10.46

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Ich darf mich den Geburtstagswünschen an die Frau Präsidentin natürlich gerne anschließen. Herzlichen Glückwunsch!

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Man kann bei allem natürlich anderer Mei­nung sein, das ist überhaupt keine Frage, man sollte das aber mit Argumenten tun, nicht mit Unwahrheiten auf der einen Seite, man sollte es auch nicht mit Aggressivität (Bun­desrat Steiner: ... hat keine Argumente gebracht, oder?), wenn vielleicht Argumente fehlen, auf der anderen Seite tun. Also bitte: Anderer Meinung zu sein, ist total in Ord­nung, man soll die Argumente austauschen, aber man soll eben Argumente verwenden und nicht so aggressiv sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Beginn war ich von Kollegen Hübners Rede relativ angetan, dann ist es ein bissel abgedriftet, aber dazu komme ich noch bei ein paar Themenstellungen.

Wir haben insgesamt große Herausforderungen vor uns, ja, denen wir uns stellen müs­sen. Diese Herausforderungen verlangen von einer Bundesregierung auch, dass sie an großen Schrauben dreht. Das tun wir in Form der vorliegenden Gesetzespakete, aber auch mit Paketen, die bereits beschlossen worden sind. Die hohe Inflation sorgt weltweit für große Herausforderungen, das ist, glaube ich, jedem klar. Die steigenden Kosten aufgrund der hohen Inflation bereiten allen Menschen große Sorgen, und die müssen wir ernst nehmen, das ist überhaupt keine Frage. Ich glaube, soweit ich aus der Debatte gehört habe, nimmt sie jeder ernst, aber die Zugänge sind etwas unterschiedlich; das ist prinzipiell ja durchaus in Ordnung.

Ich glaube, wenn man sich die Dinge seriös anschaut und die Maßnahmen diskutiert, muss man sich schon auch die Ursache für die Inflation anschauen. Die Inflation hat im Großen drei Gründe: Das ist auf der einen Seite die Überhitzung der Wirtschaft nach der Coronapandemie  die Wirtschaft ist auch aufgrund der Unterstützungsmaßnahmen in der Coronapandemie wieder sehr gut gestartet –, das ist zweitens die Situation bei den Lieferketten, wir haben weltweit Lieferkettenengpässe. Wer hätte gedacht, dass ein querstehendes Schiff in einem Kanal oder ein gesperrter Hafen in Shanghai solche Auswirkungen haben?  Das ist das Zweite. Der dritte große Grund für die Inflation sind natürlich der Krieg in der Ukraine und die hohen Energiepreise. Wir haben eine andere Situation als beispielsweise die USA: Die USA hat eine viel breiter aufgestellte Inflation, unsere ist sehr stark zu 50 Prozent  vom Energiepreis getrieben. Das sind also die wesentlichsten Gründe für die hohe Inflation.

Was kann ein Staat tun? Was kann die Politik tun? Wir können Auswirkungen aufgrund der hohen Inflation auf die Preise abfedern. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir können nicht alle Krisen auf der Welt hundertprozentig kompensieren, das ist auch nicht Aufgabe der Politik, aber wir können abfedern, und das tun wir, liebe Frau Kollegin, in einem Ausmaß, das, sowohl was das Volumen als auch was die Größen­ordnung betrifft, europaweit einfach ganz, ganz vorne dabei ist.

Wir sind viel schneller – auch in Richtung Sozialdemokratie –, viel schneller als alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und den Vergleich haben wir natürlich. Wir tauschen uns auf europäischer Ebene natürlich ständig über die unterschiedlichen Zugänge, über die unterschiedlichen Maßnahmen und Möglichkeiten aus.

Während bei uns die ersten zwei Pakete schnell beschlossen worden sind – im Jänner, im März –, jetzt auch schon im Parlament gewisse Maßnahmen beschlossen worden sind, diskutieren andere Staaten darüber, dass man dann im Herbst damit ins Parlament kommt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege Hübner, auch was das Volumen betrifft, muss ich Ihnen natürlich wider­sprechen: Bei 28 Milliarden Euro von Homöopathie zu sprechen (Bundesrat Spanring: Bis 2030! Das Geld kommt niemals! Das ist ein Schmäh!) ist natürlich schon ein bisschen gewagt und geht fast in Richtung Verhöhnung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, wenn Sie das als homöopathisch und Tropfen auf den heißen Stein bewerten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es reicht auch nicht aus, einfach den Geldhahn aufzudrehen. Das ist sicher nicht der richtige Weg. (Bundesrat Spanring: 2026, da ist diese Regierung ...!) Viele Ideen, die im Raum stehen und die man natürlich auch gerne diskutieren kann, die auch von unterschiedlichen Rednern angesprochen worden sind, haben natürlich auch weitreichende volkswirtschaftliche Konsequenzen. Diese Konse­quenzen muss man als verantwortlicher Politiker bei den Entscheidungen natürlich schon mitberücksichtigen. Falsch gesetzte Maßnahmen führen also dazu, dass die Ent­lastung entweder gar nicht bei den Menschen ankommt oder diese sogar noch inflations­treibend wirken. Darauf müssen wir natürlich aufpassen: auf die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, Einkommensgruppen, auf die Volkswirtschaft. Das ist doch Aufgabe der Politik.

Frau Kollegin Schumann, weil da ein paar Mythen in den Raum gestellt worden sind, was das Meritordersystem betrifft: Ich komme aus der Energiewirtschaft, ich kann Ihnen sagen, das Meritordersystem ist nirgends abgeschafft worden. Das geht auch gar nicht, das geht natürlich nur europaweit einheitlich. Was man in Spanien und Portugal gemacht hat, das, was Sie angesprochen haben: Sie haben nicht das Meritordersystem abge­schafft, nein, sondern es ist ein Gaspreisdeckel, der mit der sogenannten Iberian excep­tion von der Kommission genehmigt worden ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) So viel zur Klarstellung. (Bundesrätin Schumann: Ja, machen wir das! Die haben es geschafft, wir nicht!) – Das geht in anderen Teilen Europas nicht, weil die iberische Halbinsel – des­wegen Iberian exception – ein eigener Gasmarkt ist. Das heißt, man kann einen euro­päischen Gasdeckel machen, der muss dann aber natürlich europaweit passieren. Das Meritordersystem ist natürlich nicht, und zwar von keinem Staat in dieser Welt, aus­gesetzt worden. Also bitte – nur so viel zur Klarheit und zur Klarstellung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Kovacs.)

Auch die Preisdeckelsituation und -diskussion ist ja sehr spannend. Wo hat es Preis­deckel gegeben? – Bei Benzin und Diesel in Ungarn. Das hat nicht funktioniert, es ist zu einer Verknappung gekommen. In Slowenien hat man es auch für 30 Tage gemacht, dann waren die Wahlen – komischer Zufall, dass es genau vor die Wahlen gefallen ist. Übrigens ist die Regierung, die diesen Preisdeckel gemacht hat, abgewählt worden; es war übrigens eine konservative Regierung – nur so viel dazu. Das dritte Land, das versucht hat, bei Benzin und Diesel in diese Richtung zu gehen, war Deutschland. Das hat nicht funktioniert, die Preise sind kurzfristig, zwei Wochen, hinuntergegangen und dann wieder über das Niveau von davor gestiegen: 3 Milliarden Euro in die Luft gesetzt. Sehr geehrte Damen und Herren, diesen Zugang sollte man vielleicht genau diskutieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Lassen wir den Preis, wie er ist, dann sind wir bald bei 3 Euro!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir würden auch gut daran tun, den Rat von Wirt­schaftsforscherinnen und Wirtschaftsforschern ernst zu nehmen, und zwar sowohl natio­nal als auch international, wenn man über solche Maßnahmen diskutiert: Was bringt es? Was bringt es den Menschen? Was davon kommt an? Was wird an Entlastung auch weitergegeben? Was kommt schnell an, und welche strukturellen Maßnahmen soll man machen? – Wir hören auf die Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher, auf die Expertinnen und Experten. Das tun wir gerne, weil es, glaube ich, auch wichtig ist, faktenbasierte Politik zu machen.

Im Kampf gegen die Teuerung braucht es aus unserer Sicht einen ausgewogenen Maß­nahmenmix. Der besteht zum einen aus kurzfristigen Dingen, die schnell ankommen – das sind diese Einmalzahlungen. Ja, selbstverständlich sind das Einmalzahlungen, weil man jetzt helfen muss, weil man den Menschen, die von den Preissteigerungen betroffen sind, unmittelbar helfen muss. Das ist es ja genau, na selbstverständlich! (Bundesrätin Schumann: Bei den Sozialleistungen nicht! Was ist mit den Sozialleistungen?) Natürlich macht es Wien genauso, Gott sei Dank und zu Recht, das wurde vorhin angesprochen. Es braucht aber zum anderen auch strukturelle Maßnahmen. Man muss natürlich längerfristig und mittelfristig denken, gerade in dieser Situation der Teuerungen.

Wie gesagt, der Vergleich in Europa macht uns auch sicher: Wir sind schneller, wir sind vom Volumen her größer als andere europäische Staaten. Wir haben die ersten beiden Pakete im Umfang von 4 Milliarden Euro, die beschlossen worden sind, ja sehr schnell auf den Boden gebracht und legen jetzt, weil die Situation so ist, wie sie ist, natürlich noch einmal mit insgesamt 28 Milliarden Euro nach. Ja, das ist bis 2026, eine Mischung aus Soforthilfen, aus schnellen Einmalzahlungen, aber auch aus strukturellen Maß­nahmen, die, glaube ich, in dieser Situation auch ganz wichtig sind.

Was noch dazukommt, ist, dass die ökosoziale Steuerreform jetzt zu wirken beginnt – diese wird momentan immer zur Seite gekehrt –, 18 Milliarden Euro Entlastung. Die wirkt jetzt gerade, das beginnt jetzt, sowohl was die Steuerstufensenkung betrifft, aber eben auch was die Familienmaßnahmen entsprechend betrifft. Diese wirkt jetzt, Gott sei Dank. Wir sind auch einer der wenigen Staaten in Europa, die das trotz der Situation, trotz der Krise durchgesetzt haben und nicht so wie andere Staaten die Steuerreform abgesagt haben.

Vielleicht zur Vorgehensweise und zum Plan: Im ersten Schritt – das ist heute – gibt es über 6 Milliarden Euro für kurzfristige, schnelle Maßnahmen, und zwar für besonders Betroffene, für Familien, für diejenigen, die sich das Leben nicht mehr leisten können, mit 300 Euro Teuerungsausgleich und anderen Maßnahmen. In der zweiten Stufe, im Herbst, geht es in die Breite, in den Mittelstand. Das ist richtig, ja, der Mittelstand ist auch betroffen, deswegen haben wir genau diese Maßnahmen, die wir dann im Herbst setzen werden. Dabei wird auch ganz gezielt auf die Einkommensgruppen zwischen 1 050 Euro und 2 000 Euro brutto geschaut, weil diese bisher bei den ersten zwei Paketen etwas vernachlässigt worden sind. Das ist der untere Mittelstand – es geht dann natürlich noch weiter hinauf –, der mit ganz gezielten Maßnahmen entlastet werden muss. Das tun wir mit Absetzbeträgen, aber auch mit Direktzahlungen. Dieser dreistufige Prozess endet dann im kommenden Jahr mit den strukturellen Maßnahmen.

Nur noch ein paar Sätze dazu: Danke an Kollegen Arlamovsky für seinen sachlichen Zugang. Das ist wichtig. Wie gesagt, man kann natürlich auch unterschiedliche Meinun­gen haben, aber wichtig ist bei den strukturellen Maßnahmen schon, dass man diese seriös macht. Ja, das liegt heute noch nicht vor, weil wir uns dazu entschieden haben, einen seriösen Begutachtungsprozess zu machen, damit eben alle unterschiedlichen Zugänge, Möglichkeiten auch entsprechend eingearbeitet werden können.

Ja, es gibt auch bei der kalten Progression unterschiedliche Modelle. Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Die Schweiz wird beispielsweise immer als Vorbild genannt, die hat eine ganz andere Situation. Dort wurde die kalte Progression nur auf die Bun­desabgaben abgeschafft, nicht auf die kantonalen. Der Großteil der Steuern in der Schweiz sind kantonale Abgaben. Deutschland hat die kalte Progression zu 100 Prozent abgeschafft, hat sich aber die Möglichkeit zu 100 Prozent bewahrt, eine Umverteilung vorzunehmen. Das tun wir nicht. Wir schaffen die kalte Progression zu 100 Prozent ab, geben zwei Drittel automatisch zurück und ein Drittel – auch gesetzlich verpflichtend – verbleibt aber mit der Möglichkeit des sozialen Ausgleichs. Ich glaube, das ist eine Vorgehensweise, die fair ist und die vor allem mit Hausverstand und mit Hirn gemacht wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vielleicht auch noch einen Satz zur Rückwirkung: Ja, das verstehe ich durchaus. Die Überlegung wurde auch in Absprache mit den Steuerberaterinnen und Steuerberatern angestellt, die uns massiv davor gewarnt haben, das rückwirkend zu tun, weil der Aufwand ein gewaltiger wäre. Sie haben gesagt: Jetzt wirkt eh die Steuerreform, mit der die Lohn- und Einkommensteuerstufen heruntergesetzt werden, also macht es bitte nicht rückwirkend, denn das ganze Aufrollen wäre nicht nur für die Finanzverwaltung – das sowieso –, aber auch für die Steuerberaterinnen und Steuerberater ein Aufwand, der nicht dafürsteht. Deswegen haben wir uns dann für das Inkrafttreten 2023 entschieden.

Insgesamt nehmen natürlich solche strukturellen Maßnahmen, sowohl was die Abschaf­fung der kalten Progression betrifft als auch die Valorisierung der Sozialleistungen – darauf wird der Sozialminister wahrscheinlich auch noch eingehen – uns als Bundesre­gierung Spielraum – selbstverständlich, so ehrlich muss man sein. Es ist momentan aber halt nicht die Zeit dafür, sich zurückzulehnen und zu sagen, das sind zusätzliche Ein­künfte für den Fiskus, die wir dann verteilen können. Es ist momentan keine Zeit für Bequemlichkeit. Wir müssen fair bleiben, wir müssen fair sein, und diese Abschaffung der kalten Progression ist aus meiner Sicht ein Akt der Fairness, über den man 40 Jahre lang diskutiert hat, und wir als Bundesregierung schaffen sie jetzt ab. Ich glaube, das ist ein historischer Meilenstein, den wir dann im Herbst zur konkreten Beschlussfassung vorlegen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das hat aber nichts mit der Teuerung zu tun!) – Na selbstverständlich, um Gottes Willen, Herr Kollege, hat das mit der Teuerung zu tun! (Bundesrat Spanring: Das hätte schon vorher pas­sieren müssen! Was hat das mit der Teuerung zu tun?)

Ich habe vorhin versucht, es zu erklären, ich muss es noch einmal sagen: Es gibt drei Stufen: kurzfristig und schnell jetzt im Sommer, dann in die Breite, in den Mittelstand, und dann die strukturellen Maßnahmen. (Bundesrat Spanring: Das war Thema, da hat es noch gar keine Teuerung gegeben! Sind wir doch ehrlich!) Das ist, glaube ich, seriös.

Insgesamt ist es aus meiner Sicht ein sehr ausgewogenes, ein faires, auch ein treff­sicheres Paket, das wir schnüren. (Bundesrat Spanring: Treffsicher wart ihr bei der Cofag bei der Auszahlung an die eigenen Leute!) Es gelingt auch, auf der einen Seite schnell zu helfen – das ist, glaube ich, in der Situation wichtig –, aber eben auch strukturell dann im Herbst die notwendigen Maßnahmen zu setzen.

28 Milliarden Euro, Herr Kollege Hübner, ist nicht homöopathisch, das ist sehr, sehr viel Geld, das ist Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das wir in einem größeren Ausmaß zurückgeben. (Bundesrat Spanring: Das ist 2026! Das kommt nie zur Aus­zahlung! Da seid ihr schon lang nicht mehr in der Regierung!) Sie haben wahrscheinlich auch die Diskussion über die Gegenfinanzierung mitverfolgt, da widersprechen Sie sich ja auch etwas. Es wird im großen Ausmaß den Menschen zurückgegeben, die es brauchen. Wir nehmen also die Sorgen wirklich ernst, und am besten wäre es natürlich, wenn wir das den Menschen auch mit einem hoffentlich einstimmigen Beschluss zei­gen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.00

Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Dr. Peter Raggl. – Bitte, Herr Bundesrat.