11.23

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Vorsitzender! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht an euch (in Richtung der Besucher:innen) gerichtet: Der Bundesrat ist ja ein Gremium, das ihr jetzt vielleicht zum ersten Mal seht. Es wird nicht immer so gestritten wie aktuell, es geht oft friedlich zu.

Um vielleicht zu erläutern, worum es jetzt geht: Die Regierung hat Maßnahmen gegen die Teuerung beschlossen und ich bin als Sozialminister auch dafür verantwortlich und werde jetzt von links und von rechts kritisiert. Ich bekomme sozusagen von links und rechts eine (Oh-Rufe bei der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Das ist Demokratie!), und damit bin ich schon beim Punkt: Wenn man von links und von rechts kritisiert wird, dann muss man zunächst einmal die beiden Seiten auseinanderhalten. Während ich der linken Seite, nämlich der SPÖ, eine gewisse Glaubwürdigkeit konzediere, wenn es darum geht, soziale Problemlagen anzugehen und Sozialpolitik zu machen (Bundesrätin Schumann: Danke, Herr Minister!), so kann ich diese auf der ganz rechten Seite nicht verorten. (Beifall bei den Grünen.)

Es war schließlich die FPÖ in der Vorgängerregierung, die die Schneise für ein Mindestsicherungsgesetz, das wir jetzt haben, geschlagen hat. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Und es ist die FPÖ, die in den Bundesländern, wo sie mitregiert, nicht in der Lage ist, die Spielräume zu nützen, die dieses Gesetz jetzt noch bietet, um Härten abzufedern. Sie ganz rechts müssen also von sozialer Politik nicht reden. Das ist einmal der erste Punkt. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Bundesrätin Neurauter.)

Der zweite Punkt: Da ja permanent festgehalten wird, dass alles zu wenig ist, dass das nur Einmalzahlungen sind, dass das keine Wirkung hat und zu spät ist, würde ich Ihnen jetzt gerne einmal erläutern, was die vielgescholtenen Einmalzahlungen, die ausbezahlt worden sind, für die Lebensrealität der Menschen bedeuten. Es ist in Wahrheit so, dass beispielsweise eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern 2 600 Euro bekommen hat. Das ist Geld, das sie dringend braucht, um die Miete bezahlen, Einkäufe erledigen, möglicherweise Kontorückstände abdecken zu können. Mindestpensionisten und Mindestpensionistinnen: detto.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute egal welcher Couleur und der Budgetdienst des Nationalrates haben festgestellt, dass die Kompensation der Teuerung jedenfalls bei den Pensionistinnen und Pensionisten, insbesondere bei jenen mit kleinen Pensionen, mehr ausgemacht hat als die Inflation. (Ruf bei der ÖVP: Genau! – Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Die Anpassung der Pension hat im letzten Jahr 5,8 Prozent betragen und wird im heurigen Jahr nahezu 10 Prozent betragen. Dazu kommen Einmalzahlungen, die an die Pensionistinnen und Pensionisten ausbezahlt worden sind.

Was noch dazukommt und was ja vergessen wird: Während etwa in Deutschland die Pensionshöhen und Nettoersatzraten deutlich geringer sind als in Österreich, muss in Deutschland 41 Jahre gearbeitet werden, um auf eine Pension zu kommen, die in etwa der Ausgleichszulage entspricht, die wir in Österreich haben. In Österreich sind es 21 Jahre. Ich würde also schon darum ersuchen, in Rufweite der Wahrheit zu bleiben, was die sozialen Notlagen angeht. (Bundesrat Spanring: Das ist aber nicht euer Verdienst und schon gar nicht von den Grünen!)

Noch ein Punkt zu dem Paket, das heute beschlossen wird: Der Regierung wurde oft vorgeworfen: Ihr seid nicht treffsicher, ihr macht inflationssteigernde Maßnahmen (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring), das hat alles keine Wirkung! – Mit den heute zu beschließenden Punkten setzen wir eine Maßnahme, die treffsicher ist und die ohne Antrag zur Auszahlung gelangt. Ich weiß schon, jetzt wird gesagt: Es sind nur 2 Euro pro Tag! Aber 60 Euro pro Kind und Monat sind für Familien, die in Armut leben, viel Geld, und sie werden davon zwei Jahre lang profitieren. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Gerdenitsch und Leinfellner.) Das ist keine Einmalzahlung, das ist eine strukturelle Hilfeleistung der Bundesregierung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die Valorisierung aller Familien- und Sozialleistungen, die wir seit 1. Jänner dieses Jahres haben, wollten sozialdemokratische Sozialminister über Jahre, Jahrzehnte durchsetzen, auch in Koalitionen. (Bundesrat Kornhäusl: Wir haben es gemacht! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau, wir haben es gemacht!) Wir haben sie hergebracht, und das hilft Familien und Kindern in diesem Land strukturell. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Weil wir wissen, dass die Notlagen groß sind, vor allem bei der Energie, beim Lebensmitteleinkauf und beim Wohnen, haben wir – und zwar auf meine Initiative hin – den Wohnschirm ins Leben gerufen und mit 164 Millionen Euro dotiert. Ich sage Ihnen dazu jetzt ein paar Zahlen: Bis zum heutigen Tag haben 9 500 Personen vom Wohnschirm profitiert – da wurde verhindert, dass es zu Delogierungen kommt – und über 12 000 Personen haben vom Energieschirm profitiert. Ausbezahlt wurden aus diesem Budget bis zum heutigen Tag 21 Millionen Euro. Das ist konkrete Hilfeleistung, das ist die Verhinderung von Stromabschaltungen, von Gasabschaltungen und von Delogierungen, allein mit dem Wohnschirm. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben die Abschöpfung der Übergewinne bei Energiekonzernen ins Leben gerufen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Lebensalltag. Bei mir waren in sehr kurzen Abständen drei Lobbyisten: aus der Pharmaindustrie, aus der Lebensmittelindustrie und aus der Stromindustrie. Alle drei haben sich darüber beklagt, wie schlecht die Regierung sie behandelt, wie schlecht die Maßnahmen, die wir getroffen haben, sind. Beim Lebensmitteleinzelhandel geht es ganz konkret um die Schärfung der Instrumente der Bundeswettbewerbsbehörde. Allein die Ankündigung, dass wir das machen, hat dazu geführt, dass die Verhandlungen zwischen Lebensmittelkonzernen und Erzeugern mittlerweile anders laufen (Bundesrat Spanring: Und warum steigen dann die Preise, Herr Minister? Warum steigen die Preise weiter?) und die Preise wieder ins Lot kommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Abschöpfung der Übergewinne bei den Stromkonzernen, meine Damen und Herren, hat dazu geführt, dass die Preise jetzt sinken. Ich habe über den Verein für Konsumenteninformation jedenfalls zwei namhafte Energiekonzerne – Wien Energie und EVN – geklagt, und beide werden in einen Vergleich eintreten, was dazu führt, dass im Bereich der Wien Energie Konsumentinnen und Konsumenten Rückerstattungen bekommen, weil hohe Strompreise zu Unrecht verrechnet worden sind. Dasselbe trifft auf die EVN zu. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, ich lasse mir viel vorwerfen, ich lasse mich für vieles kritisieren. Weil ja oft der Eindruck erweckt wird, man könne nur dann über soziale Fragen reden, wenn man aus Familien kommt, die das selbst erlebt haben: Mein Vater war Briefträger, wir waren eine Familie mit sechs Kindern, wir hatten kein Geld zu Hause. Ich habe 20 Jahre in der sozialen Arbeit gearbeitet, ich bin seit 30 Jahren in der Politik, und ich verwahre mich dagegen, dass der Eindruck erweckt wird – Herr Bundesrat Babler, das muss ich in Ihre Richtung sagen –, es gäbe einen Alleinvertretungsanspruch für soziale Politik. Das gibt es nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Babler.)

Ich nehme für mich in Anspruch, diese Sozialpolitik mit großer Ernsthaftigkeit und mit großem Kampfgeist zu vertreten. Dafür stehe ich, dafür stehe ich in der Bundesregierung, und dafür stehe ich für die Menschen in diesem Land. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. –Bundesrat Spanring: Davon haben wir dreieinhalb Jahre nichts gehört!)

11.30

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Kollegin.