11.21

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Verkehr ist wohl eines der emotionalsten Themen, aber nicht nur das, es ist auch quantitativ in vielerlei Hinsicht tatsächlich von herausragender Bedeutung. Eine der ganz großen Aufgaben, vor denen wir stehen – das wissen jedenfalls die meisten hier herinnen – und an deren Bewältigung wir arbeiten, ist die Herausforderung Klimaschutz, ist das Ziel Klimaneutralität und somit gleichzeitig die Heraus­forderung, den gesamten Verkehr emissionsfrei zu gestalten, sich von Benzin und Diesel zu verabschieden. Bezogen auf die gesamten CO2-Emissionen in Österreich zeichnet der Verkehr für knapp 28 Prozent verantwortlich; nimmt man da den Emissionshandel der großen Industrie, der in Brüssel europaweit geregelt wird, heraus, sind es 44 Prozent. 44 Prozent Anteil hat der Verkehr an den gesamten Emissionen! Das zeigt schon sehr eindeutig die Relevanz des Sektors, und an einer entsprechenden Verkehrspolitik führt natürlich kein Weg vorbei.

Einmal mehr möchte ich einleitend herausheben: Es geht in der Verkehrspolitik um eine gesamte Mobilitätswende. Es geht nicht nur – „nur“ jetzt unter Anführungszeichen – um den Austausch einer Antriebstechnologie, auch wenn das manche, vor allem in der Autoindustrie, gerne so sehen würden, sondern es geht um eine grundlegende Veränderung des Mobilitätsverhaltens, es geht darum, die Infrastrukturen und die Preisstrukturen zu verschieben. Der Modal Split muss sich massiv zugunsten des Aktivverkehrs und des öffentlichen Verkehrs verändern, im privaten Bereich und natürlich auch auf der Schiene, und das eben auch im Sinne einer leistbaren Mobilität – es gibt nämlich sehr viele Menschen, die kein Auto haben und sich kein Auto leisten können (Ruf bei der FPÖ: Dank euch, ja!), in der unteren Einkommensgruppe hat rund die Hälfte der Menschen keines – und im Sinne einer hohen Lebensqualität für alle.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist eben genau die Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene – da sind wir uns hoffentlich ja alle einig, obwohl ich da Zweifel habe, aufgrund von Widersprüchlichkeiten –, und ein wichtiger Maßstab, wenn im Gütertransport entschieden wird, welches Verkehrsmittel gewählt wird, sind die Kosten. Wir wissen aber alle, dass nach wie vor keine Wettbewerbsgleichheit zwischen Straße und Schiene besteht; nach wie vor sind die verursachten Kosten des Lkw-Verkehrs, übrigens auch des Pkw-Verkehrs, nicht hinreichend in die Preise eingerechnet. Es geht dabei um mehr als nur nackte Zahlen: Es ist nicht lustig, an Autobahnen zu wohnen, es ist nicht lustig, an stark befahrenen Straßen zu wohnen. Auch das betrifft vor allem wieder jene Menschen, die ein nicht so dickes Bankkonto haben – die wohnen an den Straßen; die anderen können sich ja irgendwo anders eine Wohnung oder ein Haus leisten. Es geht bei diesen Maßnahmen also auch um Lebensqualität und es geht um soziale Gerechtigkeit. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Gfrerer.)

Mit dem vorliegenden, hier diskutierten Paket machen wir einen weiteren wichtigen Schritt: Neben den zwei bisherigen Säulen des Mautsystems für den Lkw-Verkehr – das sind die Kostenanteile für die Finanzierung der Infra­struktur und die Abgeltung von Lärm und Luftverschmutzung – fügen wir jetzt mit der CO2-Bemautung eine dritte Säule hinzu und leisten damit einen wirklich sehr, sehr wichtigen Beitrag in Richtung Ökologisierung und zu einem fairen Wettbewerb, also gegen die Benachteiligung der Schiene.

Wer kein CO2 emittiert, also etwa batteriebetriebene Lkws oder auch Wasserstoff-Lkws, bezahlt diesen Teil auch nicht. Das ist natürlich ein weiterer Anreiz für Unternehmer, auf emissionsfreie Antriebe umzusteigen. Da tut sich übrigens wahnsinnig viel.

Ich möchte auch in Richtung des Kollegen, der vorhin gesprochen hat, anmerken: Es ist schon mutig, da jetzt irgendwie vorzuwerfen, es geschehe beim Schienenausbau zu wenig. Schauen Sie doch auf die Zahlen! Wenn Sie sich die Rahmenpläne und die Mittel für die Rahmenpläne für den Schienenausbau anschauen, dann werden Sie feststellen: Die in der Zeit, seit wir in der Regierung sind, ausgewiesenen Mittel sind mit Abstand die höchsten, die jemals in den Ausbau des Schienenverkehrs investiert wurden und weiterhin werden. (Beifall bei den Grünen.)

Trotzdem ist natürlich, und das leider sicher noch viele Jahre, eine ganze Reihe von Gemeinden besonders stark von der hohen Verkehrsbelastung an den Autobahnen betroffen – das betrifft vor allem die sogenannten Sondermaut­strecken, das sind die Arlbergstrecke, die Brennerstrecke, die Pyhrn-Autobahn, Tauern-Autobahn, Karawanken-Autobahn, also die am stärksten befahrenen Strecken –, und um diesen Kommunen noch besser zu helfen, wird die Lebensverbesserungsabgabe der Asfinag von 1 Prozent auf 3 Prozent ange­hoben, das wäre nach Adam Riese also eine Verdreifachung. Dieses Geld wird via Länder den betroffenen Gemeinden zugeteilt, und zwar zweckgebunden – zweckgebunden für Umweltmaßnahmen wie vor allem natürlich Lärmschutz, aber auch zum Ausbau des Radwegenetzes können die Mittel eingesetzt werden.

Es geht hier gleichzeitig um ein übergeordnetes Konzept, das vorsieht, mit Einnahmen von der Straße – und ich betone noch einmal, dass die Autos und die Lkws zu einem großen Teil ihre Kosten nicht bezahlen, das sind übrigens pro Jahr in Österreich um die 10 Milliarden Euro – auch mehr Kostenwahrheit herzustellen und im Gegenzug den ÖV, den Aktivverkehr und den Schienen­ver­kehr zu unterstützen. Das passiert übrigens auch mit den Gesetzen – wie Sie wissen, wenn Sie sich diese angeschaut haben –, die heute zur Beschlussfassung anstehen.

Zum Schutz der Anrainer:innen zählt aus meiner Sicht auch die Einführung der Eintagesvignette. Damit kann – so jedenfalls die berechtigte Annahme – ein deutlicher Beitrag zur Reduktion des Mautfluchtverkehrs geleistet werden, und sie hilft somit übrigens auch der Freihaltung von Straßen für den lokalen Verkehr.

Aus sozialpolitischen Gründen wurde entschieden, den Preis der Vignette für Pkws im Jahr 2024 nicht zu erhöhen. Das kann man jetzt klimapolitisch bedauern, aber es zeigt, dass hier offensiv Rücksicht auf die schwierige Gesamt­situation vieler Bürger:innen genommen wird, und es ist auch ein kleiner Beitrag, die Inflation nicht weiter anzutreiben.

Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt, der ja im Vorfeld intensiv diskutiert wurde und jetzt auch wieder von Kollegen Schmid angesprochen wurde, betreffend Lkw-Maut, nämlich dass diese nicht angehoben würde und so weiter, was ja alles nicht stimmt, denn entscheidend ist für die Betroffenen natürlich die Gesamtsumme – nur um die geht es, und die ist im Auge zu behalten. Tatsächlich wird die Inflationsanpassung bei der Lkw-Maut einmalig ausge­setzt – das ist richtig –, eingeführt wird aber bekannterweise inzwischen sehr wohl die CO2-Abgabe. Das führt zum Beispiel auf der Transitstrecke Nummer eins, dem Brenner, zu einer Erhöhung von 5,5 Prozent nächstes Jahr, 2025 werden es 10 Prozent sein. Den zulässigen Spielraum der Wegekostenrichtlinie schöpfen wir übrigens zu 70 Prozent aus, und wir liegen damit, dies sei nebenbei erwähnt, weit über dem Niveau Deutschlands: Dort beträgt die Lkw-Maut – die Frau Ministerin hat es in der Fragestunde erwähnt – derzeit 19 Cent, bei uns 44; und mit der nunmehrigen Anhebung sind wir bei 47 und die deutschen Freunde bei 34 Cent, was also immer noch 30 Prozent darunter liegt.

Insofern ist es ein bisschen abenteuerlich, was die SPÖ da sagt. Übrigens: Vorgestern im Verkehrsausschuss hat Kollege Schmid eine ähnliche Rede gehalten, und Kollege Mertel von der SPÖ hat dann den Vorwurf erhoben, diese CO2-Maut sei einfach nur Geldbeschaffung. Das finde ich schon spannend. (Bundesrat Mertel schüttelt den Kopf. – Bundesrat Steiner: Das stimmt ja auch, da hat der Kollege Mertel recht! Bravo, Kollege Mertel, bravo!) – Doch, doch, das hast du gesagt, es sei eine Geldbeschaffungsmethode. – Also ich wäre sehr dafür, dass sich die SPÖ einmal intern selber verständigt (Widerspruch bei der SPÖ), welche Politik sie da verfolgen will. (Bundesrätin Grimling: ... budgetieren!) Wisst ihr, ich ärgere mich tatsächlich schon ein bisschen.

Wie soll ich es sagen? – Ich sage es jetzt einmal höflich: Ich tue mir schwer, euren Einsatz für den Klimaschutz wirklich zu glauben. (Bundesrätin Hahn: Wie ist das mit der Koalition mit der ÖVP, wenn man seine eigenen Vorhaben ...? – Bundesrätin Schumann: ... Klimaschutzgesetz ...!) Es ist einfach keine glaubwürdige Aufregung. Beim Einfrieren des Vignettenpreises zum Beispiel habt ihr euch nicht echauffiert, denn da traut ihr euch nicht. (Ruf bei der SPÖ: ... Klimaschutz­gesetz! – Bundesrätin Schumann: Ja, und ihr traut euch nicht, gegen die ÖVP zu agieren!) Auch dort sind die Kosten nicht eingepreist, was Kollege Schmid so betont hat: Die Kostenwahrheit sei so wichtig. Diese ist dort genauso nicht vorhanden, aber da traut ihr euch nicht! (Bundesrätin Schumann: Geh bitte! Entschuldigung, ... ÖVP ...!) Bei den Lkws, da traut ihr euch heraus. Man könnte dort aber auch sagen, die Kosten werden dann nur umgelagert. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Und übrigens: Es gilt dann für alle Lkws und nicht nur für die Lkws auf der Brennerstrecke.

Noch einmal – weil ich es ärgerlich finde, weil es nicht stimmt –: Der Frau Ministerin irgendwie mangelndes Engagement zu unterstellen, sie würde Tirol bei den Aktivitäten, den Verkehr am Brenner einzudämmen, nicht unterstützen, das entbehrt ja nun wirklich jeder Grundlage! (Beifall bei den Grünen.)

Auch die FPÖ wird dagegenstimmen. Sie hat in der Fragestunde den Schwerverkehr beklatscht, stimmt aber dann gegen eine CO2-Bemautung, die die Gesamtkosten erhöht. Gut, bei euch bin ich es gewöhnt, dass es nicht konsistent ist (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), aber ihr könntet ja trotzdem einmal darüber nachdenken, welchen Strang der Argumentation ihr jetzt eigentlich verfolgen wollt.

Zurück zum Inhalt der Gesetze: Eine weitere Möglichkeit, einzusparen, übrigens auch im Sinne der Autofahrerinnen und Autofahrer: Es wird eine Möglichkeit geschaffen, bei Fahrzeug- oder Kennzeichenwechsel die Vignette immer mitzu­neh­men. Das hat es vorher nicht gegeben, das wird jetzt möglich sein. Auch das, denke ich, ist für manche Menschen ein durchaus relevanter Bei­trag.

Last, but not least: Im dritten Gesetz wird die Errichtung von Fotovoltaikanlagen entlang von Bundesstraßen und vor allem Autobahnen erleichtert, indem Fotovoltaikanlagen, wenn sie in der Nähe dieser Straßen sind, als Teil der Straße definiert werden. Das wiederum erleichtert dann den ganzen Genehmigungs­vorgang, um Fotovoltaikanlagen zu errichten.

Unserer Meinung nach ist es insgesamt also ein guter Tag auf dem Weg zur Klimaneutralität, ein guter Tag auf dem Weg zu einer leistbaren und sozial gerechteren Mobilität. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.33

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.