10.40

Bundesrat Andreas Babler, MSc (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich noch einmal ganz persönlich an die Vorsitzführung des Burgenlandes und an unseren Präsidenten Günter Kovacs wenden und ihm meinen Dank für die hervorragende Vorsitzführung aussprechen. Vielen Dank, lieber Günter! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Gleichzeitig wünsche ich auch dir, Claudia – und das mit der Gewissheit, dass auch du das ebenso perfekt machen wirst –, alles Gute und viel Kraft.

Ich möchte heute mit einer aktuellen Zahl beginnen: Vor zwei Tagen hat der Internationale Währungsfonds – bekannterweise ist das ja keine sozialistisch-sozialdemokratische Vorfeldorganisation – mit seinen Ökonominnen und Ökonomen festgestellt, dass 50 Prozent der Inflation im gesamten Euroraum durch Übergewinne, durch unmoralische Gewinne verursacht worden sind. Man muss es so hart sagen: Die Konzerne machen tatsächlich ein beinhartes Geschäft mit der Teuerung an sich. (Bundesrat Steiner: Welche Konzerne haben ...?)

Am selben Tag, an dem der IWF diese Zahl präsentiert – ich sage es noch einmal, nämlich dass 50 Prozent der Teuerung von den gestiegenen Gewinnen kommen –, stellt sich der Finanzminister ins Fernsehen und sagt: Die Löhne sind schuld an der Inflation. – Nein, Herr Minister, die Löhne müssen steigen, weil wir uns sonst unseren Lebensunterhalt nicht mehr leisten können, wenn die Preise explodieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Schuld an der Inflation sind nicht, wie Sie sagen, die Gewerkschaften, die für gute und ausreichende Löhne sorgen, sondern schuld an der Inflation sind genau Sie als Mitglieder der Bundesregierung, weil Sie nichts zustande bringen, um diese Preisexplosionen tatsächlich strukturell zu bekämpfen, weil Sie Ihren Job nicht machen, liebe Bundesregierung. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

Sie sind die wahren Schuldigen (Beifall bei der SPÖ) – und nicht die Gewerkschaften, die Seite an Seite mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für gerechte Löhne kämpfen –, weil Sie als Regierung es zulassen, dass die Energieversorger auf unsere Kosten Übergewinne machen, weil Sie es zulassen, dass die Lebensmittelkonzerne Übergewinne auf unsere Kosten machen, und weil Sie es zulassen, dass die Immobilienwirtschaft die Mieten immer weiter erhöhen kann – wegen Ihrer Untätigkeit jetzt im Juli wieder einmal, um weitere 5,5 Prozent.

Der Finanzminister will aber nicht bei den Preisen ansetzen, unter denen wir alle miteinander leiden. Er verhindert eine Mietpreisbremse, er verhindert Preiskontrollen, er verhindert echte Übergewinnsteuern, nein, er will die Löhne senken. – Man muss der Regierung noch einmal ganz klar signalisieren: Nicht die Löhne sind schuld an der Teuerung, es ist die Politik von Ihnen und dem Rest der gesamten Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich hat eine Inflation, die sich an der 10-Prozent-Marke bewegt. Wir haben die höchsten Inflationszahlen seit der Nachkriegszeit, und das ist natürlich – für alle, die sich ein bisschen auskennen – auch kein Naturgesetz: In Spanien oder in der Schweiz liegen sie bei 3 Prozent. Und warum haben sie diesen Wert? – Weil die Regierung dort eingegriffen hat und im Unterschied zur österreichischen Bundesregierung tatsächlich strukturell etwas gegen die Gewinnsteigerung gemacht hat. (Bundesrat Buchmann: ... wider besseres Wissen, was du erzählst! Es ist wider besseres Wissen, ...! – Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Ich beschreibe Ihnen – damit Sie das auch als Erfahrungsschatz mitnehmen können – vielleicht auch einmal, was das tatsächlich für die Bevölkerung heißt, ganz praktisch: wenn man am Abend fortgeht, ob man sich Fortgehen mit Freundinnen und Freunden überhaupt leisten kann, wenn man überlegen muss, ob man sich ein zweites oder ein drittes Getränk anschaffen kann – und, liebe ÖVP, da spreche ich nicht von Champagnerflaschen, da spreche ich davon, ob man sich einen Spritzer, ein Cola oder ein Mineralwasser leisten kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch weil wir es vorhin in der Bildungsdebatte gehört haben: Wissen Sie, was wirklich arg ist? – Dass ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher heute große Sorge hat, ob überhaupt ein paar Tage Urlaub finanzierbar sind. Das sind aber jene Leute, die tagtäglich aufstehen und harte Arbeit leisten, die wahren Leistungsträger der Gesellschaft, die jeden Tag ihre Arbeit verrichten, ihre Arbeitskraft verkaufen – und dann nicht einmal sicher sein können, dass sie ein paar Tage Regenerationszeit haben, ein paar Tage Urlaubsqualität haben. Das ist das Resultat Ihrer Politik, die Sie nicht einmal richtig wahrnehmen können, was unsere Leute in der Realität bewegt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung.

Bei vielen geht es tatsächlich nur um die Existenz, weil uns Zahlen vorliegen, wonach – empirisch gesichert – 331 000 Menschen in diesem Land armutsgefährdet sind, obwohl sie arbeiten – obwohl sie arbeiten! Wir hören ja auch von den Sozialmärkten, dass sie nicht einmal den Bedarf decken können, dass auch jene, die früher vielleicht einmal die sogenannte Mittelschicht waren, jetzt darauf angewiesen sind, Sozialmärkte aufzusuchen, um dort einen Teil der Grundnahrungsmittel beziehen zu können.

Gleichzeitig weise ich auf ein Herzensanliegen hin, und ich stehe hier auch für jedes einzelne der 350 000 Kinder in diesem Land, die armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind. Diese könnten wir jederzeit strukturell aus der Armut holen. Wir haben das Modell der Kindergrundsicherung vorgeschlagen – wir haben es schon zweimal eingebracht, doch jedes Mal gab es eine Ablehnung. Ich sage Ihnen aber: Wir werden hart bleiben! Wir werden keinen Tag Ruhe geben, ehe nicht jedes einzelne Kind in Österreich aus dieser Armut herausgeholt worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Zahl – damit man eine ungefähre Relation kriegt – in Höhe jener der Einwohner:innen von Linz und Salzburg gemeinsam. Das betrifft jedes fünfte Kind in diesem Land – heute, Ende Juni 2023 –, und das werden wir keinen Tag weiter hinnehmen.

Mein Politikverständnis besagt nicht, dass wir mit unserer Politik hauptsächlich ein Interesse haben, den großen Unternehmen und den Milliardären zu dienen, sondern dass wir tatsächlich an der Politik ansetzen, die Millionen von Österreicherinnen und Österreichern erwarten, nämlich strukturelle Hilfe im Kampf gegen die Teuerung.

Wir müssen uns dahinter stellen, und das heißt, dass sich die Regierung endlich verantwortlich fühlt und die Dinge wieder gerade richtet – Herr Bundesminister, ich bitte Sie, das auch jedem Regierungsmitglied auszurichten. Sie müssten eingreifen und die Mieten einfrieren. Das ginge sofort, bei der nächsten Nationalratssitzung, mit einfachem Beschluss, und wäre eine wirksame Maßnahme, um allen Menschen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie müssten sich darum kümmern – ich habe den Umstand gerade geschildert –, der Armutsgefährdung von Kindern den Kampf anzusagen, die Kindergrundsicherung beschließen, und nicht mit uns den traurigen Umstand beklagen, dass 350 000 Kinder weiterhin in Armut sind, weil Sie einfach nichts auf die Reihe bringen.

Gleichzeitig besitzen 350 Menschen – ebenfalls empirisch gesichert – in Österreich 35 Prozent des Finanzvermögens. Das ist eine Ungleichheit sondergleichen, die absolut nicht zur Normalität, die hier einfach so hingenommen wird, werden darf. Eine Regierung für die Mehrheit müsste dafür sorgen, dass die Dinge wieder ins Lot kommen, dass sich diese Lücke schließt, dass die Superreichen endlich einen fairen Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Zeidler-Beck und Schwindsackl) – und ich sage Ihnen eines ganz klar: Das alles sind keine radikalen Forderungen, das ist keine radikale Politik, das wäre einfach eine vernünftige, normale Politik im Interesse der vielen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Tatsächlich radikal ist aus Sicht unserer Leute die Weigerung, dass Sie strukturell helfen. Das ist Radikalität, und es ist wirklich verwerflich, was die Regierung angesichts dieser Teuerung macht.

Die Konzepte liegen seit Monaten auf dem Tisch, und ich sage das auch hier in Richtung von Herrn Nehammer, von Herrn Brunner, von Herrn Kocher: Schöpfen Sie die Übergewinne ab! Streichen Sie die Umsatzsteuer auf Lebensmittel, damit die Preise schnell hinuntergehen, und erhöhen Sie auch endlich das Arbeitslosengeld, damit wir nicht auch damit dort noch einmal wahnsinnige Armut finanzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeiten Sie für die Mehrheit in diesem Land! (Bundesrat Kornhäusl: Ihr wart einmal für die arbeitenden Menschen! Ihr wart einmal für die Arbeitenden!) – Das ist ein gutes Stichwort auch für Sie, nämlich dass Sie endlich einmal betreffend die Inflationsbekämpfung arbeiten. Arbeiten Sie für die Mehrheit in diesem Land (Bundesrat Kornhäusl: Kein Land hat so viel ... wie Österreich!) und fangen Sie schnell damit an oder, noch besser, ziehen Sie die Konsequenz – wenn Sie nicht für die Mehrheit in dieser Bevölkerung arbeiten wollen, nehmen wir das zur Kenntnis –: Treten Sie zurück und lassen Sie uns nach einer Neuwahl die Verantwortung übernehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andreas Babler, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preise senken, Leistungen anpassen, Armut bekämpfen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert ihre Blockadehaltung zu beenden und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz (u.a. Einführung einer Mietpreisbremse, sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs, Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission) vorzulegen, das das Ziel verfolgt, die Inflationsrate in Österreich um mindestens zwei bis drei Prozentpunkte zu drücken.“

(Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

„Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert umgehend ein nachhaltiges Paket zur Armutsbekämpfung dem Nationalrat sowie dem Bundesrat zu übermitteln, mit dem armutsvermeidende Mindestleistungen in der Sozialhilfe festgelegt werden, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des letzten Einkommens erhöht und damit einhergehend auch die Notstandshilfe erhöht wird, der Kinderzuschlag zum Arbeitslosengeld verdreifacht wird und die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung jährlich valorisiert werden sowie eine Kindergrundsicherung und ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz eingeführt und die Finanzierung eines warmen Essens pro Tag für jedes Kind in allen Bildungseinrichtungen sichergestellt wird.“

*****

So weit der Antrag, den ich somit eingebracht habe.

Ich kann Ihnen versichern: Wir werden nicht ruhen, bis Sie endlich im Interesse der Bevölkerung wirksame Schritte gegen die Teuerung setzen und auch mehr Gerechtigkeit in diesem Land umsetzen. – Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.49

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Andreas Babler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Preise senken, Leistungen anpassen, Armut bekämpfen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Frau Kollegin.