11.10

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Der vorliegende Gesetzesvorschlag setzt im Wesentlichen die neuen Bestimmungen der Wegekostenrichtlinie der Europäischen Union um.

Grundsätzlich sind die Ziele der neuen Wegekostenrichtlinie ja auch zu begrüßen, denn erstmals können Mitgliedstaaten beim Lkw-Verkehr Maßnah­men setzen, um die notwendige CO2-Reduzierung zu forcieren und um das Verkehrsaufkommen einzudämmen. Möglich wird das unter anderem durch einen CO2-Zuschlag, welcher maximal 200 Euro pro Tonne CO2 betragen darf.

Jetzt würde man annehmen, dass diese Bundesregierung unter grüner Regierungsbeteiligung – noch dazu, wo ja die Grünen das Ressort Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität et cetera innehaben – diese Chance auch nützt. Nein, Frau Ministerin, das tut diese Bundesregierung nicht. Stattdessen wird eine Regierungsvorlage präsentiert, mit der nicht einmal ein Wert von 70 Euro pro Tonne CO2 erreicht wird. Ich möchte noch einmal für alle festhalten: Möglich wären 200 Euro. Deutschland wird ab 1. Dezember diese möglichen 200 Euro auch einheben.

Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus der Stellungnahme der Abteilung Verfassungsdienst des Landes Tirol an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 13.9.2023 zu zitieren. Ich zitiere:

„Dem Grundgedanken des Verursacherprinzips folgend, sollten zur Herstellung von Kostenwahrheit sämtliche unionsrechtlich zulässige Regelungsmöglich­keiten ausgeschöpft werden.“ – Zitatende.

Geschätzte Frau Ministerin, weshalb schöpfen Sie die unionsrechtlich zulässigen Regelungsmöglichkeiten nicht aus? Ihr Gesetzesvorschlag ist sehr enttäuschend und liegt weit hinter den Tiroler Erwartungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Ministerin! Es geht vor allem um die Herstellung der so notwendigen Kostenwahrheit zwischen der Schiene und der Straße. Es geht darum, endlich eine Chancengleichheit zwischen dem Güterverkehr auf der Schiene und dem Güterverkehr auf der Straße zu gewährleisten. Diese Chancengleichheit ist durch den zu geringen CO2-Zuschlag und weitere Faktoren nicht gegeben.

In Tirol verlieren wir auf der Schiene, gerade im Einzelwagenladungsverkehr, kontinuierlich weiter an Tonnenkilometern. So verzeichneten wir im Vorjahr beim Güterumschlag auf der Schiene ein Minus von knapp 15 Prozent. Der Hauptanteil entfällt aber auf die Rollende Landstraße, auch RoLa genannt. Bei ihr brach der Güterumschlag um satte 21 Prozent ein. Der Modal Split – das ist nichts anderes als das Verhältnis zwischen Straße und Schiene – am Brenner ist neuerlich am Sinken. Verfügbare Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen ein Straße-zu-Schiene-Verhältnis von 73 zu 27 Prozent. Im Jahr 2022 hatten wir in Tirol über zweieinhalb Millionen Transit-Lkws am Brenner. Das entspricht einem Plus von 2 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entwicklung ist gerade für Tirol katastrophal, vor allem, wenn ich an die anstehende Sanierung der Luegbrücke denke, und die Schmerzgrenze der Bevölkerung ist ja jetzt schon erreicht.

Frau Ministerin, derzeit liegt ja der Modalanteil im Schienengüterverkehr bei rund 28 Prozent. Gemäß Ihrem Masterplan Güterverkehr 2030 möchten Sie einen Modalanteil von bis zu 40 Prozent erreichen, was ich irrsinnig begrüße, aber dafür bräuchte es dringend umfangreichere Maßnahmen. Allein mit der derzeitigen Schienengüterverkehrsproblematik bei den ÖBB droht uns eine Verlagerung der Güter von der Schiene auf die Straße von etwa 500 000, also einer halben Million Lkws. Wir sprechen hier von einer CO2-Emission im sechsstelligen Tonnenbereich.

Frau Ministerin, ich denke, all das wissen Sie. Sie wissen das und lenken meines Erachtens nicht richtig oder nicht im richtigen Ausmaß dagegen.

Wir verschenken bei gleichbleibendem Verkehr bis 2026 1,4 Milliarden Euro an mehrheitlich ausländische Unternehmen, denn zwei Drittel aller Lkw-Kilometer stammen von ausländischen Frächtern, und das nur, weil Österreich den unionsrechtlichen Handlungsspielraum nicht maximal ausnützt. Mit diesen Milliardenbeträgen könnten wir beispielsweise eine Verlade­förderung etablieren und Güter von der Straße auf die Schiene verlagern. Wir könnten die Logistikketten wieder österreichischer und auch ökologischer machen.

Stattdessen – seien Sie mir jetzt nicht böse, Frau Ministerin – habe ich das Gefühl, dass Sie einen Kniefall vor der Frächterlobby machen. (Beifall bei der SPÖ.) Und Sie unterminieren gerade die von der Tiroler Landesregierung bereits gesetzten Maßnahmen. Ich behaupte mal, Ihre Parteikolleginnen und Partei­kollegen von den Tiroler Grünen freuen sich auch nicht sehr darüber.

Ich frage Sie: Wie wollen Sie denn so sicherstellen, dass eine umfangreiche Verlagerung von der Straße auf die Schiene langfristig überhaupt gelingen kann? Welche Schritte werden Sie Ihrerseits setzen, um die Tiroler Bevölkerung endlich vor der so unerträglichen Verkehrslawine zu schützen?

Die vorliegende Einigung zur Wegekostenrichtlinie ist für mich, ist für das Bundesland Tirol enttäuschend. Namhafte Experten wie zum Beispiel der Europarechtsexperte Walter Obwexer und andere sehen durch diese Novelle eine zunehmende Verkehrsbedrohung für das Bundesland Tirol und die Benachteiligung des Schienengüterverkehrs.

Tirol muss die heimische Bevölkerung schützen, da darf es keinen Handlungs­spielraum geben. Es ist höchst an der Zeit, dass gerade bei der Tiroler Transitproblematik entschlossene Maßnahmen getroffen und gleichzeitig rote Linien gezogen werden, denn es geht um die Gesundheit der Tirolerinnen und der Tiroler, der Österreicherinnen und Österreicher.

So sieht eine Verkehrspolitik mit Weitsicht definitiv nicht aus. Daher werde ich gemeinsam mit den Genossinnen und Genossen im Sinne der verkehrsgeplagten Menschen in unserem Land, im Sinne der Tirolerinnen und Tiroler den vorliegenden Gesetzesvorschlag, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden, ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.