14.24

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die vorliegenden Berichte der Volksanwaltschaft zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, zur präventiven Menschenrechtskontrolle, zum NGO-Forum Soziale Grundrechte sowie eben zum Terroranschlag vom 2. November 2020 zeigen uns, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir hier alle in Form von Gesetzen mitgestalten, im Leben der Bürgerinnen und Bürger Wirkung entfalten. Sie halten uns quasi den Spiegel der gesellschaftlichen Reali­tät vor Augen.

Im Folgenden greife ich explizit drei Themen aus den Berichten heraus, die die Sozial- und Gesundheitspolitik betreffen, die mir ein besonderes Anliegen sind.

Zum Zustand in den Alten- und Pflegeheimen und damit im Bereich der Pflege zeichnet der Bericht der präventiven Menschenrechtskontrolle 2021 ein bedrückendes Bild. 2021 war immer noch stark geprägt von der Covid-19-Pan­demie, doch das Grundproblem bestand weiter und besteht auch weiter: zu wenig qualifiziertes Personal in der Pflege.

Folgender Satz aus dem Bericht beschreibt die Dramatik der Situation sehr treffend: „Die Schere zwischen berechtigten Erwartungen an eine men­schenwürdige Betreuung und die Realitäten knapper und überforderter Perso­nalressourcen geht immer weiter auf.“ Die Bewohnerinnen und Bewoh­ner bleiben so zunehmend auf der Strecke, weil für sie die Betreuung zu Hause durch mobile Dienste oder 24-Stunden-Betreuung nicht möglich ist, weil sie sich an die Institution Heim anpassen müssen, indem sie das Haus nicht ver­lassen, abends früh schlafen gehen und morgens nicht vor Ankunft des Tagdienstes aufstehen.

Weniger Personal bedeutet weniger Zeit für individuelle Betreuung und weniger Zeit für Aktivitäten, die den Alltag gestalten, wie beispielsweise nur ein Spaziergang an der frischen Luft, und die Volksanwaltschaft hat wahrgenommen, dass es insbesondere in den Abendstunden zu einer vermehrten Gabe von sedierenden Psychopharmaka kommt.

Die Situation, so wie wir sie jetzt in der Pflege vorfinden, besteht aber nicht erst seit dieser Regierungsperiode. Sie ist das Ergebnis von strukturellen De­fiziten, die über Jahre entstanden sind und nicht ausreichend beachtet wurden.

In dieser Regierung wird intensiv an der Pflegereform gearbeitet. Wichtige Dinge sind schon passiert und weitere wichtige Dinge werden passieren. Die Pfle­gereform, mit der wir uns auch in diesem Gremium hier schon wiederholt befasst haben, ist in Umsetzung, und es werden weitere Schritte und Maßnahmen folgen. Die Pflegereform wird Perspektiven schaffen, unter anderem bei der Ent­lohnung, Wertschätzung und Verlässlichkeit, den Arbeits- und Erholungs­zeiten und natürlich auch bei der Ausbildung – da sind wir eben beim Fehlen von qualifiziertem Fachpersonal.

Das betrifft leider nicht nur die Alten- und Pflegeheime, sondern alle Einrichtungen, welche von der Volksanwaltschaft im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle aufgesucht wurden. Auch in der Betreuung von Menschen mit Behinderung, was ich als Nächstes thematisiere, wird hän­deringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesucht.

Das Thema eines selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderung ist ein wesentlicher Knackpunkt. Durch persönliche Assistenz wird es für Menschen mit Behinderung möglich, ein solches, nämlich selbstbestimmtes Leben, zu führen und dadurch vielleicht sogar auf ein Leben in einer Ein­richtung verzichten zu können. Daher sollte ein Ausbau dieses Angebotes das erklärte Ziel sein, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der UN-Behin­dertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat.

Seitens des Sozialministeriums wurde bereits eine neue Förderrichtlinie zur per­sönlichen Assistenz erlassen, um die unterschiedlichen Systeme der Bun­desländer und des Bundes zu vereinheitlichen, den Kreis der Anspruchsberech­tigten zu erweitern und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Assistentinnen und Assistenten sicherzustellen. Insgesamt stehen dazu mittlerweile 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Sozialhilfe und in diesem Zusammenhang das Thema Armut ist schließlich das dritte Thema, das ich aufgreifen möchte. In Österreich liegt die Armutsgefährdungsschwelle bei einem Einkommen von monatlich 1 371 Euro. Die Sozialhilfe beträgt im heurigen Jahr 1 054 Euro. Das heißt, die Sozial­hilfe ist nicht mehr dazu geeignet, Armut zu verhindern. Mit dazu beigetragen hat der viel kritisierte Wechsel von verbindlichen Mindeststandards, welche das Lebensnotwendigste absichern sollten, zu festgesetzten Höchstsät­zen, welche sich gerade in Krisenzeiten, nämlich der Pandemie und des Ukrainekrieges, als untauglich erwiesen haben, um Menschen in Notsituationen umfassend zu unterstützen.

Im Rahmen des NGO-Forums gab es viel Kritik an der aktuellen gesetzlichen Regelung zur Sozialhilfe. Sozialhilfe soll als Unterstützungsleistung für Menschen in Notlagen gesehen werden, um eine soziale Teilhabe zu ermöglichen. Es handle sich nicht um eine Charityaktion oder um Almosen. Durch das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat eine Nivellierung nach unten stattgefunden, eben durch die Einführung dieser schon mehrmals genannten Höchstsätze.

Die Berechnungsgrundlage der Haushaltsgemeinschaften – und da bin ich wie­der beim Bericht der Volksanwaltschaft – führt oft zu massiven Proble­men für die Betroffenen, indem sich nämlich auch die gegenseitigen Abhängig­keiten erhöhen, und die Armutsgefährdung für Kinder ist enorm gestiegen. Die Verfahren dauern zu lange, die Mitwirkungspflicht wird oft überspannt und die erstellten Bescheide sind teilweise unverständlich. Ich glaube, ich könn­te an dieser Stelle etliche Beispiele aus Oberösterreich nennen, die sehr negativ auffallen.

Die Forderung der Volksanwaltschaft im Zuge des NGO-Forums ist die Ver­ankerung von sozialen Grundrechten in der Verfassung, denn: Wer Grundrechte sichert, sichert auch Persönlichkeits- und Freiheitsrechte. Und das möchte ich jetzt schon an dieser Stelle noch persönlich bemerken: Für mich ist ganz son­nenklar, wir brauchen eine Reform der Sozialhilfe, damit sie ihrer Funktion der Armutsprävention wieder gerecht wird.

Zum Schluss möchte auch ich der Volksanwaltschaft, Ihnen und Ihren Mitar­beiter:innen Dank für Ihre wichtige Tätigkeit, für die umfassenden Berichte Ihrer Kontrolltätigkeit, für die Besuche in den Einrichtungen und das Ernstneh­men der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger aussprechen. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

14.31

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz. – Bitte, Herr Volksanwalt.