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Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksan­wälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, auch ich schließe mich selbstverständlich dem Dank an: einerseits für diese wirklich jedes Mal sehr informativen und umfangreichen Berichte, aber natürlich noch mehr für die Arbeit, die Sie und Ihr ganzes Team leisten, indem Sie nämlich zweierlei Dinge tun, die miteinander verzahnt sind: Sie ver­suchen, und Sie tun das auch tagtäglich, individuelle Problemlagen zu lö­sen, aber mit dieser Konfrontation dieser vielen individuellen Problemlagen entdecken Sie natürlich, wo das System seine Schwächen hat und wo man sozusagen systematisch in der Struktur auch hinschauen muss. Dieser Blick darauf und die Rückmeldung an uns, wo politisch hingeschaut werden muss, sind sehr, sehr wertvoll.

Dass die Themen sehr vielfältig sind, hat, glaube ich, schon die aktuelle Debatte dazu hier gezeigt. Wir haben bereits einen ganzen Strauß, einen vielen The­men umspannenden Bogen bearbeitet, und noch dazu ist in diesen Berichtszeit­raum, den wir ja jetzt anschauen, eine Pandemie dazugekommen, die noch einmal alles sozusagen verschärft hat, möchte ich sagen. Diese Pandemie hat doch wie ein Brennglas bei manchen Themen aufgezeigt, wo die Schwachstellen und die Lücken sind, und die sind durchaus in eben all diesen Bereichen zutage getreten: im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, in der Pflege, aber auch in der Freizeit, im Alltag der Menschen, im Konsum, im Tourismus und so weiter. Das hat also wahrscheinlich noch einmal einen Turbo in die Debatte und in die Forderungen gebracht.

Ein Thema, das glaube ich, heute noch nicht zur Sprache gekommen ist, mit dem ich aber immer wieder konfrontiert werde – und das jetzt auch schon mehr­fach in Ihren Berichten vorgekommen ist –, ist eines, das vor allem jun­ge Familien in Österreich betrifft, nämlich das Thema der Auszahlung des Kin­derbetreuungsgeldes durch das Familienministerium.

Da scheint es so zu sein, dass es quasi eine Normfamilie gibt, bei der die Anträge funktionieren, sobald es aber eine Abweichung gibt, im Sinne von: im Ansuchenszeitraum siedelt die Familie oder Elternteile, oder ein Elternteil hat einen Bezug ins Ausland und, und, und, dann scheint es zu stocken und zu Schwierigkeiten zu kommen. Das kann teilweise aber tatsächlich existenziell sein, weil dann die Bearbeitungszeit und quasi das Zugestehen der För­derung durch das Kinderbetreuungsgeld mitunter über Monate verzögert ist, und das kann für eine junge Familie existenzbedrohend sein.

Manchmal kommt es sogar zu Rückzahlungsforderungen, weil ein Formular, ein Nachweis nicht rechtzeitig erbracht werden kann. Auch das scheint häufi­ger vorzukommen, dass es dann zu Rückzahlungsforderungen kommt, die für die Familien natürlich erschreckend sind; die sich später wieder in Luft auflösen, aber in jenem Moment große Probleme machen. Und es scheint mir auch so zu sein, dass dabei oft ein bisschen überzogen reagiert wird, da auch im EU-Vergleich sehr restriktiv eingefordert wird. Es wäre zum Beispiel eine Lö­sungsidee – die haben wir auch im Ausschuss schon diskutiert –, ob Ös­terreich in solchen Fällen, in denen voraussehbar ist, dass sich dieses Problem lösen lässt, nicht in Vorleistung gehen könnte, dass man da sozusagen ent­lang des EU-Rechtes diesen Familien tatsächlich diese Vorleistung gewährleisten könnte, um eben die Existenz abzusichern.

Es kommt auch vor, dass dann einzelne Familienmitglieder nicht versichert sind. – Also das sind lauter Dinge, die man ja nicht wollen kann, auch das Familienministerium natürlich nicht, und deshalb wären da Zwischenlösun­gen sehr angebracht. Ich glaube, da das Thema jetzt schon so oft in Be­richten war, dass es an der Zeit wäre, das im Familienministerium auch zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich möchte noch auf den zweiten Bericht eingehen, jenen, in dem es um die präventive Menschenrechtskontrolle geht. Auch ich begrüße natürlich, dass Sie mittlerweile den A-Status im Rahmen dieser internationalen Menschen­rechtsorganisationen erlangt haben. Ich denke, das ist gut, da gut ver­netzt zu sein und dieses Renommee auch sozusagen mitnehmen zu können.

Diese Opcat-Besuche und -Kontrollen, genau in den Einrichtungen, in denen die Freiheit in Gefahr ist oder in denen es ein Risiko gibt, dass mit der Freiheit möglicherweise nicht ganz korrekt umgegangen wird, sind sehr, sehr wertvoll. Auch da habe ich das Gefühl, dass in den letzten Jahren und Monaten, auch ver­schärft durch die Pandemie angesichts von Personalmangel, von erschwer­ten Rahmenbedingungen in der Arbeit mit den Menschen in den Einrichtungen, durchaus auch die Qualität der Betreuung der Menschen in Gefahr ist beziehungsweise man darauf sehr genau schauen muss. Weniger Ressourcen, weniger Personal birgt ein hohes Risiko, dass Menschen schneller ange­halten, angegurtet werden, schneller einer gewissen Form von struktureller Ge­walt ausgesetzt sind, und das gilt es natürlich zu vermeiden.

Ich möchte auch noch auf die Kinder- und Jugendhilfe im Speziellen hinweisen: auf die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, auf die WGs, ein Bereich, in dem es zurzeit einen eklatanten Personalmangel gibt, einen großen Aufschrei, dass man die Qualität nicht halten könne, vor allem auch hinsichtlich des Schutzes der Kinder. Sie haben vorhin den Kinderschutz erwähnt: Wenn der Kinderschutz nicht mehr gewährleistet werden kann, dann ist es, denke ich, notwendig, verstärkt hinzuschauen, Kinderschutz präventiv zu sehen, auch Kontrollmöglichkeiten zu verstärken.

All das hat auch mit den sozialen Grundrechten zu tun. Darum finde ich auch diesen speziellen Bericht über dieses NGO-Forum sehr interessant. So­ziale Grundrechte auch in der Verfassung zu verankern wäre höchst an der Zeit. Wir sind eines der wenigen Länder in der Europäischen Union, die diese sozialen Grundrechte noch nicht im Verfassungsrang verankert haben. Es gab immer wieder Versuche und Anläufe dahin gehend, es wurde auch im Regierungsübereinkommen zumindest angekündigt, dass soziale Grundrechte verankert werden.

Ich weiß nicht, ob das passiert, es liegen hierzu keine Informationen vor. Ich den­ke aber, es wäre notwendig. Auch da hat die Pandemie gezeigt, wie schnell Grundrechte, von denen wir ausgehen, dass sie Basis in unserer Gesell­schaft sind, ins Wanken geraten und auch eingeschränkt werden, weil Situa­tionen es möglicherweise verlangen. Umso mehr spricht alles dafür, die­se sozialen Grundrechte jetzt auch endlich in der Verfassung zu verankern! Das wäre ein wichtiges Ziel. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Das zweite Ziel – meine Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es schon angesprochen – aus diesem NGO-Forum war ja das Thema Armutsbekämpfung im umfassenden Sinn. Wir wissen, Armut spielt in die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Bildung, soziale Ausgrenzung, Daseinsvorsorge, also alles Themen, die jetzt gerade wieder an Brisanz zunehmen.

Ich teile Ihre Einschätzung, da verschärfen sich gerade auch Dinge. Wir wissen, dass immer mehr und mehr Familien jetzt wieder von Armut betroffen sind.

Speziell der Bereich Kinderarmut ist mir immer ein großes Anliegen. Ich weiß (in Richtung Volksanwält:innen), das ist nichts, das Sie lösen, aber in Richtung der beiden Regierungsfraktionen: Die EU hat Bestrebungen, mit einer sogenann­ten EU-Kindergarantie in Europa die Kinderarmut zu reduzieren. Jeder Staat soll einen Nationalen Aktionsplan mit Maßnahmen, um die Kinderarmut einzuschränken, vorlegen. Diese Maßnahmen liegen am Tisch, wir wüssten, was es zu tun gibt, aber dieser Aktionsplan ist mittlerweile seit einem Jahr ausständig. Wir erhalten auch schon Mahnungen aus der EU, sie fragt nach: Wo bleibt der Maßnahmenkatalog aus Österreich?

Angesichts der jetzigen Situation, angesichts der Situation, dass Kinder in Armut aufwachsen – wir wissen, was das für die Zukunft unserer Gesellschaft be­deutet, auch volkswirtschaftlich; das später einzufangen ist immer teu­rer, als wenn wir dieses Thema jetzt angehen würden –, diese EU-Kindergarantie liegen zu lassen und der Aufforderung der EU nicht nachzukommen, das empfinde ich ehrlicherweise als einen Skandal, den wir uns als Österreich nicht leisten sollten. Darum mein dringender Appell an die Regierungsfraktionen, endlich diese Pflicht sozusagen zu erfüllen.

(In Richtung Volksanwält:innen:) Ihnen noch einmal Danke für das Sensibel­machen, auch immer wieder hier bei uns, und dafür, an den Themen dranzublei­ben. Hoffentlich gibt es nächstes Mal über noch mehr Fortschritt zu be­richten und hoffentlich konnten manche Themen aus den Berichten verschwin­den, weil sie gelöst sind, das wäre mein Anliegen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

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