11.31

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Morgen ist in Ostösterreich Zeugnistag. Viele Schüler:innen sind heute auf Ausflügen oder – ich glaube, diese Vorarlberger Gruppe – auf Wienwoche. Ich glaube, die meisten freuen sich auf die Sommerferien.

Für Familien und auch für Eltern sind neun Wochen Sommerferien tatsächlich schon ab Jänner sozusagen eine große Herausforderung. Wie möchte man neun Wochen Ferien der Kinder mit fünf Wochen Urlaub als berufstätiger Elternteil unter einen Hut bringen, wenn die fünf Wochen nicht sowieso schon für Herbstferien, Weihnachtsferien, Semesterferien, Osterferien, schulautonome Tage verbraucht sind? Das ist eine zeitliche Herausforderung, die Eltern tatsächlich ins Grübeln bringt.

Selbst wenn man versucht, diese neun Wochen irgendwie sinnvoll zu bewältigen, stellt sich die Frage: Wie kann man sich das leisten? Die Ferienzeit und die Ferienangebote sind tatsächlich in einem Preissegment, bei dem man ins Schwitzen kommt. Ich leite beispielsweise jede Woche eine Kindergruppe. Wir fahren jedes Jahr auf Sommerlager, und heuer habe ich von den 21 Kindern, die mit mir mitfahren, acht Kinder, die ohne finanzielle Unterstützung – da geht es zum Teil um den gesamten Betrag und teilweise um einen Teil des Betrages – nicht mitfahren könnten. Da müsste ich sagen: Ihr müsst zu Hause bleiben! – Das bringt man natürlich nicht übers Herz, aber das ist Tatsache, und da geht es um zwei von diesen neun Wochen, in denen die Kinder im Zweifelsfall nicht mitfahren könnten.

Herr Minister, ich weiß, Sie kennen dieses Phänomen, ich erwähne es trotzdem immer wieder: Kinder spüren, wenn die Eltern unter finanziellem Druck stehen, sie spüren diesen Stress und entwickeln Kompensationsleistungen, die sie im frühen Alter nicht erbringen müssen sollten, weil es beschämend ist – ich habe das vorhin schon unter dem Bildungsaspekt angesprochen –, dann unter denen zu sein, die nichts zu berichten haben, unter denen zu sein, die beschämt werden, weil sie keine tollen Urlaubsfotos und Berichte beizusteuern haben. Das möchten wir natürlich allen Kindern ersparen.

Ich habe eine Idee, mit der ich schon lange hausieren gehe: Gerade in diesem Feriensegment gab es früher Krankenkassenzuschüsse, die genau bei diesen Familien sehr wertvoll waren, um sich die Angebote leisten zu können. Die sind so gut wie überall nicht mehr vorhanden, und ich fände es zum Beispiel eine dauerhaft nachhaltige, tolle Investition, das wieder zu reaktivieren und diese Krankenkassenferien- , -urlaubszuschüsse wieder flächendeckend einzuführen. Das ist eine Idee, um strukturell aus diesem Problem herauszukommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich, wenn wir flächendeckend leistbare, günstige, möglichst kostenlose Ferienbetreuung, Ferienangebote hätten. Ich möchte da noch einmal die Summer-City-Camps in Wien erwähnen, weil sie wirklich beispielhaft auch für andere Bundesländer – und wir sind hier in der Länderkammer – wirken könnten. Mit 30 000 Plätzen in Wien nimmt Wien viel Geld in die Hand, um ein leistbares Angebot über den ganzen Sommer anzubieten. Eine Woche dieser Summer-City-Camps kostet 60 Euro, da ist Essen und alles inbegriffen. Das sind die 60 Euro, die jetzt quasi von der Bundesregierung mit diesem Paket pro Monat, pro Kind ausgegeben werden, da könnte man also eine von diesen vier Wochen im Monat bezahlen. Das ist aber ein günstiges Angebot. Es gibt viele Ferienangebote, die zwischen 200 und 400 Euro kosten, da geht sich mit diesen 60 Euro nicht mehr viel aus.

Unsere Kritik ist einfach das Verhältnis zwischen den aktuellen Preisen überall und dem, was den Familien angeboten wird. Da ist trotzdem eine Riesenkluft, die die Familien in Stress bringt, und das ist sozusagen der Grund, warum wir nicht zufrieden sind.

Die von mir sehr geschätzte Kollegin Jagl und auch Sie, Herr Minister, haben jetzt etwas angedeutet – das ist es, warum wir da so kritisch sind –: Wenn man den Berechnungen glaubt – und ich glaube, wir stellen das außer Frage –, wie viele Familien und wie viele Kinder nach wie vor armutsgefährdet und von Armut betroffen sind, dann ist das eine Tatsache, die man nicht wegargumentieren kann. Obwohl es so viele Leistungen gibt und obwohl so viele Maßnahmen ergriffen wurden – wir nehmen das ja wahr –, reicht es offensichtlich nicht, um diese Armut nachhaltig, strukturell massiv zu reduzieren. Sie haben sich als Bundesregierung ja vorgenommen, die Kinderarmut zu halbieren. Die Zahlen zeigen uns das aber nicht. Die Berechnungen, wie viele Familien, wie viele Kinder unter der Armutsgrenze leben müssen, zeigen uns nicht, dass das Wirkung zeigt und diese Zahlen nachhaltig zurückgehen. Darum können Sie nicht von uns verlangen, dass wir sozusagen zufrieden sind und sagen: Es passt alles!, sondern wir sind nach wie vor als Opposition an der Seite dieser Familien und Kinder und aufgefordert, dies aufzuzeigen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist sozusagen unsere DNA und auch unser Job, das zu tun. Ich glaube, das ist nachvollziehbar.

Ich muss wieder den Finger in eine Wunde legen – ich habe das schon das letzte Mal, bei der letzten Sitzung gemacht –: Diese EU-Kindergarantie hat ja genau dasselbe Ziel. Sie hat das Ziel, österreich- und europaweit Kinderarmut strukturell zu beseitigen, zu bekämpfen. Das ist wirklich eine wichtige Maßnahme, nur: Wer macht aktuell nicht mit? Wer ist säumig mit diesem Nationalen Aktionsplan, den wir in Europa vorlegen sollten? – Es ist Österreich, und es sind europaweit außer Österreich nur noch zwei andere Länder. Dafür geniere ich mich. (Bundesrat Schennach: Die Regierung muss sich genieren!) Ich weiß, ich habe es letztes Mal auch gesagt, ich hänge Ihnen das nicht um, weil ich weiß, die Grünen und Ihr Ministerium haben da einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, aber ich hänge es nach wie vor der ÖVP und dem Familienministerium, wo das jetzt liegt, um, weil diesen Maßnahmen nicht grünes Licht gegeben wird und ihr als ÖVP, als Familienministerium in Kauf nehmt, dass in diesem Bereich nichts weitergeht. Ihr lasst sozusagen die Ideen aus dem Sozialministerium liegen. Ich finde, das ist verwerflich, Sie sollten wirklich dringend überdenken, warum man das liegen lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Wort möchte ich noch zur Aktion Schulstartklar! verlieren: Ja, die Schulstartkosten sind hoch. Alle Eltern, alle Familien wissen, was da in Summe zusammenkommt, das ist wirklich erheblich, das sind viele Hundert Euro. Die AK hat auch das, was die Schulstartkosten betrifft, berechnet: Das ist wirklich hoch. Insgesamt sind Kosten für Bildung hoch, ein kostenloses Schulsystem haben wir schon lange nicht mehr. Es wurde vorhin schon erwähnt: alle Ausflüge, Schulsportwochen, Zusatzdinge, Schulmaterial – da geht es wirklich in viele Hundert Euro. Da kann man entgegenwirken, das tun einzelne Bundesländer wie Wien, indem man das Mittagessen zumindest in den Ganztagsschulen kostenlos macht (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl) oder andere strukturelle Maßnahmen setzt.

Diese finanziellen Hilfen zu Schulbeginn sind notwendig. Das, was ich an dieser Maßnahme wirklich nicht mag, ist die Vorstellung, dass Menschen aufgefordert werden, sich wo in einer Schlange anzustellen, um diesen Gutschein abzuholen, um ihn dann einlösen zu können. Wir haben mittlerweile Möglichkeiten, diese Dinge zuzustellen oder zu überweisen, um Menschen nicht in die Verlegenheit zu bringen, irgendwo in einer Straße in einer Schlange stehen zu müssen, um sich etwas abzuholen. Auch das ist Beschämung von armutsbetroffenen Familien, die man vermeiden könnte.

Auch wurde es leider verabsäumt, dieses 60-Euro-Paket für diese ganze Bezieher:innengruppe zu erweitern, obwohl sie es, wie wir wissen, dringend gebrauchen könnten und die Kinder zum Schulstart hätten gut ausgestattet werden können.

Zum Schluss möchte ich jetzt noch auf etwas eingehen, worauf uns Kollege Manfred Mertel immer wieder zu Recht hinweist: Wir dürfen die Generationenfrage nicht aus dem Blick verlieren, wir müssen den Generationenvertrag im Blick behalten.

Wir wissen, dass nicht nur die Kinderarmut, sondern auch die Armut bei der älteren Bevölkerungsgruppe ein großes Thema ist. Die steigenden Wohnkosten und die allgemeine Teuerung bekommen auch Pensionist:innen und Senior:innen heftig zu spüren. Wir finden, dass beide, die Omas und Opas wie auch die Enkelkinder, es sich verdient haben, ihr Leben sorgenfrei und unbeschwert verbringen zu können. Das ist für unsere Gesellschaft als Ganzes wichtig. Darum warten wir nach wie vor auf große Teuerungsbremsen und Mietpreisdeckel, die hier so wichtig wären.

Unter all diesen Aspekten und mit dieser Argumentation – ich hoffe, das war nachvollziehbar – können wir diesen nach wie vor unzureichenden Maßnahmen heute nicht zustimmen, weil damit die Armut nicht nachhaltig abgeschafft wird, obwohl es machbar und möglich wäre. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Heike Eder zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.