14.13

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Die letzten beiden Redebeiträge, jener des Herrn Präsidenten und jener von Herrn Bundesrat Spanring, haben sich mit diesem Sonderbericht zum 2. November 2020 auseinandergesetzt. Sie haben den Bericht gelesen, Sie kennen die Details – und es gibt nicht nur unse­ren Bericht, sondern es hat unzählige weitere Formen der Aufarbeitung gegeben, es hat zum Beispiel auch den Bericht der Zerbes-Kommission gegeben –, und dazu auch gleich mein erster Punkt:

Es war am Anfang – und das steht ganz zu Beginn – durchaus befremdlich, dass das Innenministerium aus verschiedensten für uns nicht nachvollziehbaren Gründen die Zusammenarbeit verweigerte. Das Befremdlichste war: Ich war da­mals mit einer führenden Mitarbeiterin der Volksanwaltschaft beim Herrn Innenminister und habe gesagt, wir wollen diesen Vorfall, die ganze Werdung bis zu diesem Terroranschlag aus dem Dienstbetrieb des BVT und LVT über­prüfen und wir wollen auch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen dafür haben, weil man aufgrund der Erfahrungen, die man mit anderen Institutionen auch in Österreich hat, eines weiß, nämlich dass, sobald eine Institution über Aktenmaterial verfügt, dieses dann auf einmal – und das beunruhigt mich als Staatsbürger sehr – ganz unversehens in irgendwelchen Medien auftaucht.

Das heißt, bei der Überprüfung dieses sehr brisanten Materials waren wir einerseits darauf bedacht, nicht einzelne Personen namentlich in ihrer Identität an den Pranger zu stellen, und andererseits auch darauf, dass nicht irgend­welche anderen Inhalte nach außen gelangen. Das hat einmal bedeutet: strenges Vieraugenprinzip in der Volksanwaltschaft, wenn jemand überhaupt ein Aktenpapier dort in die Hand genommen hat, Verwahrung im Tresor und Anony­misierungen – alles, was dort möglich ist; das haben wir besprochen. Es waren drei Mitarbeiter, die – wofür ich hier auch meinen Dank aussprechen möchte – mit der Erstellung dieses Berichtes federführend beauftragt waren, direkt im BVT tätig, sodass möglichst wenige Akten aus dem BVT über­haupt herausgekommen sind, dass man die Akten dort eingesehen hat, dass dort Besprechungen stattgefunden haben. Die mussten sich auch als sehr dienstalte, verdiente Beamtinnen und Beamte aus der Volksanwaltschaft dort der Sicherheitsüberprüfung unterziehen. Es wäre ein Streitpunkt gewesen, ob die das notwendig haben oder nicht, aber wir waren eher am zeitlichen Fortschritt interessiert und nicht daran, dass letztlich der Verfassungsgerichtshof über das Detail entscheidet, ob jetzt die Beamten eine Sicherheitsüberprü­fung brauchen oder nicht.

Befremdlich war allerdings, von einem Spitzenbeamten zu hören: Momentan kann eigentlich die Volksanwaltschaft nicht prüfen, weil ein Strafverfah­ren im Gange ist, und außerdem gibt es ja ohnehin die Zerbes-Kommission. – Da mussten wir schon sehr deutlich auf den Inhalt der Bundesverfassung hin­weisen, und vor allem hat es, was die Frage des anhängigen Strafverfahrens be­trifft, offensichtlich – Sie können es nachlesen – einen Rechtsirrtum im Innenministerium gegeben, etwas, was an sich aber nicht passieren sollte.

Demgegenüber war nämlich die Zusammenarbeit mit der Justiz eine ab­solut problemlose. Als wir gesagt haben, wir bräuchten bitte die Niederschriften, die das BAK als Dienststelle des Innenministeriums gemacht hat, wurde uns vom Innenministerium gesagt: Das kriegt ihr nicht, denn das erfolgte im Auf­trag der Staatsanwaltschaft, und die Volksanwaltschaft darf die Staatsan­waltschaft nicht überprüfen! – Wir hätten auch da streiten und bis zum Verfas­sungsgerichtshof gehen können, aber wir haben einfach im Justizminis­terium angefragt, ob wir das haben dürfen, und haben es vom Justizministerium selbstverständlich bekommen.

Also da muss man schon sagen, so möchte ich an sich in der Volksanwaltschaft nicht von den Dienststellen der öffentlichen Hand bedient werden.

Ein letzter Satz: Es ist auch gelungen, diese Geheimhaltung von Unterlagen in der Volksanwaltschaft durchzuziehen. Während eines zweijährigen Prüfungszeitraumes ist nicht einmal das geringste Fuzel Papier aus der Volks­anwaltschaft hinausgegangen, und das erfüllt mich, was die Beamten betrifft, die da tätig waren, mit einem gewissen Stolz. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bun­desrät:innen Platzer, Schreuder und Tiefnig.)

Ich möchte – weil es natürlich eine starke Aussage ist, die Herr Bundesrat Spanring gemacht hat, indem er gesagt hat, das Attentat hätte sich zu 100 Prozent vermeiden lassen – noch anmerken: Eine hundertprozentige Si­cherheit wird man dabei wahrscheinlich nie haben, aber – mein Aber dürfen Sie auch noch hören – mit dem Wissen von heute und unter der Vo­raussetzung, dass die Behörden, dass die Institutionen der Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaft bei ordnungsgemäßer Berichtlegung durch das BVT die entsprechenden Schritte gesetzt hätten, wäre es zu verhindern gewe­sen. Ich möchte nie ausschließen, dass in der Staatsanwaltschaft oder in der Justiz vielleicht auch Personen sind, die es nicht ganz zusammenbringen – ich bin guter Hoffnung, dass ich vom Gegenteil ausgehen kann –, aber all diese nachzuschaltenden Institutionen wurden gar nicht in die Lage gebracht, entsprechend handeln zu können, und das nicht einen Tag, zwei Tage oder drei Tage, sondern mehrere Monate hindurch.

Ich habe es im Ausschuss so formuliert: Die Vorgangsweise der Terrorbekämp­fung in Österreich – und das stelle ich mir als Laie so vor, dass dort Men­schen tätig sind, die dafür brennen, die, wenn es Verdachtsmomente gibt, dort sofort alles Menschenmögliche machen – ist mir so vorgekommen: Nach­dem der erste Verdacht da war, nämlich ein Polizist des LVT, der das Foto, ein verschwommenes Foto, gesehen hat, damit zu seiner Kollegin gegangen ist und gesagt hat: Hör, das ist doch der, den wir wegen diesem und jenem ver­haftet haben und der auch verurteilt wurde!, und von ihr darin bestätigt wurde, ist dieser dann zum Vorgesetzten beziehungsweise zum BVT gegangen und hat gesagt: Wir glauben, der ist das! – Das sind nämlich – das wird dabei auch vergessen – geschulte Polizeiorgane, die an sich, was Kriminalistik betrifft, schon einen schärferen Blick haben als ein Waffenhändler in der Slowakei. Da muss man zuerst dort nachfragen mit Kalendierungssystemen?

Also da ist es mir so vorgekommen, wie wenn der interne Betriebsverkehr dort folgendermaßen wäre: Ich habe da jetzt eine Meinung zu etwas, einen kri­minalistischen Sachverhalt – ja, bitte schön, prüfen Sie das noch einmal ab!, am besten in vierfacher Ausfertigung und mit Stempelmarke; dann kalendie­ren wir das, dann schicken wir etwas weiter; dann wird die Frist nicht erfüllt, was machen wir? – Wir machen eine Urgenz; wir kalendieren dann wieder weiter. – All das erwarte ich mir als normaler Staatsbürger nicht von einer Ter­rorbekämpfung in Österreich, und das ist das Beklemmende und das Bedrückende dabei.

Österreich war – es wurde schon gesagt – vom deutschen Nachrichtendienst gewarnt, dass ein Islamistentreffen in Wien stattfindet. Wer war dort an vorderster Front dabei? – Der spätere Attentäter K. F. Und es gibt ja sogar ein von Deutschland zur Verfügung gestelltes Gefährlichkeitspotenzialcomputersystem. In dieses füttert man Daten, die man hat, hinein, und da sollte hineinkommen: versuchter Munitionsankauf, der Pkw, mit dem er gefahren ist, wo man schon einen Rückschluss hätte ziehen können, dass eine Kalaschnikowmunition gekauft werden sollte, also all diese Details, Teilnahme bei einem Islamistentreffen und, und, und. – Da wären dort die roten Alarmblinker angegangen.

Was war dort? – Die Betreuerin dieses Systems Radar-iTE hat sogar mehrfach urgiert. Da dürfte also etwas bekannt gewesen sein, denn sie hat gesagt: Bitte schön, wann kriege ich denn endlich alle Informationen von dem, damit ich das in dieses System einspeisen kann?

Das hat alles nicht funktioniert, und das ist wirklich – ich wiederhole mich – das Beklemmende an dieser Vorgangsweise. Nicht ohne Grund, glaube ich – daran hat die Republik sehr gut getan –, wurden den Opfern dieses furchtbaren Terroranschlags auch Entschädigungszahlungen angeboten und ausbezahlt, und man hat durchaus erkannt, dass da sehr wohl eine Verantwortung der Republik Österreich vorhanden war, die wir auch auf­zuzeigen versucht haben.

Es ist ganz klar: Es hat eine Berichtspflicht bestanden, von der das Innenministe­rium zunächst gesagt hat, sie habe zu keiner Zeit bestanden, weil der Ver­dacht zu gering war. Im Zuge des Strafverfahrens, erst im November des Vorjah­res, haben alle Beschuldigten, die dort waren, gesagt: Es hat eine Berichts­pflicht gegeben, wir wollten es ja auch berichten, aber da war der An­schlag schon da – zu früh! Die Bediensteten, die zuständigen Beamten, haben sich also sogar selbst letztlich in ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu einer Berichtspflicht gesehen, was das Innenministerium der Volksanwaltschaft gegenüber immer geleugnet hat beziehungsweise gesagt hat, diese liege nicht vor.

Sie haben den Bericht gelesen. Es ist ein tragischer Vorfall gewesen, und die angesprochene Veränderung, dass die DSN jetzt entsprechend anders und besser ausgerüstet werden soll, mit mehr Personal, mit Schulungen, mit was auch immer, wird von der Volksanwaltschaft begrüßt. Wir haben das auch in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf entsprechend positiv bewertet.

Nur: Wenn es auf der menschlichen Seite, bei den konkreten Beamten, so nicht funktioniert, wie es dort der Fall war, hilft die beste Organisationsreform nicht, denn menschliches Versagen, ob das ein Zugsunglück oder sonst etwas ist, lässt sich leider nie ausschließen. Eine reine Organisationsreform ist jeden­falls nicht das Allheilmittel, wiewohl wir sehen, dass da eine deutliche Verbesse­rung passiert ist. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder, Schumann und Tiefnig.)

14.23

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Volksanwalt, Herr Dr. Rosenkranz.

Recht herzlich darf ich bei uns eine Gruppe ehemaliger Bürgermeister aus dem Bezirk Linz-Land, also aus Oberösterreich, begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Busch­berger. – Bitte, Frau Bundesrätin.