12.58

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer hier auf der Galerie! Liebe Österreicher! Frau Bundesminister, auch ich finde es schade, dass bei diesem Tagesordnungspunkt die Sitzungsdisziplin nicht so großgeschrieben wird.

Ich habe es aber auch im Zusammenhang mit der Abschlusskonferenz am Freitag schade gefunden, dass die Europaministerin diese Abschlusskonferenz nicht genug wertgeschätzt hat, um dabei zu sein; denn, wie Sie selbst gesagt haben, das ist einfach etwas Wesentliches.

Wenn ich sehe, dass man da irgendwelche ausrangierten Politsaurier zu dieser Ab­schlussveranstaltung wieder herausgezaubert hat, muss ich schon sagen, es wäre schön und wertschätzend gewesen, wenn ein Mitglied der Bundesregierung, in diesem Fall Sie als Europaministerin, auch dabei gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu dieser Konferenz zur Zukunft Europas muss man sagen, es sind wirklich einige Dinge herausgekommen, die zu begrüßen sind: Kampf gegen illegale Migration: Das ist etwas, das jetzt in Kooperationsverträgen mit Drittstaaten Beachtung findet. Der Außengrenz­schutz: Ja, natürlich müssen unsere Außengrenzen besser geschützt werden. Trotzdem ist das Thema Migration in dieser Konferenz sehr spärlich behandelt worden, wobei ich nicht weiß, ob von EU-Seite her der Mantel des Schweigens drübergelegt wurde oder es die Bürger wirklich nicht behandeln wollten. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl.)

Auch zu begrüßen sind natürlich transparente Entscheidungsprozesse. Eine öffentliche Tagung des Rates wäre natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Und ja, auch der Ausbau von Hochgeschwindigkeitszügen und der Abbau von Bürokratie sind Dinge, die wir nur befürworten können. Gespannt bin ich in diesem Zusammenhang darauf, ob das auch den Beamtenapparat da draußen in der EU trifft, denn der verschlingt ja immerhin Unsummen an Geld.

Eines muss ich aber auch sagen: Ich bin ja nicht nur hierhergekommen, um dieses ganze Projekt, diese ganze Konferenz zu loben, denn es gibt doch einige kritische Punkte, die man hier aufzeigen muss. Einen davon möchte ich ganz speziell aufgreifen. (Bundesrat Schennach: Dann fang an!)

Frau Ursula von der Leyen hat bereits im Jahr 2019 bei ihrer Bewerbungsrede von dieser Konferenz zur Zukunft Europas gesprochen. Dieses Projekt hätte eigentlich zwei Jahre dauern sollen, dann ist Corona gekommen und es ist ein knappes Jahr übrig geblieben.

Das große Problem dabei ist, dass dieser Konferenz sehr wenig Aufmerksamkeit in den Mitgliedstaaten geschenkt wurde. Viele Regierungen haben das skeptisch gesehen. Das zeigt ja, glaube ich, auch die Auftaktveranstaltung, diese erste physisch-hybride Ver­anstaltung, die abgehalten wurde, bei der sogar die eigentlichen Verantwortungsträger und Mitorganisatoren gesagt haben, dass es ein Desaster ist, und zähneknirschend zur Kenntnis nehmen haben müssen, dass es in Wahrheit sprichwörtlich in die Hose gegangen ist. Es sind so gut wie keine Leute gekommen, und das zeigt ja schon, was dieses Projekt in Europa wirklich wert gewesen ist.

Die Empfehlungen von 800 vermeintlich zufällig ausgewählten Bürgern, Ministern und Vertretern des EU-Parlaments sind von Fachleuten und Interessenvertretern verstärkt worden. Dann sind die Faktenchecker gekommen, die das Ganze noch geprüft haben. Das Ergebnis waren 178 Vorschläge, zusammengefasst in 49 Vorschlägen und 328 kon­kreten Maßnahmen.

Da sage ich: Wenn in der EU oder auf EU-Ebene direkte Demokratie gelebt wird, ist das etwas, das man eigentlich begrüßen muss. Dieses Projekt ist für mich aber weniger zu begrüßen, das ist ja mehr Schein als Sein, um nicht Trug und Täuschung dazu zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zusammenfassend kann man dieses Experiment ja eigentlich nur als Forderungskatalog von EU-Zentralisten bezeichnen. Gefordert wird, dass die Mitgliedstaaten weiter entmachtet werden sollen, dass mehr Kompetenzen nach Brüssel befördert werden sollen und der sogenannte europäische Bundesstaat errichtet werden soll.

Die sicher nicht als EU-kritisch einzustufende „Süddeutsche Zeitung“ hat ja bitte selbst geschrieben: „In weiten Teilen liest sich das Dokument so, als hätten es die großen Fraktionen des EU-Parlaments allein verfasst – ohne die Kommission und vor allem ohne die Mitgliedstaaten.“ – Das schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ vom 30. April 2022 unter dem Titel „Eine Konferenz, die Europa verändern will“. – Ja, das spricht auch Bände, meine sehr geehrten Damen und Herren, und genau das ist eben heraus­gekommen.

Nach einer umfassenden Kompetenzverschiebung nach Brüssel gerade in den so heiklen Bereichen Gesundheit, Wohnen und Arbeit, die ja grundsätzlich nur natio­nalstaatlich gelöst werden dürfen und können, fordert dieser Abschlussbericht die Ab­schaffung des Einstimmigkeitsprinzips.

Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass einzelne Mitgliedstaaten in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, in der Sozialpolitik, in der Steuerpolitik, in der Haus­haltspolitik nationalstaatliche Interessen nicht mehr vor Schnellschüsse und desaströ­seste Entscheidungen dieser EU stellen können. Die Forderung ist ja bitte, dass die Einstimmigkeit in allen Bereichen fallen soll.

Damit komme ich jetzt auf einen Punkt: Das Embargo betreffend russisches Gas wäre ja bitte schon lange beschlossene Sache, würde es dieses Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr geben. Da müssen doch bitte bei jedem vernünftigen Österreicher die Alarm­glocken schrillen! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diese Sanktionen sind nämlich der Grund dafür, dass der österreichischen Industrie schön langsam die Lichter ausgehen. Genau diese Sanktionen sind mit schuld an dieser Teuerung, über die wir uns gerade beim vorhergegangenen Tagesord­nungs­punkt unterhalten haben. Genau diese Sanktionen sind auch der Grund dafür, dass in Österreich Massenarbeitslosigkeit eintreten wird.

Diese EU, ich kann es Ihnen nur sagen, braucht sich bitte nicht den Kopf zwischen den Ohren von unseren Österreichern zu zerbrechen. Unsere Österreicher sind es nämlich, die diese Maßnahmen im Endeffekt ausbaden müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der Wegfall dieses Einstimmigkeitsprinzips würde unsere tatsächlich demokratisch legitimierten Vertreter, nämlich die Regierungen in den Mitgliedstaaten, in einem unver­antwortlichen Ausmaß schwächen. Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips wäre ein herber Schlag für die Demokratie in den Mitgliedstaaten.

Unsere Regierung und die Regierungen in den anderen Mitgliedstaaten haben sich doch primär für die Anliegen und Sorgen der eigenen Bevölkerung einzusetzen, die Forde­rungen der eigenen Bevölkerung umzusetzen, auch in Brüssel, und das auch mit einem Veto, um die Interessen des eigenen Landes vertreten zu können. Vor allem kleinere Mitgliedstaaten wie Österreich wären ohne dieses Einstimmigkeitsprinzip jeder Möglich­keit beraubt, die Interessen der eigenen Bevölkerung in der EU zu vertreten.

Dieses Einstimmigkeitsprinzip gibt es ja sowieso nur mehr in sensiblen Bereichen, und ja, das hat einen Grund, dass es dieses Einstimmigkeitsprinzip noch gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich glaube, wir alle haben gesehen, wie schnell es gehen kann. Die Missachtung der verfassungsrechtlich verankerten Neutralität Österreichs durch diese schwarz-grüne Bundesregierung im Zuge des Kriegs in der Ukraine hat uns allen, glaube ich, vor Augen geführt, wie schnell die EU-Hörigkeit vor die eigenen Grund­prinzipien in unserem Land treten kann. Und diesen Tendenzen muss mit aller Kraft entgegengewirkt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau deswegen ist die Einstimmigkeit gerade für uns als Österreich so wichtig. Wer ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips fordert, kann die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr vertreten.

Genau aus diesem Grund darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ist des­wegen abzulehnen.“

*****

Abschließend möchte ich noch ein wenig auf diese Abschlussveranstaltung vom Freitag eingehen. Dort sind einige Aussagen gefallen, nämlich von Bürgern, von Politikern, die dort gewesen sind, die mich wachgerüttelt haben.

Einer der Bürger sagte: Der Druck für uns war sehr groß. Wir kennen uns mit diesen Gesetzen ja nicht aus. Wir waren froh, dass uns Fachleute geholfen haben und wir uns großteils mit Formulierungen beschäftigt haben. – Zitatende.

Der Nächste sagte: Ich hatte das Gefühl, dass wir so lange formulieren mussten, bis es auch den Moderatoren gepasst hat. – Zitatende.

Kollegin Vana sagte – ich weiß nicht, wie es den Bürgern bei der Wortmeldung von mir gegangen ist –, wie sie sich dabei fühlen, wenn ihnen unterstellt wird, dass sie bevor­mundet wurden. – Zitatende. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das habe ich niemandem unterstellt, das habe ich festgestellt. Das haben die Bürger ja bitte selbst gesagt, dass sie so lange formulieren mussten, bis es auch dem letzten Moderator gepasst hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Othmar Karas hat dann festgestellt, dass er keine Festung Europa haben möchte und Migration in Europa gelöst werden muss – da will ich mir gar nicht vorstellen, was dabei herauskommen würde. Ich bin ja wirklich froh, dass wir da noch die Hebel in der eigenen Hand haben, und ja, es ist wesentlich, diese Dinge im eigenen Land zu lösen.

Ich habe das Gefühl gehabt, dass mit Ausnahme von uns Freiheitlichen dieses Ein­stimmigkeitsprinzip niemand mehr haben möchte, dass es jedem am liebsten wäre, europäische Listen zu erstellen und das Einstimmigkeitsprinzip so schnell wie möglich auszuhebeln.

Diese Kompetenzen an Europa abzutreten wäre unverantwortlich und der falsche Weg für ein Land wie unser Österreich. Wenn das der Weg von österreichischen Vertretern ist beziehungsweise von österreichischen Vertretern in der EU, dann muss man sich in Österreich schon überlegen, ob wir in dieser Institution wirklich noch richtig aufgehoben sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen nur sagen: Europa ist schön aufgrund seiner Vaterländer und nicht aufgrund dieses ganzen Multikulti seiner fortschreitenden Zentralisierung oder der Aushebelung von Nationalstaaten. Das ist abzulehnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.12

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhalt des Einstimmig­keitsprinzips“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Christian Buchmann. – Bitte schön.