10.01

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause via Livestream und heute auch via ORF, das freut mich besonders! Wenn ich mir die Ausführungen meiner Vorredner so in Erinnerung rufe, auch jene von Kollegin Eder-Gitschthaler, muss ich sagen: Ich bin ein bisschen skeptisch ob der Tatsache, dass wir offensichtlich in Zukunft hergehen und sagen: Ja, wir geben da ein bisserl Fotovoltaik aufs Dach, und in der Schule ist alles eitel Wonne, alles super, alles toll, und sonst ist eh alles ganz großartig.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Mitnichten, dem ist ganz und gar nicht so. Die Presse bestätigt mein Urteil. Ganz aktuell heute, wir lesen es im „Standard“ in einem Kommentar: „Schule, die ewige Baustelle“, steht da geschrieben; oder auch in der „Presse“ zum Thema Schule: „Zu viele Abgänge, zu wenig zusätzliches Personal, verunsicherte Lehrer, verweigerte Projekte: [...] Zahlreiche Probleme verlangen zeitnahe Lösungen.“ Und auch im Leitartikel in der „Presse“ haben wir es ganz deutlich, schwarz auf weiß, stehen: Die Schule wird da als eine „Zweiklassengesellschaft“ bezeichnet.

Insofern muss ich sagen: Ja, der Titel der heutigen Aktuellen Stunde, „Nachhaltig Bauen, energie:bewusst Schule leben“, könnte durchaus nicht aktueller sein, allerdings aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus, als ihn der Herr Minister geplant hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

Denken wir aber die Schule einmal wirklich als Gebäude, als Gebäudekomplex, als Haus, das es von unten herauf sehr sensibel und nachhaltig zu bauen gilt. Ja, dann sage ich Ihnen: Bauen wir gemeinsam eine Schule, die auf einem stabilen Fundament beruht und aufbaut! Das Fundament – ich glaube, jeder, der ein Haus gebaut hat, weiß das – ist die Grundlage für das gesamte Haus. Dieses Fundament ist in der Bildung etwas, auf das heute noch nicht wirklich eingegangen wurde, außer von meiner Kollegin Daniela Gruber-Pruner, nämlich die Elementarpädagogik. Bildung beginnt nicht erst in der Schule, das vergisst man sehr, sehr häufig. Der Kindergarten ist in Wahrheit die erste Bildungseinrichtung, ist auch als solche wahrzunehmen und auch entsprechend wertzuschätzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Das heißt, es braucht natürlich genügend Personal, und es braucht vor allen Dingen genügend gut ausgebildetes Personal. Da darf ich schon ein bisschen die Quereinsteigerpolitik, die man gerade so macht, hinterfragen. Wenn man der Gesellschaft sozusagen verkauft, dass die Arbeit von Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen ein bisschen Spielen und ein bisschen Betreuen ist und viel mehr auch nicht dahintersteckt, dann ist das nur die halbe Wahrheit und entspricht leider nicht der Tatsache. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Wer hat denn das gesagt? Wer hat denn das gesagt mit dem Spielen?)

Es braucht eine entsprechende Bezahlung, und es braucht ganz generell entsprechend geeignete Rahmenbedingungen: kleine Gruppengrößen, damit man sich auch entsprechend um die Kinder kümmern und sich ihrer annehmen kann, Unterstützungspersonal, das in vielen Fällen fehlt, und so weiter und so fort.

Erst darauf können dann alle anderen weiterführenden Schularten aufbauen, angefangen natürlich von der einzigen gemeinsamen Schule, die wir in Österreich haben, nämlich der Volksschule, die als solche auch sehr, sehr gut funktioniert. Darauf wiederum fußen die Sekundarstufe, die Universität, bis hin zu alldem, was zum lebenslangen Lernen, zum berufsbegleitenden Lernen gehört, was, glaube ich, sozusagen als vierte Säule im Bildungswesen auch immer vernachlässigt und vergessen wird. Eines dürfen wir natürlich auch nicht vergessen: den Lehrberuf, die Lehre, die polytechnische Schule – all das gehört zu einem gesamten Blick auf das Bildungswesen dazu.

Darum sage ich auch: Bauen wir gemeinsam eine Schule, die vor allem Talente fördert, die Potenzial entfalten lässt, anstatt sich dauernd auf das Ausmerzen von Defiziten zu konzentrieren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich habe in Österreich immer wieder das Gefühl, es gibt die verschiedensten dicken, dicken Risse in der Gebäudehülle der Bildungspolitik, und sie werden dann mit ein bisschen neuer Farbe und einem neuen Anstrich ausgebessert, aber die Probleme, die dahinterliegen, werden nicht angeschaut.

Bauen wir also eine Schule, in der es nicht darauf ankommt, wer deine Eltern sind, wo du wohnst, in der es ganz egal ist, welches Einkommen deine Eltern haben! Ganz genau das Gegenteil ist aber in Österreich der Fall: Wir wissen aus vielen, vielen Studien, dass Bildung in Österreich schlicht und einfach Glückssache ist – wo du geboren worden bist, ob du eine Chance auf einen guten Bildungsabschluss hast oder nicht. Ich glaube, diese Glückssache darf es in Österreich nicht mehr sein.

Daher noch eine weitere Forderung: Bauen wir gemeinsam eine Schule, die eben keine teure Nachhilfe nötig macht! (Beifall bei der SPÖ.) Alleine in Niederösterreich geben die Eltern Jahr für Jahr über 15 Millionen Euro für Nachhilfe aus. 26 Prozent brauchen regelmäßig Nachhilfe, und noch einmal so viele bräuchten sie und können sie sich gar nicht leisten.

Das heißt: Bauen wir eine gemeinsame Schule, bauen wir eine ganztägige Schule, im Idealfall verschränkt, mit den unterschiedlichsten Angeboten, bei denen Kreativität dabei ist, soziales Lernen dabei ist und vieles andere mehr! Dann ist Bildung auch nachhaltig, denn gute Bildung und Ausbildung – das wissen wir alle miteinander hier, glaube ich – sind ein ganz wesentlicher Faktor, um ein weitgehend gesundes, geglücktes, glückliches, selbstbestimmtes Leben zu führen. Daher sind auch Investitionen in die Bildung aus meiner Sicht so wesentlich.

In diesem Zusammenhang muss ich schon sagen, dass ich immer wieder schockiert bin, wenn ich mir anschaue, was in Niederösterreich da so passiert. Da wird im Arbeitsprogramm zwischen Schwarz und Blau die Sonderschule festgeschrieben, die UN-Behindertenrechtskonvention völlig ignoriert. Da werden Deutschförderklassen festgeschrieben und noch weiter ausgebaut, obwohl alle Studien sagen, dass sie in dieser Form nichts bringen. (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) Da wird Vielsprachigkeit verhindert, indem die FPÖ fordert, eine Deutschpflicht in den Pausen einzuführen. (Beifall der Bundesrätin Doppler.) Anstatt dass man Vielsprachigkeit als Chance und als Schatz begreift, will man sie auch noch abschaffen.

Das drängendste Problem - - (Bundesrat Spanring: Das ist nur dann eine Chance, wenn man schon Deutsch spricht, Frau Kollegin!) – Hör einmal zu, und dann rede selber! (Bundesrat Spanring: Das ist ein Trauerspiel, dass du Direktorin einer Schule bist!) – Ja, Herr Kollege, das mit dem guten Benehmen hat man bei dir im Bildungssystem offensichtlich vergessen (Bundesrat Spanring: Ich hab’ wirklich Angst davor, dass ...!), aber gut, das ist dein Problem, nicht meines. (Beifall bei der SPÖ.)

Das drängendste Problem der FPÖ ist ja die Jogginghose im Unterricht. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Also da muss ich auch sagen: Nicht nur der Bildungsminister hat das Problem in der Bildung nicht erkannt, sondern auch die FPÖ hat es nicht erkannt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Leinfellner: Na Gott sei Dank gibt’s ...!)

Eines möchte ich Ihnen aber trotzdem noch auf den Weg mitgeben. Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern, auf Ihrer eigenen Homepage haben Sie die Unesco-Schwerpunkte im Bereich Bildung notiert (Bundesrat Spanring: Wie lang wart ihr Bildungsminister? Wie lange?): „Bildung ist die Grundvoraussetzung für Frieden, Demokratie“ (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ) – ja, ein bissl Atem schöpfen, dann geht es wieder (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling) – „und die Überwindung von Armut und bildet die Basis für nachhaltige Entwicklung, die Erreichung der Chancengleichheit der Geschlechter, die Verringerung der Kindersterblichkeit und des globalen Bevölkerungswachstums. Bildung ist das Schlüsselthema der Zukunft“. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

In diesem Sinne darf ich Ihnen meine Bitte mitgeben, sich darum wirklich zu kümmern und nicht nur sozusagen Schlagworte zu liefern.

Als Schulleiterin, als Lehrerin (Bundesrat Spanring: Die Zeit ist schon lang vorbei! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) darf ich den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch den Eltern (Bundesrat Bernard: Was ist denn das?) im Osten ab morgen wunderbare Ferien wünschen, gute Erholung. (Ruf bei der FPÖ: Haben wir eine Geschäftsordnung?) Den Pädagoginnen und Pädagogen meinen herzlichsten Dank für ihr Engagement, denn nur durch ihr Engagement funktioniert Schule trotz allem so gut! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kittl.)

10.09

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Markus. (Bundesrat Kornhäusl: Auf die Zeit aufpassen, Markus!)