementierungen vor. Wir debattieren sie deswegen ja auch nicht zum ersten Mal. Ich verstehe übrigens nicht, Herr Kollege Reisinger: Die 150 Euro sind ja längst beschlossen. Das ist übrigens auch gar nicht Gegenstand der heutigen Debatte. (Bundesrat Reisinger: Aber sagen darf ich es trotzdem, oder? – Bundesrätin Grimling: Aber nicht beim Herrn Gross! Oder müssen wir Zensur einführen? – Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach. – Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) – Ja, ich erwähne es nur, vielleicht ist ihm nicht bewusst, dass das gar nicht zur Beschlussfassung ansteht. (Bundesrätin Schumann: Mein Gott! Das ist schon ganz tief!)

In den letzten Monaten sind vor allem die Energiepreise stark gestiegen, was vor allem für einkommensschwache Haushalte zum Problem geworden ist. Ebenso sind einige Wirtschafts- und Industriebranchen davon sehr stark betroffen. Was wird nun gemacht? Konkret wird die Energieabgabe auf Strom und Gas halbiert. Das sind um die 160 Euro für einen typischen Haushalt in Österreich. Der Budgetdienst des Parlaments analysiert dazu, dass dies in Relation zum Einkommen eine überdurchschnittliche Entlastung für geringe Einkommen mit sich bringt. Das ist selbstverständlich gut so und richtig und auch nachvollziehbar, da die Energiekosten in diesem Segment einen höheren Anteil einneh­men als bei höheren Einkommen. In Summe sind das immerhin 900 Millionen Euro. Es ist nicht so, dass das nichts wäre. Es ist wirklich eine sehr spürbare, breite Entlastung.

Der zweite Themenbereich, um den es geht, ist die Erhöhung des Pendlerpauschales und des Kilometergeldes – das jetzt ja besonders intensiv und emotional diskutiert wird ‑, um Leute zu entlasten, die wirklich aufs Auto angewiesen sind und nur so zur Arbeit kommen. Durch diese massiven Erhöhungen der Unterstützung wird ihnen jetzt doch wesentlich geholfen. Das Pendlerpauschale wird wirklich kräftig angehoben, der Pend­lereuro vervierfacht. Jetzt gebe ich schon zu, auch als Grüner, man kann darüber disku­tieren, wie sinnvoll das ist. Es ist aber auf jeden Fall sinnvoller, als die MÖSt zu senken oder gar die Mehrwertsteuer. Das sind einfach keine gescheiten Maßnahmen.

Was ich ja überhaupt nicht verstehe, ist die Forderung, die jetzt schon zweimal gekom­men ist, die CO2-Abgabe auszusetzen. Das verstehe ich überhaupt nicht. Ich verstehe es vor allem sozialpolitisch nicht, das ist blanker Populismus, weil genau das Umvertei­lung ist: Die Leute mit geringem Einkommen kriegen mehr raus, als sie da einzahlen. Also das kapiere ich wirklich gar nicht, aber gut. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es wird auch kommen, also insofern kann man es auch gelassen sehen.

Ja, natürlich, und das sagen wir auch dazu: Das Pendlerpauschale gehört überarbeitet, sozial treffsicherer gemacht. (Bundesrätin Schumann: Ah geh! Bravo!) Die Kritik ist berechtigt und das ist ja nach wie vor auf der Agenda. Es handelt sich – auch nicht zu vergessen – um eine zeitlich befristete quasi Notfallmaßnahme; befristet mit nächstem Sommer.

Wie Sie eh wissen, reduziert das Pendlerpauschale die Steuerbemessung, also hängt die Wirkung – no na – von der Steuerstufe ab, das stimmt natürlich. Anders ist es aller­dings beim Pendlereuro. Das ist ein echter Absetzbetrag, und da geht es schon um be­trächtliche Summen. Ich habe jetzt einmal den Pendlerrechner des BMF hergenommen,


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von dem ich doch annehme, dass er richtig rechnet, und eine fiktive Situation – oder de facto eine reale Situation – aus meinem Bundesland eingegeben: Jemand aus dem Bre­genzerwald fährt nach Feldkirch zur Arbeit, 60 Kilometer pro Strecke. Da spuckt der Pendlerrechner Folgendes aus: Das Pauschale erhöht sich auf 5 000 Euro, und der Pendlereuro steigt von 120 auf 480 Euro.

Also das verstehe ich einfach nicht, Kollege Kovacs, was Sie da vorhin gesagt haben. (Bun­desrätin Schumann: Das hängt halt leider am Einkommen!) Das sind wirklich massive Beträge, tut mir leid, also da ist definitiv sehr, sehr viel an Kostensteigerung abgedeckt!

Diese Debatte, die da (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling) – ja, da können Sie lachen, aber Sie können auch rechnen, das wäre eine andere Variante – jetzt geführt wird, zeigt ja vor allem auch, dass schnelle und relevante Preisänderungen – die sind ja auch der Fall, das bestreitet auch gar niemand – sehr intensiv wahrgenommen werden. Aber hö­ren Sie zu! Es sieht ein bissl anders aus, wenn man es in Ruhe angeht, denn gemessen am Einkommen waren die Spritpreise 2012 zum Beispiel höher als heute. (Bundesrat Kovacs: ... ! Das ist so letztklassig! So letztklassig!) 2008 waren sie ungefähr gleich hoch. Wirtschaftsforscher rechnen vor, mit Stand 7. März, da war ja die Hochpreisphase: 2 Euro pro Liter. Da gaben die Menschen 5 Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens für 1 000 Kilometer Autofahren aus. (Bundesrätin Schumann: Das ist wirklich zynisch, ehrlich! – Bundesrätin Grimling: Zynismus pur!) 2012 waren es 6 Prozent. 2005 waren es auch schon 5,5 Prozent. Das Wifo rechnet vor, dass ein Industriearbeiter 1980 für 1 Liter Benzin - - (Unruhe bei der FPÖ.) – Ich weiß schon, dass Sie da schwätzen, Kol­legen von der FPÖ, weil Sie das nicht hören wollen! – Ein Industriearbeiter musste 1980 für 1 Liter Benzin im Schnitt 7,6 Minuten arbeiten, jetzt sind wir bei 3,4 Minuten. (Bundes­rat Hübner: Was ist das für ein Argument?) Dazu kommt noch, dass die Spritverbräuche gesunken sind, weil die Autos effizienter geworden sind, jedenfalls wenn man sich nicht gerade einen großen SUV kauft.

Ich sage das nicht zur Bagatellisierung, aber man darf beim Thema Spritpreise durchaus am Boden der Realität bleiben. Die realen Preisanstiege sind nicht dort, die realen Preis­anstiege sind woanders. Die sind im Energiebereich, keine Frage, vor allem beim Gas, das werden wir im nächsten Winter noch spüren, und beim Strom. Die großen Kosten­treiber – auch das wissen Sie – sind zum Beispiel beim Thema Wohnen und so weiter, wo wirklich dringend Handlungsbedarf besteht. (Bundesrätin Schumann: Ja, ihr habt die Richtwertmieten angepasst!)

Die Dinge, die jetzt hier beschlossen werden – das ist ja nur ein kleiner Teil –, sind mehr­fach ausgeführt worden. Ich wiederhole es auch nicht. Ich habe es in meiner letzten Rede im April hier sehr ausführlich getan. Kollegin Wolff hat auch einiges skizziert. Das hier sind ja zwei Maßnahmen aus einem ganz großen Paket, im Energiebereich nämlich. Die Österreichische Energieagentur hat vorgerechnet, dass die Kompensationsmaßnah­men im Strombereich im Schnitt höher sind als die Kostensteigerungen. Das gilt noch für jetzt und heuer, und da ist vieles noch gar nicht dabei, etwa die Heizkostenzuschüsse der Länder, 270 Euro zum Beispiel in Vorarlberg, und meine Kollegen dort denken übri­gens auch über eine Erhöhung nach, so wie auch einige andere Bundesländer.

Ich denke, es wäre ein Gebot der Fairness, anzuerkennen, dass im Energiebereich wirk­lich viel zur Kostenabfederung passiert. (Bundesrätin Schartel: Ja, viel Negatives!) Trotzdem gehe ich davon aus, dass es spätestens im nächsten Winter noch mehr brau­chen wird. Das sehe ich schon auch. Man muss ja nur die Preisentwicklungen beob­achten und auf Homepages von Börsen gehen und sich anschauen, wie sich die Futures für die nächsten Jahre entwickeln, wiewohl wir natürlich alle nicht wissen, was wirklich kommen wird. Kommt es zu einem Embargo oder auch zu einem einseitigen seitens Russlands oder nicht? Das wissen wir heute alle nicht. Da wird man auch darauf reagie­ren müssen, keine Frage.


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Was auch gesagt werden muss – das ist schon erwähnt worden –, weil ich es wirklich wichtig finde: Es ist nicht möglich, jede Teuerung für alle abzufangen, ich betone: alle. Das ist auch nicht sinnvoll. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht natürlich schon darum, die Preise - - (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Nein, es ist nicht sinnvoll; „für alle“ habe ich gesagt! Es geht darum, die Preise als Signal zu verstehen, umzubau­en. (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) – Ja, ich weiß schon, dass die SPÖ da einen anderen Zugang hat. Das ist auch Ihr Zugang zum Klimaschutz (Die Bundes­rätinnen Schumann und Grimling: Wir reden jetzt von der Teuerung!): Lieber für alle möglichst viel Geld ausschütten, um alles abzufangen und keinen Klimaschutz zu ma­chen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, Sie hören ja auch nicht zu.

Abgefangen werden müssen die Kosten bei einkommensschwachen Haushalten (Bun­desrätin Schumann: Ja, genau! Wie mit der Pendlerpauschale!), das ist natürlich es­senziell. – Jaja! Es gibt ja ganz viele, es gibt eine ganze Liste von Maßnahmen, aber es ist nicht sinnvoll, das immer über diesen Eingriff bei den Energiepreisen zu machen, sondern entscheidend ist, die Spielräume für einkommensschwache Haushalte zu erhal­ten, es ist ganz wichtig, dass sich die gerade dort nicht reduzieren.

Selbstverständlich – ich habe das das letzte Mal schon gesagt – ist es auch wichtig, Kollege Novak hat das heute schon pointiert eingebracht: Natürlich muss man jetzt auch darüber reden, wer zu den Maßnahmen für die Energiewende und für die soziale Abfe­derung noch etwas beizutragen hat. Das sind natürlich auch die Energieversorger, dem stimme ich völlig zu. Krisengewinne sind nicht destruktiv, das sage ich auch überhaupt nicht, aber sie sind da. Gesellschaften, die mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand sind, haben natürlich ihren Beitrag zu leisten, das ist für mich gar keine Frage. Dafür ist zu sorgen. Ich finde es auch wirklich gut, dass der Kanzler und auch der Finanz­minister sich dazu geäußert und gesagt haben: Ja, das ist eine vorstellbare Maßnahme.

Gefordert ist aber nicht nur der Bund, sage ich hier herinnen schon auch, sondern auch die Länder und die Energiegesellschaften sind gefordert. Wir wissen ja, wem die gehö­ren, jedenfalls in wessen Mehrheitseigentum sie stehen, und es ist dann schon der Job von uns allen, sich zu Hause sozusagen dafür einzusetzen.

Was ich einfach nicht verstehe, das möchte ich den Kollegen von der SPÖ wirklich sa­gen: Diesem Paket nicht zuzustimmen, das kapiere ich einfach nicht. Jetzt kann man die Pendlerpauschale kritisieren, das tun wir zu einem gewissen Grad eh auch, aber es ist trotzdem einmal dort eingesetzt, wo man auf das Auto angewiesen ist. (Bundesrätin Schumann: Dann hättet ihr nicht zugestimmt, dass ihr es so macht!) Und die Halbierung der Energieabgabe jetzt abzulehnen – na gut, das müssen ja Sie dann Ihren Leuten gegenüber argumentieren.

Was wir heute schon diskutiert haben: Das Wichtigste ist der konsequente Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Raus aus Gas und Öl! Nur das sichert uns langfristig stabile und leistbare Preise und Versorgungssicherheit. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.01


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Mag­nus Brunner. – Bitte, Herr Minister.


13.01.35

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Damen und Herren Bundesräte! Ja, wir diskutieren heute zentrale Maßnah­men der Bundesregierung gegen die Teuerung. Es ist aber, das muss man klar feststel­len – und das wurde vorhin auch schon angesprochen –, nur ein Teil des Gesamtpake­tes, eines ganzen Maßnahmenbündels, maßgeschneidert für die Gruppen in der Bevöl­kerung, die von der Teuerung am meisten betroffen sind.


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Vieles ist auch bereits wirksam. Das muss, wie ich meine, auch immer wieder klargestellt werden, weil da anscheinend Missverständnisse bestehen. Zum Teil sind diese Maßnah­men schon wirksam, zum Beispiel der 300-Euro-Teuerungsausgleich und andere Dinge, die bereits geflossen sind. Einige Dinge sind auch bereits in Umsetzung, sind vom Natio­nalrat – und hoffentlich heute auch vom Bundesrat – beschlossen.

Es handelt sich eben um besondere Maßnahmen, die für viele Menschen, Pendlerinnen und Pendler zum Beispiel, einfach notwendig sind und eine echte Entlastung für diese Gruppen mit sich bringen.

Ich habe vorhin gesagt, viele Maßnahmen gegen die Teuerung sind schon wirksam, also schon spürbar, beispielsweise der 300-Euro-Teuerungsausgleich, aber auch die ökoso­ziale Steuerreform. Jetzt kann man sagen: Ja, das war natürlich nicht wegen der Teue­rung geplant!, das stimmt schon, aber die Entlastung wirkt jetzt. Viele andere Staaten in der Europäischen Union haben geplante Steuerreformen abgesagt. Wir nicht, wir ziehen sie durch, damit eben die Menschen durch Lohn- und Einkommensteuersenkungen ent­lastet werden und durch andere Maßnahmen, insbesondere Familien. Das ist keine un­mittelbare Reaktion auf die steigende Inflation, aber sehr wohl eine Entlastung, und das ziehen wir durch, obwohl eben viele andere Staaten die Steuerreformen aussetzen.

Mit dieser Steuerreform hatten wir ein Ziel: die Menschen steuerlich zu entlasten, aber auch den ökologischen Anteil in die Steuerreform entsprechend hineinzubringen. Damit bin ich bei der CO2-Diskussion. Das ist wirklich interessant, was Sie (in Richtung FPÖ) gesagt haben. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, die Belastung ist da, aber die CO2-Bepreisung und die Entlastung über den regionalen Klimabonus sind ein Paket. Das heißt, wenn wir die CO2-Bepreisung verschieben würden, würden wir auch die Ent­lastung über den regionalen Klimabonus verschieben, also eine größere Entlastung für die Bevölkerung, die Sie jetzt eigentlich ablehnen, und das verstehe ich eigentlich nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Also Sie wollen nicht, dass die Bevölkerung entlastet wird. Das verstehe ich wirklich nicht. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Hüb­ner und Schartel.) – Na weil es ein Paket ist. Also CO2-Bepreisung verschieben heißt auch regionalen Klimabonus verschieben. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Ja, um Gottes willen! Die Entlastung über den regionalen Klimabonus ist wesentlich größer als die CO2-Bepreisung. (Bundesrat Reisinger: Das ist der Vorschlag von Landeshauptmann Stelzer!) Also das verstehe ich wirklich nicht, aber okay. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Nein, es ist einfach so. Sie müssen nur rechnen. Das scheint nicht überall vorhanden zu sein – aber okay.

4 Milliarden Euro, sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte, 4 Milliarden Euro: Wenn dann jemand sagt, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein oder klein-klein – boah, das ist natürlich gewagt. 4 Milliarden Euro sind 1 Prozent unseres BIPs. Das ist das Jahres­budget des Landes Tirol, das doppelte Jahresbudget des Landes Vorarlberg. Also wer da von klein-klein redet, boah, das ist natürlich echt eine gewaltige Aussage (Bundes­rätin Steiner-Wieser: ... Corona-Maßnahmen ...!), und da scheinen die Dimensionen und die Realitäten in den letzten Monaten doch etwas verschoben worden zu sein. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Ich muss jetzt nicht mehr auf die einzelnen Maßnahmen eingehen, aber was die Ge­schwindigkeit betrifft, ist es mir schon wichtig, einmal klarzustellen: Andere Staaten, Deutschland beispielsweise, aber fast alle europäischen Staaten, diskutieren jetzt darüber, wann man im Parlament beginnt, darüber zu diskutieren. Wir diskutieren diese Maßnahmen jetzt schon im Parlament, zum Teil sind sie beschlossen! Wir sind viel, viel schneller als alle anderen europäischen Staaten. Dann von zögerlich zu sprechen, lieber Herr Kollege Reisinger, das ist natürlich auch sehr gewagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind hier im Parlament in der zweiten Kammer. Also hoffentlich werden diese Maß­nahmen im Parlament diskutiert! Ja gehen Sie davon aus, dass der Finanzminister einfach


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so 4 Milliarden Euro morgen verteilen kann? – Na hoffentlich nicht! Wir leben in einer Demokratie, wo es Mehrheiten braucht, im Parlament, in beiden Kammern. (Zwischenru­fe der BundesrätInnen Grimling und Steiner.) Na hoffentlich besprechen wir das hier in diesem Setting, bevor wir einfach irgendwelche Maßnahmen morgen schnell über die Bühne bringen! (Bundesrat Steiner: So wie bei der Cofag, oder?!) Das geht in einer Demokratie Gott sei Dank nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt nehmen wir immer den Vergleich mit Deutschland; das machen wir natürlich immer gerne. Die Deutschen sind, wie gesagt, Monate später dran. Beispielsweise Ökostrom­förderbeitrag und Ökostrompauschale, die haben wir schon auf null gesetzt. In Deutsch­land wird diskutiert, dass man im Sommer den parlamentarischen Prozess beginnt, Wirksamkeit Ende des Jahres 2022. Bei uns ist es schon erledigt worden. Also hier von zögerlich zu sprechen, das verstehe ich nicht.

Ein weiteres Beispiel, weil die nordischen Staaten immer so im Fokus stehen: Finnland hat gerade ein Unterstützungspaket auf den Tisch gelegt: 250 Millionen Euro. Jetzt ist Finnland halb so groß wie Österreich, aber der Faktor zwei ist das natürlich zu den 4 Mil­liarden auch nicht wirklich. Also bitte da ein bissl ehrlicher sein, ein bissl seriöser sein! Das war nicht seriös, was hier von sich gegeben worden ist. (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling.) Das muss man auch einmal sagen.

Zum Pendlerpauschale und zu dem Vergleich mit der MÖSt: Man kann über alles disku­tieren, über jede Maßnahme, aber – weil Sie, Herr Kollege Reisinger, die Gießkanne strapaziert haben –: Was ist mehr Gießkanne als eine Mehrwertsteuersenkung auf alles? Was ist mehr Gießkanne? Und wen entlastet es? Man muss ja bei jeder Entlas­tungsmaßnahme auch schauen: Wen entlastet sie, was sind die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, auf die Beschäftigung? (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schumann.)

Zur Mehrwertsteuersenkung: Wenn Sie die Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln senken, dann senken Sie beim Prosciutto genau gleich wie bei der Wiener Wurst. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) Das ist so. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ist auch überraschend für mich, dass Sie eigentlich die Bes­serverdienenden mehr entlasten wollen als die Schlechterverdienenden. Das kann ja wirklich nicht im Sinne der Sozialdemokratie sein! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Köck – in Richtung SPÖ –: Ihr seid so unsozial!)

Und dann noch zur Klarstellung: Also bitte, da schon auch genau sein! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe immer gesagt, und das können Sie nachlesen: 15 Cent möglich beim Benzin, 8 Cent beim Diesel. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Bitte genau bleiben! Sie haben jetzt von 15 bis 18 gesprochen, habe ich nie gesagt. So, das ja, das wäre europarechtlich möglich gewesen. Übrigens: Eine Mehrwertsteuersenkung auf Benzin und Diesel ist europarechtlich nicht möglich. Bei der MÖSt wäre - - (Die Trenn­wand neben dem Redner löst sich aus der Verankerung.) – Entschuldigung, ich mache noch alles kaputt, aber es ärgert mich so, diese - - (Bundesrat Leinfellner: Tun wir sie gleich weg! – Ruf bei der FPÖ: Bitte weitermachen! – Heiterkeit.) Also bitte auch hier korrekt bleiben.

Pendlerpauschale im Vergleich zur MÖSt-Senkung – es sind 15 Cent beim Benzin, 8 Cent beim Diesel, noch einmal zur Klarstellung –: Beim Pendlerpauschale und beim Pendlereuro geht es um eine Entlastung von 30 Cent pro Liter. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schartel.) – Ja, für eine bestimmte Gruppe, nämlich für die, die besonders da­rauf angewiesen sind. Das ist es ja genau. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wie­ser.) Bitte keine Gießkanne, Herr Kollege Reisinger, sondern das ist eben konkret für die, die es brauchen. 30 Cent statt 15 Cent, das ist das Doppelte an Entlastung für die, die es wirklich brauchen. (Bundesrätin Schartel: Das heißt, für uns gilt es nicht!)


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Zur Energieabgabensenkung: Auch das ist ein riesiges Paket, das sind 900 Millionen Euro Energieabgabensenkung. Da hatten wir Spielraum im Europarecht, und den haben wir zu 100 Prozent ausgenützt, nämlich eine Senkung um 90 Prozent.

Also insgesamt 1,3 Milliarden Euro allein mit dem, was Sie heute hier diskutieren, von insgesamt 4 Milliarden Euro, 1 Prozent unseres BIPs an Antiteuerungspaketen. Das sind keine Almosen, das ist kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern das ist sehr viel Geld, sehr viel Steuergeld, meine Damen und Herren, und es entlastet jene Österreicherinnen und Österreicher, die es besonders brauchen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.10


13.10.16

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist die Debatte damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich bitte euch alle, eure Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Steuergerechtigkeit für arbeitende Österrei­cher*innen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Unsere Tagesordnung ist erschöpft.

Wir gelangen dann zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen. Ich habe gehört, dass der Herr Bundes­minister bald hier sein wird, und für diese Zeit unterbreche ich die Sitzung.

13.11.41*****

(Die Sitzung wird um 13.11 Uhr unterbrochen und um 13.18 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

13.18.12Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Versorgungskrise im Gesundheits- und Langzeitpflegebereich“ (4010/J-BR/2022)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich darf die Sitzung wieder aufnehmen, und wir gelan­gen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz.

Ich begrüße dazu Herrn Bundesminister Rauch recht herzlich.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Frau Bundesrätin Korinna Schumann als erster Anfragestellerin zur Be­gründung der Anfrage das Wort. – Bitte.



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13.18.48

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Heute ist der Tag der Pflege, und an diesem Tag überschlagen sich ja die Ereignisse. Nachdem wir jetzt über diese Dringliche Anfrage diskutieren wer­den, findet in wenigen Stunden in Wien eine große Demo der Beschäftigten der Gesund­heits- und Pflegeberufe statt. Auch in den anderen Bundesländern gehen die Beschäf­tigten der Gesundheits- und Pflegeberufe auf die Straße, und das hat einen Grund. Das hat den Grund, dass sie nicht mehr können. Ihre Belastungsgrenze ist erreicht. Sie sa­gen: Wir haben schon vor der Pandemie – und jetzt durch die Pandemie noch einmal verstärkt – Unglaubliches geleistet!

Die Belastungen waren extrem hoch: die psychischen Belastungen, die körperlichen Be­lastungen, auch die Belastungen durch Dienste, die nicht mehr planbar waren. Es sind Kolleginnen und Kollegen ausgefallen, es gibt Personalknappheit. Es war also ein un­glaubliches Belastungspaket, das auf die Beschäftigten in diesem Bereich zukam.

Dazu kam noch die Pandemie mit all ihren Auswirkungen auf den Gesundheits- und Pflegebereich: noch einmal mehr Schutzanzug tragen, permanent Masken tragen, Ver­unsicherung, ältere Menschen, die nicht haben besucht werden können, Menschen mit Behinderung, bei denen es auch sehr schwierig war, sie zu betreuen, weil man da Masken nicht verwenden konnte. – Also alles das war ganz, ganz stark belastend, und es gibt einen Aufschrei der Beschäftigten in diesem Bereich, die sagen: Wir können nicht mehr! Wir gehen auf die Straße! Jetzt ist es Zeit, es muss etwas passieren!

Es ist nichts für sie passiert. Drei Jahre lang war Stillstand. Wir haben gewusst, wie stark diese Beschäftigten belastet sind, die Regierung hat es gewusst, und passiert ist nicht wirklich etwas, sondern nur sehr wenig. Es gab eine angekündigte Pflegereform, und nichts ist passiert. Dann gab es einen neuen Minister und eine neu angekündigte Pflegereform, und wieder ist nichts passiert. Das macht Sorge: immer nur Ankündi­gungen, immer nur hohle, schale Worte und nichts, was den Menschen in diesen Be­schäftigungsgruppen wirklich hilft.

Die Frage der Gesundheitsversorgung und der Pflege betrifft ja viele Ebenen. Sie betrifft auf der einen Ebene – aus der Sicht von heute, am Tag der Pflege – die Situation der Beschäftigten, sie betrifft aber auf der anderen Seite natürlich vor allen Dingen die Situa­tion von Menschen, die Pflege und Betreuung brauchen, von älteren Angehörigen, von Menschen mit Behinderung, von kranken Menschen – die haben es verdient, dass sie die bestmögliche Versorgung bekommen die bestmögliche Betreuung; das ist es, was sie brauchen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie betrifft auch die Situation der pflegenden Ange­hörigen, eine sehr schwierige Situation. Pflege ist keine leichte Sache.

Ich darf noch einmal betonen – und ich glaube, es wird zu selten betont –: Pflege ist weiblich. Ich darf Ihnen die Zahlen der Beschäftigten, wie hoch der Frauenanteil ist, in diesem Bereich nennen: 82 Prozent des nicht ärztlichen Personals in Krankenanstalten sind Frauen, 84 Prozent der Beschäftigten in stationären Einrichtungen für Betreuung und Pflege sind Frauen, und bei den mobilen Diensten sind es 90 Prozent.

Es sind die Frauen, die diese Arbeit machen, oft schlecht bezahlt, mit schwierigen Ar­beitsbedingungen, in höchsten Belastungsstufen, und es sind die Angehörigen, die pfle­gen, und da sind es zu 70 Prozent die Frauen. Also das heißt, Pflege, Betreuung ist ein Frauenthema.

Ich kann gar nicht sagen, wie sehr gerade die Frauen, die in den stationären Bereichen arbeiten, in den mobilen Diensten arbeiten, in den letzten Jahren belastet waren, auch in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wie kriegen sie das alles unter einen Hut: keine Planbarkeit, wieder ein Dienst eingeschoben? Es gibt Teilzeit arbeiten­de Beschäftigte, die gesagt haben: Ich arbeite ja gar nicht mehr die Anzahl der Stunden


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in Teilzeit, die angesagt war, sondern ich arbeite in Wahrheit jetzt schon Vollzeit, weil es gar nicht anders geht!

Was all die Beschäftigten in diesem Bereich ausmacht, ist ganz viel Empathie und ganz große Liebe zu ihrem Beruf. Das gesamte Pflege- und Gesundheitssystem wäre bereits zusammengebrochen, würden die Menschen da nicht mit so viel Einsatz arbeiten. Das braucht Anerkennung und muss Anerkennung finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir gehen auf eine Situation zu, in der sich die Anzahl der Menschen, die Pflege und Unterstützung brauchen, sehr erhöhen wird. Bis 2050 wird die Zahl der Menschen, die Betreuung brauchen, aufgrund der demografischen Entwicklung von 450 000 auf 750 000 anwachsen. Es ist wichtig, dass jetzt etwas passiert.

Wir haben heute gehört, es gibt eine Pflegereform. – Gut, es gibt eine Pflegereform, aber diese Pflegereform, wie sie jetzt vorliegt, kann nur ein erster Schritt sein. Das ist nur ein kleiner Teil einer notwendigen Pflegereform. Es sind so viele weitere Schritte, die folgen müssen.

Lassen Sie mich ein bisschen auf das Papier eingehen – ich kann der Regierung die Kritik wirklich nicht ersparen; ich weiß nicht, welchen Hang sie zur Gigantomanie hat –: „Regierung bringt größtes Pflege-Reformpaket der vergangenen Jahrzehnte auf den Weg“. – Ja, bitte! Das ist alles ein bisschen zu viel (Zwischenruf des Bundesrates Korn­häusl), ganz ehrlich: „der vergangenen Jahrzehnte“. – Hm! (Beifall bei der SPÖ.)

Also die Einführung des Pflegegelds war schon einer der größten Schritte und einer der großen, grundsätzlichen und strukturellen Schritte. Dass man den Pflegeregress abge­schafft hat, das hat nicht diese Regierung gemacht. Dass man die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit eingeführt hat, das hat nicht diese Regierung gemacht. (Bundesrat Korn­häusl: Sie hat es erhöht!) Dass man den Pflegefonds gegründet hat, das hat nicht diese Regierung gemacht, sondern das ist schon längst vorher passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen Sie Ihren Mund nicht so voll! Das ist zu groß gespielt. Das Thema Pflege und Betreuung ist ein komplexes, ein schwieriges, und da darf man nicht mit Superlativen arbeiten, die man dann nicht einhalten kann, wie es auch bei diesem Papier, das jetzt vorliegt, ganz leicht zu sehen ist.

Man muss das Gute auch sagen, das ist ganz klar: Wir freuen uns natürlich über die Errungenschaft der Gewerkschaften, die Errungenschaft der Sozialdemokratie, denn ohne uns, ohne unseren Druck würde dieses Paket, das gute Teile beinhaltet, nämlich jene Teile, die auch die Beschäftigten besserstellen, nicht vorliegen. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Das stimmt ja gar nicht!) Das ist ganz klar der Erfolg der Gewerkschaften, der Erfolg der Sozialdemokratie, ohne Zweifel, ganz, ganz klar. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Freiheitlichen waren da enorm dahinter!) Es ist gut, dass es umgesetzt wird. Wir freuen uns über jeden Cent mehr, den die Beschäftigten in diesem Bereich erhalten. Sie haben es verdient.

Man muss aber halt immer genauer lesen. Dieser Entwurf hält halt nur zwei Jahre. Was machen wir denn danach? Das ist keine strukturelle Änderung. Es ist schön, dass sie mehr Geld bekommen – keine Frage –, aber es ist nicht strukturell, sondern hält nur zwei Jahre lang. (Bundesrätin Grimling: Zwei Jahre!)

Wir freuen uns natürlich darüber, dass die Beschäftigten ab dem 43. Lebensjahr jetzt die sechste Urlaubswoche bekommen; das ist analog zu den Regelungen, die der Bund hat. Super! Wenn es funktioniert, dass die Kräfte in der mobilen Pflege, die extrem hoch belastet sind, demnächst – im nächsten Monat, im übernächsten Monat – sagen können: Wir haben jetzt sechs Urlaubswochen und können endlich mehr Urlaub genießen!, dann ist es gut. Wenn es nicht funktioniert, dann war es nur Ankündigung. Ich hoffe, dass es nicht nur Ankündigung ist.


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Es sind viele Punkte drinnen, bei denen man nachfragen muss: Was wird es denn kon­kret werden?

Wir hoffen, dass es bei den Kompetenzerweiterungen für PflegeassistentInnen und Pfle­gefachassistentInnen nicht zu einem billigeren Einkauf der Leistung kommen wird.

Wir freuen uns natürlich, dass die Pflegeausbildung, das Konzept der Pflegeausbildung jetzt endlich finanziell ordentlich dotiert ist. Das haben wir schon ganz, ganz lange ge­fordert. Wenn sich Menschen in diesen Bereich bewegen wollen oder sollen, was so dringend notwendig ist, weil es in Zukunft 100 000 Pflegekräfte zu wenig geben wird, dann muss man sie motivieren und sagen: Mach diese Ausbildung! Du kannst dir diese Ausbildung auch leisten!

Es ist gut, dass jetzt Geld in die Hand genommen wird, keine Frage. Wien ist schon vorangegangen, Kärnten ist vorangegangen, auch im Burgenland ist schon vieles pas­siert. Die Länder haben schon vorgelegt, jetzt wird es vom Bund umgesetzt, und wir hoffen, dass auch dieses Modell lange hält.

Eines sei dazugesagt: Es geht um die Qualifikation und darum, dass wir Menschen motivieren, in diesen Beruf zu gehen, der ein schöner, aber kein leichter, sondern ein ganz, ganz schwerer ist.

Wichtig ist aber auch, dass die Arbeitsbedingungen stimmen, und an der Arbeitszeit oder an den Strukturen ändert sich durch diese Pflegereform derzeit noch nichts. Da hoffen wir auf weitere Schritte.

Und ganz ehrlich: Die Pflegelehre ist für uns als Sozialdemokratie und als Gewerkschaf­terinnen und Gewerkschafter keine Lösung. Sie ist nicht die Lösung, den Pflegenotstand zu beheben. Es ist eher gefährlich, junge Menschen zu früh in diese Pflegesituation zu bringen. Natürlich kann man argumentieren, man wird es anders aufziehen, sie werden erst mit 17 Jahren an das Bett des zu Pflegenden kommen, aber Pflege ist schwer be­lastend, und man hat nichts davon, wenn man wieder eine Ausbildungsschiene schafft, bei der die jungen Menschen dann sagen: Na gut, ich mache das jetzt fertig, damit ich etwas habe, aber so schnell ich kann verschwinde ich wieder, weil es zu belastend war! – Das ist nicht gut und ist auch nicht richtig. Noch einmal: Wir sagen, Pflegelehre ist nicht der richtige Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Aufstockung im Bereich von Menschen mit schweren psychischen Behinderungen und Demenz ist auch richtig. Dazu steht im Papier: „Damit stehen 20 Stunden zusätzlich pro Monat [...] zur Verfügung.“ Bedeutet das eine Aufwertung der Pflegestufe von Pflege­stufe 3 auf Pflegestufe 4? Der Herr Bundesminister wird das sicher in die Beantwortung unserer Fragen mitnehmen und beantworten.

Die Erhöhung der Dauer beim Rechtsanspruch auf Pflegekarenz ist wunderbar, keine Frage; auch das ist in Ordnung.

Zur Frage der Bezahlung von Angehörigen  es gibt ab dem Jahr 2023 einen Bonus von 1 500 Euro –: Natürlich ist es gut, auch den Menschen, die pflegen, als Anerkennung für ihre geleistete Tätigkeit Geld in die Hand zu geben. Ich hoffe nur, dass es möglichst viele dann auch wirklich bekommen. Sie können nicht mit Ihrer größten Pflegereform aller Zeiten Hoffnungen schüren, die Sie dann nicht einhalten. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Sie sprechen dabei von 30 000 Personen – das ist sehr wenig. Wir haben sehr viel mehr pflegende Angehörige, die hoffen, jetzt auch eine finanzielle Entlastung zu bekommen. Das wäre für sie wichtig, auch wenn sie nicht im gemeinsamen Haushalt leben, sondern in der Woche vier-, fünfmal zu ihren Angehörigen fahren, um sie zu betreuen, um die Pflege zu koordinieren.


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Sie kündigen an, dass auch in der 24-Stunden-Betreuung noch Verbesserungen kom­men, da warten wir drauf. – Wie gesagt, es ist ein Pflegepaket, wir warten auch auf das weitere.

Ich darf noch etwas auch aus Sicht der Frauen mitgeben: Eines der größten Probleme auch für die Beschäftigten im Bereich der Pflege- und Gesundheitsberufe – das ist ident mit anderen Bereichen – ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wenn man die Kinder­bildungseinrichtungen jetzt nicht umfassend und in einem großen Schwung mit 1 Milliar­de Euro ausbaut, dann wird das alles nicht mehr zusammenpassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss davon ausgegangen werden ich hoffe, es ist allen wirklich bewusst –, dass sich das Pensionsantrittsalter der Frauen ab 2024 bis 2032 ganz rasch anheben wird, das heißt, dieses Back-up, das Österreich sehr stark hat  Oma wird auf das Enkelkind schauen und Oma wird pflegen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) , das wird in dieser Form vorbei sein. Darauf muss man hinschauen und da muss man Angebote machen: einerseits Angebote der Kinderbildung und auf der anderen Seite Angebote für Angehörige von älteren Menschen, die Pflege, Betreuung brauchen, wie Tagesheimstät­ten, wie Ausbau der mobilen Dienste. Das ist die Zukunft. Man muss neue Formen fin­den, damit die Menschen  in der Situation, in der Kinderbetreuung und/oder Pflege not­wendig ist  Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, das ist ganz, ganz wich­tig. Es gibt also vieles zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir freuen uns über den Erfolg, der jetzt gelungen ist. Wir freuen uns darüber, dass der Druck, den wir gesetzt haben, gewirkt hat und dass jetzt etwas am Tisch liegt. Man kann auch dem Herrn Bundesminister gratulieren, dass es jetzt da ist, das ist gar keine Frage, so ehrlich muss man sein, aber es ist ein erster Schritt. Wir sehen, dass sich in der Struktur bei der Pflege nichts ändert. Es wird für zwei Jahre ein großes Feuer, ein posi­tives Feuer angezündet. Was kommt danach?

Die Struktur der Pflege ist eines der komplexesten und wichtigsten Dinge. In der Struktur müsste man im Interesse der Beschäftigten, der Angehörigen, aber auch jener, die ge­pflegt werden müssen, nachhaltig arbeiten, da müsste man etwas tun. Das sehen wir noch nicht, aber wir warten auf das nächste Pflegepaket, und vielleicht wird dieses dann jene Lücken, die wir jetzt noch erkennen, auffüllen.

In unserer Anfrage haben wir noch zusätzlich die Frage gestellt, wie es denn mit der kassenärztlichen Versorgung ausschaut. Auch das ist gerade für uns im Bundesrat in der Situation, dass wir wissen, dass sehr viele kassenärztliche Stellen nicht besetzt wer­den können, ganz wichtig. Es wird oft x-mal ausgeschrieben und der Platz kann nicht besetzt werden  also da wäre ganz, ganz dringender Handlungsbedarf. Wir sehen, dass Länder zur Selbsthilfe greifen und selbst unterstützende Modelle auf die Beine stellen. Das kann aber nicht der Weg sein, es braucht da eine bundeseinheitliche Lösung.

Wir freuen uns auf die Beantwortung dieser und aller anderen Fragen und freuen uns auf die Pflegereform Nummer zwei. Ich weiß nicht, wie Sie die dann betiteln werden: das allerallergrößte Reformpaket der vergangenen Jahrzehnte? – Schauen wir einmal, was Ihren Medientechnikerinnen und -technikern da noch einfällt. Spielen Sie es nicht zu groß! Das Thema Pflege ist zu berührend, zu wichtig, als dass man das in zu großen Superlativen abbildet. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


13.34.47

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es


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ist so, dass der Sozialausschuss, der jetzt zeitgleich tagt, auch über Pflege diskutiert. Die sind jetzt ein bisschen beleidigt, weil ich hier bin, aber diesmal sticht Bundesrat Na­tionalrat, das ist ja auch nicht schlecht. Ja, ich meine, das ist Wertschätzung für den Bundesrat, es ist ganz einfach. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Ich werde jetzt für die Beantwortung ein bisschen länger brauchen, weil es sich halt so darstellt, dass ich natürlich auf die Fragen eingehen möchte, aber auch die Gelegenheit nützen möchte, das Pflegepaket, das wir heute vorgestellt haben, etwas detaillierter zu präsentieren.

Vorweg Folgendes: Natürlich haben da ganz viele mitgewirkt, das ist nicht allein mein Verdienst. Ich habe es massiv beschleunigt, habe Druck gemacht und habe auch dafür gesorgt, dass die Dotierung entsprechend stattfindet. Das war mir wichtig, denn ich kann mich nach so vielen Jahren Versprechungen nicht hinstellen und die Pflegeberufe mit ein paar Euro abspeisen. Das war mir ganz enorm wichtig  erster Punkt.

Zweiter Punkt: rasch ins Tun kommen. Das heißt, das muss beginnend mit Herbst wirk­sam werden, das muss dort ankommen, wo es hingehört, nämlich bei den Pflegeberufen. Im Detail: Mir ist von namhaften Menschen in der österreichischen Politiklandschaft pro­gnostiziert worden: Du wirst der dritte grüne Minister sein, der in der Pflege keinen einzi­gen Zentimeter weiterkommt. Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, es gibt na­türlich neben der Bekämpfung der Pandemie  ein Thema, das ich ganz oben auf die Agenda setze, das ist die Pflegereform. Sie wissen, ich habe hier herinnen auf drängen­de Nachfragen auch immer gesagt, dass das vor dem Sommer möglich sein wird. Was nun vorliegt ich muss mich nicht in Superlativen ergehen, das kann man dann noch irgendwie einordnen , ist schon ein Paket mit 1 Milliarde Euro auf zwei Jahre, das je­denfalls in wesentlichen Bereichen der Pflege eine Wirkung entfachen wird.

Die beiden drängendsten Punkte, die wir dort haben, betreffen das Personal: a) Wie be­kommen wir mehr Menschen in Ausbildung? b) Wie schaffen wir es, die Menschen, die in der Pflege arbeiten, dort zu halten? Ich habe das heute Vormittag beispielhaft erläu­tert: Bei einem Besuch in Klagenfurt hat mir ein junger Mann, der in der Pflege tätig ist, dort mit großem Enthusiasmus eingestiegen ist, gesagt, er überlegt sich, aufzuhören, weil die Belastung so enorm hoch ist und weil es keine verlässlichen Dienstpläne mehr gibt et cetera.

Deshalb: Wenn wir es nicht hinbekommen, diese 78 000 bis 80 000 Pflegekräfte, die wir zusätzlich brauchen, bis 2030 ins System hineinzubekommen, dann werden wir die Pfle­ge nicht mehr sicherstellen können, jedenfalls nicht in der notwendigen Qualität. Deshalb geht es in einem ersten Schritt wirklich darum, die Menschen, die in der Pflege tätig sind, auch finanziell besserzustellen.

Jetzt weiß ich schon, das braucht noch die Ausgestaltung: Es muss ein Zweckzuschuss­gesetz auf den Weg gebracht werden; sehr vieles in der Pflege liegt in der Kompetenz der Länder, es gibt auch die unterschiedliche Ausgestaltung von Landespflegegeldge­setzen. Das alles ist eine Herausforderung, das weiß ich, aber jedenfalls ist es mein Bestreben, eine größtmögliche Einheitlichkeit bei den Standards und bei der Bezahlung hinzubekommen, denn es kann nicht sein, dass sich Bundesländer untereinander die Pflegekräfte abspenstig machen. Das ist nicht das Ziel.

Zweiter Punkt: Wenn Geld in die Länder fließt und diese das zur Erfüllung der Aufgabe brauchen, dann muss es auch dort ankommen, wo es hingehört, nämlich in der Pflege. Wir werden über dieses Zweckzuschussgesetz die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sichergestellt ist, dass die Mittel  das sind in diesem Bereich immerhin 520 Mil­lionen Euro für zwei Jahre  in die Pflege gehen, und zwar in die Pflege im engeren Sinn, nämlich dorthin, wo wirklich Pflegeleistungen geboten werden. Diese Gehaltsaufbesse­rungen sollen tatsächlich dazu führen  wie haben wir immer so schön gesagt?: Applaus allein reicht nicht! –, dass sie sich am Lohnzettel abbilden.


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Die Verbesserung des Pflegeausbildungszuschusses von 600 Euro pro Monat halte ich für ganz enorm wichtig, denn das schafft einen Anreiz, in diesen Beruf einzusteigen. Davon profitieren junge Menschen schon während der Ausbildung, das ist in anderen Branchen auch üblich. Was ich für besonders wichtig halte, ist das Pflegestipendium von 1 400 Euro netto pro Monat. Ich wurde zu Recht gefragt: Wieso geht es bei den Polizis­tinnen und Polizisten, aber nicht bei der Pflege? Das ist jetzt da! Es ist dieselbe Höhe, wie sie Polizistinnen und Polizisten bekommen.

Diese Gleichstellung halte ich neben der Frage der Gerechtigkeit für ein enorm wichtiges Signal, nämlich an die Pflegenden und jene, die die Ausbildung machen wollen: Wir sind gleich viel wert wie die Sicherheit, wir stehen auf derselben Stufe! Um diesen – wie soll ich sagen? – Betrag, um die Ausgestaltung in dieser Höhe haben wir sehr gerungen, dafür habe ich sehr gekämpft, das wird nun möglich sein.

Diese Klarstellung muss man vielleicht machen: Man muss nicht zwei, drei Monate ar­beitslos gewesen sein, um da einsteigen zu können. Es reicht die schlichte Anmeldung beim AMS, es reicht, dort im System zu sein, um das zu bekommen. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Na ja, ganz so ist es nicht!) Es wurde jetzt verschiedentlich kritisiert: Na ja, das ist wieder so eine Geschichte, da muss ich dann zuerst drei Monate arbeitslos ge­wesen sein. – Nein, muss ich nicht, das geht rasch.

Pflegelehre: Ich kenne die kritischen Stimmen dazu. Lassen Sie uns diese Pilotversuche, Modellversuche in den Ländern machen, lassen Sie es uns anschauen! Wenn es sich bewährt, wenn es funktioniert, werden wir es weitermachen, wenn nicht, dann nicht. Ich würde es jetzt einfach einmal versuchen. Sie können sich sicher sein, dass wir in der Ausgestaltung des Curriculums darauf achten, dass es nicht passieren wird, dass in den ersten beiden Lehrjahren, ich weiß nicht, die Lehrlinge auf Palliativstationen oder mit schwerst pflegebedürftigen Menschen arbeiten müssen.

Ein Punkt, um den ich sehr gestritten habe, ist, dass es dort, wo Menschen mit schweren psychischen Behinderungen Stichwort Demenz gepflegt werden, Verbesserungen gibt. 30 Prozent aller PflegegeldbezieherInnen in Österreich haben die Diagnose De­menz. Ich weiß aus vielen Schilderungen, dass es eine enorme Herausforderung für die Menschen ist, die dort die Pflege leisten. Da wird es deutlich mehr Geld, mehr Anreiz geben, da stehen 20 Stunden zusätzlich pro Monat zur Verfügung.

Rechtsanspruch auf Pflegekarenz: drei Monate statt einem Monat. – Ich bin jetzt geneigt, die ganzen Punkte herunter aufzuzählen. Das ist vielleicht ein bisschen mühsam, weil man sie alle nachlesen kann, aber es sind viele, es sind 20 Maßnahmen. Wichtig war auch, nicht nur eine Einzelmaßnahme zu setzen, sondern zu versuchen, bei diesem Pa­ket die gesamte Palette abzubilden, weil es halt an allen Ecken und Enden Maßnahmen braucht. Das ist auch richtig erwähnt worden.

Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr aufs Pflegegeld angerechnet. Eine langjäh­rige Forderung ist damit jetzt umgesetzt, davon profitieren 45 000 Personen in Öster­reich ganz konkret mit 60 Euro plus pro Monat. Wir schaffen einen Angehörigenbonus für Personen, die Angehörige mit mindestens Pflegestufe 4 betreuen  auch davon profi­tieren viele.

Bei der 24-Stunden-Betreuung bin ich ganz ehrlich und sage: Das muss mit den Sozial­partnern ausgehandelt werden. Da haben wir ganz unterschiedliche Arten der Beschäf­tigung, auch der sozialrechtlichen Absicherung, da gibt es Baustellen, das ist klar. Es gibt dazu aber zumindest ein Budget, das die Valorisierung sicherstellt. Wie die Rahmen­bedingungen genau ausgestaltet werden, wird auszuverhandeln sein. Wichtig ist das war jedenfalls mein Bestreben –: Ich habe wirklich enorm Druck gemacht, was die Ge­schwindigkeit der Umsetzung angeht, und auch bei der Ausgestaltung der Höhe insge­samt.


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Das geht jetzt in die Begutachtung, es ist auch mit allen Stakeholderinnen und Stake­holdern das Einvernehmen gesucht worden, die sind mit eingebunden worden. Ihnen geht es in vielen Bereichen noch nicht weit genug, das ist mir klar  auch dazu sage ich dann noch etwas , aber es ist dort auf breiter Fläche anerkannt. Das ist ein wirklich vorzeigbares und gutes Paket, das die Situation der Pflegenden und auch der Pflegebe­dürftigen deutlich verbessern wird.

Zu den zwei Jahren: Das gilt jetzt nur für zwei Jahre, ja, das stimmt, aber strukturelle Fragen werden im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen angegangen werden müs­sen. Jetzt lehne ich mich weit hinaus und sage, im Zuge der Finanzausgleichsverhand­lungen wird über zwei Dinge zu reden sein: über die Zielsteuerung, wie wir es hinbekom­men, die Pflege zu organisieren; und wie wir Pflege und Gesundheit, Pflegesektor und Gesundheitssektor, enger miteinander verknüpfen und dort die Durchlässigkeit, die Fi­nanzierungen herbekommen. Wir haben in beiden Systemen eine gewisse – wie soll ich sagen? – Grabenmentalität, was die Finanzierungsgrenzen angeht. Es gibt die Durch­lässigkeit der Finanzierungssysteme zueinander und untereinander nicht, weder hori­zontal noch vertikal. Das blockiert in vielen Bereichen Fortschritte, Innovation und Re­formen.

Das Pflegepaket zwei, wenn Sie so wollen, wird darin bestehen müssen, diese struktu­rellen Reformen anzugehen. Die müssten in den Finanzausgleich eingehängt werden, denn das kann man nicht über die Länder drüberstülpen, es gibt in diesen Fragen die Kompetenz der Länder. Das werden wir aber hinbekommen.

Nun zur Beantwortung der Fragen:

Zu den Fragen 1 und 2:

Da haben natürlich, sage ich auch dazu, Anschober und Mückstein schon Vorarbeiten geleistet. Wir haben für Kinder und Jugendliche und ihre kranken Angehörigen als ersten Schritt eine Unterstützungsapp auf den Weg gebracht. Es ist erkannt, dass man da auch etwas tun muss.

Es soll auch niemand in der letzten Phase des Lebens alleingelassen werden. Es ist mit 1. Jänner 2022 das Hospiz- und Palliativfondsgesetz mit der Gewährung der Zweckzu­schüsse in Kraft getreten. Daraus unterstützt der Bund die Länder bei der Umsetzung eines österreichweiten bedarfsgerechten und nach einheitlichen Kriterien organisierten Hospiz- und Palliativversorgungsangebots. In den Jahren 2022 bis 2024 wird der Bund dafür 108 Millionen Euro an Budgetmitteln zur Verfügung stellen. Ich meine schon, dass es damit gelungen ist, die Hospiz- und Palliativversorgung auf sichere Beine zu stellen.

Communitynursing: Das halte ich für einen wirklich spannenden Ansatz, den wir uns von anderen Ländern, in denen das sehr erfolgreich praktiziert wird, abgeschaut haben. Da wird jetzt in insgesamt mehr als 120 Pilotprojekten Erfahrung gesammelt, auch in der Prävention durch Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen auf der kom­munalen Ebene. Das stößt auf enorm großes Interesse. Wir werden uns das in fort­schreitenden Etappen auch evaluieren lassen. Ich setze wirklich Hoffnung darin, dass das ein Zusatzangebot ist, das wirken wird.

In Zeiten hoher Inflation jährliche Valorisierung des Pflegegeldes: Diese wird seit 2020 laufend vorgenommen. Es ist mir klar: Bei Inflationsraten von 5 Prozent plus, 10 Prozent und in manchen Bereichen darüber wird das nicht reichen. Da sind aber Gespräche von­seiten der Bundesregierung im Gang, ein Teuerungspaket drei zu schnüren und auch strukturelle Maßnahmen, Verbesserungsmaßnahmen zu setzen.

Im Rahmen der Coronapandemie wurden seitens des Bundes finanzielle Mittel für au­ßerordentliche Zuwendungen an das Pflege- und Betreuungspersonal geleistet. Das ist dieser Bonus in durchschnittlicher Höhe von 500 Euro. Da gibt es im Übrigen auch immer die Schwierigkeit der Abgrenzung  das ist die Krux bei diesen Einmalzahlungen.


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Zur Frage 3:

Im Rahmen der Taskforce Pflege sowie generell im Prozess der Pflegereform wurde neben Expertinnen und Experten, betroffenen Angehörigen und so weiter auch die Öf­fentlichkeit miteinbezogen. Da bin ich, das können Sie glauben, im ständigen Austausch mit den Interessenvertretungen und Stakeholdern, auch mit allen Bundesländern.

Zu den Fragen 4 und 5:

Das ist die Frage nach der Vorbereitung für den Herbst, genau.

Wir haben in den letzten Wochen unter Einbeziehung einer sehr breiten Expertise sehr viel Zeit dafür verwendet, einen Managementplan auf die Reihe zu bekommen, und zwar entlang unterschiedlicher Szenarien, weil wir nicht wissen, was kommt. Das heißt, da ist ein wesentlicher Teil die Kapazität und da ist ein wesentlicher Teil, dass wir die Definition Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr nur auf belegte Intensivbetten und be­legte Normalstationsbetten fokussieren, sondern massiv auch auf die Personalkapazi­täten in den Alten- und Pflegeheimen und in den Spitälern.

Zu den Fragen 6 und 7:

Derzeit gibt es keine bundeseinheitliche Vorgabe, zumindest hinsichtlich Personal­schlüssel, in der Langzeitpflegeeinrichtung. Diese sind unterschiedlich, sie variieren auch von Bundesland zu Bundesland sehr stark. Wir haben die GÖG beauftragt, eine Studie dazu zu erstellen, nämlich zur Personalbedarfsmessung, um eine Entscheidungs­grundlage zu bekommen.

Ich teile die Einschätzung, dass diese Unterschiedlichkeit nicht gut ist. Ich teile auch die Einschätzung, dass es zur Stabilisierung von Diensträdern notwendig sein wird, bei den Personalschlüsseln etwas zu machen, etwas zu verändern. Es gibt seit 2021 das Projekt Pflegereporting, ich habe es mir angeschaut, das ist ein gutes Instrument. Ich würde meinen, wenn die Studie vorliegt und wir die Reportingdaten dann zusammengeführt haben, wird das jedenfalls in die nächsten Schritte mit den Ländern einfließen.

Zu den Fragen 8, 9, 10 und 12:

Auf diese Fragen bin ich, wie ich meine, in der Rede schon eingegangen. Es geht um die Attraktivierung der Ausbildung und die Notwendigkeit, diesbezüglich Maßnahmen zu setzen, damit wir Pflegepersonal bekommen.

Zur Frage 11:

Nach Rücksprache mit dem AMS kann ich Ihnen sagen, dass zwischen Oktober 2020 und März 2022 8 900 Personen im Schwerpunkt Pflege der Coronajoboffensive durch das AMS gefördert worden sind. Eine Auflistung nach Bundesländern liegt meinem Res­sort nicht vor.

Zu den Fragen 13, 14 und 15:

Gesicherte Zahlen zur Personalfluktuation sind aufgrund der Datenlage und der Kürze der Zeit in der angefragten Form leider nicht vorhanden. Allgemein werden die Rahmen­bedingungen im Pflege- und Betreuungsbereich natürlich – das ist ja kein Geheimnis – als belastend empfunden; um das zu wissen, muss man kein Hellseher sein. Den starken Zeitdruck, die schwierige Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und selbstverständlich die Zusatzbelastung durch Covid habe ich bereits erwähnt. Um dem etwas entgegenzu­setzen, sind im Zuge des jetzt vorliegenden Maßnahmenpaketes Attraktivierungsmaß­nahmen vorgesehen.

Zur Frage 16:

Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist eine Frage des Ausländerbeschäftigungs- und Aufenthaltsrechts. Mit der Pflegereform setzen wir auch da Maßnahmen im Rahmen der


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GuKG-Novelle. Diese ist in parlamentarischer Behandlung und wird jetzt gerade im So­zialausschuss besprochen. Da werden berufsrechtliche Vereinfachungen für Nostrifikan­tInnen geschaffen, sodass zukünftig auch drittstaatsangehörige Pflegekräfte mit Aufent­halt in Österreich schon während des Vorgangs der Nostrifizierung arbeiten können.

Zu den Fragen 17 und 18:

Es ist mir ein wesentliches Anliegen, dass Pflege- und Betreuungspersonen, die solch wertvolle Arbeit leisten, vor Gewalt geschützt werden. In der österreichischen Rechtsord­nung gibt es zahlreiche gesetzliche Grundlagen zum Schutz von ArbeitnehmerInnen vor jeder Form von Gewalt am Arbeitsplatz. Auch ArbeitgeberInnen haben Pflichten, ihre ArbeitnehmerInnen zu schützen, und sind dementsprechend auch verpflichtet, bei Über­griffen in angemessener Weise für Abhilfe zu sorgen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Stel­len, an die sich die Betroffenen wenden können, etwa die Angebote bei der Arbeiterkam­mer, bei den Gleichbehandlungsanwaltschaften und so weiter.

Wir sind gerade dabei, eine Orientierungshilfe zu Demenzkompetenz in Alten- und Pfle­geheimen zu schaffen. Ich weiß um die belastende Situation gerade in dieser Frage, und wir haben dazu auch Informationsmaterial ausgearbeitet: „Fragen und Antworten zu De­menz und Gewalt“. Das ist ein Thema, das selbstverständlich Platz bekommen muss.

Zur Frage 19:

Bezüglich Gehaltsbonus, Nachtstunden, Entlastungswoche und Ausbildungsoffensive darf ich auf die Ausführungen verweisen, die ich zu Beginn gemacht habe.

Zur Frage 20:

Beschäftigte im Pflegebereich können schon jetzt die Schwerarbeitspension in Anspruch nehmen, wenn sie einen der allgemeinen Tatbestände erfüllen. Das heißt, dass Schicht- und Wechseldienst in der Nacht, schwere körperliche Arbeit und die Pflege von Men­schen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf schon honoriert werden, zum Beispiel in der Hospiz- oder Palliativversorgung. Wir müssen berücksichtigen, dass Pfle­geberufe sehr unterschiedlich sind, was gegen eine generelle Aufnahme spricht.

Zu den Fragen 21 und 22:

Das liegt in der Zuständigkeit der Länder. Ich weiß, es ist ein bisschen mühsam, dass ich immer wieder auf die Zuständigkeit der Länder verweisen muss. Sie können mir glau­ben, dass ich zu all diesen Fragen mit den SozialreferentInnen, den Gesundheitsreferen­tInnen in wirklich intensivem Austausch bin, um da – wie soll ich sagen? – Verbesserun­gen zu erreichen.

Zur Frage 23:

An- und Zugehörige entlasten: Insgesamt sind 950 000 Menschen in Pflege und Betreu­ung eines pflegebedürftigen Angehörigen involviert. Für sie sieht das Pflegepaket wie erwähnt eine Reihe von Verbesserungen vor: Erhöhung des Erschwerniszuschlags von 25 auf 40 Stunden, Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe, Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Pflegekarenz und Ähnliches mehr. Es sind insgesamt, glaube ich, zehn Maßnahmen, die in diesem Bereich gesetzt werden.

Zu den Fragen 24 und 25:

Das Paket der Pflegereform umfasst wie gesagt 20 Maßnahmen, das Volumen beträgt 1 Milliarde Euro. Ich habe das schon ausgeführt.

Zur Frage 26:

Das war die Frage zu den Krankenversicherungsträgern und unbesetzten Kassenver­tragsstellen.


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Das ist wiederum ein Thema, das in der Verantwortung der Selbstverwaltung liegt, also liegt es in der Verantwortung der Krankenversicherungsträger, Anreize zu schaffen. Da werde ich aber auch einen Anlauf unternehmen, einmal alle an einen Tisch zu bekom­men, um aus diesen festgefahrenen Positionen herauszukommen. Es ist da, meine ich, notwendig, jedenfalls in ein Verhandlungssetting einzutreten, damit die Antwort beim je­weils anderen nicht lautet: Das geht nicht, weil!  Jeder hat in seinem System eine Be­gründung dafür und insgesamt bedeutet das dann Stillstand. Das ist nicht befriedigend, das weiß ich.

Zur Frage 27:

Attraktivierung des Kassensystems: Ja, auch das liegt in der Verantwortung der Selbst­verwaltung und schließt an das zuvor Gesagte an. Da haben wir selbstverständlich Be­darf, weil die Pensionierungswellen, die anstehen oder schon im Gange sind – gerade im niedergelassenen Bereich bei gleichzeitig fortlaufender Ausweitung der Wahlarztpra­xen –, uns vor Fragen stellen, die jedenfalls diskutiert werden müssen und wozu es auch notwendig sein wird, neue Modelle zu schaffen.

Zur Frage 28:

KassenvertragsärztInnenmangel: Das ist dieselbe Schiene. Es sind Gespräche mit So­zialversicherungen, mit Ländern, mit den Spitzen des Dachverbandes im Gange, um diesbezüglich weiterzukommen.

Zur Frage 29:

Das geht in die gleiche Richtung, das ist dann nämlich die Ausbildung. Ja, das Thema ist uns bekannt und es ist oft an mich herangetragen worden: Wie schaffen wir es, mehr Menschen in die Ausbildung zu bekommen? – Dazu sind wir im Austausch mit dem zu­ständigen Ministerkollegen.

Zur Frage 30:

Das ist die Frage nach der medizinischen Versorgung: „wohnortnah und mit möglichst kurzen Wartezeiten“. Auch das ist eine berechtigte Frage.

Ja, es wird notwendig sein – das ist jetzt sozusagen die nächste Konfliktlinie –, Primär­versorgungseinheiten auszubauen. Da sind wir säumig, das hat in der Vergangenheit aus Gründen nicht funktioniert. Es laufen Projekte und auch Gespräche dazu, wie wir da jetzt endlich ins Tun kommen, möglicherweise auch per Anpassungen in der einen oder anderen Rechtsmaterie.

Soweit die Beantwortung der Fragen in aller Kürze und, wie ich hoffe, halbwegs korrekt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Gruber-Pruner.)

13.58


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Mi­nuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile dieses.


13.58.27

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Wir kommen zu einer Dringlichen Anfrage der Sozialdemokratie betreffend eines der wich­tigsten Themen, die momentan am Tapet liegen. Sie haben – wie soll ich sagen? – sehr viele Fragen angeführt, haben aber, wie ich finde, den Großteil der Fragen nicht klar beantwortet, vor allem die Fragen, in denen es um die Arztordinationen geht. Sie haben gesagt, Sie werden schauen, man muss da weitersehen. – Das ist einfach zu wenig.


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Ich glaube, wenn man sich momentan den ländlichen Raum ansieht – wir sind hier in der Länderkammer, alle Bundesländer sind vertreten –, dann weiß man, was sich abspielt. Sie sprechen von Gesprächen mit Krankenversicherungsträgern. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es die ÖGK gibt, dass es Landesgeschäftsstellen gibt. Die ÖGK ist seit wenigen Jahren federführend, was die Kassenverträge anbelangt, und ich kann mich noch gut erinnern: Ich bin selbst mit meiner Arbeit in der Sozialversicherung groß gewor­den und habe dort gesehen, wie sich Ärzte eigentlich um einen Vertrag raufen, und ich sehe, wie sich das in den letzten Jahren verändert hat, wie schrecklich das geworden ist, sodass die Menschen jetzt keine ordentliche Versorgung mehr haben. – Soweit zu den Ärzten. Ich würde Sie bitten, dass man da schnell in die Gänge kommt, es braucht Konzepte.

Ich darf sagen: Das Burgenland mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ist schon ein bisschen in Vorlage gegangen. Wir haben nämlich mit der Uni Krems einen Vertrag abgeschlossen, damit wir Studierende, die jetzt ein Medizinstudium beginnen, später als Ärzte an das Burgenland binden können, um diese Versorgung für den ländlichen Raum sicherzustellen. Dort ist das nicht so möglich wie im urbanen Raum, man muss wirklich in die Zukunft schauen, damit die Menschen versorgt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Schumann hat vorhin vorgelesen, wie Sie das heute tituliert haben: „Pflege: Regierung bringt größtes Reformpaket der vergangenen Jahrzehnte auf den Weg“. Ich korrigiere das ein bisschen und sage: Pflege: Regierung bringt überfälliges Reformpaket teilweise auf den Weg. – So schaut es nämlich in Wahrheit aus. Wir sprechen heute von wichtigen Anliegen, was die monetäre Ausstattung des Pflegepersonals betrifft, und da brauchen wir nicht zu reden, ich möchte auch meine Anerkennung zeigen, dass Sie das relativ schnell auf Schiene gebracht haben, aber das ist ja nur ein Teil der Sache. Der größte Teil der Angelegenheit – und das ist weitaus schwieriger – ist die strukturelle Re­form, die wir in der Pflege jetzt brauchen.

Ich darf Ihnen heute – und vielleicht kann man das gleich einmal so annehmen – etwas dazu übergeben, und zwar die Unterlage zur Pflegeversorgung im Burgenland, das, was wir in den letzten Wochen, in den letzten Monaten auf den Weg gebracht haben. Sie haben auch geschrieben: Das Beklatschen ist zu wenig. – Da gebe ich Ihnen recht, aber das Beklatschen haben wir vor zweieinhalb Jahren gemacht. Das Beklatschen war zu Beginn der Pandemie für jene Menschen, die uns unterstützen, und mittlerweile sind zweieinhalb Jahre ins Land gegangen und in Wahrheit ist bis heute – das muss man ganz ehrlich sagen – wenig auf Schiene gebracht worden. Heute ist es endlich so weit: 1 Milliarde Euro. Auch dafür möchte ich Ihnen schon meine Wertschätzung geben und Danke sagen.

Ich möchte jetzt inhaltlich noch einiges dazu anmerken, was das Burgenland gemacht hat und welchen Weg wir gehen. Wir wollen im ländlichen Raum nämlich den regionalen Weg gehen, um disloziert zu arbeiten. Menschen haben einen Wunsch: Sie wollen nicht sofort im Pflegeheim landen, sondern so lange wie möglich zu Hause gepflegt werden.

Was haben wir gemacht? – Wir haben im Burgenland Stützpunkte geschaffen, wobei eine Ortschaft, eine Kommune den Stützpunkt anbietet und daran werden dann andere Kommunen angehängt – das ist eine Größenordnung von circa 4 000 Einwohnern –, um also nur 10 bis maximal 20 Minuten von einem Ort entfernt zu sein, wo Menschen rasch betreut werden können, eine Sicherheit haben und eben daheim in ihrem Umfeld sein können, und wenn es nicht das eigene Dorf ist, dann ist es bei uns zumindest das Nach­bardorf. Sie können mir glauben: Das ist ein großes, großes Anliegen der Menschen im ländlichen Raum. (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben wir gemacht? – Wir haben in einem kleinen Land insgesamt 70 Subregionen gegründet, und künftig wird pro Region nur mehr ein Träger für alles verantwortlich sein.


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Dieser Träger kümmert sich um die gesamte Betreuung der Region im nicht stationären Bereich, um alle Angebote außer Pflegeheime, diese sind natürlich extra. Das Ziel von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sind Anfahrtswege von maximal 10 bis 20 Minu­ten direkt zum Klienten. Der Träger der Region hat die Verpflichtung, die Versorgung aller KlientInnen in der Region sicherzustellen, da gibt es dann keine Ungereimtheiten mehr. Diese Verträge werden ausgeschrieben, alle können sich bewerben. Ich bin selbst Vizepräsident beim ASB im Burgenland, wir werden uns engagieren.

Und – das ist mir heute auch wichtig, zu sagen, denn da gibt es einen Paradigmenwech­sel im Burgenland – die Pflege soll, weil sie eben eine elementare Angelegenheit ist, keinen Gewinn mehr abwerfen. Das heißt, es kann sich beim Thema Pflege in Zukunft im Burgenland niemand mehr bereichern, das wird es nicht mehr geben. Es wird ordent­lich bezahlt – das werden Sie sehen, ich habe hier noch ein paar Zahlen –, aber es darf sich keiner mehr daran bereichern oder gewinnorientiert arbeiten. Das ist ganz, ganz entscheidend. (Beifall bei der SPÖ.) Herr Minister, ich hoffe, das ist ein Ansatz, den Sie mittragen können.

Wir haben Tageszentren für Senioren, wir haben Sozialmärkte, Cafés, Genussläden, wir werden Motorikparks installieren, wir werden betreute Wohnformen installieren, unmittel­bar neben den Pflegeheimen. Wir wollen einen Dorfplatz schaffen, wo die zu Betreuen­den, die Pfleglinge sich treffen können, wo das Soziale stattfindet – das hat uns in den letzten zweieinhalb Jahren der Pandemie schon enorm gefehlt –, wo diese Menschen sich zusammensetzen und gemeinsame Zeit verbringen können. Wir planen einen Stütz­punkt für Pflege und Sozialberater – Stichwort Case- und Caremanagement , das ist ganz entscheidend, ganz wichtig und wird auch nicht nur von unserem Krankenversiche­rungsträger, der ÖGK, getragen, sondern natürlich auch vom Land Burgenland. Wir wer­den jede Gemeinde noch einmal extra mit Case- und Caremanagement versorgen, um, wenn es notwendig ist, rasch helfen zu können.

Der Beginn ist bereits im Sommer 2022, es gibt dann auch eine Pilotphase, die ungefähr ein Jahr dauern wird, aber die Umsetzung wird schon Mitte 2023 in 28 Regionen gestar­tet. Somit kann ab Ende 2024 das gesamte Modell mit allen Stützpunkten und Standor­ten in den circa 70 Subregionen in Betrieb gehen und die möglichst gemeindenahe Ver­sorgung gewährleistet werden. Für uns ist es ganz, ganz entscheidend, dass wir in die­sem Bereich, im Pflegebereich, jetzt rasch helfen. Den anderen Bereich habe ich vorhin skizziert, das ist die ärztliche Versorgung, auch da wollen wir uns absichern.

Herr Minister, ich werde Ihnen heute diese Unterlage mitgeben, denn, wenn wir dieses Konzept österreichweit ausrollen, könnten wir uns in Wahrheit eine Menge Geld und vielleicht auch Zeit ersparen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kovacs überreicht Bundesminister Rauch die erwähnte Unterlage.)

14.06


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses.


14.06.45

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Zu Beginn möchte ich gleich einmal einige Feststellungen und Fakten außer Streit stellen:

Ja, das Thema Pflege ist für alle Betroffenen ein wichtiges und dringendes Thema. Das ist ja auch schon bei den Vorrednern durchgeklungen. Ja, die demografische Entwick­lung bedingt, dass wir bis zum Jahr 2030 – je nach Prognose, aber in etwa – 75 000 neue Pflegekräfte brauchen werden. Ja, es braucht dringend notwendige Re­formmaßnahmen, um einem drohenden Pflegenotstand entgegenzuwirken, teilweise


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gibt es ihn schon. Und ja, die Coronapandemie hat auch bei den Problemen im Pflege­bereich als Brandbeschleuniger gewirkt. Ja, ein Altern in Würde und bestmögliche Ver­sorgung und Betreuung für alle, die sie benötigen und insbesondere für die ältere Gene­ration, die unseren Wohlstandsstaat maßgeblich aufgebaut hat, müssen unser aller An­spruch sein.

Das heißt, wir brauchen jetzt eine gewaltige gemeinsame Kraftanstrengung, denn für Streitereien, für Schlechtreden ist das Thema einfach zu wichtig, weil es sehr, sehr viele Menschen direkt oder indirekt betrifft: als zu Pflegende, als pflegende Angehörige oder natürlich auch als im Pflegebereich tätige Pflegefachkräfte.

Was brauchen wir jetzt dazu? – Wir brauchen dringend die Personaloffensive. Dazu darf ich den ehemaligen Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Pühringer, zitieren, der sagt: Heime kann man bauen, Finanzierung kann man schaffen, medizinische Gerä­te kann man kaufen, aber ohne genügend Menschen, die sich für den Pflegeberuf ent­scheiden, wird jede Pflegereform und jedes Pflegekonzept scheitern.

Sieht man sich die demografische Entwicklung an, wird klar, dass die Ausbildungsoffen­sive jetzt wichtig ist. Dazu brauchen wir junge Menschen im Pflegeberuf, wir brauchen Berufsumsteigerinnen und -umsteiger, wir brauchen Wiedereinsteigerinnen und Wieder­einsteiger, und wir müssen vor allem die Barrieren, die da herrschen, abbauen, damit ein leichterer Zugang zum Pflegeberuf möglich wird. Und – der Herr Minister hat es schon gesagt – wir müssen natürlich dafür sorgen, dass die Pflegekräfte, die bereits im Pflegeberuf tätig sind, diesen Beruf möglichst lange gut ausüben können. Da geht es natürlich vor allem auch um die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung.

Sehr geehrte Damen und Herren, ja, heute ist es soweit, heute, am Tag der Pflege, hat die Bundesregierung eine Pflegereform präsentiert, die diesen Namen schon verdient, das muss ganz klar gesagt werden (Beifall bei ÖVP und Grünen): 1 Milliarde Euro, eine Pflegemilliarde, die in diesem Bereich wirklich gut wirken wird. Die Reform besteht aus 20 Maßnahmen. Es ist eine wichtige, es ist eine große Reform, aber es ist ein erster Schritt. Da sind wir, glaube ich, auch einer Meinung.

Die Maßnahmen wurden angesprochen, die wichtigsten in den drei großen Bereichen möchte ich kurz herausgreifen: neues Personal im Zuge einer Ausbildungsoffensive ge­winnen, Unterstützung der pflegenden Angehörigen und auch insbesondere Maßnah­men betreffend die Bezahlung. Da ist natürlich der Gehaltsbonus wichtig, da ist die zu­sätzliche Urlaubswoche wichtig, da sind aber auch die Kompetenzerweiterungen für Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten von großer Bedeutung.

Zu den pflegenden Angehörigen: Der Angehörigenbonus ist eine wichtige Anerkennung der Pflege zu Hause. Es gibt in Österreich 950 000 Menschen, die in der Angehörigen­pflege tätig sind, die einen Familienangehörigen – entweder alleine oder mit mobiler Un­terstützung – zu Hause betreuen, und 80 Prozent aller zu Pflegenden werden zu Hause im Familienverbund in dieser Form betreut. Da ist auch die Höherbewertung der Demenz bei der Pflegegeldeinstufung ein ganz, ganz wichtiges, aber vor allem auch notwendiges Signal. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zur Ausbildungsoffensive: Natürlich ist das Pflegestipendium wichtig, der Ausbildungs­zuschuss ist wichtig, aber ich breche da auch eine Lanze für die Einführung der Pflege­lehre, denn wir brauchen junge Menschen. Ich möchte auch kurz ausführen, warum die­se in den Pflegeberuf gehen: Jetzt ist es so, dass man frühestens mit 17 Jahren eine Pflegeausbildung beginnen kann. Mit der Einführung der Pflegelehre – österreichweit, vorerst einmal als Modellversuch – kann diese Ausbildungslücke, die es jetzt zwischen Pflichtschule und dem 17. Lebensjahr gibt, geschlossen werden, und es gehen nicht so viele junge Menschen für den Pflegeberuf verloren – denn wenn man sich mit 15 für einen anderen Beruf entschieden hat, dann ist man sozusagen weg und es werden nur


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wenige zurück in den Pflegeberuf kommen. Wer einmal eine andere Ausbildung begon­nen oder diese abgeschlossen hat, ist wahrscheinlich für den Pflegeberuf verloren, ob­wohl womöglich dafür Interesse bestanden hätte.

Ja, natürlich kommt es auf die richtige, auch altersgerechte Gestaltung der Ausbildung an: Zu Beginn muss schwerpunktmäßig der theoretische Teil liegen, in der weiteren Folge der praktische. Die Jugendlichen müssen behutsam an die Praxis der Pflege he­rangeführt werden. Frau Kollegin Schumann, ich gebe Ihnen da teilweise recht (Bundes­rätin Schumann: Jössas na!): Die Lehre ist nicht die Lösung des gesamten Pflegepro­blems, aber sie muss Teil der Lösung des Pflegeproblems sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf ein Beispiel aus dem Land Oberösterreich nennen, wo es bereits einen Ausbil­dungsversuch, ein Pilotprojekt gibt und gab, wo dieser Lückenschluss geschaffen wurde, denn die landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen wurden dort sehr erfolgreich auch für Pflegeausbildungen geöffnet.

Sehr geehrte Damen und Herren, erkennen wir an, dass viele gute, notwendige und dringende Maßnahmen in diesem Pflegereformpaket enthalten sind, um insbesondere dem Personalmangel entgegenzuwirken, aber auch, um die pflegenden Angehörigen zu unterstützen!

Ich habe es gesagt: Denkt man an eine bessere Förderung der 24-Stunden-Betreuung, so stellt man fest, dass aber auch noch weitere Schritte folgen müssen, damit diese leistbar bleibt. Neun von zehn zu Pflegenden wollen, so lange es geht, in ihren eigenen vier Wänden, zu Hause betreut werden. Eine höhere Unterstützung bei der 24-Stunden-Betreuung kommt der öffentlichen Hand immer noch günstiger als die vollständige Finan­zierung eines Pflegeheimplatzes.

Ja, und es müssen weitere Schritte folgen, wenn man an eine leistbare Kurzzeitpflege, beispielsweise nach einem unfallbedingten Spitalsaufenthalt, oder an den Ausbau der Tagesbetreuungsplätze, die insbesondere auch für pflegende Angehörige sehr, sehr wichtig sind, denkt.

Eine große Bitte habe ich zum Schluss: Wer mit Menschen, die im Pflegeberuf tätig sind, spricht und gut zuhört, weiß, es ist ein sehr erfüllender Beruf, den die allermeisten trotz vieler Herausforderungen von Herzen gerne machen, für die der Beruf zur Berufung wurde. Die Herausforderungen müssen gelöst werden, und dazu wurden heute wichtige Meilensteine vorgestellt. Wichtig ist aber auch: Reden wir alle auch positiv über den Pfle­geberuf, denn der Pflegeberuf muss vom Mangelberuf wieder zum Traumberuf wer­den! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.16


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank. Als Nächste zu Wort gemel­det ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses.


14.16.45

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jedem Österreicher muss, unabhängig von Alter, Ge­schlecht und sozialem Status, bei Bedarf die entsprechende Pflegeversorgung zur Ver­fügung gestellt werden. Aufgrund zahlreicher Fehlentscheidungen in den letzten zwei­einhalb Jahren, würde ich jetzt einmal sagen, ist da vieles massiv gefährdet worden. Unorthodoxe Einsparmaßnahmen und auch Versäumnisse der Bundesregierung haben in der Pflege mittlerweile tatsächlich eine Zweiklassengesellschaft geschaffen, oder es ist so weit gegangen, dass aufgrund des Pflegenotstands in Spitälern sogar ganze Abtei­lungen gesperrt werden mussten.

Das Einzige, was drei grüne Minister in den letzten zweieinhalb Jahren geschafft haben, war, Beratungsstellen einzurichten – Sie haben es zuerst selbst erwähnt, Herr Minister ‑,


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diese Communitynurses – schreckliches Wort –, also die Gemeindeschwestern – ist auf Deutsch auch nicht viel besser. Wenn man sich vorstellt, dass es in Österreich 2 100 Ge­meinden gibt und 120 solcher Beratungsstellen eingerichtet wurden, dann ist das doch eine etwas magere Bilanz, was da im Pflegebereich als der große Wurf verkauft wurde. Davon hört man übrigens auch nur relativ wenig. Ich habe, seit wir es am 15. Juli be­schlossen haben, heute von Ihnen das erste Mal wieder etwas davon gehört. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass es das steirische Modell der Pflegedrehscheibe gibt, das wesentlich gescheiter wäre und ein gutes Modell ist.

Das war es dann aber auch schon, was in den letzten zweieinhalb Jahren im Bereich der Pflege weitergegangen ist. – Ach nein, ich habe etwas vergessen: Es wurde das Budget im Pflegebereich gekürzt und nicht erhöht – das ist für mich also wirklich ein Wahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.) Wahrscheinlich scheitert es aber daran, dass wir in den letzten zweieinhalb Jahren lediglich grüne Gesundheitsminister und keine Sozialminister gehabt haben für mich gehört die Pflege zweifelsohne in den Sozialbereich.

Man sieht es ja – Anschober, Mückstein und jetzt auch Sie, Herr Minister Rauch –: Ihnen ist es anscheinend lieber, dass man die Menschen weiterhin mit Coronaregeln und be­stehender Impfpflicht drangsaliert. Wir haben es ja heute gesehen, es ist ja auf der Ta­gesordnung: Das COVID-19-Maßnahmengesetz ist bis Ende 2023 verlängert worden. – Das ist der helle Wahnsinn, da kann man sich schon ausrechnen, was die wieder vorha­ben. Schaut man sich dann in der Welt um, so ist Österreich das einzige Land, wo noch Masken getragen werden müssen, nämlich von genau jenen Leuten, die im Handel schwer arbeiten. Nächste Woche wird die Maskenpflicht auch in den Flugzeugen abge­schafft, darum sagen wir: Weg mit diesen Masken und diesen Coronadrangsalierungen! (Beifall bei der FPÖ.) – Herr Minister, Sie können es ja unter Beweis stellen: Zeigen Sie soziale Kompetenz, denn Sie haben nicht nur das Gesundheitsministerium, Sie haben auch das Sozialministerium!

Pflegekräfte berichten über Missstände, Personalmangel, fehlende finanzielle Mittel, und genau heute, am Tag der Pflege, verkündet Minister Rauch, dass anscheinend doch die Pflegereform kommt. Jetzt bin ich aber einmal neugierig, was da herauskommt, denn schon Anschober hat uns das im Jahr 2020 versprochen und angekündigt, aber es ist halt leider bei den Ankündigungen geblieben. Schaut man sich an, was heute präsentiert wurde, so sind das eigentlich uralte freiheitliche Forderungen (Beifall bei der FPÖ) – ur­alte freiheitliche Forderungen! Leider haben Sie es aber nicht völlig durchgedacht, und aus Ihrer angekündigten Reform ist leider nur ein Reförmchen geworden. Es ist leider nur ein Reförmchen, denn wenn man jetzt glaubt, man kann mit einer minimalen Pflege­reform maximale Not lindern, dann irrt man sich.

Schaut man sich das im Detail an, so gibt es jetzt einen Bonus für Mitarbeiter. Ein Bonus für Mitarbeiter, die, gerade in der Pflege, die höchste Wertschätzung erfahren sollten, ist ja zu unterstützen, aber warum bleibt es bei einem Bonus? Warum nur zwei Jahre? Warum hat man nicht den Mut, dass man den Menschen ein angemessenes, adäquates Gehalt bezahlt? (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Bonus wird weder auf die Pensionshöhe angerechnet, noch gibt es bei einem Bonus Sonderzahlungen – Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld. Es wäre doch eine viel größere Wert­schätzung, wenn man den Pflegenden oder Pflegemitarbeitern, den Pflegern, eine Ge­haltserhöhung in adäquater Höhe gibt. Das, Herr Minister, wäre eine ordentliche, echte Wertschätzung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Oder Angehörigenbonus: Ich meine, Ihre Schlagworte klingen ja gut und klass, nur sind sie, wie gesagt, nicht bis zum Ende durchgedacht. Angehörigenbonus – 1 500 Euro jähr­lich: Herr Minister, das ist ja eine Pflanzerei! Jeder, der schon einmal daheim gepflegt hat, weiß, was das heißt. Sie sind jetzt übrigens der dritte Minister, dem ich das erzähle, meine Kollegen wissen es eh schon alle: Ich bin kein Laie in der Pflege, ich habe meine


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Mutter bis zum Tod gepflegt, habe Windeln gewechselt, habe die Magensonde gewech­selt, habe das alles selbst gemacht, und darum: Hut ab vor jedem Pflegenden – vor jedem Pflegenden! –, der das macht! Ich habe es im Familienverband gemacht, aber viele pflegende Angehörige sind alleine, und darum sind 1 500 Euro eine Pflanzerei. (Beifall bei der FPÖ.) Das erinnert eigentlich eher an Almosen. Warum erst ab Stufe 4? Man kann schon ab Stufe 1, 2, 3 gewaltig Pflege benötigen.

Oder die Lehre: Wir haben in Salzburg am 13. Mai 2020 genau diesen Antrag gestellt – einen Postkastenantrag –: also genau diesen Antrag mit der Pflegelehre. Na, wer hat das denn abgelehnt? – Ihr Grüne habt das abgelehnt, die Roten haben es abgelehnt und die NEOS haben es abgelehnt. Dieser Antrag ist aber mehrheitlich mit den Stimmen der ÖVP und der Freiheitlichen durchgegangen. Der Postkastenantrag war ja unser Antrag, eigentlich ist die Pflegelehre unsere Idee. Aktuell darf die Ausbildung für Pflege- und Betreuungsberufe erst ab dem 17. Lebensjahr begonnen werden. Ich hoffe, dass bei Ihrem Modell, bei Ihrer Pflegelehre, die Sie da gerade präsentieren, tatsächlich die Lehre gleich nach dem Pflichtschulabschluss mit dem 15. Lebensjahr begonnen werden kann – nicht, dass die jungen Menschen da zwei Jahre Wartezeit haben, während derer sie sich schon anderweitig interessieren und anderweitig orientieren, denn diese jungen Men­schen sind für den Pflegeberuf verloren. Achten Sie bitte darauf, dass der Pflegeberuf bereits ab dem 15. Lebensjahr begonnen werden kann! (Beifall bei der FPÖ.) Die Schweiz macht es uns ja vor, und die Schweiz hat eines der besten Pflegesysteme welt­weit.

Die Versicherung für die pflegenden Angehörigen habe ich zuerst noch vergessen: Wo ist die Versicherung für pflegende Angehörige, die vielleicht beruflich zurückstecken müssen, weil sie zu Hause einen Angehörigen pflegen? Das habe ich da noch gar nicht gehört, auch das ist zu beachten.

Ganz, ganz dringend: Ihr habt ja den Pflegenotstand mit euren komischen Coronaregeln und -maßnahmen in der Pandemiezeit sogar noch verschärft. Ich erinnere da an das Reiseverbot für 24-Stunden-Kräfte und ich erinnere an die Impfpflicht für Pflegepersonal. Bitte fahrt ab mit dieser Impfpflicht! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!) Ihr verliert fast 40 Prozent, fast 40 Prozent der Österreicher werden dadurch direkt vom Beruf ausgeschlossen. Sollten Sie tatsächlich auf die – unter Anführungszeichen – „glor­reiche“ Idee kommen, die unsägliche Impfpflicht auf scharf zu stellen, kann ich Ihnen garantieren, dass im Pflegebereich bis zu 30 Prozent an Personal verloren gehen. Das ist verantwortungslos, das ist fahrlässig und es ist absolut abzulehnen! (Beifall bei der FPÖ.)

Bis 2030 werden ohnehin bis zu 100 000 Pflegekräfte benötigt. Daher ist es erstens notwendig, dass man die Mitarbeiter im Pflegebereich halten kann, und zweitens, dass man ihnen eine Ausbildung bietet und auch junge Menschen für den Pflegebereich ge­winnt.

Herr Minister, werden Sie tätig, schalten Sie bitte auch vom Gesundheitsminister auf den Sozialminister um! Zeigen Sie soziale Kompetenz und setzen Sie diese Ratschläge, die von uns Freiheitlichen gekommen sind, auch um! – Danke sehr. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

14.25


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


14.26.07

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Gestatten Sie mir vielleicht zwei


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Sätze zur Geschichte: Der 12. Mai ist der Geburtstag von Florence Nightingale. Florence Nightingale gilt als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege. Deshalb ist viel­leicht der Ausdruck Communitynurses auch gar nicht so schlecht gewählt. Dahin gehend wurde dieser Tag zum Tag der Pflege erklärt, anfänglich, um die Arbeit der Kranken­schwestern zu würdigen, in späterer Folge aber – und das erleben wir natürlich auch heute – mit Forderungen an die Politik nach einer Verbesserung der Pflegesituation verbunden.

Die Pflege ist ein wirklich weitreichendes Gebiet, die Ansprüche und die Notwendigkeiten haben sich in den letzten Jahren sehr ausgeweitet und stark verändert. Pflege hat einen wesentlich höheren Stellenwert erlangt beziehungsweise auch erlangen müssen, weil die gesellschaftliche und demografische Struktur im Wandel ist. Noch einmal mehr wur­de uns allen durch Corona klar, wie volatil das gesamte Pflegesystem ist und dass viele Kapazitätsgrenzen schon lange überschritten sind. Seit 30 Jahren – so meine ich mich schon zu erinnern – wird immer wieder von einer Pflegereform und von einer Vernach­lässigung der Pflege gesprochen.

Umso froher bin ich, dass unser Gesundheitsminister heute Morgen ein umfassendes Pflegepaket präsentiert hat, das wichtige und wesentliche Defizite nun entschärft. Dieses Paket ist eine tatsächliche Reform. Schon jetzt gibt es viele positive Reaktionen auf das vorgestellte Paket, ich möchte da den Präsidenten der Caritas Österreich zitieren, der auf Twitter heute Morgen schon geschrieben hat, es sei offenbar „die erste Bundesregie­rung seit vielen Jahren, die im Bereich Pflege substanziell vom Reden ins Tun“ kommt. „Dafür schon heute ein großes Dankeschön an Bundesminister Johannes Rauch, Bun­deskanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler, auch wenn der Weg zur notwendigen Reform noch nicht zu Ende gegangen ist.“ – Diesem Dank möchte ich mich anschließen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das heute vorgestellte Pflegepaket wiegt wirklich schwer und bringt weitreichende Ver­besserungen in allen wesentlichen Bereichen der Pflege, von der Ausbildung bis hin zur Entlastung pflegender Angehöriger. – (In Richtung Bundesminister Rauch:) Du hast es in deiner Rede schon gesagt, ich möchte trotzdem noch ein paar Punkte stichpunktartig aufzählen, die in dieser Reform als wesentlich zu nennen sind: eben der Bundeszu­schlag für Beschäftigte, die Entlastungswoche Pflege, der Ausbildungsfonds, das Pfle­gestipendium, die Entfristung der Pflegeassistenz, die Lehre für Assistenzberufe in der Pflege, Erleichterungen bei Nostrifikation, Pflegekarenzgeld, Pflegekurse für pflegende Angehörige, der Entfall der Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe auf das Pflege­geld – auch eine ganz wichtige Sache –, ein Angehörigenbonus und die Förderung der 24-Stunden-Betreuung. Das alles sind wirklich sehr wichtige Maßnahmen, gerade in einer Zeit der Pandemie, in der es akut immer wieder neue Herausforderungen zu bewäl­tigen gibt und gab, mit denen niemand rechnen konnte.

Der finanzielle Rahmen der Maßnahmen wurde bis zum Ende der Legislaturperiode – wir haben es heute schon mehrfach gehört – mit 1 Milliarde Euro festgelegt. Das ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern ermöglicht wirklich weitreichendes Han­deln. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass der Bund nur den Rahmen zur Verfü­gung stellt. Es sind Bund, Länder und auch Gemeinden in gemeinsamer Verantwortung, denn ohne gemeinsames Tun wird es nicht funktionieren.

Wir haben schon gehört, in den drei SPÖ-geführten Bundesländern gibt es durchaus Modelle und Maßnahmen, es wäre der SPÖ dort aber auch wirklich freigestanden, weiter zu gehen und das zu tun. (Bundesrätin Schumann: Was?! Wir sind nicht in der Regie­rung! – Bundesrat Schennach: Da hat sie nicht zugehört!) Ich habe mir die eingebrachte Dringliche Anfrage jetzt noch einmal angeschaut. Dort werden Maßnahmen vonseiten der Regierung gefordert – ich zitiere –: „Hier sind aus Sicht der SPÖ neben einer höhe­ren Bezahlung auch andere Arbeitszeitmodelle, eine höhere Wertschätzung, Supervi­sion im Krisenfall oder aber auch Anreize im Bereich der Ausbildung und dem Ein- und


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Umstieg in den Pflegeberuf unabdingbar. Diese lassen jedoch nach wie vor auf sich warten – ein Umstand, der nicht länger hingenommen werden kann und darf.“

Allein eine höhere Bezahlung wird den Mangel an Pflegekräften nicht lösen, aber eine Erhöhung von rund 2 000 Euro brutto im Durchschnitt auf Vollzeitbasis gerechnet, so wie sie heute präsentiert wurde, halte ich für ein wirkliches Vorankommen. Supervision – nicht nur im Krisenfall – wird heute schon von vielen ArbeitgeberInnen gewährt, und eine sechste Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr ohne Anrechnung von Nachtdienstgut­haben trägt sicher wesentlich zur Verbesserung der Arbeitssituation bei. Die Anreize zum Aus- und Umstieg sowie die Bezahlung der Ausbildung sind spätestens seit heute Programm; und da reden wir von einer wirklichen Unterstützung von 1 400 Euro im Rah­men eines Pflegestipendiums, die ein Auskommen neben der Ausbildung ermöglicht.

Ich freue mich daher sehr, dass heute nicht nur die angesprochenen Forderungen einer Lösung zugeführt werden, sondern das Programm der Bundesregierung noch viel, viel weiter geht. Daher ist heute ein guter Tag für die Pflege in Österreich, und es ist tat­sächlich gut, dass wir heute im Bundesrat die Möglichkeit haben, darüber so ausführlich zu diskutieren. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Gerne, gerne, gerne! Die Sozialdemokratie hilft, wo sie kann! Die Gewerkschaft auch! Großartig sind wir! – Bundesrat Schennach: Wir haben das gerne gemacht. – Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Gut gewählt! – Bundes­rätin Schumann: Na ja, heute wo die Gewerkschaft so einen Erfolg feiert! Da feiern wir!)

14.32


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich er­teile dieses.


14.32.25

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Zuhörer haben wir auch hier im Saal: Herzlich willkommen! Liebe Kollegin Hauschildt-Buschberger, von einer Lö­sung des Pflegeproblems sind wir immer noch meilenweit entfernt, aber wirklich noch sehr, sehr weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.) Wenn das schon die Lösung ist, dann bin ich wenig optimistisch, dass Sie das Problem wirklich erkannt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Pflege ist weiblich. Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann hat es heute schon mit Zahlen ausgeführt: Der Großteil der in der Pflege arbeitenden Menschen ist weiblich. Frauendominierte Branchen haben eines ge­meinsam: Sie sind schlechter bezahlt, und man verlangt von Frauen sehr oft weit mehr an Einsatz, als es ihrer entlohnten beruflichen Verpflichtung entspricht. Das trifft zum Beispiel auf die Kinderbetreuung und eben auch auf die Pflege zu.

Man geht also irgendwie implizit davon aus, dass sich die Familienarbeit, die ja aus Liebe und nicht für Geld geleistet wird, in diesen Berufen fortsetzt. Das ist eine Grundhaltung, die sich offensichtlich durchzieht und natürlich auch die Ursache dafür ist, dass diese Berufe geringer entlohnt und teilweise auch mit geringer öffentlicher Wertschätzung be­dacht sind.

Die Frauen wollen einfach nicht mehr unter diesen Bedingungen arbeiten und machen – das sehen wir durch die Fluktuationsbewegungen – einen immer größeren Bogen um diese Berufe – mit dramatischen Folgen. Wenn man sich vor Augen führt, dass bis 2050 die Zahl der Pflegebedürftigen auf 750 000 Personen ansteigt, kann man sich ausrech­nen, was uns allen bevorsteht. (Bundesrat Schennach: Ich wollte eh schon fragen, wie viele ...!)


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Das muss man sich auch vor Augen halten: Derzeit werden 70 bis 80 Prozent der Pfle­gebedürftigen zu Hause versorgt. Dabei muss man sich natürlich auch fragen: Ja wer macht denn das? – Habe ich die richtige Zahl, Kollege Kornhäusl? Sie kennen sich da sehr gut aus. – Wer macht denn das? – Es sind wiederum die Frauen, die unglaubliche physische und psychische Belastungen in Kauf nehmen, um ihre Angehörigen zu ver­sorgen.

Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn meine Mutter war auch 15 Jahre lang pflege­bedürftig. Da gibt es teilweise gar keine private Lebensplanung mehr. Da ist man wirklich mit Haut und Haar in Anspruch genommen, selbst wenn man mobile Dienste einsetzt, deren Kosten übrigens durch das Pflegegeld bei Weitem nicht abgedeckt werden. Da muss man noch unglaublich viel an Eigenleistung, aber auch an finanzieller Leistung dazu beitragen.

Meine Mutter ist – das möchte ich Ihnen auch kurz erzählen – großteils auch deshalb pflegebedürftig geworden, weil sie selbst Pflegehelferin war und jahrzehntelang schwere Patienten heben, waschen, umbetten musste und auch von Patienten körperlich atta­ckiert wurde. Sie hat in einer Psychiatrie gearbeitet. Ich erzähle Ihnen das deshalb, weil sie eine von vielen war, die dieses Schicksal hatten, die auch Überstunden leisten muss­ten und nicht bis zum regulären Pensionsalter arbeiten konnten, weil eben der Bewe­gungsapparat schon vorzeitig, also mit Mitte 50, schlichtweg kaputt war.

Sie war eine der vielen, die einfach nicht mehr konnten, und musste in Pension gehen. Die Invaliditätspension war unvermeidlich, sie wurde dafür aber auch mit Abschlägen, mit einer geringeren Pension bestraft. Sie wurde für ihr jahrzehntelanges Aufopfern für andere Menschen bestraft. Wie gesagt, sie war eine von vielen, denen gesagt wurde, dass dieses jahrzehntelange Heben von oft über 100 Kilo schweren Patienten eben keine Schwerarbeit ist, dass der Schicht- und Wechseldienst, Nachtdienste, Überstun­den, psychische Belastungen wegen des Personalmangels keine Schwerarbeit sind.

Jetzt haben Sie, Herr Minister, gesagt: Ja, Schwerarbeitspension ist möglich. – Ja theo­retisch! Ich meine, der Fall meiner Mutter liegt schon sehr weit zurück, aber auch heute ist es noch so, dass die Spruchpraxis der Arbeits- und Sozialgerichte einfach anders aussieht und dass wirklich nur wenigen der Weg in die Schwerarbeitspension ermöglicht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen schon auch mitgeben, dass es da einfach eine Klarstellung im Gesetz braucht. Bei Polizisten, also großteils Männern  die Polizistinnen natürlich auch, aber es sind halt großteils Männer, die in diesen Berufen sind –, ist das überhaupt keine Frage. (Bundesrat Spanring: Das hat aber nichts mit dem Geschlecht zu tun!) Es ist gerechtfertigt, wohlverdient, aber da braucht es eben auch eine Gleichbehandlung der Berufe.

Eine Gleichbehandlung braucht es auch bei der Ausbildung. Sie haben gesagt, Sie ha­ben bei der Ausbildung eine Gleichstellung mit der Polizeiausbildung angestrebt. Ja, das haben wir auch immer eingefordert. Ich habe mir das jetzt angesehen: Sie stellen ein Praktikumsgeld oder ein monatliches Entgelt von 600 Euro und für Berufsumsteigerin­nen und -umsteiger ein Pflegestipendium von 1 400 Euro in Aussicht. Das sind ja Men­schen, die schon mitten im Leben stehen, die Familie und Wohnung erhalten müssen, die einfach schon Lebenshaltungskosten haben.

Ich habe mir den Vergleich mit Exekutivbediensteten angesehen. Auf der Homepage des Innenministeriums unter polizeikarriere.gv.at kann man sich das genau vor Augen führen. Dort werden im ersten Ausbildungsjahr 1 820 Euro brutto und schon im zweiten Ausbildungsjahr mit Praxisanteilen 2 440 Euro brutto geboten. Von einer Gleichbehand­lung sind wir also schon noch ziemlich weit entfernt. Hier zeigt sich schon auch noch immer dieser Genderpaygap, der sich dann im Genderpensiongap fortsetzt.


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Wenn man sich nach der Ursache für solche Ungleichbehandlungen fragt, dann kommt man drauf: Es sind einfach diese grundlegenden Einstufungen, die wir ändern müssen. Das meinen wir auch, wenn wir jetzt als SPÖ-Frauen, als Gewerkschafterinnen von einer Neubewertung von Arbeit sprechen, denn da muss man über die Branchengrenzen schauen und einfach eine Gleichstellung eben auch schon bei der Ausbildung anstreben, weil es sich dann ja weiter fortsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum würde ich dringend ersuchen und auch darum, dass die Ausbildungszeiten wie in vielen anderen Berufen pensionsbegründend und pensionserhöhend als Versiche­rungszeiten anerkannt werden, denn sonst haben wir auch wieder eine Ungleichbehand­lung, die die Menschen davon abhält, in diese Berufe zu gehen.

Es sind heute schon positive Länderbeispiele genannt worden: von Kollegen Kovacs aus dem Burgenland; Kollegin Steiner-Wieser hat dankenswerterweise die Steiermark mit der Pflegedrehscheibe hervorgehoben. Es ist ein parteiübergreifender Schulterschluss gelungen, um die Pflegestruktur in der Steiermark auf neue Beine zu stellen. Das heißt, die Länder haben einfach zur Selbsthilfe gegriffen, haben aufgrund der Untätigkeit des Bundes zur Selbsthilfe greifen müssen. Es bietet sich aber natürlich jetzt für den Bund an, auf diese positiven Länderbeispiele zurückzugreifen, das Beste von allen herauszu­nehmen und zu einem guten Bundesmodell zusammenzufügen. Das würde ich allen bundespolitisch Verantwortlichen auch ans Herz legen. (Bundesrätin Schumann: Auch den Ländern!)

Wenn Sie bei der Beantwortung der Frage nach der kassenärztlichen Versorgung auch ein bisschen geschwommen sind, so möchte ich Ihnen aber schon zugutehalten, Herr Minister, dass Sie hier in selbstkritischer Weise Säumnis eingestanden haben, was die Implementierung der Primärversorgungseinrichtungen angeht. Ja, da ist große Säumnis zu beklagen, zulasten der ländlichen Bevölkerung, aber nicht nur dieser, denn die Pro­blematik, nicht ausreichend Kassenstellen zur Verfügung zu haben, hat sich mittlerweile schon auf die Städte ausgedehnt. Das ist also ein österreichweites Problem, das drin­gendst angegangen gehört, denn das kann so einfach nicht hingenommen werden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Da ist anzusetzen, denn die Letzte, die sich dieses Themas angenommen hat, war da­mals Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (Zwischenruf bei der ÖVP), die eben dieses Projekt, dieses System auf Schiene gebracht hat. Es ist dann aber stehengeblie­ben, es ist von den Nachfolgern und Nachfolgerinnen nicht daran weitergearbeitet wor­den. Da muss aber dringendst etwas getan werden, denn sonst schwimmt unser bisher wirklich gut entwickeltes Gesundheitssystem einfach den Bach hinunter und wir können die Gesundheitsversorgung in Österreich nicht mehr gewährleisten.

Da ist also akuter Handlungsbedarf gegeben – bei der Pflege sowieso. Das kostet Geld. Die Pflege kostet Geld, und die Pflege ist mittlerweile eines der größten Armutsrisken in Österreich. Selbst wenn der Regress bei der Heimversorgung abgeschafft wurde, so ist aber Pflege zu Hause ein Armutsrisiko. Wie gesagt, ich habe das im eigenen Familien­kreis erlebt, ich sehe das bei vielen Bekannten, und wir sehen das alle: Wenn man für Angehörige die beste Pflege gewährleisten möchte, muss man unglaublich viel aus der eigenen Tasche dazuzahlen. Wenn Menschen über Vermögen verfügen, dann geht das über das ganze Leben lang Ersparte drauf. Das ist, würde ich fast sagen, eine Art kalte Erbschaftssteuer, denn alles, was man sich das ganze Leben lang zusammengetragen hat, geht drauf, wenn man länger pflegebedürftig ist, oder die Familienangehörigen müs­sen einspringen. (Bundesrätin Schartel: Ist da ein Unterschied? Sonst seid ihr für die Erbschaftssteuer!)

Es wäre weit sozialer und gerechter, wirklich eine staatlich finanzierte Pflege zu organi­sieren. Woher das Geld holen? (Bundesrat Preineder: Von der Erbschaftssteuer!) – Ge­nau! Es wäre gerechter, für hohe Erbschaften, hohe Vermögen Beiträge zu verlangen,


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damit die Pflege für alle gewährleistet werden kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm dieses.


14.45.05

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Es gibt ein wunderschönes Sprichwort, das ich so mag, das sagt, dass man den Wert einer Gesellschaft daran erkennt, wie sie mit ihren alten Men­schen und mit ihren jungen Menschen umgeht. Ich glaube, dass das heute auf diesen Tagesordnungspunkt wunderbar zutrifft, generell auf dieses Pflegepaket, weil es eben beide Gruppen umfasst, die Alten, die Älterwerdenden auf der einen Seite und die Jun­gen, die in Ausbildung stehen, auf der anderen Seite. Warum sage ich das? – Weil Altern in Würde ein nicht verhandelbares Menschenrecht ist. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig.

Zum Zweiten müssen wir gewährleisten – in welchen Bereichen auch immer, aber heute und hier geht es um die Pflege –, dass wir den Jungen gute Ausbildungschancen geben und dass wir Arbeitsbedingungen schaffen, sodass sie auch viele Jahre im gewählten Beruf bleiben möchten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, man kann heute wirklich mit Fug und Recht behaupten: Das, was hier gelungen ist, ist eines der größten oder das größte Reformpa­ket der letzten Jahrzehnte. (Bundesrätin Schartel: Ah, Blödsinn!) Die Zahlen sprechen einfach für sich: 1 Milliarde Euro in zwei Jahren, in über 20 Maßnahmen, die gesetzt werden. (Bundesrat Schennach: Des Jahrhunderts!) Natürlich ist es höchst an der Zeit und natürlich gibt es immer Luft nach oben, natürlich – das verstehe ich schon – ist es auch Aufgabe der Opposition, dass sie das schlechtredet und madig macht – wobei ich sehr wohl auch die anerkennenden Worte gehört habe, die ich natürlich auch mitneh­me –, aber ich glaube, man muss es trotzdem so stehen lassen, wie es ist: Es ist eines der größten Reformpakete der letzten Jahrzehnte, wenn es um die Pflege geht.

Ich darf noch einmal dieses Gesamtpaket mit den drei wesentlichsten Blöcken umreißen, nämlich einerseits Maßnahmen für Pflegeberufe, zum Zweiten Maßnahmen, die die Pfle­geausbildung betreffen, und zum Dritten – ganz wesentlich auch für mich persönlich – Maßnahmen, die die pflegebedürftigen Menschen und pflegende Angehörige betreffen.

Ich komme zuerst zum Pflegeberuf. 520 Millionen Euro wird der Bund für höhere Gehäl­ter unserer Pflegekräfte zur Verfügung stellen. 520 Millionen Euro – das ist umgerechnet ein Monatsgehalt pro Pflegekraft auf das Jahr gesehen. Ich glaube, das ist etwas, vor dem man sich tatsächlich nicht verstecken muss. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wird, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, ab dem 43. Lebensjahr eine weitere Entlastungswoche geben, ganz unabhängig davon, wann jemand in den Beruf eingestie­gen ist, und es wird Zeitguthaben in Form von 2 Stunden pro Nachtdienst für die Nacht­schwerarbeit geben. Es wird Kompetenzerweiterungen geben, wie sie Kollege Ebner bereits angesprochen hat. Das ist also alles zusammen etwas, was den Pflegeberuf un­mittelbar erleichtern und attraktiver machen soll.

Bei der Ausbildung tun wir etwas. Die Pflegelehre ist bereits angesprochen worden. Ja, auch ich bin ein großer Befürworter dieser Pflegelehre, weil wir diese Lücke zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr schließen, in der uns bisher junge Damen und Herren für die Pflege einfach verloren gegangen sind, weil sie in andere Berufsbilder gegangen sind. Mindestens 600 Euro wird in Zukunft jede und jeder als Ausbildungszuschuss be­kommen, wenn er sich in Pflegeausbildung befindet, mindestens 1 400 Euro Umsteiger


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oder Wiedereinsteiger in den Pflegeberuf. Auch das sind Zahlen, die sich sehen lassen können und vor denen man sich nicht verstecken muss.

Sehr geehrte Damen und Herren, der dritte wesentliche Block betrifft die Pflegebedürfti­gen und pflegende Angehörige. Es ist heute auch schon gesagt worden, dass vor allem auf Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und demenziellen Erkrankungen ein Hauptaugenmerk gelegt wird, indem die Pflegestufe erhöht wird. Wir haben die Pflege­karenz, die von jetzt einem Monat auf drei Monate angehoben wird. Es wird Pflegekurse für Angehörige geben. Und es wird vor allem aus Gründen der Wertschätzung jeder pflegenden Person, die ein Familienmitglied zu Hause betreut, ab 2023 1 500 Euro An­gehörigenbonus geben. 80 Prozent der zu Pflegenden werden zu Hause betreut. Das kann man gar nicht oft genug sagen und hoch genug wertschätzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es vorhin schon gesagt: Natürlich ist es Aufgabe der Opposition, Dinge kleiner zu machen und zu sagen, dass wir noch mehr Dinge noch rascher brauchen. Wenn man sich aber die Liste der zuständigen Minister anschaut, dann waren es in den letzten 14 oder 15 Jahren im­merhin elf Jahre lang SPÖ-Minister, die für die Pflege zuständig waren. Das muss an dieser Stelle schon auch einmal gesagt werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Bevor da jetzt Rufe aus ihrer Ecke kommen (Bundesrätin Hahn: Na ja, die darf man wohl machen, oder?): Ich meine das weder zynisch noch angriffig. Was ich damit ausdrücken will, ist, dass die Herausforderungen, die wir in der Pflege haben, kein Problem der So­zialdemokratie sind, auch kein Problem der ÖVP oder der Freiheitlichen. Es ist kein stei­risches Problem, es ist kein Kärntner Problem, es ist unser aller Problem, es ist ein ös­terreichisches Problem, und wir müssen das gemeinsam stemmen.

Einige Länder haben da schon Vorleistungen erbracht. Ich drehe mich um (in Richtung Schriftführung): Günter Kovacs hat einiges erwähnt.  Ich bin nicht in allem einer Mei­nung mit dir, aber da wurde bereits etwas getan. So ist es zum Beispiel auch in der Steiermark gelungen – du hast es angesprochen, Elisabeth Grossmann –, einen einma­ligen fraktionsübergreifenden – und das Parteienspektrum in der Steiermark ist relativ spannend und reicht von der KPÖ bis hin zu den Freiheitlichen – Schulterschluss zu­stande und auf den Weg zu bringen. Das ist vor allem unserem Landeshauptmann Her­mann Schützenhöfer, der Landesgesundheitsreferentin Bogner-Strauß, Toni Lang und unseren Kollegen von der SPÖ zu verdanken. Wir wollen in Zukunft in der Steiermark vor allem die mobile Pflege und die Pflege zu Hause gegenüber der stationären for­cieren.

Ich möchte schön langsam zum Ende kommen. Der Ärztemangel ist angesprochen wor­den. Ja, da dürfen wir nicht wegschauen. Da haben wir da und dort große Probleme, ich spreche lieber von Herausforderungen. Es sind aber schon großteils wirklich regionale Probleme, von denen wir da reden, und regionale Unterschiede, denn alles in allem – ich habe mir die Zahlen vorhin noch besorgt – waren bundesweit Ende 2021 97,4 Pro­zent der Allgemeinmedizinerstellen besetzt und 97,05 Prozent der Facharztstellen.

Wir haben da regional große Unterschiede. Und ja, man hat damit zu kämpfen, dass man junge Kolleginnen und Kollegen in die Regionen hinausbekommt und dort auf Kas­senstellen setzt. Es ist aber nicht ganz so schlimm, wie es oft dargestellt wird, was uns jedoch nicht daran hindern wird, dass wir die Ärmel aufkrempeln, dass wir alles daranset­zen müssen, neben der Pflege auch den Arztberuf noch viel attraktiver zu machen. Der Herr Bundesminister hat aber bereits angesprochen, dass das nicht nur eine Aufgabe der Regierung ist, sondern vor allem auch eine Aufgabe der der Ärztekammer gemein­sam mit den Sozialversicherungen übertragenen Selbstverwaltung. Auch da gibt es schon Maßnahmenpakete mit 45 ganz konkreten Vorschlägen, die von den Stakehol­dern erarbeitet worden sind, um dem Ärztemangel entgegenzutreten.


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Ich darf jetzt wirklich zum Schluss kommen und hätte eine Bitte: Ja, wir haben definitiv Luft nach oben. Ja, wir haben große Herausforderungen, vor denen wir stehen, und ja, wir sind in den letzten Jahren, und da war Corona natürlich ein Brandbeschleuniger, in den Spitälern, in den Pflegeheimen an unsere Grenzen gestoßen und teilweise darüber hinaus geraten. Aber ja, ich erlebe jeden Tag, wenn ich nicht gerade in Wien, sondern im Spital bin, großartige Krankenschwestern und Krankenpfleger, die jeden Tag mit un­endlich viel Herzblut, mit unheimlichem Engagement, mit einer unheimlich großen Empa­thie und Liebe zum Menschen kranke Patientinnen und Patienten und multimorbide Alte betreuen.

Ich habe erst letztens mit einer Schwester im Nachtdienst gesprochen. Die hat mir ge­sagt, dass es oft unglaublich schwierig ist und sie manchmal daran denkt, alles hinzu­schmeißen. Machen wir aber bitte nicht alles schlecht und reden uns nicht selber klein! Wir haben gemeinsame Herausforderungen zu stemmen. Mit diesem Paket ist ein ers­ter mehr als großer Wurf gelungen. Ich darf mich da auch bei Ihnen bedanken, Herr Bundesminister, und bei der gesamten Bundesregierung. (Bundesrätin Schumann: Bei der Gewerkschaft, bei der Sozialdemokratie! – Bundesrätin Grimling: Sagen wir Sozial­partner!) Gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter, Bundesländer, Gewerkschaft, Bun­desregierung, dann wird es uns gelingen, diesen Beruf von einem Mangelberuf wieder zu einem Traumberuf zu machen, wie Kollege Ebner gesagt hat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.55


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses.


14.56.02

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsi­dentin! Werter Minister! Sehr geehrte Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat! Heute ist der Tag der Pflege. Die Pflege ist in den letzten Jahren stark vernach­lässigt worden, und es sind zahlreiche Fehlentscheidungen getroffen worden. Wer in der Pflege arbeitet, muss auch dafür geschaffen sein, denn sie ist nicht nur körperlich, son­dern auch psychisch anspruchsvoll.

Ein weiterer Aspekt ist der ständige Personalmangel, der der Grund für 181 leerstehende Pflegebetten im Bezirk Gmunden ist. Rückblickend lässt sich feststellen, dass im Jahr 2016 das letzte Mal für alle Pflegebetten in Oberösterreich auch das nötige Perso­nal zur Verfügung gestanden ist.

Fakt ist, dass die Politik vom Reden ins Tun übergehen muss. Die Pflegestrategie des Bundes wird ständig von den Sozialministern verzerrt. Es wurden Kriterien eingeführt wie zum Beispiel, dass man eine Matura benötigt, um eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft absolvieren zu können. Deshalb wird Schwarz-Blau in Oberösterreich tätig und er­arbeitet eine eigene Fachkraftstrategie, um rasch mehr Personal für den Pflegeberuf gewinnen zu können. Als erste Maßnahme wird es ab kommendem Jahr für Kursteilneh­mer statt 2 000 Euro im Jahr 400 Euro monatlich geben, um den ersten Schritt in einen neuen Beruf zu erleichtern. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt sehr viele Schwachstellen in unserem Pflegesystem. Ich habe mit einer betroffe­nen Pflegekraft gesprochen. Die Patienten, vor allem ältere und pflegebedürftige Pa­tienten, müssen immer länger im Krankenhaus bleiben, da es an Kurzzeitpflege- und Heimplätzen mangelt. Zusätzlich wird der Personalmangel immer mehr spürbar. Das noch vorhandene Personal kann nicht nachbesetzt werden und es muss eine immense Anzahl an Überstunden geleistet werden. Folglich können die gesetzlichen Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Der Dienst endet um 19 Uhr, beginnt am nächsten Tag um 6 Uhr und ist unattraktiv. Die Pflege der Patienten kann oftmals nicht so durchgeführt


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 95

werden, wie es sein sollte. Für Gespräche oder kurze Spaziergänge mit den Patienten gibt es keine Zeit mehr. Ein weiterer Aspekt: Aufgrund des extremen Dokumentations­stresses sitzt das Pflegepersonal teilweise stundenlang vor dem PC, es bleibt oftmals keine Zeit für wichtige Pausen. Das alles sind nur einige Beispiele dafür, dass die Rah­menbedingungen verbessert gehören.

Abschließend darf ich festhalten: Die Ausbildung zur Pflegekraft muss durch den Bund besser finanziert werden, und die Ansprüche müssen auch gesenkt werden. Kein Mensch benötigt für die Pflege eine Matura. Da muss sich schleunigst etwas ändern, damit neues Pflegepersonal nachkommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm das Wort.


14.59.58

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Alle Vorredner haben bestätigt, dass die­ses Reformpaket schon längst fällig war. Was sehen wir, wenn wir das Rad der Zeit zwei Jahre zurückdrehen, welche Stationen hat das Pflegepersonal durchgemacht? – Zuerst beklatscht, dann bedroht und jetzt mehr als überlastet. Es ist positiv, dass etwas passiert und das betroffene Personal auch eine finanzielle Entschädigung für den großen Auf­wand, den es tagtäglich für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger leistet, bekommt. Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung der Pflege und ein positives Zeichen, wie ich bereits gesagt habe. Eines aber muss uns klar sein: Damit ist der Pflegenotstand nicht beseitigt, sondern besteht weiterhin.

Ich muss Kollegen Kornhäusl bei seiner euphorischen Verkündigung ein bisschen ein­bremsen, denn man sollte die ganze Sache von zwei Seiten betrachten, denke ich. Ich hoffe, dass ich Ihnen, Herr Bundesminister, zu dem, was Sie in den 20 Punkten, die sicher sehr gut angesetzt sind, etwas kritisch gesehen haben, noch ein bisschen mit auf den Weg geben kann, wie man da in Zukunft noch nachschärfen und weitere Problemfel­der erfassen sollte.

Es ist sehr schön, dass die Beschäftigten jetzt in diesen zwei Jahren mehr Geld für die Pflege erhalten. Wie schaut es aber nach diesen zwei Jahren aus? Verdienen sie dann wieder weniger oder wird dieser Bonus dann auf den Dienstgeber abgewälzt und somit eine massive Mehrbelastung für die Dienstgeber entstehen?

Es ist super und sicherlich angebracht, dass für den aufwendigen Dienst auch eine zu­sätzliche Entlastungswoche zur Erholung der Bediensteten eingeführt wird. Das unter­stützen wir voll und ganz. Im Pflegeheim meiner Gemeinde gibt es 100 Bedienstete. Das bedeutet 100 Wochen Pflegearbeit zusätzlich. Was machen wir mit den 100 Wochen? Um den Pflegeschlüssel einzuhalten, wird es notwendig sein, dafür Ersatzkräfte anzu­stellen. Für 100 Wochen sind das jetzt einmal ungeschaut zwei Vollzeitarbeitskräfte. Die kosten den Verband wieder sehr viel Geld. Bekommen wir das auch vom Bund, wenn er jetzt diese Woche einführt, als Entlastung der Sozialhilfeverbände und sämtlicher Heim­betreiber? (Beifall bei der SPÖ.)

Das Gleiche: Wir stehen ebenfalls voll hinter der Entlastung für die Nacht- und Schwer­arbeit. Bei zwei Stunden Zeitguthaben erhebt sich für mich die gleiche Frage wie bei der zusätzlichen Erholungswoche: Wie wird das für den Arbeitgeber ausgeglichen? Ich denke nicht, dass es im Sinne des Erfinders wäre, dass man diese Zeitguthaben dann wieder auf das bestehende Personal verteilt und es so wieder mehr belastet, denn dann ginge der Schuss nach hinten los und brächte wieder nichts.


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Ich hoffe, dass für die 24-Stunden-Betreuung im Herbst ein gutes Paket geschnürt und dabei auch die mobile Pflege nicht vergessen werden wird, die beide in unserer Gesell­schaft eine sehr wertvolle Arbeit erbringen.

Und jetzt noch ein bisschen aus der Praxis. Ich habe bereits den Sozialhilfeverband in meiner Gemeinde erwähnt. Wie schaut es derzeit aus? Wir sind in den Sozialhilfever­bänden am Limit. Wir sind auch bei den Pflegeheimen am Limit, die von Privaten betrie­ben werden. Wir haben zu wenig Betten, wir haben zu wenig Personal und wir haben zu wenig Geld.

Am Kärntner Beispiel: Wir haben mit fast 50 Prozent die höchste Sozialhilfeumlage in Österreich. Wir haben im vergangenen Jahr im Bezirk die Sozialhilfeumlage für die Ge­meinden um 50 Prozent erhöhen müssen, damit wir das aufgrund von Corona, wech­selndem Personal und Teuerung nötige Budget wenigstens notdürftig haben stemmen können. Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, rückwirkend für 2022 die Umlage für die Ge­meinden noch einmal um 100 Prozent zu erhöhen. Für manche Gemeinden wird das nicht mehr finanzierbar sein. Damit wurden wir in den Gemeinden und Ländern leider alleingelassen.

Ich könnte jetzt problemlos zur nächsten Thematik, zu den Preissteigerungen überleiten. Die Lebensmittel für den Heimbetrieb wurden um 20 Prozent teurer. Die Energiekosten im Heimbereich – Heime müssen 12 Monate im Jahr beheizt werden, damit die Tempe­ratur in den Heimen passt – sind exorbitant gestiegen. Bei Umbauarbeiten gibt es zurzeit mit 30 Prozent maximale Erhöhungen. Das ist von den Verbänden nicht mehr finan­zierbar.

Ich habe bereits gesagt, dass der Pflegenotstand mit der Entschädigung noch nicht zu Ende ist. Auch in der Ausbildung haben wir Alarmstufe Rot, und es ist höchste Eisen­bahn, da etwas zu tun. Ich habe das schon Ihren Vorgängern gesagt, und das ist Ihnen ja auch nicht unbekannt: Bis 2030 sind 80 000 zusätzliche Pflegekräfte erforderlich. Es bleibt zu hoffen, dass Menschen durch diesen ersten Schritt der Pflegereform dazu ani­miert werden können, sich künftig diesem Beruf zu widmen.

Geld ist aber nicht alles. Was wünschen sich die zu Pflegenden eigentlich? – Eine wert­schätzende und liebevolle Pflege. Die ist aber nur dann möglich, wenn dafür genügend Zeit vorhanden ist, und das ist zurzeit, bei diesem Personalstand, leider nicht der Fall. Vonseiten des Personals wird gewünscht, mehr Zeit für die Pflege aufbringen zu können, um die Wertschätzung der zu Pflegenden auch spüren zu können. Aber auch die zu Pflegenden haben es sich verdient, nicht am Fließband abgefertigt zu werden.

Daher, Herr Bundesminister, ist diese Reform ein erster guter Schritt, es müssen aber weitere folgen, um den Herausforderungen in den nächsten Jahre gerecht werden zu können. Pflege darf nicht gewinnorientiert betrieben werden, und die Spielregeln sollten für alle gleich gelten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.07


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, wollte ich sagen.

Frau Kollegin Steiner-Wieser. – Bitte. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, ich wollte nur auf die Kollegin aufmerksam machen!) – Ach so. (Bundesrätin Schartel tritt ans Redner­pult.)


15.07.37

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Ich möchte jetzt auch ein bisschen auf die Reform eingehen.

Erstens einmal finde ich, dass wir bei der Thematik Pflege die Dinge zu sehr vermischen. Man unterscheidet nicht zwischen Krankenschwestern und Krankenpflegepersonal und


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jenem Personal, das ältere oder chronisch kranke Menschen betreut. Da gibt es sicher­lich von den Herausforderungen, von den Bedürfnissen her sehr große Unterschiede. Wenn wir wirklich einmal von einer Pflegereform sprechen sollten, dann gehört für mich in erster Linie dazu, dass es eine verbesserte gesetzliche Regelung für den Betreuungs­schlüssel gibt. Das ist nämlich das größte Problem, dass heute eine pflegende Person oft für bis zu 14, 15 Menschen verantwortlich ist. Es ist einfach unmenschlich, was man diesen Menschen zumutet! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann, Herr Minister, ganz, ganz dringend: Es gehört verboten, dass Pflegeheime Invest­mentprodukte sind. Das kann doch bei uns nicht so sein, dass man mit dem Leid von Menschen Renditen macht! Das wäre eine ganz wichtige Reform, damit man tatsächlich von einer Pflegereform sprechen könnte.

Das, was Sie jetzt machen, ist eine Anerkennung. Diese ist richtig und wichtig. Es ist auch höchste Zeit dafür. Nur hat es gedauert und ist eben leider zu spät. Ich kann mich erinnern, dass wir damals, als ich im Landtag war, 2015, bereits ein umfassendes Paket zur Thematik Pflege eingebracht haben. Damals haben wir bereits den Antrag gestellt, dass wir gemäß dem Vorbild Schweizer Modell den Lehrberuf Pflege einführen. (In Richtung ÖVP:) Ihr habt Nein gesagt, (in Richtung SPÖ:) ihr habt Nein gesagt, alle haben immer Nein gesagt, und jetzt stellt sich Herr Ebner hierher ans Rednerpult und sagt, wie super die Pflege als Lehre ist und dass das endlich und Gott sei Dank kommt. Ihr könnt also dazulernen, und das finde ich super und gut.

Herr Kornhäusl hat jetzt gerade die Steiermark so gelobt und gesagt, wie super und toll dort alles ist. Ich weiß nicht: Hat er vergessen, dass vor 14 Tagen die zuständige Lan­desrätin Bogner-Strauß einen vernichtenden Bericht des Landesrechnungshofes erhal­ten hat? – „Unzureichende Vorbereitung auf den demografischen Trend“, „Fehlender Gesamtüberblick der zuständigen Abteilung 8 über die Pflege- und Sozialbetreuungsbe­rufe“, „Äußerst intransparente budgetäre Darstellung von weiten Teilen des Pflegeberei­ches“, „Fehlende Informationen zum aktuell bestehenden und künftigen Pflege- und Be­treuungskräftebedarf“ und so weiter, und so weiter. Also, Herr Kornhäusl, ich finde, wenn Sie sich hierherstellen und sagen, wie super alles ist, dann sollten Sie – das muss ich wieder einmal sagen – bei der Wahrheit bleiben! (Beifall bei der FPÖ.)

15.10


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Kollegin Schartel – weil ich vorhin Ihren Namen nicht ausgesprochen habe.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Als Nächstes gelangen wir zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Da der Herr Bundesminister erst in einer Viertelstunde kommt, müssen wir die Sitzung unterbrechen.

Ich unterbreche die Sitzung.

15.11.28*****

(Die Sitzung wird um 15.11 Uhr unterbrochen und um 15.25 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!


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Zum zweiten Mal begrüße ich Herrn Bundesminister Dr. Magnus Brunner bei uns. Herz­lich willkommen bei uns im Plenum! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.26.00Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Öster­reich" (4011/J-BR/2022)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dring­liche Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Christoph Steiner.


15.26.31

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Ich war heute Vormittag kurz ein bisschen geschockt, weil Sie so aufbrausend und so gereizt waren. Das kennt man von Ihnen nicht, Herr Finanzminister. Ich will jetzt keine Mutma­ßungen anstellen, woran das liegt, wahrscheinlich hat es ein wenig mit Vorarlberg zu tun, aber ich weiß es ja nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Herr Finanzminister! Nun aber zum ernsten Thema dieser Dringlichen Anfrage, und zwar zur massiven Teuerungswelle in Österreich. Ich muss ganz ehrlich sagen, Herr Brunner: Ich bin geschockt, aber eigentlich eher massiv enttäuscht von Ihnen, denn das so wich­tige Finanzministerium in einer Zeit wie dieser derart chaotisch zu führen, ist wirklich schockierend.

Ich weiß ja nicht, woran das liegt. Sie haben heute gesagt, wir im Bundesrat könnten nicht rechnen. Wir wissen schon: In Vorarlberg rechnet man in Inseraten, aber wir rech­nen noch mit ganz normalen Zahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Steuerzahler rechnen mit normalen Zahlen, denn die Staatsbürger in Öster­reich können sich das minimalste Leben nicht mehr leisten, und der Finanzminister, in diesem Fall Sie, Herr Brunner, verdient Milliarden mit dem Leid unserer Bürger im Land.

Ich habe mir immer gedacht, denn ich kenne Sie ja schon längere Zeit: Herr Brunner ist im Gegensatz zu allen anderen ÖVPlern zumindest einer mit ein wenig Anstand gegen­über den Bürgern. Ich muss das revidieren, ich muss meine Meinung revidieren: Herr Brunner, getäuscht habe ich mich, massiv getäuscht habe ich mich. Sie haben gleich wie Ihre Freunderl keinen Genierer und greifen mit beiden Händen in die Taschen der durch diese Regierung ja schon genug gebeutelten österreichischen Bevölkerung. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Täuschen und tarnen, verblenden, belügen, fladern, kassieren – das ÖVP-Parteipro­gramm, zusammengefasst in sechs Worten. Sie, Herr Minister, ziehen dieses Programm ohne Rücksicht auf Österreich durch, ganz nach dem Motto: Koste es die Österreicher, was es wolle, wir müssen schließlich unsere leeren Kassen wieder füllen – die leeren Kassen, die Kassen, die durch Ihre katastrophale, chaotische Coronapolitik leergefegt wurden. (Beifall bei der FPÖ.)

Seit der Gründung der Zweiten Republik hatten wir noch nie einen solch riesengroßen Schuldenberg wie unter Schwarz/Türkis-Grün.


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Selbst Kreisky, liebe Kollegen von den Sozialisten, hätte wahrscheinlich zwei Klone ge­braucht, um derart viele Schulden aufzunehmen. Diese – wie auch immer man diese Regierung nennen will – verspielt, ganz ohne zu denken, ohne Hirn und vor allem ohne Hausverstand die Zukunft unserer Kinder, jener Kinder, die für euren – jetzt hätte ich bald noch Scheiß gesagt, sage ich natürlich nicht –, die nichts dafür können, diese Kin­der büßen dann in Zukunft.

Wenn es für die Zukunft nicht so dramatisch wäre, wenn es für die Zukunft nicht derart schlimm wäre, könnte uns von der Opposition diese Regierung ja völlig egal sein. Uns könnte auch egal sein, ob ihr euch koalitionsintern die Köpfe einschlagt, ob ihr euch mit den Grünen gegenseitig fertigmacht, ob sich die ÖVP in den eigenen Reihen mit Intrigen und dergleichen gegenseitig zerfleischt, ob ihr noch 25 Minister austauscht, die dann irgendwo in Staatsbetrieben recycelt werden müssen – bei der Elli hat es ja jetzt nicht so gut funktioniert, die hat es auch versucht, bei den Österreichischen Bundesforsten. Na, da hat dann der Chef von den Bundesforsten gesagt: Nein, nein, wir machen das schon mit Ausschreibung, und dafür ist sie nicht qualifiziert, weil es halt doch einen aka­demischen Grad braucht. – Jetzt hat es halt bei der Elli nicht geklappt, aber es klappt bei genug anderen ÖVPlern.

Uns ist es aber nicht wurscht, was ihr momentan mit unserem Land aufführt, denn es geht da um die Zukunft, es geht um die Zukunft unserer wunderschönen Heimat Öster­reich, und das müsst ihr euch als Regierung halt ein für alle Mal merken, und wenn ihr nicht versteht – und da seid ihr als Bundesräte genauso gemeint –, dass es um die Zu­kunft unseres Landes geht, dann bitte, tut uns einen Gefallen und tretet allesamt zurück und macht doch den Weg frei für Neuwahlen, denn dann kann der Bürger und der Sou­verän entscheiden, wie er Vertrauen und Misstrauen in dieser Republik neu verteilt! (Bei­fall bei der FPÖ.)

Derzeit haben wir halt diese Regierung, die mit Chaos herrscht, wo es eigentlich Ord­nung braucht; wir haben Instabilität, wo es stabile Verhältnisse braucht, und Unsicher­heit, wo Sicherheit das Gebot der Stunde wäre. Aber wir wissen ja mittlerweile: Auch eure Unterschrift – auch Ihre Unterschrift, Herr Brunner – ist nichts wert, rein gar nichts wert! Ihr habt allesamt euren Rücktritt unterschrieben, wenn euer Säulenheiliger, der Sebastian, die Segel streicht.

Jetzt schauen wir uns einmal diesen Fresszettel an, denn die Unterschriften sind ja das Papier nicht wert, auf dem ihr unterschrieben habt! (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Jetzt schauen wir uns einmal diesen Zettel an, Herr Brunner, was steht denn da? – „Aus tiefster demokratischer Überzeugung stellen wir als Bundesministerinnen und Bundesminister der Republik Österreich hiermit klar: Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschließlich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben.“

Jetzt schauen wir uns einmal an, wer da vom Team Sebastian, vom Team Kurz, vom türkisen Freunderlnetzwerk, aller unterschrieben hat: Da haben wir einmal ganz oben Gernot Blümel – gut, den können wir jetzt ausstreichen (den Namen durchstreichend), der hat zumindest seinen Rücktritt gemacht, ob er wollte oder nicht, er ist halt einmal geflohen.

Dann haben wir noch Universitätsprofessor Heinz Faßmann – der musste gehen, den wollte der Karli Nehammer nicht mehr haben (den Namen durchstreichend).

Dann haben wir noch Elli Köstinger – Elli Köstinger ist jetzt auch gegangen, warum auch immer (den Namen durchstreichend), vielleicht weil der Basti am Tag davor gesagt hat, dass er nie wieder in die Politik geht.

Dann haben wir noch Frau Dr. Margarete Schramböck, sie hat auch toll unterschrieben – sie wollte ja noch bleiben, somit ist ihre Unterschrift auch nichts wert, musste aber dann


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doch gehen, weil der tolle Karli Nehammer gesagt hat: entweder – oder (den Namen durchstreichend).

Dann haben wir noch ein paar Übrige (die Namen einringelnd): Jetzt haben wir noch Karoline Edtstadler, Universitätsprofessor Martin Kocher, Mag. Alexander Schallenberg, Frau Raab, Mag. Klaudia Tanner, Karl Nehammer himself – und Sie, Herr Brunner. Jetzt frage ich mich, was die Unterschrift auf diesem Fresszettel von Ihnen und den restlichen Überbleibseln dieser Truppe wert ist? – Nichts, rein gar nichts! Deswegen sind auch Ihre Versprechen, die Sie der österreichischen Bevölkerung geben, nichts wert. Das ist Ihre Politik. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber dem ja nicht genug, wird jetzt diese Regierung der Chaoten auch noch zulasten – und das muss man sich jetzt einmal vorstellen – des Steuertopfes umgebildet. Uns wird ja erklärt, wir haben ein Ministerium eingespart, und weil wir vormittags beim Rechnen waren – wir können rechnen (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner), der österreichische Staatsbürger kann auch rechnen, Herr Brunner: Jetzt haben wir einen Minister weniger, dafür plus zwei Staatssekretäre. Was bedeutet das jetzt für den Steuerzahler? Sie sind der Herr Finanzminister! Ein Minister kostet uns im Monat 18 752 Euro, ein Staatssekretär mit Aufgaben kostet uns im Monat 16 876 Euro, das heißt, zwei Staatssekretäre kosten uns 33 752 Euro. Mitten in der größten Teuerung kostet uns dieses Konvolut unfähiger ÖVP-Wasserträger (Bundesrat Buchmann: Hal­lo! – Bundesrätin Zwazl: Was?!) und jene, die man halt noch gefunden hat, die sich dieser Regierung noch anhängen wollten – es war eh schwer genug, jemanden zu fin­den –, um satte 200 000 Euro mehr als zuvor, und das mitten in der höchsten Inflation, die wir in Österreich je hatten. Also: Wir hätten diese 200 000 Euro in Österreich weitaus sinnvoller investieren können als in zwei Staatssekretäre, die ja nichts weiterbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann werden sie groß gefeiert als Staatssekretäre für das und das. – Diese Staats­sekretäre sind Ihnen zugeteilt (in Richtung Bundesminister Brunner), die Hauptaufgabe der Staatssekretäre ist, Sie zu vertreten. Sie wissen das ja selber, Sie waren ja lang genug Staatssekretär bei Frau Gewessler. Was haben denn Sie alles tun dürfen? Nichts haben Sie tun dürfen, natürlich, nichts ist passiert! (Bundesminister Brunner: In den Bundesrat hab ich dürfen!)

Und dann frage ich mich: Wo ist er denn eigentlich nach dem ganzen Wahnsinn? Wo ist er denn, der Herr Bundespräsident? Sascha, rauchender Held des grünen Anstandes, wo bist du, wenn dich der Anstand und die Republik brauchen?! (Bundesrätin Schu­mann auf Bundesrat Obrecht deutend : Da!) Ein verantwortungsvoller Bundespräsi­dent hätte diese Versager allesamt entlassen müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

Sascha, Säulenheiliger grüner Moralisten und Besserwisser, es ist an der Zeit, deine Zigarette auszudämpfen und mit der Arbeit zu beginnen! Guten Morgen, Herr Bundes­präsident! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Aber es ist ja kein Wunder, dass man sich bei dem ÖVP-Chaos nicht um die brennenden Fragen und Themen und Bedürfnisse der Österreicher kümmern kann. Es wird halt nicht reichen, Herr Minister Brunner, wieder einmal ein paar Köpfe auszutauschen. Das ein­zige Mittel, das hilft, ist und bleibt Hashtag: Diese Regierung muss weg!, so schnell wie möglich (Beifall bei der FPÖ) – natürlich abgesehen von – und das muss ja bleiben, denn als Partei wird sie ja weiter bestehen – einer Impfpflicht gegen Korruption bei euch in der ÖVP.

Man denke nur an den Saubermann (in Richtung Bundesminister Brunner) – Sie werden wissen, wen ich meine, Ihren Landesparteichef – aus Vorarlberg. Landeshauptmann Wallner vulgo Inseratenkeiler hat sich gestern einem Misstrauensantrag stellen müs­sen – oh Wunder, oh Wunder, er hat ihn überlebt. Und warum hat er ihn überlebt? – Weil


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die grünen Moralisten wieder einmal umgefallen sind, damit sie in Vorarlberg am Trog der Macht bleiben und in der Bundesregierung am Trog der Macht bleiben. Traurig für Österreich ist jedoch, dass diese Regierung, obwohl sie unfähig ist, nicht und nicht von der ach so geilen Macht ablassen will. Für eine ordentliche Regierung, für eine wahrlich ordentliche Regierung, die dem Souverän zu dienen hat, gäbe es ja genug Arbeit, weit­aus genug Arbeit: diese Kostenlawine endlich zu stoppen und eine ehrliche, eine wirklich ehrliche Entlastung für Österreich sicherzustellen.

Und wie, Herr Finanzminister, entlastet man eigentlich am schnellsten? – Indem man das Produkt, das die Bürger am dringendsten benötigen, billiger macht. Ich glaube ja nicht einmal, Herr Finanzminister, dass Sie wissen, was momentan ein Stück Butter kos­tet. Wissen Sie das? (Bundesminister Brunner: Ich weiß es!) Wie viel? Wie viel? (Bun­desminister Brunner: Ich gehe viel einkaufen! Gehst du auch einkaufen?) Wie viel? – So, er weiß es nicht. Er sagt zwar, er weiß es, aber kann mir keine Zahl nennen. (Bun­desrat Buchmann: Herr Kollege ... Unterbrechung!) Ich sage es Ihnen, Herr Minister: Im letzten Jahr kostete ein Stück Butter 1,39 Euro, letztes Jahr im Mai. (Rufe bei der ÖVP: Wo?! Wo?! Wo?! – Bundesrätin Miesenberger: Das war eine Aktion!) Heute kostet das gleiche Stück Butter 2,50 Euro. Das ist eine satte Erhöhung von 80 Prozent. Das heißt für den Finanzminister natürlich eine Mehreinnahme an Steuern von satten 80 Prozent. Und wenn Sie „Wo?“ rausschreien: Im ganz normalen Geschäft, nicht im Feinkostladen, wo Sie einkaufen, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ.)

Außerdem: Speiseöl plus 30 Prozent, Fleisch plus 40 Prozent, Toilettenartikel plus 45 Pro­zent und so weiter, und so weiter.

Ich frage mich wirklich: Wann sind die Österreicher genug geschröpft? Wann lässt diese Regierung von Österreich endlich ab? Jetzt würde halt das Motto zählen – aber das wollen Sie ja nicht, wir wissen es eh –: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Diese Regierung jedoch, und das ist das Schlimme, opfert nun den Wohlstand Österreichs den eigenen Klimautopien. Ihr wollt uns in die E-Mobilität treiben und treibt uns alle stattdessen in eurer vollen Verblendung in die Armut! (Beifall bei der FPÖ.)

Unser freiheitliches Entlastungspaket spricht eine klare, ehrliche und vor allem entlas­tende Sprache. Bei Treibstoffen: erstens sofortige Rücknahme der asozialen CO2-Steu­er; ab Juni 10 Cent mehr – das ist mitten in der Inflation ein Wahnsinn. Zweitens: weniger Steuern auf Sprit und endlich einen Preisdeckel – andere Länder in der EU haben es vorgemacht – für Kraftstoffe.

Nächster Überpunkt: Energiekosten. Erstens: sofortige Kostenhalbierung bei Öl und Gas. Keine Scheinentlastungen, Herr Minister, von lächerlichen 125 Euro bei der Elektri­zitätsabgabe, keine schwindligen Rohrkrepierergutscheine von lachhaften 150 Euro, die wir ja jetzt bräuchten, aber nächstes Jahr eventuell dann bekommen.

Viertens: Schluss mit den Lügen bei der Kostenexplosion bei der Energie, denn jetzt können wir es vorrechnen: Strom, Altvertrag: 800 Euro. Schließe ich jetzt einen Neuver­trag ab, kostet er mich 1 485 Euro. Das sind plus satte 603 Euro. Beim Gas, da ist es noch schlimmer: Altvertrag 1 397 Euro. Schließe ich jetzt einen Neuvertrag ab, zahle ich plötzlich 2 754 Euro. Das sind satte 1 350 Euro mehr. Und ich frage mich: Was bringt dann dieser lächerliche 150-Euro-Gutschein, Herr Finanzminister? (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Brunner, was machen wir, wenn es zu unterjährigen Vertragsanpassungen kommen wird? Das heißt, all jene, die jetzt noch einen alten Vertrag haben, werden dann auch auf die Stufe der Neuverträge gestellt. Das nennt man unterjährige Vertragsanpas­sungen.

Jetzt wird es Zeit, einmal mit der Lüge aufzuräumen, der Ukrainekonflikt wäre an all diesen Kostenexplosionen schuld. Das stimmt nicht. Was kostete uns eine Megawatt­stunde Strom im letzten Jahr? Das kann man ganz einfach auf den Internetseiten der Stromanbieter nachschauen. Im zweiten Quartal 2021 kostete uns eine Megawattstunde


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Strom 57,35 Euro. Im dritten Quartal 2021 78,41 Euro. Im vierten Quartal 2021 schon 126,56 Euro, und im ersten Quartal dieses Jahres schon 258,58 Euro. Das sind 200 Euro mehr in nicht einmal einem Jahr, und in diesem Zeitraum, Herr Minister, war keine Rede von einem Ukrainekonflikt. Das ist wieder einmal eine Überführung und eine glatte Lüge der Regierung und der Medien! (Beifall bei der FPÖ.)

Man fragt sich als Österreicher dann schon zu Recht, warum der Verbund, der ja zu 51 Prozent – Sie werden es wissen, Herr Finanzminister – den österreichischen Steuer­zahlern gehört, 2020 einen Nettogewinn von 631 Millionen Euro macht, 2021 dann einen Nettogewinn von 874 Millionen Euro und 2022 – und jetzt genau zuhören! – einen kol­portierten Nettogewinn von bis zu 2 Milliarden Euro, also 143 Prozent mehr als vor zwei Jahren! Erklären Sie das einmal den österreichischen Steuerzahlern! Denn anstatt diese unverschämten Gewinne den Österreichern zurückzugeben, wird man sich dann wahr­scheinlich hinstellen und Boni auszahlen: Boni an die Geschäftsführung, Boni an die Aufsichtsräte. Wir wissen, wie die aufgeteilt sind: ein bisschen was Schwarzes, ein biss­chen was Rotes und ein, zwei Grüne. Zum Schämen ist so eine präpotente Regierung, wie Sie es sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es geht ja noch weitaus schlimmer. Ihr seid ja als Bundesregierung auch nicht in der Lage, und ich weiß jetzt ja nicht, wer da der Ansprechpartner ist – sind Sie das als Finanzminister, oder ist es die Frau Super-Gewessler? –, keine Ahnung, auf jeden Fall seid ihr alle nicht in der Lage – endlich einen innerösterreichischen Energiekostenaus­gleich mit euren Landesregierungen auszuverhandeln, denn die EVN und die Wien Ener­gie haben zu wenig Strom, müssen daher sauteuren Strom auf dem internationalen Markt – sauteuren Atomstrom im Übrigen! – auf dem internationalen Markt zukaufen. (Bundesrat Lackner: 20 Minuten sind genug!) Die Tiwag hat zu viel grünen Wasserkraft­strom und verkauft diesen spottbillig am internationalen Markt.

Herr Minister, so etwas ist doch himmelschreiend! So etwas ist himmelschreiend und mehr – ich sage es jetzt, wie es ist – als bescheuert. Bei uns in Tirol würden wir sagen, das geht ja auf keine Kuhhaut mehr, was da aufgeführt wird. (Beifall bei der FPÖ.) Die einen haben zu wenig Strom, die anderen haben zu viel – im selben Land! Die einen kaufen im Ausland, und die anderen verkaufen ihn ins Ausland, und Sie als Bundesre­gierung schauen tatenlos zu! Aber was will man schon erwarten von euch? Was will man erwarten? Das sind halt die ganz normalen Vorgänge, die ohne Hausverstand in Öster­reich eingeleitet werden, und es ist halt leider einmal so. Damit müssen wir leben, solan­ge diese Regierung in Amt und Würden ist.

Die dritte Säule unseres Entlastungspakets betrifft die Grundnahrungsmittel. Da braucht es halt einmal eine sofortige Senkung der Mehrwertsteuer, am besten: weg damit für diese Zeit! Dann braucht es endlich einen Preisdeckel, und was noch wichtiger wäre: Es braucht ein Einfrieren der Preise zu einem Stichpreistag. Warum? – Damit die Konsu­menten am nächsten Tag wissen, wie viel sie für das Kilo Nudeln zahlen müssen. Das ist ein Stichpreistag. (In Richtung Bundesminister Brunner:) Jetzt schauen Sie so, als ob Sie das das erste Mal gehört hätten. (Bundesminister Brunner: Stichpreistag? Stich­tagspreis meinst du!) In Großbritannien ist das genau so passiert, Herr Minister. Die ha­ben es uns vorgemacht, und es ist klar, dass das Leben in Österreich nicht zum Überle­benskampf werden darf.

Die vierte Säule unseres freiheitlichen Entlastungspakets ist die Säule Wohnen und Ver­kehr. Baukosten sind um 15 Prozent gestiegen, obwohl ja, und Sie wissen es alle genau, die Zulieferbetriebe voll sind. Das heißt jetzt: Zweitens braucht es eine Aussetzung der Anhebung der Richtpreissätze bei Mieten, denn diese werden schon im Juni um plus 6 Prozent schlagend. Gebühren rund ums Wohnen sofort runter!

Was sind denn die Hauptgebührentreiber beim Wohnen? – Wasser, Müll, Kanal. Wer sind die Spitzenreiter bei den Gebühren für Wasser, Müll, Kanal? – Natürlich die rot regierten


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 103

Bundesländer. Deshalb: Tut nicht so heuchlerisch, ihr von den Sozialisten, denn ihr treibt mit den Gebühren für Wasser, Müll, Kanal die Leute genauso weit in den Ruin, wie es Schwarz-Grün macht! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann gibt es noch die sozialen Wohnbauträger. Die sozialen Wohnbauträger brauchen endlich einen Deckel, damit mit dem Bauen von Penthousewohnungen Schluss ist. Ganz toll passiert ist das ja in Tirol. Da gibt es ja den geschassten ehemaligen Landeshaupt­mannstellvertreter Gschwentner, einen Sozialisten, der dann plötzlich Geschäftsführer bei der Neuen Heimat Tirol geworden ist. Das Erste, das er sich hat bauen lassen, war ein So­zialwohnblock mit einer tollen Penthousewohnung oben drauf (Zwischenruf der Bundes­rätin Zwazl) – so viel zu den heuchlerischen Sozialisten im ganzen Land. (Beifall bei der FPÖ.)

Also: Unser freiheitliches Entlastungsprogramm spricht eine klare, einfache, aber vor al­lem ehrliche Sprache für die österreichische Bevölkerung. Das Programm der Regierung jedoch ist, wie diese Regierung selbst, eine einzige Katastrophe. Ihr seid schwach, unfähig, noch dazu korrupt und einzig und allein auf eure Vorteile bedacht. Die Bürger sind euch halt – es ist so – schlichtweg wurscht. (Bundesrätin Zwazl: He! He!) Euer Energiegut­schein ist ein Flop, euer Energiekostenausgleich ist lächerlich, eure CO2-Abgabe ist Ab­zocke all jener Bürger, die das Auto dringendst brauchen und aufs Auto angewiesen sind.

Dem allen nicht genug, setzt ihr mit eurer ExpertInnen- - – damit ich das Binnen- oder das Gender-I nicht vergesse (demonstrativer Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie Bravoruf der Bundesrätin Schumann), nein, nein, ich würde es nicht sagen, wenn es nicht in der Regierungsvorlage stehen würde; da braucht ihr von den Sozis jetzt nicht so auf- und niederzuhüpfen; alles gut, alles gut! (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, also mit eurer ExpertInnengruppe setzt ihr dem Kasperl der Lächerlichkeit noch die Krone auf.

Ich darf zitieren – das kommt von Ihnen, Herr Finanzminister, und vom Gesundheitsmi­nister –: „Vortrag an den Ministerrat [...], Expert:innengruppe zur Beobachtung und Ana­lyse der Inflationsentwicklung. [...] Die Gruppe soll folgende Aufgaben haben: Monitoring der Inflationsentwicklung und deren volkswirtschaftliche Auswirkungen, Identifikation und Beobachtung von Inflationstreibern sowie Analysen über die Funktionalität der Märk­te, Entwicklung von Gegenmaßnahmen im Sinne der Bundesverfassung, also mit dem Ziel eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und nachhaltig geordneter Haushal­te“. – Das ist das Programm der österreichischen Bundesregierung. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Es hat Platz auf drei Seiten, wobei es sehr groß, mit vielen Abständen geschrieben ist – hat Platz auf zweieinhalb Seiten. Das ist das Programm der österreichischen Bundesregierung gegen die Teuerung und die Inflation. Das heißt, man bildet einen Sitzkreis, wenn man nicht mehr weiter weiß. Wissen Sie, was man mit so einem Programm macht? – Man zerreißt es und wirft es in den Mistkübel. (Der Redner zerreißt das Schriftstück. – Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Aber lesen Sie es! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich weiß ja nicht, wie schlecht es unseren Bürgern noch gehen muss, damit Sie endlich Ihre Ämter ein für alle Mal verlassen. Damit dem Leiden der Österreicher ein Ende ge­setzt wird, wird mein Kollege heute noch einen Antrag auf das Aussprechen des Miss­trauens gegenüber der gesamten österreichischen Bundesregierung einbringen. Ich ha­be auch gehört, die SPÖ wird dabei sein. Schauen wir einmal! Ich hoffe, es klappt dann. Angeblich gibt es heute hier herinnen eine Mehrheit.

Zum Schluss noch: Keine Sorge! Ich sage nicht mehr: Schleichts euch! Das werde ich nicht mehr sagen, sondern ich denke es mir jetzt einfach. Stattdessen sage ich: Bitte gehen Sie leise und schnell, äußerst leise und flott! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.54

15.54.34*****



BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 104

Vizepräsident Günther Novak: Da ich aufgefordert worden bin, darauf aufmerksam zu machen, dass die Redezeit zu lange ist: In diesem Fall gibt es kein Limit, für den Erst­redner gibt es kein Limit.

Ich möchte aber einen Ordnungsruf aussprechen, Herr Kollege Steiner, für „fladern“, plündern, „ohne Hirn“, „Versager“, „Impfpflicht gegen Korruption“, „schwach“ (Bundesrat Steiner: „Schwach“?), „unfähig“, „korrupt“ und „Lüge“. (Bundesrat Steiner: Ja, aber „schwach“?)

Im Gesamten gesehen wären es noch mehr, aber einer reicht. Ich habe es ja schon vorhin einmal gesagt: Der Würde des Hauses entspricht dieser Sprachgebrauch nicht.

*****

Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


15.55.25

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Bundesräte! Ja, da muss man durchatmen, wenn man Herrn Kollegen Steiner zuhört, aber gut. Seine Art der Rundumschläge und das Niveau spre­chen, glaube ich, für sich.

Ich danke ihm aber sehr, dass er das Thema Teuerung angesprochen hat. Am Anfang habe ich nicht ganz gewusst, ob er jetzt wirklich über Teuerung oder über anderes redet, aber das Thema Teuerung steht ja auf der Tagesordnung, sodass wir das Thema im Bundesrat diskutieren können, weil es ein sehr wichtiges Thema ist, weil es den Men­schen wichtig ist. Es ist Ihnen wichtig und es ist natürlich auch der Bundesregierung sehr wichtig.

Wenn ich heute Vormittag vielleicht etwas zu emotional war, dann ist das daran gelegen, dass gewisse Zahlen verwechselt worden sind. Das macht mich dann doch etwas ner­vös. Im Sinne einer Versachlichung werde ich mich aber in deinem Sinne (in Richtung Bundesrat Steiner) bemühen, jetzt wieder etwas ruhiger aufzutreten.

Diese Teuerungsfrage, ja, ist die größte Herausforderung, die wir momentan haben. Wir brauchen Antworten, auch in der Politik, auf diese drängendsten Fragen, und wir müssen diese Antworten vor allem – und das ist schon auch wichtig – auf allen politischen Ebe­nen suchen. Ich darf Sie daher wirklich um Unterstützung bitten, alle politischen Ebenen zu sensibilisieren, natürlich auch in den Bundesländern, denn in manchen Bundeslän­dern kommt es, wie Kollege Steiner gesagt hat, zu Gebührenerhöhungen, die die Lage noch zusätzlich verschärfen.

Bisher – zumindest zum allergrößten Teil, ausgenommen Heizkostenzuschüsse, die na­türlich Sache der Bundesländer sind – war es die Bundesregierung, die die Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gesetzt hat. Es ist schade, dass es zu einem großen Teil nur die Bundesregierung war, weil da doch alle an einem Strang ziehen sollten. Gerade in dieser aktuellen Situation, glaube ich, bräuchte es dringend einen Grundkonsens über alle Gebietskörperschaften hinweg.

Vor allem sollte man diese Diskussion aus meiner Sicht auch seriöser führen. Wenn ich beispielsweise die Ankündigung eines sehr östlichen Bundeslandes hernehme, in dem Maßnahmen erst im September ergriffen werden, die dann noch dazu nicht einmal rechtskonform sind, dann finde ich, ist das schon auch hinterfragenswert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt nicht auf all die Punkte eingehen, auf die man natürlich eingehen könnte. Nur: Zwei Dinge lassen mir keine Ruhe, erstens die Mehrwertsteuersenkung auf Lebens­mittel. Das ist natürlich eine Maßnahme, die besonders Besserverdienenden hilft, das


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ist nicht wahnsinnig treffsicher. Das sagen natürlich auch alle Ökonominnen und Öko­nomen, alle Wirtschaftsexperten, nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt.

Das Zweite ist ein Preisdeckel, den Sie erwähnt haben, Herr Kollege Steiner. Den gibt es in zwei Ländern: in Ungarn und in Slowenien. In Slowenien war er auf 30 Tage, bis zur Wahl, befristet. (Bundesrat Steiner: England!) – Das ist kein Mitglied der Europäi­schen Union. In Ungarn kommt es bei den Tankstellen zu einer Verknappung, und es ist Treibstoff nicht mehr erhältlich. (Bundesrat Spanring: Ja, weil unsere hinüberfahren zum Tanken, weil unsere hinüberfahren zum Tanken! Bitte ehrlich sein!) Das war dann der Ausfluss des Preisdeckels. Also ich glaube, diese zwei Beispiele sprechen für sich und nicht gerade für den Sinn eines Preisdeckels. (Bundesrat Spanring: Ja, richtig, weil unsere müssen ...!)

Also aus meiner Sicht braucht es zwei Dinge – Herr Kollege, wenn Sie mich weiterspre­chen lassen würden –: erstens ein Miteinander von allen Gebietskörperschaften, so wie das auch während der Pandemie der Fall war. Es braucht, bitte, auch keine Diskussio­nen, wer nun stärker betroffen ist: Sind es die privaten Haushalte? Ist es die Wirtschaft? Ist es die Industrie? Sind alle betroffen? Das hilft nicht weiter, weil die aktuellen Ent­wicklungen wie gesagt uns alle treffen, und wir alle sind auch gefordert. – Das ist das eine.

Zum Zweiten braucht es einen kühlen Kopf und eine ruhige Hand, Herr Kollege Steiner. Vor allem der kühle Kopf, glaube ich, ist in diesen Zeiten gefragt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.) Es braucht weniger Aufgeregtheit – da hast du vollkommen recht – und dafür etwas mehr an Seriosität. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.) Man muss sich nämlich schon seriös anschauen, welche Maßnahmen, die auf dem Tisch gelegen sind, welche Auswirkungen haben.

Weil du die ExpertInnengruppe so lächerlich machst: Es ist natürlich schon erforderlich, dass man jede Maßnahme analysiert: Welche Auswirkungen hat sie auf welche Einkom­mensgruppe, auf die Volkswirtschaft? Es ist, glaube ich, unser Job in der Politik, das seriös zu prüfen, weil manche Vorschläge kontraproduktiv sind und sogar die Inflation noch weiter antreiben würden. Also das seriös zu überprüfen, glaube ich, ist schon nach­vollziehbar.

Darum schauen wir uns diese Dinge auf jeden Fall seriös an – Mehrwertsteuersenkung und andere Forderungen habe ich bereits erwähnt –, die Maßnahmen müssen nämlich treffsicher sein. Sie müssen zielgerichtet sein und eben nicht mit der Gießkanne verteilt werden, die man mit manchen Maßnahmen auspacken will, die du auch, lieber Herr Kol­lege Steiner, vorhin erwähnt hast. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Wir erleben in Europa gerade einen doppelten Schock. Nach der Covid-Krise hemmt jetzt auch der Krieg in der Ukraine. Ja – du hast recht – es ist nicht nur der Krieg in der Ukraine, der die Preise angetrieben hat. Das war vorher schon auf dem Weg. Wir haben ja deswegen vor der Ukrainekrise Gott sei Dank bereits das erste Paket beschlossen, und deswegen sind wir auch schneller als fast alle anderen europäischen Mitglied­staaten.

Jetzt komme ich zum Inflationsthema, weil das ja eigentlich das Entscheidende ist. Vor ein paar Wochen haben die Experten noch gemeint, das ist eine hohe Inflation, die tem­porär ist und dann wieder zurückgeht. Das hat sich natürlich jetzt auch aufgrund der Situation in der Ukraine geändert, und wir werden mit einer höheren - - (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, du hast es vielleicht schon früher gewusst. Alle anderen Wirtschaftsexperten auf der Welt haben es nicht gewusst, aber okay. (Heiterkeit bei Bun­desrätInnen der ÖVP.) Dann ist es schade, dass du es ihnen, den Herren Professoren Felbermayr und anderen, nicht gesagt hast. (Bundesrat Steiner: Na, wir haben es Ihnen doch gesagt!) – Nein, die längere Phase der Inflation: Hast du gewusst, dass die Inflation


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länger hoch bleibt? (Bundesrat Steiner: Hunderte Male haben wir es gesagt!) – Aha, okay, dann bist du auf der Welt eigentlich der einzige Experte, der das gewusst hat. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Der Kampf gegen die Inflation – vielleicht darf ich dir das auch noch sagen – ist Aufgabe der Zentralbanken. (Bundesrat Spanring: Na, na, na, na, na!) Man muss auch zwischen Inflation auf der einen Seite und den darauf folgenden Preissteigerungen unterscheiden. (Bundesrat Spanring: Das ist nur ein Teil der Wahrheit!) – Ah, stimmt es nicht, dass die Zentralbanken die Kompetenz haben? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Span­ring.) Dann schicke ich dir Frau Präsidentin Lagarde vorbei, die dir das dann auch er­klären wird. Also in Europa ist es die Zentralbank, in den USA ist es die FED. Der Un­terschied zu den USA übrigens ist, dass die eine wesentlich höhere Kerninflation haben und deswegen auch andere Maßnahmen setzen können. Bei uns ist es sehr stark, zu über 50 Prozent, energiepreisgetrieben. Entsprechend unterschiedlich müssen natürlich auch die Maßnahmen sein, die von den Zentralbanken getroffen werden.

Es geht bei den Maßnahmen natürlich auch darum, die wirtschaftliche Erholung nicht abzuwürgen. Das ist das eine. Das andere – und das ist das Einzige, bei dem ich dir recht gebe –: In deiner Rede hast du erwähnt, dass die Schuldenstände zu hoch sind. – Ja, insbesondere die unserer südlichen Nachbarn. Deswegen hat die Europäische Zen­tralbank ja so wenig Spielraum, und deswegen – ja, da gebe ich dir recht – müssen wir zuerst die Budgets mittelfristig wieder in den Griff bekommen, um nachhaltige Budgets in allen Ländern, auch in Österreich, zu erreichen. (Bundesrat Steiner: Wer hat der Schuldenunion zugestimmt? Wer hat der Schuldenunion zugestimmt?) Ich hoffe, dass ihr dann auch mitstimmt, wenn wir wieder in die Richtung gehen können, nachhaltige Budgetpfade, nachhaltige Fiskalpolitik in Österreich auf den Weg zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Wer hat der Schuldenunion zugestimmt?)

Damit komme ich zu den Maßnahmen, die wir in Österreich treffen können. Ja, der Staat kann helfen, er kann die Preissteigerungen abfedern. Das kann er tun. Er kann nicht zu 100 Prozent jede Krisensituation kompensieren, die auf der Welt vorhanden ist, aber – und das tun wir – er kann die Preissteigerungen abfedern. Der Staat muss dort, wo es notwendig ist, helfen, ja, und die schlimmsten Auswirkungen auf die Bevölkerung, auf die Wirtschaft entsprechend abfedern.

Wo stehen wir in Österreich? – Wir sind wesentlich schneller als die anderen Mitglied­staaten der Europäischen Union gewesen. Während andere noch diskutieren – ich habe es heute schon einmal gesagt –, wann die Maßnahmen im jeweiligen Parlament disku­tiert werden –, diskutieren wir schon ganz konkrete Maßnahmen im Bundesrat, und es sind auch schon einige Maßnahmen beschlossen worden: zwei Pakete, 4 Milliarden Eu­ro – wir haben das schon öfters erwähnt –, 1 Prozent unseres BIPs. Das entspricht dem Tiroler Landesbudget, lieber Kollege Steiner, das ist die Größenordnung, über die wir da sprechen. (Bundesrat Steiner: Schon hundertmal gehört!) – Ja, aber ich muss es noch einmal sagen, weil es anscheinend nicht angekommen ist. (Bundesrat Steiner: Ja, aber das macht es nicht besser!) Während andere auch für ein paar Monate befristen, ma­chen wir es längerfristig, bis Mitte nächsten Jahres. Auch das ist ein großer Unterschied. Geschwindigkeit, Volumen und Dauer sind in Österreich größer als in anderen Mitglied­staaten. Der Vergleich ist also durchaus nachvollziehbar. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Jetzt gehe ich nicht mehr auf die einzelnen Maßnahmen ein, die wurden heute schon öfters erwähnt. Die Steuerreform – das ist schon erwähnenswert – entfaltet jetzt gerade ihre Wirkung. Die Senkung der zweiten Tarifstufe haben wir ja vorgezogen. Dazu gab es im Verfahren einen Hinweis der Sozialdemokratie. Das war gut. Das haben wir vorgezo­gen und rückwirkend mit 1.1.2022 in Kraft gesetzt, damit die Menschen gleich entspre­chend entlastet werden.


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Zur Expertengruppe – das muss ich schon noch sagen, weil dazu ja auch ein paar kon­krete Fragen in der Anfrage gestellt worden sind –, von Ihnen belächelt: Da sitzen wirk­lich Expertinnen und Experten aus allen Bereichen drinnen: aus der Nationalbank, aus dem Fiskalrat, aus der Sozialpartnerschaft. Dieser Austausch ist, glaube ich, im Sinne einer seriösen Beurteilung, einer seriösen Politik sehr, sehr wichtig. Das ist uns wichtig, und wir werden genau hinschauen: Wie ist die Inflation genau beschaffen? Welche Warenkörbe sind wie beschaffen? Im Sinne der Seriosität ist so eine Analyse natürlich notwendig, weil Politik immer faktenbasiert sein muss und nicht einfach populär und po­pulistisch sein kann.

Wir nehmen auch Maßnahmen unter die Lupe – auch Maßnahmen dieser Expertinnen- und Expertengruppe –, die in die Struktur gehen: Stichwort kalte Progression. Ich bin regelrecht begeistert. Noch vor einigen Monaten war es anders, da waren weder die Freiheitlichen noch die Sozialdemokraten für die Abschaffung der kalten Progression. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Das stimmt, es ist nachvollziehbar. Ich verstehe es ja auch, weil sich die Situation geändert hat und die hohe Inflation eben längerfristig bleibt. Ich bin begeistert, dass die Diskussion jetzt in eine andere Richtung geht und wir jetzt seriös über die Abschaffung der kalten Progression diskutieren können. Auf diese Diskussion freue ich mich. Auch da ist aber Seriosität gefragt, auch da kann man nicht einfach von heute auf morgen sagen: Wir schaffen die kalte Progression ab!, weil es unterschiedliche Modelle gibt, die unterschiedliche Kosten verursachen. Da sind wir wieder bei der Verschuldung, Kollege Steiner. Es gibt Modelle, die jährliche Anpas­sungen vorsehen, es gibt Modelle, die ab einer bestimmten Inflationshöhe, ab einem bestimmten Prozentsatz der Höhe eine Anpassung vorsehen. Es gibt also unterschiedli­che Modelle, die man vernünftig, fair und solide diskutieren muss.

Es geht nämlich nicht immer nur um die schnellste Schlagzeile, um populistische und populäre Forderungen, sondern es geht schon darum, langfristig das Richtige zu tun und unseren Wirtschaftsstandort und auch die Bevölkerung in dieser schwierigen Situation bestmöglich zu entlasten. (Bundesrat Spanring: ... Inserate!)

Jetzt komme ich zur Beantwortung der konkreten Fragen. Sehr geehrter Herr Kollege Steiner, ich würde jetzt Ihre konkreten Fragen beantworten. – Danke.

Zur Frage 1:

Die Reduktion der Umsatzsteuer auf Benzin und Diesel ist unionsrechtlich, Kollege Stei­ner, nicht zulässig. Eine Reduktion der Mineralölsteuer ist nur in geringem Ausmaß, bis zum europäischen Mindestniveau, zulässig. Noch einmal: 15 Cent beim Benzin, 8 Cent beim Diesel. Die Kollegin, die heute die Zahlen verwechselt hat, ist jetzt leider nicht da. (Bundesrat Steiner – auf die ihren Sitzplatz einnehmende Bundesrätin Schartel wei­send –: Da ist sie ja!) – Ah ja, jetzt ist sie da. Danke.

Aufgrund der komplexen Preisgestaltung im Treibstoffsegment wäre jedoch nicht sicher­gestellt, dass eine spürbare Entlastung tatsächlich an die Endabnehmer weitergegeben wird. Darüber hinaus würde ein Anteil der Entlastungen im Zuge des Tanktourismus ins Ausland abfließen.

Für Pendler wird es eine Erhöhung des Pendlerpauschales um 50 Prozent und eine Ver­vierfachung des Pendlereuros und auch einen negativsteuerfähigen Betrag von 100 Eu­ro für Geringverdiener geben. Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung im Bereich des Verkehrs werden noch geprüft.

Die Erhöhung der Pendlerpauschale und des Pendlereuros entspricht laut einer Analyse des Budgetdienstes im Parlament einer Entlastung von rund 30 Cent pro Liter Benzin beziehungsweise Diesel und damit deutlich mehr als dem Doppelten von dem, was bei einer MÖSt-Senkung rechtlich möglich wäre.


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Zur Frage 2:

Wie bereits erwähnt wurden im Rahmen der ökosozialen Steuerreform Vorkehrungen getroffen, dass die Menschen nicht zusätzlich durch die einsetzende CO2-Bepreisung belastet werden. Das Volumen der Ausgleichsmaßnahmen übersteigt dabei die Einnah­men der CO2-Bepreisung bereits im ersten Jahr deutlich. Die ökosoziale Steuerreform ist als Gesamtpaket zu sehen, in dem auch die CO2-Bepreisung einen wesentlichen Be­standteil darstellt.

Zu den Fragen 3 und 6:

Die getroffenen Maßnahmen bei der Elektrizitätsabgabe, der Erdgasabgabe und der Er­neuerbaren-Förderpauschale, des Erneuerbaren-Förderbeitrags sorgen für deutlich bessere Verteilungs- und Lenkungseffekte im Bereich der Energieversorgung. Generell bieten isolierte Umsatzsteuersenkungen wenig bis keine soziale Treffsicherheit und stel­len daher eine tendenziell teure und ineffektive Finanzierungsform zur Schaffung von Lenkungseffekten dar.

Dies gilt insbesondere für den Lebensmittelbereich, zumal Besserverdiener anteilig mehr für Nahrungsmittel ausgeben und von einer Umsatzsteuersenkung daher besonders profitieren würden. Überdies unterliegen Grundnahrungsmittel bereits einem reduzierten Steuersatz von 10 Prozent. Die Auswahl eines weiteren Warenkorbs würde für zusätzli­che Komplexität sorgen.

Zur Frage 4:

Seitens der Bundesregierung ist bereits eine Vielzahl von unterstützenden Maßnahmen gegen die aktuelle Teuerung beschlossen worden. Dazu zählt für den Bereich der beson­ders Betroffenen, der sogenannten vulnerablen Gruppen  das sind beispielsweise Be­zieher von Leistungen der Arbeitslosenversicherung, Haushalte mit Sozialhilfebezug oder Ausgleichszulagenbezieher –, etwa der Teuerungsausgleich in der Höhe von 300 Euro. Die Auszahlungen haben zum Teil bereits stattgefunden beziehungsweise be­finden sie sich gerade in Abwicklung.

Zur Frage 5:

Im Rahmen der eingerichteten Expertengruppe finden derzeit breit angelegte Diskus­sionen über mögliche weitere Maßnahmen gegen die Teuerung statt. Zur Frage von au­tomatischen Inflationsanpassungen darf ich jedoch darauf verweisen, dass etwa Aus­gleichszulagen, Pensionen oder das Pflegegeld auf Basis gesetzlicher Grundlagen schon jetzt einer automatischen Inflationsanpassung unterliegen und hinsichtlich des Ar­beitslosengeldes derzeit Diskussionen über eine grundsätzliche Reform der jetzigen Ausgestaltung stattfinden.

Zur Frage 7:

Es werden unterschiedliche Maßnahmen zur Entlastung von Bürgern und Unternehmern geprüft. Natürlich werden in diesem Zusammenhang auch mögliche Senkungen der Lohnnebenkosten mitbetrachtet. Gleichzeitig eruieren wir die Auswirkungen weiterer struktureller Maßnahmen, wie die Abschaffung der kalten Progression. Wie bereits ein­gangs erwähnt, wird daher die Expertengruppe zur Beobachtung und Analyse der Infla­tionsentwicklung diese Maßnahmen entsprechend beurteilen.

Zur Frage 8:

Österreich hat die durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufene Krise dank umfangrei­cher, rascher Hilfe gut gemeistert. Die jüngst veröffentlichten, guten Arbeitsmarktdaten für April, mit dem niedrigsten Aprilwert seit zehn Jahren, zeigen die Wirkungen der Hilfs­maßnahmen, aber auch die Resilienz der österreichischen Wirtschaft. Darüber hinaus


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sind wir natürlich regelmäßig im Austausch, welche Maßnahmen insbesondere in mei­nem Wirkungsbereich notwendig und adäquat sind.

Zur Frage 9:

Die Bundesregierung hat beim Ausbruch der Krise sehr rasch reagiert und den Unter­nehmen überlebenswichtige Liquidität zur Verfügung gestellt, um unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze zu schützen. Seither haben wir die verschiedenen Hilfsinstrumente laufend an die Entwicklung der Pandemie und an die Rückmeldungen der Unternehmen angepasst und sie so noch treffsicherer gestaltet.

Die Cofag hat sich bei der Abwicklung der Anträge als sehr effizienter und auch verläss­licher Partner der Unternehmen erwiesen und hat für die schnellstmögliche Überprüfung der Anträge und Auszahlung der Förderungen gesorgt. Es ist noch möglich, Anträge bis Ende September dieses Jahres zu stellen, darüber hinaus ist die Cofag als Fördergeber mit dem Rückforderungsmanagement betraut. Derzeit gibt es daher keine Überlegun­gen, die Gesellschaft aufzulösen.

Zu den Fragen 10 und 14:

Gemeinsam mit unseren Partnern sowohl in der Europäischen Union als auch darüber hinaus wurden weitgehende Sanktionen beschlossen, die die Russische Föderation schwächen. Klar ist für uns, dass die Sanktionen Russland immer härter treffen müssen als uns selbst. Das ist natürlich auch bei potenziellen weiteren Sanktionspaketen, zum Beispiel bei einem etwaigen Gasembargo, zu berücksichtigen.

Die Rückwirkung der Sanktionen auf Österreich lässt sich aufgrund der Komplexität nicht separieren und noch schwerer prognostizieren. Aktuelle Zahlen zeigen jedoch anhand des schweren Einbruchs der russischen Wirtschaft die Wirksamkeit. Da eine Fortsetzung des Krieges in der Ukraine jedenfalls den größten Schaden erzeugt, sind die Sanktionen auch ein wirtschaftlich angemessenes Mittel zur Verkürzung der russischen Aggression gegen die Ukraine.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen leicht nach unten revidiert, nichtsdestotrotz rechnet zum Beispiel das Wifo für heuer nach wie vor mit einem robus­ten Wachstum von 3,9 Prozent. Entlang dieser konjunkturellen Veränderungen entwi­ckeln sich auch die Steuereinnahmen, wobei die hohe Volatilität der geopolitischen Si­tuation natürlich auch eine hohe Unsicherheit bei den Prognosen mit sich bringt. Dassel­be gilt für die Ausgaben für den Arbeitsmarkt beziehungsweise für die Ausgaben des Wirtschaftsministeriums.

Zur Frage 11:

Die Bundesregierung bekennt sich auf nationaler und auch auf europäischer Ebene zu nachhaltigen öffentlichen Finanzen, um, wie aktuell notwendig, ausreichend Spielräume für die Krisenbewältigung zu haben. Eine dauerhafte Vergemeinschaftung öffentlicher Verschuldung steht mit diesem Ziel nicht im Einklang.

Zur Frage 12:

Die erste Sitzung fand am 25. April im Finanzministerium statt. An dieser Sitzung nah­men die Bundesminister für Finanzen und für Soziales, Pensionen, Gesundheit und Kon­sumentenschutz, Sozialpartner und Experten teil. Diese Sitzung diente vor allem als ers­ter allgemeiner Austausch zur aktuellen Situation und den Herausforderungen möglicher Maßnahmen. Seit dieser Sitzung erfolgte ein intensiver Austausch auf dieser Experten­ebene. Ein erster Bericht wird voraussichtlich in den kommenden Wochen vorliegen.

Zur Frage 13:

Die erste Diskussion mit den Experten am 25. April war ein sehr guter und auch kons­truktiver Austausch, der dazu beigetragen hat, ein gemeinsames Verständnis zur aktuel­len Fakten- und Sachlage zu bekommen.


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Zur Frage 15:

Ja, es hat eine interministerielle Abstimmung stattgefunden, wobei die Federführung beim Außenministerium liegt.

Zur Frage 16:

De facto gibt es bereits aktuell keine Öllieferungen aus Russland. Die Diversifikation der Quellen für Öl ist auch angesichts der moderaten Größenordnungen machbar und auch leistbar. Erste Abschätzungen von Wirtschaftsforschern gehen von geringen Auswirkun­gen auf die österreichische Volkswirtschaft aus.

Zur Frage 17:

Die Preisdynamik und Volatilität auf den Ölmärkten ist bekanntermaßen hoch und wird von verschiedenen Kräften beeinflusst. Der Saldo der Effekte ist aber schwer abschätz­bar.

Damit bedanke ich mich für die Anfrage, für die Diskussion über das sehr wichtige Thema der Teuerung und wünsche eine hoffentlich sachliche Diskussion. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.16


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm das Wort.


16.17.14

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuschauer vor den Bildschirmen! Das war ein guter Einwurf, Frau Kollegin Schumann, wenn die Sozialdemokratie als erstes, wenn es um Teuerung geht, sagt: Aber bitte nicht zu lange reden! (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wir stehen für die Bevölkerung da und werden selbstverständlich unsere Stimme erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Zuhörer vor den Bildschirmen! Meine Damen und Herren! Ja, Österreich ist von einer tsunamiartigen Teuerungswelle betroffen, die unzähligen Menschen Sorgen und Ängste bereitet, Menschen auch in die Armut treibt. Die Menschen wissen nicht mehr, wie sie ihr Leben finanzieren sollen und sind dadurch entsprechend von Existenz­ängsten geplagt. Nach zwei Jahren unsäglicher Chaospolitik in Bezug auf Corona müs­sen sie die letzten Ersparnisse aufbrauchen und beim Essen entsprechend sparen, da­mit sie sich vielleicht in den Wohnungen die Heizungen leisten können und nicht frieren müssen.

All diese Menschen in unserem Land sind Opfer der Unfähigkeit dieser Versagensre­gierung. Sie haben die Pensionisten genauso im Stich gelassen wie jene Menschen, die unser Land aufgebaut haben. Sie haben die Familien und Alleinerzieher im Stich gelas­sen, die auf ihren Beruf angewiesen sind, um sich mit ihrem geringen Einkommen das extrem verteuerte Leben entsprechend leisten zu können. Es sind die Menschen, die durch Ihr verantwortungsloses Chaosmanagement in Coronaangelegenheiten vielleicht auch ihre Arbeit verloren haben und um die Zukunft fürchten müssen, weil sie finanziell am Ende sind.

Während die Armut in unserem Land von Tag zu Tag größer wird und wächst, ist es, wenn man Ihnen, Herr Minister, zuhört, so, als wäre alles eitel Wonne, als wäre alles toll in unserem Land. Sie gehen jetzt gegen die Teuerungswelle genau so vor wie Ihr un­rühmlicher Vorgänger gegen Corona: Koste es, was es wolle, und: Eigentlich ist die


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Situation ja eh gar nicht so schlimm. – So klingt das. Wenn man das hört, wie Sie das heute gebracht haben – Sie haben ja alle möglichen Maßnahmen aufgezählt, ich werde auf die Beantwortung der Fragen entsprechend eingehen –, dann ist es einfach so, dass man sagen muss, dass Sie die Situation nicht erkannt haben. Sie haben die Situation überhaupt nicht erkannt!

Wenn Sie sagen, dass Kollege Steiner auf einem Niveau spricht, das diesem Haus nicht zuträglich ist (Bundesrat Köck: Da hat er voll recht!), dann kann ich Ihnen eines sagen (Bundesminister Brunner: ... hat Präsident gesagt, nicht ich!) – na, Sie haben von Ni­veau gesprochen und Sie haben sehr wohl von einem Level gesprochen (Zwischenrufe bei der ÖVP): Wir Freiheitliche sind lieber die Stimme des Volkes – und ich will bei Ihnen noch einen ganz anderen Sprachgebrauch anmahnen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir sind nicht die Stimme der Lobbyisten, wir sind nicht die Stimme der Korrup­tionisten  Herr Kollege Himmer, zu Ihnen komme ich eh noch , sondern wir sind für die Menschen da.

Eines, Herr Finanzminister, sage ich Ihnen auch: Wenn Sie wie Ihr Vizekanzler Kogler sagen, die Menschen sollen einen kühlen Kopf bewahren, so ist das in dieser Situation nicht schwer, denn sie haben eh kein Geld mehr, um die Heizung verwenden zu können. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Raggl.Ja, ja, Herr Kollege, es ist toll! Ja, Herr Raggl, es ist toll, dass es 30 Grad hat, ja, aber es ist so, dass die Men­schen diese Teuerungswelle im Gegensatz zu Ihnen als ehemaliger Präsident schon seit Monaten spüren.

Wenn wir von der Inflation reden, Herr Finanzminister, dann erinnere ich an Ihren Vor­gänger Blümel, ja. Der hat uns auch erklärt, dass die Inflation nur 3 Prozent ausmacht, als wir Freiheitliche bereits von 4,5 Prozent bis 5 Prozent gesprochen haben. Er hat da auch immer kalmiert. Er hat auch bei den Gemeindefinanzen, da waren wir auch herin­nen, immer kalmiert, er hat gesagt, die Ertragsanteile sind ja überhaupt kein Problem. Wir haben auf die Situation aufmerksam gemacht.

Also ganz so ist es nicht, sondern Sie versuchen schon immer, das alles schönzureden. Das haben Sie auch heute gemacht. Das ist nämlich diese Wahrnehmungsstörung in Bezug auf die Realität und die damit verbundene Empathielosigkeit. Dieser dürfte wohl auch geschuldet sein, dass Sie in trauter Einigkeit mit ÖVP, Grünen und SPÖ, aber auch mit den NEOS unseren Zwölfpunkteplan, um der Teuerung entgegenzuwirken, bis heute noch immer abgelehnt haben. (Bundesminister Brunner: Haben wir schon umgesetzt!)  Nein, nein, nein! Ja, bitte, das, was Sie umgesetzt haben, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, das ist ja keine Entgegnung der Teuerungswelle. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn Sie hier heute sagen, wir Freiheitliche waren gegen die Abschaffung der kalten Progression, dann darf ich Ihnen sagen, wir waren schon dafür, da wollte die ÖVP noch nicht einmal wissen, was das ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es gibt halt einen signifikanten Unterschied zwi­schen dieser Einheitspartei und der freiheitlichen Bewegung, denn wir sorgen uns halt auch um die Menschen in unserem Land und machen uns auch Gedanken um die Zu­kunft unserer Heimat (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) und leben nicht von Lippenbekenntnissen und leeren Worthülsen. Vor allem ist es bei Ihnen wahrscheinlich deswegen so, weil Sie alle viel zu sehr mit Ihrer eigenen Partei beschäftigt sind.

Wenn wir uns das vergegenwärtigen: Bei den NEOS ist es ja so, dass sie glauben, die vereinigten Staaten von Europa werden uns helfen, während bei den Grünen nicht der Mensch im Mittelpunkt steht: Die machen sich lieber Gedanken über die Klimaerwär­mung, während die Menschen im eigenen Land frieren müssen.

Bei der SPÖ ist es so, dass Sie jeden Tag alles Mögliche fordern – das kriegen wir sicher wieder mit Krokodilstränen vorgetragen –, während Sie in jenen Ländern, wo Sie die


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politische Verantwortung haben, beispielsweise in Wien oder in Kärnten, genau das Ge­genteil machen. Dort sind Sie nämlich für die Teuerungswelle im Energiebereich selbst verantwortlich (Beifall bei der FPÖ) und vor allem haben Sie bei Ihren eigenen Mitglie­dern auch nicht damit gespart, die entsprechenden Erhöhungen durchzusetzen.

Dann gibt es die ÖVP, die unser Land von Krise zu Krise führt, vom unsäglichen Corona­chaos mit all seinen finanziellen Auswirkungen über Russland, den Ukrainekonflikt  bei dem aufgrund unglaublich unqualifizierter Aussagen der höchsten politischen Vertreter sogar der neutrale Status unseres Landes infrage gestellt worden ist  und natürlich bis hin zur Teuerungswelle. Das Ganze ist immer gepaart mit Korruption, wobei der Sumpf von Vorarlberg bis Niederösterreich jeden Tag neue Irrsinnigkeiten freigibt und gleichzei­tig dem Rücktrittsfestival mittlerweile nahezu alle ursprünglichen Regierungsmitglieder zum Opfer gefallen sind.

Da habe ich vor Kurzem in einem Printmedium, ich benenne das jetzt so, die zwölf ÖVP-Korruptionsapostel gesehen. Die darf ich natürlich vorstellen, denn sie sind untrennbar mit dieser Unfähigkeit der Bundesregierung verbunden und haben auch untrennbar mit dieser Thematik heute zu tun. Ich werde das im Schnelldurchlauf machen.

Zu diesen zwölf Aposteln der Korruption gehören: Gernot Blümel, Ex-ÖVP-Minister, Er­mittlungen wegen Novomatic/Neumann und im Chat angesprochener Spende; Wolfgang Brandstetter, Ex-ÖVP-Vizekanzler und Ex-ÖVP-Minister, Ermittlungen wegen des Ver­dachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses; Bettina Glatz-Kremser, Ex-ÖVP-Partei­obmannstellvertreterin, Ermittlungen wegen Verdachts der Falschaussage im U-Aus­schuss; jetzt komme ich zum Kollegen, der sich zuvor zu Wort gemeldet hat, Harald Himmer, ÖVP-Mitglied des Bundesrates, Ermittlungen abgeschlossen und bereits rechtskräftige Anklage wegen Blaulichtfunk-Affäre als Alcatel-Generaldirektor; Sophie Karmasin, Ex-ÖVP-Ministerin, Ermittlungen wegen Beinschab-„Österreich“-Tool; Sebas­tian Kurz, Ex-ÖVP-Parteiobmann und Ex-ÖVP-Bundeskanzler, Ermittlungen wegen Ver­dachts der Falschaussage im U-Ausschuss und Beinschab-„Österreich“-Tool; Hartwig Löger, Ex-ÖVP-Minister, Ermittlungen in der Causa Casinos; Josef Pröll, Ex-ÖVP-Par­teiobmann und Ex-ÖVP-Vizekanzler, Ermittlungen wegen Untreueverdacht Casinos; Hans Jörg Schelling, Ex-ÖVP-Minister, Ermittlungen zu den Steuerinterventionen von Siegfried Wolf; Wolfgang Sobotka, ÖVP-Nationalratspräsident, Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch als Innenminister; Michaela Steinacker, ÖVP-Abgeordnete zum Natio­nalrat, Ermittlungen wegen Untreue und unerlaubter Vorteilsnahme; und August Wögin­ger, ÖVP-Klubobmann, Ermittlungen wegen Verdachts der Anstiftung zum Amtsmiss­brauch.

Wenn man sich das vergegenwärtigt, meine Damen und Herren, dann ist es aus ÖVP-Sicht ja geradezu verständlich, dass man zu sehr mit sich und täglich damit beschäftigt ist, die ÖVP-Politbomben zu entschärfen. (Bundesrat Spanring: Mafia!) Das lässt das heutige Vorgehen und diese Ohnmacht gegen die Teuerungswelle ja in ganz anderem Licht erscheinen. Natürlich ist es unmöglich, nebenher auch noch für dieses Land erfolg­reich zu arbeiten, dafür bleibt einfach keine Zeit mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher können wir uns jetzt schon ein paar Minuten Zeit für die Arbeit für dieses Land nehmen. Wenn wir zu den Fragen kommen, die wir an Sie gestellt haben, und Sie das so abtun und sagen: Na ja, Halbierung der Mehrwertsteuer ist EU-rechtlich nicht möglich, dass man sie ganz aussetzt, schon gar nicht, dann muss man schon sagen: Ja bitte, dafür sind Sie in diesem Amt, dass Sie es möglich machen – nicht dafür, dass Sie ständig erklären, was alles nicht geht, sondern dafür, dass Sie Lösungen finden, dass Sie als Finanzminister kreativ sind und vielleicht einmal zu Ihren Kollegen hinausfahren und sagen: Na ja, das Problem haben ja nicht nur wir, das haben ja auch andere Staaten, dem müssen wir entsprechend entgegensteuern. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir haben bei den Treibstoffen Teuerungen von bis zu 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gehabt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Sie als Finanzminister beim Diesel entsprechend ungefähr 49 Prozent bekommen, beim Benzin bis zu 54 Prozent und dass die Teuerung in diesem Zusammenhang natürlich auch für Sie mehr Geld bedeutet – eigentlich ausschließlich für Sie. Alle anderen müssen es eh bezahlen, aber das Finanz­ministerium, das lukriert Einnahmen und hat dadurch eigentlich einen großen Gewinn.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum Sie sich auf EU-Ebene nicht dafür einsetzen, dass es da zu einer Reduktion kommt. Wenn ich jetzt sehe, dass Ungarn und Slowenien sehr wohl Preisdeckelungen durchgeführt haben: Warum wäre das in Österreich nicht möglich gewesen? (Bundesminister Brunner: Weil es nicht funktioniert hat in Ungarn und Slowenien!) – Es hat sehr wohl funktioniert, wenn wir Slowenien hernehmen. Dort hat es sehr wohl funktioniert und es wurde auch entsprechend zeitlich limitiert.

Was wir aber entsprechend brauchen, das ist beim Pendlerpauschale genauso wie beim amtlichen Kilometergeld, ist, dass es zu massiven Erhöhungen kommt, denn jene, die tagtäglich auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, die haben die Situation, dass sie mit dem, was sie in ihrer beruflichen Tätigkeit einnehmen, nicht mehr auskommen. Sie können sich leider Gottes auch das Tanken ganz einfach nicht mehr leisten. Das ist sehr wohl ein Problem, mit dem alle zu kämpfen haben.

Schauen wir uns den Energiebereich an! Auch dort sagen Sie: Ja, es gibt Ausgleichs­maßnahmen. – Na ja, wir haben keine Ausgleichsmaßnahmen bei dieser CO2-Steuer, das ist eine Bestrafungsaktion für die österreichische Bevölkerung. Das haben Sie halt Ihrem grünen Anhängsel irgendwann einmal versprechen müssen, jetzt setzen Sie es beinhart um und belasten die Bürger unseres Landes massiv. Alles wird teurer, denn wenn Energie teurer wird, werden die Lebensmittel noch teurer werden, als sie eh schon sind, die Freizeit wird teurer werden und es wird auch bei allen Produkten zu einer Ab­wälzung auf den Endverbraucher kommen. Das ist das Problem, mit dem die Menschen in unserem Land zu kämpfen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn all diese Preise steigen und wir noch eine zusätzliche Teuerung erhalten, dann braucht die Frau Präsidentin keine Enquete zum Thema Landgemeinden und der Zukunft dezentraler Lebensräume mehr zu machen, weil wir dort nichts mehr haben werden. Dort werden wir etwas haben, was vielleicht die Grünen freut: Es werden Sträu­cher und Bäume wachsen, weil dort niemand mehr leben kann, weil man sich das Leben in dezentralen Lebensräumen einfach nicht mehr leisten kann.

Was die Tankfüllungen für Heizungen anbelangt: Heizöl kostet 850 Euro mehr als im Jahr 2021. Gas kostet bis zu 500 Euro mehr, Strom ebenso. Wenn man die Anbieterver­träge und auch die möglichen Anbieterwechsel heranzieht, dann zeigt sich, dass es Stei­gerungen von bis zu 180 Prozent gibt. Wer ist genau da involviert? – Es ist, genau wie Kollege Steiner gesagt hat, der Verbund. Und dann tun Sie einen Heizkostenzuschuss so ab und sagen: Na ja, das macht eh der Teuerungsausgleich! – Das ist jener Teue­rungsausgleich, der wieder kompliziert in Form von Gutscheinen aufgebaut ist, wo jetzt angeraten wird, dass man ihn in Anspruch nehmen kann oder auch nicht. (Bundesmi­nister Brunner: Der Teuerungsausgleich sind nicht die Gutscheine, versteht ihr das?! Das stimmt nicht!) Entsprechend haben wir wieder eine Situation und ein Prozedere, mit denen sich hinten und vorne keiner auskennt. Das erinnert an die Coronahilfen, denn auch da hatten wir die Situation, dass diese nie beim Kleinen angekommen sind, aber die Großkonzerne sie zu 100 Prozent erhalten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Dasselbe gilt für die Grundnahrungsmittel und von denen sprechen wir, das wissen Sie, wenn Sie unsere Fragen genau gelesen haben. Wenn Sie sagen, das wäre nicht treff­sicher und nicht zielsicher, entschuldigen Sie, dann muss ich sagen: Das war gerade der ÖVP bei den Coronahilfen ja auch vollkommen egal. Die Großkonzerne haben sich ihr


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Geld abgeholt und meine kleine Friseurin in Hüttenberg hat einmalig 500 Euro erhalten. Das war die Ziel- und Treffsicherheit, von der Sie sprechen. Jetzt haben wir aber ein eklatantes Problem in Bezug auf die Teuerung und da wäre es einfach wichtig, dass man entsprechend die Mehrwertsteuer zeitlich aussetzt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: So ist es!)

Schauen wir uns die jetzige Situation an: Sie sagen, es gibt schon Überlegungen, dass es nicht dauerhaft zur Schuldenübernahme für andere Staaten kommt, aber dass das halt jetzt auch notwendig ist. So haben Sie das heute gebracht. (Bundesminister Brun­ner: Was?!) – Es ist nicht angedacht, dass es dauerhaft gemacht wird, das haben Sie gerade vorhin gesagt. (Bundesminister Brunner: Da habt ihr nicht zugehört! Das stimmt nicht!) – Sie können sich dann eh gerne noch einmal zu Wort melden, dann können Sie das ja berichtigen.

Jedenfalls ist es ja wohl hoffentlich so, dass wir unser Geld jetzt einmal für die Bevölke­rung im eigenen Land verwenden können. Für das, was die Lockdowns und Corona gekostet haben, haben wir 100 Milliarden Euro gehabt, und Sie sprechen jetzt von 4 Milliarden Euro, die gar keine 4 Milliarden sind, sondern, wie Nationalratsabgeordneter Fuchs Ihnen schon vorgerechnet hat, 3,08 Milliarden Euro. Das heißt, für die Coronahil­fen haben wir 100 Milliarden Euro gehabt, und jetzt nehmen Sie laut Berechnungen aufgrund der Teuerung bis zu 11 Milliarden Euro an Mehreinnahmen ein und geben da­von 3 Milliarden Euro aus. Das ist sehr sozial, das hilft unserer Bevölkerung aber wirk­lich. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie belächeln es, wenn wir davon sprechen, dass es jetzt eine ExpertIn­nengruppe zur Beobachtung und Analyse der Inflationsentwicklung gibt. Dazu muss ich sagen: Das ist eigentlich nicht zu belächeln, denn das findet auch die gesamte Bevölke­rung traurig, dass es so etwas braucht. Es braucht jetzt 20 Institutionen und Experten – ich zitiere –, um „ein besseres Verständnis über aktuelle und mögliche künftige Preisent­wicklungen zu gewinnen“. – Ja bitte, allein diese Erläuterung ist signifikant für die Inkom­petenz, Arroganz und Ignoranz der Bundesregierung. Da draußen haben wir Millionen von Österreichern, die alle Experten sind, und die können Ihnen ganz klar sagen, wie die Preissteigerung in den letzten Monaten erfolgt ist. Vielleicht reden Sie einmal mit diesen Leuten! Ich weiß aber: Viele von der ÖVP trauen sich derzeit nicht auf die Straße, weil sie von der Bevölkerung natürlich auch entsprechend verbal abgestraft werden würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn man nicht mit den Leuten spricht, dann hat man halt so eine Situation, wie wir sie jetzt haben: Dann müssen Sie halt mit gleichgeschalteten Unfähigen reden und dann braucht es eine ExpertInnengruppe, um die Preisentwicklung in unserem Land zu er­kennen.

Herr Minister, bitte hören Sie auf, den Menschen da draußen Sand in die Augen zu streuen! Sie wissen ganz genau, wie viel Ihre Chaospolitik verschlungen hat – ich habe es Ihnen auch gesagt: Es waren Milliarden! –, und der Teuerung müssen Sie alleine schon aus Verantwortung entgegenwirken, denn daran, dass wir diese Teuerung haben, ist nicht der Russland-Ukraine-Konflikt schuld, der erst Monate später dazugekommen ist, sondern das ist Eigenverantwortung der Bundesregierung aufgrund der verfehlten Coronapolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Minister, geben Sie auch zu: Höhere Inflation bedeutet zwar höhere Preise, aber höhere Preise bedeuten auch höhere Einnahmen für Sie bei der Mehrwertsteuer, und wenn es zu Lohnerhöhungen kommt – und zu denen wird es kommen –, bedeutet das natürlich auch höhere Einnahmen bei der Lohnsteuer. Sie, der Finanzminister der Republik Österreich, sind also der einzige Teuerungsgewinner und daher muss ich sa­gen, dass alles, was hier in den letzten Wochen und Monaten so abgeht, eigentlich ein Wahnsinn ist, und dass dieser Irrsinn und dieses Chaos beendet werden müssen.


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Was Sie den Menschen in unserem Land angetan haben und noch immer antun, muss beendet werden, und daher ist es notwendig, dass diese Regierung zurücktritt und es zu Neuwahlen kommt. Um es mit den Worten Ihres ehemaligen Messias zu sagen: „Ge­nug ist genug“!

Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bun­desregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bundespräsiden­ten seinen Rücktritt und den der Bundesregierung anzubieten.“

*****

Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! Ihr könnt es einfach nicht, lasst es bleiben! Das wäre eine Befreiung für Österreich, vor allem aber für die österreichische Bevölke­rung. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

16.37


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Sebastian Kolland. – Bitte.


16.38.10

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war durchaus zu erwarten, dass diese Debatte einigermaßen kontroversiell über die Bühne gehen wird, und es ist auch absolut verständlich, weil das Thema Teuerung natürlich schon eines ist, das sehr viele Menschen belastet und das für sehr viele Menschen ganz, ganz wichtig ist. Ich darf aber gerade angesichts der intensiven Diskussion einige Dinge klarstellen.

Erstens: Man könnte bei manchen Debattenbeiträgen schon den Eindruck gewinnen, dass die Inflation ein österreichisches Phänomen wäre. (Bundesrätin Schartel: Ja!) Herr Kollege Ofner hat es ja gerade wieder gesagt: Seiner Meinung nach sind die Corona­maßnahmen schuld an der Inflation. (Bundesrat Ofner: Schau dir mal die Nachbarländer an!) – Herr Kollege, wenn man es weltweit betrachtet – und, Entschuldigung, dafür braucht es nicht viel, es braucht dafür kein großes Interesse, ein Blick auf die Statistiken genügt –, dann sieht man, dass die Inflation ein globales Phänomen ist. (Bundesrat Steiner: Schweden! Bundesminister Brunner: ... plus 13 Prozent! – Bundesrat Steiner: Schweiz! – Bundesminister Brunner: Die Schweiz ist aber nicht in der EU! – Ruf bei der FPÖ: Also ist es ein EU-Problem?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Österreich hatte im April eine Inflation von 7,2 Prozent, Deutschland hat 7,4 Prozent, die Europäische Union hat im Schnitt 7,5 Prozent, in den USA liegt sie derzeit bei 8,2 Pro­zent, in Griechenland bei über 10 Prozent. Von Ländern wie der Türkei – da liegt sie bei 60, 70 Prozent – rede ich nicht. (Bundesrat Spanring: Toller Vergleich, Herr Kollege! Toller Vergleich mit der Türkei! Vielleicht vergleicht ihr uns nächste Woche mit Ruanda!) Wenn Sie behaupten, dass das ein österreichisches Phänomen ist und die österreichi­schen Coronamaßnahmen schuld an der Inflation sind, dann erklären Sie mir, wie diese


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Zahl mit Ihrer Theorie zusammengeht! Nämlich gar nicht, aber gut. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Die Inflation ist hoch, sie macht den Menschen zu schaffen, das ist klar, aber das ist eben eine weltweite Herausforderung, der sich alle Länder zu stellen haben und die allen Ländern Sorgen bereitet. (Ruf bei der SPÖ: Na dann sind ja alle beruhigt! – Bundesrat Schennach: Und deshalb ist es nicht so schlimm! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Dann ist es nicht so schlimm, genau!)

Zweitens: Es kommt der ständige, aber vor allem ständig falsche Vorwurf, dass die Re­gierung die Menschen nicht entlasten würde. (Bundesrätin Schumann: Ah geh!) Das ist einfach unwahr.

Sehen wir uns die Entlastungspakete an: Das erste Entlastungspaket wurde innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht, es hat ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro und beinhaltet Maßnahmen wie das Streichen der Ökostrompauschale und des Ökostromför­derbeitrages – in Summe macht das 900 Millionen Euro aus –, den 300-Euro-Teue­rungsausgleich, vor allem für Gruppen, die es wirklich brauchen, wie Mindestsicherungs­bezieher und Arbeitslose, und den Energiekostenausgleich mit 150 Euro pro Haushalt. Dieses Paket hat ein Volumen von 1,7 Milliarden Euro. Und weil Kollege Kovacs ja im­mer das Burgenland als Referenz für alles hernimmt: 1,7 Milliarden Euro sind fast das Jahresbudget des Burgenlandes. Dazu dann zu sagen, das sei alles nichts, finde ich einfach vermessen und es ist einfach falsch. (Beifall bei der ÖVP.)

Das zweite Entlastungspaket, das man gleich nachgelegt hat, weil man natürlich gese­hen hat, dass es da oder dort noch Nachbesserungsbedarf gibt, hat dann 2,3 Milliarden Euro umfasst, in Summe sind es also ungefähr 4 Milliarden Euro. In diesem zweiten Entlastungspaket sind Maßnahmen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale um 50 Pro­zent und die Vervierfachung des Pendlereuros drinnen. Und weil immer so getan wird, als wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, habe ich es durchgerechnet: Wenn jemand 50 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz fährt, also in die Kategorie zwischen 40 und 60 Kilometer fällt und die große Pendlerpauschale bezieht, und 3 000 Euro brutto ver­dient, dann bringt ihm diese Maßnahme in den 14 Monaten, für die sie beschlossen wor­den ist – also 1. Mai 2022 bis 30. Juni 2023 – insgesamt 821 Euro zusätzlich. Verglei­chen wir das jetzt mit einer Maßnahme, die auch schon des Öfteren gefordert wurde, beispielsweise die Halbierung der MÖSt beim Diesel von 40 auf 20 Cent: Wir nehmen jetzt wieder diesen Arbeitnehmer her, der 50 Kilometer zu seiner Arbeitsstelle hin- und 50 Kilometer zurückfährt, also insgesamt 100 Kilometer am Tag. Bei einer Fünftagewo­che sind es 500 Kilometer. Der durchschnittliche Verbrauch eines Dieselfahrzeugs in Österreich beträgt 7 Liter pro 100 Kilometer, er braucht also 35 Liter Diesel pro Woche, um zu seinem Arbeitsplatz hin- und wieder zurückzugelangen. Durch die Halbierung der MÖSt von 40 auf 20 Cent spart er sich pro Woche 7 Euro und wenn man das auf die 14 Monate aufrechnet, sind das in Summe 425 Euro, also fast um 400 Euro weniger als durch die Maßnahme, die von der österreichischen Bundesregierung beschlossen wor­den ist. Tun wir also nicht so, als wäre das alles nichts, geschätzte Kolleginnen und Kol­legen!

Tatsache ist nämlich: Vergleicht man die Entlastungspakete mit anderen Ländern, vor allem jenen der Europäischen Union, dann sieht man, dass, bezogen auf die Bevölke­rung, fast kein anderes Land so viel gegen die Teuerung investiert wie Österreich das tut – Italien nicht, Frankreich nicht, Spanien nicht und auch Deutschland nicht. Aber – und da gehe ich durchaus mit dem einen oder anderen Vorredner konform – die Teue­rung wird uns weiter beschäftigen und angesichts der anhaltenden Belastungen wird es noch weitere Maßnahmen brauchen, mit denen wir den Österreicherinnen und Österrei­chern helfen müssen.


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Herr Finanzminister, ich bin deshalb sehr dankbar und froh, dass du dich in den letzten Tagen hinsichtlich der Abschaffung der kalten Progression sehr klar positioniert hast. Ich denke, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um dieses Projekt anzugehen und auch durchzuziehen.

Noch ein zweiter Punkt: Ich denke schon, dass es angesichts der Teuerung auch erlaubt sein muss, Dinge zu diskutieren, die vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen unortho­dox wirken mögen. Ich rede vom Vorschlag des Bundeskanzlers bezüglich der Gewinn­abschöpfung bei Unternehmen, die massiv von der Teuerung profitieren. Ich habe mich schon ein wenig gewundert, wie reflexartig manche diesen Vorschlag kritisiert haben. Auch von der Freiheitlichen Partei ist Kritik gekommen, Herr Kickl hat von Beschädigung von Staatseigentum gesprochen. (Bundesrat Steiner: 2,4 Milliarden Euro sind die Bör­sen runtergegangen!) – An Buchwert, ja. Das tangiert mich wesentlich weniger als die Belastung, die die Menschen haben, muss ich ganz ehrlich sagen, aber gut. (Bundesrat Spanring: Dass euch Milliardenverluste egal sind, wissen wir eh! Ihr kriegt ja Inseraten­schaltungen! – Bundesrätin Schumann: Das ist ein schlechtes Argument, Herr Kollege, da sind Sie jetzt danebengelegen! Das war schwach, sehr schwach!)

Man muss sich nämlich vor Augen halten, worum es dabei geht: Wir reden von Konzer­nen, die den Strom zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern produzieren, die also bei den Produktionskosten keine wesentlichen Steigerungen haben, aber durch die Strompreiskoppelung an den Gaspreis derzeit immense Gewinne schreiben. (Bun­desrätin Schumann: Na, was macht ihr jetzt da?) Ich persönlich finde, dass das nicht logisch und nicht fair ist, deshalb gehört es geändert und deshalb bin ich auch froh, dass der Bundeskanzler diese Debatte gestartet hat. (Bundesrätin Schumann: He, voll der Sozialdemokrat, super!) – Ja, dazu stehe ich! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Freundschaft, Genosse!)

Abschließend: Österreich investiert massiv gegen die Teuerung, stärker als viele, viele andere Länder das machen, und Österreich wird das auch weiterhin tun, aber auch wei­terhin eben nicht mit der Gießkanne, sondern zielgerichtet dort, wo es notwendig ist und wo die Menschen am meisten Unterstützung brauchen. Das ist auch richtig so. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

16.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.


16.45.47

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste hier im Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, in der Dringlichen Anfrage geht es natürlich darum, Fragen zu stellen und Antworten darauf zu bekommen. Herr Minister, ich glaube aber, dass das, dem Sie sich wirklich stellen müssen, die Fragen, die Sorgen und die Probleme der Menschen sind, und was es wirklich braucht, ist, dass Sie etwas tun. Die größte Frage, die sich die Men­schen da draußen stellen ist: Wann gedenken Sie etwas zu tun, um der Bevölkerung ein leistbares Leben zu ermöglichen? (Bundesrat Raggl: 4 Milliarden Euro!)

Wann hat die Regierung neben Ministerwechsel, Regierungsumbildungen, Inseratenaf­fären und Skandalen (Bundesrat Preineder: ... Anpatzen!) endlich einmal den Kopf da­für, ihre Arbeit zu machen, sich um die Menschen in diesem Land zu kümmern und das zu tun, was ihre Pflicht ist, nämlich Verantwortung zu übernehmen? (Bundesrat Gfrerer: 18 Milliarden ...!) Regieren bedeutet nicht Macht zu haben, regieren bedeutet Verantwor­tung zu übernehmen. Herr Minister, ich gebe Ihnen vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass es für diese Aufgaben einen kühlen Kopf braucht. Was es aber bestimmt nicht braucht, ist soziale Kälte, und wir haben schon bald sibirische Kälte! (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Fragen, die Ihnen von den Menschen gestellt werden, kommen aus allen Bevölke­rungsschichten und sie kommen von allen Altersgruppen. Denn die Teuerungen betref­fen alle und sie sind für fast alle ein immenses Problem, nicht mehr nur für die Gering­verdienerInnen, nicht mehr nur für einzelne Gruppen. (Bundesrat Steiner: Mittelstand!) Nein, es fragen sich schon sehr, sehr viele Menschen, wie sie ihr Leben sicher, gesund und mit Wohlbefinden gestalten können. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Ich habe gestern eine Nachricht von einer Dame bekommen – leider habe ich mein Handy jetzt am Platz liegen lassen –, deren Gasvorauszahlung sich aufgrund der Ab­rechnung verdreifacht hat, von annähernd 200 Euro auf über 600 Euro. Das ist nicht mehr nichts! Sie können jetzt natürlich sagen: Na, sie soll ihre Heizung umbauen, damit sie nicht so viel Gas braucht! Aber die Förderungen, die man für die Heizungsumstellung braucht, kommen ja erst im Nachhinein. Zuerst muss man die gesamte Summe zahlen. Und wissen Sie, was eine Wärmepumpe für ein kleines Haus kostet? – 20 000 Euro! Diese müssen Sie vorher voll bezahlen, um sich dann die Förderung zu holen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Wer kann sich denn das leisten? Die Mindestpensionistin für das alte Haus, die sich nicht einmal einen Kredit aufnehmen kann? Wie soll das funktionieren? (Bundesrat Prein­eder: Auf das Haus kann man sich schon einen Kredit nehmen!) – Eine Mindestpen­sionistin bekommt den Kredit nicht. Aber wenn Ihnen das gelingt, Herr Preineder, bitte, dann können Sie da intervenieren! (Bundesrat Preineder: Das Haus kann man belas­ten! – Bundesrat Steiner: Das Haus soll sie belasten, hat er gesagt!)

Und wissen Sie, wo der Differenzbetrag den Menschen fehlt? – Dieser Differenzbetrag fehlt dort, wo man den Kindern ein gesundes Essen ermöglichen soll. Da geht es nämlich nicht um die Butter am Brot, da geht es um das Brot selber. Da geht es um die Bil­dungschancen, da geht es um den Musikunterricht, um die Sprachförderung und es geht letztlich auch um ein soziales Miteinander in Form von Freizeitmöglichkeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht nicht um den teuren Luxusurlaub in der Karibik. Nein, es geht um den Freibad­besuch bei 7 Euro Tageseintritt mit vier Kindern.

Versuchen Sie, sich das leisten zu können! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es geht um den Vereinsbeitrag, wenn die Kinder Fußball spielen, wenn sie Handball spielen. Da geht es auch darum, dass Vereine, die eh schon keinen Nachwuchs mehr haben, auch den verlieren werden, den sie haben, denn es kann sich keiner mit Kindern diese Mitgliedsbeiträge mehr leisten.

Das Geld fehlt im Börserl, wenn es um die warme Dusche geht. Tragisch wird es, wenn es um gesundheitsfördernde Maßnahmen geht. Es gibt Menschen in Österreich, die sich ihre Medikamente nicht abholen, weil die Rezeptgebühr nicht leistbar ist. Es gibt Men­schen, es gibt UnternehmerInnen in diesem Land, die nicht zum Arzt gehen, weil der Selbstbehalt für sie nicht drinnen ist, und es gibt Menschen – ja, stellen Sie sich das vor! –, die haben das Geld für den Wahlarzt – dort, wo der Kassenarzt nicht mehr da ist – nicht. Sie können es nicht zahlen, bis sie es zurückbekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt Menschen, die tun sich schwer damit, sich ihren Arbeitsweg leisten zu können. Ja, und dann kommt da wieder die Geschichte mit der ach so tollen Pendlerpauschale, die dann ja auch erst im Nachhinein wirksam wird, und die – wenn man schon so viel Wert auf soziale Gerechtigkeit legt – ja auch dann wesentlich höher ist, wenn man mehr verdient. Nur: Beim Tanken gibt es keinen Unterschied. Ich habe die Tanksäule noch nicht gefunden, an der der Sprit für den Wenigverdiener billiger ist. Ich habe auch noch kein Auto gesehen, bei dem das Tanken oder der Verbrauch niedriger ist, nur, weil man ein geringes Einkommen hat. An mir ist das bisher spurlos vorübergegangen.


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Und zu dem, dass eine Steuersenkung auf Treibstoff nicht EU-konform sei: Das haben uns andere Länder bewiesen, dass das geht. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Sie haben sich bei der Anpassung der Kinderbeihilfe an den Ort, wo die Kinder leben, auch nicht darum gekümmert, ob das EU-konform ist. Da haben Sie die Strafe in Kauf genommen! Sie kümmern sich auch beim Familienbonus nicht darum, wie sozial gerecht das ist, und ob es bei den Richtigen ankommt. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wie passt das alles zusammen? Auf jeden Fall passt es nicht für die Menschen. Der Energiebonus, der Scheck, der jetzt für den Strom kommt: Ja, im nächsten Jahr wird er bei den meisten wirksam – 150 Euro –, aber die müssen sich dann auch noch gut über­legen, ob sie sollen, dürfen, müssen, doch nicht sollen, können oder wie auch immer – also ganz so optimal ist das nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben heute auch schon über die Pflege gesprochen. Wissen Sie, wie sehr diese Teuerungen die mobilen Dienste belasten? Wissen Sie, wie da die Kosten steigen? Sol­len diese Kosten dann an die KundInnen weitergegeben werden? Ist das das Rezept? Schieben wir die Probleme weiter, und den letzten in der Kette beißen dann die Hunde, der soll es zahlen? Ist das das Rezept?

Die PensionistInnen können sich das nicht mehr lange leisten: 1,8 Prozent Pensionser­höhung gegenüber 7,2 Prozent Inflation. Die 24-Stunden-Pflege daheim geht sich, wie Kollegin Grossmann gesagt hat, schon jetzt bei Weitem nicht aus, und jetzt steigen die Kosten auch noch. Die PflegerInnen, die im Haus sind, brauchen auch Wärme, brauchen auch warmes Wasser und sie brauchen etwas zum Essen. Ja, wie soll das noch leistbar sein?

Neben den Einzelpersonen, neben den Familien sind es natürlich auch die Betriebe, die vor enormen Problemen stehen, und viele von ihnen warten noch immer auf die Corona­hilfen. Wir haben 100 000 anstehende Insolvenzen. Ich habe hier eine Zeitschrift der Wirtschaftskammer – nur, um zu zeigen, was die Betriebe zu leisten haben (aus der genannten Zeitschrift vorlesend): Der Bäcker hat mit „Steigerung der Herstellkosten von 30 bis 60 %“ zu kämpfen; Metallbaubetriebe durch die Energiekosten „bei Gas“: „+300 %“; ein Taxiunternehmen: „Dieselpreissteigerungen zwischen 55 und 65 %“; der Hotelier hat Zusatzkosten im Spa-Bereich, im Wellnessbereich, in der Verpflegung, schon allein beim Frühstücksbuffet – wo soll das hinführen?

Es ist höchste Zeit, zu handeln und sich nicht auf ein Entlastungspaket in Millionenhöhe oder Milliardenhöhe rauszureden, denn da sind Dinge drinnen, die erst im nächsten Jahr schlagend werden. Da werden Entlastungen gerechnet, die es noch gar nicht gegeben hat. Was es hätte geben sollen, was ausgesetzt worden ist, wird als Entlastung verkauft. Das kann so nicht funktionieren.

Wenn diese Regierung keinen Kopf für die dringlichen Probleme der Menschen und der Wirtschaft hat und anscheinend auch nicht den Willen und nicht die Kompetenz hat, jetzt gegen die Teuerung etwas zu unternehmen, dann kann es nicht sein, dass das die Be­völkerung ausbaden muss – und noch dazu im kalten Wasser, denn ein warmes Bad wird für sie bald nicht mehr drinnen sein. Es ist genug evaluiert, es ist genug hingeschaut, es ist Zeit, zu handeln!

In Niederösterreich gab es heute eine Sondersitzung des Landtages, in der die SPÖ mit der FPÖ klare Forderungen gestellt hat, und nicht nur Forderungen gestellt hat, sondern mit jeder Forderung die genaue Ausfinanzierung dazugegeben hat. Da geht es um den Teuerungsausgleich, darum, den Heizkostenzuschuss – und zwar rückwirkend – zu ver­doppeln. Da geht es darum, dass gefordert wird, eine Gebührenbremse für die Gemein­den einzuführen, die aber nicht die Gemeinden finanzieren sollen, sondern die refundiert wird, es geht um Spritpreisdeckelungen, um ein Top-Jugendticket für alle unter 26 in Ausbildung Stehende und natürlich um die Senkung der Steuer auf Lebensmittel – die


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muss ausgesetzt werden. Das Argument der sozialen Gerechtigkeit zählt da nicht, denn sozial gerecht ist es, wenn die Menschen, die es dringend brauchen, sich Brot, Butter und Milch leisten können. Das ist sozial gerecht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rätInnen der FPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsatzsteu­er auf Lebensmittel aussetzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, mit der Lebensmittel für alle leistbar bleiben. Die exorbitanten Preissteigerungen im Su­permarkt sollen durch eine befristete Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs abgefangen werden. Die preisgesetzlichen Vorschriften sind durch umfassendes Monitoring und empfindliche Strafen für Unternehmen, bei Nichtwei­tergabe der Steuersenkungen an die Konsument*innen, durchzusetzen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58


Vizepräsident Günther Novak: Der von Bundesrätin Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Umsatzsteuer auf Lebensmit­tel aussetzen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


16.58.47

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Nie­mand spricht hier von eitler Wonne, ganz im Gegenteil: Es ist Krieg in Europa, der Krieg wird von einer leider wichtigen Wirtschaftspartnerin Österreichs als Angriffs- und Ver­nichtungskrieg geführt, und wir finanzieren indirekt diesen Krieg mit, denn unser tägli­ches Leben, Wohnen und Arbeiten ist von den Energielieferungen dieser Aggressorin abhängig – auch schon vor dem Krieg. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Krieg bedeutet, dass wir alle nicht so weitermachen können wie zuvor. Das sage ich, weil Krieg immer Leid und auch Einschränkungen bedeutet. Niemand von uns will an der Stelle der UkrainerInnen sein, die das größte Leid und die unvorstellbarsten Einschrän­kungen durchmachen müssen. Wir wollen aber auch nicht, dass es genau jenen, denen es in Österreich schon vor dem Krieg schlecht ging, noch schlechter geht. Daher ist es uns wichtig, genau diesen Menschen die Teuerungen auszugleichen.

Wir anderen aber – es sind eben nicht alle, die es sich nicht leisten können –, eben genau die, die hier sitzen und viele andere, die wir kennen, können uns die Teuerungen leisten und wir können Einschränkungen hinnehmen. Das ist meiner Meinung nach ein viel zu wenig beleuchteter Punkt, denn wir, die wir weit weg vom Existenzminimum sind, können es uns auch leisten, zu sparen.

Wir können die Heizung um 2 bis 3 Grad herunter- oder die Klimaanlage um 2 bis 3 Grad hinaufdrehen. Wir können mit den Öffis, dem Rad oder dem E-Bike anstatt mit dem Auto


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fahren und wir können in erneuerbare Energien investieren. Wir alle können auch Fahr­gemeinschaften bilden oder langsamer und benzinsparender mit dem Auto fahren. Der VCÖ hat zum Beispiel errechnet, dass man auf 100 Kilometer 1 Liter spart, wenn man eben benzin- oder dieselsparender fährt. Das sind bei 10 000 Kilometern pro Jahr 170 Euro, bei 20 000 340 Euro. Alle, die Öffis in der Nähe haben, können das günstige Klimaticket oder ein noch günstigeres Regionalticket voll ausnützen und Unmengen an Benzin sparen. (Bundesrat Bernard: Natürlich, auf jeder Alm gibt’s ein Öffi!)

Das alles sind Einschränkungen – ja –, aber sie können uns helfen, aus der Ohnmacht herauszukommen und zumindest einen kleinen Beitrag gegen den Krieg und gegen die Kriegsfinanzierung zu leisten. Zudem sind das alles auch Maßnahmen, die dem Klima und auch unserem Geldbörserl guttun.

Natürlich braucht es trotzdem Entlastungsmaßnahmen, vor allem für die, die sich die Teuerungen nicht mehr leisten können. Ich wiederhole sie jetzt nochmals und partout, denn sie können nicht oft genug wiederholt werden, auch um Existenzängste vor allem dort zu nehmen, wo sie nicht angebracht sind, anstatt Angst zu schüren. – Liebe FPÖ, liebe SPÖ, reden Sie lieber auch über diese Unterstützungsmaßnahmen, denn das hilft den Menschen wirklich! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bun­desrätin Schumann: ... wenn man drüber redet, hilft’s! Drüber reden hilft ...!)

Ich beginne mit der Maßnahme, die für uns Grüne am schmerzhaftesten ist, weil sie der Klimapolitik entgegenläuft und nur bedingt treffsicher ist – ja, da stimmen wir Ihnen zu –, sie bringt aber natürlich Entlastung: Das ist die 50-prozentige Erhöhung der PendlerIn­nenpauschale und die Vervierfachung des Pendlereuros für diejenigen, die mit dem Auto fahren müssen, aber auch für diejenigen, die es nicht müssen und trotzdem tun. Sie ist bis Sommer nächsten Jahres befristet. (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Schon treffsicherer ist der heuer automatisch ausbezahlte Entlastungsbetrag von 100 Eu­ro für die Menschen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen und die so wenig verdienen, dass sie die PendlerInnenpauschale nicht in Anspruch nehmen können; auch sie bekommen einen Entlastungsbetrag von 100 Euro. Sehr viele Menschen – in Wien sind es etwa 75 Prozent – haben gar kein Auto oder können sich kein Auto leisten, und da geht es natürlich darum, die Öffis verstärkt auszubauen. Dafür kämpft die Verkehrs­ministerin jeden Tag, sie kann aber Versäumnisse im Ausbau der Öffis und auch den Rückbau der letzten Jahrzehnte nicht von einen Tag auf den anderen ausgleichen oder verbessern.

Gleichzeitig bedarf es auch des Ausbaus der Öffis vor Ort, für die Kleinstrecken in den Gemeinden, und daher richte ich meinen Appell an die hier sitzenden Bürgermeisterin­nen und Bürgermeister: Starten Sie Initiativen vor Ort wie Carsharing, Mobility Points, gemeinsames Fahren oder geförderte Ortstaxis! (Bundesrat Ofner: Ja, was glaubst du, was wir noch alles machen dürfen ...? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, einige tun es schon, das stimmt (Ruf bei der SPÖ: Alte Hüte! Wir sind Bürgermeister von mor­gen!), aber auch die Öffis muss man sich leisten können, und daher - - (Bundesrat Of­ner: Wir haben durch eure verfehlte Politik ... kein Geld mehr in den Gemeinden! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.– Hören Sie den Unterstützungsmaßnahmen zu, denn dann können Sie das den Leuten sagen und nicht immer Ängste schüren! Das würde Ihnen guttun. (Bundesrätin Schumann: Ja ...! – Bundesrat Ofner: Na, na, a bissl Ahnung wäre gut!) Daher setzt der Bund da an – damit man sich Öffis eben leisten kann – und unterstützt die Verkehrsverbünde (Bundesrat Spanring: .. Auto net leisten kann, bauts ihm a U-Bahn hin ...!), damit diese eben auch die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel reduzieren können.

Ich wiederhole jetzt noch einmal: 300 Euro Teuerungsausgleich wurden und werden ge­rade an Personen mit Mindestsicherungs-, Sozialhilfe- oder Ausgleichszulagenbezug


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sowie an Studierende, die Studienbeihilfe oder ein Mobilitätsstipendium erhalten, ausbe­zahlt. 150 Euro Teuerungsausgleich erhalten Arbeitslose und NotstandshilfebezieherIn­nen sowie LangzeitbezieherInnen von Kranken- und Rehageld genauso wie Pensions­vorschussbezieherInnen. Dieses Geld geht direkt und automatisch an die Personen.

Auch für die höheren Energiekosten wurden und werden – dieses und letztes Jahr –Abgaben gesenkt: die Ökostrompauschale und der Ökostromförderbeitrag wurden auf null gesetzt, und bis Juni nächsten Jahres werden die Erdgasabgabe und die Elektrizi­tätsabgabe um 90 Prozent reduziert, also fast auf null gestellt.

Zusätzlich dazu kann – und ja, leider erst nächstes Jahr – bei der Jahresabrechnung von Strom und Gas ein Energiekostenbonus von 150 Euro pro Hauptwohnsitz abgezogen werden, und das ist nicht, wie kolportiert wurde, kompliziert, sondern es geht sehr ein­fach, und es ist nicht, wie hier auch schon oft gesagt wurde, die einzige Maßnahme, die gegen die Erhöhung der Energiekosten gesetzt wird.

Auch die Energieberatung wurde ausgebaut. Das ist zwar keine monetäre, aber eine enorm wichtige Maßnahme, um den Energieverbrauch zu senken. Es bedarf – wir haben es alle schon gesagt – Maßnahmen auf allen Ebenen: auf Bundesebene, Länder- und Gemeindeebene, und das ist dankenswerterweise auch schon oft passiert.

Zur CO2-Bepreisung  es wurde von Herrn Kollegen Gross schon gesagt –: Es wird im­mer, auch hier heute, vergessen, kein einziges Mal wird bei der CO2-Bepreisung der Klimabonus genannt. Die CO2-Bepreisung ist aber an den Klimabonus gekoppelt. Je höher die Energiepreise sind, desto geringer fällt die CO2-Bepreisung aus, auch das hat man mitgedacht. Es ist kontraproduktiv, genau jene Maßnahme zu kippen, bei der vor allem den Menschen in den untersten Einkommensbereichen – dank Klimabonus, der auch pro Person und auch für Kinder ausbezahlt wird – am Ende sogar mehr Geld übrig bleibt. (Bundesrätin Schartel: ... keinen Klimabonus ...!)

Immer wieder kommt der Vorwurf, der Bund oder gar der Finanzminister würden sich an der Teuerung bereichern (Bundesrätin Schartel: Ist ja wahr!), aber die Gewinne von Energielieferanten mit Bundesbeteiligung kommen keiner bestimmten Person zugute, sondern dem Staat. Österreich ist kein Sparverein, und die Bundesregierung eben keine Managerin, die sich Boni auszahlen lässt, wenn der Staat durch Steuern oder andere Einnahmen mehr einnimmt. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Wenn aber da­von geredet wird, dass der Finanzminister abcasht, dann ist das schlichtweg eine Ver­leumdung und eine populistische Verdrehung der Lage, die einen Schuldigen sucht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Schuldige sitzt aber in Moskau, nirgendwo sonst! Darü­ber, liebe FPÖ, sprechen Sie nicht! Warum wohl? (Bundesrat Ofner: Da können wir wie­der ein paar aufzählen: Karmasin ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was ich hingegen sehe, ist eine redlich bemühte Regierung, die hoch konzentriert daran arbeitet, die Teuerungen vor allem für jene Menschen auszugleichen, die dies existen­ziell brauchen. Die Ausgleichspakete, die ich vorhin vorgestellt habe, sind sicherlich nicht das Ende der Unterstützungsleistungen. (Bundesrätin Hahn: Wenn ich da auf alles so ewig warten muss, brauchen wir noch 30 Jahre für irgendeine realistische Unterstüt­zung!!) – Wenn ich zuerst ÖVP gesagt habe, dann tut es mir leid, ich meinte die FPÖ.

Ich möchte noch einmal bei den Unterstützungsleistungen ansetzen, die in Aussicht ge­stellt worden sind (Bundesrätin Hahn: Die Teuerung ist jetzt, nicht erst in drei Jahren! Jetzt!), wie zum Beispiel auch heute wieder vom Finanzminister, dass die Abschaffung der kalten Progression im Raum steht. Trotzdem braucht es aber – auch wenn diese abgeschafft wird – immer zusätzliche und zielgerichtete Maßnahmen, die daneben be­stehen bleiben müssen, denn die Abschaffung der kalten Progression hilft vor allem auch den höheren Einkommensklassen. Zur Finanzierung der Abschaffung der kalten Pro­gression sollten wir meiner Meinung nach auch wieder Vermögensteuern diskutieren,


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denn die Mehrheit der Bevölkerung will diese, und von einigen Milliardären in der Be­wegung Tax me now wird sie sogar gefordert. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ein paar Worte zu den von SPÖ und FPÖ geforderten Mehrwertsteuersenkungen oder gar kompletten Streichungen der Mehrwertsteuer: Das wäre vielleicht rasch und einfach umsetzbar, sofern die Unternehmen mitspielen – aber ist das eine treffsichere und adä­quate Lösung? (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) – Nein, das ist sie nicht, denn die Menschen mit den geringsten Einkommen haben am wenigsten davon. (Bundesrätin Hahn: Da geht es um Grundnahrungsmittel! Grundnahrungsmittel!) Schauen Sie einmal auf die Einkaufszettel einer prekär angestellten Alleinerziehenden oder auf die eines Managers!

Und was passiert, wenn die Mehrwertsteuer wieder eingeführt wird? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Dann haben wir 10 bis 20 Prozent höhere Preise und die Inflation explodiert, und wahrscheinlich explodieren auch die SchuldnerInnenberatungen. (Bundesrat Ofner: Was haben wir denn jetzt?)

Daher ist – wie es auch der Kollege vor mir schon gesagt hat – die Unterstützung derer, die es brauchen, der richtige Weg. Es ist offensichtlich, dass die Regierung die Lage klar im Blick hat und permanent mit ExpertInnen an weiteren treffsicheren Teuerungsaus­gleichen arbeitet. Das Vertrauen in die Verantwortlichkeit der Regierung macht mich zu­versichtlich, dass ich hier im Bundesrat bald wieder über weitere Entlastungsmaßnah­men sprechen werde. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schartel: Ich vernehme die Botschaft, der Glaube fehlt mir!)

17.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


17.09.17

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute, wie schon bei der letzten Sitzung, wieder über Teuerung und Entlastung von der Teuerung. Sie haben richtig gesagt: Für die Preissteigerungen und Teuerungen in Österreich sind wir nur zu einem geringen Teil selbst verantwortlich oder können diese steuern. Viel hängt mit der Politik der EZB zusammen, die tatsächlich für die Inflation im engeren Sinne sorgt. Preissteigerung, Teuerung ist ja nicht das Gleiche wie Inflation.

Wir haben die Lieferkettenprobleme, Nachfragesteigerungen, die dafür sorgen, und die fossilen Preissteigerungen. (Bundesrat Hübner: Ja, aber was soll man machen?) Der beste Weg wäre natürlich, unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern zu ver­ringern, weil das diese Komponente der Preissteigerungen bekämpfen könnte.

Erst kürzlich hat auch Eurostat auf die extrem hohen Arbeitskosten in Österreich hinge­wiesen. Auch die IWF-Experten fordern im Kampf gegen die Inflation beziehungsweise die Preissteigerung strukturelle Maßnahmen, die besser als Einmalzahlungen sind. Was die Bundesregierung aber macht, ist, lieber Geldgeschenke mit der Gießkanne zu ver­teilen, wie zum Beispiel den Energiekostenausgleich. Ich habe es auch schon beim letz­ten Mal gesagt: Die Schwelle ist dabei das Doppelte des Medianeinkommens, das ist also keine zielgerichtete Maßnahme zur Armutsbekämpfung. Die Regierung bleibt aber untätig, wenn es zum Beispiel um die Senkung der Lohnnebenkosten oder die speziell für Erwerbstätige nach wie vor erdrückende Abgabenlast geht.

Hohe Preissteigerungsraten sorgen – nicht bei Ihnen persönlich, aber in dem von Ihnen verantworteten Ressort – für volle Taschen. Während die hohen Inflationsraten, Preis­steigerungsraten die Menschen stark belasten, ziehen insbesondere die staatlichen Einnahmen durch die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer – insbesondere in der


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Erhebungsart der Lohnsteuer – kräftig an. (Bundesrat Hübner: Ja, aber was wollen die NEOS jetzt, bitte? Das haben wir schon 30 Mal gehört heute!)

Agenda Austria hat zum Beispiel ausgerechnet, dass bei einer Jahresinflationsrate von 5 Prozent heuer und 3 Prozent nächstes Jahr Mehreinnahmen von 7,5 Milliarden Euro bevorstehen. Zum Vergleich: Das ist das Volumen einer größeren Steuerreform. In der bevorstehenden Novellierung des Bundesfinanzgesetzes 2022 geht man im Vergleich zum ursprünglichen Budget von Mehreinnahmen bei Umsatz-, Einkommen- und Kapital­ertragsteuer von insgesamt 1 Milliarde Euro aus.

Die Abgabenquote bleibt daher heuer trotz Steuerreform bei 44 Prozent und ist somit so hoch wie zuletzt 2015. Dabei hat sich die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt das Ziel gesetzt, die Abgabenquote bis zum Ende der Legislaturperiode auf 40 Prozent zu ver­ringern.

Mit den bisher gesetzten Maßnahmen wie der Steuerreform und den zusätzlichen ak­tuellen Maßnahmen gegen die Teuerung in Höhe von rund insgesamt 3,7 Milliarden Euro wird dieses Ziel jedenfalls nicht erreicht werden. (Bundesrat Hübner: Sondern?) Es sind daher dringend weitere nachhaltige Entlastungsschritte notwendig, allen voran die Ab­schaffung der kalten Progression. Diese – in Anführungszeichen – „Inflationssteuer“ kos­tet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jährlich Milliarden und schraubt die Abgaben­quote nach jeder Steuerreform verlässlich wieder in die Höhe.

Sie haben vorhin angesprochen, es gäbe verschiedene Modelle, die kalte Progression abzuschaffen, entweder jährlich oder abhängig von einer Schwellenwertüberschrei­tung – wir kennen das von Mietverträgen. Da die Einkommensteuer aber eine jährliche Bemessungsgrundlage hat, ist es ziemlich klar, dass eine Anpassung der Tarifstufen und auch der Absetzbeträge bei der Abschaffung der kalten Progression wohl auch nur jahresbezogen stattfinden kann.

Jetzt kann man sich natürlich überlegen, ob das jedes Jahr stattfindet oder immer nur in den Jahren, nachdem eine gewisse Schwelle überschritten worden ist. Das ist aber trotz­dem keine besonders große Auswahl. Man könnte sich dann natürlich anschauen, ob die Schwelle 2, 3, 4, 5 Prozent ist. Momentan wäre es egal, weil es dann trotzdem jähr­lich passiert. Das sind aber keine Rechnungen, die Monate dauern, das kann man ziem­lich schnell entscheiden. Das ist eine politische Entscheidung, die Sie jetzt immer noch hinausschieben.

Angesichts der allgemeinen Teuerung sind darüber hinaus Senkungen der Lohnneben­kosten und die bereits eingeleitete Anpassung der Einkommensteuertarifstufen notwen­dig. Das sind Sachen, die rasch umsetzbar wären. Österreich zählt in Europa zu den Ländern mit den höchsten Arbeitskosten, was unter anderem auf diese hohen Neben­kosten zurückzuführen ist. Auf die Bruttolöhne – technisch Bruttolöhne – werden circa 30 Prozent Lohnnebenkosten draufgeschlagen, wovon allerdings wieder ein Drittel gar nicht arbeitnehmerinnen- und arbeitnehmerbezogen ist, wie zum Beispiel die Wirt­schaftskammerumlage 2, die man rasch abschaffen könnte.

Viele Lohnnebenkostenbestandteile stehen in der Kritik, zu hoch zu sein und überdies nicht zweckentsprechend eingesetzt zu werden. Längerfristig besteht hiermit somit ein großes Senkungspotenzial, wovon zumindest 0,5 Prozentpunkte schon kurzfristig reali­sierbar sind, was 750 Millionen Euro jährlicher Entlastung entsprechen würde. Die Unter­nehmen werden dadurch wettbewerbsfähiger, wodurch zusätzliche Beschäftigungsef­fekte geschaffen werden würden. Außerdem gäbe es zusätzlichen Spielraum bei den Kollektivvertragsverhandlungen.

Nun wurde die Abschaffung der kalten Progression wieder einmal in Aussicht gestellt, wie von der ÖVP bereits 2013, 2017, 2019, 2021, aktuell für 2023. Bisher wurde sie aber


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trotz Ankündigungen nie umgesetzt. Man darf nun gespannt sein, ob dieser Griff in die Geldtaschen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler unter dieser Regierung tatsächlich ein Ende findet. – Danke sehr. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.15


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Arthur Span­ring. – Bitte schön.


17.15.43

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Es ist 5 Minuten nach zwölf. Das ist jetzt keine Uhrzeitangabe, ich sehe das als Metapher, wie es um unsere Wirtschaft, um unseren Wohlstand, um unsere Zukunft bestellt ist.

Frau Vorsitzende! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Her­ren vor den Bildschirmen! Diese Regierung ist jetzt gefordert, gegen den sinkenden Wohlstand sinnvolle und auch wirksame Maßnahmen zu ergreifen, Maßnahmen, die mehr sind als nur der bekannte Tropfen auf den heißen Stein, Maßnahmen, die jetzt helfen und nicht erst in einem oder in zwei Jahren, Maßnahmen, die einfach sind, einfach im Gegensatz zum Energiegutschein, der einerseits viel zu niedrig angesetzt und ande­rerseits viel zu kompliziert in der Abwicklung ist, um ihn einfach einlösen zu können.

Aufgrund von Umsetzungsproblemen – wir haben es heute schon mehrmals gehört – wird dieser Energiegutschein für viele Menschen sogar erst 2023 einlösbar sein. Dieser Energiegutschein, Herr Minister, ist gut gemeint, aber das Gegenteil von gut gemeint ist gut gemacht, und leider ist das so bezeichnend für so vieles, was diese Regierung bisher alles in den Sand gesetzt hat. Denken wir nur an die verfehlte, unverhältnismäßige, evi­denzlose Coronapolitik, die jetzt in einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik ihre Fortsetzung findet!

Bis heute bin ich mir nicht sicher, warum Schwarz-Grün so agiert. Ist das tatsächlich Absicht, also vorsätzlich, oder können sie es ganz einfach nicht besser? Beides sind auf alle Fälle Gründe, weshalb diese Regierung sofort zurücktreten und den Weg für Neu­wahlen freimachen sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Als niederösterreichischer Freiheitlicher macht es mich besonders stolz, dass die FPÖ unter Klubobmann Udo Landbauer genau heute – wir haben es gehört – gemeinsam mit der SPÖ einen Sonderlandtag ins Leben gerufen hat, um unsere Landsleute tatsächlich zu entlasten. Frau Kollegin Kahofer hat es vorhin angesprochen. Was sie nicht gesagt hat, ist, was bei diesem Sonderlandtag passiert ist. Dort hat die ÖVP nämlich wieder ihr wahres Gesicht gezeigt, um nicht zu sagen, ihre hässliche Fratze.

Was hat die ÖVP vor Sitzungsbeginn gemacht? – Kurz davor hat sie einen Dringlich­keitsantrag eingebracht, in dem sie sich selbst auffordert, bis September eventuelle Maßnahmen zu analysieren und dann vielleicht irgendetwas zu machen oder vielleicht tätig zu werden. Dieser Antrag wurde natürlich nur von der ÖVP angenommen. Was ist mit unserem Antrag passiert? – Der wurde natürlich abgeschmettert. Zu allem Überfluss war natürlich die Frau Landeshauptfrau, Mikl-Leitner, abwesend, weil die Teuerung in Niederösterreich nicht so ein großes Problem für sie ist. Gestern und vorgestern war sie aber schon groß in den Medien, da hat sie schon verkündet: Den vierten Stich können wir uns alle im Herbst holen. Das sind die wahren Probleme der Landeshauptfrau Mikl-Leitner! Zum Schämen ist das! Zum Schämen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zeit des Redens ist endgültig vorbei. Es braucht Taten und spürbare Entlastungen für unsere Landsleute, sowohl im Bund als auch im Land. Ich habe einige Beispiele für Sie, die heute unter anderem auch gefordert wurden. Wir zum Beispiel fordern in Nie­derösterreich einen Teuerungsausgleich in der Höhe von 500 Euro pro Haushalt, um die


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Preisexplosion rasch abzufedern. Genau das habe ich vorhin gemeint: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Bekommen sollen diesen Teuerungsausgleich alle Bezieher des niederös­terreichischen Wohnzuschusses oder der niederösterreichischen Wohnbauhilfe und alle Haushalte mit einem Nettoeinkommen bis zu 1 500 Euro bei Einzelpersonenhaushal­ten. – Das sind 21 000 Euro netto im Jahr, das ist ein bissel mehr, als unser Bundes­kanzler im Monat verdient.  Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich diese Ein­kommensgrenze um 700 Euro netto, das heißt, um 9 800 Euro netto im Jahr.

Meine Damen und Herren, davon sollten und sollen die sozial Schwächsten und der Mittelstand profitieren, also genau jene Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, Steuern bezahlen und in Wahrheit sonst keinerlei Unterstützung erhalten.

Ebenso sollen auf Landesebene der Heizkostenzuschuss auf 300 Euro verdoppelt werden und die Einkommensgrenze der Bezugsberechtigten auf 3 000 Euro monatlich erhöht werden. Das muss, so wie es die Kollegin vorhin gesagt hat, rückwirkend für die vergangene Heizsaison passieren. Das hat die ÖVP in Niederösterreich natürlich abge­lehnt. Weiters ist es auch notwendig – daran halten wir fest –, dass für die Abgaben eine Gebührenbremse auf Landes- und Gemeindeebene einzuführen ist.

Sie von der Bundesregierung, besonders Sie, Herr Finanzminister, sind gefordert, end­lich einen Spritpreisdeckel einzuführen, ganz einfach durch die Senkung der Mehrwert- und Mineralölsteuer. Sie machen es nicht, nicht weil Sie nicht dürfen, sondern weil Sie es einfach nicht wollen, denn wenn Sie es wollen würden, dann würden Sie es auch tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenso ist es bei den Energiekosten, und auch die kalte Progression ist abzuschaffen. Wenn ich vorhin gehört habe, dass wir Freiheitliche dagegen waren, dann glaube ich, dass ich im falschen Film bin. Herr Minister, wir fordern das seit Ewigkeiten! Ja, wenn ihr wieder 100 Sachen in einen Antrag zusammenpackt, dem wir einfach nicht zustimmen können, um dann zu behaupten, dass wir dagegen seien, dann ist das ein mieses Spiel. Wir fordern das seit vielen Jahren. Das war damals sogar in unserer gemeinsamen Re­gierungszeit ein Thema. Ich will nur sagen, am 13.10.2021 war der letzte dahin gehende Antrag von uns wieder im Nationalrat. Wer hat zugestimmt? – Die SPÖ hat zugestimmt, die FPÖ hat zugestimmt, die NEOS haben zugestimmt. Wer hat es abgeschmettert? – ÖVP und Grüne. (Beifall bei der FPÖ.)

All unsere Forderungen sind in Wahrheit unbürokratische Maßnahmen, die sofort helfen würden, nämlich genau jenen Menschen, die diese Hilfe notwendig haben und diese Hilfe natürlich auch verdienen. Wenn wir hier von Wohlstand reden, meine Damen und Herren, dann reden wir nicht von einer Villa mit Pool, so wie vielleicht bei dem einen oder anderen ÖVPler, mit zwei Mercedes in der Garage und fünfmal im Jahr auf Urlaub flie­gen, nein, wir reden von einem Wohlstand, bei dem man ein ordentliches Auskommen mit seinem Einkommen hat und sich nicht Sorgen machen muss, ob man sich am Ende des Monats zwischen Essen und Heizen entscheiden muss. Das ist mit Wohlstand ge­meint! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, es gibt genug Menschen in Österreich, die am Ende des Geldes noch etwas vom Monat überhaben. Das ist das Problem, das wir haben. Ich spreche bei den zuvor genannten Maßnahmen nicht von einer Entlastung, ich spreche von einer Kompensation. Die Menschen in Österreich – wir alle, so wie wir hier sitzen – werden künftig ärmer werden. Das hat bereits begonnen. Ich rede dabei von Reallohn­verlusten. Wir verlieren alle, meine Damen und Herren, aber kritisch ist es bei uns jetzt noch nicht, kritisch ist es bei den Menschen, die jetzt schon keinen Spielraum mehr haben, die sich jetzt schon das Leben nicht mehr leisten können. Bei diesen ist eine Inflation von 7 Prozent eine Katastrophe, das ist der Anfang vom Ende. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich rede tatsächlich von einem Überlebenskampf, und diese Menschen gibt es in Öster­reich. Das Traurige daran ist, dass es sogar sehr viele sind. Fast jeder Fünfte in Öster­reich ist bereits ein Betroffener, die Tendenz ist kontinuierlich steigend. Ganz besonders gefährdet sind Alleinerziehende und Mindestpensionisten. Mieten können nicht mehr rechtzeitig bezahlt werden, Urlaube sind sowieso nichts mehr anderes als ein irrealer Traum, und wenn einmal die Waschmaschine kaputtgeht, dann fehlt das Geld für die Reparatur oder für die neue Waschmaschine. Denken Sie einmal darüber nach! Willkom­men, meine Damen und Herren von Schwarz und Grün, in Ihrer neuen Normalität, die Sie alle mit zu verantworten haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Zwei Jahre das Beste aus zwei Welten, das Beste von Schwarz und Grün, und wir stehen am wirtschaftlichen Abgrund – zumindest schon sehr viele. Was hat Kogler zu Beginn dieser Regierungszeit gesagt? – „Man wird Österreich in ein paar Jahren nicht wiederer­kennen“. – Ja, das hat er geschafft. Gratuliere! Und ja, natürlich haben Sie von dieser Regierung das maßgeblich mitverschuldet, denn wir hatten in Österreich – auch das ist heute mehrmals gesagt und bestätigt worden – lange vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine bereits eine stark steigende Inflation jenseits der 4 Prozent. Das Wifo hat das auch bestätigt.

Wenn ich vorhin gehört habe – ich glaube, Kollege Kolland war es, der das gesagt hat ‑: Na Wahnsinn, andere Länder haben auch so eine hohe Inflation; mit der Schweiz dürfen wir uns nicht vergleichen, denn die Schweiz hat eine Inflation von 2,5 Prozent, wir müs­sen uns mit der Türkei vergleichen!, dann frage ich mich: In welchem Land leben Sie eigentlich? In welchem Land leben Sie? Ich will mich nicht nach unten nivellieren, und was ich schon gar nicht will, ist, die Österreicher nach unten zu nivellieren. Wir müssen den Anspruch haben, auf die Länder zu schauen, wo es funktioniert. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen schauen, dass es in die Richtung geht, wie es die Schweiz gemacht hat. Die waren halt gescheiter, sie haben in der Coronapolitik eine andere Linie verfolgt und verfolgen auch jetzt eine andere Linie, wenn es um die Neutralität geht. Davon können wir lernen, meine Damen und Herren, und genau dort müssen wir hin! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich befürchte aber – und das ist meine große Befürchtung –, dass diese Regierung das ganz einfach nicht kann, einerseits weil die ÖVP intern in Chaos und Korruption ver­sinkt – gerade jetzt ist wieder ein Artikel im „Standard“ aufgepoppt; gegen den nächsten ÖVP-Politiker oder Ex-ÖVP-Politiker wird schon wieder ermittelt – und andererseits weil die Grünen ausschließlich verblendete Ideologiepolitik betreiben. Die Leidtragenden von dem Ganzen sind wir Österreicher. Darum gibt es in Wahrheit nur eine einzige Möglich­keit, die uns mittel- und langfristig helfen wird, eine monetäre und auch eine politische Entlastung zu erreichen, und das sind nun einmal Neuwahlen.

Am besten wäre – das ist mein persönlicher Wunsch, vielleicht auch ein Wunsch ans Christkind, auch wenn es noch ein bisschen früh ist – eine künftige Regierung ohne Be­teiligung von ÖVP und Grünen. Dann kann man einerseits vielleicht den grünen ökoso­zialen Schaden reparieren und andererseits könnte man einmal die schwarzen Korrup­tionssümpfe in Österreich trockenlegen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.28


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Sascha Ob­recht. – Bitte.


17.28.26

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich darf auch die beiden Gäste auf der Galerie begrüßen, das sind der ehemalige


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und der amtierende Schulsprecher der HTBLVA Spengergasse im 5. Wiener Gemeinde­bezirk. Herzlich willkommen! Ihr schaut euch das gleich ein bisschen für die Zukunft an. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich hoffe, ihr habt dem Finanzminister ganz deutlich zugehört. Ich versuche das immer, ich versuche auch mitzunehmen, was er gesagt hat. Eine Sache, die schon hängen ge­blieben ist, ist, dass er die Opposition gemahnt hat, sie solle redlich mit Zahlen umgehen, sie solle redlich mit Fakten umgehen. – Herr Minister, dann müssten Sie selber auch ein wenig vor Ihrer eigenen Haustür kehren. Ich präsentiere die fünf Unwahrheiten des Fi­nanzministers Magnus Brunner, die in dieser Sitzung bereits geäußert wurden.

Die erste, mit der er begonnen hat, war, dass die Mehrwertsteuersenkung europarechts­widrig sei. Das könnte im ersten Moment für einen Juristen ja durchaus einleuchtend sein, wenn man sich aber konkret anschaut, was Spanien gemacht hat, dann weiß man, dass das Spanien nicht genug war. Die sind zur Europäischen Kommission gefahren, haben verhandelt und natürlich diese Mehrwertsteuersenkung bekommen. Diese ist von 21 Prozent auf 10 Prozent reduziert worden. Das könnte ich mir vom österreichischen Finanzminister auch erwarten, dass er einmal nach Brüssel fährt und zumindest ver­sucht, diese Maßnahme zu verhandeln. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Nummer zwei: Österreich sei das Land, das in der Europäischen Union als erstes Maß­nahmen gegen die Teuerung gesetzt habe. Ja, wenn man die sozialdemokratisch ge­führten Länder außer Acht lässt, dann stimmt das, aber Portugal und Spanien waren natürlich wesentlich zeitiger dran.

Spanien war es bereits im Herbst letzten Jahres – eben durch die Mehrwertsteuersen­kung –, und jetzt hat man in Spanien und Portugal auch noch einmal einen Deckel für die Energiepreise gesetzt, einen Deckel, den wir auch in Österreich wirklich gut gebrau­chen könnten. In Spanien hilft er 40 Prozent aller Haushalte. Dort halbiert er die Kosten mit einem Schlag, mit einem Gesetz. Das wäre eine Sache, die ich mir für Österreich wünschen würde.

Dritte Sache: Sie haben gemeint, die Maßnahmen der Bundesregierung funktionieren. Das ist schon auf technischer Ebene falsch. Was meine ich damit? – Der Teuerungs­ausgleich, die 150 bis 300 Euro, wird in den Ländern mit der Sozialhilfe gegengerechnet. Es gibt mitunter Fälle in Oberösterreich, bei denen dann diese 150 Euro an Teuerungs­ausgleich wieder von der Sozialhilfe abgezogen werden, wenn jemand unter 1 030 Euro verdient – also wirklich dort, wo es notwendig wäre –, und es bleibt ein Nullsummenspiel. Die Leute profitieren gar nicht davon.

Das ist entweder schlechte Legistik oder wirklich bewusste Politik. Beides ist wirklich ablehnenswert.

Vierter Punkt: Die Maßnahmen, die die Bundesregierung setzt, sind sozial treffsicher. Das ist ja, finde ich, die beste Sache, die vorgekommen ist. Bei der Körperschaftsteuer, glaube ich, hat man nämlich nicht daran gedacht. Was ist der Punkt?

Das, was Arbeitnehmer an Lohnsteuer zahlen, das zahlen Unternehmen für ihren Ge­winn an Körperschaftsteuer. Sie liegt bei 25 Prozent und soll jetzt schrittweise auf 21 Prozent sinken, in der ersten Etappe auf 23 Prozent. Das sind 800 Millionen Euro an Geschenken.

Wenn das Klein- und Mittelbetriebe wären, dann könnten wir darüber reden. Man hat es sich aber angeschaut. Das Momentum Institut hat das ausgerechnet und sich genau überlegt, wen das trifft und wer von dieser Steuer, von diesem Steuergeschenk – und nichts anderes ist es – profitiert: rund 3 000 Unternehmen. Das sind 1,9 Prozent der Be­triebe in Österreich.


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1,9 Prozent der Betriebe in Österreich profitieren zu drei Vierteln von dieser Steuersen­kung. Das andere Viertel dürfen sich alle anderen aufteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der fünfte Punkt, der heute erwähnt wurde – das ist vermutlich die dreisteste Unwahr­heit –: Diese Regierung sei handlungsfähig. Das glaube ich nicht. Die letzten zwei Jahre haben wir 14 Regierungsumbildungen gesehen. Ich allein – ich bin erst seit Dezember hier – habe neun gesehen, neun an der Zahl. Jetzt haben wir als Letztes sogar den Arbeitsminister, den unsäglichen, zusätzlich zum Wirtschaftsminister gemacht. Wir ha­ben damit eine Situation, in der 150 000 Bäuerinnen und Bauern ein eigenes Ministerium haben, 4,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber nicht. Vielen Dank da­für!

Abschließend darf ich Ihnen noch eine Sache sagen: Nachdem ich jetzt also die fünf Punkte aufgezählt habe – der Finanzminister sieht das sicher anders, ich habe es schon von der Seite gehört, das mag so sein, die Zahlen sind dennoch valide –, mag ich viel­leicht mit Seiler und Speer enden, die ein Lied geschrieben haben, das ungefähr so geht: „Der Pforrer hoit Messen, / Da Pilot der muas fliang / Da Gärtner pflückt Bleaml / Da Mi­nister duat liang!“ (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Spanring: ... tut lüg’n! – Bun­desrätin Steiner-Wieser: Was war das für ein Zitat?)

17.32


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, wenn man das Wort Lüge in einen Vers verpackt, ist es deshalb nicht besser. (Bundesrat Spanring: Das war ein Zitat!)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Marlies Steiner-Wieser. – Bitte schön.


17.33.25

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Vizekanzler Kogler im Jänner 2020 behaup­tete: Sie werden Österreich in ein paar Jahren nicht wiedererkennen, konnte ich noch darüber schmunzeln und habe es eigentlich gar nicht ernst genommen. Heute, ein bissel mehr als zwei Jahre später, wird mir eigentlich flau in der Magengegend, wenn ich unser Land anschaue. Ich erkenne unsere Heimat tatsächlich fast nicht mehr wieder.

Innerhalb von zwei Jahren haben wir 14 Regierungsumbildungen gehabt. Österreich wurde von einer liberalen Demokratie zu einer Wahldemokratie zurückgestuft. Bei der Pressefreiheit sind wir von Platz 17 auf Platz 31 gelandet, hinter Staaten wie Namibia, Osttimor, Trinidad und Tobago oder Jamaika. Dort wachsen überall Bananen, das sind also Bananenstaaten. Was ist aber jetzt Österreich? Mutieren wir nach dem, was sich da abspielt, schön langsam zu einer Bananenrepublik?

Wir haben eine Inflationsrate von über 7 Prozent, und die Österreicher können sich das Leben schon fast nicht mehr leisten. Es macht mich traurig, es macht mich zornig, aber was es mich ganz sicher macht: Es macht mich noch kämpferischer, mitzuarbeiten, um unsere vielgeliebte Heimat zu retten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn aber die ÖVP denkt, dass mit einer Regierungsumbildung alles wieder ganz an­ders und gut wird, täuscht sie sich ganz gewaltig. Die Österreicher werden euch nie vergessen, was ihr in den letzten über zwei Jahren angestellt habt, aber anscheinend haben die Grünen und die ÖVP da einen Gedächtnisverlust, denn wenn ich mich zu­rückerinnere: Kaum war die Regierung im Amt, ist es schon mit einer Chaospolitik los­gegangen. Dann ist Corona mit sinnbefreiten Coronamaßnahmen gekommen, und unser Land ist wirtschaftlich an den Rand des Abgrunds geführt worden. Es liegt wieder einmal am Steuerzahler, den hohen Preis, also sprichwörtlich, dafür zu bezahlen.

Bereits im letzten Jahr – das war vor der Ukrainekrise – ist die Inflationsrate schon ge­waltig gestiegen. Mieten, Strom, Gas, Treibstoffe, Lebensmittel: Die Preise sind enorm gestiegen – vor der Ukrainekrise. Das hat ja mit der Ukrainekrise gar nichts zu tun, dass


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es uns finanziell momentan so schlecht geht. Das sind eure Maßnahmen gewesen! (Bundesrat Köck: Ach so? Es hat nichts damit zu tun?) – Herr Köck, Sie können sich zu Wort melden. Melden Sie sich zu Wort, dann können Sie auch mitreden! – Es war nicht die Ukrainekrise, es waren eure Maßnahmen, die ihr gesetzt habt: eure Kurzarbeitsmo­delle, die Arbeitslosigkeit, in die ihr die Leute geschickt habt. Gestiegene Preise: Die Ukrainekrise verschärft das Ganze nur. (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Familien können nicht einmal mehr die Fixkosten begleichen, aber es verschärft sich ja noch – ich habe es vorhin schon gesagt –: Die Inflationsrate von über 7 Prozent wird noch weiter steigen, Tendenz stark steigend. Wenn da nicht sofort eine Notbrem­sung eingeleitet wird, dann wird das ganz, ganz dramatisch und bitter werden, denn die Leute können sich schon jetzt das Leben nicht mehr leisten und müssen sich überlegen: Heizen oder Lebensmittel?, weil sich beides zusammen nicht mehr ausgeht.

Die Menschen finden mittlerweile kein Auskommen mit ihrem Einkommen mehr. Schon aufgrund der irren Coronamaßnahmen der Bundesregierung haben die Menschen ihre ganzen Sparreserven aufbrauchen müssen. Durch die schwarz-grüne Wahnsinnspolitik haben die Österreicher eben viel, sehr viel Geld verloren. Strom, Gas, Lebensmittel – die Preise schießen durch die Decke. Und was macht die schwarz-grüne Bundesregie­rung? – Na ja, sie macht eigentlich nichts dagegen.

Herr Finanzminister, seien Sie ehrlich, Sie sind der Hauptprofiteur in der Krise: Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen, Milliarden! Die Steuern gehören also sofort gesenkt, die Steuern gehören gesenkt: Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer. Es gehören Preisdeckel eingeführt. Wir haben es heute schon gehört: Die CO2-Steuer ab 1. Juli gehört eingefroren.

Herr Minister, geben Sie bitte den Menschen ihr Geld zurück! (Beifall bei der FPÖ.) All diese Maßnahmen müssen aber sofort gesetzt werden. Das Einzige aber, was der Bun­desregierung wirklich eingefallen ist, ist, dass eine Preiskommission gebildet wurde – na bravo, eine Preiskommission! Das Ergebnis daraufhin: Ja, die Preise sind nach Einset­zung der Preiskommission noch höher gestiegen. Ganz nach dem Motto: Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis!

Jetzt muss ich meinen Blick zu euch hinüber richten (in Richtung SPÖ), denn die Haltung der Sozialisten ist mir nicht ganz klar. Gewisse Verhaltensweisen sind für mich nicht gerade sozial. Ihr habt bei jeder Coronamaßnahme mitgestimmt und habt es somit mitzu­verantworten, dass es den Menschen in diesem Land finanziell schlechter geht.

Ihr gaukelt aber momentan den Menschen vor, dass ihr gegen die Teuerungswelle an­kämpft, streut den Menschen Sand in die Augen. (Bundesrätin Schumann: Oje!) In je­dem roten, sozialistischen Bundesland aber, wo ihr die Möglichkeit hättet und die Haupt­verantwortung tragt, da senkt ihr die Preise nicht, nein, da erhöht man die Preise für Strom, Gas und Mieten.

Weil ich Kollegin Kahofer vorhin über die Eintrittspreise sprechen gehört habe: Ja, dann redet doch bitte mit dem Wiener Bürgermeister! Das ist ja ein Sozialist, soviel ich weiß. (Bundesrätin Kahofer: Bin ich eine Wienerin?! – Bundesrätin Grimling: Frau Kahofer ist Niederösterreicherin!)

Im Herbst, also nach einem Jahr Corona, haben wir das 1-2-3-Ticket gehabt. Der Coro­napreis in den Bädern in Wien ist jetzt weg, das 1-2-3-Ticket gibt es nicht mehr. Monatskar­ten für das Badengehen in Wien gibt es auch nicht mehr. (Bundesrätin Kahofer: ... Wien! Ich bin Niederösterreicherin!) Jetzt haben sie aber den Preis des Regulärtickets von 5,90 Euro auf 6,20 Euro erhöht. Na ist das sozial, wenn sich die Leute ohnehin schon nichts mehr leisten können? – Nein, das ist asozial! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Treppenwitz in Wien ist ja, dass sich die ÖVP über die Preissteigerungen durch die Sozialisten aufregt. Das ist ja ein Treppenwitz, dass sich da die ÖVP aufregt. Da habt


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ihr einen Finanzminister, mit dem ihr reden könnt. – Bitte, fahr nach Brüssel! Schau, dass wir die Mehrwertsteuer senken können! Senk überhaupt die Preise! Redet mit dem Koa­litionspartner, mit den Grünen, dass sie auf diese Schwachsinnsidee von der CO2-Steuer verzichten. Das ist alles ein bissel eigenartig.

In Kärnten, Wien und im Burgenland könntet ihr es unter Beweis stellen, dass es euch mit der Entlastung der Bürger ernst ist. (Bundesrätin Schumann: Haben wir schon ge­macht!) Dort habt ihr es selber in der Hand. In Wirklichkeit aber macht ihr es ganz anders.

Für mich ist das einfach eine doppelbödige Politik. Ich muss es auch ganz direkt sagen: Ihr habt in der Situation nicht einmal den Genierer, euren eigenen Genossen, euren Par­teimitgliedern, den jährlichen Mitgliedsbeitrag um 8 Prozent anzuheben, weit über die Inflationsrate. Ich meine, das ist ja unglaublich: den eigenen Genossen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ich hätte ein Beitrittsformular da!)

Ich meine, sie rennen euch ohnehin davon. Euer Traum von einer Kanzlerin wird hoffent­lich nicht in Erfüllung gehen, aber das ist ja wirklich ungeheuerlich. Ihr redet von Teue­rungswellen, und den eigenen Genossen holt ihr das Weiße aus den Augen heraus. Das ist unglaublich! (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Dann haben wir die sogenannten Entlastungsmaßnahmen. Ein Teuerungsausgleich sollte es sein. Heiße 150 Euro – eine Einmalzahlung – sollten den Bürgern finanziell die Sorgen von den Schultern nehmen. Gar nichts ist das! Was ist denn das für eine tolle Leistung? Auf der einen Seite werden den Menschen Tausende von Euro aus dem Geld­börsel genommen, und auf der anderen Seite kriegt man mit der Einmalzahlung von 150 Euro – sofern man sie kriegt, denn beim Energiekostenzuschuss kriegt man sie eh nicht oder irgendwann am Sankt-Nimmerleins-Tag – ein paar Almosen, Brotkrümel.

Ich kann nur sagen: Der Teuerungsausgleich kommt viel zu spät, ist viel zu langsam und wirkt nicht in der Höhe. Da gehören dauerhafte Maßnahmen her, damit die Menschen in diesem Land wirklich entlastet werden. Es trifft bei Weitem nicht alle, die jetzt Opfer der Teuerung geworden sind.

Ich denke da an die Mittelschicht. Die Armen werden immer ärmer, die Reichen werden immer reicher. Die Mittelschicht gibt es bald nicht mehr, die Mittelschicht stirbt aus. Den Mittelstand gibt es bald nicht mehr, und die lapidare Abspeisung von 150 Euro ist auch nicht gerade wirkungsvoll. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Ja, und dann habe ich da ein ganz besonders pikantes Beispiel aus Salzburg. Es hat immer geheißen, dass dieser Teuerungsausgleich, die 150 Euro, nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Was macht denn Salzburg, wo Schwarz-Grün regiert? Die Grünen interessiert das nicht, wenn man über soziale Sachen redet. Das grüne Ressort zieht den Leuten für den Teuerungsausgleich gleich 150 Euro bei der Sozialhilfe ab. (Zwi­schenruf bei den Grünen.) Asozial ist das, was ihr da aufführt. Asozial ist das, was ihr da aufführt! (Beifall bei der FPÖ.)

Neun von zehn Österreichern müssen sich schon stark einschränken, und was macht die Salzburger Landesregierung? – Die nimmt den ohnehin schon Ärmsten der Armen den 150-Euro-Teuerungsausgleich auch noch weg, obwohl zugesagt wurde, dass dieser Teuerungsausgleich nicht zum Einkommen dazugezählt wird.

Es werden alle mit Almosen abgespeist. Das noch zu dem Thema, weil Kollegin Kittl diesen Teuerungsausgleich zuerst so groß angepriesen hat. 150 Euro sind in Anbetracht der explodierenden Preise wohl weitaus mehr als beschämend.

Dann geht es noch weiter. Da haben wir einen Kanzler, der meint, er muss besonders wichtig sein und sich in einen Krieg einmischen, bei dem wir als neutrales Land nichts verloren haben, gar nichts. Wir können humanitäre Hilfe leisten – wir sollten auch huma­nitäre Hilfe leisten, wir müssen es tun und wir wollen es tun –, dass der aber in der Welt­geschichte herumreist, von Kiew über Moskau, und noch Öl ins Feuer gießt?! (Bundesrat


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Buchmann: Gott sei Dank hat er sich eingemischt! Gott sei Dank!) Ausbaden müssen es die Österreicher, oder glaubt ihr wirklich, dass das irgendjemanden in Russland inter­essiert, was der Kanzler in Österreich sagt? (Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir – es geht ja noch weiter, das Tüpfelchen auf dem i – eine grüne Energie­ministerin, die ja ganz besonders siebengescheit ist und anscheinend überhaupt auf einem anderen Planeten lebt. Im Alleingang sichert sie die österreichische Unterstützung bei einem Öl- und Gasembargo gegen Russland zu. Ja spinnt die gute Frau? Wisst ihr, was das bedeutet?


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Liebe Kollegin, bitte! Ihr Temperament ist bewunderns­wert, aber bitte bei der Wortwahl etwas aufpassen!


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Ja lebt die Frau auf einem anderen Planeten oder Stern? Wisst ihr, was das für Österreich bedeutet, wenn wir kein Öl oder kein Gas mehr haben? – Es laufen keine Maschinen mehr, somit ist ein Produktions­stopp, wir werden viele Arbeitslose haben. Es laufen keine Heizungen mehr, somit wer­den wir frieren. Es laufen keine Herde mehr, somit kann man nichts mehr zum Essen kochen. Aber es heißt ja so schön von den Grünen: Hungern und Frieren für den Frieden. Wie es eure Maurer sagt: Na, es muss ja nicht jeden Tag Schnitzel sein. – Das ist frivol und beschämend, was ihr da von euch gebt. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist eine Verhöh­nung der österreichischen Bevölkerung, die jahrzehntelang hart gearbeitet hat und die­ses Land nach dem Zweiten Weltkrieg zu Wohlstand geführt hat. Eine Verhöhnung ist das!

Verantwortung zu tragen schaut ganz anders aus. Sollte diese schwarz-grüne Bundesre­gierung noch einen Funken von Anstand und noch ein bisschen Gespür haben, dann trete sie bitte zurück und mache sie den Weg frei für Neuwahlen! – Danke schön. (Anhal­tender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo Marlies!)

17.45


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Ingo Appé. – Bitte schön.


17.45.59

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Marlies Steiner-Wieser, ich muss sagen, du hast viel Mut, dass du da hergehst und über den Strompreis in Kärnten herziehst, denn du solltest ein bisschen Geschichte lernen. Lern ein bisschen Geschichte! Wer hat denn in Kärnten die mehrheitlichen Anteile bei der Kelag verscherbelt und nach Deutsch­land transferiert? – Das war vor 2013 die liebe FPÖ in Kärnten, und jetzt haben wir die Minderheit und können da nichts mehr machen. Das ist Tatsache. Also ein bisschen bei den Realitäten bleiben, wenn man das Ganze so macht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Heiterkeit der Bundesräte Himmer und Preineder. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wer hat denn mit 700 000 den Wahlkampf finanziert?)

Alles wird teurer – den Satz hören wir eigentlich jeden Tag, und dann direkt danach: Ja, der Krieg ist schuld. Wir in Kärnten leben im Dreiländereck mit Slowenien und Italien und sind da jetzt auch mit unseren Nachbarn sehr verbunden, sind einmal da, einmal dort. Der Herr Finanzminister hat es ja schon angesprochen: Slowenien hat eine Zeit lang den Benzinpreis gedeckelt – bis zum Wahlsonntag. Ein Schelm, der da etwas Böses denkt. Dann ist die Wahl nicht so ausgegangen, wie sich der Herr amtierende Präsident das gewünscht hat, und er hat die Deckelung gleich am nächsten Tag wieder aufgehoben. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.)

Es sind viele Kärntner hinuntergefahren und haben ein böses Wunder erlebt, weil sie nicht so wie in Ungarn die Tankstellen leeren konnten. Das ist dort in Slowenien nicht mehr gegangen.


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Wir sind aber auch häufig in Italien. Früher in der Vergangenheit war es so: Man ist hinuntergefahren, hat vor Tarvis noch geschwind getankt, damit der Tank voll ist, wenn man ans Meer und wieder zurückfährt, weil das Benzin dort exorbitant teurer war. Jetzt, vorige Woche – man tankt wieder brav in Österreich, die Steuern bleiben dann ja auch bei uns –, siehe da: In Italien ist das Benzin auf der Autobahn billiger als bei uns in der Ortschaft. Da denkt man sich dann auch seinen Teil. Die haben aber nichts gedeckelt. Wer verdient da? (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Spanring und Steiner.) Mir ist nicht bewusst, dass sich den Italienern jetzt irgendwo große Erdölquellen aufgetan hätten, dass sie das der eigenen Bevölkerung zugutekommen lassen.

Nur so viel als Einstieg zu den Treibstoffpreisen: dass da fast 50 Prozent in Staatssäckel hineingehen – ob das in Deutschland ist oder bei uns – ist unbestritten und dass das ein Preistreiber für alle Bereiche ist, darüber brauchen wir uns auch keine Sorgen zu ma­chen.

Als Bürgermeister komme ich immer wieder auf die Gemeindeebene zurück, weil ich denke, dass in der Länderkammer auch sehr viele Bürgermeister sitzen und wissen, was da tagtäglich auf uns zukommt. Ein kleines Beispiel: Kindergärten haben Essen. Die meisten Kindergärten bekommen eine Zulieferung von gesundem Essen, weil das für unsere kleinen Kinder ja sehr wichtig ist. Bis jetzt ist der Preis des Zulieferers bei 3,80 Euro gewesen – ab jetzt: 5,20 Euro. Wer bezahlt das? – Die Eltern. Die Lebensmit­telpreise sind teurer geworden.

Wir haben jetzt Schulen und Kindergärten auszubauen. Wir haben Gott sei Dank viele Kinder und müssen erweitern. Wir haben ein Projekt von 4 Millionen Euro und jetzt bei der Ausschreibung eine Preissteigerung von 30 Prozent. Das heißt, die Gemeinde muss auf einmal um 1,2 Millionen Euro mehr aufstellen. Wir sind Gott sei Dank eine Gemeinde, in der wir ein bisschen Reserven haben, diese zusammenkratzen und andere Projekte zurückstellen können, weil uns die Jugend wichtig ist.

Anderen Gemeinden geht es genauso, die haben aber keine Geldreserven. Was pas­siert? – Die müssen jetzt weitere Investitionen zurückstellen. Was passiert in Folge? – Wir schwächen wieder die Wirtschaft, weil die öffentliche Hand ein wichtiger Auftragge­ber ist. Aber diese Preissteigerung, die zurzeit kommt, stemmen wir einfach nicht mehr, und ich denke, dass der Weg der Arbeiterkammer mit den zehn Punkten, die auch in der Anfrage drinnen sind, ein guter wäre, um die Teuerung etwas abzufedern.

Die Gemeinden sind wie gesagt belastet. Ich habe es schon bei der vorherigen Anfrage gesagt, dass wir beim Pflegereformpaket auch massiv getroffen werden. Jetzt trifft es uns wieder, und wie läuft es denn weiter? Auch die Tarife der Gemeinden müssen ange­passt werden. Wir haben Haushalte, die betreffen Wasser, Kanal, die Kindergärten wie gesagt, die Pflege, und da geht diese Teuerung auch nicht spurlos an den Gemeinden vorbei. Wenn etwas beim Kanal zu tun ist, beim Wasser etwas zu tun ist, dann haben wir diese 30-prozentige Erhöhung überall drin. Wer zahlt es? Im Haushalt müssen wir die Tarife entsprechend anpassen, und jetzt kriegen die Bürger und Bürgerinnen in unse­ren Gemeinden eine saftige Erhöhung der Tarife, und ich glaube, wenn da nicht irgend­wann ein Hilfspaket kommt, werden wir das dort auch nicht stemmen, weil wir wieder die Haushalte und die Bürgerinnen und Bürger übers Maß belasten.

Also, lieber Herr Finanzminister, stoppe bitte diese Preislawine! Vorschläge gibt es ge­nug, und es sind genug Milliarden von den Abgaben in den Staatssäckel geflossen. Ma­chen wir das nicht auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher, dass da dieser Weg weiter beschritten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch ganz kurz zu den Lebensmittelpreisen und der Versor­gungssicherheit kommen, weil mich Kollege Gfrerer angesprochen hat, dass ich bei der


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vorherigen Rede gesagt habe, die Lebensmittelpreise sind um 20 Prozent hinaufgegan­gen. Er hat gesagt, das stimmt nicht. Die Statistik sagt etwas anderes. Gehen wir einmal von der Lebensmittelversorgungssicherheit in Österreich aus: Laut Statistik Austria schaut es so aus, dass wir in Österreich beim Getreide einen Lebensmittelversorgungs­sicherheitsgrad von 94 Prozent haben, bei den Ölsaaten 47 Prozent, beim Obst 48 Pro­zent, beim Gemüse schon 58 Prozent, bei Erdäpfeln oder Kartoffeln 90 Prozent, Rind­fleisch 145 Prozent, Schweinefleisch 106 Prozent, Wein – Punktlandung – 100 Prozent – sind wir froh! –, Milch 177 Prozent und Käse 94 Prozent.

Aber wie schaut es mit der Gastronomie aus? Energie und Benzin sind auch für die Lebensmittel der Preistreiber, und wenn man das Schnitzelbarometer für das allseits beliebte Wiener Schnitzel hernimmt: Da hat eine Marktforschung von der Agenda Austria ergeben, dass sich allein der Preis für Speiseöl seit Anfang des Jahres um 40 Prozent erhöht hat. Gastroküchen sind extrem energieintensiv und brauchen Strom und Gas. Der Herd ohne Gas bei der Gastro geht gar nicht, und wenn man einen Dampfgarer oder mehrere hat, braucht man mehr als einen Starkstromanschluss, um diesen überhaupt betreiben zu können. Wie gesagt, wenn man die Zutaten fürs Wiener Schnitzel her­nimmt, ergibt es: Öl habe ich schon gesagt, der Mehlpreis ist in diesem Zeitraum um 20 Prozent gestiegen, Erdäpfel um 9 Prozent, Eier um 5 Prozent, und was erstaunlich ist: das Kalbfleisch nur um 2,7 Prozent. Jetzt würde man annehmen: Super, wenn so eine Preissteigerung von 20 Prozent drinnen ist, kommt das den Landwirten zugute. – Dem ist aber nicht so, sondern da geht irgendwo zwischen Produzenten und Endver­brauchern das Geld verloren.

Ich habe mir noch die Arbeit gemacht und mir den Preisindex für März herausgeholt. Produktentwicklung: Mahlweizen, Veränderung von März 2021 auf März 2022 64 Pro­zent, Mais 61 Prozent, Gerste 64 Prozent, Rindfleisch 33 Prozent, Schweinefleisch 12 Prozent, Hähnchenfleisch 25 Prozent, Butter 61 Prozent, Cheddarkäse 20 Prozent, Magermilchpulver 60 Prozent, Vollmilchpulver 54 Prozent, Rapssaat 77 Prozent, Weiß­zucker 13 Prozent. Jetzt ist uns schon bewusst, dass das nicht die Bauern kriegen, denn die haben die Ernte ja 2021 schon abgeliefert. Verkaufen tut es jetzt wer anderer zu diesen Börsenpreisen.

Das ist auch von der AMA, also das sind jetzt keine Zahlen, die ich mir irgendwie aus den Fingern sauge: Weizen im Vergleichszeitraum vom April 2021 auf 2022, Preissteige­rung 90 Prozent, Soja 31 Prozent, Schweinefleisch 27 Prozent, Rinder Jungstiere 30 Pro­zent, Rinder Kühe 43 Prozent, Geflügel Hühnerfleisch 14 Prozent, Eier Bodenhaltung 45 Prozent, Karotten 0 Prozent, bei den Zwiebeln – da kommt einem das Weinen – mi­nus 21 Prozent, und die Kartoffeln sind im Preis um 90 Prozent gestiegen.

Wenn man sich dann den AMA-Bericht anschaut, liest man: Versorgungslage: Die Kriegssituation im Osten Europas beeinflusst die Versorgung nicht. „Auch mittelfristig ist keine Gefährdung der Versorgung absehbar; solange die Gaslieferungen laufen.“ So geht es weiter. Wenn jemand Lust hat: Im Internet kann man sich den Bericht herunter­laden. Da steht viel Interessantes drinnen. Ein Ratschlag an die Regierung: Vielleicht kann man eine Gewinnabschöpfung bei den Zwischenhändlern machen und das den Landwirten zugutekommen lassen, denn dort wäre es besser angebracht als bei Aktio­nären, um die Verluste durch Russland zu kompensieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte schön.


17.57.18

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher! Wir erleben hier eine sehr emotionale


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Debatte, und das zeigt, wie wichtig uns das Thema ist. Der Kollege hat gerade aufge­zählt, welche Preissteigerungen in den letzten Wochen passiert sind, und das ist auch, was wir mitbekommen, diejenigen von uns, die noch selber einkaufen; viele werden es vielleicht gar nicht mehr machen. Ich gehe jeden Tag einkaufen, komme auch mit vielen Menschen in Kontakt, und da höre ich sehr viele Geschichten. Gerade jetzt mit den Ener­giepreisen, die ja durch die Decke schießen, ist die Preissteigerung in allen Lebensbe­reichen erkennbar. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Nicht nur private Haushalte, wie Familien, Alleinerzieherinnen und viele andere, sondern auch der Handel, die Landwirtschaft und auch besonders die energieintensiven Indus­trien leiden unter den extremen Preissteigerungen. Es müssen endlich weitere und vor allem wirksame Maßnahmen gesetzt werden, Herr Minister! Die Haushalte und auch die Wirtschaft müssen spürbar entlastet werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Oberösterreichische Landtag mit der ÖVP, auch Landeshauptmann Stelzer, hat ein Förderungspaket verabschiedet, um eine Entlastung im Energiebereich zu erreichen. Es muss stärker entlastet und nicht zusätzlich belastet werden, wie es mit der CO2-Steuer passiert.

Durch den extremen Anstieg der Energiepreise wurde auch das Bauen von leistbarem Wohnraum immer herausfordernder. Wenn Baustellen stillstehen, verlieren Menschen ihre Arbeit, und es gibt keinen sozialen Wohnraum mehr, der zur Verfügung gestellt wird. Auch da hat Oberösterreich durch Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuch­ner wieder ein Sonderwohnbauprogramm in die Wege geleitet, und trotz der Baukosten­explosion den Bau von leistbarem Wohnraum weiterhin abgesichert. Das ist das Geld, das zur Verfügung gestellt wird, um die massive Teuerung für die Mieter abzufedern. Durch diese Maßnahme wird es zu keiner Mehrbelastung für den Mieter bei neu errich­teten Wohnungen kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erwarte mir, auch von Ihnen, Herr Minister, dass Sie endlich handeln und diese wahn­sinnige Preisspirale ein für alle Mal beenden!

Unser aller Lebensstandard steht auf dem Spiel, aber für viele Menschen ist es existenz­bedrohend. Geschätzte Damen und Herren, die Zahlen liegen auf dem Tisch, die Leute spüren es in den Geldbörsen – Sie machen Sitzkreise und Arbeitsgruppen ohne Ergeb­nisse. Reden ist zu wenig, Handeln ist angesagt! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stei­ner: Bravo!)

Die vorliegenden Entlastungspakete reichen kaum oder nicht aus, um den Menschen wirklich zu helfen. Viele Bürger wissen nicht mehr, wie sie die Rechnungen für das Hei­zen, den Strom oder den Treibstoff bezahlen sollen. Da bringt der 150-Euro-Gutschein sehr, sehr wenig, und er wird erst für die nächste Jahresabrechnung wirksam. Die Kos­tenlawine muss jetzt mit wirksamen Maßnahmen gestoppt werden. Es ist schon ange­sprochen worden: Sofortige Hilfe hilft doppelt!

Sie, Herr Finanzminister, sind der große Profiteur und Gewinner – neben den Energiean­bietern, die meistens in schwarzer oder roter Hand sind und sich über satte Gewinne freuen. Es wurde schon angesprochen: Experten sagen, circa zwischen 11 und 12 Mil­liarden Euro. Sie geben ein Drittel, circa 4 Milliarden Euro, an die Bevölkerung zurück. Das ist aus meiner Sicht zu wenig.

Geschätzte Damen und Herren, jetzt geht es um die vielen Menschen in diesem Land, die Angst davor haben, dass sie in die Armut abrutschen, die tatsächlich Angst davor haben, dass es ihren Kindern einmal schlechter gehen wird als ihnen selber. Es soll in Österreich keiner – niemand! – Existenzängste haben, aber leider schlittern aufgrund der aktuellen Entwicklung immer mehr Menschen in die Armutsfalle. Schuldnerbera­tungen rechnen heuer mit bis zu 10 000 Privatkonkursen. Zudem gab es im Vergleich zum Vorjahr bisher bereits über 51 Prozent Firmenpleiten.


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Geschätzte Damen und Herren, wir haben eine Regierung, die mit sich selbst beschäftigt ist, mit dem Austauschen von Ministern oder mit täglichen Korruptionsvorwürfen. Wir brauchen wieder eine Regierung, die für Sicherheit und für stabile Verhältnisse steht und die vor allem für die Menschen da ist. Daher: Neuwahlen – je früher, umso besser! (An­haltender Beifall bei der FPÖ.)

18.02


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm dieses.


18.02.30

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt viel über die Heiz­kosten und über die unglaubliche Teuerung bei Strom und Gas gesprochen. Die Pend­lerinnen und Pendler verzweifeln, wenn sie an der Zapfsäule stehen und sich die Euro-Uhr drei-, viermal so schnell dreht wie die Literanzeige.

Auf eines möchte ich heute allerdings auch besonders hinweisen: Das Wohnen in Salz­burg ist so teuer wie noch nie, und Salzburg war immer schon das teuerste Pflaster, wenn es ums Wohnen geht (Bundesrat Steiner: Innsbruck!), und die Regierung schaut nur zu und tut nichts, um die Salzburgerinnen und Salzburger zu entlasten, und das kann es auch nicht sein, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.)

Was tun die Grünen und die ÖVP, um die Salzburgerinnen und Salzburger zu entlasten? Was tut man, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlasten? Alles schön­reden? – Das ist meiner Meinung nach zu wenig. Zuschauen wird nichts bringen. Wäh­rend sich allerdings die Milliardäre und die Investoren schöne Chalets an Berghänge bauen oder sich Seegrundstücke, öffentliche Seegrundstücke, unter den Nagel reißen, vielleicht ist der eine oder andere ÖVP-Freund noch dabei, können sich junge Familien, Pensionistinnen und Pensionisten die Miete nur mehr schwer leisten, und der Traum vom Eigenheim ist in Salzburg sowieso schon geplatzt – und das tut mir weh! Das tut mir als Salzburger weh.

Wenn die NEOS-Wohnbaulandesrätin zweistellige Millionenbeiträge von den Wohnbau­geldern zurück ins Allgemeinbudget fließen lässt, weil sie irgendwie ideenlos ist, dann ist das de facto eine Selbstaufgabe!

Der Energieversorger in Salzburg, der Topmanager dort, fährt einen Rekordgewinn von über 60 Millionen Euro ein, und ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Wind, der bläst, die Sonne, die scheint, oder das Wasser, das fließt, irgendwie teurer geworden sind. Ich kann es mir nicht vorstellen. Versteht das irgendwer? Der Rekordgewinn auf der einen Seite, Managerboni an die ÖVP-Freunde auf der anderen Seite. (Bundesrat Steiner: SPÖ auch!) Ich kann es mir nicht vorstellen.

Weil heute schon Salzburg als klimaneutral – jetzt ist derjenige gerade nicht im Raum – dargestellt worden ist, habe ich mir den Masterplan (ein Schriftstück mit der Aufschrift „Masterplan Klima+Energie 2030“ und „Land Salzburg“ in die Höhe haltend) da ausge­druckt. Wie gesagt, die Energiekosten steigen. Klimaneutral sollen wir angeblich erst 2050 werden. Dann sind vielleicht ein paar von uns schon in Pension oder sonst irgend­wo. Also ich kann mir nicht vorstellen, wie das bei diesem Schneckentempo überhaupt funktionieren soll. Die Grünen sind seit 2013 in der Salzburger Landesregierung – und da reden wir immer von Windenergie und davon, dass die Strompreise runtergehen sollen –: Kein einziges Windrad steht in Salzburg! Man fährt jetzt dann nach Munderfing hinüber und schaut sich dort Windparks an. Passieren tut de facto aber nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 137

Da die Bünde anscheinend wieder die ÖVP übernommen haben, sind für mich die Grü­nen jetzt nicht mehr mehr als der Umweltbund der ÖVP. Irgendwie ist das in meiner Sichtweise ja eine Selbstaufgabe, denn wenn ich auf die Bundesgebäude bei mir zu Hause schaue – HAK, HLW, Bundesschulen –, dann sehe ich keinen einzigen Quadrat­meter Fotovoltaik, um die Strompreisteuerung irgendwie in den Griff zu bekommen. Das ist für mich ideenlos. Das ist für mich zu wenig. Es ist an der Zeit, die Menschen wirklich mit innovativen, fortschrittlichen Ideen zu entlasten. Aber immer dann, wenn es in unse­rem schönen Land um Fortschritt geht, dann finden die Grünen und die ÖVP selbst tau­send Ausreden, wie was nicht funktioniert!

Wir brauchen Fortschritt. Liebe Konservative, eure Zeit ist, glaube ich, vorbei. Es braucht Fortschritt, es braucht Veränderung, es braucht die SPÖ in diesem Land. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: ... Wahlkampfrede?)

18.07


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


18.07.18

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Jetzt habe ich mir all das angehört, was da von ÖVP und Grünen so gesagt wird, und ich bin schon sehr erstaunt und ich frage mich: Wenn ich morgen mit vielen Leuten rede – als Gewerkschafterin ist das mein Geschäft –, was sage ich diesen Leuten, die nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen, die nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung zahlen sollen, die sich überlegen, ob sie überhaupt noch auf Urlaub fahren können, weil die Stromnachzahlung oder die Heizungsnachzahlung so hoch ist?

Was werde ich ihnen denn sagen? – Ich werde mit den Worten der Bundesrätinnen und Bundesräte der ÖVP und der Grünen sagen: Milliardenpakete habt ihr gekriegt, Milliar­denpakete, die euch jetzt das Leben erleichtern! – Die werden mir sagen: Gute Frau, du wohnst auf dem Mond, so schaut es nicht aus! Wir wissen nicht, wie wir die Rechnungen zahlen können. Wir wissen nicht, wie wir die Mieten zahlen sollen. – 700 000 Menschen in diesem Land haben Angst, dass sie in den nächsten drei Monaten die Miete nicht mehr zahlen können. So schaut es aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja lächerlich, zu glauben, ich mache jetzt Pakete und die kommen an! Sie kommen nicht an, und die Menschen machen sich große Sorgen, und es ist eine Verhöhnung dieser Sorgen der Menschen, zu sagen: Wir haben Pakete gemacht, meine Herrschaf­ten, bitte schaut euch die Pakete an! (Heiterkeit der Bundesrätin Hahn.) – Das allein wird nicht reichen. Die Leute brauchen jetzt wirklich Entlastung, und ich kann es schon nicht mehr hören, dass das Herabsetzen der Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Produkte sozusagen eine unmögliche Maßnahme wäre, Geld, das mit dem Gießkannensystem ausgeschüttet würde. Ja, ganz ehrlich, das ist die einzige Maßnahme, die jetzt schnell und direkt hilft – genauso wie beim Treibstoff. Wir können nicht mehr warten! Das ist vorbei! Das ist vorbei! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Energiekosten!)

Natürlich ist es nicht so treffsicher, nein, aber ganz ehrlich: Bei den Wirtschaftshilfen hat man sich ja auch nicht gefragt, ob man da nicht Marke Wasserrohrbruch ausgeschüttet hat, um zu retten! Und jetzt brauchen es die Leute, und zwar ganz dringend und schnell!

Wir alle wissen, und die Menschen wissen das ganz genau: Wir gehen auf einen ganz schwierigen Herbst zu. Zur Teuerung wird noch die Frage kommen, wie sich Corona weiterentwickelt, dann wird es um die Frage gehen: Kann ich daheim mein Zimmer heizen oder kann ich es nicht heizen? Dann wird es um die Frage gehen: Wie schaut es mit der Gasversorgung aus?; um die Frage: Wie wird es mit den Lieferketten ausschau­en, bei denen es jetzt schon ganz, ganz schwierig ist?


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 138

Wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten, und ganz ehrlich gesagt trauen wir als So­zialdemokratinnen und Sozialdemokraten das dieser Regierung nicht mehr zu, wir haben zu viel erlebt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schaffen keinen Teuerungsausgleich, Sie schaffen es nicht, die Energiewende wirk­lich voranzubringen. Seit 500 Tagen hat die österreichische Bundesregierung es nicht geschafft, ein gesetzliches Klimaschutzziel zu verankern. Sie schaffen es nicht, den Menschen Hoffnung zu geben, dass es Wege geben wird, wenn das mit dem Gas nicht funktioniert – und das ist nicht unwahrscheinlich, sondern eher wahrscheinlich –, dass es andere Versorgungsmöglichkeiten geben wird.

Ganz ehrlich: Jetzt werden der 13., der 14. Minister angelobt, es gibt den dritten Bun­deskanzler, den dritten Gesundheitsminister – ja, irgendwann ist es einmal genug. Wann wäre denn Ende? Wann ist denn der Punkt erreicht, an dem man sagt: Na gut, das ist nicht mehr erträglich!?

Ich darf schon daran erinnern, dass wir im Demokratieranking abgesunken sind. Das hat niemanden in dieser Regierung aufgeregt. Uns als Sozialdemokratinnen und Sozialde­mokraten regt das wirklich auf. Die Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das geschützt und gestützt werden will, und dann sagt man: Na gut, jetzt sind wir halt im Ranking bei der Demokratie heruntergefallen, eh wurscht, Hauptsache, wir machen es super! Ge­nau! – Das kann es doch nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind im Ranking der Pressefreiheit in einem Ausmaß abgestürzt, dass einem angst und bange wird. Wir brauchen Pressefreiheit, um auch noch eine andere Meinung zuzu­lassen als jene, die gestreamt ist. Das geht nicht, das funktioniert nicht – und es wird nichts getan.

Ganz ehrlich: Wir haben genug von den Ankündigungen. Nicht nur wir, sondern die Men­schen haben genug von den Ankündigungen, und sie haben genug von den Skandalen. Es gibt einen Korruptionsskandal nach dem anderen. Sollen die Menschen völlig ab­stumpfen? Gut, jetzt kommt wieder einer auf, heute gibt es wieder eine Erzählung. – Es ist zu viel! Wir haben genug von den Ankündigungen! Wir haben den Sputnik-Ankauf erlebt: Jetzt kommt Sputnik!, und es gab das Kaufhaus Österreich und die Hygiene-Aus­tria-Maskengeschichte und Hunderttausende Ankündigungen, und nichts hat funktio­niert.

Die Geduld der Menschen ist sehr groß, weil sie Sorgen haben und weil sie natürlich gern Stabilität und ein ruhiges Fahrwasser in diesen furchtbaren Krisenzeiten hätten. Das bieten Sie als Regierung aber nicht, und darum ist eindeutig zu sagen: Liebe Bun­desregierung, es ist aus! Game over, es funktioniert nicht mehr. Machen Sie Platz! Tre­ten Sie zurück! Es funktioniert in dieser Form nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Daher stelle ich den folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, ihn und die weiteren Mitglieder der Bundesregierung sowie die Staatssekretär*innen des Amtes zu entheben, da sie nicht mehr über das notwendige Vertrauen verfügen.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 139

Das ist es: Sie verfügen nicht mehr über das notwendige Vertrauen der Bevölkerung. Bitte geben Sie den Weg frei für Neuwahlen! Jetzt ist es an der Zeit! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

18.13


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rück­tritt der Bundesregierung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr dieses.


18.13.35

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute auch sehr aufmerksam zuge­hört, aber trotz all dem, was ich gehört habe, bin ich froh, in Österreich, in Niederös­terreich, zu leben. Ich kenne kein Land, auch kein europäisches Land, in dem die Wirt­schaft so gut funktioniert, in dem man so einen guten Zusammenhalt, so einen sozialen Frieden hat. (Bundesrätin Hahn: Hast du schon einmal die steigenden Grundstücks- und Baupreise im Bezirk Tulln verfolgt?)

Wenn ich jetzt hier zuhöre, dann frage ich mich: Wieso verwenden wir so viel Energie darauf, alles madig zu machen? (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schu­mann.) Nicht Angriffe, sondern Ideen, Umsetzungen, Lösungen sind gefragt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schu­mann, Ofner und Schartel.)

Ihr könnt doch nicht sagen: Wir wissen nicht, wieso wir in dieser schwierigen Situation sind! (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Wisst ihr nicht, warum wir in dieser schwierigen Situation sind? Wer hat Corona bestellt, bitte? Wart das ihr (zuerst in Richtung SPÖ, dann in Richtung FPÖ weisend), wart das ihr? (Bundesrätin Schumann: Wer hat den Herrn Kurz bestellt?) – Nein. Wir sind von Corona wie von einem Tsunami überrollt worden, und – schaut es euch doch einmal an! – wir haben Corona in den Griff bekom­men. Natürlich hat das auf die Wirtschaft Auswirkungen gehabt, wie wir alle wissen. Auf uns alle hat das Auswirkungen gehabt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir haben es aber durch Unterstützung unserer Regierung gemeinsam geschafft.

Schaut es euch an! Corona ist kein österreichisches, kein europäisches Phänomen, sondern ein weltweites. Jetzt hat es sogar Nordkorea, wo sie alles zusperren, erreicht. (Bundesrätin Schumann: Nein! Nicht Nordkorea hernehmen! Vergleichen wir Österreich doch nicht mit Nordkorea! – Bundesrat Steiner: Jetzt vergleichen wir uns mit Nordkorea! Mit Nordkorea vergleichen wir uns! Das ist ja nicht mehr normal!)

Dann muss ich schon sagen, wenn wir uns jetzt die Situation, die Verschärfung, die es jetzt gibt, anschauen: Wer konnte denn wissen, dass es in der Ukraine einen Krieg geben würde, dass Russland auf die Ukraine losgeht?

Eines muss ich euch schon sagen – und das denke ich mir, wenn ich hier zuhöre; über­legen wir uns das! –: In unserer Geschichte war es genauso: Die Rohheit hat in der Sprache begonnen. Der Umgang miteinander, das Aufhetzen, das ist total gefährlich. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Rotes Gsindl! Wer hat denn das begonnen? Das Bundesland aufhetzen! Wer war das? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Temperament ist immer gut. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Ich muss euch ganz ehrlich sagen, dass ich mir schon im Vorfeld des Ukraine-Russland-Krieges gedacht habe – und das hat mir eigentlich wehgetan –: Schau! Welche Diktionen verwenden wir, wie drücken sich manche aus? Das war direkt spürbar.


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 140

Jetzt haben wir aber diese schwierige Situation, und ich sage: Eine schwierige Situation ist nur dann zu bewältigen, wenn man Kraft hat (Bundesrätin Schumann: Na, ihr habt sie nicht mehr, ihr habt sie nicht mehr!), wenn einem jemand sagt, welche Möglichkeiten, welche Hilfestellungen es gibt. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Natürlich kann man nicht alles abdecken (Bundesrat Steiner: Neuwahlen!), aber es hat doch keinen Sinn, alles madig zu machen.

Es ist ja auch so – und ich weiß das aus der Wirtschaft ganz genau –: Wir sind so vielfältig. Es gibt kein Konzept für alle, wir können nicht ein Konzept auf alle anwenden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel. – Ruf bei der SPÖ: Ja dann fragt einmal die Leute da draußen! ...! Sprecht ihr nicht mit den Menschen? – Zwischenruf der ein Schrift­stück in die Höhe haltenden Bundesrätin Kahofer.) Wir müssen eben schauen, dass wir die Gruppen besonders bedenken, denen es am schlechtesten geht.

Es gibt diese Entlastungspakete, und natürlich sagt immer jeder, es könnte mehr sein, aber da gibt es einen Gassenhauer, den ich immer gehört habe, als ich als Kind im Waldviertel bei meiner Großmutter war, da hat es geheißen: „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?“ Ich sage euch: Wir können nur das ausgeben, was wir gemeinsam erwirtschaften. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Schar­tel.) Wir sitzen schon alle gemeinsam in einem Boot.

Ich muss ganz einfach sagen: Ich führe ein kleines Unternehmen, uns geht es ja noch gut. Es gibt aber schwache Gruppen, und denen wird geholfen. (Zwischenruf der Bun­desrätin Kahofer.) Ich habe mir das angeschaut: Es gibt schon den Teuerungsausgleich für besonders vulnerable Gruppen. Da gibt es die Einmalzahlung von 150 Euro, und dann gibt es eine weitere Zahlung in der Höhe von 150 Euro für Arbeitslose, Mindestsi­cherungs-, Ausgleichszulagen-, Studienbeihilfebezieher, Mobilitätsstipendiaten; die er­halten 300 Euro.

Dann gibt es noch etwas: Wir reden ja auch von Energiekosten, und die Energiekosten zu senken heißt, man muss schauen, dass man weniger Energie verbraucht. Da gibt es aber auch einen Punkt, der da drinnen ist: Intensivierung der Energieberatungen. „Ener­gieberatungen sollen auf allen Ebenen intensiviert werden.“ Dafür wird „ein Fördertopf im Umfang von 5 Millionen Euro bereitgestellt“.

Ein ganz wichtiger Punkt ist: „Zusätzlich soll“ durch ein Pilotprojekt im Umfang von 10 Millionen Euro „besonders betroffenen, einkommensschwachen, Haushalten ermög­licht werden, Weißware mit besonders hohem Energieverbrauch durch Geräte mit niedri­gerem Energieverbrauch“ zu ersetzen, und das mit einer Förderung von bis zu 100 Pro­zent. Also ich finde, das sind schon ganz großartige Unterstützungen, die es da gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Ich sage euch noch etwas – Korinna Schumann hat darauf hingewiesen, und da hat sie recht –: Wir sind jetzt in einer schwierigen Situation, aber es muss uns schon klar sein, dass wir da noch nicht durch sind. Da gebe ich dir vollkommen recht. Wir wissen nicht, wie sich Corona weiterentwickelt, welche Mutationen es geben wird, und deshalb finde ich es auch besonders ungut, wenn man Leute vom Impfen abhält oder wenn man sagt, gewisse Maßnahmen seien übertrieben. Das glaube ich nicht. Wir sehen ja, dass Corona noch immer da ist und uns weiter beschäftigen wird.

Angesprochen wurden auch die Schwierigkeiten mit den Lieferketten. Ja, ich sehe das selber in meinem Betrieb. Wir haben Probleme, Passepartoutkartons und so weiter zu kriegen. Ich kann gewisse Aufträge nicht ausführen. Ich muss dann versuchen, das irgendwie anders zu machen, und so geht es vielen von uns. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Das ist sehr nett, aber weißt du, wenn du so gut bist: Ich suche eh Arbeitskräfte, du kannst bei mir anfangen. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)


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Wir müssen schauen, dass wir unsere Kräfte bündeln, und wir müssen ganz einfach der Bevölkerung Vertrauen geben. Wir müssen den Menschen erzählen, was es gibt. Wenn wir jetzt nur alles schlechtmachen, wenn wir den Menschen sagen: Wir werden von den unfähigsten Menschen regiert!, na dann sage ich euch etwas: Na das baut einen auf, da hat man Kraft, durchzutauchen! – Nein, das können wir nicht tun. Wir müssen ganz ein­fach sagen, welche Möglichkeiten es gibt.

Noch einmal, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Bitte passen wir auf, wie wir mitein­ander umgehen, welche Wortwahl wir haben! Eine Spaltung in der Gesellschaft ist potz­gefährlich. Das dürfen wir nicht tun. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Kahofer, Schartel und Spanring.)

Ich hoffe, dass wir wieder dazu übergehen, einander zuzuhören, dass wir versuchen, uns einander mit den besten Ideen zu übertrumpfen, und dass wir uns nicht gegenseitig mit Unterstellungen anschütten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rätInnen der Grünen.)

18.21


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Hübner: Liegt vor!) – Bundesrat Hübner, ich erteile es Ihnen.


18.21.43

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Meine Damen und Herren! Liebe Kol­legin Zwazl! Jetzt muss ich Ihnen ein bisschen helfen, weil Sie nicht verstehen, warum es hier eine Aufregung gibt. Das verstehen Sie nicht. Ich werde Ihnen also sagen, warum es diese gibt. Diese gibt es nämlich deshalb, weil das, was Sie gefordert haben – dass man den Menschen sagt, was los ist, und dass man ehrlich und nicht emotional ist –, eben nicht passiert (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), sondern von der gesamten Regierung einschließlich des Herrn Ministers eine gezielte Desinformation betrieben wird. (Ruf bei der ÖVP: Nein, von Ihnen!) Es wird behauptet, es wird die Inflation be­kämpft, es wird etwas gegen die Inflation getan. – Im Gegenteil: Es wird die Inflation befeuert, weil man der kalten Erhöhung der Steuerlast auf allen Produkten nichts entge­gensetzt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.)

Wir haben es heute schon einmal gehört: Es geht darum, dass 10, 11, 12 Milliarden Euro heuer durch die kalte Steuererhöhung, die die Inflation auslöst, zusätzlich erlöst werden. Das heißt, es wird in den Teuerungsprozess ein zweistelliger Milliardenbetrag hineinge­geben. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ja, Frau Kollegin Zwazl, was wird dann seitens der Regierung gemacht? Wie Sie richtig gesagt haben: Man kann nur das her­geben, was man hat. Die Allgemeinheit, vertreten durch die Regierung, bekommt auf­grund der inflationären Erhöhung der Steuern 10, 11, 12 Milliarden Euro zurück. Das könnte man zurückgeben, indem man die Steuern reduziert. Das wird aber nicht ge­macht. (Bundesrätin Zwazl: ... ja Leute, die keine Steuern zahlen! Für die muss man ja auch was tun!)

Da beginnt das Interessante. Da beginnt der Herr Finanzminister, sich als lupenreiner linksextremistischer Schüler der marxistischen Wirtschaftsideologie zu zeigen, wenn er sagt: Wir können die Steuern nicht reduzieren, weil es nicht sozial treffsicher wäre! Inter­essanterweise will er aber doch die Steuerreform durchführen und die kalte Progression abschaffen. Ich weiß nicht, was er will, denn die Abschaffung der kalten Progression ist sicher nicht sehr marxistisch, weil die ja auch die Vielverdienenden begünstigt.

Die Senkung zum Beispiel der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe nur um 8 Cent – der Minis­ter behauptet, es gehen nur 8 Cent oder 15 Cent beim Benzin (Bundesminister Brunner: Die MÖSt, nicht die Mehrwertsteuer! Die Mineralölsteuer! Das ist ganz etwas anderes!) –


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 142

also gut, die MÖSt –, also die Senkung der MÖSt um 8 Cent geht deshalb nicht, weil es nicht sozial treffsicher ist. (Bundesminister Brunner: ... Mehrwertsteuer!) Reden wir von der MÖSt! Es ist ja egal, wir können die Mehrwertsteuer oder die MÖSt oder beide senken. Es wird immer behauptet, wir können sie wegen EU-Vorgaben nicht senken. Außerdem können wir sie nicht senken, weil es nicht sozial treffsicher wäre.

Es ist ja nicht so, dass wir jemanden entlasten, der viel verdient, sondern nur so, dass wir ihn nicht zusätzlich belasten. Wenn der Treibstoffpreis um 50 Cent steigt, und es würden 8 Cent an Steuerentlastung gegeben werden, dann würde er nur um 42 Cent steigen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dann ist vielleicht ein Besserverdienender nur mit 42 und nicht mit 50 Cent belastet. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Brunner.) Das ist aber offenbar für das Ministerium sozial unakzeptabel, und deswegen kann nichts gegen die Inflation gemacht werden, sondern deswegen müssen Geschenke wie die 150-Euro-Gutscheine in bürokratischer, kleiner und kaum fassbarer Weise als Schmerz­mittel vergeben werden. Das ist interessant.

Herr Minister, Sie brauchen nicht so dreinzuschauen. (Bundesminister Brunner: Sie ver­wechseln es wieder!) Nehmen Sie zum Beispiel Ihren Vorschlag für den Agrardiesel! Den haben wir ja heute auch auf der Tagesordnung gehabt. – Der Dieselpreis ist von 1,20 Euro um 80 Cent auf 2 Euro gestiegen. 50 Prozent davon sind Steuern, 40 Cent Mehreinnahmen. Was, glauben Sie, ist als Entlastung für die Bauern vorgesehen? – Ein Antrag, der es ermöglicht, 0,07 Prozent pro Liter zurückzubekommen. Wie lange die Be­arbeitung des Antrages dauert, weiß man nicht, und man weiß auch nicht, ob man die 0,07 Prozent zurückbekommt, denn die Gesamtsumme für alle möglichen Refundie­rungsanträge ist mit 30 Millionen Euro gedeckelt. Wenn es also 40, 50 oder 60 Millionen Anträge gibt, dann kriegt man nicht 0,07 Cent, sondern 0,035 Cent zurück.

Das ist das Herangehen des Ministeriums an die Bekämpfung der Inflation, ein Beitrag zur Linderung der Inflation. Es ist nichts anderes, als dass der Staat sich da 10, 11, 12 Milliarden Euro einsteckt und nicht bereit ist, davon etwas herauszugeben, kleine Geschenke gibt, die schwer administrierbar sind. Dass sich darüber ein Teil der nicht in die Regierungsarbeit eingebundenen Abgeordneten aufregt, weil er das Interesse einer vernünftigen, evidenzbasierten und den Leuten helfenden Politik verfolgt, sollte auch Sie nicht ganz verwundern. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler – die Hand hebend ‑: Zur Geschäftsordnung!) – Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler, zur Geschäftsordnung, bitte.

*****


18.26.53

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehand­lung): Ich beantrage gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates, dass bezüglich des Entschließungsantrages der Bundesräte Josef Ofner, Christoph Steiner und weiterer Bundesräte betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ und bezüglich des Entschließungsantrages der Bundesrätinnen Korinna Schumann, Genossinnen und Ge­nossen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ bei der Bekanntgabe des Abstim­mungsergebnisses auch die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt gegeben wird.

18.27

*****


18.27.31


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 143

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Ich lasse über die­sen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich mache auch von meinem Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Ich ersuche die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit oder Minderheit. (Schriftführerin Gruber-Pruner nimmt ge­meinsam mit Präsidentin Schwarz-Fuchs die Stimmenzählung vor.) – Wir haben 28 „Ja“-Stimmen und 29 -„Nein“-Stimmen. Es ist dies daher die Stimmenminderheit. Der An­trag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Umsatzsteuer auf Lebensmittel aussetzen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich mache wiederum von meinem Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich mache wiederum von meinem Stimmrecht Gebrauch.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen.

Ich ersuche wieder die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehr­heit oder Minderheit. (Schriftführerin Gruber-Pruner nimmt gemeinsam mit Präsidentin Schwarz-Fuchs die Stimmenzählung vor.) – Es sind wieder 28 „Ja“-Stimmen und 29 „Nein“-Stimmen. Es ist dies somit die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

18.30.09Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Ta­gesordnungspunkte 1 und 4 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls.

„Tagesordnungspunkt 1:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 4:

Die Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Entschlie­ßungsantrag ein.

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll940. Sitzung, 940. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2022 / Seite 144

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtli­chen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 und 4 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen, 4004/J-BR/2022 bis 4011J/-BR/2022, eingebracht wurden.

Eingelangt ist die Petition 48/PET-BR/2022 betreffend „Nein zur geplanten Schließung zweisprachiger Bezirksgerichte in Kärnten“, überreicht von Bundesrat Ingo Appé, die dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt sind der Entschließungsantrag 334/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strafbarkeit des Versen­dens von ‚Dickpics‘“, der dem Justizausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 335/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutzschirm für Kinder und Jugendliche umset­zen“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 336/A(E)-BR/2022 dürfte ich noch einmal um Ruhe bitten, wir sind noch nicht fertig, ich möchte alle bitten, sich noch einmal hinzusetzen  der Bun­desräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuergerechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen“, der dem Finanzausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 337/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Andrea Kahofer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Umsatzsteuer auf Lebensmittel aussetzen“, der dem Fi­nanzausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 2. Juni 2022, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 31. Mai 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.34.03Schluss der Sitzung: 18.34 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien