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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

959. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 8. November 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

959. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 8. November 2023

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 8. November 2023: 9.01 – 21.06 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden

5. Punkt: 46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Stiftung Forum Verfassung“ geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird


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8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Öster­reichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz – Ehren­zeichenG) erlassen wird und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden

11. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik der Philippinen und der Tunesischen Republik zum Übereinkom­men über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeß­ordnung 1975, das Kommunikationsplattformen-Gesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung hinsichtlich der Vergütung für Leistungen der Gerichtsvollzieher geändert wird (Gerichts­vollzieher-Vergütungs-Novelle 2023 – GVV-Nov 2023)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (Kraftfahr-Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2023 – KraftVerÄG 2023)


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15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Anstellungserfordernisse-Grundsatz­gesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschüler­schaftsgesetz 2014 geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – (G-ZG) geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) erlassen und das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG), das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), das Tierärztegesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2005, das Biozidprodukte­gesetz, das Chemikaliengesetz 1996 (ChemG 1996), das Patentgesetz 1970, das Apothekengesetz, das Tierschutzgesetz (TSchG) das Tierärztekammergesetz (TÄKamG), das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneibuchgesetz 2012 geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird

24. Punkt: Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 4

Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. Dezember 2010 geänderten Fassung

25. Punkt: Zweites Protokoll zu dem am 21. September 2006 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und Neuseeland auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

26. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Terrors in Israel .............................................     21

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens der ehemaligen Bundesratspräsidenten Helmut Kritzinger und Gregor Hammerl ......................     22

Schreiben des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates .................     89

Schreiben des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates .................     93

Angelobung der Bundesräte Philipp Kohl und Günther Ruprecht ......................     23

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA ...............................  379


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Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ........................  380

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     21

Fragestunde (175.)

Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie .......     24

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (1943/M-BR/2023); Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Stefan Schennach, Andreas Arthur Spanring

Markus Stotter, BA (1944/M-BR/2023); Daniel Schmid, Christoph Steiner, MMag. Elisabeth Kittl, BA

Horst Schachner (1950/M-BR/2023); Philipp Kohl, Markus Leinfellner, Claudia Hauschildt-Buschberger

Michael Bernard (1948/M-BR/2023); Ferdinand Tiefnig, Christian Fischer, Simone Jagl

Elisabeth Wolff, BA (1945/M-BR/2023); Mag. Sandra Gerdenitsch, Günter Pröller, Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber

Mag. Bettina Lancaster (1951/M-BR/2023); Johanna Miesenberger, Markus Leinfellner, Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky

Markus Steinmaurer (1949/M-BR/2023); Horst Schachner, Marco Schreuder

Ing. Isabella Kaltenegger (1946/M-BR/2023); Michael Wanner, Klemens Kofler, Claudia Hauschildt-Buschberger

Daniel Schmid (1952/M-BR/2023); Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Michael Bernard, MMag. Elisabeth Kittl, BA


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 6

Sandra Lassnig (1947/M-BR/2023); Stefan Schennach, Mag. Isabella Theuermann, Simone Jagl

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitglieds der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ........................................................................................................................     96

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     97

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  86, 380

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden (2204 d.B. und 2251 d.B. sowie 11333/BR d.B.) .......................................................................................................     97

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................     98

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird (3535/A und 2252 d.B. sowie 11334/BR d.B.) ..................................................................     97

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................     98

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (3536/A und 2253 d.B. sowie 11335/BR d.B.) ..................................................     98


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 7

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................     98

Redner:innen:

Daniel Schmid ..........................................................................................................     99

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  102

Michael Bernard .......................................................................................................  108

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  112

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  114

Christoph Stillebacher .............................................................................................  117

Markus Leinfellner ...................................................................................................  120

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  121

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  121

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  122

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden (3531/A und 2239 d.B. sowie 11309/BR d.B. und 11317/BR d.B.) .......................................................................................................  122

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .....................................................  122

Redner:innen:

Michael Bernard .......................................................................................................  123

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  125

Alexandra Platzer, MBA ..........................................................................................  130

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  131


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 8

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  134

Mag. Christian Buchmann .......................................................................................  137

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................  139

5. Punkt: 46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022) (III-820-BR/2023 d.B. sowie 11320/BR d.B.) .........................................  140

Berichterstatterin: Simone Jagl .............................................................................  140

Redner:innen:

Barbara Prügl ...........................................................................................................  141

Günter Kovacs ..........................................................................................................  144

Markus Steinmaurer ................................................................................................  147

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz ........................................................................  148

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz ......................................................................  153

Volksanwältin Gabriela Schwarz ............................................................................  158

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  161

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinder- und Jugendhilfe evaluieren und weiter­ent­wickeln“ – Ablehnung ...........................................................................  146, 166

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-820-BR/2023 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ............................................................  165

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Stiftung Forum Verfassung“ geändert wird (3622/A und 2220 d.B. sowie 11308/BR d.B. und 11326/BR d.B.) ...............................................................................................  166

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  166


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 9

Redner:innen:

Klara Neurauter .......................................................................................................  167

Michael Wanner .......................................................................................................  168

Klemens Kofler .........................................................................................................  170

Marco Schreuder ......................................................................................................  171

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  173

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird (2206 d.B. und 2221 d.B. sowie 11327/BR d.B.) ......................  173

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  173

Redner:innen:

Matthias Zauner ......................................................................................................  174

Korinna Schumann ..................................................................................................  177

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  179

Marco Schreuder ......................................................................................................  185

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  190

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  193

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehren­zeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz – EhrenzeichenG) erlassen wird und das Militäraus­zeichnungsgesetz 2002 geändert wird (2197 d.B. und 2222 d.B. sowie 11328/BR d.B.) .......................................................................................................  193


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 10

Berichterstatterin: Sandra Lassnig ........................................................................  193

Redner:innen:

Markus Leinfellner ...................................................................................................  194

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  195

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................  197

Marco Schreuder ......................................................................................................  200

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  203

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  205

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  207

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (3623/A und 2219 d.B. sowie 11329/BR d.B.) ...................  207

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  208

Redner:innen:

Sandra Lassnig .........................................................................................................  208

Stefan Schennach ....................................................................................................  210

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................  210

Marco Schreuder ......................................................................................................  211

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  212

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertrags­bedienstetengesetz 1948 geändert werden (3314/A und 2218 d.B. sowie 11330/BR d.B.) .......................................................................................................  212


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 11

Berichterstatter: Marco Schreuder ........................................................................  213

Redner:innen:

Günter Pröller ...........................................................................................................  213

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................  216

Elisabeth Grimling ....................................................................................................  219

Marco Schreuder ......................................................................................................  220

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ............................................................................  222

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  225

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik der Philippinen und der Tunesischen Republik zum Überein­kommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (2135 d.B. und 2259 d.B. sowie 11321/BR d.B.) ...............................................  225

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  225

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  226

Klara Neurauter .......................................................................................................  228

Stefan Schennach ....................................................................................................  229

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  232

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßord­nung 1975, das Kommunikationsplattformen-Gesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden (2208 d.B. und 2260 d.B. sowie 11322/BR d.B.) .......................................................................................................  233

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  233


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 12

Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  233

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................  236

Stefan Schennach ....................................................................................................  239

Andreas Arthur Spanring ........................................................................................  242

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  248

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“ – Ablehnung ..  246, 251

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  251

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung hinsichtlich der Vergütung für Leistungen der Gerichtsvollzieher geändert wird (Gerichtsvoll­zieher-Vergütungs-Novelle 2023 – GVV-Nov 2023) (2209 d.B. und 2261 d.B. sowie 11307/BR d.B. und 11323/BR d.B.) .......................................  251

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  252

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  252

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verkehrsopfer-Entschädigungs­gesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (Kraftfahr-Versiche­rungsrechts-Änderungsgesetz 2023 – KraftVerÄG 2023) (2198 d.B. und 2262 d.B. sowie 11324/BR d.B.) ..........................................................................  253

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................  253


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 13

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  254

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 geändert wird (3523/A und 2263 d.B. sowie 11325/BR d.B.) .........................  254

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  254

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  255

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz geändert wird (2203 d.B. und 2211 d.B. sowie 11318/BR d.B.) ......................  255

Berichterstatterin: Klara Neurauter ......................................................................  255

Redner:innen:

Margit Göll ...............................................................................................................  256

Mag. Sandra Gerdenitsch ........................................................................................  259

Günter Pröller ...........................................................................................................  261

Simone Jagl ...............................................................................................................  263

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  267

Korinna Schumann ..................................................................................................  268

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  270

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (2200 d.B. und 2212 d.B. sowie 11319/BR d.B.) ...............................................  270

Berichterstatterin: Barbara Prügl ..........................................................................  270


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 14

Redner:innen:

Margit Göll ...............................................................................................................  271

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  273

Klemens Kofler .........................................................................................................  278

Simone Jagl ...............................................................................................................  279

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  282

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  284

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschüler­schaftsgesetz 2014 geändert wird (2201 d.B. und 2227 d.B. sowie 11332/BR d.B.) .......................................................................................................  284

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ................................................................  284

Redner:innen:

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................  285

Bernadette Geieregger, BA .....................................................................................  286

Doris Hahn, MEd MA ...............................................................................................  288

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  290

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  293

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ....................................................................  296

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  298

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­versicherungs­gesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Beamten-


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 15

Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (3533/A und 2241 d.B. sowie 11305/BR d.B. und 11313/BR d.B.) ...............  298

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  299

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2242 d.B. sowie 11306/BR d.B. und 11314/BR d.B.) ......................................  298

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  299

Redner:innen:

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................  300

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  302

Mag. Franz Ebner .....................................................................................................  304

Korinna Schumann ..................................................................................................  307

Markus Steinmaurer ................................................................................................  312

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  314

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................  318

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ – Ablehnung ......................................................................  313, 321

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ..........................  320

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  321


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 16

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – (G-ZG) geändert wird (2207 d.B. und 2225 d.B. sowie 11315/BR d.B.) ......................  322

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  322

Redner:innen:

Günter Pröller ...........................................................................................................  322

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  325

Heike Eder, BSc MBA ...............................................................................................  326

Günter Kovacs ..........................................................................................................  328

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  330

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“ – Ablehnung ...........................................................  324, 332

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  332

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) erlassen und das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungs­sicherheitsgesetz (GESG), das Lebensmittelsicherheits- und Ver­braucherschutzgesetz (LMSVG), das Tierärztegesetz, das Arznei­waren­einfuhrgesetz 2005, das Biozidproduktegesetz, das Chemikalien­gesetz 1996 (ChemG 1996), das Patentgesetz 1970, das Apothekengesetz, das Tierschutzgesetz (TSchG) das Tierärztekammergesetz (TÄKamG), das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneibuchgesetz 2012 geändert werden (2210 d.B. und 2226 d.B. sowie 11316/BR d.B.) ...............................................  332

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  333


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 17

Redner:innen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  334

Johanna Miesenberger ............................................................................................  336

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  340

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  342

Christoph Steiner .....................................................................................................  344

Ferdinand Tiefnig .....................................................................................................  349

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  351

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird (2205 d.B. und 2264 d.B. sowie 11331/BR d.B.) ..................................................................  351

Berichterstatter: Markus Stotter, BA ....................................................................  351

Redner:innen:

Mag.a Claudia Arpa .................................................................................................  352

Viktoria Hutter .........................................................................................................  354

Michael Bernard .......................................................................................................  358

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  364

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ......................................................  365

Silvester Gfrerer .......................................................................................................  369

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................  373

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“ – Ablehnung ..............................................................  363, 375

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  374

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 18

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. Dezem­ber 2010 geänderten Fassung (2180 d.B. und 2233 d.B. sowie 11310/BR d.B.) .......................................................................................................  375

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  376

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Zweites Protokoll zu dem am 21. September 2006 in Wien unter­zeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und Neuseeland auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (2188 d.B. und 2234 d.B. sowie 11311/BR d.B.) ...............................................  375

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  376

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer­umgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (2196 d.B. und 2235 d.B. sowie 11312/BR d.B.) ......  375

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................  376

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 24, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  377

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 25, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 19

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  378

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 26, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen .....................................  379

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesrät:innen

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafbarkeit der Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormund bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen (FGM/C) (401/A(E)-BR/2023)

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis Mittagessen für Kinder an Kindergärten und Schulen (402/A(E)-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflege und Betreuung ist Schwerarbeit (403/A(E)-BR/2023)

Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Echte Bekämp­fung von Kinderarmut statt Burger-Verhöhnung (404/A(E)-BR/2023)

Anfragen der Bundesrät:innen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Eisenbahnkreuzungen in der Steiermark (4126/J-BR/2023)

Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungsverfahren gegen Grazer KFG-Gemeinderat Michael Winter (4127/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 20

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Neubau der Kaserne Bolfras in Mistelbach (4128/J-BR/2023)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ausbau des Angebots höherer Schulen in Ballungszentren (4129/J-BR/2023)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen (3813/AB-BR/2023 zu 4116/J-BR/2023)


 


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 21

09.01.37Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag.a Claudia Arpa, Vizepräsidentin Margit Göll, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA.

09.01.38*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Einen wunderschönen guten Morgen! Ich eröffne die 959. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 958. Sitzung des Bundesrates vom 5. Oktober 2023 ist aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Marlies Doppler und Andrea Michaela Schartel.

Ich begrüße Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße auch den Bundesratspräsidenten außer Dienst Edgar Mayer. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.02.24Trauerkundgebung anlässlich des Terrors in Israel


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu Beginn der Sitzung im Sinne der in der Präsidialkonferenz getroffenen Vereinbarung ein paar Gedanken zu den erschütternden Ereignissen in Israel an Sie richten.

Der unglaublich grausame Terrorangriff der radikalislamischen Hamas auf den israelischen Staat am Morgen des 7. Oktober, dem so viele Menschen zum Opfer gefallen sind, zeigt einmal mehr die ganze Menschenverachtung des Terrorismus. Dieser Angriff war auch ein Angriff auf die Wertegemeinschaft der gesamten freien Welt mit unserer demokratischen Grundordnung.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 22

Die Hamas trägt für diese schrecklichen Ereignisse die Verantwortung – jene Terrororganisation, die nun Palästinensern und Palästinenserinnen die Ausreise verwehrt und verschleppte Geiseln und die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Der österreichische Bundesrat verurteilt den Terrorangriff auf den israelischen Staat auf das Schärfste, steht klar an der Seite Israels und fordert daher die unverzügliche Freilassung aller Geiseln. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, dass wir in Gedanken bei allen Opfern, bei deren Angehörigen und Freunden sind. Ich darf Sie daher bitten, sich im stillen Gedenken an all die Opfer zu einer Trauerminute von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Vielen Dank, bitte nehmen Sie wieder Platz! (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.04.09Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens der ehemaligen Bundesratspräsidenten Helmut Kritzinger und Gregor Hammerl


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir haben zudem auch traurige Nachrichten für die Länderkammer über das Ableben der ehemaligen Präsidenten des Bundes­rates Helmut Kritzinger und Gregor Hammerl erhalten.

Der österreichische Bundesrat verliert mit dem ehemaligen Präsidenten Kritzinger einen über alle Parteigrenzen hinweg äußerst geachteten und verdienstvollen Politiker, dem sein Einsatz für Südtirol und die Senioren und Seniorinnen seines Heimatbundeslandes stets ein besonderes Anliegen war.

Mit dem Präsidenten des Bundesrates außer Dienst Gregor Hammerl ist ein beeindruckender Politiker von uns gegangen, der mit großer sozialer Kompetenz die Verantwortung für die Menschen in seiner steirischen Heimat getragen und hierbei auch jenen seine Stimme geliehen hat, deren Stimme in unserer Gesell­schaft vielfach zu leise ist, um gehört zu werden.

Der österreichische Bundesrat dankt, der österreichische Bundesrat gedenkt ihrer.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 23

Ich darf Sie daher bitten, sich im stillen Gedenken an die verstorbenen ehe­maligen Präsidenten des Bundesrates zu einer Trauerminute von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Vielen Dank, bitte nehmen Sie wieder Platz! (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.05.37Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Eingelangt sind die Schreiben

des Steirischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates und

des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates. (siehe S. 89)

Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführer Silvester Gfrerer: Allseits einen schönen guten Morgen!

„Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Gfrerer leisten die Bundesräte Philipp Kohl und Günther Ruprecht die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzliche Gratulation und herzlich willkommen im Bundesrat!



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 24

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Auch ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

09.07.43Fragestunde


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Ich darf Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler sehr herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen.

Bevor ich jetzt, um 9.07 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidentinnen auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde, um die Behand­lung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen.

Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, 1943/M-BR/2023. Wir haben vereinbart, dass die Fragesteller zum Pult nach vorne gehen und warten, bis die Frage beantwortet ist. Das gilt auch für die Zusatzfragen.

Ich bitte nun den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, um die Verlesung der Frage. – Bitte. 09.08.47


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Guten Morgen, Frau Ministerin! Die erste Frage ist:

1943/M-BR/2023

„Welche Strategien verfolgt das BMK zum schnellstmöglichen Ausstieg vor allem aus russischem Erdgas?“



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 25

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Ich freue mich auf die heutige Fragestunde im Bundesrat.

Zu Beginn des russischen Krieges in der Ukraine betrug die Abhängigkeit von russischen Gasversorgern etwa 80 Prozent; das ist mittlerweile eine sehr bekannte Zahl in Österreich. Wir haben die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen im Lauf des Krieges und im Lauf dieser Krise durch umfassende Maßnahmen der Bundesregierung bereits stark reduzieren können; von August 2022 bis Juli 2023 betrug der Anteil der russischen Pipelinelieferungen an den österreichischen Gasimporten im Schnitt 50 Prozent. Nur damit hier ja keine Missverständnisse aufkommen: Das ist natürlich nach wie vor zu hoch. Wir müssen auch der Wahrheit ins Auge sehen: Jeder Kubikmeter Gas, den wir von Russland beziehen, finanziert auch den Angriffskrieg in der Ukraine mit.

Der Ausstieg aus russischem Gas hat daher bei der Herstellung von Energie­sicherheit für Österreich höchste Priorität. Folgende Maßnahmen haben wir bereits getroffen: das Gasdiversifizierungsgesetz, mit dem die Kosten für Lieferung und Einsatz von Erdgas aus nichtrussischen Quellen gefördert werden; wir unterstützen die Teilnahme österreichischer Unternehmen an der EU Energy Platform, dem gemeinsamen Gaseinkauf; heute im Anschluss diskutieren Sie im Plenum des Bundesrates die fünfte GWG-, also Gaswirtschaftsgesetz-Novelle seit Beginn des russischen Angriffskriegs, die wieder Diversifizierungs­anreize enthält, und natürlich geht es auch um den Ausbau der Gasinfra­struktur.

Natürlich, und das möchte ich an dieser Stelle auch sagen, kommt den Versorgern eine wichtige Rolle zu, denn sie müssen in einem liberalisierten Markt auch Verantwortung für ihre Kunden und Kundinnen übernehmen und die Versorgung sicherstellen.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 26

Wir müssen aber mit der Unabhängigkeit von russischem Erdgas auch die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern insgesamt anstreben: für die Klimaneutralität, aber auch für die Resilienz der österreichischen Energiewirt­schaft. Generell geht es da um den begleitenden Ausbau von erneuerbaren Energieträgern sowie um Energieeffizienz. – Um nur drei Maßnahmen in diesem Bereich zu nennen:

Erstens die Umsetzung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes – das haben wir im Frühjahr 2023 beschlossen –; zweitens die Verbrauchsreduktion, weil sich natürlich die Krisenfestigkeit erhöht, je geringer der Gasverbrauch und damit die Importabhängigkeit ist – auch das ist uns bislang gut gelungen; wir haben im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre in den vergangenen zwölf Monaten 14 Prozent weniger Gas verbraucht, im September waren es sogar 27 Prozent unter dem fünfjährigen Durchschnitt –; und wir haben drittens eine Reihe von Maßnahmen zum raschen Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt: UVP-Gesetz, Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Marktprämie für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren und eine Förderung für den Heizungstausch: Raus aus Öl und Gas.

Sukkus: Wir können den Ausstieg aus russischem Erdgas bis 2027 schaffen, wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung übernehmen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Es wird eine gewünscht.

Ich bitte die Technik noch einmal, wegen der Akustik zu schauen. Ich glaube, vorne versteht man wenig, habe ich das jetzt richtig vernommen? Könnten wir bitte noch einmal einen kurzen Blick darauf werfen? – Danke.

Bitte, Herr Bundesrat Gross.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Die Zusatzfrage ist: Was sind die wichtigsten Fördermaßnahmen für Bürgerinnen und Bürger und auch


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 27

für die Wirtschaft zum Umstieg von fossilen Energieträgern, also vor allem von Gas, auf erneuerbare Energieträger?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, das beantworte ich natürlich sehr, sehr gerne. Der Ausbau der Erneuerbaren und die Steigerung der Energieeffizienz sind wesentliche Säulen bei der Unabhängigkeit von russischem Erdgas. Wir sehen, dass die Menschen das auch wollen. Wir haben alleine von 2022 auf 2023 insgesamt 35 000 Zählpunkte weniger bei den Gasthermen, also das heißt, die Menschen sind dabei und wollen raus aus der Abhängigkeit von Erdgas.

Mit dem Erneuerbaren-Wärme-Paket wollen wir das mit insgesamt durchschnittlich 75 Prozent der Investitionskosten als Förderung natürlich noch zusätzlich unterstützen. Die konkreten Förderbedingungen werden in den nächsten Tagen bekannt gegeben.

Für Betriebe gibt es die Umweltförderung im Inland. Was das Portfolio insgesamt anlangt – ich glaube, man könnte es einfach so sagen: Es gibt nichts, was positive Umwelteffekte hat, was über die Umweltförderung im Inland nicht gefördert wird. Das reicht von der Prozessenergie über innovative Nahwärmenetze bis zu solaren Großanlagen, Hochtemperaturwärmepumpen – you name it. Es gibt noch ein neues Programm, Transformation der Industrie, das sich explizit auf die Produktion in der energieintensiven Industrie in Österreich bezieht, um dort Klimaneutralität zu erreichen. Das ist in Summe mit rund 3 Milliarden Euro bis 2030 im UFG verankert und ein wichtiger Beitrag für die Entwicklung Österreichs zu einem modernen, zukunftstauglichen Industriestandort. (Bundesrat Gross: Danke!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs zu Wort gemeldet. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 28

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Guten Morgen auch von meiner Seite! Werte Frau Bundesministerin, wie werden Sie gewährleisten, dass die für die Belieferung mit nichtrussischem Gas, also zum Beispiel norwegischem Gas, notwendigen Leitungskapazitäten zwischen Deutschland und Österreich sichergestellt und ausgebaut werden? Also aktuell haben wir noch eine Engstelle oder einen Flaschenhals, den sogenannten WAG-Loop 1, also West-Austria-Gasleitung, dabei handelt es sich ja um ein fehlendes 40 Kilometer langes zusätzliches paralleles Leitungsstück zwischen der deutschen Grenze und dem Großraum Linz. Was ist da vorgesehen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Danke auch für diese Frage. Der WAG-Loop wird ja auch gerade intensiv diskutiert, es ist tatsächlich ein technischer Flaschenhals.

Sie haben das ja in Ihrer Fragestellung schon zusammengefasst. Es geht um den Abschnitt von Oberkappel bis Bad Leonfelden, im ersten Schritt um 40 Kilo­meter Leitungsstrang. Der Ausbau dieses Teilstücks ist tatsächlich von zentraler Bedeutung, um die Versorgung aus Deutschland sicherzustellen und langfristig auf stabilere Beine zu stellen, denn durch den Ausbau dieses Teil­stücks kann deutlich mehr Gas aus Deutschland nach Österreich geliefert werden. Die WAG ist bis jetzt optimiert auf den Fluss von Ost nach West, und das muss sich jetzt ändern zum Fluss von West nach Ost.

Die E-Control, also die Regulierungsbehörde, hat diesen Ausbau im Sommer genehmigt. Damit verbunden ist auch eine Verpflichtung des Gasnetzbetreibers, also der GCA, die Maßnahme umzusetzen. Diese Genehmigung umfasst auch den Anspruch der GCA auf Abdeckung der Kosten, wenn es keine ausreichenden Buchungen gibt, das heißt, das wirtschaftliche Risiko ist hiermit genommen. Es gibt also keinen Grund mehr, länger zu warten. Die Versorgungssicherheit des Landes hat allerhöchste Priorität.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 29

Jetzt geht es darum, zu bauen, und ich bin als Ministerin, ebenso wie es natürlich das Ministerium auf Expertenebene ist, in laufendem Kontakt mit allen Beteiligten, damit wir rasch in die Umsetzung kommen, ein UVP-Antrag eingereicht wird und die nächsten Schritte gesetzt werden.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Die E-Control kritisiert aber gleichzeitig, dass eben die entsprechenden Bauaufträge nicht erfolgt sind.

Aber zu einem ganz anderen Thema: Die Landeshauptleutekonferenz hat eine Novellierung des Energielenkungsgesetzes gefordert. Das Ausbleiben von Gas kann einen derartigen Energielenkungsfall hervorrufen. Bis wann werden Sie dem Beschluss der Landeshauptleutekonferenz nähertreten und eine diesbezügliche Novelle auf den Weg bringen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben das Thema Energielen­kung im letzten Jahr glaube ich so intensiv diskutiert wie in noch keiner anderen Gesetzgebungsperiode der Zweiten Republik – aus gutem Grund: Wir als Republik mussten erkennen, dass Entscheidungen der Vergangenheit dazu geführt haben, dass wir uns erpressbar und von russischen Gaslieferungen abhängig gemacht haben und dass ein Despot im Kreml darüber entscheiden kann, ob unsere Industrie produziert oder nicht.

Deswegen verfolgen wir all die bereits erwähnten Bemühungen, um davon unabhängig zu werden. Für den äußersten Notfall ist die Energielenkung das Instrument, um sicherzustellen, dass wir eine Krise gesamtvolkswirtschaftlich gesehen bestmöglich meistern.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 30

Wir haben dieses Thema nicht nur bei den Landeshauptleuten, sondern auch in der letzten Konferenz der Landesenergiereferenten und -referentinnen diskutiert. Wir sind dort so verblieben: Wir haben im Herbst noch eine gemein­same Übung mit den Bundesländern, auch um sozusagen im Trocken­training Energielenkungsfälle zu proben. Das passiert regelmäßig, aber in den letzten eineinhalb Jahren natürlich vermehrt. Aus diesem Praxistest werden wir dann ableiten, wo konkret es eventuell auch in der gesetzlichen Basis noch Nachbes­se­rungsbedarf gibt. Sie können davon ausgehen, dass wir in dem Bereich sehr intensiv mit den Bundesländern zusammenarbeiten, um bestmögliche Lösungen zu finden.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Wunderschönen guten Morgen! Frau Minister, wenn diese Regierung samt Europäischer Union das Gas aus Russland verbannen will, dann brauchen wir eine sichere, eine leistbare und natürlich auch unabhängige Alternative für unsere heimische Wirt­schaft, für die Industrie und natürlich auch für unsere Landsleute. Wir verfügen in Österreich selbst über einen Gasschatz, der nur darauf wartet, gehoben zu werden. Berechnungen zufolge könnte uns dieses Gas im Weinviertel für 30 Jahre und länger unabhängig machen.

Frau Minister, wann gedenken Sie, dieses Projekt Energieautarkie durch Gas aus Niederösterreich anzugehen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für diese Frage. Sie wissen, wir fördern in Österreich, vor allem in Niederösterreich, fossiles Erdgas im Ausmaß von derzeit circa 10 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs.

 


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 31

Sie wissen auch, der Gasmarkt ist ein liberalisierter Markt. Das heißt, es sind Unternehmen, die Gas fördern, es sind Unternehmen, die Gas verkaufen, es sind Unternehmen, die Gas liefern und verarbeiten. Insofern geht es da auch um entsprechende Anträge und Projekte, die Unternehmen entwickeln.

Ich kann Ihnen aber auch sagen: Klimaneutralität auf diesem Kontinent – gesetzlich verankert bis 2050, Klimaneutralität in Österreich bis 2040 – heißt Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Das heißt natürlich auch, es macht aus betriebswirtschaftlicher Sicht – aber das müssen natürlich die Unternehmen entscheiden – nur dann Sinn, wenn Gasvorkommen in einer Krisensituation, so wie jetzt, rasch verfügbar sind. Wenn sie erst 2040 entwickelt sind, dann wird man nämlich in Österreich mit Erdgas kein Geschäft mehr machen und 2050 in Europa kein Erdgas mehr verkaufen können. Ich gehe davon aus, dass das in die Überlegungen der Unternehmen auch entsprechend miteinfließt.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen jetzt zur 2. Anfrage, 1944/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Markus Stotter, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte. 09.21.08


Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin!

1944/M-BR/2023

„Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie das Bundesland Tirol im Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr angesichts der angekündigten Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen unterstützen?“


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es in vielen auch öffentlichen Aussagen gesagt, ich habe es im Rat gesagt, auf EU-Ebene, ich sage es in jedem


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 32

Interview zu dem Thema: Die Tiroler Maßnahmen auf der Brennerroute sind zum Schutz der Bevölkerung, zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit, zur Einhaltung unserer Luftqualitätsgrenzwerte weiterhin unbedingt erforderlich. Die Notmaßnahmen wirken, das sehen wir, sie schützen die Bevölkerung vor Ort und haben deswegen auch die volle Unterstützung der Bundesregierung, und wir werden das natürlich auch im Falle der Einleitung eines Verfahrens vor dem EuGH genau so handhaben.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch eines erwähnen und noch einmal klar­stellen: Ein Verfahren vor dem EuGH wird die Transitproblematik mit Garantie nicht lösen. Deswegen ist es vielmehr erforderlich, dass sich die betroffenen Länder zusammensetzen, dass Italien an den Verhandlungstisch zurückkehrt und versucht, gemeinsam mit uns Lösungen für die Problematik zu finden.

Deswegen haben wir in Österreich auch immer gesagt, wir unterstützen den Lösungsvorschlag aus der Region, nämlich ein Slotsystem, eine buchbare digitale Abwicklung auf der Brennerroute. Das ist eine Basis für eine gemeinsame Diskussion auf europäischer Ebene. Ich habe das der EU-Kommission, auch gemeinsam mit dem Bundeskanzler, der EU-Kommissionspräsidentin gegenüber, ich habe das bilateral in Terminen mit Deutschland und Italien wiederholt angesprochen und dafür geworben, dass man, wenn es Vorschläge aus der Region gibt, diesen nähertreten sollte, man darüber auch sprechen sollte, sie konkret entwickeln und nicht vom Tisch wischen sollte, wie es leider Italien derzeit gerade macht.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Das Transitthema betrifft ja nicht nur den Brenner, sondern zukünftig auch den Bereich Osttirol. Meine konkrete Frage wäre: Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um den Umweg­verkehr durch das Osttiroler Pustertal zu vermeiden, wenn die Luegbrücke saniert wird?



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie sprechen ein sehr wichtiges und sehr großes Projekt an. Es geht um eine sicherheitstechnisch notwendige Sanierung der Luegbrücke. Die Asfinag arbeitet zurzeit in Abstimmung mit allen Beteiligten vor Ort und natürlich ganz besonders intensiv mit dem Land an einem Maßnahmenpaket für die Zeit der Sanierung und insbesondere für die Zeit einer möglichen Einspurigkeit. Also sollte es sicherheitstechnisch notwendig werden, weil die Brücke es nicht mehr trägt, dann sind natürlich Maßnahmen, zusätzliche Maßnahmen notwendig, und natürlich bereiten wir uns auf alle Szenarien vor.

Herzstück wird ein abgestimmtes System an Verkehrsführungen auf der Lueg­brücke sein, aber natürlich braucht es Maßnahmen rundherum. Diese werden, wie gesagt, aktuell mit dem Land Tirol und dem BMK erarbeitet und dann natürlich auch präsentiert, sobald das fertig und abgestimmt und mit allen Beteiligten akkordiert ist.

Was die Asfinag jedenfalls machen wird, ist eine breite, auch internationale Informationskampagne, weil sich die Situation auf der Route natürlich auch in den Nachbarländern entscheidet. Das heißt, über die verkehrlichen Auswir­kungen dieser Sanierung soll auch breit informiert werden.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Daniel Schmid zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Kommissionschefin hat vor einiger Zeit in einem Schreiben klar Stellung bezogen und ihre Position gegenüber Bayern und Italien klar zum Ausdruck gebracht. In der vorliegenden Einigung zur Wegekostenrichtlinie ist davon nicht mehr viel übrig. Davon ausgehend, dass es zwischen Ihnen beziehungsweise Ihrem Ministerium und der Kommissionspräsidentin diesbezüglich Gespräche


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gegeben hat: Wie waren die Ableitungen beziehungsweise die Ergebnisse aus diesen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur Wegekostenrichtlinie? – Entschul­di­gung, nur dass ich die Frage richtig beantworte. (Bundesrat Schmid nickt.)

Wir haben – Sie wissen, ich beginne vom Ende her –, Österreich als Republik hat am Ende der Wegekostenrichtlinie dem vorgeschlagenen Kompromiss unter deutscher Präsidentschaft nicht zugestimmt, weil ich der Meinung bin und weil wir der Meinung sind – diese teilen wir natürlich auch in dieser Bundes­regierung –, dass die Wegekostenrichtlinie in der vorliegenden Form und im vorliegenden Kompromiss unser Grundproblem nicht löst, nämlich dass bei steigender Kapazität und bei steigender Nutzung einer Autobahn der Kilometer im Lkw-Verkehr günstiger wird, günstiger werden muss aufgrund der Systematik, während, Sie wissen das, bei der Bahn jeder Kilometer einfach einen fixen Preis hat. Dieses Ungleichgewicht und diese Ungleichbehandlung zwischen Bahn und Straße konnte die Überarbeitung der Wegekostenrichtlinie nicht lösen.

Die Kommissionspräsidentin hat sich in der Diskussion und im Konflikt rund um den Brenner immer wieder konstruktiv eingebracht. Die Verhandlungen zur Wegekostenrichtlinie laufen aber im Rat der Verkehrsminister, Verkehrsministe­rinnen, wo sich eben 27 auf eine gemeinsame Position und dann ein gemeinsames Okay zum Verhandlungsergebnis mit Kommission und Rat einigen müssen, und dort konnten wir leider trotz aller Bemühungen keine Mehrheit für eine tatsächliche Reform finden.

Wir werden heute im Bundesrat ja noch ein weiteres Mal das Thema verhandeln, ich glaube, auch in der Fragestunde noch einmal, deshalb: Die Reform der Wegekostenrichtlinie bietet neue Möglichkeiten, aber sie verändert nicht das


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grundlegende Missverhältnis zwischen Schiene und Straße, und deswegen haben wir wie gesagt am Ende nicht zugestimmt.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Steiner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ja, Frau Minister, als Tiroler ist man natürlich leidgeplagt, was den Transit betrifft. Seit Jahrzehnten wird er immer mehr und mehr, das wissen Sie wahrscheinlich auch aus den Berichten. Es wird auch in den Wahlkämpfen immer versprochen, dass sich etwas ändert, nur ändert sich natürlich wenig.

Jetzt wird von vielen Experten davor gewarnt, dass das von Landeshauptmann Mattle viel gepriesene – Sie haben eh schon darüber gesprochen – und geplante Lkw-Slotsystem in Zusammenarbeit mit Bayern und Italien das Verkehrsauf­kommen über den Brenner nicht reduzieren – also es warnen nicht die Freiheit­lichen, schon auch, aber ganz viele externe Experten –, sondern nur verteilen wird, ja der Grenzwert von 2,5 Millionen Lkw durch eine erhöhte Aufnahme­kapazität des Güterverkehrs zwischen Rosenheim und Trient sogar über­schritten werden könnte.

Meine Frage jetzt dazu: Gibt es Prognosen Ihres Ministeriums beziehungsweise Szenarien, wie sich das Verkehrsaufkommen des Güterverkehrs über den Brenner mit Umsetzung des Lkw-Slotsystems entwickeln wird?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Eines einmal zur Baseline: Wo stehen wir gerade am Brenner? – Wir haben am Brenner dreimal so viele Transit­querungen wie auf allen anderen Alpenquerungen der gesamten Schweiz. Wir stehen momentan bei 2,48 Millionen transitierenden Lkw im Jahr 2022 – das ist ein neuer Transitrekord. Vor diesem Hintergrund – by the way – sind die


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Meldungen aus Italien noch weniger verständlich. Wir haben einen neuen Transitrekord.

Wir haben in allen Gesprächen mit der Kommission immer auch deutlich gemacht, dass wir ein Maßnahmenbündel brauchen werden, das auf verschiedenen Säulen aufbaut, damit wir dieser Transitbelastung Herr werden. Etwas ganz Wesentliches ist der Ausbau der Schieneninfrastruktur. Sie wissen, wir bauen mit dem Brennerbasistunnel am größten Infrastrukturprojekt, an dem sich Österreich jemals beteiligt hat, um die Kapazitäten auf der Schiene zu erhöhen. Wir brauchen aber – siehe auch die Maßnahmen, die jetzt in Tirol gesetzt werden – ein Maßnahmenbündel, das dazu geeignet ist, nicht nur eine Verlagerung auf die Schiene, sondern auch eine bestmögliche Abwicklung und eine bestmögliche Verlagerung auf emissionsarme Fahrzeuge zu gewährleisten. Das Slotsystem alleine wird die Problematik am Brenner nicht lösen, aber es kann ein wesentlicher Beitrag dazu sein, eine bessere Abwicklung zu ermöglichen.

Insofern kann ich Ihnen jetzt nicht für diese eine Maßnahme eine extrapolierte Zahl nennen, aber unser gemeinsames Ziel – und ich freue mich, wenn auch Ihre Fraktion das unterstützt; hoffentlich nicht nur am Brenner, sondern auch auf den anderen Transitrouten – ist die Verlagerung auf die Bahn. Eine entsprechende Bemautung, damit wir keine Umwegverkehre aus der Schweiz haben, und viele weitere Maßnahmen werden da notwendig sein, für die wir auf europäischer und nationaler Ebene arbeiten. (Bundesrat Steiner: Also Prognosen gibt es keine?) – Ich kann gerne im Ministerium nachfragen, ob es eine extrapolierte Zahl gibt. Ich sage nur, die extrapolierte Zahl macht aus meiner Sicht wenig Sinn, weil es immer ein Maßnahmenbündel sein muss, das in Summe wirkt. Ich kann die Zahl gerne schriftlich nachliefern, habe sie aber jetzt nicht aus dem Effeff parat. (Bundesrat Steiner: Super, danke schön!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.



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Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Guten Morgen, Frau Ministerin! Meine Frage geht in eine sehr ähnliche Richtung. Wir wissen ja vorher oft nicht, was kommt, daher frage ich: Wollen Sie etwas in Bezug darauf ergänzen, welche Initiativen Sie insbesondere auf europäischer Ebene gesetzt haben, um den Transitverkehr über den Brenner auf ein erträgliches Maß zu beschränken? – Ich weiß, Sie haben das schon beantwortet, vielleicht haben Sie noch Ergänzungen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe aufgrund der unterschiedlichen Fragen und Zusatzfragen schon Etliches aus diesem Themenkomplex beantwortet, deshalb darf ich es kurz machen. Wir haben einerseits natürlich die Diskussionen im Rat der Ministerinnen und Minister, wo ich in jeder Runde beständig die Tiroler Maßnahmen verteidige – und das mache ich nicht nur im Rat, sondern auch bei allen bilateralen Terminen, nicht nur mit den Nachbarländern, sondern auch mit potenziellen Verbündeten im Bereich des Straßengüterverkehrs.

Parallel dazu setzen wir uns bei der Kommission, im Rat, in allen anderen Bereichen für alle Maßnahmen ein, die dazu beitragen können, die Verlagerung auf die Schiene zu forcieren – seien es Pushmaßnahmen im Straßengüterverkehr oder Pullmaßnahmen im System Bahn –: von besseren Standards im Güterverkehr über entsprechende Streckenkapazitäten im Bereich Infrastruktur bis hin zu den entsprechenden nationalen Fördermaßnahmen.

Wir werden ja bald auch das Budget diskutieren. Wir haben im Europavergleich eine wirklich vorzeigbare Güterverkehrsförderung, für die ich in anderen Ländern auch immer werbe, weil gerade der Güterverkehr natürlich etwas Grenz­überschreitendes ist und die Verlagerung auf die Bahn nicht nur von einem Land vorangetrieben werden kann. Wie gesagt setze ich mich darüber hinaus bei jeder Gelegenheit für den Vorschlag Südtirols, Tirols und


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Bayerns eines Slotsystems ein, den wir gerade diskutiert haben, weil es ein wesentlicher Beitrag sein kann. – Danke. (Bundesrätin Kittl: Vielen Dank!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1950/M –BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Horst Schachner, um die Verlesung der Anfrage. 09.33.59


Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Minister!

1950/M-BR/2023

„Welche Strafzahlungen sind durch die mit der aktuellen Politik nicht erreichbaren Klimaziele zu erwarten?“


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mein Anspruch ist es ja nicht, Zahlungen an andere Länder zu leisten, sondern – ganz im Gegenteil – die Klimaziele zu erreichen. Das aktualisierte Klimaziel für Österreich aus der Effortsharingregulation ist minus 48 Prozent CO2-Emissionen bis 2030. Dafür braucht es Maßnahmen.

Sie wissen, im ersten Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans stehen wir derzeit bei einer Zielerreichung von minus 35 Prozent. Das heißt, uns fehlen noch minus 13 Prozent. Mein deklariertes Ziel ist – nur, dass ich es jetzt auch gesagt habe –, dass wir bis Mitte Juni 2024 einen finalen Nationalen Energie- und Klimaplan an die Kommission übermitteln, der selbstverständlich die Zielerreichung sicherstellt.

Für all diese Maßnahmen, die wir in Plänen, in Strategien und in anderen Dokumenten vorsehen, braucht es am Ende Mehrheiten im Hohen Haus, in ganz vielen Fällen – Sie wissen es, im Energiebereich, im Wärmebereich, überall


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dort, wo wir Bundesländerkompetenzen berühren – braucht es Zweidrittelmehr­heiten im Hohen Haus. Auch an diesen arbeiten wir, aber man muss auch so ehrlich sein: Eine über viele Jahre und Jahrzehnte wenig ambitionierten Klimapolitik in Österreich kann man nicht in drei Jahren komplett wiedergutmachen. Das heißt also, es wird jetzt angebracht sein, genau so weiterzumachen, wie wir das in der Klimapolitik in den letzten drei Jahren getan haben. Wir sind bei den Emissionen laut Nowcast 2022 auf dem tiefsten Stand seit 1990, mit einem Trend nach unten. Das muss so weitergehen.

Im NEKP sind zwei Szenarien – die Kosten lassen sich dementsprechend nur in Kosten für die Zertifikate ausdrücken – von Preisannahmen für Zertifikate bis 2030 enthalten: eine mit 100 Euro über die gesamte Periode, eine mit 200 Euro bis 2030. Das hängt aber sehr von der Entwicklung des ETS-Markts auf europäischer Ebene ab. Wie gesagt, mein Ziel ist es, dass wir die Ziele erreichen und dass wir die Lücke bis 2024 schließen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Schachner: Ja, bitte!) – Bitte.


Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Was sind die konkreten Gründe, weshalb Sie dem Nationalrat und dem Bundesrat das Klimaschutzgesetz nach wie vor nicht vorgelegt haben?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie wissen es aus der langjährigen Erfahrung in Bundesregierungen (Bundesrat Schennach: Na ja, ein bisschen genauer!): Man braucht für jedes Gesetz eine gemeinsam getragene, im Ministerrat abgestimmte Vorlage zur Zuleitung an den Nationalrat. Sobald ich diese habe, bin ich die Erste, die sich an dieser und an jeder anderen Stelle darüber freut. (Bundesrat Schennach: Offene Worte, bitte!)


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Es ist ein Gesetz, das ein Fundament für die nächste Dekade Klimapolitik in Österreich liefert, ein Gesetz, das insbesondere für die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern und auch für die Planungssicherheit von Unternehmen wichtig ist. Deswegen arbeite ich weiterhin mit Hochdruck daran, dass wir es baldmöglichst auch in diesem Rahmen hier diskutieren können. (Bundesrat Schennach: Übersetzt: Da blockiert jemand! – Heiterkeit bei Bundesrät:in­nen der SPÖ. – Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Schachner –: Hast du die Übersetzung gehört? Da blockiert jemand!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Philipp Kohl zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Welche Mittel wurden zur Verfügung gestellt, um Städte in Österreich am Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben für die Unterstützung von Städten und Gemeinden schon in den letztjährigen Budgets, aber auch im jetzt kommenden und zu diskutierenden Budget, eine Vielzahl von Initiativen und konkreten Unterstützungsmöglichkeiten vorgesehen. Das beginnt bei einem neuen Zugang sowohl in der Forschungsförderung als auch in der Umset­zungsförderung über die Mission Klimaneutrale Stadt. Dabei erarbeiten wir anhand von Vorzeigebeispielen größerer und auch mittlerer österreichischer Städte mit Pionierstädten den Weg zur Klimaneutralität in den Städten und unterstützen erstmals auch die Städte mit konkreten Personalleistungen, damit sie ihre Pläne für die Klimaneutralität auf den Weg bringen können.

Darauf abgestimmt gibt es Ausschreibungen sowohl im Rahmen der Innovationsförderungen der Innovationssektion als auch im Rahmen des Klima-


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und Energiefonds. Der Klima- und Energiefonds, um gleich darauf über­zuleiten, ist einer der großen Ansprechpartner für Städte und Gemeinden im Bereich der Förderung und der Unterstützung am Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere die Klima- und Energiemodellregionen und die Klimawandelanpas­sungsmodellregionen sind wichtige Vehikel – so nenne ich sie jetzt einmal – für die Gemeinden, um das Thema Klimaschutz zu bearbeiten.

Auch da finanzieren wir unter anderem Personal, also Kümmerer und Kümmerinnen, die die Gemeinden und Gemeindeverbünde auf dem Weg in die Klimaneutralität unterstützen.

Darüber hinaus gibt es in den unterschiedlichen Programmen Maßnahmen, die auch Gemeinden abrufen können. Da gibt es beispielsweise die Umwelt­förderung im Inland – in den letzten Jahren mit Rekordniveau dotiert –: Da kann man Projekte von der Wasserversorgung bis zum Flächenrecycling, von der LED-Umstellung bis zu raus aus Gas, rein in erneuerbaren Strom einreichen und auch gefördert bekommen. Wir haben da wirklich einen Zusagerahmen auf hohem Niveau. Ich ermutige auch alle Städte und Gemeinden, dort einzu­reichen.

Im Verkehrsbereich, um noch zwei Beispiele zu nennen, gibt es die Förderoffensive für die aktive Mobilität und das Mobilitätsmanagement, durch die Radverbindungen, Gehwege, Konzepte für aktive Mobilität unterstützt werden, beziehungsweise – gerade für Städte sehr wichtig – die Förderoffensive Ebin für den emissionsfreien Busverkehr – auch da Rekordabrufe.

Für alle Gemeinden gab es natürlich das kommunale Investitionspro­gramm 2023, das einen großen Ökoschwerpunkt hat und auch mit allen vorhin genannten Förderungen kombinierbar ist. Für alle Gemeinden und Städte, die jetzt hier zuhören: Bitte holen Sie sich das Geld ab! Das sind wirklich außergewöhnliche Förderbedingungen, die wir derzeit bieten können.



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Es ist schon etwas schwer, jetzt eine Zusatzfrage zu stellen, da die Hauptfrage aus meiner Sicht noch nicht beantwortet wurde. Ich werde aber versuchen, das etwas umzuformulieren.

Sie haben die Schadenssumme bis jetzt nicht genannt; Sie reden von Zertifi­katen in der Höhe von 100 Euro, 200 Euro. Es ist ja bekannt, dass die Klimaziele in der EU bis 2050, in Deutschland bis 2045 erreicht werden sollen. In Öster­reich haben Sie unser Land dazu verpflichtet, diese Ziele bereits 2040 zu erreichen. Wenn ich an die Antwort auf die Hauptfrage denke, so habe ich den Eindruck, dass Sie keine Ahnung haben, welchen Schaden Sie in Österreich oder welche Schadenssumme Sie in Österreich damit tatsächlich angerichtet haben.

Deswegen stelle ich die Frage noch einmal: Welcher Schaden entsteht durch die voraussichtliche Nichterreichung der Klimaziele für unser Land in diesen zehn Jahren, da Sie unser Land verpflichtet haben, die Klimaziele bereits früher zu erreichen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben EU-rechtliche Verpflich­tungen – über diesen Zeitraum reden wir jetzt – bis 2030. Bis 2030 haben wir eine EU-rechtliche Verpflichtung, und das gilt für jede Konstellation jeder Bundesregierung. Diese wollen wir erreichen, weil nur die Zielerreichung garantiert, dass wir die Chancen nutzen können, die im Klimaschutz liegen – Chancen auf eine bessere Lebensqualität, auf eine saubere Luft, auf ein sauberes, krisenfestes Energiesystem –, weil – und da unterscheiden wir uns – die Abhängigkeit von Russland uns offensichtlich in eine große Krise


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geführt hat. Ich weiß nicht, ob Sie die Kosten eines Lieferausfalls aus Russland beziffert haben – die sind enorm.

Die größten Schäden entstehen uns, wenn wir die Klimaziele nicht erreichen. Warum? – Weil schon jetzt die Schäden, die durch die Klimakrise in Österreich verursacht werden, pro Jahr in die Milliarden gehen. Denken Sie an die Landwirtschaft, denken Sie an die Überschwemmungen, denken Sie an die Extremwetterereignisse! Denken Sie an die vielen Menschen, die durch Murenabgänge vor den Trümmern ihrer Existenz stehen!

Mein Auftrag ist es, genauso wie der Auftrag der Bundesregierung, genauso wie der Auftrag aus der EU-rechtlichen Verpflichtung jeder Bundesregierung, diese Ziele zu erreichen, um den größten Schaden von dieser Republik abzuwenden – genau darum geht es. (Beifall bei den Grünen.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Die Emissionshöchstmenge 2021 im Effortsharing wurde eingehalten, 2022 ist vorläufigen Daten zufolge sogar eine deutliche Emissionsreduktion eingetreten. Lässt sich daraus vielleicht schon eine Trendwende ableiten?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe diese Frage auch schon öffentlich mit einem Vergleich mit einem Marathon beantwortet. Klimaneutralität 2040, 2050 in der EU, ist nichts, was man in einem Jahr erreicht, sondern ist tatsächlich eine Aufgabe, die uns alle fordern wird, und zwar bis zur Zielerreichung 2040. Wie bei einem Marathon freut man sich natürlich, wenn man die ersten Kilometer in einer guten Zwischenzeit erledigt, und es ist tatsächlich so, dass die Emissionswerte 2022 aus dem Nowcast des Umweltbundesamts den niedrigsten Wert seit 1990, einen Rückgang um 6,4 Prozent und vor allem auch einen


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Rückgang in allen Sektoren zeigen – ja, in einem Jahr mit Ausnahmebedin­gungen, aber, ja, auch in einem Jahr mit starkem Wirtschaftswachstum. Das heißt, wir sehen 2022 eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen.

Das ist gut, und genau so müssen wir es jetzt weitermachen. Ganz viele der Maßnahmen, die in den letzten drei Jahren gesetzt wurden, wirken ja syste­misch, wirken langfristig, sind Weichenstellungen, werden also auch weiterhin wirken. Deswegen sehen wir auch in den Prognosen, die unserem Nationalen Energie- und Klimaplan zugrunde liegen, dass wir derzeit bei minus 35 Prozent bis 2030 landen werden. Wir haben also noch einen Auftrag, wir haben noch etwas zu tun, aber ja, es zeigt zum jetzigen Zeitpunkt alles in die richtige Richtung, und das sind gute Nachrichten für unser Land.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1948/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Michael Bernard, um die Verlesung der Anfrage. 09.45.54


Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Minister! Es ist so, dass ein Elektro-Lkw 120 Kilowattstunden auf 100 Kilometer braucht, ein Autotransporter 150 Kilowattstunden und ein Abfallsammelfahrzeug in diesem Sinn 220 Kilowattstunden. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich ein Transportaufkommen durch österreichische Güterkraftfahrzeuge von 385,105 Mil­lionen Tonnen und durch Güterkraftfahrzeuge aus dem Ausland von 205,773 Millionen Tonnen.

Aufgrund dessen stelle ich folgende Frage:

1948/M-BR/2023

„Wie können Sie garantieren, dass österreichweit, nach Umstellung der Warenzustellung – wie von Ihnen favorisiert – auf Elektro-LKW, die Versorgung der österreichischen Bevölkerung auch in Zukunft gesichert ist?“



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben den Weg zu einem emissionsfreien Verkehrssystem in unserem Mobilitätsmasterplan 2030 skizziert. Dort sehen Sie auch die Leitplanken, anhand derer wir jetzt Politik umsetzen. Bei jedem Technologiewechsel gibt es natürlich Fragen – dieselben Fragen haben wir beim Wechsel von der Pferdekutsche zur motorisierten Güterbeförderung gehabt. Insofern wurden auch damals die Probleme, die eine Umstellung mit sich bringt, gut gelöst, und sie werden auch diesmal gut gelöst.

Was ist das? – Auf der einen Seite die Ladeinfrastruktur: Das machen wir laufend, sowohl mit der Asfinag als auch mit einem neuen Ladeinfrastruktur­programm, das bald starten wird. Auf der anderen Seite die Umstellung bei den Fahrzeugen: Auch diese unterstützen wir mit einem Förderprogramm für die privaten, für die kleinen Nutzfahrzeuge, für die schweren Nutzfahrzeuge, das bereits in den ersten drei Calls schöne Ergebnisse gebracht hat.

Wir haben mit dem Sofortprogramm Erneuerbare Energie in der Mobilität ambitionierte Zielsetzungen festgehalten, um auch da im Zusammenhang mit dem Ausbau des erneuerbaren Stromsystems und der Netze diese Umstellung gut zu bewältigen.

Warum können wir das überhaupt machen? – Weil in der Industrie ganz klar der Zug der Zeit auch in Richtung Elektrifizierung im Schwerverkehr geht. Das ist einerseits die direkte batterieelektrische Mobilität auch im schweren Güterver­kehr – insbesondere die nordischen Hersteller setzen darauf –, andererseits auch die Elektrifizierung mit Brennstoffzelle. Die Unternehmen, die Lkw-Hersteller stellen um. Da wird weltweit in Richtung Elektrifizierung gearbeitet, deswegen können wir das auch vorantreiben: weil der Schub aus diesem Bereich kommt. Genau das machen wir in den nächsten Jahren ambitioniert und genau so weiter, wie wir es jetzt begonnen haben.



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Ihr Ministerium, Sie selbst haben mir auf meine Anfrage geantwortet, dass es keine einzige Elektroschwerlast-Lkw-Tankstelle in Österreich gibt. Wie viele gibt es Stand heute?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die genaue Zahl muss ich Ihnen schriftlich nachliefern. Die Asfinag arbeitet aber an einem ambitionierten Konzept zum Ausbau der Ladeinfrastruktur, sowohl der Wasserstoffladeinfrastruktur als auch der E-Ladeinfrastruktur, an Knotenstellen, weil natürlich: hochlaufbedingt Fahrzeuge und Infrastruktur.

Deswegen fördern wir das auch, nämlich mit dem Förderprogramm Emis­sionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur. Da haben wir quantitative Ziele sowohl für die Nutzfahrzeuge als auch für die zugehörige Infrastruktur. Wir fördern das also im Paket, damit wir eben beides erreichen: nicht nur die Fahr­zeuge, sondern auch die Infrastruktur. Wir haben da bei den ersten zwei Calls Förderzusagen für insgesamt 98 Projekte erteilt – 1 245 leichte Nutzfahrzeuge, 440 schwere Nutzfahrzeuge, N2 und N3, und die zugehörige Infrastruktur. Da wird also, und das ist gut so, viel gebaut.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Minister! Frau Präsidentin! Meine Zusatzfrage geht in den Bereich E-Mobilität. Die E-Mobilität und ihre Technologie stoßen schneller an ihre Grenzen als wir alle glauben, und zwar durch das schlecht ausgebaute Leitungsnetz, das ja in diesem System in Österreich in der Vergangenheit eine andere Ausbauphase erlebt hat. Daher ist das Thema E-Mobilität auch in der Landwirtschaft ein sehr


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herausforderndes, besonders bei den schweren Traktoren und Maschinen in der Land- und Forstwirtschaft.

Daher meine Frage: Was unternehmen Sie, damit der heimische Biotreibstoff bestmöglich gefördert, genutzt und in diesem Bereich auch geforscht wird?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: In diesem Bereich geht es ja vor allem um die Umsetzung und das Inverkehrbringen. Das haben wir mit dem Inkrafttreten der Novelle der Kraftstoffverordnung im Jänner 2023 erreicht, indem wir eine EU-Richtlinie, nämlich die Erneuerbare-Energien-Richt­linie RED II, für den Bereich des Straßenverkehrs in nationales Recht über­setzt haben.

Das heißt, wir haben die Ziele für den Einsatz von fortschrittlichen Biokraft­stoffen von einer Beimischung von derzeit 0,2 auf eine Beimischung von 3,5 Prozent im Jahr 2030 erhöht und damit diese Erneuerbarenrichtlinie umgesetzt. Das, dieses Ziel, ist natürlich ein riesiger Anreiz für die heimischen Biokraftstoffproduzenten, die Produktion von solchen Biokraftstoffen anzukurbeln – ich glaube, da sind wir uns im Hohen Haus alle einig –, die nicht aus Nahrungs- oder Futtermitteln hergestellt werden und auch tatsächlich Treibhausgaseinsparungen erzielen.

Wir prüfen darüber hinaus Maßnahmen zur Unterstützung der heimischen Biokraftstoffe auch in Spezialanwendungsgebieten: Luftverkehr und Schiff­ver­kehr sind Anwendungsgebiete, in denen wir flüssige Treibstoffe brauchen, da haben wir keine Alternativen in der Elektrifizierung, das ist in manchen Nischen eben notwendig – wobei Schiffverkehr und Flugverkehr keine Nischen sind, aber dort werden wir flüssige Treibstoffe einfach brauchen, und da prüfen wir auch gerade zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Vielen Dank.


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Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christian Fischer zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Welche Initiativen setzen Sie, um Gemeinden beim Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität vor Ort zu unterstützen und die Versorgungssicherheit für die lokale Bevölkerung trotz höheren Energiebedarfs sicherzustellen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben da, wie schon vorhin in der Hauptfrage diskutiert, natürlich eine Aufgabe. Die Elektromobilität geht massiv in den Markt. Wir hatten im September bei den Neuzulassungen 19,1 Prozent rein batterieelektrische Fahrzeuge. Wir sehen diesen Trend auch weltweit, die Internationale Energieagentur ist von ihren eigenen Prognosen überrascht, wie viel schneller sich die E-Mobilität durchsetzt. Das heißt, der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist ein enorm relevanter Faktor.

Was haben wir in den letzten Jahren gemacht? – Ich habe es schon erwähnt: Die Asfinag macht ein massives Ausbauprogramm, das ist die überregionale Versorgung. Wir haben außerdem die Förderungen umgestellt. Früher wurden nur Fahrzeuge und Infrastruktur, also die Ladestelle zu Hause, gemeinsam gefördert, jetzt kann man sich die Infrastruktur extra fördern lassen. Das ist natürlich gerade in kleinen Gemeinden einerseits für die Versorgung in den eigenen vier Wänden, aber andererseits auch in der Gemeinde wichtig.

Zusätzlich starten wir jetzt ein neues Programm – es heißt Ladin –, bei dem wir mit einem Gebietsansatz arbeiten. Dabei schauen wir speziell in Gebiete, in denen derzeit noch eine Unterversorgung mit Ladestationen besteht, und dort speziell fördern wir, um auch bei der E-Mobilität wirklich flächendeckende Konnektivität sicherstellen zu können.



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrätin Simone Jagl zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage wurde im Prinzip schon relativ ausführlich beantwortet. Wir wollten wissen, wie die Förderprogramme zum Umstieg auf emissionsfreie Busse und Nutzfahrzeuge angenommen wurden.

Die Frage, die ich zusätzlich stellen möchte, lautet: Wie ist die Aussicht dieser Förderprogramme? Was ist geplant? Was sind die Ziele für die nächste Zeit, wie sollen die idealerweise angenommen werden? (Bundesrat Schennach: Pistenraupen!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe die Ergebnisse der Nutz­fahr­zeugausschreibungen tatsächlich schon erwähnt, ich kann noch die Ergebnisse der Busausschreibung nachreichen. Wir haben zwischen 2022 und 2023 drei Calls ausgeschrieben und konnten in Summe schon Förderzusagen für 22 Pro­jekte erteilen. Das sind in den meisten Fällen natürlich Projekte von Verkehrsverbünden, das heißt, da geht es in Summe dann um 428 Busse, 160 Millionen Euro Förderung; ein vierter Call ist gerade in Auswertung.

Wir haben uns natürlich in beiden Programmen Ziele gesetzt. Im Programm Ebin – für die Busse – geht es bis 2026 um 682 im Linienverkehr eingesetzte Busse, und beim Programm der Nutzfahrzeuge geht es bis zum zweiten Quartal 2026 um mindestens 2 767 Nutzfahrzeuge der Fahrzeugklasse N1. Wir haben es aber auch um N2 und N3, also schwere Nutzfahrzeuge, erwei­tert, und wir haben in beiden Programmen, also sowohl Busse als auch Nutzfahr­zeuge, natürlich eine Fortführung geplant. Es sind jetzt im Budget – wir werden das ja noch diskutieren – für den Zeitraum 2022 bis 2027 596 Millionen


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Euro für das Ebin-Programm und 545 Millionen Euro für die Nutzfahrzeuge vorgesehen.

Diese Programme sollen natürlich weitergeführt werden, um einen Markt­hochlauf der E-Mobilität auch in den schwierigeren Sektoren umzusetzen und durchzusetzen. Nur damit ich das auch gleich gesagt habe: Das sind natürlich elektrifizierte Lkw; also man kann auch einen Wasserstoffbus fördern, es geht nur nach Kosteneffizienz in der Förderzusage, das hat natürlich einen Einfluss auf die Ergebnisse.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1945/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff, um die Verlesung der Anfrage. 09.58.01


Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage wäre:

1945/M-BR/2023

„Wie funktioniert die Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie?“


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, und wirklich danke, dass wir dieses Thema in den Bundesrat bringen, denn wir reden meiner Meinung nach zu wenig darüber.

Warum? – Wir haben aus gutem Grund– darüber reden wir viel – die Energiewende als zentrales Projekt zum Klimaschutz – also raus aus den fossilen, rein in die erneuerbaren Energien –, aber rund die Hälfte der Emissionen entsteht in der Produktion, im Verbrauch, in der Entsorgung von Gütern, in der Gewinnung von Rohstoffen. Das heißt, ohne Kreislaufwirtschaft werden wir die Energiewende und den Klimaschutz nicht stemmen.


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Deswegen war der Beschluss der österreichischen Kreislaufwirtschafts­strategie ein ganz, ganz wesentlicher Schritt im letzten Jahr. Wir haben darin konkrete Zielvorgaben, die wir erreichen wollen, und Maßnahmen – ich fokussiere jetzt auf die Maßnahmen, die wir im BMK schon gesetzt haben –, das ist zum Beispiel die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes mit dem Einwegpfand, die Einführung einer verbindlichen Mehrwegquote im Getränke­bereich – eine wichtige Maßnahme zur Abfallvermeidung und zugunsten des Kreislaufs –, oder der Reparaturbonus flächendeckend, eine enorm beliebte Maßnahme; wir haben bis jetzt 710 000 Reparaturen unterstützt, das übersteigt alle unsere Erwartungen.

Warum ist das so wichtig? – Weil es Reuse und Lebensdauerverlängerung in den Vordergrund stellt, damit werden Rohstoffe und Energie in der Neuproduktion gespart. Wir haben eine Forschungsinitiative Kreislaufwirtschaft, wir haben bei der FFG einen Schwerpunkt auf die Förderungen zur Kreislaufwirtschaft gelegt.

In Wien gibt es ein sogenanntes Circularity Lab, einen Ort, wo Unternehmen, Politik, Förderinstitutionen, Verwaltung und Zivilgesellschaft, Start-ups und Wissenschaft zusammenkommen, um konkret Kreislaufwirtschaftsprojekte gemeinsam zu ermöglichen.

Ein Thema, an dem wir gerade im BMK arbeiten, ist der Bereich Bauen, denn einer der wichtigsten und mengenmäßig größten Materialströme sind die Baustoffe und die Baureststoffe. Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Akteur im Bauwesen, also wir haben großen Einfluss darauf, wie die Entwick­lung beim Straßen- und Bahninfrastrukturbau ist. Dort sind wir der dominie­rende Auftraggeber. Deswegen überarbeiten wir gerade die Kriterien für Hoch- und Tiefbau im Nationalen Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaf­fung, um eben da auch wieder einen neuen Schritt zu setzen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.



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Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Es gibt ja auch die Taskforce Kreislaufwirtschaft. Mich würde interessieren: Wie ist diese zusammengesetzt?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Gerne. Martin Kocher und ich haben gemeinsam ein Beratungsgremium installiert, das aus Expertinnen und Experten aus Unternehmen, aus der Zivilgesellschaft und aus der Wissenschaft besteht, um die Umsetzung der Strategie zu begleiten, um konkrete Vorschläge zu machen, um legistische Anpassungsbedarfe aufzuzeigen und auch um Input für den jährlichen Ministerratsvortrag zum Thema zu liefern.

Wer ist da drinnen? – Von wissenschaftlicher Seite haben wir vier Themen­bereiche abgedeckt. Ökodesign: Prof. Wimmer von der TU Wien, Abfall­verwertungstechnik und -wirtschaft: Prof. Pomberger von der Montanuniversität Leoben, für die sozialwissenschaftlichen Aspekte: Nina Eisenmenger von der Boku und für die Bioökonomie: Dr. Greimel von der Boku. Für die volkswirtschaft­lichen Auswirkungen – Entschuldigung, es sind fünf wissenschaftliche Aspekte – ist es Sigrid Stagl von der WU.

Es ist die Wirtschaft mit vier Unternehmensvertretungen drinnen: die Voest, Greiner in der Kunststoffindustrie, Rhomberg im Bau und Brantner aus der Entsorgung. Wir haben den Vorsitz mit der Expertin Karin Huber-Heim besetzt, die sich aber darüber hinaus bemüht, andere Unternehmen in ihrer Vielfalt in die Taskforce einzubinden.

Seitens der Zivilgesellschaft sind Re-Use Austria und die Landjugend vertreten, aber auch andere Ministerien, denn – natürlich – Kreislaufwirtschaft geht weit über das BMK hinaus; das heißt, wir haben dort das Wissenschaftsminis­terium, das Sozialministerium, das Landwirtschaftsministerium und auch das Wirtschaftsministerium in dieser Taskforce drinnen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Vielen Dank.


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Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Mag.a Sandra Gerdenitsch zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Guten Morgen! Frau Ministerin, wie stellen Sie sicher, dass die dem Einzelhandel durch Anschaffung, Logistik und Verwaltung entstehenden Kosten für das ab 1.1.2025 geltende Einwegpfandsystem nicht über Preiserhöhungen an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben mit dem Einwegpfand ein System, das es in vielen anderen europäischen Ländern schon jahrelang und gut etabliert gibt. Dementsprechend können wir aus vielen guten Erfahrungen, auch aus den weniger guten Erfahrungen aus anderen Ländern lernen und haben das im Set-up des Systems natürlich sehr intensiv berücksichtigt.

Das eine ist, dass wir im Aufsetzen der Pfandgesellschaft sowie in den Aufsichts­pflichten und in den Aufsichtsrechten des Ministeriums sehr klare Regelungen hatten und für die Zukunft haben. Ich freue mich auch sehr, dass uns insbeson­dere ein ausgewiesener Experte der Arbeiterkammer dabei unterstützt und wir mit Wettbewerbs- und Gesellschaftsrechtler:innen auch im System die notwendige Expertise haben, um wirklich ganz genau hinzuschauen, den Finger ganz genau in alle möglichen Wunden zu legen, sodass das System wasserdicht funktioniert und funktionieren kann.

Natürlich entsteht – Sie haben es richtig erwähnt – den Unternehmen durch die Abwicklung, das Handling, die Arbeitsleistung, die in der Sortierung notwendig ist, in der Umstellung der Logistik ein Aufwand. Dieser Aufwand wird, wie in allen anderen Ländern auch, durch eine Handlingfee abgegolten. Diese wird aber aus dem System finanziert.


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Wie läuft das? – Die Inverkehrsetzer – hoffentlich sage ich das jetzt richtig – ersparen sich Gebühren beim Sammel- und Verwertungssystem, zahlen diese aber in das Pfandsystem ein. Das ist ein Beitrag zur Finanzierung dieses Systems, und damit stellen wir auch sicher, dass die Geldkreisläufe im Pfand­system eine geschlossene Gruppe sind – Entschuldigung, das ist jetzt nicht der richtige Ausdruck –, aber dass sich das eben aus dem System finanzieren kann.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günter Pröller zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Minister! Ein Ziel der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie ist die Verminderung des Ressourcenverbrauchs. Zum Beispiel benötigt die Erzeugung eines Windrades oder eines Akkus für ein E-Auto eine Vielzahl mineralischer Rohstoffe: Eisen, Kupfer, Nickel, Lithium und seltene Erden. Diese Rohstoffe sind nicht alleine aus Recycling zu bedecken. Rohstoffe wie Iridium oder Germanium, die noch vergleichsweise neu sind, passen quasi gar nicht in den Rohstoffkreislauf und können daher gar nicht so gut recycelt werden.

Es benötigt also einen kontinuierlichen Abbau mineralischer Rohstoffe, und beim Abbau kommt es leider sehr häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Frau Minister, aus welchen Ländern werden wir die notwendigen – ohne Menschen­rechtsverletzungen beim Abbau – Rohstoffe importieren, um nicht auch in Zukunft abhängig von den Rohstoffländern zu sein?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie nehmen hier einen sehr wichtigen Teil unserer Arbeit ins Visier, denn wir müssen tatsächlich danach trachten, die Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben – nämlich beim Abbau der fossilen Rohstoffe –, nicht in einer erneuerbaren Kreislaufwirtschaft zu


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wiederholen. Ich weiß nicht, ob sich schon jemals jemand Bilder aus dem Niger­delta angesehen hat, wie dort indigene Völker vertrieben wurden, wie wir dort die Umwelt mit der Ölförderung zerstört haben, was das für einen massiven Schaden angerichtet hat. Natürlich geht es jetzt darum, diese Dinge in einer Umstellung auf ein erneuerbares und kreislaufwirtschaftsfähiges Wirtschafts­system zu vermeiden.

Ich kann es am Beispiel Batterien ausführen. Wir haben auf der europäischen Ebene eine Verordnung verabschiedet, die Batterienrichtlinie – Entschuldigung, natürlich Batterienverordnung; ich habe gerade über die korrekte Rechtsform nachgedacht –, die Batterienverordnung, die sich ganz intensiv mit diesem Thema beschäftigt, nämlich: Welche Standards müssen in der Lieferkette einge­halten werden, sowohl arbeitsrechtliche als auch Umweltstandards? Welche Transparenzpflichten müssen im Produkt vorhanden sein, also darstellbar sein? Das heißt, die Kund:innen und Konsumentinnen und Konsumenten kön­nen die notwendige Info über die Batterie erhalten bis hin zu: Wer ist verant­wortlich für welchen Teil der Wiederaufbereitung, des Recyclings et cetera?

Dazu kommen Verpflichtungen zum Beispiel aus dem Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, auch in ihrer Lieferkette dafür zu sorgen, dass die Standards eingehalten werden. Was mich auch freut, ist, dass sich etliche der großen Rohstoffländer und Abbauländer auch auf internationaler Ebene gerade in einer Initiative zu Responsible Mining formieren, denn natürlich geht es ja nicht nur darum, Mindeststandards einzuhalten, sondern darüber hinauszugehen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Welchen Beitrag leistet die Kreislaufwirtschaftsstrategie für den Klimaschutz? Vielleicht möchten Sie dazu noch ein bisschen etwas ergänzen.



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe tatsächlich bei der ersten Frage schon die eine Zahl erwähnt, die ich auch öffentlich immer nenne, nämlich: Die Energiewende, den Klimaschutz werden wir ohne einen Blick auf die Treibhausgasemissionen aus der Rohstoffgewinnung, aus der Verarbeitung, aus dem Recycling, aus der Abfallentsorgung nicht schaffen können. Das betrifft rund 50 Prozent der Emissionen. Da sehen wir wieder, wie wichtig es ist, dass wir die Themen Klimaschutz, Ressourcenverbrauch und Biodiversität zusammen denken. Wir brauchen erneuerbare Energien, um die Treibhausgas­emissionen aus den fossilen Energien zu vermeiden. Wir brauchen biogene Rohstoffe, um fossile Materialien zu ersetzen. Diese brauchen aber intakte Ökosysteme, damit sie überhaupt entstehen können.

Das System ist krisenfester, je intakter die Biodiversität ist. Das heißt, die Dinge hängen einfach miteinander zusammen, deswegen muss man sie auch gemeinsam betrachten. Ohne Ressourcenwende geht es aber nicht, diese können wir im Klimaschutz nicht außen vor lassen, und daher freut mich natürlich jeder Schritt in diese Richtung – und 710 000 Reparaturbons freuen mich so richtig. (Bundesrätin Huber: Vielen Dank!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 1951/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster, die Anfrage zu verlesen. – Bitte. 10.10.39


Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin!

1951/M-BR/2023

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um auch bei einem allfälligen Lieferstopp von russischem Gas durch die Ukraine, die Versorgung der österreichischen Haushalte und Unternehmen mit Erdgas sicherzustellen?“



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank auch für diese Frage. Wir haben eine Unterbrechung des Transits über die Ukraine ja nicht erst seit ein paar Tagen auf der Landkarte, sondern das ist und war ein Risiko seit Beginn dieses russischen Angriffskriegs und in Wahrheit schon davor, weil wir uns von einer Lieferroute sehr intensiv abhängig gemacht haben. Deswegen ist es auch ein Risiko, auf das wir uns seit Beginn des Angriffskriegs vorbereiten.

Ich habe das bei der ersten Frage dieser Fragestunde schon beantwortet; diese Dinge werde ich jetzt nicht wiederholen, aber ich möchte einen Aspekt dazu erwähnen – zu den vielen Maßnahmen, die wir in den letzten eineinhalb Jahren gesetzt haben –, das ist die Frage der Speicherung. Die Speicher sind unsere größten Sicherheitspuffer.

Wir haben mit vielen Maßnahmen dazu beigetragen, dass die Befüllung der Erdgasspeicher dieses Jahr äußerst erfolgreich verlaufen ist. Wir haben derzeit einen Stand – mit 4.11. – von 99,69 Prozent. So voll waren die Speicher in Österreich historisch gesehen noch nie. Das ist ein Sicherheitsnetz für den kommenden Winter. Deswegen können wir auch sagen, dass die Versorgung für den kommenden Winter gesichert ist, weil hohe Reserven nicht nur Versorgungsengpässe abfedern, sondern natürlich auch Ausschläge beim Preis abfedern können. Natürlich heißt das aber auch, dass wir an all den Maßnahmen, die wir hinsichtlich der Diversifizierung, des Erneuerbarenausbaus, der Energieeffizienz und sozusagen des Gassparens gesetzt haben, dranbleiben müssen.

Ich möchte aber ein Thema schon noch einmal ansprechen, auch in dieser Fragerunde: Wir haben eine Verantwortung der Versorger für die österreichi­schen Gaskunden. Ich nehme einen Versorger heraus, die OMV. Was hat sie in den letzten Monaten gemacht? – Sie hat eine Vielzahl von neuen Lieferverträgen abgeschlossen, Leitungskapazitäten gebucht und so weiter, und sagt jetzt, sie ist


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imstande, die österreichischen Kunden und Kundinnen zu versorgen, auch unabhängig von russischem Gas.

Diese Anstrengungen sehe ich auch bei einigen anderen. Es gibt punktuell Meldungen auch von anderen Versorgern, die Anstrengungen in Richtung Diversifizierung unternehmen, aber es sind wirklich alle gefordert, auch auf Versorgerseite, dass wir rechtzeitig auf Diversifizierung setzen. Es gibt ja für gewisse Kunden überhaupt eine gesetzlich normierte Pflicht, aber Versorger müssen danach trachten, ihre Verträge im Fall einer Versorgungskrise einhalten zu können. (Bundesrätin Lancaster: Danke!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – (Bundes­rätin Lancaster: Ja, bitte!) – Bitte.


Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Zusatzfrage bezieht sich auf eine künftige Erschließung von Erdgasvorkommen in Österreich zum Zwecke der Diversifizierung.

Allgemein wird gesagt, dass die konventionelle Erschließung eines Erdgasvor­kommens zwischen fünf und zehn Jahre dauert. In meinem Bezirk Kirchdorf in Oberösterreich vermutet man ein größeres Erdgaslager, und mit den Probe­bohrungen im direkten Umfeld des Nationalparks Kalkalpen wird demnächst begonnen. Für die Nationalparkgemeinde Molln ergibt sich ein Interessenkonflikt zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung eines Teiles des Gemeinde­gebietes. Als allgemeiner Eigentümer des Nationalparkzentrums leidet die Gemeinde auch unter der fehlenden Indexanpassung des Nationalparkbudgets und somit mangelnder Entwicklung von Angeboten.

Bürgermeister Andreas Rußmann hat mich ersucht, folgende Frage an Sie zu richten: Wie gedenken Sie die Nationalparkgemeinde Molln, die sich im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und fossiler Gasförderung befindet, am Weg in eine klimafitte Zukunft zu unterstützen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage hat jetzt ganz viele ver­schiedene Aspekte. Einen Teil davon habe ich, glaube ich, im Zuge einer der vorigen Fragen beantwortet, nämlich: Wie unterstützen wir Gemeinden ganz konkret mit den unterschiedlichsten Förderprogrammen, um den Weg in die Klimaneutralität zu gehen? Ich kann jetzt nicht sagen, ob, aber ich glaube, Molln ist in einer KEM-Region dabei (Bundesrätin Lancaster: Ja!) – sehr schön, da unterstützt man schon. Von den Förderprogrammen im Klima- und Energiefonds bis zu den Förderungen aus dem Umweltfördergesetz, aus dem kommunalen Investitionsprogramm, aus den Forschungsförderungen haben wir wirklich ein umfassendes Paket aufgesetzt.

Zum Hinweis zur Nationalparkförderung: Daran, dass wir auch die Nationalparke auf eine solide Basis stellen können, haben wir in den letzten Jahren sehr intensiv gearbeitet. Da gibt es halt den Disclaimer, dass wir das immer nur im Einklang mit dem Land können. Wir haben da eine 50:50-Finanzierungs­verantwortung, ich kann also meinen Beitrag nur dann anheben, wenn auch das Land den Beitrag anhebt. Ich müsste Sie über die konkrete Budgetsituation später informieren, das kann ich jetzt nicht aus dem Stand sagen. (Bundesrätin Lancaster: Danke!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sie haben die Verantwortung der Gas­versorger angesprochen. Dazu gehört auch die Infrastruktur. Eingangs ist schon die fehlende Verbindung zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden, diese parallele Leitung, besprochen worden. Sie haben angesprochen, dass es im Juli die Genehmigung gab oder ein Genehmigungsverfahren abgeschlossen worden ist.


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Wie schaut es generell mit der Bauzeit aus? Wann sollte das fertiggestellt werden? Wann kann dann so quasi das Gas durchfließen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur konkreten Bauzeit von Gaspipelines können Experten, Expertinnen oder die Betreiber aus der Erfahrung mit Pipelines heraus solidere Aussagen machen als ich. Es gibt ja verschiedene Prognosen von unabhängigen Experten, Expertinnen aus dem Unternehmen, die jetzt gerade öffentlich diskutiert werden. Entscheidend ist aber, dass die Planungen laufen, dass es nun möglichst rasch in eine konkrete Umsetzung geht.

Sie haben es gesagt: Die E-Control hat den Ausbau im Sommer genehmigt. Damit liegen die Voraussetzungen rechtlicher und finanzieller Natur nach dem GWG, also nach dem Gaswirtschaftsgesetz, vor, und damit auch die Verpflichtung des Leitungsbetreibers, zu bauen. Deswegen sind wir in laufendem Kontakt, um das tatsächlich in Umsetzung zu bringen, denn uns hilft nicht der Plan – uns hilft, wenn konkret Projekte eingereicht werden und wenn dann konkret Projekte auch gebaut werden. Aber wie gesagt: Unsererseits sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen. (Bundesrätin Miesenberger: Danke schön!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sie haben erwähnt, dass die Speicher noch nie so voll waren wie jetzt. Ja, es war aber auch noch nie so teuer wie jetzt, das muss man auch klar und deutlich sagen. Wenn ich auch anmerken darf: Russland hat uns das Gas bis heute noch nicht abgedreht.

Da jetzt ja im Raum steht, dass uns die Ukraine das Gas abdrehen könnte, meine Frage: Welche Sanktionen werden Sie in diesem Fall gegen die Ukraine setzen, gegen dieses schädliche Verhalten gegen uns Österreicher?



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Russland hat letztes Jahr einseitig Liefermengen gekürzt. Das ist in den Lieferstatistiken nachvollziehbar und nachlesbar. Die Anteile russischen Gases sind auch alle sehr transparent. Ich darf alle auf die famose Website energie.gv.at verweisen. Dort gibt es einen wirklich guten Überblick über die Energiesituation in unserem Land.

Der Transitvertrag ist ein Vertrag zwischen Gazprom und Naftogaz. Da gibt es zwei Vertragspartner, die zu Verhandlungen oder zu einem Ergebnis kommen müssen. Die aktuellen Gastransitverträge laufen noch bis Ende 2024.

Das heißt aber nicht – das können Sie auch den Aussagen der Gasexpertin der E-Control entnehmen –, dass die Gaspipeline technisch unbenutzbar ist. Das heißt nur, es gibt keinen langfristigen Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern. Es gibt aber andere Möglichkeiten, Gaspipelines zu nutzen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir haben schon darüber gesprochen, aber vielleicht wollen Sie dazu auch noch etwas ergänzen: Welche Rolle spielt jetzt noch einmal dieser WAG-Loop für unsere Versorgungssicherheit im Fall eines Lieferstopps?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es bei der ersten Frage und auch bei dieser schon beantwortet, deswegen mache ich es jetzt wirklich ganz kurz: Es ist ein wesentlicher Baustein zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Wir haben uns leider – historischer Fehler – in vergangenen Bundesregierungen, in


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der gesamten Energiepolitik völlig einseitig von Gaslieferungen aus Russland abhängig gemacht und dementsprechend auch die Infrastruktur in diese Richtung ausgerichtet. Das muss sich jetzt drehen.

Drehen heißt: Lieferungen aus Deutschland, Lieferungen aus dem Süden, aus Italien, und dafür ist der WAG-Loop ein wesentlicher Baustein, dass wir die Importkapazität insbesondere von norwegischem Pipelinegas und von Flüssig­gasimporten aus den Routen über Deutschland und Italien erhöhen können, denn der Weg über Überackern und Oberkappel ist aus österreichischer Sicht der schnellste und stabilste, auch im Hinblick auf eine spätere Wasserstoffversorgung.

Es gibt jetzt eine technische Grenze von 90 Terawattstunden pro Jahr, und durch die Auflösung dieses technischen Engpasses auf österreichischer Seite könnte dies deutlich erhöht werden. Damit ist auch klar, warum das für uns so eine Priorität hat. Es ist nicht die einzige Maßnahme, die es braucht, aber eine wesentliche. (Bundesrätin Huber: Danke!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch ich komme zurück auf die West-Austria-Gasleitung.

Eine Stellungnahme der Gas Connect Austria in einem „Kurier“-Artikel vom 6. November 2023 lässt erahnen, dass die Gas Connect Austria für die Umsetzung dieses Projektes alternative Finanzierungsformen wie zum Beispiel eine Staatsgarantie und eine Förderung zur Absicherung als notwendig erachtet.


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Daher meine Zusatzfrage: Verzögert die Gas Connect Austria aus Sicht des BMK die Realisierung des Projekts WAG-Loop bewusst, um eine staatliche Finan­zierung zu erwirken?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe erst gestern wieder ein Telefonat geführt, in dem mir zugesichert wurde, dass die Planungen auf Hochdruck laufen, und davon – wie formuliere ich das? – muss ich auf der einen Seite ausgehen: dass das auch tatsächlich passiert. Ich setze aber auf der anderen Seite auch alles daran, dass es auf den unterschiedlichsten Ebenen – auch auf der Expertenebene – passiert.

Ich glaube, in diesem Zeitraum ist es jetzt das Wichtigste, dass die Planungen auf Hochtouren laufen und da absolut keine Verzögerung eintritt. Deswegen habe ich mich ja so intensiv dafür eingesetzt, dass die E-Control alle Schritte setzt, auch um das Risiko rauszunehmen, um die Unterstützung für die Umsetzung zu geben.

Wie gesagt, mein Wissensstand ist, es wird auf Hochdruck geplant. The proof is in the pudding: Wann wird eingereicht?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1949/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Markus Steinmaurer, um die Verlesung der Anfrage. 10.24.12


Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin!

1949/M-BR/2023

„Haben Sie in Ihrem Ministerium finanzielle Rückstellungen wegen möglicher Entschädigungszahlungen an langjährige und erfahrene (Ex-)Mitarbeiter, die


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durch Ihre parteipolitisch gesteuerten Handlungen des Postenschachers geschädigt wurden, veranlasst?“


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zuerst möchte ich – und das werden Sie dann wahrscheinlich auch bei Ihrer Zusatzfrage hören – die in der Frage enthaltenen Unterstellungen zurückweisen – das sind nämlich nichts anderes als Unterstellungen. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Eh schon wissen!) Alle Besetzungen von Leitungsfunktionen und die Aufnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Ressort erfolgen ausnahmslos nach ausschreibungs- und dienstrechtlichen Vorschriften auf Basis der geltenden Rechtslage. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich möchte festhalten: Im Zusammenhang mit Besetzungen von Leitungs­funk­tionen im BMK ist es in dieser Gesetzgebungsperiode zu keinen Entschädi­gungszahlungen gekommen, folglich gibt es auch keine Rückstellungen für Entschädigungszahlungen.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Dem muss ich widersprechen, Frau Ministerin. Der Grünen-Slogan bei der Nationalratswahl lautete: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Die Grünen, eine Partei, die im Selbstverständnis für saubere Umwelt und saubere Politik steht? – Sicher nicht! (Bundesrat Schreuder: Frage stellen! – Ruf bei den Grünen: War das eine Frage?!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Die Zusatzfrage? – Bitte. (Bundesrat Schreuder: Frage stellen, es ist Fragestunde! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen. – Gegen­rufe bei der FPÖ: Du kannst schon die Frage stellen ...! Du bist aber nicht Präsident! Was ist mit dem los?! Falscher Film, oder was?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)



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Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Ihre Stellungnahme, Frau Ministerin, war am 19. Oktober im „Standard“ nachzulesen. Da nehmen Sie diese von Ihnen geforderte Gleichbehandlungskommission einfach zur Kenntnis, und das ist für uns kein Umgang mit einer Forderung, die von Ihnen gestellt wurde und der man auch nachgekommen ist.

Ich frage Sie noch einmal: Haben Sie in Ihrem Ministerium veranlasst, nachdem die von den Grünen immer geforderte Gleichbehandlungskommission bei Postenbesetzungen in Ihrem Ministerium Diskriminierung festgestellt hat, finanzielle Rückstellungen wegen möglicher Entschädigungszahlungen für ehemalige, erfahrene Mitarbeiter:innen in Ihrem Büro zu machen?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich darf noch einmal auch die in der wiederholten Frage enthaltenen Unterstellungen zurückweisen. (Bundesrat Steiner: Das ist keine Unterstellung! Tatsache! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich wiederhole: Die Besetzungen im BMK erfolgen ausnahmslos nach ausschreibungs- und dienstrechtlichen Vorschriften auf Basis der geltenden Rechtslage.

Dennoch gilt, egal ob im öffentlichen Sektor oder in der Privatwirtschaft: Der Personalbereich ist ein sensibler Bereich, deswegen gibt es verschiedene Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sich in Einzelfällen an externe Stellen oder die Gerichte zu wenden. Es ist wichtig und gut, dass es in Österreich all diese Möglichkeiten gibt. Als BMK nehmen wir eine jede solche Entscheidung selbstverständlich zur Kenntnis. Ich werde jetzt nicht einzelne gerichtliche Entscheidungen oder Gutachten kommentieren, wiederhole aber gerne: Es gibt keine Entschädigungszahlungen und deswegen auch keine Rückstellungen für Entschädigungszahlungen.



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Horst Schachner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatz­frage.


Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Wir haben im Zuge einer Bundesratssitzung draußen im Foyer einmal längere Zeit darüber gesprochen, was wir mit den GKB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern machen, dass die alle verunsichert sind und dass die alle nicht wissen, wie es im Absatzbetrieb weitergeht. Wir haben dann ausgemacht, dass wir einen Termin ausmachen.

Ich habe mehrmals bei Ihnen beziehungsweise im Ministerium anzurufen versucht, aber wir haben nach dreimaligem Versuchen noch immer keinen Termin bekommen, obwohl es geheißen hat, wir sollten einen Termin bekommen. Das ist meine Frage: Wieso ist das bis heute noch nicht geschehen? (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Geile Frage!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mein Wissensstand war: Es gab einen Termin mit dem Generalsekretär. Ich werde dem aber gerne noch einmal nach­gehen. (Bundesrat Schachner: Sie wissen, was wir ausgemacht haben!)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Inwieweit haben Sie sich in Ihrem Wirkungsbereich für Frauenförderungen einerseits und Diversität andererseits eingesetzt und Programme dafür entwickelt?


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für die Frage, denn das


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ist mir tatsächlich sehr, sehr wichtig. Es gibt im BMK rund 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir sind für 19 Beteiligungsunternehmen zuständig, und da ist es natürlich enorm wichtig, dass der Bund und in diesem Fall das BMK, das auch noch in einem Mint-Bereich, also in einem technischen Bereich, tätig ist, eine Vorbildrolle übernimmt.

Wir haben seit meinem Amtsantritt den Frauenanteil in meinem Ressort deutlich gesteigert. Wir sind derzeit auf 54 Prozent. Bei den Leitungsfunk­tionen im BMK, also bei den Sektionschefinnen und -chefs, haben wir es geschafft, von 100 Prozent Männern auf einen Frauenanteil von 50 Prozent zu kommen. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl von Netzwerken und Unterstützungs­maßnahmen, um Diversität im Ministerium zu fördern: Da gibt es ein selbstorganisiertes LGBTQIA-plus-Netzwerk – Bunter Bund heißt es –, das von Mitarbeitenden ins Leben gerufen wurde. Es gibt zur Förderung und Vernetzung von Frauen ein BMK-Frauennetzwerk, das von der  Stabsstelle für Gleichstellung und Diversität ins Leben gerufen wurde. Wir sind zusam­men mit internationalen Partnern und Partnerinnen, mit den Initiativen Equality in Energy Transitions und Women in Transport, für die Förderung in der Energieforschung sowie im Verkehrssektor tätig, und wir haben in den unterschied­lichen Bereichen – von der AG für Gender Mainstreaming/Budgeting, dem Girls’ Day bis hin zur Frauenförderung – vieles neu organisiert und neu struk­turiert, damit wir vor allem eine bessere Wirkung haben.

Wir sehen aber auch eines – und das ist die letzte Zahl, die ich erwähnen möchte; wenn man den politischen Willen hat, Gleichstellung herzustellen, dann sieht man das, dann sieht man das auch in den Zahlen –: Wir sind in Österreich allgemein noch weit unter dem EU-Schnitt betreffend Frauenanteil in Aufsichtsräten und Geschäftsführungen. In den Führungspositionen der BMK-Unternehmen gab es eine deutliche Steigerung: Bei meinem Amtsantritt lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten in BMK-Unternehmen bei


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38 Prozent, heute sind wir bei 57 Prozent. In 15 der 19 BMK-Unternehmen beträgt der Frauenanteil eben jetzt schon mehr als 40 Prozent – das ist das Ziel, das im Ministerratsvortrag für 2024 angestrebt wird. Das freut mich sehr, weil das hoch qualifizierte Frauen sind, die in schwierigen Zeiten Verantwortung für die Republik, für die Unternehmen übernehmen. Die Zusammenarbeit ist großartig, und das zeigt vor allem: Es gibt keine Ausrede, es nicht zu tun, weil es viele, viele hoch qualifizierte Frauen in unserem Land gibt, die Verantwortung übernehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1946/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Isabella Kaltenegger, um die Verlesung der Anfrage. 10.32.08


Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Thema Wasserstoff:

1946/M-BR/2023

„Bis wann können Unternehmen mit der Förderung für Erzeugungsanlagen mit einer Elektrolyseur-Leistung von 1GW, die in der Wasserstoffstrategie für Österreich angeführt ist, rechnen?“


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Es gibt jetzt eine sehr kurze Antwort: Die Verordnung, die eine derartige Förderung ermöglicht, ist im Ministerium fertig ausgearbeitet, ist derzeit in politischer Koordinierung, und ich hoffe, dass wir bald ein Agreement und eine Zustimmung des Koalitionspartners haben werden, dann kann sie nämlich in Begutachtung gehen.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.



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Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Ja bitte, und zwar: Mit der nationalen Wasserstoffproduktion können nur 10 Prozent des Gesamt­bedarfs an nötigem Ersatz für fossiles Gas abgedeckt werden. Wie lautet die notwendige Importstrategie Ihres Ministeriums und welche konkreten Abschlüsse gibt es mit den potenziellen Lieferländern?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Klar ist – und da haben Sie vollkommen recht –, auch wenn wir Wasserstoff gezielt einsetzen und nicht ver­schwenden, haben wir einen hohen Importbedarf. Wir werden das nicht durch Produk­tionskapazitäten in Österreich decken können. Das ist vergleichbar mit unserem Importbedarf an fossilem Erdgas, da decken wir auch circa 10 Prozent des Jahresbedarfs durch nationale Produktion. Wir intensivieren deswegen die Kooperation und die strategische Zusammenarbeit mit potenziellen Handelspart­nern für Wasserstoff, ganz konkret ist Nordafrika derzeit ein Schwerpunkt. Wir sind in Verhandlungen mit Tunesien und Ägypten für ein Memorandum of Understanding betreffend erneuerbaren Wasserstoff. Das ist die eine Seite, also die Aufbringung, der Energieträger selbst.

Auf der anderen Seite geht es um die Infrastruktur: Wir sind intensiv am Unterstützen des Auf- und Umbaus einer geeigneten Wasserstoffinfrastruktur, denn sonst kommen wir überhaupt nicht zu den Importen. Wir sind da als Binnenland leider mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Das betrifft – was tun wir konkret? – den Aufbau europäischer Wasserstoffkorridore, der da entscheidend ist.

Für Österreich ganz besonders wichtig ist der südliche Wasserstoffkorridor: Italien–Österreich–Deutschland. Dieser ist von der Europäischen Kommission auch als einer der drei großen Importkorridore identifiziert worden. Wir haben eine trilaterale Arbeitsgruppe initiiert, gemeinsam mit Deutschland und Italien, die ein abgestimmtes Vorgehen sowohl auf regionaler als auch auf europäischer


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Ebene möglich macht. Da sind nicht nur die Nationalstaaten vertreten, sondern auch die Fernleitungsnetzbetreiber und die Regulatoren. Dort beschäftigt man sich intensiv mit den notwendigen Projekten und allem, was dazugehört. Wir haben die österreichischen Projekte der GCA, also der Gas Connect Austria, und der TAG im Rahmen ihrer Bewerbung als Projects of Common Interest auf europäischer Ebene aktiv unterstützt, damit wir – mit vielen dieser Schritte – am europäischen und internationalen Wasserstoffmarkt, der gerade entsteht, eben bestmöglich integriert sein können.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Michael Wanner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Frau Ministerin! Die alternativen Energiequellen, insbesondere die erneuerbaren, stellen einen zentralen Baustein zur Absicherung gegen Krisenszenarien dar, zum Beispiel einem Blackout.

Was tun Sie beziehungsweise Ihr Ministerium in Anbetracht möglicher Energiekrisen, einer Energieknappheit, um die Bevölkerung in Österreich vor einem Blackout zu schützen?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte zu Beginn dieser Debatte eines voranstellen: Österreich hat eines der sichersten und auch ausfallsichersten Stromsysteme der Welt, und wir tun alles, damit das so bleibt und sich eben nicht ändert.

Wir haben im letzten Jahr mit dem österreichischen Regulator und mit dem Netzbetreiber auch im Strombereich diverse Szenarien gerechnet, und selbst im letzten Jahr – der Energiekrise, der erhöhten Abhängigkeit und Vulnerabilität – hat sich gezeigt: Unser Stromsystem ist sicher und kann mit Krisensituationen umgehen; wir haben auch letztes Jahr kein erhöhtes Blackoutrisiko gehabt.


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Trotzdem gilt es natürlich, auf vielen Ebenen dafür zu sorgen, dass das genau so bleibt. Das bedeutet einerseits Ausbau der erneuerbaren Energie und auch, einen Fokus darauf zu setzen, dass diese netzdienlich und lokal verbraucht wird. Das machen wir mit dem Fokus auf Energiegemeinschaften, um ein Beispiel zu nennen. Wir fördern und unterstützen alles, was Flexibilität und Strom­speicherung ermöglicht. Ich freue mich – ich hatte gerade gestern Besuch –, dass Oberösterreich ein neues Pumpspeicherkraftwerk hat, aber wir unterstützen auch Batteriespeicher, stationäre Batteriespeicher, Heimspeicher und alles, was Flexibilität im Netz ermöglicht.

Der dritte Punkt ist natürlich der Netzausbau. Unser Netz ist in die Jahre gekommen, also ganz viele Leitungen sind einfach im Reinvestitionszyklus, den es sowieso gibt. Dazu kommen die Anforderungen der Digitalisierung, dazu kommen die Anforderungen der Dezentralisierung; natürlich, wir stellen von ein paar großen Kraftwerken auf ein sehr dezentrales Stromsystem um. Auch da sind wir intensiv dran, zum Beispiel mit einer Novelle des Elektrizitätswirt­schafts­gesetzes, auf den unterschiedlichsten Ebenen den Netzausbau zu unter­stützen. Mit dem österreichischen Netzinfrastrukturplan, der gerade in Fertig­stellung ist – er war schon in Konsultation –, stellen wir erstmals ein Gesamtbild der notwendigen Netzinfrastruktur für die Energiewende zur Verfügung.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bun­desrat Klemens Kofler zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich hätte eine Frage, und zwar: Wie viele Projekte sind da bereits eingereicht worden beziehungsweise in Bau? Was ist da für ein Gesamtvolumen an in Wasserstoff gespeicherter Energie zu erwarten? Was würde dann die Kilowattstunde kosten?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Ministerin.



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Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die genaue Anzahl der Projekte kann ich Ihnen jetzt nicht nennen; ich kann Ihnen kursorisch Beispiele von Investitionen, die von Unternehmen bereits getätigt werden oder getätigt wurden, nennen, aber die Zahl muss ich Ihnen nachreichen, weil da ja nicht das Ministerium baut, sondern eben private Akteure, Akteurinnen. Ich werde schauen, ob wir im Ministerium eine Zahl für Sie haben.

Die Kostenkurve ist wie bei allen anderen erneuerbaren Energieträgern stark degressiv. Wenn man sich das anschaut: Die Kostenentwicklung bei der Fotovoltaik geht massiv nach unten, dieselbe Kurve haben wir bei allen Technologien, aber da sind wir beim Wasserstoff natürlich am Beginn der Reise, das ist völlig klar. Die Zahlen muss ich Ihnen aber nachliefern; also ich muss schauen, ob wir sie erheben können, das kann ich aus dem Stand nicht beantworten.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sie haben jetzt eh schon viel zur Importstrategie gesagt, was Wasserstoff betrifft, mich würde aber noch interessieren, welche weiteren besonders wichtigen Maßnahmen in der österreichischen Wasser­stoffstrategie verankert und auch in Umsetzung sind.


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Wir haben mit der Wasserstoffstrategie erstmals einen Blick auf die gesamte Wasserstoffwert­schöpfungskette, also von Aufbringung über Nachfrage bis hin zur Infrastruktur, zu Forschung und Markteinführung, und diesbezüglich schon


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etliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. – Ich nenne jetzt nur ein paar Leuchttürme.

Schauen wir zuerst auf die Aufbringungsseite, die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff: Wir unterstützen einerseits Ipcei, also Important Projects of Common European Interest, zum Thema Wasserstoff. Die Investitionsförderung für Elektrolyseanlagen habe ich vorhin schon erwähnt. Wir hoffen, dass wir damit rasch in Begutachtung gehen können. Auch das Grüngasgesetz mit einer Grüngasquote wird die Erzeugung und den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff positiv beeinflussen. – Das ist die Aufbringungsseite.

Gleichzeitig fördern wir die Nachfrageseite. Das vorhin schon erwähnte Programm Transformation der Industrie führt dazu, dass die energieintensive Industrie, in der Wasserstoff oftmals die einzige Option, zu dekarbonisieren, ist, auch tatsächlich umstellt und damit eine stabile Nachfrage für die Aufbringungsseite geschaffen wird. Auch in der regulären Umweltförderung haben wir Mittel für Elektrolyseurprojekte bereitgestellt.

Es gibt einen dritten Bereich: die notwendige Infrastruktur. Da haben wir im gerade erwähnten Netzinfrastrukturplan auch schon Wasserstoff mitbeachtet und mitbehandelt. Warum? – Weil sich damit Erzeugungs- und Ver­brauchszentren verändern, die Leitungskapazitäten und -notwendigkeiten verändern. Wir haben auch eine umfassende Studie zur Rolle der Gas­infrastruktur und der zukünftigen Rolle der Gasinfrastruktur veröffentlicht. Wir sind uns aber sehr bewusst, dass gerade bei der Gasinfrastruktur die Aufgabe besteht, auf europäischer Ebene zu guten Regelungen zu kommen, denn das ist kein nationales, sondern ein europäisches Thema. Da arbeiten wir inten­siv mit.

Auch im Bereich Forschung und Entwicklung werden wir in den FTI-Maß­nahmen 2024 da einen Schwerpunkt setzen.


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Das sind ein paar der Maßnahmen, die wir bei Forschung, Aufbringung, Transport und Verbrauch setzen. Was mich aber besonders freut, ist, dass es gelungen ist – das klingt banal, ist aber wichtig –, mit der Hydrogen Partnership Austria, Hypa, eine gemeinsame Plattform aller Akteure – öffent­liche Hand, Wirtschaft, Forschung und Gesamtgesellschaft –, eine zentrale Anlaufstelle zu haben und das dort zu bündeln. Deswegen auch noch einmal: Danke an Wolfgang Anzengruber, der dort im Beirat den Vorsitz übernommen hat.

Es ist, glaube ich, wichtig, dass wir in diesem Bereich unsere Energien bündeln. Wir wollen auch in Zukunft über die Umsetzungsfortschritte in der Wasser­stoffstrategie berichten.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur 9. Anfrage, 1952/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Daniel Schmid, um die Verlesung der Anfrage. 10.43.43


Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin!

1952/M-BR/2023

„Sie hätten beginnend ab 2024 die Möglichkeit 200 Euro pro Tonne CO2 in die LKW-Maut einzupreisen und damit auch die Verkehre entsprechend des Modal Split zu Gunsten der Bahn zu fördern – aus welchen Gründen haben Sie das nicht umgesetzt, während in Deutschland 200 Euro eingepreist wurden?“


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben ja im Bundesrat als einen der nächsten Tagesordnungspunkte genau diese Umsetzung, nämlich die Öko­logisierung der fahrleistungsabhängigen Maut in Österreich, in der Diskussion.


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In diesem Sinne werden erstmals – wir haben gerade die Wegekostenrichtlinie diskutiert, und das ermöglicht uns die Wegekostenrichtlinie – CO2-Emis­sionen bei der Festlegung der Mauttarife berücksichtigt. Das ist ein wichtiger Schritt, damit zahlt sich auch der Umstieg auf emissionsfreie Lkws noch einmal deutlicher aus, den wir ja aus einem anderen Programm heraus fördern. Die Einnahmen, die wir dadurch erzielen, können wir zur nachhaltigen Gestaltung des Verkehrs einsetzen, zum Beispiel für E-Mobilität. Ein Teil der Förderung wird auch aus diesem Topf finanziert.

Zum Vergleich – wir werden es dann noch im Detail diskutieren –: In Österreich haben wir uns entschieden, dass wir die Tarife in drei Stufen erhöhen und das anlasten. Ich möchte zum Vergleich mit Deutschland schon eines sagen: Die Lkw-Maut in Österreich ist derzeit auf einem beachtlichen Niveau, nämlich auf 44 Cent pro Kilometer für einen Standard-Lkw, wenn man den hernimmt. In Deutschland ist sie aktuell bei 19 Cent.

Ich freue mich, dass der deutsche Kollege einmal nachzieht und da einen Schritt setzt. Er nutzt das Instrument, das ihm jetzt zur Verfügung steht. Auch 2024 werden unsere Mauttarife aber deutlich über den deutschen liegen. 2024 liegen sie in Österreich bei 47 Cent, in Deutschland bei 34,8 Cent. Wir haben auch da nach wie vor einen deutlichen Vorsprung zu Deutschland. Wir sehen eben die stufenweise Anlastung vor, und das bedeutet, diese Zahl erhöht sich in den Jahren 2025 und 2026 noch einmal.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Es pressiert, werte Frau Ministerin! Wie stehen Sie dazu, dass die ÖBB als ein vom österreichischen Steuerzahler finanziertes Unternehmen in Ungarn Personal ausbilden lassen und dieses Personal mit dem kommenden Fahrplanwechsel österreichische Züge in Österreich führen soll?


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Die ÖBB vertreten diesbezüglich die Meinung, dass dies auch zu ungarischen Löhnen geschehen sollte. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Halten Sie das für vertretbar? Ist es Ihr Ziel als Eigentümervertreterin, dass ungarische Arbeitsplätze mit österreichischem Steuergeld finanziert werden und zudem Lohn- und Sozialdum­ping durch ein Staatsunternehmen betrieben wird? (Bundesrat Steiner: Gute Frage!)


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich kenne jetzt die Details der Entschei­dung innerhalb der ÖBB nicht, und ich mische mich auch nicht in die operativen Entscheidungen eines Unternehmens ein – das ist auch nicht meine Aufgabe. Insofern kann ich jetzt auch keinen Kommentar zu dieser operativen Entscheidung abgeben.

Ich weiß aber, dass die ÖBB ein verantwortungsvoller, sozial verantwortungs­voller, arbeitsrechtlich verantwortungsvoller Arbeitgeber, einer der großen Lehrlingsausbilder dieser Republik sind – das unterstützen wir auch –, und deswegen bin ich mir sicher, dass die Entscheidungen innerhalb des Konzerns auch unter genau diesem Blickwinkel getroffen werden.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Andrea Gitschthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Als Salzburgerin ist mir natürlich die A 10 ein großes Anliegen; sie wird ja dann auch bei der Debatte zum Bundesstraßen-Mautgesetz noch besprochen und erwähnt. Da geht es zum Beispiel um die Möglichkeit des Querfinanzierungszuschlages für den Süden ab der Anschlussstelle Salzburg Süd als Beitrag zur Finanzierung der Stadtregionalbahn zwischen Hallein und der Stadt Salzburg und darum, wie Sie dazu stehen.


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Noch wichtiger ist mir natürlich diese aktuelle Situation: A 10 als Brennpunkt aufgrund der Tunnelsanierung. Es hat dazu schon Gespräche mit unserem Landeshauptmannstellvertreter Stefan Schnöll gegeben. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Bevölkerung an der Tauernautobahn, A 10, zu entlasten?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich verstehe, Staus und Verzögerungen sind für niemanden erfreulich, und ich verstehe auch, dass es also eine unangenehme Situation ist, ganz egal, wo eine Baustelle ist oder aus welchem Grund sie notwendig ist. In dem Bereich geht es um auch eine sicherheits­technische Ausrüstung der Tunnelkette.

Bei Projekten mit dieser Größenordnung schaut die Asfinag natürlich immer sehr intensiv darauf, dass sie sie mit allen Beteiligten bestmöglich vorbereitet. Das ist auch da auf der Landesebene, auf der lokalen Ebene passiert. Diese Ebenen waren in die Planungen zu dieser Tunnelsanierung intensiv miteingebunden. Deswegen wurden schon im Vorfeld zahlreiche Maßnahmen ergriffen.

Die Asfinag hat aber auch immer gesagt – und auch ich in meiner allerersten Stellungnahme –: Jedes Optimierungspotenzial, das wir haben, werden wir nützen. Deswegen freue ich mich, dass wir auch in einem Gespräch mit den Bürgermeistern – in dem Fall – und mit dem Landesrat wesentliche Schritte zur Umsetzung von weiteren Maßnahmen auf den Weg gebracht haben.

Was ist das? – Erstens: Das Land wird Abfahrtssperren auf der Autobahn beantragen. Die muss das Land beantragen, und das Ministerium wird sie dann natürlich rasch verordnen. Die Asfinag hat bereits im letzten Sommer Personal für diese Kontrollen bereitgestellt und wird das natürlich, wie im letzten Sommer, wieder tun.


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Zweitens: An verkehrsstarken Tagen wird ein punktuelles Lkw-Fahrverbot verordnet. Die Asfinag wird dazu die notwendigen Verkehrsanalysen durch­füh­ren, und auf dieser Basis wollen wir dann einen Plan einmal bis Ostern 2024 erstellen, in dem die verkehrsstarken Tage festgelegt sind. Auch dazu wird das Ministerium eine Verordnung erlassen.

Das allgemeine Lkw-Fahrverbot an den Wochenenden wird ausgeweitet. Es gilt in Zukunft am Samstag bereits ab 7 Uhr, denn damit nehmen wir den Druck aus den reisestarken Wochenenden, an denen man damit den Lkw-Verkehr vollständig vermeiden kann. Auch diese Maßnahme braucht eine entsprechende Verordnung, und da ist die Umsetzung für spätestens Anfang Dezember geplant.

Wir hoffen, dass das weitere Schritte sind, um die Situation vor Ort zu entspannen. Niemand kann die Baustelle wegzaubern, das ist leider eine notwendige Sanierung, aber alle Akteure und Akteurinnen sind bemüht, sie bestmöglich abzuwickeln.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundes­rat Michael Bernard zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Minister, in Österreich werden 609 480 000 Tonnen auf der Straße transportiert, auf der Schiene 102 233 000 Tonnen, mit Schiffen über die Donau 8 271 000 Tonnen, über die Rohrfernleitungen 64 635 000 Tonnen und über den Luftweg 221 Mil­lio­nen Tonnen.

Wenn jetzt laut Hauptfrage die Steuerungsmaßnahme hinsichtlich des Modal Splits noch mehr von der Straße zur Schiene gehen soll, ist meine Frage: Wenn es derzeit schon mit dem Personenverkehr, mit der Kapazität auf den Schienen jede Menge Probleme gibt, wie wollen Sie umsetzen, dass eben noch mehr Güter auf der Schiene transportiert werden?


Vizepräsidentin Margit Göll: Frau Bundesministerin, bitte.



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Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank – das ist tatsächlich einer der Schwerpunkte unserer Verkehrspolitik. Wir haben in Österreich Gott sei Dank einen guten Standard, auf dem man aufbauen kann, auch im euro­päi­schen Vergleich. Im Modal Split betrug der Schienenanteil im Jahr 2021 in Österreich 29,6 Prozent. Wir haben uns mit dem Mobilitätsmasterplan und auch im Einklang mit Maßnahmen auf der EU-Ebene vorgenommen, diesen Anteil zu steigern. Bei dem, was wir national machen können, schaffen wir es auf 34 Prozent, im EU-Gleichklang schaffen wir es auf 40 Prozent.

Natürlich ist das eine Herausforderung – viele der Themen haben wir schon diskutiert –, deswegen unterstützen wir es auch intensiv. Wir stellen ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Unterstützung des Schienengüterverkehrs mit verschiedenen Förderungen für die Manipulation und die Abwicklung bereit, aber vor allem auch – denn darum geht es ja: Kapazität der Infrastruk­tur – für die Frage der Anschluss- und Terminalförderungen, also zusätzliche Anschlussbahnen, zusätzliche Betriebsanschlüsse.

Wir haben im Rahmenplan der ÖBB auch einen Schwerpunkt darauf gesetzt, dass wir den Güterverkehr nicht aus dem Blick verlieren, ganz im Gegenteil: Zum Beispiel mit güterzuglangen Überholgleisen stellen wir sicher, dass wir die Abwicklung erleichtern können.

Das Dritte: Ein wesentlicher Faktor zur Steigerung der Kapazität auf der bestehenden Infrastruktur – Güter wie Personen – ist die Digitalisierung. Deswegen ist die Einführung des ETCS-Systems, also der digitalen Zug­steuerung, so wichtig, weil es die Steigerung der Kapazität auf der bestehenden Infrastruktur ermöglicht. Das geht im Güterverkehr hin bis zur Frage der digitalen Kupplung, bei der wir gerade auch intensiv dabei sind, uns mit unseren Nachbarländern Deutschland und Schweiz gut abzustimmen, damit wir auch die Manipulation im Güterverkehr einfacher und schneller machen. All das führt zu einer besseren und sichereren Auslastung der bestehenden Infra­struktur.



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Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre langen Antworten! Als letzte Fragestellerin – es ist schon viel wiederholt worden – habe ich eine kurze Frage: Wie viele Einnahmen erwartet sich der Bund aus der neu eingeführten CO2-Lkw-Maut? Sie haben es schon gesagt, sie wird für E-Mobilität verwendet, aber vielleicht wollen Sie noch ein, zwei Sätze dazu sagen.


Vizepräsidentin Margit Göll: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Gerne – die Einnahmen aus der Anlastung externer Kosten für CO2 werden für das Jahr 2024 mit 138,3 Millio­nen Euro geschätzt und steigen dann schrittweise: 2025 auf 228,8 Millionen Euro, 2026 auf 319,7 Millionen Euro. Sie werden zur nachhaltigen Gestaltung des Verkehrs eingesetzt, also das heißt E-Mobilität, aktive Mobilität und Verkehrsdiensteverträge – das sind Beispiele dafür –, und genau für diese drei Bereiche werden wir 2024 die Einnahmen einsetzen.

Derzeit ist die Abbildung so, dass wir in der E-Mobilität 90 Millionen Euro, in der aktiven Mobilität 30 Millionen Euro und bei den Verkehrsdiensteverträgen 50 Millionen Euro aus diesen CO2-Anlastungseinnahmen, die in die nachhaltige Gestaltung der Mobilität gehen, einsetzen.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zur 10. und letzten Anfrage, 1947/M-BR/2023, und ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Sandra Lassnig, um die Verlesung der Anfrage. 10.56.41


Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin!


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1947/M-BR/2023

„Welche Schritte werden Sie auf europäischer Ebene setzen, um die Senkung des Schutzstatus des Wolfes zu erreichen?“


Vizepräsidentin Margit Göll: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zunächst muss man zu dieser Frage sagen, dass nur die Europäische Kommission das Recht hat, einen Vorschlag zu einer allfälligen Änderung der EU-Rechtslage und somit der hier betroffenen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie einzubringen – das Initiativmonopol der Kommission. Wir haben – jetzt antworte ich ganz kurz aus einer parteipolitischen Sicht – als Grüne immer gefordert, dass sich das ändert, aber das ist der Status quo: Es gibt ein Initiativmonopol der Kommission.

Die Kommission hat gerade eine Konsultation zur Überprüfung der Sachlage durchgeführt, die ist am Laufen. Es sind 17 000 Meldungen aus ganz Europa eingelangt. Diese Meldungen werden derzeit von der Kommission überprüft und bewertet. Erst danach wird klar sein, inwieweit sich für die Kommission ein Bedarf nach einer Änderung der Rechtslage zeigt.

Klar ist aber auch, dass der Wolf nach Ansicht der meisten Expertinnen und Experten in Österreich derzeit in keinem günstigen Erhaltungszustand ist – das ist ja die Messlatte der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Mir ist aber bewusst, dass das natürlich ein hochsensibles Thema ist. Das heißt für uns – das wissen wir –: Fakt ist, der Wolf wird nicht mehr verschwinden. Er ist als Wildtier in Österreich wieder heimisch. Das heißt, wir müssen jetzt die Voraussetzungen für gezielte Maßnahmen schaffen, abgestimmt auf den jeweiligen Betrieb, um Schaden zu verringern, um entstandene Schäden abzugelten, aber – auch das möchte ich sagen – schon in der jetzigen Rechtslage ist die Entnahme einzelner Tiere ein Teil der Palette an Maßnahmen, die man in letzter Konsequenz setzen kann.


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Wir werden im BMK jedenfalls unser Bestmögliches tun, um weiterhin kons­truktiv an einer zufriedenstellenden Lösung zu arbeiten, wie man die Koexistenz von Almwirtschaft und großen Beutegreifern gut ermöglichen kann. Dafür, für diese gute Koexistenz, werde ich natürlich auch auf europäischer Ebene arbeiten.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?


Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Nein, danke.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen, aber auch zur Vorrednerin, halte ich die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für eine Großtat der Euro­päischen Union, weil sonst schon sehr viele Tiere und Pflanzen ausgestorben wären. Ich halte nach wie vor den Wolf für ein schützenswertes Tier, das immer schon in Europa heimisch war, und es gibt in den letzten 200 Jahren kein einziges Beispiel dafür, dass der Wolf und der Mensch in einen Konflikt geraten sind. Das heißt, da wird auch ganz viel Hysterie geschürt. (Bundesrat Steiner: Das sagt ein Wiener! – Ruf bei der ÖVP: Ein Tiroler! – Bundesrat Spanring: In Schönbrunn gibt es kein ...! – Bundesrat Steiner: In Schönbrunn gibt es kein Prob­lem! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Was ist mit der Frage? Bitte um die Frage!


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Daher lautet meine Frage: Werden Sie in den Verhandlungen mit der Kommission für die Aufrechterhaltung dieser Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eintreten?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Selbstverständlich! Falls es da jetzt


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Missverständnisse gegeben hat: Ich halte die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für einen der zentralen Pflöcke des europäischen Naturschutzrechtes bezie­hungsweise für einen der zentralen Garanten dafür, dass wir eine intakte Biodiversität oder Wiederherstellung von Biodiversität auf diesem Kontinent erleben, was die Fauna, die Flora und die Habitate betrifft.

Ich habe vorhin auch gesagt: Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig, dass bei vielen der in den Annexen gelisteten Tiere – und wie gesagt auch beim Wolf – noch kein günstiger Erhaltungszustand besteht. Im Hinblick darauf sage ich in dieser Debatte ganz oft: Es hilft, wenn wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich eine gute Koexistenz von Beutegreifern und Bewirtschaftung, am meisten, wenn wir diese Debatte sehr sachlich und nicht emotional führen.

Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs ist zum Beispiel eine Einrichtung, die das wirklich hervorragend macht und in diesem Zusammenhang Unterstützungs- und Kommunikationsleistungen anbietet. – Ich kann wirklich allen nur empfehlen, sich damit zu beschäftigen.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Minister! Welche Schutzmaßnahmen wurden bisher ergriffen, um Nutztiere vor Übergriffen zu schützen, und wie bewerten Sie die Effektivität der bisher ergriffenen Maßnahmen?


Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Schutzmaßnahmen werden ja auf Betriebsebene gesetzt, wenn es um Herdenschutzmaßnahmen im konkreten


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Sinn geht. Klar ist aber – ich sage es jetzt noch einmal –, dass die Rück­kehr des Wolfes nach Österreich zu viel Verunsicherung geführt hat. Das zeigt sich auch an der Emotionalität der Debatte. Deswegen sind wir in Österreich mit der Aufnahme von Herdenschutzmaßnahmen und bei manchen diesbezüglichen Themen noch nicht ganz so weit wie andere Länder.

Man muss sich das aber auf Betriebsebene anschauen. Da gibt es auch für die unterschiedlichen Bewirtschaftungsarten kein One-size-fits-all. Deswegen war es mir auch ein Anliegen, den Herrn Landwirtschaftsminister bei den Budget­verhandlungen zu unterstützen, dass wir die finanziellen Mittel für heimische Bäuerinnen und Bauern erhöhen, um auch Herdenschutzmaßnahmen umsetzen zu können.


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Simone Jagl zu Wort gemeldet. – Ich bitte um ihre Zusatzfrage.


Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Wolf war bis zu seiner drastischen Dezimierung im 17. und 18. Jahrhundert neben dem Menschen das auf der Erde am häufigsten lebende Säugetier. Seit der Unterschutzstellung im 20. Jahrhundert hat sich die Population wieder erfangen. – Dadurch, dass sich Österreich inmitten fünf wichtiger Standorte von Wolfspopulationen befindet, hat gerade Österreich eine wichtige Rolle, weil auf unserem Gebiet eine Vermischung dieser Populationen stattfindet und damit ein natürlicher Genaustausch stattfindet.

Ich weiß, dass Sie vorhin schon ein bisschen darauf eingegangen sind, stelle jetzt aber trotzdem die Frage: Gibt es noch konkrete Schritte, die alle Bewirt­schafter:innen und Viehhalter:innen setzen beziehungsweise umsetzen können? Welche Schritte sind notwendig, damit diese langfristig und vor allem auch nachhaltig mit den Herausforderungen umgehen können, die die Rückkehr des Wolfes in Österreich eindeutig mit sich gebracht hat.



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Vizepräsidentin Margit Göll: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe tatsächlich schon einiges auch bei der Beantwortung der vorhergehenden Frage angesprochen, komme jetzt aber noch einmal auf die formalen Zuständigkeiten zu sprechen: Der Herdenschutz und die Herdenschutzmaßnahmen fallen nicht in die Zuständigkeit des Klimaschutzministeriums, sondern des Landwirtschaftsministeriums. Außerdem besteht Länderzuständigkeit. Dort gibt es derzeit einen Schwerpunkt auf Herdenschutzmaßnahmen, der sich zurzeit aber sehr stark auf die Zäunung und den damit einhergehenden Schutz von Heim- und Talweiden bezieht. Einen Leitfaden dazu gibt es auch beim Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs, das ich gerade vorhin erwähnt habe.

Die nächste große Herausforderung besteht jetzt in der Frage der Alpung der Nutztiere unter Führung und Aufsicht, also in der Frage: Wie kommen wir wieder zu einer beaufsichtigten Alpung der Nutztiere? – Ohne Zweifel ist das eine schwierige, aber sehr wesentliche Aufgabe. Die Lösung der Fragen im Hinblick auf Hirten und Hirtinnen, Hirtenhunde, Herdenschutzhunde, Hütten­hunde, Weideführung mit Hirten und Hirtinnen et cetera ist ohne Zweifel eine riesige Aufgabe, aber ein wichtiger Pfeiler für eine konfliktarme Koexistenz.

Herdenschutz wird auch von den Bundesländern gefördert. Die Bundesländer entschädigen auch bei Rissen. Insofern müssen wir, glaube ich, wirklich auch aus den Erfahrungen anderer Länder lernen. Herdenschutz funktioniert mit zunehmender Erfahrung immer besser. Das kann man unter anderem auch auf der Website der Tiroler Landesregierung nachlesen. Dazu gibt es dort auch ein gutes Beispiel.


Vizepräsidentin Margit Göll: Die Fragestunde ist beendet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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11.06.38Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Margit Göll: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortung,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Wirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage 1) (siehe auch S. 20)

2. Schreiben der Landtage

Schreiben des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 2)


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Schreiben des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 3)

3. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz über österreichische Beiträge an internationale Finanzinstitutionen (IFI-Beitragsgesetz 2023) (2199 d.B. und 2236 d.B.)

4. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. am 8. und 9. November 2023 in Belgien (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Landesverteidigungsbericht 2023 gemäß Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG), vorgelegt von der Bundesministerin für Landesverteidigung (III-830-BR/2023)

zugewiesen dem Landesverteidigungsausschuss

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Vizepräsidentin Margit Göll: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Margit Göll: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 19 und 20 sowie 24 bis 26 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

11.08.421. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden (2204 d.B. und 2251 d.B. sowie 11333/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird (3535/A und 2252 d.B. sowie 11334/BR d.B.)


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3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (3536/A und 2253 d.B. sowie 11335/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 1 bis 3 ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um die Berichte.


11.09.37

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Geschätzte Frau Präsidentin! Ich darf Ihnen ein Bündel an Berichten aus dem Verkehrsausschuss zur Kenntnis bringen.

Die Berichte liegen Ihnen jeweils vor.

Erstens bringe ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zweitens bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Drittens bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Daniel Schmid. Ich erteile ihm das Wort.


11.10.55

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Der vorliegende Gesetzesvorschlag setzt im Wesentlichen die neuen Bestimmungen der Wegekostenrichtlinie der Europäischen Union um.

Grundsätzlich sind die Ziele der neuen Wegekostenrichtlinie ja auch zu begrüßen, denn erstmals können Mitgliedstaaten beim Lkw-Verkehr Maßnah­men setzen, um die notwendige CO2-Reduzierung zu forcieren und um das Verkehrsaufkommen einzudämmen. Möglich wird das unter anderem durch einen CO2-Zuschlag, welcher maximal 200 Euro pro Tonne CO2 betragen darf.

Jetzt würde man annehmen, dass diese Bundesregierung unter grüner Regierungsbeteiligung – noch dazu, wo ja die Grünen das Ressort Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität et cetera innehaben – diese Chance auch nützt. Nein, Frau Ministerin, das tut diese Bundesregierung nicht. Stattdessen wird eine Regierungsvorlage präsentiert, mit der nicht einmal ein Wert von 70 Euro pro Tonne CO2 erreicht wird. Ich möchte noch einmal für alle festhalten: Möglich wären 200 Euro. Deutschland wird ab 1. Dezember diese möglichen 200 Euro auch einheben.


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Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus der Stellungnahme der Abteilung Verfassungsdienst des Landes Tirol an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 13.9.2023 zu zitieren. Ich zitiere:

„Dem Grundgedanken des Verursacherprinzips folgend, sollten zur Herstellung von Kostenwahrheit sämtliche unionsrechtlich zulässige Regelungsmöglich­keiten ausgeschöpft werden.“ – Zitatende.

Geschätzte Frau Ministerin, weshalb schöpfen Sie die unionsrechtlich zulässigen Regelungsmöglichkeiten nicht aus? Ihr Gesetzesvorschlag ist sehr enttäuschend und liegt weit hinter den Tiroler Erwartungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Ministerin! Es geht vor allem um die Herstellung der so notwendigen Kostenwahrheit zwischen der Schiene und der Straße. Es geht darum, endlich eine Chancengleichheit zwischen dem Güterverkehr auf der Schiene und dem Güterverkehr auf der Straße zu gewährleisten. Diese Chancengleichheit ist durch den zu geringen CO2-Zuschlag und weitere Faktoren nicht gegeben.

In Tirol verlieren wir auf der Schiene, gerade im Einzelwagenladungsverkehr, kontinuierlich weiter an Tonnenkilometern. So verzeichneten wir im Vorjahr beim Güterumschlag auf der Schiene ein Minus von knapp 15 Prozent. Der Hauptanteil entfällt aber auf die Rollende Landstraße, auch RoLa genannt. Bei ihr brach der Güterumschlag um satte 21 Prozent ein. Der Modal Split – das ist nichts anderes als das Verhältnis zwischen Straße und Schiene – am Brenner ist neuerlich am Sinken. Verfügbare Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen ein Straße-zu-Schiene-Verhältnis von 73 zu 27 Prozent. Im Jahr 2022 hatten wir in Tirol über zweieinhalb Millionen Transit-Lkws am Brenner. Das entspricht einem Plus von 2 Prozent.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Entwicklung ist gerade für Tirol katastrophal, vor allem, wenn ich an die anstehende Sanierung der Luegbrücke denke, und die Schmerzgrenze der Bevölkerung ist ja jetzt schon erreicht.

Frau Ministerin, derzeit liegt ja der Modalanteil im Schienengüterverkehr bei rund 28 Prozent. Gemäß Ihrem Masterplan Güterverkehr 2030 möchten Sie einen Modalanteil von bis zu 40 Prozent erreichen, was ich irrsinnig begrüße, aber dafür bräuchte es dringend umfangreichere Maßnahmen. Allein mit der derzeitigen Schienengüterverkehrsproblematik bei den ÖBB droht uns eine Verlagerung der Güter von der Schiene auf die Straße von etwa 500 000, also einer halben Million Lkws. Wir sprechen hier von einer CO2-Emission im sechsstelligen Tonnenbereich.

Frau Ministerin, ich denke, all das wissen Sie. Sie wissen das und lenken meines Erachtens nicht richtig oder nicht im richtigen Ausmaß dagegen.

Wir verschenken bei gleichbleibendem Verkehr bis 2026 1,4 Milliarden Euro an mehrheitlich ausländische Unternehmen, denn zwei Drittel aller Lkw-Kilometer stammen von ausländischen Frächtern, und das nur, weil Österreich den unionsrechtlichen Handlungsspielraum nicht maximal ausnützt. Mit diesen Milliardenbeträgen könnten wir beispielsweise eine Verlade­förderung etablieren und Güter von der Straße auf die Schiene verlagern. Wir könnten die Logistikketten wieder österreichischer und auch ökologischer machen.

Stattdessen – seien Sie mir jetzt nicht böse, Frau Ministerin – habe ich das Gefühl, dass Sie einen Kniefall vor der Frächterlobby machen. (Beifall bei der SPÖ.) Und Sie unterminieren gerade die von der Tiroler Landesregierung bereits gesetzten Maßnahmen. Ich behaupte mal, Ihre Parteikolleginnen und Partei­kollegen von den Tiroler Grünen freuen sich auch nicht sehr darüber.

Ich frage Sie: Wie wollen Sie denn so sicherstellen, dass eine umfangreiche Verlagerung von der Straße auf die Schiene langfristig überhaupt gelingen kann?


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Welche Schritte werden Sie Ihrerseits setzen, um die Tiroler Bevölkerung endlich vor der so unerträglichen Verkehrslawine zu schützen?

Die vorliegende Einigung zur Wegekostenrichtlinie ist für mich, ist für das Bundesland Tirol enttäuschend. Namhafte Experten wie zum Beispiel der Europarechtsexperte Walter Obwexer und andere sehen durch diese Novelle eine zunehmende Verkehrsbedrohung für das Bundesland Tirol und die Benachteiligung des Schienengüterverkehrs.

Tirol muss die heimische Bevölkerung schützen, da darf es keinen Handlungs­spielraum geben. Es ist höchst an der Zeit, dass gerade bei der Tiroler Transitproblematik entschlossene Maßnahmen getroffen und gleichzeitig rote Linien gezogen werden, denn es geht um die Gesundheit der Tirolerinnen und der Tiroler, der Österreicherinnen und Österreicher.

So sieht eine Verkehrspolitik mit Weitsicht definitiv nicht aus. Daher werde ich gemeinsam mit den Genossinnen und Genossen im Sinne der verkehrsgeplagten Menschen in unserem Land, im Sinne der Tirolerinnen und Tiroler den vorliegenden Gesetzesvorschlag, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden, ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


11.21.08

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Verkehr ist wohl eines der emotionalsten Themen, aber nicht nur das, es ist auch quantitativ in vielerlei Hinsicht tatsächlich von herausragender Bedeutung. Eine der ganz großen Aufgaben, vor denen wir stehen – das wissen jedenfalls die meisten hier herinnen – und an deren Bewältigung wir arbeiten, ist die Herausforderung


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Klimaschutz, ist das Ziel Klimaneutralität und somit gleichzeitig die Heraus­forderung, den gesamten Verkehr emissionsfrei zu gestalten, sich von Benzin und Diesel zu verabschieden. Bezogen auf die gesamten CO2-Emissionen in Österreich zeichnet der Verkehr für knapp 28 Prozent verantwortlich; nimmt man da den Emissionshandel der großen Industrie, der in Brüssel europaweit geregelt wird, heraus, sind es 44 Prozent. 44 Prozent Anteil hat der Verkehr an den gesamten Emissionen! Das zeigt schon sehr eindeutig die Relevanz des Sektors, und an einer entsprechenden Verkehrspolitik führt natürlich kein Weg vorbei.

Einmal mehr möchte ich einleitend herausheben: Es geht in der Verkehrspolitik um eine gesamte Mobilitätswende. Es geht nicht nur – „nur“ jetzt unter Anführungszeichen – um den Austausch einer Antriebstechnologie, auch wenn das manche, vor allem in der Autoindustrie, gerne so sehen würden, sondern es geht um eine grundlegende Veränderung des Mobilitätsverhaltens, es geht darum, die Infrastrukturen und die Preisstrukturen zu verschieben. Der Modal Split muss sich massiv zugunsten des Aktivverkehrs und des öffentlichen Verkehrs verändern, im privaten Bereich und natürlich auch auf der Schiene, und das eben auch im Sinne einer leistbaren Mobilität – es gibt nämlich sehr viele Menschen, die kein Auto haben und sich kein Auto leisten können (Ruf bei der FPÖ: Dank euch, ja!), in der unteren Einkommensgruppe hat rund die Hälfte der Menschen keines – und im Sinne einer hohen Lebensqualität für alle.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist eben genau die Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene – da sind wir uns hoffentlich ja alle einig, obwohl ich da Zweifel habe, aufgrund von Widersprüchlichkeiten –, und ein wichtiger Maßstab, wenn im Gütertransport entschieden wird, welches Verkehrsmittel gewählt wird, sind die Kosten. Wir wissen aber alle, dass nach wie vor keine Wettbewerbsgleichheit zwischen Straße und Schiene besteht; nach wie vor sind die verursachten Kosten des Lkw-Verkehrs, übrigens auch des Pkw-Verkehrs, nicht hinreichend in die Preise eingerechnet. Es geht dabei um mehr als nur nackte Zahlen: Es ist nicht lustig, an Autobahnen zu wohnen, es ist nicht lustig,


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an stark befahrenen Straßen zu wohnen. Auch das betrifft vor allem wieder jene Menschen, die ein nicht so dickes Bankkonto haben – die wohnen an den Straßen; die anderen können sich ja irgendwo anders eine Wohnung oder ein Haus leisten. Es geht bei diesen Maßnahmen also auch um Lebensqualität und es geht um soziale Gerechtigkeit. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Gfrerer.)

Mit dem vorliegenden, hier diskutierten Paket machen wir einen weiteren wichtigen Schritt: Neben den zwei bisherigen Säulen des Mautsystems für den Lkw-Verkehr – das sind die Kostenanteile für die Finanzierung der Infra­struktur und die Abgeltung von Lärm und Luftverschmutzung – fügen wir jetzt mit der CO2-Bemautung eine dritte Säule hinzu und leisten damit einen wirklich sehr, sehr wichtigen Beitrag in Richtung Ökologisierung und zu einem fairen Wettbewerb, also gegen die Benachteiligung der Schiene.

Wer kein CO2 emittiert, also etwa batteriebetriebene Lkws oder auch Wasserstoff-Lkws, bezahlt diesen Teil auch nicht. Das ist natürlich ein weiterer Anreiz für Unternehmer, auf emissionsfreie Antriebe umzusteigen. Da tut sich übrigens wahnsinnig viel.

Ich möchte auch in Richtung des Kollegen, der vorhin gesprochen hat, anmerken: Es ist schon mutig, da jetzt irgendwie vorzuwerfen, es geschehe beim Schienenausbau zu wenig. Schauen Sie doch auf die Zahlen! Wenn Sie sich die Rahmenpläne und die Mittel für die Rahmenpläne für den Schienenausbau anschauen, dann werden Sie feststellen: Die in der Zeit, seit wir in der Regierung sind, ausgewiesenen Mittel sind mit Abstand die höchsten, die jemals in den Ausbau des Schienenverkehrs investiert wurden und weiterhin werden. (Beifall bei den Grünen.)

Trotzdem ist natürlich, und das leider sicher noch viele Jahre, eine ganze Reihe von Gemeinden besonders stark von der hohen Verkehrsbelastung an den Autobahnen betroffen – das betrifft vor allem die sogenannten Sondermaut­strecken, das sind die Arlbergstrecke, die Brennerstrecke, die Pyhrn-Autobahn,


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Tauern-Autobahn, Karawanken-Autobahn, also die am stärksten befahrenen Strecken –, und um diesen Kommunen noch besser zu helfen, wird die Lebensverbesserungsabgabe der Asfinag von 1 Prozent auf 3 Prozent ange­hoben, das wäre nach Adam Riese also eine Verdreifachung. Dieses Geld wird via Länder den betroffenen Gemeinden zugeteilt, und zwar zweckgebunden – zweckgebunden für Umweltmaßnahmen wie vor allem natürlich Lärmschutz, aber auch zum Ausbau des Radwegenetzes können die Mittel eingesetzt werden.

Es geht hier gleichzeitig um ein übergeordnetes Konzept, das vorsieht, mit Einnahmen von der Straße – und ich betone noch einmal, dass die Autos und die Lkws zu einem großen Teil ihre Kosten nicht bezahlen, das sind übrigens pro Jahr in Österreich um die 10 Milliarden Euro – auch mehr Kostenwahrheit herzustellen und im Gegenzug den ÖV, den Aktivverkehr und den Schienen­ver­kehr zu unterstützen. Das passiert übrigens auch mit den Gesetzen – wie Sie wissen, wenn Sie sich diese angeschaut haben –, die heute zur Beschlussfassung anstehen.

Zum Schutz der Anrainer:innen zählt aus meiner Sicht auch die Einführung der Eintagesvignette. Damit kann – so jedenfalls die berechtigte Annahme – ein deutlicher Beitrag zur Reduktion des Mautfluchtverkehrs geleistet werden, und sie hilft somit übrigens auch der Freihaltung von Straßen für den lokalen Verkehr.

Aus sozialpolitischen Gründen wurde entschieden, den Preis der Vignette für Pkws im Jahr 2024 nicht zu erhöhen. Das kann man jetzt klimapolitisch bedauern, aber es zeigt, dass hier offensiv Rücksicht auf die schwierige Gesamt­situation vieler Bürger:innen genommen wird, und es ist auch ein kleiner Beitrag, die Inflation nicht weiter anzutreiben.

Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt, der ja im Vorfeld intensiv diskutiert wurde und jetzt auch wieder von Kollegen Schmid angesprochen wurde, betreffend Lkw-Maut, nämlich dass diese nicht angehoben würde und so weiter,


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was ja alles nicht stimmt, denn entscheidend ist für die Betroffenen natürlich die Gesamtsumme – nur um die geht es, und die ist im Auge zu behalten. Tatsächlich wird die Inflationsanpassung bei der Lkw-Maut einmalig ausge­setzt – das ist richtig –, eingeführt wird aber bekannterweise inzwischen sehr wohl die CO2-Abgabe. Das führt zum Beispiel auf der Transitstrecke Nummer eins, dem Brenner, zu einer Erhöhung von 5,5 Prozent nächstes Jahr, 2025 werden es 10 Prozent sein. Den zulässigen Spielraum der Wegekostenrichtlinie schöpfen wir übrigens zu 70 Prozent aus, und wir liegen damit, dies sei nebenbei erwähnt, weit über dem Niveau Deutschlands: Dort beträgt die Lkw-Maut – die Frau Ministerin hat es in der Fragestunde erwähnt – derzeit 19 Cent, bei uns 44; und mit der nunmehrigen Anhebung sind wir bei 47 und die deutschen Freunde bei 34 Cent, was also immer noch 30 Prozent darunter liegt.

Insofern ist es ein bisschen abenteuerlich, was die SPÖ da sagt. Übrigens: Vorgestern im Verkehrsausschuss hat Kollege Schmid eine ähnliche Rede gehalten, und Kollege Mertel von der SPÖ hat dann den Vorwurf erhoben, diese CO2-Maut sei einfach nur Geldbeschaffung. Das finde ich schon spannend. (Bundesrat Mertel schüttelt den Kopf. – Bundesrat Steiner: Das stimmt ja auch, da hat der Kollege Mertel recht! Bravo, Kollege Mertel, bravo!) – Doch, doch, das hast du gesagt, es sei eine Geldbeschaffungsmethode. – Also ich wäre sehr dafür, dass sich die SPÖ einmal intern selber verständigt (Widerspruch bei der SPÖ), welche Politik sie da verfolgen will. (Bundesrätin Grimling: ... budgetieren!) Wisst ihr, ich ärgere mich tatsächlich schon ein bisschen.

Wie soll ich es sagen? – Ich sage es jetzt einmal höflich: Ich tue mir schwer, euren Einsatz für den Klimaschutz wirklich zu glauben. (Bundesrätin Hahn: Wie ist das mit der Koalition mit der ÖVP, wenn man seine eigenen Vorhaben ...? – Bundesrätin Schumann: ... Klimaschutzgesetz ...!) Es ist einfach keine glaubwürdige Aufregung. Beim Einfrieren des Vignettenpreises zum Beispiel habt ihr euch nicht echauffiert, denn da traut ihr euch nicht. (Ruf bei der SPÖ: ... Klimaschutz­gesetz! – Bundesrätin Schumann: Ja, und ihr traut euch nicht, gegen die ÖVP zu agieren!) Auch dort sind die Kosten nicht eingepreist, was Kollege Schmid so


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betont hat: Die Kostenwahrheit sei so wichtig. Diese ist dort genauso nicht vorhanden, aber da traut ihr euch nicht! (Bundesrätin Schumann: Geh bitte! Entschuldigung, ... ÖVP ...!) Bei den Lkws, da traut ihr euch heraus. Man könnte dort aber auch sagen, die Kosten werden dann nur umgelagert. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Und übrigens: Es gilt dann für alle Lkws und nicht nur für die Lkws auf der Brennerstrecke.

Noch einmal – weil ich es ärgerlich finde, weil es nicht stimmt –: Der Frau Ministerin irgendwie mangelndes Engagement zu unterstellen, sie würde Tirol bei den Aktivitäten, den Verkehr am Brenner einzudämmen, nicht unterstützen, das entbehrt ja nun wirklich jeder Grundlage! (Beifall bei den Grünen.)

Auch die FPÖ wird dagegenstimmen. Sie hat in der Fragestunde den Schwerverkehr beklatscht, stimmt aber dann gegen eine CO2-Bemautung, die die Gesamtkosten erhöht. Gut, bei euch bin ich es gewöhnt, dass es nicht konsistent ist (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), aber ihr könntet ja trotzdem einmal darüber nachdenken, welchen Strang der Argumentation ihr jetzt eigentlich verfolgen wollt.

Zurück zum Inhalt der Gesetze: Eine weitere Möglichkeit, einzusparen, übrigens auch im Sinne der Autofahrerinnen und Autofahrer: Es wird eine Möglichkeit geschaffen, bei Fahrzeug- oder Kennzeichenwechsel die Vignette immer mitzu­neh­men. Das hat es vorher nicht gegeben, das wird jetzt möglich sein. Auch das, denke ich, ist für manche Menschen ein durchaus relevanter Bei­trag.

Last, but not least: Im dritten Gesetz wird die Errichtung von Fotovoltaikanlagen entlang von Bundesstraßen und vor allem Autobahnen erleichtert, indem Fotovoltaikanlagen, wenn sie in der Nähe dieser Straßen sind, als Teil der Straße definiert werden. Das wiederum erleichtert dann den ganzen Genehmigungs­vorgang, um Fotovoltaikanlagen zu errichten.


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Unserer Meinung nach ist es insgesamt also ein guter Tag auf dem Weg zur Klimaneutralität, ein guter Tag auf dem Weg zu einer leistbaren und sozial gerechteren Mobilität. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.33


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.


11.33.15

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Zu Kollegen Gross komme ich später.

Wir sind derzeit in einer Situation, die durch die wirklich schlechteste Bundesregierung aller Zeiten herbeigeführt wurde und mit den verschiedensten Maßnahmen zusätzlich befeuert wird, in der mittlerweile ein großer Teil der Bevölkerung, darunter viele Familien, massive Probleme mit den steigenden Lebenshaltungskosten hat. (Bundesrat Buchmann: Die Schallplatte hast du ...! – Ruf bei der ÖVP: Das ist die Rede vom letzten Mal!)

Was aber machen Sie, Frau Minister, mit Ihren Kollegen in der Bundes­regie­rung? – Sie haben natürlich wieder einmal nichts Besseres zu tun, als, anstatt die Bevölkerung zu entlasten, die nächste Steuererhöhung zu beschließen. Glauben Sie wirklich ernsthaft, dass, wenn Sie die Kosten pro gefahrenem Kilometer erhöhen, diese Transportkostenerhöhung nicht weitergegeben und die Teuerungsspirale weiter angetrieben wird?

Sie selbst sagen, Sie haben auf EU-Ebene bis zum Schluss gegen die Wege­kostenrichtlinie gestimmt. Sie sagen – ich zitiere –, „dass sie das Grund­problem der Lkw-Maut – den Nachteil des Schienenbenützungsentgelts auf der Schiene gegenüber der Lkw-Maut – nicht löst. Man hat auf der Straße einen Deckel an Infrastrukturkosten, die man verrechnen kann, auf der Schiene wird es


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einfach pro gefahrenem Kilometer verrechnet. Diese Ungleichheit lösen wir nicht mit der Wegekostenrichtlinie, aber sie gibt uns zum ersten Mal die Möglichkeit, die Maut um eine CO2-Komponente zu erweitern [...]“

Zu den Kollegen Gross und Schmid: Getoppt wird das Ganze ja noch zusätzlich durch die rote Fraktion, die SPÖ, die sich noch beschwert, anscheinend aber wirklich von allen guten Geistern verlassen ist. Die österreichische Maut, die derzeit eh schon 44 Cent pro Kilometer beträgt, wird auf 47 Cent pro Kilometer erhöht, und die SPÖ beschwert sich, dass nicht so wie in Deutschland, wie vorhin schon erwähnt, 200 Euro pro Tonne CO2 berechnet werden. – Ja, aber der große Unterschied ist ja, dass Deutschland bisher 19 Cent hatte und durch die Erhöhung auf 34 Cent kommt, wir aber die ganze Zeit schon 44 Cent haben und jetzt dann auf 47 Cent kommen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich mir die Zahlen der Asfinag anschaue: Die Einnahmen 2022 aus der Lkw-Maut mit 1,677 Millionen Euro, der Vignette mit 540 Millionen Euro, der Streckenmaut mit zusätzlich noch 226 Millionen Euro ergeben einen Gesamterlös von 3,06 Milliarden Euro. Davon ausgegeben worden sind für den Neubau der Infrastruktur 401 Millionen Euro und für die Erhaltung 675 Millionen Euro. – Frau Minister, vielleicht können Sie mir verraten, wo die 2 Milliarden Euro sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zu den Ereignissen in der letzten Verkehrsausschusssitzung: Frau Minister, Sie haben mir immer und auch vor circa einem Jahr mitgeteilt, ich solle nicht Kritik an den von Ihrem Ministerium entsandten Experten üben, sondern anstatt Ihrer Experten Sie kritisieren. (Bundesministerin Gewessler: Machen Sie gerne!) – Das tue ich gerne, wie Sie sagen, richtig. Das tue ich hiermit wie folgt.

Dazu muss ich ein bisschen ausholen: Der Startschuss zur Vignettenpflicht fiel mit 1. Jänner 1997, und damals gab es den Aufkleber für die Windschutzscheibe für Pkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen, und – jetzt kommt’s! – für Lkw bis 12 Tonnen hat es höhere Tarife gegeben; auch


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Motorräder wurden mautpflichtig. Kostenpunkt waren damals 550 Schilling für Pkw, 220 Schilling für Motorräder, umgerechnet 40 Euro oder 16 Euro. Die erste Vignette war eine rote.

Alle im Ausschuss Anwesenden, Frau Minister, konnten mitverfolgen, dass ich drei Mal den von Ihnen für diesen Ausschuss und Tagesordnungspunkt entsandten Experten fragte, welche zusätzlichen Einnahmen für Lkw der Kategorie 3,5 Tonnen bis 12 Tonnen nach Abschaffung der Vignette und Einführung der fahrleistungsabhängigen Maut eingehoben wurden. Ihr Experte behauptete vehement, dass es keine Autobahnvignette für diese Kategorie gab. Diese Jahresvignette für Lkw bis 7,5 Tonnen beziehungsweise 12 Tonnen kostete damals bis zu 12 000 Schilling – das sind ungefähr 900 Euro. Auch meiner Bitte nach einer etwaigen Nachlieferung der Beantwortung wurde nicht entsprochen, da es seiner Meinung nach keine Vignette gab. Der Vorsitzende, Kollege Gross, hat sich dafür auch nicht eingesetzt. – Nun, vielleicht ist es auch dem jugendlichen Alter des Experten geschuldet, aber richtiger werden die Aussage und das Handeln des Experten im Ausschuss dadurch nicht.

Darum stelle ich jetzt Ihnen, Frau Minister, die Frage und hoffe auf eine entsprechend ordnungsgemäße, richtige Beantwortung.

Mit Jahresbeginn 2004 – es geht jetzt um den Zeitraum von 1997 bis 2004 – wurde die Bemautung für Lkw dann geändert, seitdem ist die Vignette so, wie sie jetzt bekannt ist, ab 3,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht vorgeschrieben.

Nun kommen wir zum nächsten Anschlag, den wir ja auch wieder im Ausschuss besprochen haben, das ist nämlich die Einbeziehung aller Fahrzeuge mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen in die fahrleistungs­abhängige Maut.


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Was bedeutet das? – Das belastet die eh schon angeschlagenen Klein- und Mittelbetriebe mit ihren Gewerbefahrzeugen. Auch in diesem Bereich werden die gestiegenen Betriebsmittelkosten sicher eins zu eins an die Konsumenten weitergereicht werden; das ist auch verständlich, denn irgendwo müssen ja diese Kosten auch gedeckt sein. Es betrifft aber auch eine andere große Gruppe, nämlich die vielen Bürger, die das ganze Jahr über hart arbeiten und in den letzten Jahren auf einen Urlaub mit ihrem eigenen Wohnmobil umgestiegen sind. Die Regelung, die Autobahngebühr nach der technisch zulässigen Gesamt­masse von 4 200 Kilogramm zu bezahlen, obwohl das Fahren eines Kraftfahrzeugs mit einem Führerschein, der auf eine Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 Kilogramm begrenzt ist, erlaubt ist, ist irgendwie - - – Ja, aber Sie werden uns ja dann vielleicht erklären, warum Sie das so umsetzen wollen.

Einer Ihrer Experten, Frau Minister, hat im Ausschuss wortwörtlich gesagt, wir sollten uns nicht aufregen, weil die zusätzlichen Abgaben eh erst in fünf Jahren zum Tragen kommen. – Wissen Sie, Frau Minister, ich stelle mir die Frage: Was hat die österreichische Bevölkerung verbrochen, dass sie mit so einer Verkehrsministerin bestraft wird? (Beifall bei der FPÖ.)

Selbst wenn es da teilweise um EU-Vorgaben geht: Sie müssen ja nicht immer das Maximum der EU-Reglementierungen übernehmen und den EU-Musterschüler spielen – à la 90 km/h auf der Autobahn und diesen komischen Dingen, die da von Ihrem Ministerium kommen.

Behandelt wird auch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird. Dies sehen wir positiv; da geht es darum, dass die Fotovoltaikanlagen in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn als Bestandteil der Bundesstraße aufgenommen werden. Es gibt besser dort – neben der Autobahn – Fotovoltaikanlagen als im Grünland, im Acker und im Wald. Der gewonnene Strom soll hauptsächlich für den Eigenbedarf – Beleuchtungen, Verkehrsbeeinflussungsanlagen – verwendet werden.


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Frau Minister, Sie beweisen es leider immer wieder: Sie können es nicht und Ihr Team kann es nicht. Machen Sie mit Ihrem Rücktritt Platz für Klima-, Umweltschutz- und Verkehrspolitik mit Hausverstand! (Beifall bei der FPÖ.)

11.42


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte.


11.42.46

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ja, Mobilität und Verkehr auf der einen Seite, Klimawandel auf der anderen Seite stellen uns vor große Herausforderungen.

Beim ersten Tagesordnungspunkt geht es um eine Änderung des Bundes­straßen-Mautgesetzes. Das heißt, der Bundesregierung ist es wichtig, dass Mobilität in Österreich leistbar sein muss – das muss auch gewährleistet werden. Eine sehr spürbare und positive Maßnahme ist, dass der Preis für die Jahresvignette für die Autobahnmaut nicht an die allgemeine Teuerung angepasst wird, sondern für ein Jahr von einer Erhöhung abgesehen wird.

Es braucht für die Menschen im Land auch Anreize, die gut angenommen werden. In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, das attraktive Klimaticket für ganz Österreich zu erwähnen, das sehr gut angenommen wird und das sicher einen sehr guten und großen Beitrag zur leistbaren Mobilität für viele Menschen in unserem Land leistet. Darüber hinaus soll es nächstes Jahr für alle 18-Jährigen das Klimaticket gratis geben, damit auch unsere Jugend animiert wird, zu überlegen, den öffentlichen Verkehr vielleicht doch stärker zu nutzen.

Geschätzte Damen und Herren, es geht darum, die Vielfalt der Mobilität in Österreich attraktiv zu gestalten. Diesbezüglich ist schon sehr viel Positives


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passiert – natürlich auch im Wissen, dass das Angebot des öffentlichen Verkehrs immer angepasst, verbessert und ausgebaut werden muss.

Beim ASFINAG-Gesetz geht es um eine Verbesserung im Bereich des Umwelt­schutzes. Das Verkehrsaufkommen, im Besonderen der Transitverkehr, nimmt deutlich zu – das wissen wir –, deshalb sind auch die Anforderungen für die betroffenen Bundesländer und Regionen stark angestiegen. Es ist daher auch gerechtfertigt, wenn für Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltsituation eine moderate Erhöhung des Prozentsatzes von 1 auf 3 Prozent der eingehobe­nen Lkw-Maut beschlossen wird.

In Zukunft sollen bei der Maut für den Schwerverkehr auch Kohlendioxid­emissionen berücksichtigt werden – bis jetzt wurden nur Infrastrukturkosten und Kosten für den verursachten Lärm berücksichtigt. Zum Schwerverkehr gehören Lastwagen und Busse. Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, und Treibhausgase in der Atmosphäre sind für den Klimawandel verantwortlich.

Diese Einnahmen sollen den jeweils betroffenen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel für die Verbesserung des Lärm- und Emissionsschutzes, für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder auch für die Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Natürlich kann man über die Höhe diskutieren – den einen ist es zu wenig, den anderen zu viel –, jedenfalls liegt die Erhöhung unter der Inflationsrate. Man sollte aber bedenken, dass auch der Transport von Gütern des täglichen Bedarfs betroffen ist und die Erhöhung dann sicher auf die Konsumentinnen und Konsumenten als Endverbraucher umgelegt wird. Damit bin ich bei der SPÖ: Ihr seid die Ersten, die die Inflation und die Teuerung kritisieren. Ich glaube, das ist ein guter Kompromiss und eine praxistaugliche Lösung.

Natürlich braucht es noch mehr Anstrengungen, um noch mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen – dies ist aber auch eine EU-weite Herausforderung. Da gibt es noch sehr viele Schranken und viel zu tun, und es


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ist auch eine Kostenfrage. Für uns ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass es für die Menschen im Land leistbar bleiben muss, aber Ziel muss auch sein, die Klimaziele, die die Europäische Union vorgibt, zu erreichen.

Was mir auch sehr wichtig ist und wir meist als selbstverständlich erachten, das sind die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer, die Tag und Nacht auf der Straße unterwegs sind und uns das bringen, was wir täglich brauchen. Der Job ist sicher nicht einfach. Wir alle wissen, wie es auf den Straßen zugeht, speziell bei schwierigen Witterungsbedingungen wie gerade jetzt im Herbst oder zu Winterbeginn. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ihnen gebührt große Wertschätzung und ein aufrichtiger Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der letzte Punkt betrifft eine Änderung des Bundesstraßengesetzes, und zwar dahin gehend, dass Fotovoltaikanlagen in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn als Bestandteil der Bundesstraße aufgenommen werden – natürlich mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energie zu steigern. Das sollte eine spürbare Verwaltungsvereinfachung in den Genehmigungsverfahren ergeben.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber es ist noch viel zu tun. Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.48


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf nun Bundesministerin Leonore Gewessler um ihre Ausführungen bitten.


11.48.48

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Herzlichen Dank für die Diskussion zu diesen drei Tages­ordnungspunkten. Sie haben heute schon sehr viel von mir gehört, deswegen werde ich mich sehr kurz fassen, möchte aber trotzdem zu den von mir einge­brachten Gesetzen Stellung nehmen.


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Die Verkehrswende ist wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen im Klimaschutz. Sie ist ein Marathon, und wir sind natürlich beziehungs­weise wenig überraschend, weil vorhersehbar, noch nicht am Ziel. Dieser Marathon wird uns bis 2040 beschäftigen, aber wir setzen viele Schritte und einen Schritt nach dem anderen in die richtige Richtung, damit uns das gelingt. Ich habe es vorhin erwähnt, in der Emissionsbilanz 2022, im Nowcast 2022 sehen wir deutlich sinkende Emissionen auch im Verkehrs­bereich, und das ist gut.

Heute setzen wir drei weitere Schritte im Verkehrsbereich in Richtung Verbes­serung der Lebensqualität und Verbesserung des Klimaschutzes.

Das Erste ist die Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes. Zum faktischen Hintergrund ist ja schon viel gesagt worden beziehungsweise haben wir darüber in der Fragestunde diskutiert. Es erfolgt mit dieser Novelle eine Ökologisierung der Lkw-Maut. Erstmals können wir CO2-Emissionen bei der Festlegung der Tarife der fahrleistungsabhängigen Maut für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen berück­sichtigen. Das tun wir. Das ist auch ein wichtiger Schritt, denn damit zahlt sich der Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge künftig noch mehr aus.

Weil die Frage zur Höhe des CO2-Preises von Kollegen Schachner, glaube ich, von der SPÖ vorhin - - (Bundesrätin Schumann: Nein, der heißt nicht Schachner!) – Bitte? (Bundesrat Schreuder: Schmid!) – Entschuldigung, Schmid. (Bundesrätin Schumann: Der Schachner ist auch wichtig! – Zwischenruf des Bundesrates Schachner. – Heiterkeit und neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Entschuldigung. Weil es vom Kollegen Schmid vorhin angesprochen wurde, weil Sie ja gefragt haben, welcher CO2-Preis konkret angelegt wird: Wir haben keine Standardwerte genommen, sondern haben das vom UBA faktisch berechnen lassen, um den Rahmen bestmöglich auszuschöpfen. Es gibt 2024 einen dafür anzulegenden CO2-Preis von 163 Euro, in den Folgejahren werden noch zusätzliche Aufschläge verrechnet. Dieser CO2-Preis wird aber stufenweise angelastet – (in Richtung Bundesrat Schmid) das ist das, worauf Sie sich beziehen –: Wir sind im ersten Jahr bei einer 30-prozentigen Anlastung, dann bei


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einer 50- und zum Schluss bei einer 70-prozentigen Anlastung in diesem dreijährigen Anstiegspfad.

Das heißt, die Lkw-Maut steigt auf allen Strecken im Bundesgebiet um 7,4 Prozent. Am Brenner ist es prozentuell weniger, weil die Ausgangsbasis am Brenner höher als im restlichen Bundesgebiet ist, das heißt, da sind es 5,7 Prozent. Wie der Kollege der FPÖ vorhin ausgeführt hat, sind wir damit aber immer noch deutlich über dem Niveau in Deutschland, und wir beide (in Richtung Bundesrat Schmid) wissen: Der zentrale Steuerungsfaktor für eine Verlagerung weg vom Brenner auf andere Strecken ist der Korridor. Wir sind in Österreich im Vergleich zu den Nachbarländern bei Weitem auf dem höchsten Stand. Insofern ist es super, dass Deutschland nachzieht – noch immer deutlich unter unserem Niveau –, und jetzt muss Italien bei der Maut auch etwas tun, denn nur wenn auf der Gesamtstrecke des Korridors der Unterschied zur Schweiz geringer wird, dann werden wir auch wieder die Umwegverkehre und die Mehrverkehre, die es am Brenner derzeit gibt, also die, die den Brenner nicht als kürzesten Weg, sondern wirklich als Umweg nutzen, wieder in Richtung der anderen Alpenquerungen verlagern können. Insofern kann ich Ihnen also zusagen: Für die Korridormaut und genau diesen Ansatz arbeiten wir auch auf europäischer Ebene sehr intensiv. – So viel zum Bundesstraßen-Mautgesetz.

Ich habe vorhin schon erwähnt: Die erzielten Einnahmen können künftig für Maß­nahmen zur nachhaltigen Gestaltung des Verkehrs eingesetzt werden.

Zweiter Punkt: das ASFINAG-Gesetz, die sogenannte Lebensverbesserungs­abgabe, mit der wir nun mehr Mittel für die Verbesserung der Umweltsituation insbesondere in den betroffenen Autobahngemeinden zur Verfügung stellen. Da geht es um Lärmschutz, um Emissionsschutz, auch um Fragen der Verkehrs­sicherheit. Gerade in Tirol, gerade am Brennerkorridor wird es noch einmal einen deutlichen Boost geben. Wir haben mit der Dienstanweisung Lärmschutz schon einen deutlichen Schritt zu mehr Lärmschutz und höherer Mitfinanzierung durch die Asfinag gerade in Tirol, gerade am Brennerkorridor ermöglicht. Mit der Erhöhung der Lebensverbesserungsabgabe macht das Gesetz jetzt noch einmal


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einen deutlichen Schritt. Das heißt, die Mittel für die betreffenden Gemeinden steigen deutlich.

Das Dritte ist das Bundesstraßengesetz mit dem Ausbau der Fotovoltaik in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn als Bestandteil der Bundesstraße. Ich halte das für eine sehr simple und sehr wirkungsvolle Maßnahme, um den Fotovoltaik­ausbau und das Sofortprogramm Erneuerbare Energie in der Mobilität bei der Asfinag auch mit zusätzlichem Leben zu erfüllen.

Deswegen freue ich mich – ich hoffe natürlich bei allen drei Gesetzen, aber bei jedem einzelnen – über Ihre Zustimmung, um weitere wichtige Schritte für die Klimaneutralität in unserem Land umzusetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank, Frau Ministerin.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Noch ein Tiroler!)


11.54.43

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucherinnen und Besucher hier im Saal! Erlauben Sie mir als letztem Redner zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3 betreffend die Änderungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes, des ASFINAG-Gesetzes und des Bundesstraßen­gesetzes und als betroffenem Tiroler in den folgenden Minuten den Fokus auf die für Tirol relevanten Aspekte der Novellen zu richten und das eine oder andere Argument hier auch noch nochmals zu wiederholen.

Ich bin zweifach von der Gesetzesänderung betroffen: einmal aktiv als ein in der Region wohnhafter Bürger und zweitens passiv, weil ich als Tiroler Politiker ständig mit den Sorgen der Menschen in den vom Verkehr sehr betroffenen Gemeinden konfrontiert werde. Die Region Arlberg im Tiroler Oberland und das


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Wipptal mit der Brenner-Autobahn betrifft diese Novelle nämlich ganz beson­ders. Ich bin insofern glücklich und zufrieden, als diese Novelle Verbesserungen für die betroffenen Gemeinden dieser Region bringen werden.

Zum Ersten: Mit der Novelle des ASFINAG-Gesetzes wird erreicht, dass sich die Gemeindeanteile an den Sondermauteinnahmen verdreifachen. Grund dafür ist, dass sich die Lebensverbesserungsabgabe der Asfinag gemäß Novelle von 1 auf 3 Prozent erhöht. Und wenn sich Budgetmittel verdreifachen, dann ist das eine ordentliche Steigerung und keine Kosmetik. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Was heißt das in der Praxis? – Die betroffenen Gemeinden bekommen nun deutlich mehr Geld aus den Sondermauteinnahmen. Dieses Geld ist zweckgebunden und wird für Umwelt-, Lärm- und Gesundheitsschutz eingesetzt. Über 20 Gemeinden an der Sondermautstrecke sind betroffen, und mit diesem Geld kann man einiges umsetzen. Wir sprechen österreichweit von rund 8 Millionen Euro zusätzlich, davon fließt ungefähr die Hälfte nach Tirol. Für die Arlbergregion zum Beispiel sind das rund 500 000 Euro pro Jahr mehr für lebensverbessernde Maßnahmen in den betroffenen Gemeinden. Für das Wipptal sind es rund 6 Millionen Euro pro Jahr, bisher waren es rund 2 Millionen Euro. Das ist also ein deutlicher Budgetgewinn für Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung.

Die betroffenen Anrainerinnen und Anrainer werden die zusätzlichen Geldmittel direkt und unmittelbar spüren. Verstehen Sie bitte, dass ich diesen Aspekt der vorliegenden Novelle als großen Erfolg erachte! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Kannst ja du, lieber Christoph! (Heiterkeit des Redners sowie Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Es hindert dich ja nichts (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner), aber danke schön.

Zum Zweiten, zur Lkw-Maut und der Umsetzung der EU-Wegekostenrichtlinie: Die EU-Wegekostenrichtlinie gibt uns erstmals die Möglichkeit, die Maut um eine CO2-Komponente zu erweitern. Grundsätzlich ist der CO2-Anteil ein


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wichtiger Baustein zur Ökologisierung und zu mehr Kostenwahrheit. Den CO2-Anteil muss man allerdings von zwei Seiten betrachten: primär wie erwähnt aus Sicht der Ökologisierung, aber zusätzlich bitte auch mit Blick auf die aktuelle Teuerungswelle und die für uns Politikerinnen und Politiker damit verbundene Aufgabe, Maßnahmen gegen die Teuerung vorzunehmen.

Wir setzen die CO2-Besteuerung um, sodass es eine Erhöhung der Lkw-Maut geben wird, das alles aber nicht von null auf hundert, sondern in drei Stufen, sodass sich die Erhöhungen für den Transport einschleifen. Aus meiner Sicht haben wir da einen praxistauglichen und pragmatischen Mittelweg gefunden. Natürlich kann man kritisieren, dass wir das Potenzial des CO2-Anteils nicht ganz ausgeschöpft haben, wichtig ist aber, dass wir ihn einheben werden, denn gemäß EU-Recht müssen wir es nicht.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Lkw-Maut in Österreich deutlich höher als in Deutschland und Italien ist. Die Verlagerung des Umwegverkehrs durch Tirol – viele Lkw nehmen eben lieber die längere Strecke über den Brenner in Kauf, als die höhere Maut in der Schweiz zu berappen – können wir über die Maut nur dann schaffen, wenn Deutschland und Italien mitziehen. So gibt es eben diesen Kompromiss, im Sinne der Ökologisierung, der Kosten­wahrheit eine deutliche Erhöhung der Lkw-Maut vorzunehmen, aber auch sinnvolle Begrenzungen einzuziehen, weil eine noch stärkere Erhöhung unsere Unternehmen belasten würde. Die derzeitige Lösung heißt ja nicht, dass man nicht in absehbarer Zukunft das gesamte Potenzial ausschöpft.

In die Kategorie von Maßnahmen, die Teuerung für Bürgerinnen und Bürger so gut es geht zu begrenzen, fällt auch die Maßnahme, den Preis der Autobahn­vignette nicht zu erhöhen. An dieser Stelle ein Dankeschön, weil das über fünf Millionen Autofahrerinnen und Autofahrern hilft. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Entlastungsschritt für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


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Zuletzt noch zur geplanten Novelle des Bundesstraßengesetzes: Diese Novelle sieht vor, dass Fotovoltaikanlagen, die sich in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn befinden, künftig als Bestandteil der Bundesstraße definiert werden. Viele dieser Flächen eignen sich ideal für Fotovoltaikanlagen. In der Praxis bedeutet diese Gesetzesänderung die Möglichkeit, geplante Fotovoltaikprojekte schneller umsetzen zu können. Der Verfahrensprozess wird durch die geplanten Änderungen merklich beschleunigt, das ist ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.

Abschließend darf ich sagen, dass ich alle diese Gesetzesnovellen als wirklich sinnvoll und nutzbringend erachte, und bitte deshalb um Ihre Zustimmung. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.00


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Leinfellner.


12.00.42

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörer! Liebe Österreicher! Ich verstehe einige Dinge bei diesem Gesetz nicht, und ich habe bereits im Ausschuss einige Fragen gestellt, die mir nicht beantwortet wurden. Jetzt hoffe ich, dass Sie mir diese Fragen beantworten können, da Sie ja für dieses Gesetz Verant­wortung tragen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben sehr, sehr viele Wohnmobilbesitzer in Österreich, die Wohnmobile mit 3,5 Tonnen lenken, und wenn man sich anschaut, auf welchen Fahr­gestellen diese Wohnmobile aufgebaut sind, so sind das Fahrgestelle, die eine technisch zulässige Gesamtmasse von 4 250 Kilo aufweisen. Wenn ich jetzt sage, dass unsere Führerscheinklasse B bis 3,5 Tonnen geht, Sie aber genau diese Fahrzeuge mit einer GO-Box versehen wollen, diese Fahrzeuge auf diese


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4 250 Kilo einstufen wollen, so glaube ich, dass noch einige Fragen offen­bleiben, nämlich: Wie können Menschen 2029 – das ist nämlich dann, wenn die Einschleifregelung aus ist – ihre Fahrzeuge, die sie sich 2020 oder jetzt angeschafft haben, mit dem Führerschein der Klasse B überhaupt noch lenken?

Ich habe den Eindruck, dass hier das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird und dass man das einfach nicht fertiggedacht hat, und da würde ich Sie auch bitten, dass Sie dazu Stellung nehmen. Ihre Experten im Ausschuss konnten keine zufriedenstellende Antwort geben, weil sie es schlicht und ergreifend nicht gewusst haben. Sie wollen das Gesetz heute beschlossen haben, ich gehe davon aus, dass Sie das wissen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.02 12.02.34


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 und das ASFINAG-Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASFINAG-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen­gesetz 1971 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

12.04.064. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011), das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) geändert werden (3531/A und 2239 d.B. sowie 11309/BR d.B. und 11317/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen somit zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin hiezu ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.


12.04.30

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Erdölbevorratungsgesetz 2012 und das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


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Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Novem­ber 2023 den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, ich erteile Ihnen dieses.


12.05.25

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Wissen Sie, Frau Minister, ich würde unter Demokratie oder auch der Würde des Hauses entsprechend verstehen, dass wir, wenn wir als Bundesräte in den Ausschüssen oder auch hier am Rednerpult Fragen stellen, dann von Ihnen eine Antwort bekommen. Ich glaube, das wäre eine normale Art und Weise. (Bundesrat Leinfellner: Sie weiß es nicht! ... Experten!)

Es geht jetzt hier im gegenständlichen Bundesgesetz aber unter anderem um die Erhöhung der Energiepreistransparenz im Bereich Gas. Vorrangig geht es um Vorschreibungen und Vertragsbindungen, die sollen künftig transparenter gestaltet werden. Adaptierungen der Vorauszahlungen einmal pro Halbjahr für Endverbraucher sollen möglich sein. Es enthält eine Verpflichtung der Energie­versorger, auf das Ende der Vertragsbindung und das Auslaufen der Vertragsbindung beziehungsweise die Wechselmöglichkeit und den E-Control-Tarifkalkulator hinzuweisen. Das ist eins zu eins das, was wir eh schon im


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Sommer für den Strombereich beschlossen haben, und das wurde auch damals schon von uns mit positiver Zustimmung bedacht.

Ein weiterer Punkt in diesem Antrag ist die Verlängerung der Geltungsdauer der strategischen Gasreserve in Österreich bis zum 1. April 2026, die derzeit mit 30. September 2025 Status ist. Ab Oktober 2024 soll auch für geschützte Kunden, sprich Haushalte, soziale Einrichtungen und Fernwärmekraftwerke die Versorgung seitens der Gasversorger zwischen 1. Oktober und 1. März für 45 Tage gewährleistet sein. Das wäre ja auch prinzipiell zu begrüßen. Dass sich dieser Zeitraum aber bei einem entsprechendem Nachweis auf 30 Tage verkürzt, wenn die vorzuhaltenden Gasmengen ausschließlich nicht russischer Herkunft sind, ist für uns nicht akzeptabel.

Für die Stromerzeugung aus Erdgas müssen Kraftwerksbetreiber auch ab Oktober 2024 ebenso Gas für 45 beziehungsweise 30 Tage bevorraten, wobei auch da das niedrige Ausmaß ausschließlich aus nicht russischem Erdgas stammen muss. Hier besteht aus unserer freiheitlichen Meinung heraus ein Zielkonflikt zwischen der 45-Tage-Versorgungssicherheit für die geschützten Kunden und der Möglichkeit, die Vorhaltungspflicht von 45 auf 30 Tage zu reduzieren, wenn man eben nachweist, dass das vorgehaltene Gas kein russisches ist.

Für uns Freiheitliche stellt sich die Frage: Was steht jetzt hier im Vordergrund – die Versorgungssicherheit oder die Diversifizierung? – Für uns Freiheitliche steht die Versorgungssicherheit an erster Stelle. Die Ukraine wird ja bekanntlich den Vertrag mit Russland mit Jahresende 2024 nicht mehr verlängern. Ein Land, das Hilfsgelder in Millionenhöhe von der EU erhalten hat und selbst zur EU gehören möchte, entscheidet jetzt über die Energieversorgung.

Dank Ihrer gesetzten Handlungen, dank Ihrer Fehlentscheidungen und dank der Fehlentscheidung dieser Bundesregierung ist der Wohlstand unserer Bevöl­kerung massiv unter Druck. (Beifall bei der FPÖ.)


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Eines noch, Frau Minister, ich hätte noch eine kleine Abschlussfrage bezüglich Gas aus Katar: Ist es nicht scheinheilig von Ihnen? Vom bösen Russland darf nichts gekauft werden, aber von Katar, das die Hamas und die Muslimbrüder massiv unterstützt (Bundesrat Buchmann: ... Putin-Versteher ...!) und den Terrorführer der Hamas beherbergt, schon?! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.09


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte schön.


12.09.30

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer:innen! Kurz einleitend, weil sich Kollege Bernard beschwert hat, es wurden keine Fragen im Ausschuss beantwortet, den ich leite: Das stimmt halt nicht. Es wurde gestern sogar dreimal gesagt: Das eine ist das Gesetz, um die Mauthöhen festzustellen, und etwas ganz anderes ist das Führerscheingesetz.

Im Führerscheingesetz wird geregelt, bis zu welchen Gewichtsklassen mit welcher Führerscheinkategorie gefahren werden kann. Das sind einfach zwei verschiedene Dinge. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Gut, also zum eigentlichen Thema: Wir haben heute den 8. November, es ist also schon sehr spät im Jahr, und die Gasspeicher in Österreich sind zu 99,8 Pro­zent gefüllt. De facto sind sie also knallvoll. Das, finde ich, ist schon beeindruckend und ein sehr deutlicher Beweis dafür, dass die Beschaffung im Sinne der Versorgungssicherheit sehr gut funktioniert. Das beeindruckte heute interessanterweise niemanden.

Ich erinnere aber daran, dass vor eineinhalb Jahren – es ist nicht so lange her – mannigfaltige Unkenrufe durch die Wälder geschallt sind: es würde nicht gelingen, diese Speicher zu befüllen, die Versorgung im kommenden Winter sei


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gefährdet und so weiter und so fort. Sie wissen, nichts dergleichen ist passiert. Das sei schon angemerkt. (Bundesrätin Schumann:  ... ein milder Winter!)

Ein ganz wichtiger Grund hierfür sind zum Beispiel die eingeführten staatlichen Gasreserven im Ausmaß von 20 Terawattstunden. Das ist ganz schön viel, wenn man bedenkt, dass der Verbrauch 90 bis 95 Terawattstunden beträgt. Das ist eben ein ganz, ganz wichtiges Polster für Krisen, für akute Krisen. Deswegen ist es auch sehr wichtig und richtig, dass eine Maßnahme, die wir heute beschließen werden, darin besteht, die Gasreserven um zwei weitere Winter bis ins Frühjahr 2026 hinaus zu verlängern. Das erhöht die Versorgungssicherheit, die Krisensicherheit und – wichtig! – es reduziert die Kosten, denn dadurch wird es ermöglicht, die Gasbeschaffung flexibler zu gestalten.

Sollte die Reserve dann irgendwann nicht benötigt werden, kann man das Gas natürlich verwenden, man kann es verkaufen und kann die Einnahmen dann nutzen. Wie damit umgegangen wird, ist übrigens im Hauptausschuss des Nationalrates zustimmungspflichtig. Auch das, denke ich, ist eine wichtige Sache im Sinne der Demokratie.

Ich finde schon, was man jetzt in Österreich wirklich feststellen kann, ist, dass das Krisenmanagement betreffend Gasversorgungssicherheit wirklich gut funktioniert hat. Es hat in Österreich keine Engpässe gegeben. Es war kritisch, das ist gar keine Frage, aber es hat funktioniert. Sehr gut funktioniert haben übrigens auch – das habe ich schon oft gesagt – alle sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen, um die hohen Kosten, die es tatsächlich gegeben hat, abzufangen. (Bundesrätin Schumann: Genau, deshalb haben wir so eine niedrige Inflation gehabt!)

Wir behandeln heute – die Frau Ministerin hat es auch am Vormittag gesagt – die, ich glaube, bereits fünfte Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes. Ich denke, das zeigt schon die Schnelligkeit und die Intensität der Aktivitäten zum Thema Versorgungssicherheit. Ich lasse mir es jetzt nicht nehmen, kurz stichwortartig einige der wichtigsten beschlossenen Maßnahmen zu skizzieren, denn man


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vergisst ja sehr schnell, was alles gemacht worden ist. Ich erinnere an die große Aufregung, die immer da war, und möchte zeigen, was alles gemacht worden ist.

Neben den Speichern – das haben wir schon gesagt – ist die Take-it-or-lose-it-Bestimmung sehr wichtig. Es war so, dass vor allem Gazprom riesige Speicherkapazitäten in Österreich gebucht – übrigens schon 2021, Russland hat schon den Krieg vorbereitet – und nicht befüllt hat. Wir haben ein Gesetz erlassen: Wenn das jemand macht, dann wird quasi das Recht entzogen und jemandem anderen gegeben. Das war überhaupt die Voraussetzung, um Speicher befüllen zu können und das nicht von Gazprom blockieren zu lassen.

Wir haben ein Gasdiversifizierungsgesetz beschlossen, das einen wesentlichen Förderungsrahmen für den Umstieg auf andere Lieferoptionen, auf andere Energieträger definiert, weil die teurer waren. Wir haben festgelegt, dass Speicherunternehmen zertifiziert werden müssen. Das ist wichtig, um die Einspeicherung im Sinne der Versorgungssicherheit sicherzustellen, denn Eigentümerinteressen könnten ja – im Sinne von Preisetreiben und so weiter – woanders liegen. Dem wurde ein Riegel vorgeschoben.

Wir binden – das wurde heute schon mehrfach gesagt – die Speicher an die Netze, in die oberste Netzebene ein, um das Speichervolumen in Österreich gut und breit verteilen zu können. Wir haben die Fernwärmekunden als geschützte Kunden definiert, das ist vor allem für Wien und für andere große Städte mit Gaskraftwerken, Gas-KWK-Anlagen ganz wichtig. Diese Mengen wandern damit ja automatisch für die Wärmeversorgung in den geschützten Bereich und es muss mehr Gas sichergestellt werden. Also das waren schon sehr wichtige Maß­nahmen.

Doch wieder zurück zu den Verbesserungen in dieser Novelle: Neben der Verlängerung der staatlichen Reserve wird die Einspeicherungspflicht für Gasversorger und auch Gaskraftwerksbetreiber ausgedehnt. Sie müssen nun über das Winterhalbjahr gerechnet, also in der Phase hohen Bedarfs, 45 Tage


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vorhalten. Das reduziert sich – wie wir vorher gehört haben – auf 30 Tage, wenn kein russisches Gas bezogen wird. Das soll zum Umstieg auf andere Lieferanten motivieren und ist selbstverständlich eine Maßnahme zur Versorgungs­sicherheit, Herr Kollege Bernard. Dass Diversifizierung die Versorgungssicher­heit erhöht, ist ja wohl ganz klar. Es geht um die Lieferländer. Sie verwechseln da etwas. Sie haben die Ukraine angesprochen. Die Ukraine ist kein Lieferland. Das ist ein Transitland, da kommt das Gas ja nicht her. Also bitte genau aufpassen, bevor man sich aufregt!

Diese Diversifizierung ist ja einer der Hauptpunkte, denn es geht ja darum, aus der über viele Jahre selbstverschuldeten einseitigen Abhängigkeit von russischem Gas rauszukommen. Das haben nun hoffentlich alle bis auf die FPÖ verstanden, die ja gerade vorhin wieder bewiesen hat, dass sie es nicht verstanden hat. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das ist ein Sicherheits­risiko, das ist auch ein sozialpolitisches Risiko, denn solche Versorgungs­engpässe führen zu hohen Preisen und können sozialpolitische Verwerfungen und wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Also auch dagegen wehren Sie sich offenbar.

Offenbar muss man hier auch noch einmal sagen, dass die Einnahmen aus dem Gasexport für Putin natürlich eine wichtige Finanzierungsquelle für seinen brutalen imperialistischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der ja an Grausamkeit noch einmal furchtbar zugelegt hat, sind.

Der zweite Schwerpunkt der Novellen des GWG und des ElWOG ist die massive Ausweitung im Konsumentenschutz betreffend Preistransparenz und Preisinformation. Gasversorger sind künftig verpflichtet, ihre Preisinformationen, ihre Produktinformationen umgehend in den Tarifkalkulator der Energie-Control, das ist die Regulierungsbehörde, die auch darauf schaut, einzumelden. Das ist natürlich ganz wichtig. Diese Daten sind dann quasi gesichert, geprüft und jeder Mann, jede Frau kann dort hineinschauen.


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Wenn Sie noch nicht in den Tarifkalkulator geschaut haben – das wäre vor allem auch an die Kundinnen und Kunden adressiert –, tun Sie das bitte! Ich mache das immer wieder, übrigens auch wieder zur Vorbereitung für heute. Es ist wirklich beeindruckend, erstens wie gut er ist und zweitens welche Preis­unterschiede es gibt. Geben Sie einmal Ihre Postleitzahl ein und schauen Sie sich das dann an! Das sind Zighunderte Euro für ein- und dieselbe Dienstleistung, wirklich viel Geld, das man einsparen kann. Mit einem Klick haben Sie die Informationen vor sich, Sie können vergleichen und Sie können sogar anklicken und den Anbieter sofort wechseln. Also das ist schon ein großartiges Instrument.

Zudem müssen Kund:innen – das ist ja auch wirklich neu und das ist schon erstaunlich, dass das gelungen ist – einmal jährlich von ihren Versorgern informiert werden, dass sie wechseln könnten. Sie könnten zu günstigeren Anbietern wechseln. Sie können sich vorstellen, wie sich die gefreut haben, dass so etwas eingeführt wird. Und sie müssen sogar noch mehr tun: Sie müssen Kunden informieren, wenn es in der gleichen Kategorie, also zum Beispiel für Haushalte, ein Produkt gibt, das günstiger ist als das, das sie jetzt haben. Sie müssen ihre Kunden darüber informieren. Also das ist, ganz ehrlich, schon cool. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. Bundesrätin Schumann: Übergewinn ... Kleinigkeit ... alle freuen!) Also wo sonst gibt es bitte solche verbindlichen Transparenz- und Informationspflichten?

Zum Schluss das Wichtigste noch einmal: Raus aus der Abhängigkeit von Gas und Öl, indem wir die Energieversorgung schnellstens auf erneuerbare Energie­träger umstellen – das ist die Herausforderung. Das Ziel ist, keinen Kubik­meter Gas, keinen Liter Öl mehr zu verbrennen. Das schafft Sicherheit, das hält die Preise stabil und es ist ein entscheidender Beitrag zur Überwindung der größten und bedrohlichsten Herausforderung, die wir haben: der Klimakrise.

Es ist unsere Verantwortung, den nächsten Generationen einen zumindest einigermaßen intakten Planeten zu hinterlassen. Vergessen wir niemals diese


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Hintergründe! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. – Bitte schön.


12.19.39

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Frau Vizepräsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Meine Vorredner haben eigentlich schon alles gesagt. Vielleicht darf ich noch ganz kurz auf die schöne Werbung unseres Kollegen Adi Gross eingehen.

Diese Tarifkalkulation bei der E-Control ist wirklich sehr vorteilhaft. Die Homepage dazu ist www.tarife.at. Da können Sie nicht nur Gaspreise, sondern auch die Strompreise vergleichen.

Künftig ist es ja den Gasversorgern beziehungsweise -anbietern sowieso auferlegt beziehungsweise sie sind dazu verpflichtet, diesen Tarifkalkulator zu übermitteln, und auch die Möglichkeit zum Wechsel und die Vorteile müssen künftig sofort ersichtlich sein beziehungsweise nicht erst am Jahresende bei der Abrechnung sichtbar werden.

Wir alle können uns noch an den letzten Winter erinnern. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir Bevorratungsmenge und -dauer erhöhen, damit wir auch heuer wieder gut über den Winter kommen können. Man muss auch dazusagen: Im Gegensatz zu unserem Nachbarn Deutschland setzen wir auf eine praxisorientierte Energiewende. Es liegt in unserer politischen Verantwortung, die Versorgungssicherheit in unserem Land mit gutem Gewissen zuverlässig zu gestalten.


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Zu den Ausführungen von Kollegen Bernard: Risikostreuung ist immer besser. Ein Haus, das man auf mehrere Säulen baut, ist einfach stabiler als ein nur auf einer Säule errichtetes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir wissen, dass einer der großen Haupttreiber der Inflation im letzten Jahr die Fernwärme war, denn die nutzt ja genauso Gas. Gerade in der Länderkammer möchte ich noch betonen, dass unser Bundesminister Dr. Martin Kocher die Landeshauptleute ja schon per Verordnung mit der Kontrollfunktion bezüglich der Fernwärme ausgestattet hat. Da sieht man dann schon auch ein bissel den Ost-West-Unterschied: In meinem Heimatbundesland Oberösterreich wurde der Fernwärmepreis zum Beispiel nicht erhöht, in Salzburg nur um 9,18 Prozent. In Wien wurde er leider um 92 Prozent erhöht. Vielleicht kann ich da die Kollegen der SPÖ einfach noch bitten, dass sie mit dem eigenen Bürgermeister und Landeshauptmann sprechen, damit auch den Wienern und Wienerinnen gehol­fen wird und sie entlastet werden.

Ich bitte daher um Unterstützung und danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte schön.


12.22.53

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Werte Zuseher:innen vor Ort und vor den Bildschirmen! Die Sozialdemokratie wird auch in der Länderkammer der vorliegenden Novellierung zustimmen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind Verbesserungen, die sich für die Endkundinnen und Endkunden ergeben. Kollege Gross hat schon sehr viel dazu gesagt. Die Gasversorger werden künftig Informationen zu ihren Standard­produkten an die Regulierungsbehörde liefern müssen. Der Tarifkalkulator der E-


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Control wird mit aktuellen Informationen hinterlegt sein. So entsteht für die Kundinnen und Kunden eine bessere Vergleichbarkeit.

Die Angebote werden grundsätzlich übersichtlicher und transparenter. Des Weiteren werden die Gasversorger verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden jährlich über die Wechselmöglichkeit zu informieren. Das ist grundsätzlich eine gute Sache, wie bereits angemerkt. Es wird jedoch notwendig sein, all diese Informationen und Entscheidungshilfen für die Endkund:innen so aufzubereiten, dass sie möglichst barrierefrei sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Verständlichkeit der Mitteilungen muss gegeben sein. Vom Konsumenten­schutz sind dringend Forderungen an die Konzerne zu stellen. Ältere Menschen und Menschen mit geringerem Sprachverständnis müssen jedenfalls in der Lage sein, das Geschriebene zu verstehen.

Für die mögliche Praxis der Energiekonzerne, mit Einjahresverträgen das gesamte Risiko schwankender Preise auf die Endkund:innen abzuwälzen, muss vorgebaut werden. Da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Als Sozialdemokratie fordern wir ein, dass alle Kunden und Kundinnen den Nutzen aus dieser Novellierung ziehen können und dass das Risiko von schwankenden Preisen nicht allein der Konsument, die Konsumentin tragen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum zweiten Teil der Novellierung, der Stärkung der Versorgungssicherheit: Da geht es zunächst um die Verlängerung der strategischen Gasreserve bis April 2026 und, wie bereits gehört, um die Anhebung des bisher gültigen Versor­gungsstandards für den geschützten Kundenbereich. Die Gasversorger müssen mit dieser Novellierung im Falle, dass sie russisches Gas einlagern, ver­pflichtend für 45 Tage Vorsorge halten. Für nicht russisches Gas bleibt es bei 30 Tagen wie gehabt. Mit dieser Differenzierung will man Anreize für Versorger schaffen, die Beschaffung zu diversifizieren.


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Da tun sich für die Sozialdemokratie etliche Kritikpunkte auf. Zunächst sehen wir die Unterscheidung zwischen russischem Gas und Gas anderen Ursprungs als sehr schwierig an. Diese unsere Ansicht wird auch von Expertinnen und Experten gestützt. Damit werden also neue Problemfelder eröffnet.

Zudem ist uns der Druck auf die Versorgungsunternehmen, ihre Beschaffung zu diversifizieren, zu gering. Für viele im Saal ist klar: Die Abhängigkeit von einem Hauptlieferanten macht schwach und anfällig. Der Ukrainekrieg muss Grund genug sein, alle in Betracht kommenden Ersatzlieferanten schnellst­möglich zu aktivieren, und das mit besonderem Nachdruck.

Unser sozialdemokratischer Landesrat aus Oberösterreich, Michael Lindner, hat vor Kurzem wieder darauf hingewiesen, dass der Ausbau der West-Austria-Gaspipeline dringend notwendig ist, besser heute als morgen begonnen werden soll. Wir haben in der Fragestunde bereits davon gesprochen, dass da massiver Druck auf die Versorger beziehungsweise die Leitungsbetreiber ausgeübt werden muss, da der Ausbau der Gasinfrastruktur sehr wichtig ist, und das möchte ich hier noch einmal deponieren, Frau Ministerin!

Dabei geht es um nichts weniger als um einen konkurrenzfähigen Industrie-, Wirtschafts- und Lebensstandard Österreichs, insbesondere für Oberösterreich. Wie wir gehört haben, kann über die Pipeline in der Folge auch grüner Wasserstoff transportiert werden. Ihr Ausbau steht daher auch in keinem Wider­spruch zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Also worauf warten wir dann noch?

Ich habe das Problem schon in der Fragestunde angesprochen: Die Diversi­fizierung über die Erschließung von neuen Erdgaslagerstätten, wie sie in meinem Bundesland Oberösterreich geplant ist, und das im direkten Umfeld des Nationalparks Kalkalpen, beschäftigt meine Region natürlich sehr intensiv, weil


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wir da einen Widerspruch drinnen haben: Förderung fossiler Energieträ­ger und Nationalpark. Eine Gemeinde, die sich seit Jahrzehnten dem Natur­schutz verschrieben hat, wird dadurch extrem gefordert.

Großer Kritikpunkt ist auch wieder, dass gerade Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Letzten sind, die über solche Angelegenheiten informiert werden, dass sie aber ganz vorne stehen müssen, wenn es um Bürgeranliegen geht. Sie bekommen aber immer nur gerade so viel Information, wie gerade opportun zu sein scheint, dass sie haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Und das finde ich als Bürgermeisterin einer anderen Gemeinde einfach nicht richtig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Frau Bundesministerin Gewessler hat sich zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


12.29.27

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Bundes­räte und Bundesrätinnen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich halte mich auch bei diesem Tagesordnungspunkt kurz. Wir haben seit Beginn des russischen Angriffskriegs – und noch einmal Danke an Adi Gross für das Revue-passieren-Lassen – viel dafür getan, dass österreichische Kundinnen und Kunden und Unternehmen sicher und zuverlässig mit Gas versorgt werden können.

Wir sind auf Rekordfüllstand bei unseren Speichern. Wir haben Versorgungs­engpässe nicht nur abwenden können, sondern es sind auch für diesen Winter keine zu erwarten, und wir konnten mit all diesen Bemühungen eben auch eine Energielenkung verhindern. Auch das waren ja Diskussionen, die wir letztes Jahr sehr intensiv geführt haben.

Um die Versorgungssicherheit weiter abzusichern, gibt es nun eben die fünfte Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes seit Beginn des Krieges. Im Mittelpunkt


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stehen die Themen Versorgungssicherheit, damit Diversifizierung, Inflationsbekämpfung und die Verlängerung der strategischen Gasreserve. Ich darf nur wiederholen, was jetzt schon mehrere Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben: Diversifizierung ist die Voraussetzung für Versorgungs­sicherheit, und – sorry to say – das hat uns das letzte Jahr, glaube ich, sehr schmerzhaft gelehrt, dass Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten wirklich keine gute Idee ist. Diversifizierung also als Voraussetzung für die Versorgungssicherheit.

Ich gehe jetzt noch einmal auf das ein, was Frau Bundesrätin Lancaster gerade gesagt hat: Diversifizierung heißt natürlich auch, zu schauen, wie man heimische Produktion stabilisieren oder in einem noch sinnvoll zu erreichenden Zeitrahmen – das ist die Voraussetzung – auch ausbauen kann.

Ich nehme die Informationsläufe, die Sie gerade kritisiert haben. Sie wissen, die Bergbaubehörde ist im Finanzministerium. Ich kann das gerne dem Kollegen auch noch einmal aus dem Bundesrat übermitteln. Wir sind im Ministerium in diesem Verfahren weder Behörde noch fachlich zuständig.

Zurück zu den aktuellen Gesetzesnovellen, die wir jetzt hier am Tisch haben: Das eine – es wurde eh schon erwähnt – ist die Ausweitung des bestehenden Ver­sorgungsstandards für geschützte Kundinnen und Kunden auf 45 Tage, Reduktion auf 30 Tage, wenn man diversifiziert, also ein Benefit, ein Goodie für die Versorger, die tatsächlich diversifizieren. Da sind natürlich auch Möglichkeiten und Kriterien dafür im Gesetz vorgesehen, wie diese Nachweise dann auch geführt werden.

Dasselbe – neu eingeführt, aber in derselben Logik – ist eine Pflicht zur Vorhaltung von Gasmengen für Gaskraftwerke im ElWOG. Auch hier geht es in dem Fall um eine reibungslose und sichere Stromversorgung für die Kraftwerke, die Gas zu Strom verstromen. Auch hier gibt es dieselbe Logik: ein starker Anreiz zur Diversifizierung.


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Im Gasbereich gibt es noch die Verlängerung der strategischen Reserve. Auch da geht es um einen Sicherheitspolster, es geht aber auch darum, dass wir die Kosten für die Speicherung so günstig wie möglich realisieren, denn da können wir jetzt mit dieser gesetzlichen Basis schon Vertragsanpassungen und Verlängerungen durchführen. Konkret macht das die ASGM, die Gesellschaft, die die strategische Gasreserve managt. Es gibt auch die Möglichkeit, das Abschmelzen der Reserve flexibler zu regeln. Auch hier geht es um Kostenmini­mie­rung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Dritter Punkt: mehr Transparenz für die Endkund:innen. Auch da kann ich nur zustimmen, es ist wirklich gut, dass das so gelungen ist. Auch ich darf den Blick auf den Tarifkalkulator der E-Control sehr ans Herz legen. Es gibt zwischen den Bundesländern und den Versorgern teilweise wirklich Unterschiede von mehreren Hundert Euro, also sich über einen Wechsel zu informieren - - (Die Rednerin hustet zum wiederholten Mal.) – Entschul­digung! Am Ende des heutigen Vormittags für mich im Bundesrat verlässt mich die Stimme.

Ich darf jetzt aber nur noch einmal wirklich diese Information und den Tarifkalkulator ans Herz legen. Das zahlt sich aus! Es ist in dieser Novelle einfach auch ein Anreiz für mehr Wettbewerb in der Branche, damit auch möglichst viele Kund:innen von den sinkenden Preisen profitieren können. Wir werden uns natürlich auch bemühen und alle Akteure dazu anhalten, auch die entsprechenden Informationen zielgruppengerecht und verständlich zur Verfügung zu stellen.

Ich darf mich jetzt bei den Bundesrät:innen von ÖVP, Grünen und SPÖ herzlich bedanken, weil sie schon angekündigt haben, sie werden diese Maßnahmen auch mittragen. Das ist ein wichtiger Schritt im Sinne der Versorgungssicherheit für dieses Land, und ich freue mich natürlich, wenn der Beschluss mit noch breiterer Mehrheit getragen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.34



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Buchmann. – Bitte schön.


12.34.49

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind die Erwartungen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, aber auch der Unternehmerinnen und Unterneh­mer an uns in der Politik? – Die Erwartungen sind, dass wir Sicherheit geben, die Erwartungen sind, dass wir Verlässlichkeit ausstrahlen, und die Erwar­tungen sind sicher auch, dass wir unsere Maßnahmen mit hoher Transparenz vorbereiten, begründen und dann auch umsetzen.

Wir entscheiden in diesen Tagen unter hoher Unsicherheit, wir entscheiden in vielen Fragen sogar unter Risiko. Das ist einer weltpolitischen Lage geschuldet, die auf viele gesellschaftliche Bereiche ihre Auswirkungen hat, insbesondere auch auf den Energiemarkt. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu großen Verwerfungen auf den Energiemärkten geführt, und wir müssen damit umgehen. Täglich neue geopolitische Herausforderungen, wie beispielsweise der terroristische Akt der Hamas, aber auch andere Vorkomm­nisse im Verhältnis zwischen einzelnen Ländern, erfüllen mit Sorge und haben immer wieder auch auf die Energiemärkte große Auswirkungen.

Es ist daher notwendig, diese Sicherheit, Verlässlichkeit und Transparenz zu geben. Die Vorredner:innen und die Frau Bundesministerin haben es heute auch in der Fragestunde schon angesprochen: Dies hat Maßnahmen und auch Novellen erforderlich gemacht. Heute beschließen wir einige Novellen, die auf der einen Seite die strategische Gasreserve bis 1.4.2026 verlängern, die zum Zweiten den Versorgungsstandard für Gasversorger ausweiten. Ich halte das schon auch für eine sehr vertrauensbildende Maßnahme gegenüber der Bevölkerung, den privaten Haushalten, aber auch den öffentlichen Haushalten. Denken Sie auch an unsere Spitalsträger in den Bundesländern, denen


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wir dieses Vertrauen geben können! Das sind geschützte Kundenbereiche, und die müssen sich verlassen können, dass sie mit der entsprechenden Energie versorgt werden.

Die Transparenz ist vielfach adressiert worden. Ich füge nur hinzu, aus ökonomischer Sicht haben wir eine asymmetrische Informationslage und mit diesem Tarifkalkulator kann dieser asymmetrischen Informationslage entgegengewirkt werden. Damit hat die Bevölkerung, haben die privaten Haushalte die Möglichkeit, transparent nachzuvollziehen, wie sie ihre kaufmännischen Entscheidungen treffen. Ich spreche auch die Einladung aus, das zu nutzen. Das tut dem eigenen Geldbörsl gut und motiviert möglicher­weise den einen oder anderen Anbieter, auch innovativ zu werden, nicht nur was die Tarifsituation betrifft.

Die ElWOG-Novelle verpflichtet KWK-Anlagenbetreiber, Gasmengen zumindest 45 Tage vorzuhalten, und auch das ist eine, wie ich meine, sehr, sehr richtige Maßnahme.

Wir setzen mit diesen Novellen heute vertrauensbildende Maßnahmen. Wir geben Sicherheit, Verlässlichkeit und Transparenz. Wenn ich „wir“ sage, meine ich jene, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, Verantwortung gegenüber Österreich –, und die auch an dieses Österreich und dieses gemeinsame Leben in Österreich glauben. Ich bedanke mich insbesondere auch bei der Sozialdemokratie dafür, dass sie diesen Novellen zustimmt. Die Regierungsfraktionen ÖVP und Grün haben die Zustimmung ja ebenfalls bereits angekündigt.

Ich bedauere es sehr, dass die Freiheitliche Partei mit dem Blick darauf, dass ja mit diesen Novellen noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, sondern dass wir einen notwendigen Infrastrukturausbau selbstverständlich im Blick haben müssen und dass Energieeffizienzmaßnahmen selbstverständlich weiter zu verfolgen sein werden, diesen Novellen nicht zustimmt. Sie müssen sich


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selber in den Spiegel schauen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

12.39 12.39.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungs­mäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ebenfalls um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der


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gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

12.40.495. Punkt

46. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2022) (III-820-BR/2023 d.B. sowie 11320/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin hierzu ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Ich bitte um den Bericht.


12.41.09

Berichterstatterin Simone Jagl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bürger:innenrechte und Petitionen über den 46. Bericht der Volksanwaltschaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2022.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Bürger:innenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2023 den Antrag, den 46. Bericht der Volksanwalt­schaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2022 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

An dieser Stelle darf ich auch die drei zuständigen Volksanwält:innen im Haus begrüßen, Gaby Schwarz, Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen somit in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist zunächst Frau Bundesrätin Barbara Prügl. – Bitte schön.


12.42.12

Bundesrätin Barbara Prügl (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwältin Gaby Schwarz und die Herren Volksanwälte Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauerinnen und Zuseher! Haben Sie sich heute schon beklagt? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Hat sich Ihr Sitznachbar bereits über eine Sache beklagt? (Bundesrätin Eder: Nein!) Haben Sie heute schon ein Problem gelöst, aus einem Fehler gelernt, Ursachen analysiert und Vorschläge ausgearbeitet? Waren Sie heute schon als Vermittler oder als Vermittlerin erfolgreich im Einsatz unterwegs? (Bundesrat Schreuder – erheitert –: Ja!)

Stellen Sie sich vor, das passiert Ihnen 96 Mal am Tag, rund 24 000 Mal im Jahr! Es ist für eine Person eigentlich unmöglich, das zu bewältigen. Geschafft hat es das Team der Volksanwaltschaft – also so einfach geschafft, kann man da natürlich sicherlich nicht sagen. Dahinter steckt schon eine gewaltige Maschi­nerie, und zwar das Team der Volksanwaltschaft, das vertrauensvoll berät und unterstützt.

Ich möchte Danke für die wertvolle Arbeit für eine funktionierende Demokratie sagen, wenn es um Kontrolle, Aufklärung, Vermittlung und stetiges Verbessern geht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Grimling.)

Die Volksanwaltschaft hat auch im Jahr 2022 trotz noch vorhandener Einschrän­kungen durch die Pandemie den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern pflegen können. So hat es letztes Jahr 116 Sprechtage und 920 Beratungen gegeben. Das zeigt, dass es trotz vieler alternativer digitaler Kommunikations­möglichkeiten dennoch unumgänglich und wichtig ist, dass es persönliche Gespräche gibt und dass persönliche Gespräche angeboten werden, draußen vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern.


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Exakt 23 958 Menschen wandten sich im Jahr 2022 mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft. Wie wir schon gehört haben, sind das pro Arbeitstag im Schnitt 96 Rat und Hilfe Suchende. Das sind so viele wie nie zuvor. Es ist zwar nur ein Plus von 1,4 Prozent, wenn man es mit dem letzten Jahr vergleicht, aber doch um 33 Prozent mehr Beschwerden als vor zwei Jahren.

Angesichts der weltpolitischen Krisen – Pandemie, Energiekrise und Teuerung –, die natürlich leider auch vor Österreich nicht Halt machen, hat sich, wie dadurch bestätigt, auch der Informations- und Unterstützungsbedarf der Menschen erhöht. Die meisten Gründe für die Beschwerden im Jahr 2022 betrafen den Bereich Soziales und Gesundheit, vor allem im Zusammenhang mit Problemen bei den Covid-Absonderungsbescheiden und der langen Bearbeitungsdauer von Kostenerstattungen bei der Krankenkasse.

Außerdem häufen sich die Beschwerden beim Klimabonus und beim Teuerungs­ausgleich. Dazu kann ich sagen, dass es da schon sehr, sehr viele Verbesse­rungen gegeben hat. Zum Beispiel können auf der Homepage www.klimabonus.gv.at unter den FAQs wirklich viele Unklarheiten schon im Vorfeld entschärft und geklärt werden. Außerdem wurde – falls der 2022er-Bonus doch nicht ausbe­zahlt worden ist, obwohl man den Anspruch gehabt hätte – auch eine Möglichkeit geschaffen, dass man diesen dann trotzdem noch beantragen kann. (Bundesrat Steiner: Was für eine Leistung!)

Personelle Engpässe haben die Situation im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Justiz und bei der Polizei weiter verschärft. Daher will ich insbesondere die Gesundheits- und Pflegereform unserer Regierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer hervorstreichen: Pflegelehre, Pflegestipendien, der Pflege-daheim-Bonus, die Erleichterung bei Nostrifikationen oder der Ausbau der Primärv­ersorgung sind nur ein paar Punkte daraus. Da geschieht etwas: Wichtiges und Notwendiges, was in den letzten Monaten auf den Weg gebracht wurde, Wichtiges und Richtiges, was die Bundesregierung für unsere Menschen in Österreich tut. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ein weiterer Punkt daraus, die Fotovoltaikförderung, war – nicht verwunderlich – ebenso auf der Beschwerdeskala der Volksanwaltschaft zu finden. Da liegt mit dem Wegfall der Mehrwertsteuer endlich eine gute Ersatzlösung vor.

Zum Thema Rückzahlung von Kinderbetreuungsgeld wegen verspäteter Nach­reichung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen: Das wird mit dem beschlossenen digitalen Eltern-Kind-Pass nicht mehr passieren. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Seit 2012 erfüllt die Volksanwaltschaft zusätzlich die Aufgabe als Nationaler Präventionsmechanismus für den Schutz und die Förderung der Men­schenrechte. Im Jahr 2022 wurden 460 Kontrollen in öffentlichen und privaten Einrichtungen wie in Alten- und Pflegeheimen, Krisenzentren und Polizeiinspektionen durchgeführt. 21 Mal wurden Polizeieinsätze begleitet. Schwerpunkte waren dabei unter anderem die Palliativversorgung, die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Selbstbestimmtheit von Menschen mit Beeinträchtigung. Die Kontrollen erfolgten meist unangekündigt. Warum? – Um tatsächlich auch von diesen Einrichtungen einen unverfälschten Eindruck zu bekommen.

Bei 70 Prozent dieser präventiven Kontrollen stellte die Kommission Beanstandungen der menschenrechtlichen Situation fest. Im guten Austausch der Volksanwaltschaft mit den Ministerien und Aufsichtsbehörden konnten jedoch viele der festgestellten Missstände und Gefährdungen bereits im Vorfeld beseitigt werden.

Natürlich hängt die Qualität der Einrichtungen insbesondere auch von den handelnden Personen ab. Gutes darf daher durch Einzelfälle nicht verzerrt werden. Ich will daher ganz besonders allen danken, die in den öffentlichen und privaten Einrichtungen tätig sind und mit viel Empathie und Engagement ausgezeichnete Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sehr geehrte Damen und Herren, wo gehobelt wird, fallen Späne. Gerade deshalb ist es gut, das Kontrollorgan der Volksanwaltschaft zu haben. Eine wirksame Kontrolle zeigt Schwachstellen auf, wie wir schon gehört haben, zeigt Fehlentwicklungen auf – nicht um zu ärgern, sondern um Lücken zu schließen, Ungerechtigkeiten zu beseitigen und sich stetig weiterzuentwickeln. Also: Feedback annehmen und wirkungsvoll ins Rechtssystem einarbeiten! Das ist enorm wichtig für das Funktionieren des Rechtsstaates. Es stärkt unsere Demokratie und unsere Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend darf ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft und den anwesenden Volksanwält:innen für den großartigen Einsatz, die Verbesserungsvorschläge und die umfassenden Berichte bedanken. Damit können wir gemeinsam und ständig an Lösungen arbeiten – zum Wohle der Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.49


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Günter Kovacs zu Wort. – Bitte schön.


12.50.01

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Hohes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Ich darf gleich zu Beginn sagen: Diese Berichte der Volksanwaltschaft sind eine richtige Leseempfehlung, kann man sagen. Sie geben einen sehr profunden Überblick darüber, wo in Österreich in der Verwaltung und in Einrichtungen und Institutionen Herausforderungen gegeben sind und wo auch Handlungsbedarf besteht – das meist für Kundinnen und Kunden, die als vulnerabel einzustufen sind. Für das Aufzeigen Ihrer täglichen Arbeit, Frau Volksanwältin, Herren Volksanwälte, aber auch allen Mitarbeiter:innen der Volksanwalt­schaft und all ihren Kommissionen sei seitens meiner Fraktion ein großer, herzlicher Dank ausgesprochen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Für die Politik – für die Regierung auf Bundesebene und die Regierungen in den Ländern – leiten sich daraus ganz konkrete Maßnahmen zur Verbesserung ab.

Ein Thema, das in mehreren Kapiteln und damit Arbeitsfeldern akut ist, ist der Personalmangel und der Mangel an Fachkräften. Das betrifft einerseits die Pflege: Wenn in den Pflegeeinrichtungen zu wenig Personal vorhanden ist, bedeutet das nicht nur eine steigende Belastung für das bestehende Personal, das sowieso einen sehr, sehr harten Job macht. Diese Leute haben sowieso einen Beruf, der sehr schwer ist, diese Belastungen müssen hingenommen werden und das ist sehr, sehr schwierig.

Der Personalmangel bedeutet gleichzeitig aber auch eine prekäre Situation in der Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner. Weniger Zeit für Tätigkeiten aller Art birgt das Risiko, dass Menschen nur schnell – zu schnell – abgefertigt werden, aber keine Zuwendung erfolgen kann. Sogar Verwahrlosung und Dehydrierung wurde bei Besuchen in Einrichtungen festgestellt. Da sieht man schon ganz klar, wozu dieser Personalmangel führt.

Ähnlich verhält es sich im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Auch dort wird händeringend nach Personal gesucht und der Betrieb in den WGs und Einrichtungen oft zu unzumutbaren Bedingungen für die Kinder und Jugend­lichen und für das Personal aufrechterhalten, gerade in einer Zeit, in der die Anforderungen an die Kinder- und Jugendhilfe so stark gestiegen sind – wir erinnern uns an verschiedene Bedrohungslagen in den letzten Jahren, denken an das aktuelle Weltgeschehen und was das alles mit der psychischen Verfassung von Kindern macht. Gerade jetzt bräuchte es ein Mehr an individueller Zuwendung, an Therapiemöglichkeiten et cetera. Stattdessen aber macht sich dieser Mangel an Ressourcen auch durch Überforderungssituationen, immer wieder auch Gewalteskalationen, bemerkbar. Das ist auf jeden Fall inakzeptabel für alle.

Das Thema Ressourcenknappheit und damit Unterversorgung setzt sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und in den Einrichtungen für Menschen mit


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Behinderung fort. In so sensiblen Bereichen müssen bei der Vorstellung, was das für die Versorgung der jungen Menschen bedeutet, alle Alarmglocken läuten. Deshalb bringe ich heute hier einen Entschließungsantrag von uns, von den Sozialdemokraten, zu diesem Thema ein. Ich darf die Formel gleich verlesen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinder- und Jugendhilfe evaluieren und weiterentwickeln“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Familie, Frauen, Jugend, Medien und Integration wird ersucht, die Empfehlungen der Volksanwaltschaft möglichst rasch umzusetzen, wobei insbesondere für mehr Personal in den Einrichtungen, einheitliche Tagsätze für alle Kinder, kleinere Gruppen zur Betreuung, einheitliche Qualitätskriterien, eine massive Aufstockung der Ressourcen sowie eine allgemeine Evaluierung der Kinder- und Jugendhilfe in Österreich zu sorgen ist.“

*****

Ich möchte Frau Mag. Daniela Gruber-Pruner, die diesen Entschließungsantrag verfasst hat, Danke sagen.

Was bedeutet dieser Fachkräftemangel in allen Bereichen? – Er bedeutet eine Negativspirale. Mitarbeiter:innen werden weiter ihren Job verlassen und neue Mitarbeiter werden nicht zu finden sein, wenn Sie die Arbeitsbedingungen nicht drastisch verbessern – und zwar wirklich spürbar. Es geht nicht nur um die Entlohnung dieser anspruchsvollen Arbeit, es geht auch um die Reduktion der Arbeitszeiten, damit auch Regeneration zwischen den Diensten möglich ist. Es geht um größere Teams, damit man sich gegenseitig unter die Arme greifen kann und nicht mit den Herausforderungen alleine gelassen wird.


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Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass einige dieser Forderungen erledigt sind, wenn der nächste Bericht kommt. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Steiner.)

12.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kinder- und Jugendhilfe evaluieren und weiterentwickeln“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte schön.


12.54.55

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Volksanwälte! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Die Volksanwaltschaft ist eine über die Parteigrenzen hinweg tätige Institution, die sich der Probleme unserer Bevölkerung annimmt, zwischen Konfliktparteien vermittelt und lösungsorientiert handelt. Im Jahr 2022 wurden der Volksanwaltschaft fast 24 000 Beschwerden übermittelt. Im Jahresbericht, der uns vorliegt, geben die Volksanwälte einen Überblick über die wichtigsten Prüfergebnisse und -tätigkeiten.

Das Beschwerdeaufkommen im Jahr 2022 lag bei genau 23 958 Beschwerden. 1 911 Beschwerden betrafen die Verwaltung. Pro Arbeitstag kontaktierten 96 Personen die Volksanwaltschaft. Im Jahr 2022 konnten 10 508 Prüfverfahren abgeschlossen werden. Davon stellte die Volksanwaltschaft bei 2 278 Fällen, also bei rund einem Fünftel, einen Missstand in der Verwaltung fest. Da ist von der Regierung der Hebel anzusetzen.

Ein ganz wesentlicher Anteil, nämlich rund 25 Prozent, betrifft den Sozial- und Gesundheitsbereich. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass immer noch


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Beschwerden bezüglich Covid‑19 gemeldet werden. Im Bereich der Sozialver­sicherung ist das Beschwerdeaufkommen bei Menschen mit Behinderung nach wie vor zu hoch. Da ist der Gesundheitsminister gefordert. – Herr Minister, handeln Sie endlich im Sinne der Menschen!

Besorgniserregend ist die Tatsache, dass 22,5 Prozent der Beschwerden die innere Sicherheit betreffen. Es wurden 1 811 Prüfverfahren zum Fremden- und Asylrecht beantragt.

Der Bericht wurde seitens der Volksanwaltschaft sehr umfangreich und konkret erstellt und an die Parlamentsdirektion übermittelt. Die FPÖ-Fraktion bedankt sich bei der Volksanwaltschaft für den ausführlichen Tätigkeitsbericht. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.57


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


12.57.34

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Bundesrät:innen! Zuallererst möchte ich mich für das große Lob, das Sie aus­gesprochen haben, auch im Namen der Mitarbeiter:innen bedanken. Wir werden dieses Lob selbstverständlich weitergeben. Sie können mir glauben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich auch darüber.

Die Zahlen wurden schon angesprochen. Wir haben einen Zuwachs an Beschwerden über die Verwaltung verzeichnet. Wir haben aber auch jede Menge unangekündigter Besuche im Rahmen der präventiven Menschenrechts­kontrolle – Jahr 2022: 481 Kontrollbesuche – durchgeführt, und wir haben in etwa 70 Prozent der Fälle etwas zu beanstanden gehabt.

Das muss weniger werden, weil diese Beanstandungen Mängel in der Einhaltung der Menschenrechte betreffen! Diese sind einmal schwerer, einmal leichter zu beheben, all diese Beanstandungen bedeuten aber, dass in den Einrichtungen


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entweder Menschenrechte verletzt werden oder eine potenzielle Verletzung der Menschenrechte droht. Wir haben verschiedene Schwerheitsgrade, wenn Sie so wollen. Das Schlimmste, was wir festgestellt haben, waren – es wurde schon angesprochen – Dehydrierung, Unterernährung, unversorgte Wunden in Pflegeheimen. Vieles davon ist, und auch das wurde schon angesprochen, auf einen Mangel an Pflegepersonal, einen Betreuungsmangel zurückzuführen. Wir kritisieren in den wenigsten Fällen die Arbeit des Pflegepersonals. Wir kritisieren in der Regel die Rahmenbedingungen, unter denen es zu arbeiten hat.

In der präventiven Menschenrechtskontrolle stellen wir auch fest, dass in den Jugendeinrichtungen zu wenig Personal vorhanden ist und dass das vorhandene Personal in sehr vielen Fällen nicht die richtige Ausbildung hat. Dazu haben wir eine Schwerpunkterhebung durchgeführt, die im Jahr 2022 gelaufen ist, die zutage gebracht hat, dass nur etwa 50 Prozent der in den WGs tätigen Betreuerinnen und Betreuer die dafür wirklich zu 100 Prozent passende Ausbildung haben. Wozu führt das? – Das führt zu einer Überlastung der Betreuungspersonen, das führt zu Burn-out-Fällen, das führt dazu, dass andere

einspringen und Überstunden machen müssen, die dann wieder Gefahr laufen, überfordert zu sein.

Diese Überforderung – nicht nur in den Jugendeinrichtungen, sondern auch in den Pflegeeinrichtungen – führt dann sehr oft zu nicht gemeldeten Freiheitsentziehungen. Diese Freiheitsbeschränkungen, dieser Freiheitsentzug findet heutzutage zumeist nicht mehr dadurch statt, dass man die Leute einsperrt, sondern sehr oft durch Medikamente: Medikamentöse Freiheits­beschränkungen nehmen extrem zu – auch jene, die nicht gemeldet werden. Auch darauf müssen wir einen Fokus legen.

Der zweite Bereich, auf den ich eingehen will, ist der Bereich der Heimopfer­entschädigungen. Es gab nach wie vor ungefähr 500 Anträge pro Jahr von


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Menschen, die zwischen 1945 und 1999 in Kinder- und Jugendeinrichtungen Opfer von Gewalt wurden und Entschädigung beantragten. 200 dieser Fälle werden der Kommission der Volksanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt, und ich muss Ihnen leider sagen, dass die Zahl derzeit noch nicht zurückgeht.

Zuletzt sind erst die Opfer in den sogenannten Taubstummenanstalten darauf aufmerksam geworden, dass auch in ihren Einrichtungen derartige Vorkommnisse die Regel waren – muss ich leider sagen – und beantragen jetzt Entschädigung. Da sieht man: Obwohl dieses Entschädigungsprogramm schon fünf Jahre läuft, hat sich das zu den Opfern noch nicht hundertprozentig durchgesprochen; und in manchen Fällen zögern die Opfer auch noch, das Ganze noch einmal aufzuwärmen und geltend zu machen.

Ich bitte also, uns auch weiterhin die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit wir die Auszahlung dieser Heimopferrente vollziehen können. Wir können leider nicht davon ausgehen, dass sich jetzt schon alle gemeldet haben, denen so etwas zusteht.

Bei der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung möchte ich auf einige wenige Punkte besonders eingehen. Verzeihen Sie mir, dass ich halt auf jene Punkte eingehe, zu denen aus unserer Sicht noch nicht genug geschehen ist, wohl wissend, dass in vielen Fällen die Verwaltung auf unsere Kritik positiv und richtig reagiert, die Dinge ins Reine bringt, und dass in vielen Fällen auch die Politik reagiert und bei Gesetzen, die zu unbilligen Ergebnissen führen, Novellen vor­nimmt.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine Reaktion leider nicht so schnell erfolgt und in denen wir schon über Jahre verstärkt Beschwerden und ein großes Ungerechtigkeitsgefühl bei den Betroffenen beobachten.

Einer dieser Bereiche ist der Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes, vor allem dann, wenn ein Elternteil im Ausland arbeitet. Dann hat der in Österreich verbleibende Elternteil – zumeist ist das die Mutter – einen Hürdenlauf zu


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bewältigen, an dem man in vielen Fällen scheitert. Man wird aufgefordert, im Ausland diverse Anträge zu stellen, um festzustellen, ob nicht eine ausländische Behörde für die Leistung der Kinderunterstützung zuständig ist. Das übersteigt die vom Gesetz geforderte Mitwirkungspflicht. An sich müsste die österreichische Behörde sich darum kümmern.

Natürlich müssen die Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitwirken. Man sollte aber nicht von den Eltern verlangen, dass sie im Ausland, womöglich in einer Fremdsprache, Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Bestätigungen beibringen, die es manchmal im Übrigen gar nicht gibt. Sie werden sogar dazu aufgefordert, Entscheidungen ausländischer Behörden zu bekämpfen und laufen drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Jahre dem Kinderbetreuungsgeld nach.

Das Kinderbetreuungsgeld braucht man dann, wenn das Kind klein ist. Dann findet der Einkommensentfall statt, dann ist die Familie in einer besonders schwierigen Situation, und dann sollte das auch rasch bezahlt werden.

Die Rechtsansicht der Volksanwaltschaft ist übrigens inzwischen von mehreren Gerichten und auch mehrfach vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden, aber die Verwaltungspraxis beim Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes hat sich auf Anweisung des Familienministeriums noch nicht geändert. Vollzugsbehörden sind die Krankenkassen. Diese handeln aber auf Anweisung des Familien­ministeriums und dort hat sich noch nichts getan. Wir drängen daher wirklich darauf, dass sich das ändert; und wenn es sich nicht im Verwaltungshandeln ändert, dann wäre der Gesetzgeber gefordert, dafür zu sorgen, dass Jungfamilien rasch zu ihrem Geld kommen.

Beim angesprochenen Mutter-Kind-Pass besteht jetzt noch eine Übergangsfrist, bis diese elektronische Lösung in Kraft tritt, und auch in diesem Bereich können leider noch die Probleme auftauchen, die wir schon kennen: Jungeltern lassen die Untersuchungen durchführen, sind dann schlampig beim Nachweis dieser Untersuchungen und bezahlen dafür einen sehr, sehr hohen


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 152

Preis. Das sollte eigentlich nicht sein, wenn man erheben kann, dass die Untersuchungen durchgeführt wurden.

Die Bemerkungen über die Jugendhilfe kann ich bestätigen. Es wäre wirklich gut, wenn man die Rechtsgrundlagen, vor allem was Ausbildung und Personalschlüssel, Betreuungsschlüssel betrifft, bundesweit vereinheitlichen würde.

Ein Thema möchte ich noch ganz kurz ansprechen, weil es auch ein Thema zwischen den Bundesländern ist: Wir haben immer wieder große Probleme, wenn Menschen von einem Pflegeheim im Bundesland A in ein Pflegeheim in Bundesland B wechseln wollen, weil dort die Kostentragung dann nicht gewähr­leistet ist, da jedes Bundesland bei der Finanzierung des Pflegeheimauf­enthalts andere Regeln hat und die Regeln untereinander nicht zusammen­passen.

Das führt dazu, dass, wenn man beispielsweise von Salzburg nach Niederöster­reich wechselt – weil die Kinder, die Angehörigen halt dort sind und man dann öfter Besuch bekommen kann –, die Salzburger sagen: Na ja, in Salzburg würden wir dich unterstützen, aber wenn du nach Niederösterreich gehst, zahlen wir nicht. Die Niederösterreicher hingegen sagen: Wenn du Niederösterreicher:in wärst, würden wir dich unterstützen, aber da du Salzburger:in bist, zahlen wir nicht.

Die Folge ist: Man muss mindestens sechs Monate selber bezahlen, bis die Niederösterreicher sagen: Na ja, jetzt giltst du quasi als niederösterreichischer Landesbürger, jetzt bist du schon sechs Monate hier, jetzt übernehmen wir die Kosten! – Sechs Monate Pflegeheim kosten aber rund 35 000 Euro bis 40 000 Euro, und das ist natürlich für die meisten nicht tragbar, das ist unzu­mutbar. Das hat im Übrigen vor wenigen Wochen auch der Verfassungs­gerichtshof festgestellt. Daher ersuche ich Sie, in Ihren Bundesländern darauf zu drängen, dass es da zwischen den Ländern möglichst rasch eine Vereinbarung gibt, sodass die Regelungen zusammenpassen und die Menschen nicht auf den


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Kosten sitzen bleiben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

13.07


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Stellungnahme hat sich Herr Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.08.07

Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der zweiten Kammer, der Länderkammer! Die allgemeinen Daten sind genannt worden. Ich möchte in erster Linie auf meinen Geschäftsbereich, der ein sehr vielfältiger ist, ein bisschen näher eingehen.

Es gibt bei uns auch einen – unter Anführungszeichen – „Massenträger“, nämlich das Thema Auszahlung des Klimabonus. Natürlich muss man alles, wie generell die Beschwerden zu Verwaltungstätigkeiten, für ganz Österreich dar­stellen. Wir sind diesbezüglich auch in Gesprächen mit den Beamten des Klimaministeriums, und diese vertreten den Standpunkt: Das ist eine Aktion, bei der 8,3 Millionen Menschen bezugsberechtigt sind – was sind da in der Relation die im Berichtszeitraum 500 respektive bei Drucklegung 750 und aktuell über 1 600 Beschwerdefälle von Menschen, die seit 2022 ihren Klimabonus nicht bekommen haben, bei der Volksanwaltschaft?

Das kann man eben so oder anders sehen. Wir als Volksanwaltschaft sind eine Institution, die ihr Augenmerk insbesondere auf das Schicksal des Einzelnen richtet, und da erlebt man teilweise sehr abenteuerliche Dinge. Da hat eine Frau den Klimabonus zweimal überwiesen bekommen, ruft bei der Hotline an, sagt: Ich würde das gerne zurückzahlen!, und erhält die telefonische Auskunft: Das ist nicht vorgesehen! Freuen Sie sich! – Dann beschwert sich die Mutter der Glücklichen, weil sie keinen Klimabonus bekommen hat. Darauf sagt das Ministe­rium: Ah, das haben wir irrtümlicherweise der Tochter – die den gleichen Namen hat; das soll in Familien ja vorkommen – überwiesen! Wissen Sie was, liebe Frau? Machen Sie das mit Ihrer Tochter aus! – Das ist nur ein kleines


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Beispiel dafür, was wir uns unter korrektem Verwaltungshandeln nicht vorstellen. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Es reißt momentan auch nicht ab, die Beschwerden kommen nahezu jeden Tag. Bei einer Gesamtzahl von rund 24 000 Beschwerden sind 1 600 Beschwerden alleine in meinem Geschäftsbereich, auf zwei Jahre aufgeteilt, wenn ich dieses Jahr bereits als voll rechne, durchaus ein beträchtlicher Anteil.

Ähnlich verhält es sich im Bereich des Innenministeriums, des Vollzugs des Fremden- und Asylwesens. Da ist natürlich die Magistratsabteilung 35 ein Dauerbrenner, die in den letzten Jahren, auch aufgerüttelt durch Berichte der Volksanwaltschaft, äußerst bemüht ist, aufzuholen. Es kann aber noch immer nicht gelingen, die Beschwerdeflut ist eine, die nicht abreißt – noch dazu hat ja der Gesetzgeber aufgrund der Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft, der erleichterten Staatsbürgerschaft für Opfer des Nationalsozialismus beziehungsweise deren Nachkommen, eine Generalzuständigkeit der MA 35 ohne entsprechende personelle Vorsorge beschlossen. Die MA 35 hat innerhalb eines Jahres auf einmal 20 000 Akten einfach so auf den Tisch bekommen, ohne wirklich zusätzliches Personal zu erhalten. Wir anerkennen die Bemühungen, sehen aber auf der anderen Seite, dass es Verfahren gibt, im Rahmen derer Menschen ein, zwei, drei, vier Jahre auf die Abwicklung eines rechtsstaatlichen Verfahrens warten.

Da kommt natürlich auch ein psychologischer Aspekt dazu, dass in Österreich sogar für Personen, die noch nicht so lange in Österreich sind, irgendwie die Meinung vorherrscht: Lieber nicht aufregen, lieber untertan sein, denn ich kriege ja nur eine befristete Aufenthaltsbewilligung; wer weiß, was mich die dann, wenn ich einen schwarzen Punkt habe, weil ich halt aufgemuckt habe, bei der Verlängerung vielleicht anschauen lassen, also lieber einmal nicht aufregen! – Ich glaube, an dieser Mentalität sollte und könnte man in einem Rechtsstaat unter Umständen auch arbeiten. Das beginnt vielleicht schon in der Schule.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 155

Kollege Achitz hat es ja bereits angesprochen: Ja, die Volksanwaltschaft ist ein Haus der Menschenrechte, und im Innenressort werden auch Polizeiinspek­tionen oder andere Orte, wo seitens der Polizei Anhaltungen – also ein Entzug der Freiheit, wenn auch nur für kurze Zeit in Relation zu einer justiziellen Strafe – erfolgen, angesehen, und es wird geschaut, ob bei einer Inhaftierung auch Menschenrechtsverletzungen entweder schon tatsächlich stattgefunden haben oder stattfinden könnten.

Da gibt es auch Dinge, die auf der einen Seite mit der baulichen Ausstattung dieser Polizeiinspektionen, Anhaltezentren, was auch immer zu tun haben, weil dafür oft die Budgetmittel nicht rasch genug ausreichend vorhanden sind.

Trotzdem treibt das aber kleine Blüten, zum Beispiel dass in einer Zelle, in einem Haftraum die Toilette nicht vom Insassen betätigt werden kann, sondern er muss nachher einen der Polizisten rufen, der dann von außen die Spülung betätigt. Das sind natürlich Blüten, aber was ich sagen möchte, ist: In der Volksanwalt­schaft erleben wir schon Dinge, angesichts derer ich mir als durchaus erfahrener Jurist – auch in meinem Zivilberuf – dann oft denke: Es gibt doch Dinge, von denen man nicht glaubt, dass es sie gibt!

Auf der anderen Seite möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Polizistinnen und Polizisten insgesamt, was menschenrechtliche Beurteilungen betrifft – das berichten die Opcat-Kommissionen, die wir dort hinschicken –, einen freundlichen, kompetenten, beflissenen, aufgeschlossenen und tadellosen Umgang pflegen.

Das war nicht von Beginn an so. Also auch da sieht man, dass die Volksanwalt­schaft, insbesondere was das Opcat-Mandat betrifft, auf fruchtbaren Boden stößt, nicht zuletzt vielleicht auch deshalb, weil die Volksanwaltschaft im Rahmen der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten in den Polizeischulen auch Module mit entsprechenden Vorträgen hält, dass das Partner sind.


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Es gibt immer mehr lobende Worte seitens der Kommission, die wir dann natür­lich auch dem Innenministerium berichten, wobei wir auch namentlich sagen, besonders Herr Abteilungsinspektor Sowieso, Frau Bezirksinspektorin Sowieso hat dieses und jenes auch mit viel Eigeninitiative gemacht, sodass das auch beim Bundesminister, der unser Ansprechpartner ist, auf fruchtbaren Boden fällt.

Aus den einzelnen Fällen der nachprüfenden Kontrolle möchte ich zwei Punkte herausgreifen – Sie lesen es auf Seite 116 und folgende –, in denen es um die Frage der Polizei geht. In Fällen von Lärmbelästigung oder Ruhestörung ergibt es zum Beispiel relativ wenig Sinn, dass die Polizeistreife, wenn jemand anruft und sagt: Es ist grad laut bei uns auf der Straße!, erst nach 60 Minuten anrückt und sagt, sie konnte keine Lärmerregung mehr feststellen. Das bringt unter Umständen eine gewisse Frustration für den Bürger mit sich, der dann sagt: Jetzt rege ich mich erst gar nicht mehr auf!, und sich dann vielleicht zurückzieht.

Ein Fall ist aber gerade in Zeiten wie diesen ein besonders sensibler, nämlich die Fehleinschätzung eines Notrufes: Eine Frau ruft an und sagt, sie wird von ihrem Ehemann – da gab es ein Betretungsverbot und so weiter – in ihrer Wohnung mit dem Messer attackiert. Nachdem der einschreitende Beamte am Notruftelefon Schreien und auch Lachen im Hintergrund gehört hat, hat er gesagt: Das ist ein Scherzanruf, das behandle ich nicht weiter! – Ein Anwesender hat dann noch einen zweiten Notruf abgesetzt und die Situation dann geklärt, und die Frau, die bereits lebensgefährliche Messerverletzungen gehabt hat, konnte gerettet werden.

Es hat selbstverständlich disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen diesen einen Beamten gegeben, die wir nicht kennen, von denen wir nichts wissen. Es geht uns wie überhaupt bei all unseren Darstellungen auch nicht um den einzelnen Beamten, so wie Kollege Achitz gesagt hat: Es geht beim Pflegeper­sonal nicht um den Einzelnen, es geht nicht um den einzelnen Polizisten, darum, dass jemand an den Pranger gestellt wird, sondern uns geht es ums Aufzeigen und Verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 157

Ein anderer Fall, auf Seite 201 ganz unten: Es geht um eine landwirt­schaftliche Förderung, eine Investitionsförderung. Da gibt es Förderrichtlinien, übrigens in verschiedensten Bereichen, auch bei der Fotovoltaik: Man darf nicht beginnen, bevor die Förderzusage am Tisch liegt. In diesem Fall hat der Landwirt einen Antrag eingereicht, aufgrund von Kostenvorschlägen und, und, und. Dann legt er alle Unterlagen vor und die Auftragsvergabe ist dann laut Meinung des Ministeriums – letztlich bereits im Instanzenweg – einen Tag vor Einreichung erfolgt. Daher wurde die zugesagte Investition gestrichen.

Tatsächlich hat nur die Firma eine Auftragsbestätigung mit diesem Datum erstellt, denn natürlich: Wenn man etwas baut, fragt man nicht zuerst im Ministerium nach, sondern man muss zuerst einmal mit der Firma reden: Könnt ihr das? Macht ihr das? Wie viel kostet das?, und so weiter. Die Firma hat in einem gewissen Übereifer diese Aufstellung schon einen Tag vorher gemacht. Tatsächlich ist das Dokument dann ein paar Tage später übermittelt worden, ist dann vom Antragswerber unterschrieben worden, das heißt, zivilrechtlich überhaupt gültig gemacht worden. Aufgrund unserer Intervention hat dann das Ministerium – das ist jetzt das Positive dabei – den Fall neu aufgerollt und konnte feststellen, dass die ursprüngliche Nichtvergabe rechtswidrig war, und der Landwirt freut sich, dass er die Förderung bekommen hat.

Das sind jetzt nur ein paar kleine Punkte. Ich hoffe, Sie als Gesetzgeber werden entsprechend ihre Schlüsse ziehen. Ich darf mich bedanken und ich werde das auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitergeben, die mit einer sehr hohen Expertise arbeiten. Ich sage es immer gerne dazu: Ich glaube, manches Ministerium wäre froh, einen von unseren Mitarbeitern als Experten in einem Kabinett oder sonst wo in einer Abteilung zu haben, nur: Bei uns sind die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsklima so gut, dass niemand weggehen möchte. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

13.19



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 158

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Eine weitere Stellungnahme liegt von Frau Volksanwältin Gabriela Schwarz vor. – Bitte schön.


13.19.28

Volksanwältin Gabriela Schwarz: Frau Präsidentin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich kann das, was Kollege Rosenkranz gerade gesagt hat, nur unterstreichen, denn ich bin jetzt seit über einem Jahr in der Volksanwaltschaft, und was einem dort begegnet, ist höchste Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gepaart mit ganz viel Empathie. Das ist ganz wichtig, denn jede und jeder, der sich an uns wendet, hat höchste Aufmerksamkeit verdient.

Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer verlassen sich auf uns. Sie verlassen sich auf den Rechtsstaat und sie verlassen sich auf uns, dass wir ihre Rechte nach dem Gesetz einfach wirklich exekutieren. Das tun wir mit großer Hingabe und großem Engagement. Es ehrt uns auch sehr, dass wir heuer im OGM/APA-Vertrauensindex das erste Mal bewertet wurden und an erster Stelle gelandet sind. Das ist etwas, das unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch uns selbstverständlich anspornt.

Ich möchte auf zwei spezielle Dinge in meinem Geschäftsbereich zu sprechen kommen; erstens, wenn es um die Kontrolle der öffentlichen Verwal­tung geht: Das, was beim Kollegen Rosenkranz der Klimabonus ist, ist in meinem Geschäftsbereich der Energiekostenausgleich. Mit heutigem Tag gab es über 1 000 Beschwerden. Das hat einen ganz einfachen Grund, denn diesen Energie­kostenausgleich hat jeweils nur der eine Vertragspartner erhalten, das heißt Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, Studentenheimen, Mehrpar­teien­haushalte waren ausgeschlossen. Das heißt natürlich für die Betreiberinnen und Betreiber, dass sie die Kosten umwälzen mussten. Auch Kleingartenbesitzer waren ausgeschlossen, Pauschalmieter:innen waren ausgeschlossen.

Wir haben dann das Finanzministerium darüber informiert, dass es da ein echtes Problem gibt. Das hat dazu geführt, dass Gott sei Dank die Hotline mit


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wirklich professionellem Personal aufgestockt wurde und dass es Überle­gungen zum Beispiel betreffend Fristverlängerung gab. Das konnten wir dann gemeinsam mit dem Finanzministerium in die Wege leiten. Am Gesetz per se hat sich leider Gottes nichts geändert. Nach wie vor bekommen wir Beschwerden zum Thema Energiekostenausgleich, was wir sehr bedauern.

Das, was Herr Bundesrat Kovacs zum Thema Pflege und Jugend gesagt hat, gilt selbstverständlich auch in meinem Geschäftsbereich für den Straf- und Maßnahmenvollzug. Im vergangenen Herbst habe ich gemeinsam mit der Bundeskommission einen Wahrnehmungsbericht mit dem Titel „Jugend in Haft“ präsentiert. Der Sukkus dieses Wahrnehmungsberichtes ist, wie in vielen anderen Einrichtungen, die von unseren Kommissionen dankenswerterweise kontrolliert werden, der eklatante Personalmangel. Dieser betrifft in den Strafvollzugsanstalten und gerade auch im Maßnahmenvollzug nicht nur das Exekutivpersonal – sprich die Justizwachebeamt:innen –, sondern auch das Fachpersonal, jegliche Art von Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen et ceterea.

Das hat unterschiedliche Gründe: erstens einmal die besondere Belastung in diesem Arbeitsumfeld und auf der anderen Seite die wesentlich schlechtere Bezahlung, zum Beispiel für eine Ergotherapeutin in einer Justizanstalt im Vergleich dazu, wenn sie draußen frei praktiziert. Das Justizministerium ist durchaus für Anregungen von unserer Seite zugänglich, was eine Erhöhung betrifft, aber das ist bei Weitem nicht der Weisheit letzter Schluss.

Es geht auch um die Arbeitsbedingungen in den Justizanstalten und selbst­verständlich auch um die Möglichkeiten von Kooperationen, denn wenn innerhalb der Justizanstalten zum Beispiel nicht genügend Ärzt:innen vorhanden sind, nicht genügend Psychiater:innen vorhanden sind, dann liegt das meist bei der Anstalt und der Kreativität – ich zitiere wörtlich – der jeweiligen Anstalten, sich etwa um Kooperationen mit Spitälern zu kümmern. Das funktioniert in einzelnen Fällen ganz gut, ist aber natürlich auch keine Lösung.


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Wir in der Volksanwaltschaft erwarten uns vom Justizministerium kurz-, mittel- und langfristige Lösungen, im Speziellen, was das Thema Jugend in Haft betrifft. Ich war selbst in Gerasdorf, um mir anzusehen, dass das, wie auch Kollege Rosenkranz gesagt hat – dort arbeiten Menschen mit wirklich viel Engagement, aber natürlich an den Grenzen der Belastbarkeit –, dort nicht so weitergehen kann. Das ist einer der Schlüsse, die wir in diesem Wahrnehmungsbericht gezogen haben.

Es gab dann eine Arbeitsgruppe, die noch im Jahr 2022 eingerichtet wurde. Der Bericht wurde jetzt zum Teil schon übermittelt. Sie können sich darauf verlassen, dass wir in der Volksanwaltschaft weiterhin darauf pochen werden, dass es gute Lösungen gibt. Die Ankündigung der Bundesministerin, noch im Sommer eine Lösung für Jugend in Haft zu präsentieren, ist leider bis jetzt nicht eingetroffen, aber wir sind dahinter, dass es zu einer Lösung kommt, die für alle Beteiligten befriedigend ist.

Zum Thema Maßnahmenvollzug sei mir noch eine Bemerkung gestattet: Betref­fend die Novelle zum Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz, die beschlossen wurde, hat sich ja dann relativ rasch herausgestellt, dass das so nicht funktionieren wird. Was heißt das? – Das heißt, dass Menschen, die jahrelang im Maßnahmenvollzug untergebracht waren, entlassen wurden, was dazu geführt hat, dass sowohl die Nachsorgeeinrichtungen, die ebenso personell weitaus über der Belastungsgrenze sind, als auch die Familien angemerkt haben, dass das nicht so einfach ist; denn Menschen, die zum Beispiel zehn oder 15 Jahre gut therapiert, medikamentös eingestellt wurden, dann der Verantwortung zu überlassen, draußen genauso weiterbehandelt zu werden, ist äußerst schwierig. Mittlerweile wurde das wieder zurückgenommen und es soll individuelle Fallkonferenzen geben. Wir werden uns ganz genau ansehen, wie das dann tatsächlich vonstattengeht.

Die Nachsorgeeinrichtungen von Pro Mente Plus zum Beispiel sind selbstver­ständlich genauso belastet wie der Maßnahmenvollzug und der Strafvollzug


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selbst. Auch da ist es höchst an der Zeit, Vorkehrungen zu treffen, um diesen Personalmangel zu beheben.

Bekrittelt wurde von den Insass:innen und auch vom Personal, dass es aufgrund des Personalmangels wenig Möglichkeit zur sinnvollen Beschäftigung und Tätigkeit in den Anstalten gibt; außerdem – gerade was die Jugend betrifft – die geografisch schwierige Lage, in Gerasdorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln so gut wie nicht zu erreichen, sodass zum Beispiel Eltern aus dem Westen Österreichs kaum ihre Kinder besuchen kommen. Worum geht es in Bezug auf die Resozialisierung? – Menschen wieder in ihr soziales Umfeld, in ihre soziale Infrastruktur zu bringen. Das geht natürlich nur dann, wenn der Kontakt bestehen bleibt.

Das heißt, all diese Anregungen werden von uns in Berichten zusammengefasst und den jeweiligen Institutionen in der Hoffnung übergeben, dass sich die Dinge nachhaltig ändern. Die Volksanwaltschaft wird auch weiterhin – gerade im Straf- und Maßnahmenvollzug – wirklich auf die Einhaltung der Menschen­rechte drängen. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

13.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Ausführungen der Volksanwaltschaft.

Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


13.26.33

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwält:innen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier! Liebe Zuseher:innen hier und vor den Bildschirmen! Ja, es freut auch mich – da schließe ich an Kollegin Barbara Prügl an –, es freut mich sehr, dass die Volksanwaltschaft hierherkommt und dass sie diese umfangreichen Berichte mit ihrem ganzen Team macht. Es werden – ich finde,


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das ist auch wichtig, zu erwähnen – ja nicht nur Bundeseinrichtungen geprüft, sondern auch die Länder. Dass die Volksanwält:innen auch in die Landtage gehen – sie gehen in den Nationalrat, in den Bundesrat, in den Landtag –, finde ich demokratiepolitisch extrem wichtig.

Die Volksanwaltschaft kontrolliert daher natürlich auch die Verwaltung im Bund und in den Ländern, und sie kontrolliert sie eigentlich von Unhöflichkeiten – auch das ist wichtig – bis hin zu Gewalt. Darauf möchte ich später noch eingehen. Das Wichtige ist – und da möchte ich der Volksanwaltschaft auch gratulieren – die präventive Menschenrechtskontrolle, die sie nun seit mehr als zehn Jahren innehat, die auch immer besser funktioniert. Im Ausschuss wurde ja, glaube ich, auch darüber gesprochen – ich war nicht dabei, aber ich habe es gehört –, dass jene Menschen, die plötzlich ohne Voranmeldung kontrolliert werden, immer kooperativer sind, weil sie wissen, es geht nicht um die einzelne Person, sondern es geht um das System, darum, dass das verbessert wird.

Sie spricht Empfehlungen zur Korrektur dieser Missstände direkt an die Minis­te­rinnen und Minister aus, direkt hier bei uns und eben auch direkt im Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen. Ein spannendes Format hierzu ist auch die Sendung „Bürgeranwalt“ im ORF, oder Bürger:innenanwalt, würde ich sagen. Diese Sendung erreicht auch sehr viele Leute. Es ist immer wichtig, da niederschwellig genauso an die Bevölkerung heranzutreten. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Was ich auch spannend finde, ist, dass durch die Beschwerdemöglichkeit die Zivilbevölkerung eigentlich eine indirekte Kontrolle der Verwaltung ausübt. Das Allerwichtigste ist natürlich, dass die Verwaltung, aber auch die Gesetzgebung die Möglichkeit haben, diese Schwachstellen zu verbessern, und dass es eben ein Grundpfeiler der Demokratie ist, noch stärker Transparenz in die Verwal­tung zu bringen und die Bürger:innen zu informieren. Daher ist es auch so wichtig, dass alles, was das Vertrauen in die Unabhängigkeit und die gute Arbeit der Volksanwaltschaft stärkt, vorangetrieben wird.


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Ich möchte auf zwei Beispiele aus den Berichten eingehen: Das eine ist aus dem Sonderbericht „NGO-Forum Soziale Grundrechte“ über das stattgefundene Forum. Da empfehlen Sie, dass soziale Grund- und Menschenrechte in die Verfas­sung aufgenommen werden, nämlich zusätzlich zu den Grund- und Freiheitsrechten. Das finde ich vor allem im Bereich Wohnen so wichtig, da es dabei zum Beispiel um das Grundrecht auf ein angemessenes und leistbares Wohnen geht, was natürlich im Endeffekt dann auch Auswirkungen auf den geförderten und gemeinnützigen Wohnbau hätte; und natürlich wird da auch eine nationale Wohnstrategie sehr spannend, weil niemand von uns in Österreich Obdachlosigkeit möchte.

Wir wissen, es ist ein wichtiger Punkt, beim Wohnen die Leute zu entlasten. Vor allem in Wien wurde bisher nie so viel vom Haushaltseinkommen fürs Wohnen ausgegeben wie heute; teilweise ist das schon mehr als die Hälfte des Haushalts­einkommens. Daher begrüße ich diesen Vorschlag sehr.

Ein zweites mir wichtiges Beispiel – dazu möchte ich ein bisschen etwas Persönliches erzählen – ist das Beispiel der gehörlosen Menschen, die Volksanwalt Achitz schon erwähnt hat. Ich freue mich sehr, dass er das hier erwähnt hat, denn das ist ein Beispiel, das man sonst nicht so oft hört.

Ich habe vor circa einem Jahr mit der Grünen Bildungswerkstatt Wien mit einer gehörlosen Künstlerin, nämlich Xenia Dürr, eine Ausstellung organisiert. Die Ausstellung ist sechs Wochen gelaufen, mit einer Vernissage, einer Finissage und mehreren Workshops dazwischen, um eben Menschen auf Diskriminierung, aber auch auf Verletzungen von gehörlosen Menschen hinzuweisen. Es waren, und das fand ich irrsinnig toll, bei der Vernissage, aber auch bei der Finis­sage 50 oder 60 gehörlose Menschen. Ich muss euch sagen, es war total spannend, denn ich war eine der wenigen, die sprechen konnten, und ich habe diesmal nichts verstanden.


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Warum sage ich das auch? – Weil das Thema ist: Vor allem in den Bundes­einrichtungen, in den Schulen – Sie haben es bezüglich Heimopferrenten­anspruch, aber auch Anspruch auf Entschädigungen angesprochen –, in diesen Bundesanstalten, in diesen sogenannten Taubstummenanstalten, wurde den Kindern, die sonst nicht reden können, sondern mit Gebärdensprache eigentlich reden können – das ist ihre Sprache –, verboten, diese Sprache zu verwenden. Es wurden ihnen die Hände zusammengebunden, sie wurden bestraft, wenn sie nicht die Lautsprache verwendet haben. Das muss man sich einmal vorstellen: Man hört in seinem Leben nie, wie Sprache ist, und muss dann reden können! Sie wurden geschlagen, sie wurden in Ecken gestellt, es wurde ihnen Essen verweigert.

Für diese Sachen war, glaube ich – Herr Achitz hat es auch ein bisschen ange­sprochen –, vielleicht noch nicht das Bewusstsein vorhanden, dass man einerseits ein Recht auf Heimopferrente oder auf Entschädigung hat, aber auf der anderen Seite natürlich auch, dass das immer ein Stigma ist, nicht gut zu hören, und die Menschen daher auch nicht so leicht hinausgegangen sind.

Deswegen habe ich auch diese Ausstellung, sie hieß Audismus – mit weichem D, denn es geht ums Hören –, der Künstlerin Xenia Dürr erwähnt. Vielleicht machen wir es im Parlament, dass wir auch hier solche Bilder ausstellen, auf denen man sieht, welchen Demütigungen und Verletzungen, welcher Ausschließung gehörlose Menschen wirklich ausgesetzt sind. Ich versuche, dass wir das vielleicht auch im Parlament zeigen.

Ich muss sagen, ich schließe mich da dem Volksanwalt an, dass das Bildungs­ministerium, das da gefordert ist, diese Frist zur Einreichung oder zum Antrag auf eine Entschädigung – eine Entschädigung für erfahrene Gewalt und Diskriminierung und eigentlich auch Sadismus in den Bundesanstalten – wieder aufmacht.

Ein zweiter Punkt hinsichtlich gehörloser Menschen ist: Wir verwenden immer wieder Gebärdensprachdolmetscher:innen, aber es gibt viel zu wenige


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davon. Das Verrückte dabei ist: Die Österreichische Gebärdensprache, die ÖGS, ist eine anerkannte Sprache, aber es gibt beim Dolmetschstudium kein Fach dazu. Es ist recht kompliziert, diese Ausbildung zu bekommen, es ist auch in Wien wenig Ausbildung möglich, sie kostet teilweise etwas. Diesen Bereich des Dolmetschens an den Unis zu fördern wäre also wichtig.

Des Weiteren: Wir haben eine ehemalige grüne Abgeordnete, die gehörlos ist, Helene Jarmer, und sie engagiert sich auch im Gehörlosenverband. Sie sagt, dass es wichtig ist, dass die Österreichische Gebärdensprache in den Schulen als Unterrichtssprache vermittelt wird, nämlich an die gehörlosen Kinder. So wie wir Deutsch lernen, ist es für sie wichtig, ÖGS zu lernen, um sich in der Gebärdensprache auch gut und vielfältig unterhalten zu können. Auch da ist das Bildungsministerium gefragt.

Wir sehen, die Volksanwaltschaft liefert viele Missstandsfeststellungen, aber sie setzt auch wichtige und viele Impulse für die Nachbesserung in der Verwaltung und in der Gesetzgebung; und auch die Institutionen und Anstalten selbst reagieren immer konstruktiver darauf.

Es bleibt mir jetzt am Schluss nichts anderes, als zu gratulieren und Danke zu sagen für mehr als 45 Jahre Volksanwaltschaft, für mehr als zehn Jahre präventiven Menschenrechtsschutz. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.35 13.35.58


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.


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Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bei den drei Volksanwält:innen bedanken. – Herzlichen Dank für die Arbeit! (Allgemeiner Beifall.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kinder- und Jugendhilfe evaluieren und weiterentwickeln“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, somit ist der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung abgelehnt.

13.37.196. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Stiftung Forum Verfassung“ geändert wird (3622/A und 2220 d.B. sowie 11308/BR d.B. und 11326/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


13.37.45

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die „Stiftung Forum Verfassung“ geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 167

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Bevor wir in die Debatte eingehen, möchte ich eine Begrüßung vornehmen. – Frau Bundesminister für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Karoline Edtstadler, herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Begrüßen möchte ich auch unsere Zuseherinnen und Zuseher im Saal, es ist dies der Landtagsklub Oberösterreich der SPÖ. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.39.11

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer! Bei dieser Gesetzesvorlage geht es heute nur um einige Klarstellungen, damit die Stiftung gut arbeiten kann.

Ich möchte als Mitglied des Verfassungsausschusses aber grundsätzlich zur Verfassung einige Worte sagen. Die Verfassung ist die Grundlage unseres Staates. Sie ist unser Fundament. Sie ist ein Schutzschild vor demokratie­feind­lichen Tendenzen und autoritären Strömungen.

Jedem von uns ist, so glaube ich, klar, welche Bedeutung die österreichische Verfassung hat. Die Verfassung sichert jedem Einzelnen seine Grundrechte. Die Verfassung kann sich aber nicht selber schützen, deshalb müssen wir die Verfassung schützen und Demokratie vermitteln. Das soll die Aufgabe der Stiftung Forum Verfassung sein. Sie soll den Menschen die Bundesverfassung näherbringen und ihre Bedeutung für unseren Staat und unser Zusam­menleben unterstreichen. Die Prinzipien der Verfassung und auch die Entwicklung


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der österreichischen und europäischen Verfassungsgerichtsbarkeit sollen erklärt werden.

Unsere Verfassung ist nicht für ewig gesichert, wir müssen sie immer wieder vermitteln und auch weiterentwickeln. Dazu soll diese Stiftung dienen. Sie soll gute Dienste hinsichtlich Information leisten.

Unsere Verfassung geht uns alle an, bitte informieren wir darüber und halten wir sie hoch, damit unser Zusammenleben, das davon abhängt, auch weiterhin mit demokratischen Instrumenten versehen ist! In den letzten Jahren hat sich wirklich gezeigt, wie krisenfest unsere Bundesverfassung ist – ich verweise nur auf die schönen Worte des Herrn Bundespräsidenten. Sie ist ein guter Rechtsrahmen für unsere Republik.

Erst vor wenigen Jahren haben wir das 100-jährige Jubiläum unserer Verfassung gefeiert. Unsere Rechtssysteme entwickeln sich aber weiter. Es entwickelt sich auch das gesellschaftliche Bewusstsein weiter, und die österreichische Verfassung war immer eine gute Grundlage, um darauf zu reagieren.

Ich danke für die gemeinsame Initiative und begrüße die vielfältigen Bemühungen, die Verfassung im österreichischen Bewusstsein gut und fest zu verankern. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.42


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.42.12

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Damen und Herren, die Sie zuhören oder zusehen! Beim


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heutigen Beschluss geht es einerseits um redaktionelle Anpassungen, dass Fehler ausgebessert werden, dass die Arbeitsweise des Vorstandes des Kuratoriums klar festgelegt wird, dass Hybridsitzungen und Umlaufbeschlüsse ermöglicht werden.

Jetzt könnte man eigentlich schon aufhören, aber ich schließe da an, wo Klara Neurauter angefangen hat. Es ist wirklich wichtig, diese unsere Verfassung den Bürgern näherzubringen. Es ist nicht selbstverständlich, dass man eine Verfassung hat, die über so viele Jahre funktioniert und in den Krisen, die wir die letzten Jahre hatten, auch bestens den Staat lenkt, die Vertreter lenkt und uns Richtlinien gibt, wie wir uns in Nichtnormsituationen verhalten sollen.

Dazu ist es aber auch wichtig, nicht nur die Verfassung zu kennen, sie hinaus­zutragen, sondern es ist auch wichtig, davon bin ich felsenfest überzeugt, der Verfassung den nötigen Respekt zu zollen, nicht nur inhaltlich, sondern auch den verfassungsmäßigen Einrichtungen Respekt zu zollen, den Rechtssprüchen des Verfassungsgerichtshofes – ob man damit einverstanden ist oder nicht, aus einem subjektiven Verhalten heraus, ist nicht wirklich wichtig. Es ist wichtig und richtig, dass man diese Sprüche respektiert und zur Kenntnis nimmt und nicht anfängt, sie in Frage zu stellen.

Es ist daher angebracht und notwendig, sage ich, nein, sogar eine Verpflichtung von uns allen, diese Informationen und die Bedeutung der österreichischen Verfassung der Bevölkerung bekannt zu geben und näherzubringen.

Ich bin neugierig, wie diese Stiftung das im Detail angehen wird, wie dann das Futter ausschaut, wie man diese Materie, die ja keine einfache ist, auch an die Bevölkerung bringt, zu uns bringt und wie das in Österreich aufgenommen wird. Ich freue mich auf genau diesen Part, dass wir die Verfassung – das hast du (in Richtung Bundesrätin Neurauter) schon gesagt – den Menschen näherbrin­gen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.45



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 170

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm dieses.


13.45.16

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Freunde, grüß Gott! Worum geht es? – Es geht um eine Stiftung Forum Verfassung. Das war ja schon einmal im Bundesrat. Es sind dann noch Kleinigkeiten geändert worden, die an und für sich auch recht sinnvoll sind.

Mir geht es aber um die Sinnhaftigkeit. Warum muss man eigentlich den Öster­reichern jetzt die Verfassung erklären? Wir haben mit der Verfassung eigentlich kein Problem. Ihr (in Richtung ÖVP) seid es, die ein Problem mit der Verfassung haben, weil der Verfassungsgerichtshof mehrmals eure Gesetze kritisiert hat. (Bundesrätin Neurauter: Wir haben kein Problem! Ihr habt das Problem!) Ich darf da nur an die Coronazeit erinnern. (Bundesrat Schreuder: Wir sind alle schon zum Handkuss gekommen, das gehört dazu!)

Besonders plakativ war ja euer Kanzler Kurz, der vom Himmel gefallene Star, der vor laufender Kamera sogar gesagt hat, ihm wäre der Verfassungs­gerichtshof so egal, weil bis der zum Erkenntnis komme, sei er ja mit seinem Problem durch. – Das ist nicht die richtige Einstellung, die man zur Verfassung haben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Stiftung könnt ihr gleich umdrehen und für euch selber arbeiten lassen, der Rest von Österreich braucht sie nicht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer: Und deswegen stimmt ihr dafür, oder was?! – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

13.46


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 171

13.46.48

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte natürlich zum Vorredner der FPÖ schon etwas deutlich sagen: Herr Kollege, natürlich hat schon jede Regierung Einsprüche seitens des VfGH – eine ganz, ganz wertvolle und ganz entscheidende Institution und ein wichtiges Fundament unserer Demokratie – gehabt. (Ruf bei der FPÖ: Na eh! Zuhören, Sinn erfassen!) Ich glaube, wir sind alle schon einmal zum Handkuss gekommen, jede Partei, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Jetzt sozusagen so zu tun, als wäre eine Regierung mehr davon betroffen als eine andere, weise ich zurück. Das ist das Wesen des VfGH, dass jede Regierung da auch einmal reparieren muss, und das ist auch gut so.

Warum stehen wir überhaupt in diesem Raum, warum gibt es dieses Gebäude überhaupt? Ich glaube, wir als Parlamentarier haben jetzt alle seit den letzten Monaten einen neuen Nebenjob – neben unserem Abgeordnetensein. Zumindest ich bin neuerdings hier im Haus auch zum Touristguide geworden. Ich glaube, das sind wir alle geworden, wir müssen unfassbar viele Führungen durch dieses neue Haus machen.

Was zumindest ich bei den Führungen, die ich immer mache, tue – ich möchte Sie wirklich dazu einladen, das auch zu tun –, ist, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass es dieses Haus gibt, weil irgendwann nach einer Revolution – auf die man noch viel stolzer sein kann, finde ich, als Österreich das mitunter im Geschichtsbewusstsein ist, nämlich die Revolution von 1848; eine erfolgreiche Revolution (Bundesrat Buchmann: Eine bürgerliche!)  dann das Staatsgrundgesetz verabschiedet wurde. In Österreich hat es ein bisschen länger gedauert, muss man sagen, nämlich bis 1867. Das war die allererste Verfassung, die wir in Österreich hatten, und aufgrund dieser Verfassung steht auch dieses Haus. Das zu betonen finde ich auch immer ganz wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 172

Wie wichtig eine Verfassung auch zum Schutz von Minderheiten ist, zeigt ja nur die Tatsache, dass aufgrund dieses Staatsgrundgesetzes von 1867 – das passt dann eigentlich auch zum Tagesordnungspunkt, den wir danach haben – zum Beispiel Juden und Jüdinnen in Österreich zum ersten Mal Bürger- und Bürgerinnenrechte hatten. Das gab es davor in diesem Land nicht!

Da sieht man, wie wichtig es ist, zum Schutz von Minderheiten eine Verfassung zu haben, damit eine Mehrheit nicht wie eine Dampfwalze über Minderheiten­schutz drüberfahren kann. Das halte ich für eine ganz, ganz wesentliche Aufgabe einer Verfassung. Deswegen sollen wir sie auch hochhalten und deswegen empfinde ich dieses Forum auch als eine gute Idee.

Zu diesem Forum, bei dem wir nur eine Kleinigkeit ändern, ist ja schon gesagt worden, dass wir damit eine Institution schaffen, die diese Bedeutung einer Ver­fassung auch für jeden Bürger und jede Bürgerin kommuniziert.

Die Krisen, vor allem jene des 2019er-Jahres, haben ja gezeigt – es ist oft von der „Eleganz der Verfassung“ gesprochen worden; ich finde immer noch, dass das ein sehr schöner Ausdruck ist –, wie wichtig diese Verfassung auch für uns ist: dass wir in Krisen ein Fundament haben, mit dem wir uns herausmanöv­rieren können und auf das wir auch vertrauen können.

Ich finde es wichtig, dass wir, alle Fraktionen, uns zumindest darauf einigen können – deswegen finde ich diese Einheit, also diesen einstimmigen Beschluss heute, auch wichtig –, dass wir alle hier uns durch diese Verfassung definieren; denn es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger am Ende darauf vertrauen können, dass wir alle uns an die Verfassung halten, auf die wir angelobt sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.50 13.50.55


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 173

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.51.337. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird (2206 d.B. und 2221 d.B. sowie 11327/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


13.51.55

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz geändert wird.

Der Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 174

13.52.39

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als begonnen wurde, das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz zu bearbeiten, hätte wohl niemand gedacht, dass dieses Thema zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Nationalrat und auch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hier im Bundesrat mehr denn je Aktualität, Brisanz und verschärfte Notwendigkeit hat.

Ausgerechnet zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel ist dieser grauenvolle Terroranschlag der Hamas passiert, der eine völlig neue Dimension erreicht hat. Seit Ende der Nazidiktatur haben an einem Tag nie so viele Jüdinnen und Juden ihr Leben lassen müssen wie an diesem besagten Tag. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt daher den Hinterbliebenen der Opfer, und es war ein gutes, ein richtiges Zeichen, dass wir am Beginn der heutigen Sitzung dieser gemeinsam gedacht haben.

In diesem Zusammenhang darf ich auch auf eine für mich sehr bewegende Rede unseres Kollegen Martin Engelberg im Nationalrat verweisen, der noch einmal die Gräuel geschildert hat, die im Rahmen dieses Terroranschlags verübt wurden. Wenn man dieser Tage hört, dass Journalisten Videos gezeigt werden, die so grauenvoll sind, dass man sie der Öffentlichkeit gar nicht zeigen kann, dann wissen wir, von welcher Dimension wir sprechen: Menschen werden gefoltert und verschleppt, vergewaltigt und, ja, sogar Säuglinge geköpft. Martin Engelberg hat das im Nationalrat auf den Punkt gebracht: In Wahrheit ist der Ausdruck Terroristen dafür fast noch viel zu beschönigend; er hat von blutrünstigen Mörderbanden, ja Barbaren gesprochen.

Ja, meine Damen und Herren, die Hamas ist eine Terrororganisation, und man muss es klar zum Ausdruck bringen, dass sie auch das palästinensische Volk als Schutzschild hernimmt, wenn sie ihre Stellungen ganz bewusst unter Krankenhäusern oder Flüchtlingscamps errichtet.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 175

Meine Damen und Herren, es geht hier auch um viel mehr als um einen einzelnen Terroranschlag, es geht um das Existenzrecht Israels. Die Republik Österreich, die österreichische Bundesregierung, hat hierzu eine ganz klare Haltung: Das Existenzrecht Israels ist für uns Staatsräson. Es geht darum, die Geiseln zu befreien, und ja, es geht um den Schutz der Zivilbevölkerung, der palästinensischen genauso wie der israelischen.

Meine Damen und Herren, ich denke aber, es ist zu wenig, zu sagen, es ist Staatsräson. Es ist nicht nur Staatsräson. Es geht darum, unsere westliche Zivilisation zu verteidigen, es geht um Freiheit, es geht um Demokratie, es geht um Rechtsstaatlichkeit, und es geht um einen moralischen Kompass.

Wenn wir die Entwicklungen in Europa und in Österreich seit diesem schrecklichen Terroranschlag verfolgen, dann müssen wir leider erkennen, dass wir ein Thema mit Antisemitismus haben: dass es hier Demonstrationen mit antisemitischen Inhalten gibt, dass es – Gott sei Dank bislang nicht in Österreich, aber in Europa – bei diesen Demonstrationen auch Eskalationen gibt und dass auch der importierte Antisemitismus eine ganz wesentliche Rolle spielt. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass das Innenministerium und die IKG da in einem ständigen Austausch sind, um die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Österreich zu gewährleisten.

Das ist die aktuelle Situation, aber eigentlich geht es heute ja um einen Gesetzesbeschluss. Da ich der erste Redner bin, darf ich ganz kurz darauf eingehen, dass dieses Gesetz 2021 einstimmig beschlossen wurde und wir nun mit der heute vorliegenden Gesetzesänderung die Fördersumme von 4 auf 7 Millionen Euro erhöhen, um ein sicheres und selbstbestimmtes Leben für Jüdinnen und Juden in Österreich zu garantieren, aber auch um für die österreichische Bevölkerung einen breiten Zugang zum jüdischen kulturellen Erbe zu gewährleisten. Dass ein großer Teil dieses Betrags seitens der jüdischen Einrichtungen in Sicherheit investiert werden muss, muss uns dabei durchwegs traurig stimmen.


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Ich darf dir, sehr geehrte Frau Bundesministerin, danken. Ich weiß, dass dir dieses Thema ein Herzensanliegen ist und dass dich dieses Thema durch deine gesamte Amtszeit begleitet; ich darf mich daher ganz besonders bei dir bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn wir über Gedenken sprechen und wenn wir auch über die Verant­wor­tung von uns selbst sprechen, dann lassen Sie mich ganz kurz noch zwei Beispiele aus meinem Heimatbundesland beziehungsweise meiner Heimatstadt bringen. Meine Heimatstadt Wiener Neustadt hatte bis zum Zweiten Weltkrieg eine pulsierende jüdische Gemeinde. Heute gibt es diese Gemeinde nicht mehr. Das Gute, Wichtige und Richtige ist: Es gibt viele Initiativen, die darauf aufmerksam machen, dass es diese jüdische Gemeinde gab – mit der Aktion Stolpersteine, mit Stadtrundgängen, die das jüdische Wiener Neustadt beleuchten, mit der Darstellung dieser so großen jüdischen Geschichte in unserem Museum St. Peter an der Sperr. Erst vor einigen Jahren haben wir gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Wien im Rahmen des Projekts Ot am ehemaligen Standort der Synagoge ein Lichtzeichen errichtet, und natürlich werden wir morgen im Rahmen einiger Gedenkveranstaltungen der schrecklichen Nacht der Novemberpogrome gedenken.

Ein Erlebnis darf ich hier schildern, weil es auch wieder Hoffnung macht: Am 24. März 1937 wurde in Wiener Neustadt Paul Koppel geboren. 1938 musste seine Familie fliehen. Er lebt heute als Elazar Benyoëtz in Israel und ist dort der einzige hebräische Lyriker, der in deutscher Sprache schreibt. Er hatte jahrelang einen Groll gegen Österreich, gegen seine Heimat. Aufgrund all der Initiativen, die wir gesetzt haben, ist er aber vor wenigen Jahren wieder zurückgekommen, hat in Wiener Neustadt eine Lesung gehalten und sich mit seiner Herkunft, mit seiner Vergangenheit ausgesöhnt.

In Wiener Neustadt gibt es das Gebäude der Synagoge nicht mehr, doch gibt es in Sankt Pölten noch die ehemalige Synagoge. So sei hier heute positiv erwähnt, dass die Stadt Sankt Pölten, das Land Niederösterreich und der Bund aktuell 4,6 Millionen Euro in die nachhaltige Erhaltung dieses Jugendstiljuwels


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investieren, vor allem auch deshalb, um dort Zeitgeschichte erlebbar zu machen, eine Veranstaltungshalle zu errichten und an die jüdische Gemeinde zu erinnern und ihrer zu gedenken.

Warum habe ich das jetzt erzählt? – In beiden Städten gibt es keine jüdische Gemeinde mehr. Es ist daher umso wichtiger, dass wir diese Geschichte weitererzählen und dass wir mit dem Kulturerbegesetz heute einen ganz wesentlichen Teil dazu beitragen, jüdisches Leben in Österreich sicher zu machen und gleichzeitig das Gedenken an all jene, die es nicht mehr gibt, hier in den Vordergrund zu stellen.

Ja, in den letzten Tagen hat es zahlreiche Debatten gegeben, aber ich gehe heute sehr bewusst auf keine parteipolitischen Debatten ein, weil ich denke, dieser Beschluss ist viel zu wichtig, als dass wir hier mit kleinen parteipolitischen Interessen agieren. Ich gehe davon aus – und so sieht es aus –, dass dieser Beschluss einstimmig gefasst wird. Gerade angesichts der schrecklichen Bilder aus Israel sollten wir das Gemeinsame vor das Trennende stellen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.02


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


14.02.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Jüdisches Leben in Österreich muss gegen jede Form des Antisemitismus geschützt sein. Gerade jetzt müssen wir unsere Prämisse: Niemals wieder!, mit Leben erfüllen! Niemals wieder – gerade jetzt!

Wir stehen einen Tag vor dem Gedenken an die Novemberpogrome. Umso mehr gilt es, das zu sagen: Wir stellen uns gegen jede Form des Antisemitismus sowohl auf der Straße als auch in der Gesellschaft, aber auch in der Politik – und


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seien es nur antisemitische Codes, die verwendet werden, um jüdische Personen herabzuwürdigen.

Wir brauchen den Schutz der jüdischen Institutionen, und wir verurteilen ganz, ganz explizit den unmenschlichen Vorgang der Terrororganisation Hamas. Die Bilder, die man gesehen hat, schon die wenigen, die zumutbar waren, sind unbegreiflich – sind unbegreiflich. Wir stehen an der Seite Israels gegen die Hamas und wir fordern die sofortige Freilassung der Geiseln, und zwar bedingungs­los. Das ist unsere Forderung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Pröller und Arlamovsky.)

Gerade jetzt gilt es, zu sagen: Zusammenhalt statt Spaltung – schützen wir Jüdinnen und Juden vor Angriffen auf ihre Flaggen, auf ihre Zeremonienhallen, auf ihre jüdischen Einrichtungen! Das müssen wir sicherstellen, das ist unsere Aufgabe und das ist unsere gesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen keine Alibipolitik, sondern echte Schritte gegen Antisemitismus.

Das hier vorliegende Gesetz ist unglaublich wichtig. Es wird ab 1.1.2023 rückwirkend in Kraft treten, und Folgendes soll erreicht werden: Ausbau des kulturellen und des interreligiösen Dialogs; Sicherstellung aktiver Beteiligung jüdischer Mitglieder am Gemeindeleben; Sicherstellung jüdischen Gemeindelebens in Österreich; breiter Zugang der Bevölkerung Öster­reichs zum jüdischen Kulturerbe.

Jener letzte Punkt ist besonders wichtig, denn unsere österreichische Identität steht in großen Teilen auf den Leistungen jüdischer Bürgerinnen und Bürger sowohl in der Kultur als auch in der Wissenschaft, im Denken dieses Landes. Darauf müssen wir stolz sein und wollen wir weiter stolz sein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In dieser schrecklichen Zeit ist auch die Verständigung sehr wichtig. Ich danke dem Wiener Bürgermeister sehr, der einen Rat der Religionen einberufen hat. Es ist jetzt wichtig, über Grenzen hinweg Verbindungen zu suchen und gemeinsam


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für die Verbindungen und für den Frieden zu kämpfen. Stellen wir uns alle gemeinsam in den Dienst der Menschenrechte, gegen Antisemitismus, gegen jeden Rassismus, der aktuell teils auch sehr getarnt daherkommt! Dann können wir sagen: Es ist ein gutes Leben in Österreich. – Derzeit ist es das nicht.

Die Anzahl der extremistischen und der antisemitischen Übergriffe ist einfach viel zu groß, daher gilt es, jetzt Zeichen zu setzen, wo immer es möglich ist, dass wir für unsere Menschen, die in Österreich leben, alle Jüdinnen und Juden ein friedvolles und sicheres Leben wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.06


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


14.06.56

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer vor den Bildschirmen und hier im Saal! Wir ändern heute das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz, welches im Jahr 2021 einstimmig begründet wurde.

Es handelt sich dabei um eine Sonderförderung für die Israelitische Kultusgemeinde infolge des Terroranschlags von Wien insbesondere für mehr Schutz von bedrohten Einrichtungen. Österreich war damals Vorreiter mit diesem Gesetz. Dadurch wurden die Bemühungen zur Förderung von jüdischem Leben und auch zur Bekämpfung von Antisemitismus auf EU-Ebene und auch auf internationaler Ebene wesentlich verstärkt. Darauf, meine Damen und Herren, darf Österreich durchaus stolz sein.

Zum Thema Sicherheit: Es ist fraglich, ob mehr Geld nicht besser bei der Polizei aufgehoben wäre, um jüdische Einrichtungen und somit jüdische Mitbürger verstärkt zu schützen. Die heutige Erhöhung der Förderung wird aber nicht nur mit der Steigerung der Sicherheit für alle in Österreich lebenden Juden,


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sondern vor allem mit dem Fortkommen der jüdischen Jugend begründet, um hier einen gemeinsamen Blick in Richtung Zukunft richten zu können. Deshalb unterstützen wir diese Gesetzesänderung gerne, besonders in Anbe­tracht der schrecklichen Vorkommnisse gegen Juden in den letzten Wochen.

Wenn man die Ausführungen im Nationalrat und bisher heute hier im Bundesrat, aber auch die Aussagen einzelner Journalisten oder die gesamten Medien­berichte der letzten Tage analysiert, dann stellt man fest, dass ein massives Umdenken in Sachen unkontrollierter Zuwanderung stattgefunden hat – nicht nur hier in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union und auch darüber hinaus, wie es scheint.

Ich habe dazu auch ein paar Beispiele mitgebracht, damit Sie verstehen, was ich damit meine. Es gibt zum Beispiel einen interessanten Gastkommentar im „Standard“ von Herrn Götz Schrage (eine Kopie des Artikels in die Höhe haltend), seines Zeichens SPÖ-Bezirksrat in Wien. Der Artikel im „Standard“ ist zur Gänze auch nach wie vor online nachzulesen. Unter anderem schreibt Herr Schrage eben, dass er 2015 jeden Tag als Flüchtlingshelfer am Westbahnhof dabei war. – Ich zitiere:

„Wohnungen habe ich organisiert und Geld. Besonders um Deutschkurse habe ich mich bemüht. Irgendwann war ich dann zusammen mit dem Holocaust-Überlebenden Rudi Gelbard auf einer Israel-Solidaritäts-Demo. [...] und da habe ich einige meiner Schützlinge wieder getroffen. Leider waren zwei Dutzend Wega-Polizeibeamte zwischen uns, aber dafür kam das ‚Kindermörder Israel‘ praktisch akzentfrei. Gelobt seien die tüchtigen Deutschlehrer. Schade, dass das mit Wertekursen nicht so funktioniert hat. Seitdem gelte ich in meinen heimeligen, linken Kreisen als Verräter. Sorgen um unser Land darf ich mir nur machen, wenn die Sorgen mit der FPÖ zu tun haben. Eingewanderten Antisemitismus kann es nicht geben, sonst hätte die FPÖ ja recht, und das darf nicht sein.“ – Zitatende.


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Weiters schreibt er in einem nächsten Absatz – Zitat –: „Das Problem sind die Problemboys. Diese selbstbewussten Nichtwisser, die die unbarmherzige Welle zu uns gespült hat. Und ich weiß, von wem ich schreibe, weil ich hunderte Verfahren ehrenamtlich begleitet habe. Meist eine höchst fragliche Flucht­moti­vation im Sinne des Asylrechts, aber aus meinem Selbstverständnis habe ich jedem geholfen, wie ich nur konnte. Aber wenn ich sie in diesen Tagen mit gereckter Faust am Stephansplatz sehen muss, wird mir buchstäblich übel. Wir haben keinen Platz für den folkloristischen Antisemitismus, den sie mitgebracht haben. Wer wegläuft, weil ihm sein Land nicht gefällt, muss sich an uns orientieren, und dazu war jetzt genug Zeit. Wer nicht verstanden hat, was geht und was nicht geht, muss weg. So schnell es irgendwie geht im Sinne des Rechtsstaats. Ab in Schubhaft und Tschüss im Idealfall. Feiere die Hamas-Mörder bei dir daheim.“ – Zitatende.

Meine Damen und Herren, ich sehe das ganz ähnlich.

Ich habe Ihnen auch ein Posting in diesem Zusammenhang mitgebracht, und ich sage Ihnen noch nicht, von wem es stammt. – Ich zitiere:

„Wenn man sich die Bilder aus den arabischen Ländern so ansieht und hört, was Erdogan und Co. so von sich geben, wird man darüber diskutieren müssen, ob wir die Zuwanderung aus diesen Ländern nicht rigoros einschränken beziehungs­weise unterbinden sollten. Wir sollten unseren Blick für die benötigte Zuwanderung nach Asien richten. Zuwanderung aus muslimischen Ländern bringt mehr Probleme als Vorteile mit sich. Das liegt auch an der Religion, aber nicht nur. Den religiösen, kulturellen Kontext auszublenden wäre jedoch grundfalsch. Wir züchten uns da schon gewaltige Parallelgesellschaften heran. Hoffentlich ist es nicht zu spät, diese Fehlentwicklungen zu beenden. Man muss viel mehr Geld investieren, um jene, die da sind, zu integrieren. Jeder muss Deutsch lernen, bis er es kann. Sonst muss man Sozialleistungen streichen. Wir müssen über Arbeitspflicht und Umstellung auf Sachleistungen statt


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Geldleistungen diskutieren. Über schnellere Verfahren und Rückführungs­abkommen. Fest steht, dass ein Weiterwursteln wie bisher nicht mehr lange gut gehen wird.“ – Zitatende.

Der Text, meine Damen und Herren, könnte eigentlich von mir sein, ist er aber nicht! Der Autor dieses Textes ist Rudi Fußi, seines Zeichens eigentlich ein Berufslinker und ehemaliger Berater der SPÖ. – Solche Texte und ähnliche findet man derzeit unzählige überall, nämlich genau bei denjenigen, die bisher die größten Refugees-welcome-Rufer waren.

Ich spreche niemandem ab, dass er gescheiter werden oder dass er seine Meinung ändern kann. Die Frage ist nur: Was musste Schreckliches passieren, bevor hier einige Herrschaften munter wurden?

Wir Freiheitliche weisen auf genau diese Probleme und viele weitere seit vielen Jahren hin. Wir haben vor Jahren schon davor gewarnt, dass genau das passieren wird, was wir hier und heute in Europa, aber auch in Österreich erleben. Was war das Ergebnis? – Wir wurden als Hetzer, als Rassisten, als Rechtsextremisten, als Nazis und vieles mehr beschimpft und diffamiert. Und wer hat da auch immer mitgespielt? – Die Medien!

Auch diesbezüglich habe ich vieles bei meiner Recherche für die heutige Rede gefunden, und ein sehr gutes Beispiel dafür habe ich auch mitgebracht. Es handelt sich dabei zwar um die „Bild“, aber ich kann Ihnen versichern: Auch der österreichische Mainstream ist dem an Heuchelei ebenbürtig. Ich habe hier drei Überschriften und die Unterüberschriften dazu. (Der Redner zeigt ein Blatt mit drei fett gedruckten Überschriften.)

Bei der ersten Überschrift handelt es sich um das Jahr - -


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich darf kurz unterbrechen: Ich bitte, dass Sie das Wort „Heuchelei“ wieder zurücknehmen. – Danke.



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Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Ich glaube, das haben wir schon gehabt, aber - -

Die erste Überschrift stammt aus dem Jahr 2015: „12 Gründe. Refugees welcome! Warum wir uns auf euch freuen.“

Die nächste Überschrift, ebenfalls aus dem Jahr 2015, lautet: „So funktioniert die große Hilfsaktion von ‚Bild‘. Diese Politiker, Manager und Promis machen mit. Hunderttausende auf der Flucht.“

Ich setze mit dem Text fort: „Mit der Aktion ‚Wir helfen‘ will ‚Bild‘ ein Zeichen der Menschlichkeit setzen. Wir wollen zeigen, dass Schreihälse und Fremdenhasser nicht in unserem Namen grölen! Dass Deutschland ein Herz hat für Menschen, die Hilfe brauchen!“

Jetzt kommt etwas ganz Aktuelles. Am 12.10.2023 ist zu lesen: „Haben ‚Hundert­tausende‘ Antisemiten zu uns gelassen“. [...]Ethnologin Susanne Schröter (66, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Goethe-Universität in Frankfurt) zu ‚Bild‘: Wir haben ein riesiges Problem. Wir haben Hunderttausende Menschen mit antisemitischem Weltbild nach Deutschland reingelassen, die in ihren Herkunftsländern mit dieser menschenverachtenden Ideologie aufgewach­sen sind. Diese haben sie bei der Einreise in unser Land mitgebracht. Die Folge sehen wir in diesen Tagen auf unseren Straßen.“

Ich würde da sogar weiter ausholen und würde sagen: Nicht nur in diesen Tagen; denn wer Augen und Ohren offen hat beziehungsweise offen gehabt hat, der hat diese Entwicklungen während der letzten Jahre schon längst ganz klar erkannt und auch eindeutig sehen können.

Ein abschließendes Beispiel habe ich noch von einer „ZIB“ im ORF vor einigen Tagen mitgebracht, und das ist wirklich nur ein Beispiel von vielen. Gehen Sie auf irgendeine Internetseite, etwa auch des ORF et cetera: Da werden Sie unzählige solcher Postings oder auch Artikel finden!


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Es wird berichtet: „Lehrergewerkschaft sieht ‚Gewalteskalation‘: Warnung vor Radikalisierung an Wiener Schulen. Vor einer Radikalisierung an Wiener Schulen warnt der Wiener Lehrergewerkschafter Thomas Krebs. Dazu gehören etwa vor allem an NMS Beschimpfungen und ‚selbst ernannte Sittenwächter‘. Antisemitische Äußerungen nehmen seit der Eskalation in Nahost zu. Im Schuljahr 2021/22 gab es 139 Strafanzeigen wegen Gewaltdelikten, 2022/23 gab es 528.“

Wenn wir das in der Vergangenheit angesprochen haben, dann hat es immer geheißen: Das stimmt so nicht! – Von einem Tag auf den anderen sind nun aber, wie es scheint, vielen Menschen die Augen aufgegangen.

Bei dem wirklich schrecklichen Terroranschlag der Hamas auf Israel sind knapp 1 500 Menschen bestialisch ermordet worden. Viele Menschen wurden verschleppt, und von vielen fehlt noch immer jede Spur. Es gibt keine Worte, die diese Gräueltaten auch nur ansatzweise beschreiben oder vielleicht sogar rechtfertigen würden.

Wenn in Österreich Menschen mit Hamasflaggen auf die Straßen gehen, diesen Terroranschlag feiern und Israelfahnen verbrennen, dann wissen wir, dass diese Menschen mit unserem Menschenbild und unseren Werten hier in Österreich und in Europa mit nichts, aber auch schon gar nichts gemeinsam haben. Ein solches Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen und dagegen muss mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegangen werden! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Menschen mit Palästinafahnen auf die Straße gehen und friedlich für die Rechte der Palästinenser demonstrieren, für jene unschuldigen Zivilisten, die jetzt beim Angriff Israels ums Leben kommen, für jene 70 Prozent der Bevölke­rung, die laut UNO aus Gaza vertrieben wurden und jetzt unter menschen­unwürdigen Umständen in völlig überfüllten Lagern hausen, dann ist das zu akzeptieren, denn unschuldige Zivilisten sind unschuldige Zivilisten, egal ob das Juden, Christen, Moslems oder Angehörige sonstiger Religionen oder Ethnien sind.


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Wenn ich aus einigen Reihen politischer Parteien höre, wir haben uneingeschränkt und bedingungslos Beistand zu leisten, dann schrillen bei mir die Alarmglocken. Unser aller gemeinsames Ziel, vor allem als neutrales Österreich, kann es nur sein, sich für Friedensverhandlungen, für Waffenruhe und für Waffenstillstand einzusetzen – und nicht, einer Seite bedingungslosen Beistand zu versprechen, denn dabei sterben Menschen.

Ich bin der Letzte, der auch nur ansatzweise Mitleid mit irgendeinem Terroristen hat, das kann ich Ihnen garantieren, aber wie kommen Unschuldige dazu, dafür zu büßen, egal auf welcher Seite? – Wissen Sie, was bedingungsloser Beistand bedeutet? Es bedeutet, der Zweck heiligt alle Mittel, und es bedeutet das Prinzip verbrannte Erde, und das darf niemand unterstützen.

Sir Peter Ustinov hat in einem Interview 2003 gesagt: „[...], der Terrorismus ist ein Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen. Der Krieg ist kein Mittel im Kampf gegen den Terrorismus.“

Meine Damen und Herren! Krieg ist schrecklich, Krieg ist furchtbar. Unser Ziel muss Frieden sein. (Beifall bei der FPÖ.)

14.21


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


14.21.55

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschaue­rinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Es ist das jetzt ein Thema, das uns alle sehr betroffen gemacht hat, weil sich – und das muss man auch in dieser Deutlichkeit sagen – der 7. Oktober ungefähr so in unsere Herzen und in unser Verständnis von Geopolitik eingebrannt hat wie manch andere Daten, an die wir uns auch erinnern können.


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Der 7. Oktober ist ein bisschen ein unschuldiges Datum, sage ich einmal – ich weiß nicht, was am 7. Oktober in der Geschichte sonst noch so passiert ist –, und ab diesem Jahr werden wir uns immer am 7. Oktober daran erinnern, dass in einer der brutalsten Aktionen, die ich jemals erlebt habe - - Ich suche auch dieses Wort. Es ist schon richtigerweise vorhin vom Kollegen der ÖVP gesagt worden: Sagt man Mörderbanden, sagt man Terroristen? Der Herr Bundespräsident hat von einer Schoah gesprochen – nicht von einer Schoah, von einem Pogrom hat er gesprochen. Wie nennt man es? Wie nennt man es wirklich, das, was passiert ist? Es fehlen einem tatsächlich die Worte.

Wir sehen, wie schwierig dieser Konflikt ist. Mein Vorredner der FPÖ hat gerade auch vom Frieden gesprochen. Frieden ist natürlich das, was wir uns alle am meisten wünschen und was wir uns alle erhoffen, aber: Wenn eine Gruppe, die Hamas, die Vernichtung des anderen möchte, wenn eine Gruppe die Tötung des anderen zum Ziel hat und eine andere Seite, nämlich Israel, dieses Töten verhindern will, dann muss man schon auch in dieser Deutlichkeit sagen, dass das die Balance dieses Konflikts ist.

In der Charta der Hamas – und ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, wenn Sie die noch nicht gelesen haben, diese zu lesen; das ist quasi das Parteiprogramm, das Grundsatzprogramm der Hamas – steht wortwörtlich drinnen, dass internationale Friedensverhandlungen umsonst sind und nichts bringen, weil es das Ziel der Hamas ist, nicht nur Israel als Staat zu vernichten, sondern auch jeden Juden zu töten. Das steht wirklich so drinnen, und das muss man auch einmal in dieser Deutlichkeit hier sagen.

Da geht es nicht um einen Konflikt eines Staates gegen einen anderen Staat. Es geht hier um einen Judenhass, der wirklich durch nichts zu rechtfertigen ist, und diese bestialischen Attacken vom 7. Oktober haben gezeigt, wohin dieser führt. So gesehen ist die Solidarität Österreichs mit Israel in dieser Frage absolut richtig.


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Herr Kollege Spanring, ich verstehe ja Ihre Äußerungen sehr und ich habe mich, seit ich in der Politik bin, immer darum bemüht, weil mir die Themen Antisemitismus, übrigens auch Homophobie, auch Frauenfeindlichkeit – es gibt ja auch andere Felder, über die man immer wieder sprechen muss, auch wenn es um Integrationspolitik geht – wirklich enorm wichtig sind. Es geht hier übrigens um Maßnahmen, das möchte ich auch betonen, die ich immer und immer wieder gefordert habe, und wenn wir sie zum Beispiel in Wien umgesetzt haben, war es interessanterweise die FPÖ, die dagegengestimmt hat, gegen diese Programme gestimmt hat. Das möchte ich auch einmal in dieser Deutlichkeit sagen.

Ich habe nicht so viel Erfahrung wie meine Kollegin Hauschildt-Buschberger, aber ich habe auch meine Erfahrung in der Betreuung von Asylwerbern und Asylwerberinnen, und ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele mit Judenhass erzogen worden sind, die haben das so gelernt: Juden sind der Satan, der Teufel, das sind die bösen Menschen, die sind gegen uns, deshalb müssen wir gegen Juden sein. Die sind erzogen worden mit dieser Idee, dass das Judentum etwas Teuflisches ist, aber es ist lohnenswert, diesen Gedanken zu bekämpfen. Es ist lohnenswert, den Antisemitismus zu bekämpfen. Es ist lohnenswert, unermüdlich jede Maßnahme in den Schulen, egal wo, zu ergreifen, um gegen dieses Gedankengut anzugehen. Was nicht hilft, ist, wenn wir den Menschen sagen: Du bist ein böser Mensch! Damit werden wir den Antisemitis­mus nicht bekämpfen. Es ist lohnenswert, den Antisemitismus zu bekämpfen, und das ist das Wichtigste, finde ich.

Ich tue mich da auch schwer, weil man nicht vergessen darf, dass Antisemitismus ja nicht nur einer ist, den wir hier, wie es immer so schön heißt, importiert hätten. Antisemitismus hat in dieser Republik leider eine lange Geschichte. Ich erinnere an den Wiener Bürgermeister Karl Lueger, und wir fragen uns ja schon seit Jahrzehnten, wie wir mit den Denkmälern umgehen sollen, völlig zu Recht. Das Kippen des Denkmals hat mir ganz gut gefallen, das Kontextualisieren finde ich ganz wichtig, um den Menschen zu sagen, was zum Beispiel Karl Lueger für die Juden und Jüdinnen in Wien am Ende des 19. Jahrhunderts bedeutet hat. Ich


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glaube, wir müssen uns bewusst sein, dass Antisemitismus auch in unserem Lande immer schon ein weit verbreitetes Phänomen gewesen ist.

An dieser Stelle möchte ich schon sagen, Herr Kollege Spanring: Ich würde mir wünschen, wenn man Mitglieder in deutschnationalen Burschenschaften hat, die diesem Antisemitismus frönen und diesen mit Gesängen bejubeln (Bundesrat Leinfellner: Jetzt hör aber auf!), die „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ singen, dass man auch hier deutliche Worte findet und sagt: Diesen Antisemitismus lehnen wir zutiefst ab. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Spanring: Da müssen Sie mir die zeigen, die das machen!)

Meine Damen und Herren! Ohne Schoah würden vermutlich noch über 200 000 Men­schen in Österreich leben, die sich als Juden oder Jüdinnen sehen – heute sind es um die 10 000 Menschen. Das sind schon immer noch erschütternde Zahlen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir – und da bin ich froh, dass das alle Parteien machen – zu diesen 10 000 Menschen sagen: Wir wollen nicht, dass ihr eure jüdischen Symbole, eure Ketterln, eure Davidsterne, was auch immer ihr tragt, verstecken müsst. Deswegen werden wir und müssen wir auch gegen jeglichen Antisemitismus vorgehen, ganz egal von welcher Seite. Es gibt viele, viele Formen des Antisemitismus, sei es als Antiimperialismus getarnter Judenhass, sei es ein rechtsextremer Judenhass, sei es ein deutsch­nationaler Judenhass oder sei es ein muslimischer Judenhass. Es ist eine Bedrohung, gegen die wir alle aufstehen müssen.

Ich möchte hier schon auch, weil es um dieses Gesetz geht, meine persönliche Freude kundtun. Ich habe ja schon öfter Mitglieder des Bundesrates eingeladen, den jüdischen Friedhof in Währing zu besuchen. Wie viele von Ihnen wissen, war ich damals ein recht junger Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien und habe zufällig über diesen Währinger jüdischen Friedhof, der völlig vergessen war, in einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ gelesen, den damals Charles Ritterband geschrieben hat, und habe dann angefangen, mich für diesen wunder­schönen Währinger jüdischen Friedhof zu engagieren.


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Es ist ein wunderschöner Biedermeierfriedhof aus dem späten 18. und dem 19. Jahrhundert, wo man Leute kennenlernt, die in Wien unter anderem den Musikverein gegründet haben, das Palais Epstein, das jetzt zum Parlament gehört, erbauen ließen – Herr Epstein liegt auf diesem Friedhof –, auch die Gründer der Nordwestbahn, der Westbahn oder der Südbahn liegen dort, die Gründer der Rudolfstiftung liegen dort, ebenso wie Mitbegründer des Musikvereins oder Mitbegründer der Sozialdemokratie. Die Geschichte dieser Juden und Jüdinnen, die am Währinger Friedhof liegen, ist auch die Geschichte der dritten jüdischen Gemeinde. – Es ist auch wichtig, das zu wissen: Das war die dritte; wir haben jetzt die vierte jüdische Gemeinde. So oft haben wir schon Juden aus der Stadt vertrieben. Es ist auch wichtig, dass man sich immer wieder daran erinnert, dass schon im Mittelalter, in den 1670er-Jahren und 1938 Vernichtungsfeldzüge gegen Juden in Österreich und in Wien stattgefunden haben.

Ja, und dass dieser Friedhof, der so lange in einem Dämmerschlaf lag und so vergessen war und für den ich mich so eingesetzt habe – und ich möchte in diesem Zusammenhang auch einen Namen besonders erwähnen, nämlich jenen von meiner Kollegin im Wiener Landtag Jennifer Kickert, die, als ich dann einmal aus der Politik rausgegangen bin, dieses Engagement übernommen hat und in besonderem Ausmaß für die Rettung dieses Friedhofs gekämpft hat –, jetzt saniert wird und zugänglich gemacht wird, dass wir jetzt und jedes Jahr wieder Summen dafür beschließen, ich glaube, dass genau diese Sichtbarkeit der jüdischen Geschichte auch so wichtig ist im Kampf gegen Antisemitismus.

So schwierig das Thema heute ist, ich erlaube mir, mich darüber zu freuen, dass wir diesen Friedhof sanieren. Ich freue mich auch, dass wir das allumfassend, vonseiten aller Parteien unterstützen. Herr Kollege Arlamovsky möchte sich ja auch zum Beispiel jetzt in diesem Verein zur Rettung des Währinger jüdischen Friedhofs einsetzen, worüber ich mich sehr freue. Das ist wichtig.

Ich glaube, es ist uns ein gemeinsames Anliegen, den Antisemitismus zu bekämpfen. Der heute vorliegende Gesetzesbeschluss ist dazu ein ganz


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wesentlicher Schritt, auch wenn ich dazusagen muss: Diese Summen, die wir für den Schutz jüdischer Einrichtungen zur Verfügung stellen, und da geht es nicht nur um religiöse Einrichtungen, sondern da geht es um Schulen, um Kindergärten und dergleichen, auch um Sportstätten – denken wir zum Beispiel an die Hakoah-Gründe –, haben wir uns natürlich vor diesem 7. Oktober überlegt. Wir sollten daher vielleicht an die jüdischen Communities auch das Signal aussenden: Wenn ihr etwas braucht, dann kommt zu uns! – Ich glaube, wir alle hier sind bereit, mit ihnen darüber zu reden, was zum Schutz von jüdischen Einrichtungen in diesem Land notwendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.32


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminis­terin Mag.a Karoline Edtstadler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


14.32.58

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Gestern vor einem Monat fand dieser bestialische Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung in Israel statt, durchgeführt von einer Terrororganisation mit dem klaren Befehl, möglichst viele Jüdinnen und Juden auf möglichst bestialische Art und Weise zu ermorden, zu massakrieren, zu vergewaltigen, zu verschleppen. Seit dem Holocaust sind nicht so viele Jüdinnen und Juden an einem einzigen Tag getötet und verschleppt worden.

Morgen gedenken wir hier in Österreich der Novemberpogrome aus dem Jahr 1938, 85 Jahre danach. Dennoch sehen wir genau jetzt, hier und heute in Wien, in Österreich, auch in Europa Szenen, die ich persönlich für nicht möglich gehalten hätte, die an die dunkelsten Kapitel in dieser Geschichte erinnern. Wir sehen, dass jüdische Wohnungen und Häuser mit dem Davidstern markiert werden. Wir hören, dass Jüdinnen und Juden Angst haben, ihre Kinder in den Kindergarten und in die Schule zu bringen. Wir hören Aufrufe, dass sie ihre


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jüdischen religiösen Symbole nicht mehr tragen sollen. All das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Wir haben heute im Ministerrat eine Reform und Verschärfung des Verbots­gesetzes, des Symbole-Gesetzes und des Abzeichengesetzes beschlossen – ein wichtiges Paket, das unter anderem auch in die Nationale Strategie gegen Antisemitismus eingebettet ist, die wir bereits im Jänner 2021 nach Vorarbeiten im Jahr 2020 präsentiert haben und die auch europaweit zu einem Vorzeige­modell geworden ist.

Die erste darin enthaltene Maßnahme ist der Beschluss, das jüdische Leben hier in Österreich zu fördern und das Ganze auf eine gesetzliche Basis zu stellen, also das heute auch hier zu beschließende reformierte Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum tun wir das alles? Warum setzen wir all die Maßnahmen? – Schlicht und ergreifend weil es notwendig ist. Es ist notwendig, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen, egal ob von rechts, von links, ob Antizionismus oder importierten Antisemitismus, zu bekämpfen. Niemals wieder ist genau jetzt. Es ist jetzt die Zeit für jede und jeden in diesem Land, aufzustehen und Antisemitismus aufzuzeigen, Zivilcourage zu beweisen, die Polizei zu verständigen, darauf hinzuweisen, wenn er in Worten oder auch in Taten gesetzt wird.

Wir haben im Jahr 2021 eine unglaublich hohe Zahl an antisemitischen Vorfällen gehabt. Wir haben es geschafft, diese Zahl im Jahr 2022 um rund ein Drittel zu reduzieren, und wir erleben seit dem 7. Oktober einen Anstieg von 300 Prozent und von 350 Prozent in den sozialen Medien im Internet. Ich kann nur all jenen in Österreich, die hier Hass verbreiten, die hier derartige Taten unterstützen, gar gutheißen und glorifizieren, sagen: Schämt euch! Schämt euch für diesen Hass und schaut genau hin, wohin dieser Hass führt! Er führt zu einer Spaltung und Aufwiegelung der Gesellschaft. Er führt dazu, dass unsere Werte unter Druck kommen, dass wir alle aufstehen müssen, um diese Werte, unsere


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Demokratie, unseren Rechtsstaat, zu verteidigen. Wehret den Anfängen!, ist wohl niemals aktueller gewesen – so traurig es ist, das sagen zu müssen – als in diesen Tagen.

Mit dem heutigen Beschluss, auch hier im Bundesrat, der Aufstockung des Budgets zur Förderung von jüdischem Leben, auch zum Schutz und der Sicher­heit jüdischen Lebens von 4 auf 7 Millionen Euro tragen Sie einen wesentlichen Teil zur Sicherheit bei. Österreich war bis zum 7. Oktober ein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden, und Österreich muss auch weiterhin dieser sichere Ort für Jüdinnen und Juden bleiben. Das ist unsere Verantwortung, das ist Teil unserer Staatsräson und das ist unsere Aufgabe. Ich danke auch all jenen, die das hier in sehr deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht haben. Jetzt ist es Zeit, hinauszugehen und auch all den Menschen da draußen zu sagen, dass wir, und zwar jeder Einzelne, dafür mitverantwortlich sind, dass wir auch weiterhin in Österreich in Frieden leben können. Wir sind ein Land des Friedens und wir wollen es weiterhin bleiben. Danke auch all jenen, die darauf hingewiesen haben, dass das über die Parteigrenzen hinweg eine Notwendigkeit ist, eine Notwen­digkeit in einer sehr schwierigen und herausfordernden Zeit.

Im Nationalrat ist dieser Beschluss einstimmig erfolgt, und ich gehe davon aus, dass auch hier im Bundesrat kein Einspruch gegen dieses Gesetz erhoben wird. Ich bitte Sie wirklich, auch diese Message hinauszutragen. Stehen wir zusammen und sorgen wir dafür, dass Österreich weiter ein sicherer Ort für jeden bleibt und dass sich weder eine Jüdin noch ein Jude oder irgendjemand anderer in diesem Land fürchten muss! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Spanring und Arlamovsky.)

14.38 14.38.49


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein – das haben Sie ohnedies bereits getan.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.39.368. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz – EhrenzeichenG) erlassen wird und das Militärauszeichnungsgesetz 2002 geändert wird (2197 d.B. und 2222 d.B. sowie 11328/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Ich bitte um Ihren Bericht.


14.40.01

Berichterstatterin Sandra Lassnig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundes-Ehrenzeichen sowie das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissen­schaft und Kunst (Ehrenzeichengesetz) erlassen wird und das Militärauszeichnungs­gesetz 2002 geändert wird.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


14.41.08

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es wäre bei diesem Tages­ordnungspunkt wohl notwendig, dass wir den Augen jener begegnen könnten, die Sie heute entehren wollen. Diese Bundesregierung oder Sie wollen heute, in der Gegenwart, beurteilen, wer sich in der Vergangenheit ein Ehrenzeichen verdient hat und wer nicht. Es geht Ihnen nicht um Verdienste von historischen Persönlichkeiten, es geht schlicht und ergreifend darum, einer Ideologie gerecht zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben sehr viele historische Persönlichkeiten, die Großes geleistet haben und dafür auch Ehrenzeichen bekommen haben; und ja, manche dieser Persönlichkeiten haben auch Fehler gemacht. (Bundesrat Schreuder: Die Nürnberger Rassengesetze beschlossen!) Es sind aber nicht die Fehler, für die sie geehrt wurden – du kannst dich dann gerne zu Wort melden. (Bundesrat Schreuder: Mach’ ich eh!) Die Leute im Fernsehen hören dich nicht, mich hier heraußen interessiert es nicht wirklich. Ich gehe davon aus, du wirst dich noch zu Wort melden.

Es gibt viele, die im Laufe ihres Lebens auch Fehler gemacht haben, aber ja, diese Auszeichnungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss man schon im


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historischen Kontext sehen, und genauso müssen wir mit diesen Eherungen auch umgehen, denn sie sind Teil unserer Geschichte. Wir Freiheitliche sind klar gegen diese posthume Aberkennung von Ehrenzeichen, zum einen, weil sich die Personen gar nicht mehr wehren können, zum anderen aber auch, weil die heutige Politik mit Sicherheit nicht mehr beurteilen kann, wer in der Geschichte sich eine Auszeichnung verdient hat und wer nicht.

Das, was hier heute betrieben wird, ist nicht nur eine Geschichtsveränderung, es ist eine Geschichtsverfälschung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich glaube, da wollen wir alle nicht wirklich mitspielen!

Ich kann Ihnen nur sagen: Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, der ist auch in der Gegenwart blind, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das darf es in diesem Land nicht geben. Wir haben eine Geschichte, wir stehen zu dieser Geschichte, und diese Geschichte können wir auch nicht ausradieren, ganz egal, welche Gesetze Sie hier in diesem Haus beschließen wollen. Es ist auch ganz egal, wie viele Denkmäler gestürmt, beschmiert und zerstört werden oder welche historischen Werke aus den Bibliotheken verbannt werden, und es ist ganz egal, welche Ehrenzeichen Sie aberkennen. Sie können unsere Geschichte nicht ausradieren. Mit all ihren Fehlern müssen wir zu unserer Geschichte stehen und diese Geschichte für zukünftige Generationen erhalten.

Zu dieser Geschichte gehören nun einmal auch Ehrenzeichen und Auszeich­nungen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin, Sie gelangen zu Wort.


14.44.47

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war jetzt


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schon gespannt, was mein Vorredner sagen wird – ich habe ja auch die Reden der Kolleg:innen im Nationalrat gelesen –, und bin etwas entsetzt, wenn nicht sogar einfach empört, wütend, was auch immer, denn wie man so Geschichts­fälschung darstellen kann, wie man so Realitätsverlust zeigen kann, hat mich jetzt wirklich zutiefst erschüttert, Kollege Leinfellner! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Da geht es ja nicht um eine Geschichtsverfälschung oder ein Ausradieren, sondern es geht darum, dass, wenn jemand ein Ehrenzeichen der Republik Österreich bekommt, diejenige oder derjenige ein Aushängeschild ist, ein Vorbild für uns alle. Alle, die wir bei so einem Festakt schon dabei waren, wissen, wie besonders erfreut die Damen und Herren sind, wenn sie etwas bekommen, wie würdevoll die ganze Geschichte ist, wie sich die Familie und alle miteinander freuen, und dann hat der- oder diejenige doch eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber! Da ist es ja nur richtig und wichtig, dass wir jetzt sagen, wenn jemand dieser Verantwortung, dieser Rolle als Aushängeschild der Republik Österreich nicht mehr entspricht, brauchen wir Möglichkeiten, dieser Person das Ehrenzeichen abzuerkennen. Übrigens – Kollege Schennach hat das auch schon im Ausschuss gesagt –, in Oberösterreich und in Salzburg gibt es das bereits per Landesgesetz. (Bundesrat Leinfellner: ... darüber nachdenken, ob man diesen ganzen Coronaexperten ihre Graduierungen wieder abnimmt!) Wir schauen ja nur, dass wir hier die Fakten aufzeigen.

Ausgangspunkt – das wisst ihr ja – war Herr Hans Globke. Er war einer, der während der NS-Herrschaft – ich habe mir das auch ganz genau angeschaut – im Reichsinnenministerium maßgeblich mit der Namens- und Rassengesetzgebung, dem Personenstandsgesetz und dem Staatsangehörigkeitsgesetz befasst war. Dieser Herr Globke war dann unter Adenauer Mitglied einer Delegation, die nach Österreich gekommen ist, und – so war es damals üblich – hat ein Ehren­zeichen der Republik bekommen.

Das würde er heute sicher nicht mehr bekommen, und mit diesem Gesetz können wir das jetzt rückgängig machen, auch posthum. Das ist aus meiner Sicht


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nur notwendig und wichtig. Das ist keine Geschichtsverfälschung, ist kein Ausradieren, sondern das dient nur der Würde der Republik, der Würde dieser Auszeichnung, um ein entsprechendes Verhalten wieder sicherzustellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vielen, vielen Dank, Frau Minister, dass Sie sich da so eingesetzt haben! Ich weiß, es war nicht leicht, und wie ich auch gelesen habe, sind wir ja schon seit Längerem dabei, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen, zumindest schon seit 2018, wenn ich das richtig interpretiere. Jetzt sind wir endlich so weit. Das ist gut, das ist richtig und das ist notwendig. Ich bin sehr froh, dass wir heute diesen Beschluss fassen, und ob ihr, Kollegen der FPÖ, das als Geschichts­fälschung seht oder nicht, ist mir wirklich einerlei. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.48


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Manfred Mertel. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie gelangen zu Wort.


14.48.53

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesrats­präsidentin Mag.a Arpa! Sehr geehrte Frau Bundesministerin Mag.a Edtstadler! Von mir als Demokraten: Sehr geschätzte Fraktionsvorsitzende! Aber auch: Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Empfangsgeräten! Frau Bundesratspräsidentin, gestatten Sie mir, dass ich zuerst Kollegin Frau Dr. Eder-Gitschthaler zur Vorsitzführung der Bundesrats­fraktion der ÖVP gratuliere. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundes­rät:innen der SPÖ.) Ich glaube, das ist eine besondere Wertschätzung Ihrer Person, und als Mitglied der älteren Generation freue ich mich ganz besonders. (Heiterkeit bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich darf aber auch die Gelegenheit wahrnehmen, mich als Staatsbürger bei den ausgeschiedenen Mitgliedern des Bundesrates, bei Herrn Dr. Kornhäusl – jetzt Landesrat in der Steiermark – und auch bei Bernhard Hirczy recht herzlich dafür zu bedanken, dass sie ihre Tätigkeit im Bundesrat sehr ernst genommen


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haben und sehr tolle Leistungen erbracht haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind nicht anwesend, aber es ist mir ebenfalls ein Bedürfnis, sie herzlich willkommen zu heißen und sie auch auf die wichtigen Aufgaben, die sie im Bundesrat übernehmen, einzuschwören.

Wir haben heute gehört, wie wichtig die österreichische Verfassung ist. Gerade in Artikel 1 der Bundesverfassung, in dem es heißt, „Österreich ist eine demokratische Republik“, geben wir den Bewohnern unseres Staates eine besondere Wertschätzung, sich am demokratischen Prozess in unserem Staat zu beteiligen.

Ich glaube, dieses Ehrenzeichengesetz fußt eigentlich auf der politischen Idee, besondere Menschen, besondere Leistungen entsprechend zu würdigen, sie auch auszuzeichnen und sie letztendlich mit Ehrenzeichen zu belohnen. Etwas, das für motivierte Menschen ganz, ganz wichtig ist, ist, dass sie auch eine entsprechende Anerkennung bekommen.

Wenn wir heute dieses Gesetz, Frau Bundesministerin, beschließen werden, so führen nun diese Schritte in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens durch den Bundesrat, und ich gehe davon aus, dass es positive Schritte sein werden. Ich erwähne das gerade deswegen, weil dieser Bundesrat in den letzten Tagen und Wochen immer wieder irgendwie in eine Schieflage geraten ist und letztendlich vielleicht Kommentare, Anregungen kommen, die diesem Bundesrat und den Mitgliedern des Bundesrates nicht diese Wertschätzung entgegen­bringen, die Hans Kelsen damals eigentlich ausgedrückt hat, als er – mit seinen Mitstreitern – der Architekt der österreichischen Verfassung war.

Der Bundesrat hat als Länderkammer eine ganz besonders würdige Funktion, das haben wir heute schon gehört. Wir befinden uns genau in diesem Spannungsfeld, auf der einen Seite die Interessen unserer Länder, von denen wir als Repräsentanten und Mitglieder des Bundesrates entsendet werden, zu


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vertreten, aber auch gleichzeitig dem Nationalrat als dem Organ, das die Bundesgesetze beschließt, zu folgen.

Wir sind uns dieser Aufgabe sehr bewusst und glauben eigentlich auch, dass wir als Bundesräte eine entsprechende Vorbildfunktion wahrzunehmen haben, um diesem Ehrenzeichengesetz auch näherzutreten, indem wir sagen: Wir wollen diesem Gesetz, das ja eigentlich an jene Menschen, die besondere Leistungen für die Republik erbracht haben, adressiert ist, auch unterstützend zur Seite stehen.

Wenn ich jetzt zu den einzelnen Bestimmungen komme – und das sind ja wahrscheinlich diese springenden Punkte, die wir heute zu betrachten haben –, so gibt es zunächst, glaube ich, Ex-lege-Bestimmungen, die zu einem Widerruf führen, dann gibt es Bestimmungen, die zu einer Aberkennung der Ehrenzeichen führen, und letztendlich gibt es auch diese Bestimmungen betreffend posthume Aberkennung, die uns leider die Geschichte vorgegeben hat.

Ich möchte immer darauf hinweisen, dass Geschichte etwas Lebendiges ist, etwas Fließendes ist, und wir alle können nicht vorhersehen, wie zukünftige Generationen über Geschichte nachdenken, aber wir müssen uns jeder Beurtei­lung stellen und auch entsprechende Entscheidungen treffen.

Wie auch immer ich das sehe, gehört jetzt einmal ein besonderes Lob ausge­sprochen. Ich habe ein bisschen in den Materialien nachgeblättert und möchte vor allem zwei Abgeordnete erwähnen – mir sind eigentlich die Abgeordneten Leichtfried und Krisper aufgefallen, die sich vehement für Änderungen einge­setzt haben –, aber ich möchte auch (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) Ihnen, Frau Ministerin, recht herzlich danken, dass Sie diesen Gesetzgebungs­prozess auf eine breite und transparente Basis gestellt haben. Als Jurist darf ich Ihnen vielleicht Folgendes sagen: Sie mussten auch sehr schwierige juristische Lösungen treffen, und das ist Ihnen gelungen, und auch dafür gebührt Ihnen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bravoruf bei der ÖVP.)


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Ich möchte aber zum Schluss kommen und möchte Ihnen mitteilen, dass ich auch Sie als Mitglieder des Bundesrates sehr, sehr positiv sehe. Wir verfolgen die Debatten in den Ausschüssen – wir verfolgen ja nicht nur die Debatten hier im Sitzungssaal –, und ich glaube, man kann jeder Fraktion zu ihrer Haltung gratulieren, zu ihren Argumenten gratulieren, aber bedenken wir eines: Die Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug und soll immer verbindend und letztlich auch zielorientiert sein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Begegnen wir unseren Mitbürgern immer mit einer guten Aussicht auf ein zukunftsorientiertes Österreich, und dementsprechend darf ich (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) Ihnen sagen, dass wir diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.56


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte schön.


14.56.40

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister-in! (Erheitert:) Die Endung ist mir gerade noch hineingerutscht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es immer so großartig, mit welcher guten Stimmung hier eine Gemeinsamkeit erzeugt wird, aber erlauben Sie mir doch, jetzt etwas kritischer zu sein, nämlich vor allem gegenüber Herrn Kollegen Leinfellner von der FPÖ.

Zum einen: Ich möchte daran erinnern, was vorhin passiert ist: Er ist hier heraußen gestanden und hat gesagt: Jeder kann früher einmal einen Fehler gemacht haben. – Dann habe ich ihn in einem Zwischenruf gefragt, ob das Schreiben der Nürnberger Rassengesetze während des Nationalsozialismus ein Fehler sei, und dann hat er mich zurechtgewiesen und gesagt, ich könne


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mich ja später zu Wort melden. – Dann ist er hinausgegangen und ist während dieser Debatte nicht mehr anwesend.

Ich sage einmal etwas ganz Persönliches. Ich bin jetzt von Tagesordnungs­punkt 6 bis 10, glaube ich, eingeteilt. Ich habe einen irrsinnigen Hunger, aber ich bleibe hier herinnen, weil ein Grundsatz einer parlamentarischen Debatte ist, dass, wenn ich etwas sage, ich mir auch die Gegenpositionen anhöre – denn das ist eine Debatte. Hier herauszukommen, seine Meinung zu sagen, nicht hören zu wollen, was die anderen sagen (Bundesrat Spanring: Weißt du, was er macht?), das zu ignorieren und einfach hinauszugehen, das ist keine parlamentarische Debatte (Bundesrat Spanring: Kollege, weißt du, was er macht?), das ist eine Unkultur. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Spanring: Weißt du, was er macht?) – Was macht er denn? (Bundesrat Spanring: Ja? – Ruf: Was macht er? – Heiterkeit. – Bundesrat Spanring: Redet nachher mit ihm, ..., aber so etwas zu behaupten, ist einfach wirklich ...!) – Na ja, er ist ja hinausgegangen! Ich habe ja gesehen, dass er hinausgegangen ist. (Bundesrat Spanring: Er hat vielleicht auch einen Grund dafür gehabt, nicht? Aber das ... gibt, gell? Ihr Gutmenschen, ihr!)

Ich darf an Folgendes erinnern, meine Damen und Herren: 2018 wurde in Österreich zum ersten Mal überhaupt über die Aberkennung von Ehrenzeichen diskutiert – und ein Aberkennen von Ehrenzeichen ist übrigens kein Ändern der Geschichte, sondern behandelt nur die Frage, ob man jemanden ehrt oder ob man ihn nicht ehrt. – Das ist die Kernfrage.

Helmut Konrad und viele andere Zeithistoriker und -historikerinnen richteten im Juli 2018 und dann erneut im Juli 2020 eine entsprechende Petition an die Bundesregierung sowie an den Bundespräsidenten, und jetzt, im Oktober bezie­hungsweise hier im Bundesrat im November 2023, wird diese Aberkennung von Ehrenzeichen ermöglicht.

Warum wird sie ermöglicht? – Wir haben gerade beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt eine einstimmige Allparteienidee diskutiert, dass wir Antisemitismus ablehnen. Wenn wir Antisemitismus ablehnen, aber die


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Ehrenzeichen für Menschen, die diesen Antisemitismus in ganz besonders brutaler Art und Weise hervorgebracht haben, nicht ablehnen, dann wäre das ja unlogisch.

Sehr oft hat es eine Kontinuität gegeben, und auch darüber müssen wir sprechen, sonst wäre das nicht komplett. Sehr oft hat es eine Kontinuität gegeben, dass Karrieren innerhalb des Nationalsozialismus dann in Republiks­karrieren übergegangen sind, und zwar nahtlos. Hans Globke – um den geht es da – war geradezu ein Musterbeispiel für eine solche nahtlose Karriere.

Globke war ja sogar schon in der Weimarer Republik, also noch vor dem Nationalsozialismus, berüchtigt, weil er damals schon im Parlament antijüdische Gesetze vorgeschlagen hat. An den Rassengesetzgebungen der Nazizeit war er beteiligt, er war Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, und er war verantwortlicher Ministerialbeamter für die Namensänderungs­verordnung 1938 in Deutschland, durch die Juden und Jüdinnen als solche erkennbar gemacht und stigmatisiert wurden, indem sie verpflichtet wurden, Vornamen zu tragen, die sie ganz klar als Juden und Jüdinnen definierten. In der Adenauer-Zeit nach dem Krieg hat er dann wieder eine Karriere auf höchster Ebene gestartet. Während viele ausländische Dienste und Politiker und Politikerinnen Adenauer darauf hingewiesen haben, dass Globke eine Naziver­gangenheit hatte, wurde diese in der BRD gerne einfach verschwiegen. Auch Österreich hat sich dafür nicht besonders interessiert und ihn dann 1956 mit dem Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind einfach der Meinung, dass grundsätzlich nur an diejenigen verliehen werden soll, von denen man vermuten darf, dass man es ihnen nicht nachträglich wieder aberkennen muss. Das ist ja wohl klar. Es gab aber diese nahtlosen Karrieren, über die wir heute natürlich anders sprechen als 1956. Das ist ja keine Frage, dass wir heute anders darüber sprechen, aber auch nicht leichtfertig damit umgehen wollen. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, das zu sagen.


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Es ist übrigens nicht das erste Mal. Es gab bereits Heinrich Gross – viele können sich vielleicht noch erinnern –, einen österreichischen Arzt, der als Stationsleiter der Reichsauschussabteilung an der Wiener Euthanasieklinik Am Spiegelgrund behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und auch an der Ermordung von Menschen mit Behinderungen beteiligt war. Später in der Republik setzte er seine Karriere als Psychiater und Gerichtsgutachter nahtlos fort. Das war auch so ein Fall, und siehe da, auch damals haben wir eigentlich einen ganz guten, vielleicht ein bisschen pragmatischen Weg gefunden, indem der Ministerrat damals gesagt hat, wir erkennen ihm Ehrenzeichen ab. Ich finde es aber sehr richtig, dass wir jetzt eine Gesetzesgrundlage dafür schaffen, und das wird hoffentlich nur sehr, sehr selten zur Anwendung kommen müssen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im vorherigen Tagesordnungspunkt über den Kampf gegen Antisemitismus gesprochen. Wer das ernst nimmt, muss auch sagen: Menschen, die Rassengesetze geschrieben haben, kann man nachher nicht noch ein Ehrenzeichen zuerkennen. Das geht einfach nicht.

Ich möchte mich ausdrücklich bei den Sozialdemokraten und bei den NEOS bedanken, die da auch ganz stark agiert haben, damit dieses Gesetz in Kraft treten kann. Ich finde es wichtig, dass das auch hier deponiert und gesagt wird, denn darum geht es: Es geht um ganz wichtige Sachen in der Republik. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.03


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.


15.04.00

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Kollege Leinfellner vorhin seine Rede gehalten hat, habe ich mich gefragt, ob wir hier über dasselbe Gesetz reden. Ich habe mir dann noch einmal den


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Gesetzeswortlaut angeschaut, worum es da eigentlich geht – als Jurist schaut man sich dann gern den Gesetzeswortlaut an –: Technisch geht es um eine Neukodifikation des österreichischen Ehrenzeichenrechts.

Es hat bisher drei getrennte Ehrenzeichengesetze gegeben, die jetzt in ein neues Gesetz zusammengefasst werden. Die Arten der Ehrenzeichen werden nicht besonders verändert. Separat bleibt nur das Militärauszeichnungsgesetz, das ein bisschen geändert wird, weil dort eine Bestimmung eingeführt wird, in der dann auf bestimmte Tatbestände in der Neukodifikation des Ehrenzeichengesetzes verwiesen wird.

Daher die Frage: Worüber könnte man sich da jetzt eigentlich aufregen? – Inhaltlich passiert in Wirklichkeit auch nicht besonders viel, weil die Möglichkeit einer Aberkennung oder des Widerrufs eines Ehrenzeichens in der österreichi­schen Rechtsordnung ja nichts Neues ist. (Bundesrat Schennach: Oberösterreich und Salzburg!) Das hat es bisher auf Bundesebene in zwei von den drei Ehrenzeichengesetzen, die wir nun in eines zusammenfassen, gegeben. Das hat es auf Landesebene in drei Bundesländern gegeben: Salzburg, Oberösterreich und Tirol. Das ist offenbar bisher unsystematisch gehandhabt worden, wir vereinheitlichen das jetzt auf Bundesebene. Die Frage ist also: Worüber die große Aufregung?

Kollege Leinfellner argumentiert die Ablehnung dieses Gesetzentwurfes durch seine Fraktion damit, dass irgendwie über Gesinnungen gerichtet würde. – Ich habe mir angeschaut, was denn die Widerrufs- und Aberkennungstat­bestände sind. Diese werden in Wirklichkeit jetzt ja nur schärfer gefasst, als sie bisher gefasst gewesen sind. In den zwei Ehrenzeichengesetzen, in denen es schon bisher Aberkennungstatbestände gegeben hat, ist es ja nur darum gegangen, dass beurteilt wird, ob es ein Verhalten gegeben hat, das der Verlei­hung entgegengestanden wäre. Jetzt – neu – wird das präzisiert. Es werden Widerrufstatbestände eingeführt, die ex lege gelten. Was sind diese? – Das ist die Verurteilung von einem inländischen Gericht aufgrund bestimmter Vorsatztaten. Und die Frage ist: Kann man irgendetwas dagegen haben, wenn


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bei wegen Vorsatztaten verurteilten Straftätern ex lege ein Ehrenzeichen widerrufen wird? – Ich glaube nicht.

Dann gibt es die Aberkennungstatbestände, bei denen es nicht ex lege passiert, sondern ein Verfahren durchgeführt wird, und es gibt zwei solche Aberkennungstatbestände. Der eine Tatbestand ist die Verurteilung durch ein ausländisches Gericht wegen einer Tat, die vor einem inländischen Gericht auch zu einer Verurteilung geführt hätte. Zweiter Tatbestand: die führende Rolle in der NSDAP oder einer ihrer Vorfeldorganisationen oder die Mitwirkung an nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Da geht es um Handlungen, die vor 1945 passiert sind. Warum kann man da etwas dagegen haben? – Daher glaube ich – quasi eine gesetzeskonforme Interpretation der Begründung der Ablehnung durch Kollegen Leinfellner –, dass der Kollege entweder den Gesetzentwurf nicht gelesen hat oder etwas verwechselt, denn anders kann ich mir das nicht erklären. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

15.07


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundeministerin Karoline Edtstadler. – Bitte.


15.07.47

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Ich könnte es jetzt kurz machen und sagen: Was lange währt, wird endlich gut! Ich entnehme auch den Redebeiträgen der unterschiedlichen Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ, dass hier wohl durchgehend die Meinung vertreten wird, das kein Einspruch gegen dieses Gesetz einzulegen ist.

Allerdings möchte ich doch auf ein paar Dinge hinweisen. Zunächst einmal darf ich schon aufgreifen, dass diese Gesetzesänderung zustande kommt, weil das Thema von den NEOS aufgegriffen worden ist. Prof. Weniger, damals auch bei der „Kleinen Zeitung“ tätig, hat insbesondere den Fall Globke – Frau Bundesrätin


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Eder-Gitschthaler hat das ja schon angesprochen – dargelegt, und dann hat dieser Prozess begonnen. Es war kein ganz einfacher Prozess, denn es ist legistisch schon ein bisschen eine Herausforderung gewesen.

Da komme ich auch auf einen Punkt, den Bundesrat Leinfellner angesprochen hat: Gerade die posthume Aberkennung ist etwas gewesen, was uns sehr wichtig war. Gerade der geänderte Umgang mit der Geschichte ist so wichtig. Dabei geht es nicht darum, dass man die Geschichte umschreibt, sondern dass man anders damit umgeht. Gerade bei Ehrenzeichen geht es darum, dass man auch in den Vordergrund stellt, dass jemand, der ein Ehrenzeichen hat, ein Aushänge­schild für diese Republik ist und andere motivieren sollte, auch danach zu streben, und dass man es nicht einfach stehen lassen kann, dass jemand wie die genannten Personen, zum Beispiel Globke, dieses Ehrenzeichen nach dem Tod weiterträgt.

Und da war schon legistisch einiges an detaillierter Arbeit notwendig, damit wir das so hinbekommen, denn eigentlich ist es ein höchstpersönliches Recht, dass mit dem Tod automatisch erlischt. Jetzt haben wir eine Möglichkeit eingeführt, festzustellen, dass es sozusagen aberkannt wird, auch wenn dieses Recht eigentlich schon erloschen ist.

Es ist auch schon ausgeführt worden, dass wir drei Kategorien von Bundes­ehrenzeichen zusammenführen. Insgesamt haben wir uns schon um eine vereinfachtere Zugangsweise auch bei der Handhabung im Vollzug bemüht.

Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken, nicht nur bei den Juristinnen und Juristen meines Kabinetts, sondern vor allem auch beim Verfassungsdienst und bei der Protokollabteilung im Bundeskanzleramt. Explizit möchte ich auch für die gute Zusammenarbeit mit der Präsidentschaftskanzlei Danke sagen.

Es ist vieles schon gesagt worden. Was mir noch wichtig hinzuzufügen scheint, ist, dass eben auch eine Ex-lege-Aberkennung einzuleiten ist, wenn jemand


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wegen eines schweren Strafdelikts verurteilt wird. Wir haben diese im Gesetz ganz klar benannt. Denken Sie etwa an Sexualstrafdelikte!

Dieses Gesetz ist wichtig, weil sich die Republik damit von Personen distanziert, die im Nachhinein nicht mehr würdig waren, Ehrenzeichen zu tragen. Ich glaube auch, dass es gerade in der jetzigen Zeit, in der wir so große Herausfor­derungen haben, in der wir Spaltung und Hass sehen, ganz, ganz wichtig ist zu zeigen, was dahintersteckt und was jemanden sozusagen würdig macht, ein Ehrenzeichen zu tragen. Der verantwortungsvolle Umgang mit der Geschichte war niemals wesentlicher, als er es jetzt ist: an diesem Tag, am morgigen Tag und auch in Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.11 15.11.09


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.11.469. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (3623/A und 2219 d.B. sowie 11329/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 208

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


15.12.17

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsi­dentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefra­gungsgesetz 1989 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und so komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte.


15.13.20

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bei dieser kleinen Wahlrechtsnovelle handelt es sich quasi um eine Nachwehe der bereits Anfang des Jahres vom Nationalrat und auch vom Bundesrat beschlossenen großen Wahlrechtsreform.

Ziel des Ende Jänner verabschiedeten Gesetzespakets war es, unter anderem sicherzustellen, dass bei bundesweiten Wahlen bereits am Wahltag ein Ergebnis vorliegt, das nahe am Endergebnis liegt. Erreicht werden soll das etwa durch eine beschleunigte Auszählung der Briefwahlstimmen, wobei schon lange darüber


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 209

diskutiert wurde, ob ein Zukleben des Kuverts, in dem sich der Stimmzettel befindet, als unzulässige Markierung des Stimmzettels gewertet werden soll.

Letztlich hat man sich aus demokratiepolitischen Gründen dagegen entschieden, solche Briefwahlstimmen automatisch für ungültig zu erklären. Nun wird eben für das Wählen in der Wahlzelle eine analoge Regelung verankert, und demnach wird auch da das Zukleben des Wahlkuverts nicht automatisch zu einer ungültigen Stimme führen. Ich glaube, mit dieser Wahlrechtsreform wurden wirklich viele Verbesserungen geschaffen, was einem modernen und zeitgemäßen Wahlrecht entspricht.

Es ist ja jetzt doch schon ein bisschen her, deswegen möchte ich zwei Verbes­serungen noch einmal erwähnen: erstens die Erleichterung für die Wählerinnen und Wähler bei der Briefwahl – die Nutzung der Möglichkeit der Briefwahl nimmt ja auch immer mehr zu –, dass man schon bei der Abholung der Wahl­karte auf der Gemeinde oder Gemeindewahlbehörde seine Stimme abgeben und sofort wählen kann.

Eine weitere Verbesserung, und das ist wirklich eine absolute Erleichterung, ist die Gewährleistung der Barrierefreiheit der Wahllokale. Das wird zu einer Erleichterung für Menschen mit Behinderungen führen, aber natürlich auch für ältere Mitbürgerinnen und -bürger.

Wir sind immer bemüht, Verbesserungen zu erreichen. Mit dieser großen Wahlrechtsreform und jetzt mit dieser kleinen Nachbesserung ist das, glaube ich, sehr, sehr gut gelungen. Es freut mich sehr, dass das heute hier einstimmig angenommen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Schennach.)

15.15


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 210

15.15.58

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ja, das ist eine ganz kleine Korrektur. Eigentlich hat man sie mit einem redaktionellen Versehen begründet, aber wir alle wollen, dass sich möglichst viele Menschen an Wahlen beteiligen und dass der Wille der Wählerin und des Wählers zum Ausdruck kommt.

Wenn jemand ein Wahlkuvert zuklebt, dann soll seine oder ihre Stimme trotzdem gezählt werden. Darum geht es hier. Bei allem anderen kann ich mich nur meiner Vorrednerin anschließen; das war alles richtig, und das ist eine absolute Einstimmigkeitsmaterie, die dem Wähler und der Wählerin künftig garantiert, dass auch bei einem zugeklebten Kuvert die Stimme gezählt wird. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.16


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Isabella Theuermann. – Bitte.


15.17.06

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Nationalratswahl 2019 wurden ja erstmals über eine Million Wahlkarten ausgegeben, und generell ist bei der Nachfrage nach diesem Wahlmodus eine konstante Steigerung zu sehen. Dennoch sind und bleiben wir da kritisch, weil die Wahlkarte beziehungsweise die Briefwahl eigentlich die Ausnahme sein sollte, und vor allem auch, weil es schlichtweg nicht möglich ist, sicherzustellen, dass das Wahlrecht in allen Fällen persönlich, frei und geheim ausgeübt wird, wie das unsere Verfassung vorsieht.

Mittlerweile ist die Briefwahl für viele ja bereits die Norm, und das in vielen Fällen nur aus Bequemlichkeit, denn lang nicht alle Briefwähler sind ortsabwesend oder in ihrer Mobilität eingeschränkt, was ja legitime Gründe wären.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 211

Demokratische Wahlen sind der Kern unseres politischen Systems, und die paar Minuten, die der Weg ins Wahllokal ausmacht, sollten sie eigentlich jedem Staatsbürger wert sein. Die vorliegende Änderung ist aber durchaus nachvoll­ziehbar, denn es macht natürlich überhaupt keinen Unterschied, ob das Wahlkuvert zugeklebt ist oder nicht. Ich denke, dass es gerade bei der Briefwahl nachvollziehbar ist, dass viele Menschen das Kuvert zukleben.

Das war schlichtweg eine unnötige Regelung, und natürlich sollte ein zuge­klebtes Wahlkuvert nicht die Ungültigkeit eines Stimmzettels zur Folge haben. Aus diesem Grund werden wir dieser Änderung unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.18


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


15.18.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Motto: Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem, möchte ich natürlich auch sagen, dass die Beseitigung eines Redaktionsversehens hinsichtlich des zugeklebten Wahl­kuverts eigentlich eine sehr unproblematische Geschichte ist.

Erlauben Sie mir allerdings, noch darauf hinzuweisen, dass wir bei der Wahlrechtsnovelle doch einige ganz wichtige Punkte umgesetzt haben. Ich finde das als Erinnerung schon wichtig, weil die ursprüngliche Wahlrechtsnovelle ja Änderungen bei der Wahlkartenadministration und bei der Auszählung brachte. Ich halte es immer noch für eine ganz tolle Errungenschaft, dass wir eine Erhöhung der Entschädigung von Beisitzerinnen und Beisitzern geschafft und ein ganzes Paket an Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen durchgesetzt haben.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 212

Die frühere Wahlkartenauszählung war zum Beispiel einer dieser wichtigen Punkte. Wir haben jetzt, und das finde ich ganz toll, quasi einen Vorwahltag geschaffen und einfacher gestaltete Wahlkarten. Das war heute schon einmal ein Thema, dass die einfache Sprache ganz wichtig ist. Gerade bei solchen Dingen wie Wahlen halte ich das auch für ganz wichtig, dass die Barriere so gering wie möglich gehalten werden kann, daher sind diese einfach gestalteten Wahlkarten, die auch verständlich formuliert sind, super. Jetzt können wir auch draufschreiben, man darf zukleben oder auch nicht – das ist sozusagen der Unterschied. Wir haben weiters ein Wahlkartentracking und eine Abschaffung der Hausaushänge eingeführt.

Jetzt haben wir das noch einmal klargestellt und Redaktionsversehen beseitigt. In diesem Sinne – wie gesagt: alles gesagt, doch noch nicht von allen – kann man dem getrost zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.21 15.21.06


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

15.21.39 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbediens­tetengesetz 1948 geändert werden (3314/A und 2218 d.B. sowie 11330/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 213

Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um die Berichterstattung.


15.22.21

Berichterstatter Marco Schreuder: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbediensteten­gesetz 1948 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


15.23.04

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Kommt der Herr Vizekanzler? (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.) – Aha, Sie (in Richtung Bundesministerin Edtstadler) machen einstweilen die Vertretung. Ja, so ist es. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ist eh schön, ist eh nett! – Bundesrat Himmer: Ist eine Aufwertung!) Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher hier im Saal und vor den Bildschirmen! Es ist traurig, dass der Vizekanzler sich bis jetzt nicht die Zeit genommen hat, bei einem so wichtigen Thema, es geht um die öffentlich Bediensteten, selbst hier anwesend zu sein.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 214

Worum geht es? – Es sollen die Ansprüche der Vordienstzeiten angerechnet werden, damit endlich eine Regelung für einen gerechten Vorrückungsstichtag umgesetzt wird. Es ist, glaube ich, schon der vierte oder fünfte Versuch, die Ungerechtigkeit zu lösen, denn es kam immer wieder zu Beschwerden. Auch der Europäische Gerichtshof hat das als rechtswidrig erklärt, daher sind wir heute wieder einmal da.

Ich nehme aber an, dass vermutlich auch diese Regelung nicht halten wird, aber eines ist klar: Egal, ob die Lehre beim Bund oder bei einem privaten Unternehmen gemacht wird, diese Lehrjahre vor dem 18. Geburtstag müssen bei jedem als Vordienstzeiten voll angerechnet werden. Schon im Vergleich zur Privatwirtschaft schneidet der öffentliche Dienst gerade bei den Einstiegs­gehältern mit Sicherheit nicht gut ab, deshalb ist es notwendig und wichtig, dass die Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr voll anerkannt werden.

Wenn man berechtigte Ansprüche auf Vordienstzeiten von 100 Prozent hat, aber nur 42,86 oder weniger als die Hälfte anerkannt werden, dann würde ich den Herrn Vizekanzler, wenn er hier wäre, fragen: Warum nicht 100 Prozent? Als Begründung werden haushaltsrechtliche Erwägungen angeführt.

Im Klartext also heißt es oder könnte es heißen: Ihr seid uns nicht mehr wert, mehr Geld haben wir nicht für euch! – Das ist alles andere als eine Anerkennung für die Tausenden Bediensteten im öffentlichen Dienst (Beifall bei der FPÖ) und schon gar keine Wertschätzung der betroffenen Menschen. Das ist eigentlich eine Geringschätzung aller Bediensteten, die im öffentlichen Dienst für den Staat und für die Allgemeinheit tätig sind.

Immerhin geht es dabei um berechtigte Ansprüche von geleisteten Gebühren und Abgaben von Bediensteten – also die haben das ja schon bezahlt –, die im Rahmen der Dienstverhältnisse nicht zuerkannt wurden. Man will ihnen offensichtlich, wie bereits erwähnt, auch mit diesem Gesetzesbeschluss wieder nicht die vollen Ansprüche anerkennen.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 215

Was denkt sich eigentlich solch ein öffentlich Bediensteter, ein Polizist, der gerade in schwierigen Situationen den Kopf für uns hinhält? Man sieht jeden Tag, welchen Belastungen die Polizei ausgesetzt ist und was sie leistet – einen großen Dank dafür – oder dass die Bundesangehörigen nicht nur darauf schauen, dass der Grenzschutz so funktioniert, dass nicht noch mehr Flüchtlinge, vor allem illegalerweise, ins Land kommen, sondern auch im Katastrophendienst immer wieder wertvolle Unterstützung für die Bevölkerung leisten.

Es betrifft aber auch Ärzte und Pfleger, die seit vielen Jahren bereits an der Grenze ihrer Kräfte in der Altenbetreuung, im Pflegedienst oder in den Krankenhäusern arbeiten, es sind die Pädagogen, die im Kindergarten und in der Schule wertvolle Leistung erbringen und immer mehr unter der Gewalt in den Schulen leiden. Wir haben es heute schon gehört. Man braucht nur die Zeitungen aufzuschlagen und sieht, was tagtäglich in den Schulen passiert. Es trauen sich jetzt Gott sei Dank die ersten Lehrer, Direktoren und viele andere zu sagen, was bis jetzt immer totgeschwiegen wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Neben einer Gleichbehandlung in Bezug auf den Vorrückungsstichtag ist ein modernes Besoldungsrecht auch dringend notwendig und wichtig, vor allem für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes, denn der öffentliche Dienst steht in einem starken Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. Im öffentlichen Dienst brauchen wir gut ausgebildete Mitarbeiter, die motiviert ihren Dienst für Österreich leisten.

Ich hoffe, der Herr Vizekanzler nützt bei den kommenden Lohnverhandlungen die Möglichkeit, die Wertschätzung, die die Bediensteten verdienen, auch zu zeigen. Sie haben es auf jeden Fall verdient. Ich möchte an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst richten: von Kindergärten und Schulen über die Straßenmeistereien und die Spitäler bis hin zur Polizei, der Justizwache, und vor allem an meine Kameraden des öster­reichischen Bundesheeres.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 216

Als Berufssoldat ist es mir ein Anliegen, gerade mit Blick auf die aktuelle Sicherheit und die geopolitische Lage anzusprechen, dass die Soldaten im Inland und im Ausland ihr Leben für andere einsetzen. Frau Minister, richten Sie bitte dem Herrn Vizekanzler aus, dass es auch im Dienstrecht noch sehr viele offene Punkte gibt, die gerade die Bediensteten im österreichischen Bundesheer betrifft. Es geht zum einen um eine angemessene Besoldung der Offiziere und Unteroffiziere, zum anderen um ein angemessenes Zulagensystem. (Vizekanzler Kogler nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Ich möchte das wiederholen, Herr Vizekanzler, weil es mir als Berufssoldat wie schon gesagt besonders wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass gerade bei den Berufssoldaten noch sehr vieles im Dienstrecht offen ist – ob es die Besoldung für die Offiziere und Unteroffiziere oder das Zulagensystem bei den Unteroffizieren ist, ob es um mehr Hilfestellungen bei Dienstunfällen, bei Tod oder Unfallinvalidität geht: Da ist noch sehr viel zu tun.

Jetzt hören Sie den schlimmen Satz: Wenn Sie nicht wollen oder nicht können, dann müssen Sie es beenden. Treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

15.29


Vizepräsidentin Margit Göll: Herzlich begrüßen möchte ich den Herrn Vizekanzler im Bundesratssaal. – Herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Spätestens in einem Jahr ist der Fluch vorbei!)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Gitschthaler. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Ein Jahr hält Österreich noch durch, Herr Vizekanzler!)


15.29.38

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wieder einmal habe ich die Ehre, nach der FPÖ zu reden (Bundesrat Steiner: Ja, das ist eine Ehre!), und wieder


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 217

einmal muss ich sagen, ihr seht wirklich alles nur halb leer. Man kann an allem und jedem ein Haar in der Suppe finden.

Man kann wirklich alles schlechtmachen, man kann immer ein Haar in der Suppe finden (Zwischenrufe bei der FPÖ), und das finde ich halt schon sehr, sehr bedauerlich, weil es ja eigentlich auf dem Rücken der von uns sehr geschätzten Damen und Herren im öffentlichen Dienst ausgetragen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Pröller: Ja! – Bundesrat Steiner: Ihr habt jahrelang Politik gemacht gegen den öffentlichen Dienst, Jahre!)

Ja, wir regeln die Anerkennung der Vordienstzeiten für den öffentlichen Dienst. Wir wollen, dass allen, die vor dem 18. Lebensjahr eine Lehre gemacht haben und dann in den Bundesdienst eingetreten sind, diese Lehrzeit auch anerkannt wird. Das ist gut, und natürlich hat es da mehrere Versuche gegeben. Nobody is perfect.

Es gibt Personalvertreter, die sich sehr aktiv für die Interessen der Damen und Herren eingesetzt haben (Bundesrat Steiner: Ja, die AUF! – Bundesrätin Schumann: Die FSG!), und es gibt ein EuGH-Urteil. Wir wissen das und jetzt sind wir eben dabei, diesen neuen Altersstichtag mit dem 18. Lebensjahr festzulegen. Wir rechnen die Vordienstzeiten mit 42,86 Prozent an. (Bundesrat Pröller: Und warum nicht 100 Prozent?) Im Ausschuss, ich weiß nicht, Kollege Prüller, ob du dort gewesen bist, hat uns der Experte sehr wohl erklärt, warum es diesen Anrechnungsfaktor gibt. Ich denke also, wir wurden da aufgeklärt, und es ist gut, dass wir das jetzt machen. Es gibt damit auch Rechtssicherheit.

Davon profitieren 170 000 Damen und Herren, auch Landesbedienstete, wie wir gehört haben – und denen wollt ihr das jetzt madig machen? Ihr sagt, das sei ohnehin nichts. Also ich verstehe das nicht. Ich finde, jede Verbesserung für den öffentlichen Dienst gehört aktiv vorangetrieben. (Bundesrat Pröller: Oje, oje!) Natürlich wird das nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein. Dann wird man sich halt wieder zusammensetzen und weitere Überlegungen anstellen. Das ist ja das Gute, dass wir uns ständig verbessern können.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 218

170 000 Personen bekommen jetzt also eine Nachzahlung. Ich habe nachgefragt, wie das vonstattengehen wird. (Bundesrat Steiner: Ja super!) Es gibt ja dann diesen Vorrückungsstichtag. Man hat mir gesagt, das werde jetzt über die Dienststellen nachberechnet und man beginne natürlich mit den Damen und Herren, die in der Nähe der Pension sind, damit die schon bald diese Nachzahlung bekommen. Da bin ich mir sicher, wir werden das für diese Damen und Herren schon innerhalb der nächsten paar Monate verwirklichen, und die werden sich sicher freuen, dass sie Geld nachbezahlt bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihr habt auch zu erwähnen vergessen, dass der bisher vorgesehene Pauschal­abzug von vier Jahren ersatzlos entfällt. Das ist schon eine große Erleichterung. Ich weiß, wovon ich rede, denn mein Mann ist einer der Betroffenen und ich habe mit ihm sehr intensiv über dieses Gesetz diskutiert. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Erlauben Sie mir wieder ein großes Dankeschön an alle Damen und Herren im öffentlichen Dienst. Kollege Prüller hat es schon getan. Mir ist das jedoch wirklich ein Anliegen, weil der öffentliche Dienst so vielfältig ist und die Damen und Herren so viel für uns leisten: in den Kindergärten, in den Schulen, in den Straßenmeistereien, in den Spitälern, in den Seniorenheimen, in den Ministerien, in den Landesverwaltungen, bei der Polizei, bei der Justizwache, die Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheers. Meine Aufzählung ist natürlich nicht vollständig. So bunt und vielfältig sind die Aufgaben im öffentlichen Dienst und so wichtig für uns alle, wir müssen da nur an den Pflegebereich denken.

Wir brauchen motivierte Mitarbeiter, da sind wir uns einig, Kollege Prüller, denn wir stehen im ständigen Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. (Bundesrat Steiner: Pröller! Pröller!) Sie werden in mir stets eine Kämpferin für die Damen und Herren des öffentlichen Dienstes finden, und für jede Verbesserung sind wir dankbar. Darum, liebe Kollegen von der FPÖ, gebt euch bitte einen Ruck und stimmt dieser Verbesserung zu! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der FPÖ: Nein!)

15.34



BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 219

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte.


15.34.32

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Ich werde ein bisschen allgemein beginnen. Der Überbegriff Bundesdienstrecht umfasst alle Regelungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesdienstes. Es bildet den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit beim Bund. Den Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung Rechnung tragend kommt eine ganze Reihe von Gesetzen zur Anwendung. Notwendige Anpassungen und Ergänzungen müssen daher oftmals durch die Novellierung einschlägiger Einzelgesetze getroffen werden.

Heute betrifft es das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbediensteten­gesetz 1948. Die darin enthaltenen Bestimmungen – das wurde schon erwähnt, aber ich wiederhole es – über die Anrechnung von Vordienstzeiten von öffentlich Bediensteten müssen rückwirkend geändert werden, weil in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20.4.2023 entschieden wurde, dass mit der letzten Regelung im Rahmen der Besoldungsreform 2019 eine Alters­diskriminierung vorliegt. Der österreichische Gesetzgeber ist deshalb unionsrechtlich verpflichtet, Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleich­behandlung zu erlassen. Daraufhin hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18.7.2023 festgestellt, dass bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters für Ältere und vielleicht auch des Vorrückungsstichtags der Pauschalabzug von vier Jahren bei den sonstigen Zeiten tatsächlich eine Altersdiskriminierung darstellt. Eine Anrechnung von Lehrzeiten sei unabhängig von ihrer Lage in Bezug auf die Vollendung des 18. Lebensjahres faktisch unmöglich. – Soweit die Ausgangslage.

Es ist klar, dass damit gesetzgeberischer Reparaturbedarf vorliegt. Der gegenständliche Gesetzestext stellt allerdings in seiner Formulierung eine


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Herausforderung für alle Personaldienststellen dar, die die Umsetzung für Tausende betroffene Bundesbedienstete und Landeslehrerinnen und Landeslehrer von Amts wegen zu bewältigen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler, der Mangel an Fachpersonal durch jahrelange Nicht­nachbesetzung und Umschichtung von Dienstposten wird sich fatal auswirken. Wenn die Vollziehung dennoch gelingen soll, wird dies besonders vom persönlichen Einsatz der damit befassten Bediensteten abhängen. Für diesen Einsatz möchte ich bereits jetzt ein großes Dankeschön aussprechen.

Inhaltlich profitieren in erster Linie Personen, die bisher wenig oder gar keine sonstigen Zeiten angerechnet bekommen haben. Eine sich allfällig ergebende Nachzahlung erfolgt rückwirkend ab dem 1. Mai 2016.

Trotz der von mir geäußerten Vorbehalte schlage ich aber im Hinblick auf die inhaltliche Bedeutung und seine im Wesentlichen sinnvollen Auswirkungen vor, der Bundesrat möge dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.38


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


15.39.05

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine große Sache, aber eine wichtige Sache, weil Altersdiskriminierung ja auch keine Kleinigkeit ist und Antidiskriminierungspolitik immer ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Politik war. In diesem Fall gab es eine EuGH-Entscheidung, eine EuGH-Entscheidung wegen der Vordienstzeitanrechnungen von Beamtinnen und Beamten. Und das war, das muss man schon auch dazusagen, keine einmalige Angelegenheit, so


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 221

etwas ist schon mehrfach vorgefallen. Es war auch nicht nur eine EuGH-Entschei­dung, sondern es gab mehrere EuGH-Entscheidungen, und die haben immer wieder Sanierungen erfordert.

Worum geht es? – Noch einmal ganz kurz: Bis ins Jahr 2010 galt für Beamtinnen und Beamte, aber eben auch für Vertragsbedienstete, dass die Vordienstzeiten dann nicht angerechnet worden sind, wenn sie vor dem 18. Geburtstag absolviert wurden. Aufgrund eines EuGH-Urteils, in dem dieser zusammenge­fasst festhält, dass diese Regelungen altersdiskriminierend sind, kam es in den 2010er-Jahren aufgrund weiterer negativer EuGH-Entschei­dungen schon zu Reparaturen, es kam nämlich 2015/16 und dann noch einmal 2019 zu diesen Reformen der Bundesbesoldung. Es ist jetzt schon interessant, wenn zum Beispiel die FPÖ dann sagt: Treten Sie zurück!, oder da-da-dam. Das waren jetzt nicht unbedingt Entscheidungen, die passiert sind, als die Grünen in der Regierung waren, das war ja schon deutlich davor.

Jetzt haben wir wieder ein negatives Urteil, und jetzt kommt die hoffentlich endgültige Letztsanierung, sage ich einmal, nämlich dass sämtliche sonstige Zeiten hinkünftig unabhängig vom Lebensalter, in denen sie zurückgelegt wurden, mit 42,68 Prozent zu berücksichtigen sind. Es ist das Ziel der Regelung, dass niemand schlechtergestellt wird. Was ich auch besonders wichtig finde: Da hat man wieder einmal gesehen, wie gut es ist, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert, weil die Gewerkschaft öffentlicher Dienst hier auch mit an Bord ist.

Es geht um 170 000 Betroffene, die davon profitieren werden. Es ist tatsächlich für eine ganz geringe niederschwellige Zahl von Bediensteten in dem Fall auch keine so gute Nachricht. Das Wichtige ist, es werden genau für diese Auffangregeln geschaffen, damit es nicht zu einer Verschlechterung kommt.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 222

Meine Damen und Herren, ich wüsste jetzt nicht, was dagegensprechen kann. Stimmen Sie einfach zu! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.41


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf nun Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler um seine Ausführungen bitten.


15.42.02

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Wenige Punkte: Erstens einmal, sorry, wir waren auf 15.30 Uhr eingestellt. Das hätten wir ja geschafft, aber interessanterweise waren wir dann trotzdem ein paar Minuten zu spät. – Sorry, das liegt an uns.

Ja, die Sache selbst ist sehr komplex, manche Bundesrätinnen und Bundesräte haben es angesprochen. Ich habe ja bereits Gelegenheit gehabt, im Nationalrat im Ausschuss und im Plenum einzutauchen. Ich will das hier nicht wiederholen, aber ich glaube, das Thema ist schon ganz gut dafür geeignet – und die meisten Bundesrätinnen und Bundesräte haben es ja dankenswerter­weise zum Ausdruck gebracht –, dass wir eher zusammenhalten, denn sonst gehen wir halt ein bisschen in die Geschichte und würden draufkommen, dass sich da alle eh schon immer schwergetan haben.

Es ist nur eben ein bisschen aufreizend – Sie wissen, solche Bemerkungen erlaube ich mir dann schon –, wenn das just von jenen kommt, unter denen das als letztes, als schon das meiste Wissen da war – also unter meinem Vorvorgänger –, vorbereitet wurde. Ich sage selten etwas zu Vizekanzler oder Ex-Vizekanzler Strache, ich habe ihn sogar in Sportbereichen manchmal gelobt – nur damit Sie das auch gerne hören können. Warum man sich dann aber hier so zwischen den Fraktionen herstellen muss, wo doch das, was eben aufgehoben wurde, weswegen Sie unter anderem wieder hier sitzen, ohnehin eben von Vizekanzler Strache – in seiner Funktion für den öffentlichen Dienst zuständig – vor- und eingebracht wurde, müssen Sie halt untereinander klären.


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Grundsätzlich finde ich aber – auch da bleibt die Hand ausgestreckt –, dass man da zusammen schauen soll. Ich sage ja selbst ohne Häme, dass es bis hierher offensichtlich nie so leicht war, da alle Dinge unter einen Hut zu bringen. Ich bin den Fraktionen und insbesondere der Sozialdemokratie dankbar dafür, hier so konstruktiv weiterzuarbeiten. Wir bewegen uns halt Schritt für Schritt vorwärts, wenn man so will.

Umgekehrt muss man ehrlicherweise den Finanzminister schon auch ein bisserl verstehen. Beim Maximum und bei alles für alle sind wir nicht bei ein paar Millionen, da sind wir bei Milliardenbeträgen. Das muss man halt auch sehen, denn irgendwo kommt diese Abwägung ja her. Die wird ja nicht umsonst gemacht, und die haben wir nicht erfunden. Wir nähern uns aber an.

Danke – weil ich Sie gerade sehe – dem Herrn Gruppenleiter. Danke auch den Abteilungen bei uns in der Sektion, die das jetzt halt nach bestem Wissen und Gewissen, wie ich glaube, so vorbereitet haben. Ich würde mich also wirklich dem Appell hier anschließen, dass man das möglichst gemeinsam angeht. Es ist ja für die Betroffenen – im Zweifel sind viele betroffen – jetzt positiv und viel Gutes drinnen. Ich würde also nicht halb voll oder halb leer sagen, sondern ein bisserl mehr als halb voll. Wenn man genau hinschaut und den Durchblick hat, würde man das auch erkennen. – So viel dazu.

Es wurden auch andere Dinge, denke ich, angesprochen, aber ich habe eben nicht alles gehört – sorry.

Bundesrat Pröller, es gibt gerade im Dienstrecht und im Besoldungsrecht viele Sachen, die immer wieder langsam vorangehen, aber vorangehen. Ich glaube, das war meistens so, aber seit Schwarz-Grün, Türkis-Grün ist es jedenfalls so. Ich kann mich an keine Dienstrechtsnovelle erinnern, die wir dann auch immer hier beraten und beschließen, bei der irgendwo für irgendwen etwas schlechter geworden wäre, aber an einzelnen Ecken immer etwas besser, auch für die im öffentlichen Dienst Befindlichen in den Sicherheitsressorts.


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Noch sehe ich selbst das Thema, dass wir noch Weiteres verbessern müssen. Das ist jetzt auch schon wieder in den nächsten Gesprächen drinnen, und deshalb gibt es ja von manchen den Wunsch, dass man alles einmal in eine große Besoldungsrechtsreform hineinbringt. Das ist halt schon ein dicker Brocken, ein dicker Felsen, den wir da beackern müssten. Man kann beides probieren. Es wird weitere Verbesserungen geben, und die weiteren Anliegen aus der Exekutive oder aus dem BMLV sind natürlich auch bei uns gelandet – auch das ist in Behand­lung.

Ich möchte in dem Zusammenhang nur darauf hinweisen, dass im letzten Jahr, wenn man so will 2022/23, die Dienstrechtsnovelle schon viele Verbesserungen gebracht hat – und gar nicht so kleine –, sodass manche heute noch – auch im öffentlichen Dienst selbst und von der GÖD – von einem Attraktivierungspaket sprechen. Ich meine, es war auch eines, und das wirkt ja jetzt erst herein. Es wurde auch gesagt, dass das, was Sie hier beraten und beschließen, ja auch bis ins Detail mit der GÖD abgesprochen wurde – insofern auch da sozialpart­ner­schaftlich funktionierend.

In diesem Sinne danke ich für die konstruktive Debatte. Auch zur freiheitlichen Fraktion im Bundesrat: Diese Themen im Exekutivbereich werden schon gesehen und auch behandelt. Ich bin ja auch – er hätte es vielleicht gerne intensiver und öfter – im Nationalrat drüben mit Abgeordnetem Lausch immer wieder einmal in Kontakt gewesen. Es ist ihm sicher dann immer noch zu wenig, aber es kommt schon auch etwas an. Nehmen Sie das vielleicht einmal so! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

15.47 15.47.11


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 225

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.47.4511. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik der Philippinen und der Tunesischen Republik zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (2135 d.B. und 2259 d.B. sowie 11321/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um den Bericht.


15.48.17

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich über die Annahme des Beitritts der Republik der Philippinen und der Tunesischen Republik zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



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Vizepräsidentin Margit Göll: Sehr herzlich im Saal des Bundesrates darf ich Frau Dr. Alma Zadić begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


15.49.16

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste vor den Bildschirmen! Wir haben es in den letzten Tagen wieder ein bisschen über die dramatische Kindesentführung in Hamburg mitbekommen, die glücklicherweise gestoppt wurde – aber trotzdem: Das Kind ist traumatisiert. Daher haben sich viele Länder international zusammengetan und das Haager Kinderentführungs­übereinkommen abgeschlossen.

Das Ziel dieses Kindesentführungsübereinkommens ist nämlich, dass die Kinder so schnell wie möglich wieder an ihren rechtmäßigen Platz in ihrer Familie kommen. Was das Wichtige ist: Es sind oft Verfahren, die – nicht in dem Sinn – sehr undurchsichtig sind. Also sie regeln immer internationale Kindesent­führungen, das heißt durch verschiedene Staaten. – Darf ich (in Richtung des mit Bundesrat Spanring sprechenden Bundesrates Steiner) um ein bisschen Ruhe bitten? Das irritiert irrsinnig. Danke. (Bundesrat Steiner: Was ist denn? Mach kein Drama!) – Bitte? Ich mache kein Drama, aber ich würde mich gerne konzentrieren. Danke. (Bundesrat Steiner: Ja, du kannst eh reden! Du hast ja das Mikrofon! Hast eh ein Mikrofon vor dir! – Bundesrat Gross – in Richtung Bundesrat Steiner –: Ihr seid solche Mimosen immer!) Tolle Kultur hier im Plenarsaal, gratuliere wirklich.

Also, das internationale Haager Kindes- - (Bundesrat Steiner: Ja, gratuliere! Super! Moralisch großartig! Red hinein in dein Mikrofon! Stört dich niemand!) – Du kannst


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dich auch gerne zu Wort melden. (Bundesrat Steiner: Sie! Wir sind nicht per Du!) Du kannst dich trotzdem gerne zu Wort melden.

Beim internationalen Haager Kindesentführungsübereinkommen ist der wichtige Punkt eben – dadurch, dass es in verschiedenen Staaten ist –, dass es eine zentrale Stelle gibt, die da koordiniert, Informationen weitergibt und sozusagen auch über die rasche Erledigung wacht. In Österreich ist das das Bundes­minis­terium für Justiz.

Das Verfahren läuft so ab, dass – wenn zum Beispiel ein Kind aus Österreich in ein anderes Land entführt wird – der Antrag auf Rückführung beim Bezirksgericht gestellt wird. Da würde auch Rat auf Draht helfen, den man unter der Nummer 147 erreicht, aber auch andere Vereine würden helfen, solche Anträge zu stellen. Wenn der Antrag dann bei Gericht ist – auch das ist, glaube ich, wichtig für das Wohl des Kindes –, wird psychosoziale Betreuung für diese Kinder zur Verfügung gestellt.

Was auch ein wichtiger Punkt ist: Es handelt sich da nicht um eine Ent­scheidung im Sorgerecht, sondern tatsächlich nur um eine Rückführung des Kindes in das Land, wo es sich rechtmäßig aufhalten sollte. Wenn es umgekehrt ist, sich das Kind sozusagen unrechtmäßig in Österreich aufhält oder eben nach Österreich gebracht wurde, müssen die Bezirksgerichte in einem Schnellverfahren tätig werden. Falls aufgrund dieser Kindesentführung exekutiert werden muss, das heißt, das Kind abgeholt werden muss, werden auch geschulte Gerichtsvollzieher mit der Kinder- und Jugendhilfe tätig werden, was natürlich ein höchst sensibler Prozess ist.

Wir müssen nun aufgrund eines EU-Beschlusses diesem Abkommen zustimmen. Wir wollen das auch. Wir wollen dem auch zustimmen. Diesem Abkommen wollen die Philippinen und Tunesien beitreten. Das ist gut so, denn bisher gilt dieses Abkommen zwischen Österreich und 80 anderen Ländern. Das ist wichtig


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für das Kindeswohl und für eine halbwegs stabile Kindheit in einem halbwegs stabilen Umfeld. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder.)

15.53


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.53.55

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat: Das Haager Kindesentführungs­übereinkom­men regelt multilateral die zivilrechtlichen Ansprüche bei internationalen Kindesentführungen.

Es handelt sich dabei meist um Fälle, in denen ein Elternteil ein Kind unter 16 Jahren unrechtmäßig in ein anderes Land bringt und/oder es dort zurückhält. Kinder werden gegen ihren Willen und gegen den Willen der Erziehungs­berechtigten in eine völlig fremde Gesellschaft hineingestoßen. Es zeigen sich die Probleme, weil es eben zu Streitigkeiten zwischen den Eltern kommt. Bei grenzüberschreitenden Fällen ist das oft dramatisch. Wir haben das ja jetzt in Hamburg vor einigen Tagen aus der Ferne miterleben können.

Es ist schon innerhalb eines Landes schwierig, wenn sich Elternteile streiten und das Kind hineingezogen wird. Dramatisch ist es aber sicherlich, wenn grenzüberschreitende Fälle daraus werden. Denn wenn ein Elternteil mit dem Kind in ein anderes Land geht, steigert sich die Dramatik nochmals. Das führt in einzelnen Fällen zu ganz argen Situationen. Ich möchte hier keine weiteren Beispiele anführen.

Genau solche Situationen regelt das Haager Übereinkommen. Da wird bestimmt, wer dafür zuständig ist, zu regeln, wo das Kind leben soll, und dass dieser Anspruch auch umsetzbar ist. Damit das in vielen Staaten der Welt möglich ist,


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ist es wichtig, dass möglichst viele Staaten diesem Übereinkommen bei­treten. So ist es positiv, dass sich wieder zwei Staaten diesem Übereinkommen angeschlossen haben und Österreich durch seine Annahmeerklärung nun auch mit diesen beiden Ländern, Tunesien und den Philippinen, das Übereinkommen anwenden kann. Insgesamt, so haben wir in den Verhandlungen im Ausschuss gehört, gibt es jetzt 103 Vertragsstaaten, wobei nicht alle Beitritte von Österreich genehmigt wurden, zum Beispiel Pakistan.

Man darf dieses Übereinkommen nicht gering schätzen, denn als Beispiel darf ich Folgendes anführen: In den letzten drei Jahren sind jeweils circa 60 bis 70 Fälle vom Bundesministerium für Justiz zu bearbeiten gewesen – leider mit einer leicht steigenden Tendenz.

Wir haben gerade vorgestern im Justizausschuss wieder gehört, welch vielfältige Bemühungen die Bundesregierung zum Gewaltschutz und zum Kinderschutz setzt. Das möchte ich hier einmal generell hervorstreichen und mich auch bedanken. Kinderschutz soll uns allen über alles gehen. Daher bitte ich um eine breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters ist Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.57.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Justizministerin! Diese Erklärung gegenüber Tunesien und gegenüber den Philippinen ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Gerade die internationalen Kindesentführungen sind nicht so selten, wie es dem Titel nach klingen mag.

Wichtig ist, wie meine Vorrednerin gesagt hat: Es gibt derzeit 103 Über­einkommen mit 103 Staaten. Wir müssen uns aber in Erinnerung rufen, dass die Haager Konferenz 1980 war. 1980 haben Staaten existiert, die heute nicht mehr existieren, und es haben Staaten ihre Staatsgebiete erweitert.


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1980 war zum Beispiel Jugoslawien ein Mitglied, und die Nachfolgestaaten, wie Bosnien, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, fühlen sich der Unterschrift von Jugoslawien seinerzeit verpflichtet. Damals war Macau portugiesisch und Hongkong britisch. China hat nun erklärt, für diese Sonderverwaltungsregionen fühlt es sich, was Kindesentführungen betrifft, in derselben Weise verpflichtet wie für China, denn China hat das Abkommen 1980 ratifiziert.

Alle EU-Staaten haben es jetzt ratifiziert. Das war aber nicht immer so. Ein Staat ist aufgefallen – die Steirer und Steirerinnen hier werden das wissen –: Das ist Dänemark.

Wir hatten diese unheimliche Entführungsgeschichte eines Kindes zwischen Dänemark und der Steiermark. Dieses Kind ist, glaube ich, insgesamt sechs Mal hin und her entführt worden. Das hing aber damit zusammen, dass Dänemark das Abkommen damals nicht ratifiziert hat und es für Österreich mit den dänischen Behörden extrem schwierig war. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) – Ja, Kollege Buchmann als Steirer muss das wissen. Das war ja ein Riesendrama. (Bundesrat Buchmann: Ja, eh!) Jetzt weiß ich nicht, ob die Mutter des Kindes Steirerin war oder ob sie Dänin war. Das entzieht sich jetzt meiner Kenntnis. (Bundesrat Buchmann: Der Vater!)

Wenn wir aber einmal zurückschauen – ich glaube, Frau Neurauter hat das kurz angerissen –: Wenn wir das Jahr 2022 nehmen, wurden da 29 Kinder nach Österreich entführt und 47 Kinder aus Österreich entführt.

Heuer, im Jahr 2023, sind bis jetzt 31 Kinder nach Österreich und 39 Kinder aus Österreich entführt wurden. Bis Jahresende werden es mehr werden.

Das ist eine ganz, ganz schwierige Geschichte. Das Spiel machen Erwachsene, und niemand denkt dabei an das Wohl der Kinder (Beifall bei der SPÖ), und das ist die riesige Tragödie.


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Eigentlich hätte ja heute meine erkrankte Kollegin Daniela Gruber-Pruner, Vorsitzende des Kinderrechteausschusses, dazu sprechen sollen, und es wäre ihr ein großes Anliegen gewesen, auch darauf hinzuweisen, dass wir sehr viele vermisste Kinder in Europa haben. Die Zahl vermisster Kinder in Europa explo­diert nämlich, und man kann sagen: Im EU-Europa wird alle 2 Minuten ein Kind vermisst.

Ich kann mich erinnern, der damalige Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, hat 2015 in einer wirklich sehr beachtlichen Pressekonferenz erzählt, dass von den Flüchtlingen von 2015 18 000 Kinder in Europa vermisst wurden. Wir wissen nichts über deren Schicksal, und das ganz Schlimme ist, dass die gesetzlichen Regulative ganz unterschiedlich sind. Wenn wir zum Beispiel die horrible gesetzliche Situation von Slowenien und Ungarn, aber – in diesem Fall muss ich es leider auch erwähnen – auch Dänemark anschauen, so interessiert die das gar nicht. Wird in Ungarn ein nichtungarisches Kind vermisst, scheint das nicht auf. In Slowenien ist es so: Wird ein Kind 24 Stunden vermisst, nehmen sie es zur Kenntnis, aber nach 24 Stunden streichen sie das Kind aus der Vermisstenliste.

Ich könnte jetzt über jedes Land reden, denn ich hatte damals die Aufgabe, im Europarat darüber einen Bericht zu machen.

Zum Beispiel in der Schweiz, wo das sehr gut dokumentiert wird, gab es im Jahr 2021 54 655 vermisste Kinder. Aber nur die Hälfte davon sind Ausreißer und Ausreißerinnen, nämlich ein bisschen über 50 Prozent. Wo sind die anderen? Welche Schicksale stecken dahinter?

Ich habe mich damals bei Jagland erkundigt, wie viele Kinder aus den Flücht­lingsjahren in Österreich vermisst werden: Die Anzahl war 900. 900 Kinder werden vermisst! Das ist nicht wenig.

In diesem Sinne, liebe Kollegen und Kolleginnen, freuen wir uns jetzt darüber, dass die Philippinen und Tunesien diesem Übereinkommen beitreten. Diese


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beiden Länder waren nämlich nicht Teil des Übereinkommens von 1980. Das heißt, jetzt müssen wir mit jedem Land, das da beitreten will, dieses Anerkennungsverfahren abführen. Österreich hat das zum Beispiel mit Südafrika, der Ukraine, Armenien, Chile und so weiter gemacht, und jetzt kommen eben die Philippinen und Tunesien dazu.

Es gibt nicht wenige binationale österreichisch-philippinische und österreichisch-tunesische Kinder, nämlich durch Verehelichungen oder Beziehungen von Menschen aus beiden Staaten, und da ist bei Trennung oder Scheidung der Obsorgestreit immer ein Riesenproblem. Durch dieses Abkommen hilft der Staat in diesen zivilrechtlichen Verfahren wie eine Brücke, damit Kinder eben nicht wie im steirisch-dänischen Fall zigfach hin- und hergeschoben werden. Ich glaube, das steirische Kind war vier oder fünf Jahre alt. Man muss sich einmal überlegen, was das für ein Kind bedeutet, wenn es immer wieder entführt wird! – Ja (in Richtung einer Schulklasse im Besucher:innenbereich), das könnt ihr euch anhören!

In diesem Sinne: Wir werden dem natürlich sehr gerne zustimmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

16.05 16.05.04


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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16.05.3812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Kommunikationsplattformen-Gesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden (2208 d.B. und 2260 d.B. sowie 11322/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um den Bericht.


16.06.08

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Straf­gesetzbuch, die Strafprozeßordnung 1975, das Kommunikationsplattformen-Gesetz und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


16.06.48

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Liebe junge Besucher:innen hier! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Das ist ein etwas sensibles Thema. Hinter jeder Darstellung von Kindesmissbrauch steht ein


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Kind, das Opfer von sexueller Gewalt geworden ist. – Eine Sekunde bitte! (Die Rednerin spricht mit Vizepräsidentin Göll.) Entschuldigung!

Jedem dieser Kinder wird durch solche Straftaten seine Kindheit geraubt. Viele leiden ihr ganzes Leben daran, oft ohne zu wissen, was passiert ist. In jeder Klasse gibt es durchschnittlich ein Kind, das von Kindesmissbrauch betroffen ist; und die Täter sind oft jene, die eigentlich für den Schutz der Kinder verant­wortlich wären. Da ist es unser Auftrag hier – und da danke ich auch der Justiz­ministerin –, alles dafür zu tun, dass kein Kind Opfer von Gewalt wird.

Worum geht es heute konkret? – Der Tatbestand bekommt eine neue, adäquate Bezeichnung. Es heißt nicht mehr „Pornografische Darstellung Minderjähriger“, sondern „bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial“; und das ist gut so, denn der Begriff Pornografie ist eine Verharmlosung des Geschehenen, denn es geht hier eindeutig um Missbrauch.

Die Anzahl der Bilder ist nun ausschlaggebend für die Strafandrohung. Werden viele, nämlich – wir haben es im Ausschuss gehört, und auch in den Erläuterungen gelesen – etwas mehr als 30 Abbildungen, besessen, so beträgt die Strafandrohung drei Jahre, dies allerdings nur, wenn die Kinder älter als 14 Jahre sind. Sind die Kinder jünger als 14 Jahre, erhöht sich die Strafdrohung auf bis zu fünf Jahre.

Den Besitz eben adäquat zu bestrafen ist gut, denn dieser macht auf so perfide Art möglich, aus Kindesmissbrauch auch noch ein Geschäft zu machen.

Aber eben auch die Herstellung und die Weitergabe missbräuchlichen Bild­materials in größerem Rahmen wird nun weit strenger bestraft. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Das Tätigkeitsverbot der Täter:innen wird ausgeweitet und gilt grundsätzlich auch unbefristet. Das heißt, der Täter oder die Täterin dürfen keinen Job mehr ausüben, der mit Kindern zu tun hat.


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Mit Erlass von der Bundesministerin für Justiz an die Staatsanwaltschaften wird zusätzlich sichergestellt, dass es keine Strafverfolgung geben wird bei einvernehmlichem Sex unter gleichaltrigen Jugendlichen – also wenn sie sich sexuelle Bilder schicken. Die Behörden müssen allerdings trotzdem in jedem Einzelfall nachprüfen, ob diese Handlungen einvernehmlich sind.

Neben der Gesetzgebung wurde natürlich auch noch mehr gemacht, um Kinder vor Missbrauch zu schützen. Die Bundesregierung hat dem Kinderschutz mehr Geld, mehr Ressourcen und auch mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Ich würde gerne ein paar aufzählen: Vor allem die verpflichtenden Kinderschutzkonzepte in den Schulen, in den Vereinen und kulturellen Einrichtungen des Bundes sind da ein großer Schritt. Diese geben umfassende Verhaltensrichtlinien vor. Sie geben vor, wie mit Beschwerden umgegangen wird und wie eventuelle Verdachtsfälle dokumentiert werden oder wie interveniert werden soll. Auch die Bundesländer sind gefordert, solche verpflichtenden Konzepte in den pädagogischen Einrichtungen in ihrem Kompetenzbereich, wie zum Beispiel den Kindergärten, einzuführen.

Des Weiteren wird es eine unabhängige Qualitätssicherungsstelle, die die Kinderschutzkonzepte prüft, und ein entsprechendes Gütesiegel geben. Diese Stelle ist schon ausgeschrieben und wird auch bald ihre Arbeit aufnehmen. So ein Gütesiegel ist wichtig, damit die Eltern auch wissen, wo Bedacht auf Kinderschutz genommen wird.

Genauso wird die Hilfe für Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden, gestärkt und das Programm Gesund aus der Krise ausgeweitet, wo es um die kostenlose und sofortige psychosoziale Betreuung vor Ort von Opfern geht, und auch die Familienberatungsstellen. (In Richtung einer Schulgruppe): Weil auch Kinder hier sind: Es gibt Rat auf Draht. Das ist direkt für Kinder und Jugendliche, falls es Probleme gibt, falls man mit jemandem reden möchte, falls man nicht weiß, an wen man sich wenden soll. Die Nummer ist 147, und es ist eine wirklich gute Anlaufstelle. Das könnt ihr auch gerne weitergeben, wenn ihr so etwas wisst oder von jemandem wisst. Es ist ganz


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wichtig, dass man da etwas tut, und es braucht nicht – und ich glaube, das ist auch wichtig – mit Scham besetzt sein, denn schuld sind nicht die Kinder, sondern schuld sind die Erwachsenen. – Grüß euch! (Die Schulgruppe verlässt den Saal.)

Wichtig ist aber auch die Kompetenz. Viele von diesen Missbrauchsbildern, fast alle, sind im Internet zu finden. Daher ist es wichtig, dass die Cybercrime­kompetenz einerseits bei der Polizei, aber auch durch mehr Staatsanwält:innen gestärkt wird und dass natürlich auch die Ermittlungstechnologien verbessert werden und immer auf dem aktuellen Stand sind.

Es ist ganz wichtig, dass jedes Kind in Österreich seine Rechte kennt, dass es weiß, was ein Übergriff ist und wo es sich Hilfe holen kann. Da freue ich mich auf die Kinderrechtekampagne, die auch bald starten wird, denn es darf nicht sein, dass Kinder sich durchschnittlich an acht Erwachsene wenden müssen, bevor ihnen geglaubt wird – das noch dazu, obwohl es eben ein scham­behaf­te­tes Thema ist. Daher ist es auch hier so wichtig, dass wir aktiv darüber reden, dass wir nicht wegsehen, dass wir den Kindern glauben und immer etwas unternehmen – und sei es, wenn wir es nicht wissen, auch selbst wo anzurufen und zu fragen, was man am besten tun kann.

Gemeinsam – auch Bund und Länder – können wir die Prävention stärken, wenn wir aufklären, effektiv ermitteln und Zivilcourage fördern. Damit verhindern wir am besten den sexuellen Missbrauch von Kindern. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

16.13


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte.


16.14.03

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 237

Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Mit der gegenständlichen Vorlage zur Abänderung des Strafgesetzbuches wird ein sehr zentrales Thema zum Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch neu geregelt. Ich möchte gleich vorweg betonen, dass mir diese Vorlage sehr wichtig ist und ich diese vollinhaltlich unterstütze. Sexueller Missbrauch von Kindern stellt ein besonders verabscheuungswürdiges Verhalten dar. Schließlich betrifft dieser den Missbrauch von Personen, die zu den Schwächsten unserer Gesellschaft zählen und die sich aufgrund ihres Alters nicht gegen solche Taten wehren können. Es besteht in unserer Gesellschaft Konsens darüber, dass der sexuelle Missbrauch an Kindern besonders verpönt und daher möglichst zu verhindern ist. Jede solche Straftat ist eine zu viel. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wir müssen daher all unsere Energie dafür verwenden, um umfassende Präven­tionsmaßnahmen zu entwickeln, um Fälle von Missbrauch und Gewalt an unseren Kindern von vornherein auszuschließen. Heute beschäftigen wir uns mit einem wichtigen Aspekt, nämlich der strafrechtlichen Seite. Aus strafrechtlicher Sicht spiegelt sich der Unrechtsgehalt eines Vergehens oder Verbrechens in der Strafandrohung wider. Je schlimmer die Straftat, umso höher die Strafe. Insoweit ist es aus meiner Sicht sehr zu begrüßen, dass die Strafandrohungen für sexuellen Missbrauch an Kindern deutlich erhöht werden. Die Details dazu hat bereits meine Vorrednerin, Bundesrätin Elisabeth Kittl, ausgeführt. Ich erspare mir daher, diese zu wiederholen.

Die Strafe für sexuellen Missbrauch an Kindern kann meiner Ansicht nach gar nicht hoch genug sein, lässt ein solcher doch die Opfer oft für den Rest ihres Lebens traumatisiert zurück. Dies muss sich in der Strafandrohung nieder­schlagen. Weiters dienen die erhöhten Strafandrohungen aber auch dazu, potenzielle Täter von einem möglichen Missbrauch abzuhalten. Auch aus diesem general­prä­ventiven Aspekt ist die deutliche Erhöhung der Strafandrohungen zu begrüßen.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 238

Wir leben in einer Zeit, die sich immer weiter digitalisiert. Wesentliche Teile des sozialen und gesellschaftlichen Lebens spielen sich heute im Internet ab. Diese Entwicklung macht sich auch beim sexuellen Missbrauch von Kindern bemerkbar. Insbesondere die Vervielfachung und Verbreitung von Bildern und Videos von sexuell missbrauchten Kindern wird durch das Internet begünstigt und erlaubt es den Tätern, relativ einfach zu entsprechenden Dateien zu gelangen. Gerade die jüngsten Anlassfälle, die durch die Medien gegangen sind, zeigen, dass die Täter oft über Zigtausende einschlägige Dateien verfügen. Ich finde es daher nur richtig, dass die Strafandrohung in Bezug auf viele solcher Abbildungen besonders hoch sein soll. Wir haben es ja vorhin schon gehört: Sehr viele Abbildungen – das beginnt bei circa 30 Abbildungen. Da wird dann auch entsprechend die Strafbemessung erhöht.

Ich möchte noch auf einen anderen sehr wichtigen Aspekt dieser Vorlage eingehen. Es ist nämlich aktuell vorgesehen, dass für die Verhängung eines Tätigkeitsverbots im Tatzeitpunkt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Tätigkeit in einem Verein oder einer anderen Einrichtung ausgeübt oder auszuüben beabsichtigt wird, welche die Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger oder sonst intensive Kontakte mit Minderjährigen einschließt. Diese Voraussetzung wird mit der gegenständlichen Vorlage gestrichen und somit ein Lückenschluss vorgenommen. Dadurch sollen lückenlose zukünftige Tätigkeitsverbote für Straftäterinnen und Straftäter in der Arbeit mit Kindern ermöglicht werden, und zwar auch, wenn sie zum Tatzeitpunkt noch nicht mit Kindern gearbeitet haben, was sehr zu begrüßen ist.

Ich bin auch sehr froh, dass gleichzeitig mit dieser Gesetzesvorlage das Schulunterrichtsgesetz geändert wird. Dazu werden wir später bei Tagesord­nungs­punkt 17 noch die Details hören. Doch eines möchte ich vorab erwähnen: Die geplante Einrichtung von Kinderschutzteams in den Schulen und auch die Aufklärung der Kinder in den Schulen sind wesentliche Begleitmaßnahmen zu dieser Gesetzesvorlage, die wichtig im Sinne des Kinderschutzes sind.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 239

Abschließend möchte ich nochmals deutlich erwähnen, dass kein Kind Opfer von Gewalt und Missbrauch werden darf. Es ist unsere Pflicht, solche Hand­lungen zu verhindern und dazu die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedin­gungen zu schaffen. Ich bedanke mich daher für diese Vorlage und unterstütze diese vorbehaltlos. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundes­rät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.19


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


16.19.56

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Ich kann eigentlich nahtlos an meine Vorrednerin anschließen. Ich denke, dass dieses Kinderschutzpaket – obwohl wir uns ein umfassendes Kinderschutzpaket wünschen; das vorliegende ist ein bisschen zu klein geraten – enorm wichtig ist und dass wir hier einen klaren Auftrag haben. Wir haben auch einen Auftrag nach der Bundesverfassung. In Artikel 5 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern heißt es – und das ist nicht diskutierbar, liebe Kolleginnen und Kollegen –: „Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung.“ (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der Herr Bundespräsident hat von der Schönheit der Verfassung gesprochen. In dem Fall, kann ich nur sagen, gibt uns die Verfassung einen Handlungsauftrag. Diesen Handlungsauftrag hat die Frau Bundesministerin in einer Pressekonfe­renz, glaube ich, so bezeichnet: Kein Kind soll mehr leiden! Ich kann nur sagen: Die Zahl der Fälle sexuellen Missbrauchs ist dramatisch gestiegen. 2011 gab es 288 Fälle, 2022 2 440. Das ist eine Explosion!


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Nach dieser schlechten Nachricht gibt es aber auch eine gute: Die durchschnitt­liche Aufklärungsquote von Straftaten liegt in Österreich bei 16 Prozent, bei Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern online bei fast 40 Prozent. Das ist schon etwas, über das wir sagen müssen: Hut ab, die Justiz und die Polizei funktionieren! Allein wenn ich das Jahr 2012 hernehme: Da wurden von 584 Tatverdächtigen 495 verurteilt. Das ist eine enorme Rate. Wir können wirklich stolz sein, dass wenigstens das funktioniert.

Mit diesem Kinderschutzpaket bekommen wir nun ein paar ganz konkrete Straftatbestände, die einfach klarer formuliert sind und stärker wirken werden, wie Frau Kittl schon gesagt hat. Statt der zuvor vielleicht etwas harmlosen Formulierung kommt jetzt die Bezeichnung „bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial“. Es wird bestraft, wie viel Material jemand hat, und wenn jemand damit Geschäfte macht, also solches Material herstellt und weiterleitet, wird es wesentlich höhere Strafen geben – noch höhere, wenn unmündige Kinder missbraucht wurden.

Frau Ministerin (in den Unterlagen blätternd), jetzt habe ich Ihr Zitat gefunden: „Kein Kind darf Opfer [...] werden“. So haben Sie es gesagt, ich hatte das im Hinterkopf, weil mir das damals schon so gut gefallen hat, aber jetzt habe ich Ihre Worte auch direkt in meinen Unterlagen gefunden.

Wir haben im Europarat die europäische Kampagne One in Five – eines von fünf – ins Leben gerufen. Eines von fünf Kindern wird in einem Land wie Österreich missbraucht. Das gilt vielleicht auch für ein Land wie Deutschland, aber das gilt zum Beispiel nicht für Länder am Westbalkan. Überall dort, wo kriegerische Handlungen stattgefunden haben, werden zwei bis drei von fünf Kindern missbraucht.

Neben der Kampagne One in Five haben wir die Lanzarote-Konvention verab­schiedet, die auch Österreich ratifiziert hat. Durch die Lanzarote-Konvention ist es dem Innenministerium möglich, Zivilbeamte zum Beispiel nach Thailand zu schicken. Wenn Zivilbeamte dort einen Kindesmissbrauch beobachten, wird die


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betreffende Person, wenn sie in Wien Schwechat landet, festgenommen, und man ist nicht mehr auf die Justiz in Thailand angewiesen. Das heißt: wir sind da viel weiter.

In Marokko wurde durch diese Maßnahme beispielsweise der sexuelle Miss­brauch von Knaben im gleichgeschlechtlichen Bereich extrem verringert. Das ist das eine. Das Zweite ist: Wenn ein 40-jähriger Österreicher mit einer 13-jährigen Spanierin Sex hat, ist das nach spanischem Recht erlaubt, nach öster­reichischem nicht. Das heißt, da gilt dasselbe: Festnahme in Schwechat.

Ich möchte daran erinnern, dass eine serbische Filmemacherin und Musikerin aus der Popbranche ein Lied geschrieben und einen Film gemacht hat – „Breaking The Silence“ –, um Kindern Mut zu machen, über Missbrauch zu sprechen. Dieser Film und dieser Song sind bitte auf Platz eins der Charts gelandet. Was hat das für eine Bedeutung für Kinder, wenn sie das hören? – Sie werden befähigt, über das, was sie erleben, zu reden. Die Täter sind bei sexuellem Kindes­missbrauch nicht immer die finsteren Männer, die im Gebüsch warten, sondern sie kommen meistens – in über 90 Prozent der Fälle – aus den Familien oder sind Autoritätspersonen aus dem Umfeld.

Wir haben den Staaten einen Vorschlag gemacht, weil besonders im Bereich Sport sexueller Missbrauch von Kindern sehr häufig passiert: dass jeder Sportverein eine Person ausbilden muss, die in diesem Bereich sensibilisiert und geschult ist. Sollte das ein Sportverein, ein Klub nicht machen, soll er von öffentlichen Finanzierungen ausgeschlossen werden. Das sind Dinge, die auf europäischer Ebene erarbeitet wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob wir in allen Klubs und Vereinen in Österreich bereits so etwas haben, aber es geht darum, diese Sensibilisierung voranzutreiben – dort, wo Eltern und Kinder eigentlich etwas anderes wollen, als dann vielfach passiert.

In diesem Sinne: Unsere Fraktion sagt ja, wenn wir den sexuellen Missbrauch und die Gewalt an Kindern damit weiter verringern beziehungsweise einstellen


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können, und auch dazu, dass wir die Taten schärfer bestrafen. Für uns ist das aber heute noch nicht das Ende und wir hoffen, dass die Regierung mit uns über ein umfassendes Kinderschutzpaket diskutieren wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.28


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte.


16.28.52

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Bundesminister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Frau Bundesminister, wir werden heute gegen diese Gesetzesnovellierung im Bereich Kindesmissbrauch keinen Einspruch erheben, somit unterstützen wir das natürlich, dass da etwas passiert.

Was allgemein gerne vergessen wird: Jedes einzelne Bild und jedes einzelne Video entsteht durch realen Missbrauch, durch Vergewaltigung. Das sind abscheulichste Verbrechen an den Schwächsten unserer Gesellschaft. Deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, dass ein Rechtsanwalt in der Öffentlichkeit so etwas von sich gibt: Es handle sich dabei lediglich um ein „digitales Delikt“. – Nein, sicher nicht! Für uns Freiheitliche ist es unerheblich, ob jemand diese Verbrechen selbst begeht oder ob jemand durch den Erwerb von Bildern oder Videos die Produktion derartiger Verbrechen fördert.

Sexueller Missbrauch bei Kindern ist Mord an Kinderseelen. Die Kinder und ihre aus diesem unermesslichen Leid resultierenden Bedürfnisse müssen für uns in der Politik im Mittelpunkt stehen. Die Täter müssen wiederum mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden. Das Recht muss auf der Seite der Opfer stehen. Für uns steht der Schutz der Gesellschaft an erster Stelle. (Beifall bei der FPÖ.)


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Positiv – das haben auch meine Vorredner angesprochen – sehen wir vor allem die begriffliche Änderung, nämlich eine sprachliche Verbesserung weg vom Wort Kinderpornografie, weil das in Wahrheit euphemistisch wirkt und nicht das widerspiegelt, was es tatsächlich ist. Sprachlich bewegen wir uns von Pornografie, welche meist – normalerweise – freiwillig und oftmals gegen Bezahlung stattfindet (Bundesrat Schennach: Aha!), hin zu Strafbestimmungen zum bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterial und ebensolcher Darstellung mit minderjährigen Personen. Das klingt zwar sperrig, ist aber ein ganz eindeutiges Statement, und das ist ganz wichtig und wirklich auch ein ganz wichtiger Fortschritt in diesem Gesetz. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich bringe aber auch ganz klar zum Ausdruck, dass für uns diese Verschärfung trotz allem, was passiert, zu kurz greift. Wir haben uns mehr erhofft und für uns ist das nur ein erster Schritt von vielen in die richtige Richtung.

Was wir kritisieren, ist, dass sich manche hier feiern lassen, weil Strafen erhöht werden, obwohl einiges nicht ganz zu Ende gedacht wurde. Im § 207a Straf­gesetzbuch zum Beispiel wurde die Mindeststrafe für das Herstellen, Anbieten, Verschaffen, Überlassen und Vorführen von Kindesmissbrauchsmaterial auf sechs Monate angehoben, die Höchststrafe von drei Jahren bleibt aber gleich.

Dann findet man eine weitere Anpassung dazu, nämlich: „Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat nach Abs. 1 in Bezug auf viele Abbildungen oder Darstellungen [...] begeht.“ „Viele“ ist da ein sehr schwammiger Begriff und nicht wirklich leicht zu definieren. In den Erläuterun­gen dazu findet man die Information, dass da von zumindest 30 verpönten Abbildungen oder Darstellungen gesprochen wird.

Die Frage ist aber: Wenn es jedes Mal nur 29 sind, fällt das dann unter die gerin­gere Strafandrohung? Was mit dieser Formulierung komplett außen vor bleibt, ist in Wahrheit die Grausamkeit oder auch der Unwert der Darstellung. Das bedeutet in der Praxis, dass die Strafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erst ab „viele“ Darstellungen zum Tragen kommt, nicht aber, weil diese zum Beispiel


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besonders grausam oder besonders widerwärtig sind – nein, nicht deshalb, sondern weil es eben 30 sind. Genau darin sehen wir auch die Gefahr, dass es wie eine Art Umgehungsanleitung gesehen werden kann: Wie weit darf ein Pädophiler gehen, dass er im Falle einer Überführung dann doch noch mit der geringeren Strafe davonkommt? Ganz nach dem Motto: Ganz egal wie grausam, brutal und widerwärtig, aber wenn du unter 30 bleibst, dann kommst du mit der geringeren Strafe davon. Das hat ja sogar die Staatsanwaltschaft kritisiert.

Das sind jetzt nur einige Beispiele, warum wir mit der Novellierung unzufrieden sind. Wie gesagt, es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, deshalb unterstützen wir diese Novellierung, aber mit Sicherheit ist das noch viel zu wenig.

Meine Damen und Herren, wenn der Fall Teichtmeister, über den ja sehr viel gesprochen wurde, etwas Gutes hat, dann dass Teichtmeister aufgrund seiner Bekanntheit, aufgrund seiner Berühmtheit die Thematik von Kindesmissbrauch wieder in die Gedächtnisse aller Menschen gebracht hat und dass jetzt auch wieder endlich offen darüber gesprochen und diskutiert wird, denn diese Sensi­bilisierung war höchst notwendig. Der Fall Teichtmeister ist alles andere als ein Einzelfall. Diese Form des Kindesmissbrauchs findet oft, sehr oft, wahrscheinlich öfter, als wir denken, statt, nur leider kommt es selten bis nie an die Öffentlichkeit.

Aus unserer Sicht ist auch der Fall Teichtmeister selbst noch offen. Ich weiß, es gab eine Verhandlung und eine Verurteilung, aber für uns liegt da noch einiges im Argen. Was wir nach wie vor wissen wollen, ist zum Beispiel: Woher oder von wem hatte Herr Teichtmeister die Bilder, die er dann teilweise selbst weiterverarbeitet hat?

Gab und gibt es Komplizen, also Mitwisser und Mittäter? Wurden die Ermitt­lungen tatsächlich so geführt, dass ausgeschlossen werden kann, dass über Teichtmeisters Kanäle, sprich Handy, Laptop, PC, Festplatten, was auch immer, weitere Täter ausgeforscht werden können?


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Für uns ist auch eine zentrale Frage: Gab es Fürsprecher Teichtmeisters innerhalb der Justiz, da er ja nicht einmal in U-Haft kam? Es war ja nicht nur das Kindesmissbrauchsmaterial belastend, es wurden ja auch 110 Gramm Kokain bei ihm gefunden. Ich muss sagen, das ist ja keine Kleinigkeit. Da sind andere wirklich schon wegen viel weniger eingefahren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich war bisher immer der Meinung, Justitia ist blind – aus gutem Grund: weil dadurch alle vor dem Gesetz gleich sind. Manche sind aber vor dem Gesetz anscheinend doch gleicher, und das macht mich nachdenklich und auch ein bisschen traurig. Frau Justizministerin, vielleicht können Sie heute ein paar dieser Fragen beantworten oder ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, weil wir da wirklich komplett im Dunkeln gelassen wurden.

Im Nationalrat wurde von uns, von einem Freiheitlichen auch ein Kinderschutz­antrag, ein Kinderschutzpaket eingebracht, denn wie zuvor beschrieben, greift dieses Kinderschutzpaket für uns zu kurz. Dazu gibt es in bewährter Manier einen Mehrpunkteplan. Es kann sein, dass Sie nicht alle Punkte von uns gut finden, aber wenn Sie dann im Nachhinein wieder den einen oder anderen Punkt davon herausnehmen und umsetzen, dann sind wir in Wahrheit eh schon zufrieden. Mehr erwarten wir uns auch nicht mehr. Es wäre nur wünschenswert, wenn die Damen und Herren der Regierungsparteien endlich damit aufhören, zu sagen, wir Freiheitliche bringen nie konstruktive Vorschläge, weil das einfach unrichtig und unwahr ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bringen immer wieder unzählige Vorschläge ein. Viele davon sind sogar so gut, dass sie dann still und heimlich umgesetzt oder in Ihr Wording übernommen werden. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:


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Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf, der folgende Punkte zum Inhalt hat, vorzulegen:

„1. Ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für Täter überall dort, wo sie mit Minderjährigen und allen anderen schutzbedürftigen Personengruppen zu tun haben könnten.“ – Nämlich ein absolutes Tätigkeitsverbot; das, was wir heute beschließen, ist ein lückenhaftes Tätigkeitsverbot.

„2. Die drastische Verschärfung der Mindest- und Höchststrafen bis hin zu lebenslanger Haft.“ – Die Straferhöhungen gehen uns da zu wenig weit. Vor allem Mindeststrafen wären oft notwendig.

„3. Einen lebenslangen Strafregistereintrag.“ – Das ist auch ganz wichtig im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsverbot und auch in Verbindung mit dem nächsten Punkt.

„4. Einen kostenlosen Zugriff auf das eigene digitale Strafregister.“ – Damit kann man dann jederzeit nachweisen, dass man eben nicht belastet ist.

„5. Ein Verbot öffentlicher Förderungen für Einrichtungen die verurteilte Kinderschänder beschäftigen.

6. Die Übernahme aller Therapie -und Verfahrenskosten der Opfer durch den Staat, der sich diese vom Täter wieder zurückholt.“ – Das wirkt dann nämlich general- und spezialpräventiv und hilft auch den Opfern.

„7. Den Ausbau der Volksanwaltschaft zur zentralen Anlaufstelle für Kindes­missbrauchsopfer.


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8. Die Ausdehnung der zivilrechtlichen Verjährung auf über 30 Jahre hinaus.“ – Heute mehrmals Thema war zum Beispiel das Heimopferrentengesetz, eben weil ja gerade Opfer von Kindesmissbrauch meist erst spät die Möglichkeit haben, das, was in ihrer Kindheit vielleicht passiert ist, aufzuarbeiten und dann auch entsprechend im Nachhinein tätig zu werden.

„9. Den Ausbau aller Kapazitäten im Kampf gegen Kindesmissbrauch.

10.“ – das fehlt völlig im Gesetz – „Ein Verbot von Kindersexpuppen und sogenannten ‚Pädophilen-Handbüchern‘.“ – Bevor ich mich mit dem Thema befasst habe, habe ich nicht einmal gewusst, dass es das gibt.

„11. Den Ausbau der psychologische Verfahrenshilfe für Opfer während des Verfahrens.

12. Den Abbau von Hürden beim Zugang zu ‚Triebhemmern‘.“ – Das ist nämlich insofern essenziell, damit die Gesellschaft wirklich geschützt werden kann, Stichwort Prävention, denn es gibt ja welche, die wissen, welche Neigung sie haben, aber diese gar nicht ausleben wollen. Auch diese Menschen gibt es, das soll nicht vergessen werden.

*****

Wie gesagt, ich erwarte mir heute von Ihnen nicht, dass Sie zustimmen, auch wenn es natürlich wünschenswert wäre, ich bin schon zufrieden, wenn Sie die eine oder andere Idee von uns übernehmen.

Es ist aber nicht mehr lange diese Regierung, die zählt, sondern es sind ja sehr bald wieder Herr und Frau Österreicher am Wort, Stichwort Nationalratswahl, und die Österreicher sehen schon klar und deutlich, dass wir Freiheitliche immer wieder sehr gute Vorschläge bringen, dass wir gute Lösungsansätze haben und dass wir deshalb – im Gegensatz zu anderen – auch glaubwürdig sind. Das war bei Corona so, das ist in der Wirtschafts- und Energiepolitik so, samt den Knieschusssanktionen gegen Russland, und auch heute ist es der Fall.


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Am Ende des Tages werden Sie einsehen, dass unser Antrag richtig und wichtig ist, strafen alleine ist zu wenig. Was zählt, ist in erster Linie Prävention, und die wäre mit unserem Kinderschutzpaket sichergestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

16.41


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kinderschutzpaket“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


16.41.38

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherin! Der Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt hat bei uns allen oberste Priorität und das zeigt sich auch in all Ihren Redebeiträgen. Ich muss sagen, ich bin froh und auch dankbar, dass sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat diesem Vorschlag einstimmig zustimmen wird. Ich glaube, dass es insgesamt ein starkes Zeichen für den Kinderschutz, ein starkes Zeichen auch des gesamten Parlaments für den Kinderschutz ist, und daher möchte ich an dieser Stelle Ihnen allen herzlich danken.

Es ist entscheidend, dass wir verhindern, dass Kinder Opfer werden. Herr Abgeordneter Schennach, Sie haben mich richtig zitiert: „Kein Kind darf Opfer [...] werden“. Kein Kind darf Opfer von Gewalt und Missbrauch werden. Daher ist es unsere Aufgabe, die jüngsten und vulnerabelsten Mitglieder unserer Gesellschaft – und das sind die Kinder – zu schützen, nämlich zu schützen, bevor etwas passiert.

Wir müssen dafür sorgen, dass ihr Recht auf ein gewaltfreies Aufwachsen nicht nur auf dem Papier steht, sondern ganz selbstverständlich für alle gilt. Und um


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das zu erreichen, haben wir als Bundesregierung ein umfassendes Kinder­schutzpaket vorgelegt. Dieses Kinderschutzpaket umfasst verbesserte präventive Schutzmaßnahmen wie eben Kinderschutzkonzepte, umfasst auch gestärkte Opferhilfe – wie von Ihnen, Herr Abgeordneter Spanring, angesprochen; die Opferhilfe ist wichtig –, und es umfasst auch effiziente Strafverfolgung und härtere Strafen.

Die Justiz kommt erst dann zum Zug, wenn schon etwas passiert ist, daher müssen wir auf Prävention setzen. Es ist mir ganz wichtig, dass wir verpflichtende Kinderschutzkonzepte in Schulen haben und dass auch Vereine, die mit Kindern arbeiten – sei es im Sport, sei es im Kunstbereich –, auch Kinderschutzkonzepte implementieren müssen. Dafür wird es Förderungen geben, dafür wird es Qualitätssiegel geben, denn alle Vereine, die mit Kindern arbeiten, brauchen diese Kinderschutzkonzepte. Ich als Mutter muss wissen, dass mein Kind dort sicher ist, dass es meinem Kind dort gut geht, und wir als Gesellschaft müssen das wissen.

Wenn dann leider Gottes etwas passiert, dann braucht es zwei Sachen: Es braucht eine effiziente und rasche Strafverfolgung, und ja, da haben wir nicht nur die Cybercrimekompetenzstellen aufgebaut – sowohl in der Justiz als auch bei der Polizei –, sondern das Innenministerium hat noch dazu eine Software angeschafft, mit der man diese Unmengen an Daten, die man sicherstellt bei allen, die Kindesmissbrauchsmaterial besitzen, überprüfen kann. Und ich kann Ihnen sagen, Herr Abgeordneter Spanring, es sind nie 29 – es sind immer Millionen und Millionen von Megabytes, und die müssen einmal gescannt werden und die müssen einmal geprüft werden. Dafür gibt es jetzt beim Innenministerium eine Spezialsoftware, die das sehr rasch durchführen kann, denn es braucht eine rasche und effiziente Strafverfolgung, und genau das wirkt letzten Endes auch präventiv.

Was die Strafhöhe betrifft, so bin ich der festen Überzeugung, dass das Unrecht der Tat auch in der Strafhöhe zur Geltung kommen soll. Damit meine ich, dass die Strafhöhe, mit der ein Delikt bedroht ist, auch die Wertung dieses Deliktes


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durch die Gesellschaft widerspiegeln muss, und deswegen haben wir neben all diesen präventiven Maßnahmen auch die Strafen deutlich erhöht. Wir haben sie verdoppelt, zum Teil auch verdreifacht. Wir haben Mindeststrafen eingeführt, wir haben auch Qualifikationen eingeführt: Wenn es mehr Bilder betrifft, eine Vielzahl von Bildern betrifft und wenn es besonders junge Kinder betrifft, sind die Strafen deutlich verschärft worden.

Wir haben zusätzlich auch das Tätigkeitsverbot ausgeweitet und da die beste­henden Lücken geschlossen, denn es muss einen Unterschied machen – ich korrigiere –, es darf keinen Unterschied machen, was man vorher gearbeitet hat, denn bisher hat es nämlich einen Unterschied gemacht. Bisher hat man nur dann ein Tätigkeitsverbot bekommen, wenn man vorher schon mit Kindern gearbeitet hat, aber das darf doch nicht relevant sein! Egal was man vorher gemacht hat, wenn man wegen einer Sexualstraftat verurteilt wurde, dann darf man nicht mehr mit Kindern arbeiten! Ich halte diesen Lückenschluss für besonders wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrät:innen Schumann und Arlamovsky.)

Meine Damen und Herren Bundesrät:innen, mit diesen Maßnahmen wollen wir erreichen, dass alle Kinder in Österreich künftig noch besser vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden. Um das zu schaffen, braucht es natürlich auch, wie bereits erwähnt, Kinderschutzkonzepte in allen Einrichtungen, wo sich Kinder aufhalten – sei es im Sport oder in Schulen –, aber es braucht noch wesentlich mehr.

Wir als Gesellschaft müssen darauf schauen! Wir dürfen nicht zulassen, dass ein plakativer Fall letzten Endes dazu führt, dass wir alle hinschauen. Wir müssen tagtäglich darauf schauen! Ich kann Ihnen versichern, dass wir als Justiz alles daran setzen werden, dass Kinder sicher sind. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesräte Spanring und Arlamovsky.)

16.47 16.47.38



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Ausführungen.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kinderschutzpaket“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

16.48.2813. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung hinsichtlich der Vergütung für Leistungen der Gerichtsvollzieher geändert wird (Gerichtsvollzieher-Vergütungs-Novelle 2023 – GVV-Nov 2023) (2209 d.B. und 2261 d.B. sowie 11307/BR d.B. und 11323/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter hierzu ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den


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Bericht.


16.48.47

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Exekutionsordnung hinsichtlich der Vergütung für Leistungen der Gerichtsvollzieher geändert wird.

Die letzte Anpassung der Vergütung der Gerichtsvollzieher und -vollzieherinnen erfolgte mit der Exekutionsordnungs-Novelle 2014. Insbesondere die zuletzt erfolgten massiven Preissteigerungen machen eine Anpassung – auch im Bereich der Fahrtkosten – unbedingt notwendig und erforderlich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank. 16.49.46


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen also sogleich zur Abstimmung– Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 253

16.50.1714. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahrgesetz 1967, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (Kraftfahr-Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2023 – KraftVerÄG 2023) (2198 d.B. und 2262 d.B. sowie 11324/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist auch hierzu Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte auch um diesen Bericht.


16.50.34

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Ich bringe den Bericht des Justiz­aus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Kraftfahr­gesetz 1967, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und die Straßenverkehrs­ordnung 1960 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank. 16.51.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 254

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.51.4815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 geändert wird (3523/A und 2263 d.B. sowie 11325/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin hierzu ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


16.52.11

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. 16.52.43



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, zu der mir noch keine Wortmeldung vorliegt.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen also zur Abstimmung. – Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.53.1816. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz geändert wird (2203 d.B. und 2211 d.B. sowie 11318/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auch hierzu ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter Berichterstatterin. – Ich bitte um diesen Bericht.


16.53.39

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz geändert wird.

In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Initiativen gesetzt, um Personen mit Vorkenntnissen Ausbildungen im Bereich der Elementarpädagogik unter Berücksichtigung bereits erworbener Qualifikationen zu ermöglichen.


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Nunmehr sollen die Bestimmung des Anstellungserfordernisse-Grundsatz­gesetzes um Ausbildungen im postsekundären und tertiären Bildungsbereich ergänzt werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deswegen komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Bundesrätin Margit Göll. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.


16.54.52

Bundesrätin Margit Göll (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kindergärten und Kleinkinderbetreu­ungseinrichtungen sind das Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wie wir alle wissen, sind sie die erste Bildungseinrichtung, und wir wissen, dass die Zeit bis zum sechsten Lebensjahr die intensivste ist, um zu lernen, zu entdecken, seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln. Deshalb braucht es natürlich auch anregende und moderne Bildungseinrichtungen und die Voraussetzungen dafür, dass wir gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen für die Arbeit mit unseren Jüngsten begeistern und motivieren können.

Elementarpädagoginnen und -pädagogen sorgen mit ihrem pädagogischen Wissen für die Geborgenheit, sie setzen sich dafür ein, dass jedes Kind individu­ell in seinen Fähigkeiten und Stärken gefördert und unterstützt wird. Die Ausbildung erfolgt in unseren Schulen, in Bafeps, in Kollegs und bei Quereinstieg mittels eines Aufbaulehrganges. Sie wird auf Bundesebene geregelt. Das ist auch


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gut so. Das ist auch gut so, dass die Ausbildungsstandards einheitlich sind und sich Eltern darauf verlassen können, dass Elementarpädagoginnen und -pädagogen in ganz Österreich das gleiche Ausbildungsniveau haben.

Ich möchte jetzt noch auf unser Bundesland Niederösterreich zu sprechen kommen. Wir verzeichnen dort ein deutliches Plus an Kindergartenpädagog:in­nen, und ich möchte kurz erklären, warum: Weil wir vor gut einem Jahr in enger Kooperation mit unseren niederösterreichischen Gemeinden eine einzigartige Bildungs- und Betreuungsoffensive für unsere Kleinsten gestartet haben. Man möchte mit dieser Initiative den geänderten Bedürfnissen der Familien, aber natürlich auch der Wirtschaft Rechnung tragen. Um die Kinder­bildung und -betreuung qualitätsorientierter zu gestalten, werden die Kinder von nun an in kleineren Gruppen mit einem verbesserten Personal-Kind-Schlüssel betreut. Vom 1. Jänner 2023 bis jetzt wurden 547 neue Pädagog:innen aufgenommen. Das ist für Niederösterreich eine enorme Steigerung. Das heißt, da muss bei der Ausbildung natürlich auch rasch gehandelt werden.

Was nicht vereinheitlicht werden soll, nein, nicht vereinheitlicht werden darf, ist der Ort, eben die Kindergärten. Gemeinden und Länder sind dafür zuständig, sind gemeinsam für den Betrieb dieser Bildungsstätten verantwortlich. Die Bürgermeister vor Ort in den Gemeinden wissen natürlich, wie viele Kinder in den Kindergarten gehen, was Familien brauchen, was die Eltern brauchen, welche Betreuungs- und Öffnungszeiten benötigt und gebraucht werden. Da kommt den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern eine sehr, sehr wichtige Rolle zu.

Als Bürgermeisterin ist es mir natürlich auch ein wichtiges Anliegen, den Bedarf an benötigten Plätzen zu kennen und die Familien bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestens zu unterstützen, aber auch zu begleiten; denn dort, wo es ein gutes Betreuungs- und Bildungsangebot in den Gemeinden gibt (Bundesrätin Gerdenitsch: Burgenland, Wien, Kärnten!), hat man Zuzug, werden sich auch junge Familien ansiedeln.


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Gerade bei so jungen Kindern ist ein individuelles Auf-sie-Zukommen enorm wichtig. Eltern brauchen natürlich auch das Gefühl der Geborgenheit für ihre Kinder, sie müssen Vertrauen in die Einrichtung und in das Personal entwickeln und wissen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind. Dementsprechend ist es natürlich enorm wichtig, dass in diesem Bereich föderalistisch und somit individuell an alle Bedürfnisse der Gemeinde angepasst agiert werden kann, dass Kindergärten und auch Schulen die Möglichkeiten haben, rasch und unbüro­kratisch Angebote zu entwickeln, die in diesem Moment, in diesem Jahr wichtig sind und die Eltern und Kinder dort abholen, wo sie gerade stehen.

Nur die Eltern nämlich, die wissen, dass es ihren Kindern gut geht, können sich ganz auf ihren Beruf, auf ihren Job konzentrieren. Kinderbildung und -betreuung ist für Familien eine der wichtigsten Aufgaben, deshalb müssen wir alle notwendigen Maßnahmen und Schritte setzen, dass es uns gemeinsam gelingt, unsere Kinder bestmöglich zu begleiten und auf die Schule vorzubereiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Zielvorstellung, was Kindergärten zu leisten haben, sollte vonseiten des Bundes kommen; der Weg zum Ziel muss individuell gestaltbar sein.

Mit einem Zitat möchte ich enden: „Denn was die Kinder heute erleben, das wächst mit ihnen in die Zukunft hinein.“ – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich begrüße an dieser Stelle recht herzlich im Parlament und im Bundesrat Herrn Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Bitte schön.



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17.00.48

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, herzlich willkommen! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Frau Kollegin Göll, ich bin bei Ihnen, dass Kinderbetreuung eine der wichtigsten Aufgaben ist, die wir zu erledigen haben, nur über die Art und Weise, wie wir das österreichweit tun, können wir, glaube ich, noch sehr viel diskutieren.

Mit der Novelle beschließen wir heute, dass Absolventinnen und Absolventen von neuen Ausbildungsmöglichkeiten, nämlich dem Masterstudium Elementarpädagogik und dem Universitätslehrgang Elementarpädagogik, ihre berufliche Tätigkeit als gruppenführende Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen aufnehmen dürfen. Herr Bundesminister Polaschek, ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, Ihnen in diesem Zusammenhang auch mitzuteilen, dass diese Bundesregierung eine einzige Mangelwirtschaft betreibt: Neben dem Lehrer:innenmangel sind Sie auch für den Mangel an Ärzt:innen – Stichwort Studienplätze in der Medizin –, dem Mangel im Pflegebereich sowie jenem bei den Elementarpädagoginnen und -pädagogen zuständig.

Im Bereich der Elementarpädagogik gibt es derzeit unzählige Ausbildungs- und Aufbaulehrgänge, das Hauptproblem ist aber nach wie vor, dass die Arbeitsbedingungen leider nicht attraktiv genug sind. Es braucht eben bessere Arbeitsbedingungen und insgesamt mehr Geld. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Ihnen die Elementarpädagogik wirklich so am Herzen liegen würde, wie es die Kollegin vorhin ausgeführt hat, dann kommen Sie bitte endlich allesamt in die Gänge. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen haben sich mehr verdient: bessere Arbeitsbedingungen, weniger Verwaltungsaufwand, kleinere Gruppen. Viele Absolventinnen und Absolventen arbeiten ja gar nicht mehr in ihrem Beruf, sondern suchen sich Alternativen, und das kann bitte nicht Sinn und Zweck sein.


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Was wir gesamtgesellschaftlich brauchen, ist – so schnell wie möglich – der flächendeckende Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Bildung ist ein hohes Gut, denn Bildung trägt zur gesellschaftlichen Entwicklung bei. Eine gut ausgebildete Bevölkerung ist ein wichtiger Faktor für den Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Und Bildung beginnt schon bei unseren Jüngsten und Kleinsten.

Es hat heute noch niemand angesprochen, aber ich möchte auf den Equal-Pay-Day hinweisen. Er war leider Gottes in den Herbstferien, am 31.10.; im Burgenland war er am 4.11., wir liegen also österreichweit im Vergleich ein bisschen besser. In diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, dass man betont, dass kostenlose Kinderbetreuung eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. Frauen können leichter einen Job annehmen oder von Teilzeit auf Vollzeit wechseln. Außerdem fördert dies die Chancengleichheit auf allen Ebenen.

Die Kinderbetreuung muss, wie es zum Beispiel im Burgenland weitgehend gelungen ist, flächendeckend ausgebaut werden. Weiters braucht es einen Rechtsanspruch auf eine kostenlose und bei Bedarf ganztägige Kinderbetreuung in allen Altersgruppen. Der Bund darf da nicht aus der Pflicht genommen werden, er muss den Ländern und Gemeinden entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sozialdemokratie steht auf der Seite der Familien und der Pädagoginnen und Pädagogen. Es wird Zeit, dass die Regierung in die Gänge kommt. Bitte hören Sie auf, die Verantwortung nur auf die Länder und die Gemeinden zu schieben. Effizienter und eindeutig besser ist eine gemeinsame Lösung im Sinne aller Kinder in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.



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17.04.13

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, die Vorredner haben es schon gesagt: Es geht hier um die Erweiterung der Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Elementarpädagogik. Die größte Herausforderung ist, dass wir einen massiven Personalmangel in allen Bereichen haben – das beginnt bei den Kindergärten und zieht sich durch alle Bildungsinstitutionen. Es fehlen Kindergärtnerinnen; sie fehlen, und leider – die Kollegin hat es schon gesagt – verlassen immer mehr Pädagoginnen aus den Kindergärten ihren Job. Warum ist das so?

Am 24. Oktober, glaube ich, war eine Demo, da streikte das Personal der Wiener Kindergärten, der Horte und der schulischen Freizeitbetreuung für bessere Rahmenbedingungen: für mehr Zeit, für mehr Geld, für mehr Personal; es wurde aber auch immer mehr die Gewalt – sogar in den Kindergärten – erwähnt. (Bundesrätin Schumann: Das wurde nicht erwähnt! Das wurde nicht erwähnt!) Auch dort sinkt die Hemmschwelle, wir haben das leider Gottes in einer Schlagzeile am 6. November gelesen: Ein fünfjähriger Bub hat im Kindergarten der Kindergärtnerin gedroht: Ich kann dich töten! Das ist sicher die Spitze eines Eisberges, aber immer mehr Pädagogen (Bundesrätin Schumann: Aber nicht in der Elementarpädagogik!) erwähnen das: Gewalt in Kindergärten, Gewalt in Schulen.

Da sind Sie, Herr Minister, gefordert, rasch zu handeln und nicht abzuschwächen. Sie wurden im Rahmen einer Pressekonferenz über diesen Zustand befragt, und da haben Sie gesagt: Na, es schaut ja nicht so schlimm aus, das sind Einzelfälle! – Aber in diesen Einzelfällen ist es für die betroffenen Personen, für die Kindergärtnerin, für die Lehrerin wirklich schmerzlich, alleingelassen zu sein, und da erwarte ich mir mehr Unterstützung. Wenn das bereits ein Fünfjähriger sagt und tut, dann braucht man sich nicht zu wundern, wie es in den Schulen weitergeht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ein Schuldirektor sprach vor Kurzem Klartext und äußerte sich zu den Umständen und der steigenden Gewalt in den Klassen: „An vielen Schulen ist eine Grenze erreicht“. Alleine in Wien gab es im vergangenen Schuljahr 528 Anzeigen und 814 Suspendierungen. Auch kulturelle Unterschiede werden immer mehr zum Thema (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder – Bundesrätin Schumann: Der weiß überhaupt nix von der Demo, war nicht einmal dort ...!); es wurde erwähnt, dass es Eltern gibt, die einer weiblichen Lehrkraft oder Kinder­garten­pädagogin nicht mehr die Hand geben. Sogar Sittenwächter werden ein immer größeres Problem. (Bundesrätin Schumann: Im Kindergarten?) – Auch bereits in den Kindergärten. (Bundesrätin Schumann: Geh!) – Ja! Schauen Sie sich das Foto an: Kopftuch tragen - - (Bundesrätin Schumann: Geh, geh! Unpackbar! War noch nie dort!) – Ja, es - - (Bundesrat Schreuder: Sie waren noch nie in einem Wiener Kindergarten, oder?) Herr Minister, wenn Sie oder Sie, Frau Schumann (Bundesrätin Schumann: Sie waren noch nie in einem Kindergarten, waren nicht auf der Demo!), die Tatsachen nicht sehen wollen – Sie wollen es nicht sehen, Sie wischen es immer weg (Bundesrat Schreuder: Sie waren noch nie dort! – Bundes­rätin Schumann: Unpackbar!) –, dann gibt es halt leider ein Nicht genügend. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, es fehlt das Personal, ob im Kindergarten oder in den Klassenzimmern; in den Schulen stehen schon seit Jahren Studenten, die nicht fertig ausgebildet sind; sie müssen unterrichten, damit überhaupt wer in der Klasse ist. Ja, es gibt im Bildungsbereich viele Probleme. Der Personalmangel – wie bereits erwähnt – ist die Spitze des Eisberges. Es wurde auch der massive Verwaltungsaufwand schon erwähnt, mit dem die Pädagogen unzufrieden sind. Auch da wird zu wenig oder nichts unternommen. Die Lehrergewerkschaft spricht von praxisuntaug­lichen Reformen, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Das sind die tagtäg­lichen Herausforderungen, mit denen die Pädagogen alleingelassen werden.

Geschätzte Damen und Herren, hier geht es um die Erweiterung der Ausbil­dungsmöglichkeiten im Bereich der Elementarpädagogik, da werden wir


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zustimmen. Wir bedanken uns bei allen Pädagogen, die tagtäglich mit den Kindern arbeiten, auch bei den jungen Menschen, die bereit sind, die Ausbildung zu machen – aber das Problem wird so nicht gelöst werden.

Was nach wie vor fehlt, ist ein Gesamtbild, wie Sie den Bereich Elementar­pädagogik in den nächsten Jahren weiterentwickeln wollen. Es gibt keine Zukunftsperspektiven, die vonseiten der Bundesregierung aufgezeigt werden. Herr Bundesminister, Ihnen fehlt eine klare Vorstellung, wie die Zukunft unserer Kinder aussehen muss, daher ist es Zeit für Neuwahlen. Gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung werden wir Österreich definitiv besser machen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

17.08


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte schön.


17.09.03

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher und Gäste hier bei uns im Haus! Nach der umfassenden Themenverfehlung von Herrn Kollegen Pröller (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ) möchte ich zu dem eigentlichen Thema zurückkommen. Vorher aber noch ein Hinweis (in Richtung Bundesrat Pröller): Ich weiß nicht, haben Sie schon einmal einen Kindergarten von innen gesehen? Eine Kindergartengruppe? (Bundesrat Pröller nickt.) – Tatsächlich! Und da gab es laufend solche Vorfälle? (Bundesrat Pröller: Laufend nicht, aber es gibt sie!) – Ja, okay, passt! Passt! Es ist ein bissl so rübergekommen.

Zum eigentlichen Punkt: Ich habe ja schon oft darüber gesprochen, dass die ersten Bildungseinrichtungen für Kinder wirklich einen ganz, ganz wesentlichen Beitrag zur Chancengleichheit leisten. Die Bildungsforschung ist da recht


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eindeutig, nämlich dass die Betreuung und Bildung in elementaren Bildungsein­richtungen wirklich die Basis für eine erfolgreiche Bildungs- und Berufslaufbahn sind.

Erst vor Kurzem haben wir die 4,5 Milliarden Euro, die wir jetzt in die elementarpädagogische Bildung stecken, beschlossen. Das sind 50 000 dringend benötigte Betreuungsplätze, auch von den Eltern dringend benötigt, sie sind auch für die ganz wichtig. Von der FPÖ kommt oft dieses Argument: Die Eltern würden die Kinder in den ersten Jahren eigentlich eh viel lieber zu Hause selber betreuen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)  Das sagen die Eltern nicht, weil sie wirklich eine Wahl haben und weil sie es so toll finden, ihre gewohnten Posten nach der Kinderbetreuungszeit nicht mehr vorzufinden. Das sagen die Mütter auch nicht, weil sie den Karriereknick so super finden, sondern das sagen sie, weil es wirklich oft keine Betreuungsmöglichkeiten in elementaren Bildungs­einrichtungen gibt. (Bundesrates Spanring: Es gibt ja auch welche, die gehen ...! Ist eh gescheiter, wenn die Karriere an erster Stelle steht, ist es eh besser! Nur Karriere, keine Kinder!) – Wisst ihr was? Was ich wirklich interessant finde, ist, dass ihr echt die Chuzpe habt, sobald bei euren Reden irgendwer ein Wort, einen Satz hineinruft, euch aufzuregen: Dann melde dich zu Wort, du kannst dich ja eh zu Wort melden! (Bundesrat Spanring: Sie können sich eh aufregen, Frau Bundes­rätin! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dann seid aber ihr diejenigen, die am lautesten poltern, ständig bei jeder Rede so lange reinquatschen, so lange reinhauen, bis man nichts anderes mehr versteht. Irgendwie weiß ich nicht, was da nicht ganz stimmt mit euch. (Bundesrat Spanring: Nichts wissen, das ist eine gute Einsicht, eine gute Erkenntnis!) – Genau, das sagt der Richtige.

Das liegt oft daran, dass es einfach nicht genug Betreuungsmöglichkeiten in den elementaren Bildungseinrichtungen gibt. Diese 4,5 Milliarden Euro sind also wichtig und gut.

Die andere Sache ist – wir haben es eh schon gehört – der Personalmangel. Der rührt natürlich teilweise von den mehr als schwierigen Arbeitsbedingungen her; nicht umsonst – wir haben es auch gehört – gehen Elementarpädagoginnen


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und ‑pädagogen mittlerweile regelmäßig auf die Straße, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Ich kenne mehrere Elementarpädagoginnen und ‑pädagogen in meinem Bekannten-, in meinem Freundeskreis, die entweder komplett ausgebrannt sind, ihren Beruf bereits an den Nagel gehängt haben, um der totalen Erschöpfung zuvorzukommen, oder die nach einer Ausbildung und nach wenigen Monaten Praxis gleich gar nicht wirklich in den Beruf einsteigen, weil sie sehen, unter welchen Bedingungen sie mit den Kindern arbeiten sollen: schlechter Pädagog:innen-Kinder-Schlüssel, überbordende bürokratische Aufgaben statt Bildungszeit, und, und, und.

Wir haben auch schon gehört, dass das Ländersache ist. Auch wenn es Bundes­länder gibt, die da zumindest schon in die richtige Richtung lenken, fürchte ich, dass es noch ein bissl eine Durststrecke geben wird, bis die Arbeitsbedingungen so sind, dass wir die Menschen, die mit unseren Kindern arbeiten, nicht verlieren, dass Menschen den Beruf wieder ergreifen wollen und auch gerne ausüben und nicht nach wenigen Monaten demoralisiert aufgeben.

Der zweite Bereich in Bezug auf den Personalmangel – nämlich genau der, für den wir als Bund tatsächlich zuständig sind – ist die Ausbildung. Da haben wir seit Beginn der Koalition mit einer Ausbildungsoffensive, die sich sehen lassen kann, wirklich viel getan – und das in einem Tempo, das sich wirklich sehen lassen kann.

Es gibt viele neue Ausbildungsmöglichkeiten, gerade für Menschen, die sich erst später im Leben dazu entschließen, diesen Beruf zu ergreifen. Das ist wirklich eine sensationelle Sache. Ich kann mich gut daran erinnern, als vor einigen Jahren eine Freundin mit damals 50 Jahren tatsächlich mit 14-Jährigen gemein­sam in der Bakip die Schulbank gedrückt hat, weil es einfach keine andere Möglichkeit für sie gab, diesen Beruf zu ergreifen, Elementarpädagogin zu werden.


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Einige der Ausbildungsmöglichkeiten, die wir im sekundären und tertiären Bereich geschaffen haben, sind eh schon erwähnt worden: der Hochschul­lehrgang Elementarpädagogik für Quereinsteiger:innen; ganz wichtig für inklusive Elementarpädagogik ist der zweisemestrige Lehrgang für die Basop-Absolvent:innen; der Aufbaulehrgang für Assistent:innen ist auch ganz wichtig, und eben die beiden jetzt neu dazugekommenen. Wie schon gesagt sind das wirklich wichtige Bausteine. Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir jetzt für diese Menschen die Berufsberechtigung.

Ganz wichtig ist auch, dass viele dieser Bereiche mit Förderungen für die Ausbildungszeit verbunden sind. So wurden die Fachkräftestipendien für die Elementarpädagogik geöffnet, damit sich Interessierte den Umstieg tatsächlich auch leisten können.

Ich bin ein gutes Beispiel dafür, warum das wichtig ist: Ich arbeite seit über 20 Jahren mit Kindern, habe mir mein Wissen über Lehrgänge, Seminare, Kurse erarbeitet, was ich neben Kindern, Familie und Beruf machen konnte. Ich habe mich mit Mitte 20, Ende 20 sehr intensiv darum bemüht, tatsächlich auch eine pädagogische Basisausbildung zu machen, aber es war einfach finanziell nicht machbar. Ich war für die Finanzierung einer fünfköpfigen Familie mitverant­wortlich und konnte es mir nicht leisten, mehrere Semester an einer Bakip zu lernen. Ein Fachkräftestipendium hätte das damals wirklich sehr vereinfacht.

Ein Punkt, der ja auch immer wieder zu Recht angeführt wird – ich meine, das ist ein bissl ein Luxusproblem –, ist, dass wir jetzt so viele Ausbildungsmöglichkeiten haben, dass Interessierte die Orientierung verlieren. Das ist eine Herausfor­de­rung. Der Punkt ist auch aufgenommen worden, so wird es eine Onlineplattform ähnlich wie die Plattform Klasse Job mit einem Überblick über die verschiedenen Ausbildungsformen, die Ausbildungswege, die Voraussetzungen und auch – ganz wichtig – die Fördermöglichkeiten geben. Das ist also alles in allem eine gute Sache, und ich freue mich, dass wir bei diesem Punkt einen breiten Konsens haben. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.17



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Martin Polaschek. – Bitte.


17.17.17

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren, die hier live beziehungsweise online zuhören! Ja, Kinderbildung und Kinderbetreuung sind für unsere Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist für die Förderung unserer Kinder unerlässlich. Sie bietet ihnen die Möglichkeit, grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln, die sie für ihren weiteren Bildungs- und Lebensweg benötigen.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat mit 4,5 Milliarden Euro einen Meilenstein in der Kinderbetreuung angekündigt (Bundesrätin Schumann: Ja, angekündigt! Genau, das stimmt!), und die Bundesregierung setzt damit den eingeschlagenen Weg des Ausbaus der Kinderbetreuung entschieden fort. Wir brauchen dafür gut ausgebildetes Personal, und meine Bestrebungen in den vergangenen Jahren haben genau da angesetzt. Weil wir gesehen haben, dass die bisherigen Aus­bildungswege eben nicht reichen, dass die individuellen Zugänge der Menschen, die verschiedenen Lebensmodelle grundlegend verschieden sind, haben wir entsprechend reagiert und nun eine Vielzahl an passgenauen Ausbildungsmög­lichkeiten geschaffen, um noch mehr Menschen für diesen wunderbaren Beruf zu gewinnen. (Bundesrätin Schumann: Na, also unpackbar!)

Deshalb brauchen wir auch diese gesetzliche Anpassung, weil wir eben entsprechend reagiert haben, weil diese neuen Ausbildungsmöglichkeiten, über die sich bislang noch niemand Gedanken gemacht hat (Bundesrätin Schumann: Was?!) und mit denen wir alles daransetzen werden, mehr Menschen in diesen Berufsbereich zu bringen, nun eben entsprechend auch ihren Weg in Anstellungsmöglichkeiten finden müssen. Wir werden damit in der Lage sein, bis 2030 deutlich mehr Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen ins


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Berufsfeld zu schicken. Gemeinsam wird es uns so gelingen, die beste Bildung und Betreuung für unsere Kinder gewährleisten zu können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Schumann hebt die Hand.) – Frau Fraktionsvorsitzende, bitte.


17.19.35

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf nur Folgendes sagen: Wir werden diesem Gesetz natürlich zustimmen.

Bevor aber hier alles von Bewölkung zu Sonnenschein übergeht, ist es mir wichtig, sehr wohl zu sagen: Es geht um die Elementarpädagogik und es geht um die Beschäftigten in der Elementarpädagogik, seien es Pädagog:innen, seien es Assistent:innen, seien es helfende Personen. Das ist eine ganz wichtige Gruppe, und diese Gruppe fühlt sich von der Regierung ganz stark im Stich gelassen, und zwar schon sehr lange.

Es geht um bessere Arbeitsbedingungen, es geht um mehr Ausbildung und bessere Ausbildung. Es geht um ein bundeseinheitliches Rahmengesetz, damit vom Neusiedler See bis nach Vorarlberg die gleichen Bedingungen herrschen, und es geht darum, die Beschäftigten in diesem Zusammenhang wertschätzend zu behandeln.

Es wurden jetzt 4,5 Milliarden Euro angekündigt. Wir können nur nicht recht erkennen, wo dieses Geld für den wirklichen Ausbau jetzt zu finden sein soll. Ganz ehrlich: Diese Ankündigungspolitik haben sich die Beschäftigten nicht verdient.


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Die Beschäftigten haben sich auch nicht verdient, von der FPÖ sozusagen benützt zu werden, indem ihre Anliegen und ihr Kampf um bessere Bedingungen in Richtung von etwas gezogen werden, das sie nicht sagen. Sie wollen beste Bedingungen für die Kinder, mehr Personal, mehr Zeit für die Kinder und auch kleinere Gruppengrößen. All das wollen sie, das ist aber kein Gewaltthema, sondern die Pädagog:innen wollen, dass alle Kinder die gleichen Chancen und den gleichen Zugang haben; und da gilt es nicht, auseinanderzudividieren und zu sagen: Manche Kinder sind so, und andere Kinder sind so. – Im Kindergarten besteht die Chance, für Kinder etwas zu tun, sie gut zu integrieren und soziale Möglichkeiten für sie bereitzustellen. Darum geht es!

In diesem Zusammenhang darf ich schon daran erinnern, dass die Aussagen eines FPÖ-Politikers, in denen er elementarpädagogische Einrichtungen sozusagen mit kommunistischen Umerziehungslagern vergleicht, wirklich zu größtem Ärger geführt haben, und man muss sagen: Da hätte es ganz dringend einer Entschuldigung bedurft! Ich kann gar nicht sagen, wie viele Beschäftigte in der Elementarpädagogik über diesen Sager furchtbar entsetzt waren, weil ihre Tätigkeit damit schlechtgemacht wird. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Herr Bundesminister, ich darf noch etwas sagen: Es gibt ein fertiges Konzept von Arbeiterkammer und Gewerkschaft, in welchem mit den Beschäftigten und den Vertreter:innen der Beschäftigten in diesem Bereich eine bessere Ausbildungs­struktur im Bereich der Elementarpädagogik entwickelt wurde. Wir haben Ihnen dieses Modell geschickt. Es ist dies ein modulares Konzept, das Assistent:innen die Möglichkeit gibt, einen Berufsschutz und eine einheitliche Ausbildung zu erhalten, damit sie die Chance haben, sich auch als Pädagog:innen zu qualifizie­ren. Es geht auch darum, dass es Quereinstiegsmöglichkeiten gibt. All das ist in diesem Konzept enthalten.

Wir haben Ihnen dieses Konzept zugesendet, es wurde aber nicht einmal darauf reagiert. Dieses Konzept ist ein ausgezeichnetes, es kommt von den Beschäftigten selbst und entspricht ihren Interessen. Ich bedaure sehr, dass


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niemals darüber gesprochen wurde. So kann man mit den Beschäftigten in diesem Bereich nicht umgehen!

Ich hoffe, dass es nicht nur bei Ankündigungen bleibt, sondern dass es endlich zu einer Verbesserung in diesem Bereich kommt! Schöne Worte reichen nicht. Die Beschäftigten in diesem Bereich sind wirklich mehr als wütend, und das völlig zu Recht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22 17.22.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.23.19 17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (2200 d.B. und 2212 d.B. sowie 11319/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin hierzu ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. – Ich bitte um den Bericht.


17.23.34

Berichterstatterin Barbara Prügl: Ich darf den Bericht des Unterrichtsaus­schus­ses vorbringen. Es geht um den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.


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Mit vorliegendem Beschluss sollen besondere Regelungen zum Kinderschutz in den bestehenden umfassenden Ansatz des Schutzes der Schülerinnen und Schüler vor physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt in der Schule eingebunden werden.

Der detaillierte Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Margit Göll. – Bitte.


17.24.22

Bundesrätin Margit Göll (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach wie vor sind Gewalt und sexuelle Übergriffe unangenehme, aber auch tabuisierte Themen, die bei uns sehr oft auch Überforderung und Hilflosigkeit auslösen. Darüber haben wir heute schon bei Tagesordnungspunkt 12 viel gehört, aber auch anregend diskutiert, und wir alle hatten sicherlich schon einmal direkt oder auch indirekt mit diesem Thema zu tun.

Natürlich spielen soziale Medien dabei eine große Rolle. Wir hören und lesen auch immer wieder von sexuellen Nötigungen, von entsprechenden Handlungen und Erpressungen. Als Pädagogin, aber auch als Kindergarteninspektorin musste ich mich mit diesen Themen auseinandersetzen und Maßnahmen ergreifen, und das war nicht immer die leichteste Arbeit für mich. Dabei sind Zivilcourage, die Bereitschaft, nicht wegzuschauen, genau hinzusehen und hinzuhören, aber auch eine klare Haltung gegen jegliche Gewalt zu haben, unerlässlich, um unsere


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Kinder und Jugendlichen umfassend zu schützen. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Im Sinne der schulischen Gewaltprävention gilt natürlich: Null Toleranz gegenüber Gewalt, denn in einer gemeinsamen Schulkultur der Gleichstellung und des respektvollen Umgangs hat Gewalt ganz einfach keinen Platz. Damit Bildungseinrichtungen sichere Orte für unsere Kinder sind, ist das Kinderschutzgesetz unabdingbar, und es ist klar, wie Kinderschutz an diesen Orten – zum Schutz unserer Kinder, aber natürlich auch zur Unterstützung unseres Personals – gelebt werden soll. Natürlich müssen Eltern vertrauen können, dass ihr Kind in unseren Bildungseinrichtungen gut aufgehoben ist. Selbstverständlich braucht jede Bildungseinrichtung einen Verhaltenskodex, eine Risikoanalyse, eine Taskforce sowie konkrete Vorgangsweisen, die transparent für alle sind, wenn es zu einem Übergriff kommen sollte.

Wenn wir über Kinderschutz beziehungsweise über Gewalt reden, dann herrscht sehr oft ein Bild vor, dass es dabei um ein Verhalten zwischen Kindern und Erwachsenen geht. Leider gibt es aber natürlich auch andere Formen von Gewalt in der Schule. Immer wieder kommt es auch zu wirklich gefährlichen Situationen zwischen Kindern und Jugendlichen. Auch das wurde in diesen Konzepten berücksichtigt, weil wir es als sehr wichtig empfinden, dass wir dem auch einen Riegel vorschieben.

Wir stimmen heute über die Änderung im Schulunterrichtsgesetz ab, denn wir müssen dafür sorgen, dass Schüler in einem sicheren Umfeld lernen und sich dort auch sicher fühlen können. Kinder können nämlich nur dann, wenn sie sich sicher, respektiert und anerkannt fühlen, ihre Talente und Begabungen entfalten und sich für das Leben vorbereiten.

Egal in welcher Gestalt Gewalt in der Schule auftritt: Das ist nie okay. Deswegen wurde auch dieser Aspekt ganz bewusst in diese Gesetzgebung miteingebunden.


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Wir stimmen natürlich der Änderung des Schulunterrichtsgesetzes sehr gerne zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.28


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte.


17.28.18

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste im Haus sowie geschätzte Zuseher:innen vor den Bildschirmen zu Hause! Ja, Schulen sind nicht nur Bildungsräume, nicht nur Lernräume, sondern Schulen sind auch ganz wichtige Sozialräume, in denen Kinder und Jugendliche natürlich, wie wir wissen, sehr, sehr viel Zeit ihres Lebens verbringen, wobei sie da ganz besonders wichtige Phasen ihres Lebens durchlaufen.

Das heißt: Schulen sind von immenser Bedeutung für die gesamte persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. In diesem Sinne ist es aus meiner Sicht ganz zentral, dass Kinder und Jugendliche auch und insbesondere in der Schule ein möglichst förderliches Umfeld vorfinden, in dem sie sich bestmöglich entwickeln können. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass sie vor Gewalt geschützt werden, egal in welcher Ausprägung diese auftreten kann, egal ob in Form psychischer Gewalt, physischer Gewalt oder gar sexualisierter Gewalt. Es geht aber auch darum, möglichen Machtmissbrauch in diesem Bereich hintanzuhalten.

Daher sehen es natürlich auch wir als Sozialdemokraten durchaus positiv, dass dem Thema Kinderschutz jetzt auch im Schulbereich entsprechende Bedeutung beigemessen wird. Insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Tag der Kinderrechte, der, wie wir wissen, am 20. November stattfinden wird, ist das ein besonders positives Signal.


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Es geht dabei darum, die unterschiedlichen Gefährdungslagen und Gewalt­situationen, die durchaus vorkommen, zu erkennen und vor allen Dingen auch zu verhindern – Stichwort Umgang mit Aggressionen in den unterschiedlichsten Ausprägungen; Stichwort Mobbing, Cybermobbing, ist teilweise auch leider immer wieder an der Tagesordnung; Stichwort Happy Slapping; Stichwort Rassismus, Sexismus und so weiter und so fort.

Es geht also um Gewaltsituationen, die unter den Schülern selbst stattfinden. Es geht aber auch um das Erkennen von Gewaltsituationen beispielsweise im häuslichen Umfeld, um das Erkennen und Verhindern von Machtmissbrauch in unterschiedlichsten Ausprägungen. Es geht aber auch – und das ist aus meiner Sicht ein ganz besonders wichtiger Aspekt – schon im Vorfeld um entsprechende Beratung, um Prävention, auch um eine Sensibilisierung, ganz besonders der Lehrkräfte, und auch um Aufklärung aller am Schulleben beteiligten Personen. Dazu gehören natürlich nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch alle sonstigen im Dienst befindlichen Personen.

Wie soll nun dieser Kinderschutz im Schulbereich konkret ausschauen? – Wir haben es soeben schon gehört. Es gehören laut dem Gesetzentwurf unter­schiedliche Maßnahmen dazu. Da geht es zum einen um einen Verhaltenskodex für alle am Schulleben Beteiligten, das heißt um die Frage: Wie verhält man sich am besten in unterschiedlichsten Situationen? Es geht um eine Risikoanalyse; das betrifft zum Beispiel auch die räumliche Situation im Schulhaus und im Schulareal. Das heißt, das Schulareal muss dahin gehend zuerst einmal analysiert werden: Wo gibt es schwer einsichtige Räume, womöglich schlecht beleuchtete Ecken oder Winkel, wo man ein bissel genauer hinschauen muss? Wo gibt es vielleicht Situationen, in denen Kinder unbeaufsichtigt sind, seien es auch nur ein paar Minuten? Wie schaut es aus mit Situationen in Eins-zu-eins-Betreuung, worauf man auch ganz besonders ein Auge haben muss? Wie sieht es zum Beispiel mit den Ein- und Ausgängen aus, wer kann wie und wann das Schulhaus betreten, womöglich auch noch ungesehen? All das gehört zu dieser Risiko­analyse dazu.


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Wir haben auch schon gehört, die Taskforce, Kinderschutzteams sollen eingerichtet werden, ganz besonders auch – das hat uns der Experte im Ausschuss bestätigt – unter Berücksichtigung von Expertinnen und Experten von außen, die einen entsprechenden Außenblick gewährleisten sollen.

Dann braucht es natürlich auch ganz spezielle Regelungen und Vereinbarungen bei unterschiedlichsten Gefährdungssituationen mit entsprechenden Maßnahmenkatalogen, die festlegen, wie wann konkret zu handeln ist. Das kann von Abmahnungen bis hin zu Betretungsverboten gehen.

Das heißt, wir begrüßen natürlich jede Form der Initiative, die zum Kinderschutz und zur Umsetzung der Kinderrechte beitragen kann, und daher stimmen wir auch ganz klar diesem Gesetz heute zu. Dazu stehen wir auch voll und ganz. Ich muss aber trotzdem noch den einen oder anderen Kritikpunkt anbringen.

Zum einen – und das haben wir heute an anderer Stelle auch schon ange­sprochen – gibt es Schulstandorte, an denen nach wie vor und vor allen Dingen dauerhaft mehrere Lehrpersonen fehlen, und die Kolleg:innen im Team müssen diesen Mangel dann mit vielen, vielen Mehrstunden ausgleichen. Gleichzeitig sind die Herausforderungen in dieser wirklich krisenhaften Zeit übermäßig hoch, möchte ich schon sagen, aufgrund der aktuellen emotionalen und psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche. Wir reden da von Existenzängsten, Angstzuständen ganz generell, von Ängsten im Zusammenhang mit der Klima­krise und jetzt den Kriegssituationen, die wir leider derzeit vielfach haben, und von vielem anderen mehr. All das beschäftigt, verunsichert viele Schülerinnen und Schüler und verursacht dementsprechend auch einen zusätzlichen Mehr­aufwand für die Lehrkräfte im Dienst.

Wir müssen auch nach wie vor sagen, es gibt viel zu wenige Schulsozial­arbeiter:innen. Ja, ich weiß, das Budget dafür wurde aufgestockt, aber nach wie vor ist von einem wirklich guten Einsatz nicht die Rede, weil immer noch zu wenige da sind. An meiner Schule beispielsweise habe ich eine Schulsozial­arbeiterin für 3 Stunden in der Woche, und ich könnte sie aufgrund des großen


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Aufwands wahrscheinlich voll beschäftigen. Wir haben viel zu lange Wartezeiten im Bereich der Schulpsychologie, und vom Übermaß an administrativen Tätigkeiten, die zu erledigen sind, brauche ich, glaube ich, gar nicht zu sprechen. Auch das hatten wir heute schon. Die Lehrkräfte sind in Wahrheit permanent durch Aufgaben weit abseits ihrer eigentlichen Tätigkeit, nämlich der Wissens- und Kompetenzvermittlung, gefordert. Das heißt, die Belastung für die Lehrkräfte ist ganz enorm, und aus meiner Sicht ist eine wirkliche Entlastung, eine wesentliche Entlastung, die es bräuchte, nicht in Sicht.

Wir aufseiten der Sozialdemokratie befürchten, dass durch diese geforderten Maßnahmen, die wichtig und richtig sind – darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren –, schon auch eine gewisse zusätzliche Belastung entstehen kann. Daher sollten aus meiner Sicht jene Lehrkräfte, die sich da ganz besonders einbringen – im Kinderschutzteam, beim Erstellen der Risikoanalysen, der Schutzkonzepte und bei all dem, was wir gerade genannt haben –, zumindest die Abschlagstunden dafür geltend machen können, damit dieser Mehraufwand auch ein bisschen honoriert und goutiert wird.

Zum anderen, muss man sagen, wird meine Kritik auch noch durch einen weiteren Aspekt verstärkt. Nach wie vor müssen wir nämlich kritisieren, dass es auch da keine zusätzlichen Mittel geben wird. Es wird aber Mittel seitens des Ministeriums geben müssen, nämlich besonders was die Aus- und Weiterbildung anbelangt, denn es ist ganz klar: Die Lehrkräfte brauchen eine entsprechende Aus- und Weiterbildung auch im Bereich des Kinderschutzes, der Gewaltpräven­tion. Da braucht es ganz viel Feingefühl, auch was die Sensibilisierung der Lehrkräfte betrifft, und da braucht es einfach viel, viel mehr Budget, ganz besonders dann, wenn, wie das Ministerium betont, auch externe Expertinnen und Experten ins Boot geholt werden sollen. Egal ob das dann Vorträge, Workshops, Schilfs oder sonstige Angebote sind, die gibt es selten kostenfrei. Daher wird es einfach ohne zusätzliches Budget, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht gehen – und, nebenbei gesagt, das sagen nicht nur wir Sozialdemokrat:innen, sondern das sagen viele andere Einrichtungen auch. Das


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sagt sogar der Katholische Familienverband, das sagen auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften und viele andere mehr. Also da würden wir uns schon eine gewisse Aufstockung wünschen, damit die Umsetzung dann auch wirklich ordentlich gelingen kann.

Ich persönlich würde mir auch noch, und das sehe ich als ganz zentral, ent­sprechende Leitfäden für die Umsetzung an den einzelnen Standorten wünschen, das heißt, dass man die Schulen damit nicht gänzlich alleine lässt und sozusagen alleine vor sich hin wurschteln lässt. Es muss auch das Rad nicht immer neu erfunden werden. Ich denke, wenn es da entsprechende Leitfäden gäbe, an denen sich die Schulen orientieren könnten, würde das in vielen Fällen sicher Erleichterung schaffen.

Eines, was mir in Bildungsdiskussionen, in Schuldiskussionen auch immer wieder fehlt, ist ein ganz wichtiges Thema: das Thema Supervision. Die Lehrkräfte sind mit dermaßen vielen Herausforderungen, auch was die psychischen, psychosozialen Problematiken der Jugendlichen betrifft, konfrontiert, sodass es ohne Supervision in Wahrheit über kurz oder lang nicht mehr gehen wird. Daher braucht es auch dahin gehend zusätzliche Ressourcen, zusätzliche Angebote, gerade natürlich auch im Sinne einer Resilienz der Lehrkräfte, die ganz immens wichtig ist.

Alles in allem kurz zusammengefasst: Ja, wir stimmen zu. Wir sehen das genauso als wichtig und richtig wie vermutlich alle Fraktionen heute im Haus, dennoch müssen wir Kritik anbringen. Mein Wunsch ist es, dass da noch einmal nach­ge­arbeitet und nachgeschärft wird, weil es im Sinne der Kinder und Jugendlichen in den Schulen ganz, ganz wichtig wäre. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm dieses.



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17.38.23

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegen hier im Bundesrat! Liebe Freunde! Grüß Gott! Worum geht es heute? Wir haben jetzt eh schon ein paarmal darüber gesprochen: Es gibt viel zu viel Gewalt und Missbrauch an Kindern. Die Kinder sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft, können sich am wenigsten wehren, und daher brauchen sie unsere Hilfe am allermeisten.

Um das neue Kinderschutzkonzept durchzubringen, müssten wir gewisse Dinge umstellen. Lehrer sollten eigentlich nur lehren, denn das haben sie studiert, das können sie und das wollen sie auch. Sie haben aber viel zu viel Verwaltungs­aufgaben zu erledigen, denen ein Verwaltungsbeamter viel besser nachkommen könnte. Das würde getrennt gehören, sodass der Lehrer dann mehr Zeit für die Schüler hätte.

Wenn es zu Gewalt und Missbrauch an Kindern kommt, sind der Lehrer, die Schule, zum Teil leider auch schon der Kindergarten in vielen Fällen der beste Ansprechpartner, aber eben nicht in allen. Das Verhältnis Schüler-Schule ist nicht immer geeignet, um solch sensible Probleme zu besprechen. Deswegen brauchen wir eine weitere Plattform, eine niederschwellige Plattform, wo sich ein Kind dann auch hinzugehen traut und mit den Personen spricht, und diese müssen natürlich auch entsprechend dafür ausgebildet sein.

Dann gäbe es natürlich noch eine dritte Möglichkeit – das wäre eigentlich die natürlichste –, das wären die eigenen Eltern. Die müssten wir natürlich auch in das Konzept einbinden. Mit denen müssten wir in engem Kontakt sein, damit eben auch gewisse Vorkommnisse in den Familien – solche gibt es ja auch – verhindert werden können.

Am besten wäre es natürlich immer, Dinge zu verhindern, denn wenn sie bereits passiert sind, dann ist es schwer, etwas zu machen. Die Wunden an den Kinderseelen bleiben. Wenn es zu spät ist, ist es dann halt ungleich schwerer, die Sache zu einem guten Ende zu führen.


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Was mir jetzt in der ganzen Diskussion aber schon aufgefallen ist: Da gibt es anscheinend so etwas wie ein Tabuthema, das kaum angesprochen wird, und das ist – ohne jetzt ausländerfeindlich zu sein, aber wir müssen das in diesem Fall einfach ansprechen – die Zuwanderung. Im Zusammenhang mit der Zuwande­rung bestehen ja ganz andere Probleme. Die Kinder haben ja zu Gewalt einen ganz anderen Zugang. Wir können ja gar nicht beurteilen, was da alles passiert. Oder man denke auch an die Zwangsehen, an die komischen Beschneidungs­rituale bei Mädchen – das ist ja alles in unser Land geschwemmt worden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind ja Irrsinnsprobleme, die wir uns gar nicht vorstellen können! Wir haben uns den Freiraum, das freie Österreich, ja auch erobert. Das war ja nicht immer so. Wir haben uns ja auch emanzipieren müssen. Jetzt aber sind wir da, wo wir hingehören und wo wir hinwollen, jetzt geht es uns gut, und das gilt es zu verteidigen – mit allem, was wir haben. (Bundesrat Steiner: Bravo!) Wir können uns nicht mit solchen Problemen überschwemmen lassen. (Bundesrat Steiner: Bravo!)

So. Leider ein negatives Thema, aber das muss auch sein. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

17.41


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Simone.


17.41.51

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! – Gäste sind keine mehr da; Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vielleicht noch. – Wir haben uns heute schon ausführlich mit dem Thema Kinderschutz und mit den vielfältigen Initiativen, die es im Justizbereich gibt, beschäftigt. Wir haben auch schon gehört, was in Bezug auf Kinderschutzkonzepte zum Beispiel in Sportvereinen in


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Arbeit ist. Ich freue mich besonders, dass wir auch im Bildungsbereich unseren Teil dazu beitragen.

Gewalt an Kindern hat viele Gesichter. Da ist – schlimm genug, aber nicht nur – die körperliche Misshandlung, dann gibt es auch noch die sexualisierte Gewalt, psychische Misshandlung, ständige Drohungen, Erniedrigungen, Mobbing, Cybermobbing – davon haben wir heute schon gehört, das ist ganz dramatisch –, systematische Ausgrenzung – auch das ist Gewalt. Kinder erfahren Gewalt auch an unterschiedlichen Orten und durch unterschiedliche Personen. Auch das haben wir heute schon, besonders von Kollegen Schennach, gehört. Die Vereine, die Sportvereine kommen da leider recht oft vor. Kinder sind Opfer von Gewalt in der Familie, im Umfeld von Freizeitaktivitäten, eben in Vereinen, aber auch in der Schule. Gewalt an Kindern wird ausgeübt durch Erwachsene, aber auch durch andere Kinder und Jugendliche. Eines ist ganz essenziell: Gewaltpräven­tion fängt, lange bevor etwas passiert, an. Gewaltprävention beginnt mit der Bewusstseinsbildung.

Wenn Kinder ihre Rechte kennen, dann sind sie weniger gefährdet. Wenn Pädagoginnen und Pädagogen sich bewusst sind, worauf sie achten müssen, wenn sie sich bewusst sind, in welchen Bereichen Kinder gefährdet sind, in welchen Situationen und an welchen Orten, dann ist das auch schon ein wirklich wichtiger Baustein zum Schutz von Kindern vor Gewalt. Genau hier setzt dieser Gesetzentwurf an. Er soll im Rahmen einer Verordnung eben die partner­schaftliche, die partizipative Erarbeitung von Kinderschutzkonzepten an Schulen verankern. Was darin enthalten sein soll, hat Kollegin Hahn schon sehr ausführlich erläutert. Ich finde auch, die Risikoanalyse ist wirklich eine wesent­liche Sache – sie hat ohnedies ziemlich deutlich ausgeführt, was das beinhaltet. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Pädagoginnen und Pädagogen wissen am besten, wo mögliche Gefahrenorte sind und so weiter. Die regelmäßige Evaluierung ist auch ein wichtiger Baustein.

Was auch wichtig ist, ist, dass der Begriff Sicherheit einfach ein bisschen – was heißt ein bisschen? – umfassender ist und dass zu den klassischen


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Sicherheitsthemen wie Verhalten im Brandfall und Unfallverhütung jetzt auch Gewalt dazukommt, und da eben auch nicht unbedingt nur die Gewalt, die in der Schule stattfindet, sondern auch jene, die vielleicht nur dort erkennbar ist.

Ganz wesentlich ist auch, dass diese Kinderschutzkonzepte nicht von oben verordnet werden, sondern gemeinschaftlich erarbeitet werden sollen, unter Beteiligung von allen: Kindern, Lehrkräften und Eltern. Kollege Kofler, die Eltern werden auch eingebunden, das ist angedacht. Die Schulen und die Eltern werden mit dieser Aufgabe natürlich nicht alleingelassen. Es wird Anleitungen und Leitfäden und Unterstützungen geben, zum Beispiel Workshops oder auch einen Schwerpunkt bei der Lehrer:innenfortbildung.

Es braucht selbstverständlich auch die Expertise von außen. Kinderschutz­einrichtungen und NGOs waren in den Gesetzwerdungsprozess auch eingebunden und werden weiterhin eine ganz wichtige Rolle spielen. Wir brauchen sie unbedingt. An dieser Stelle auch wirklich ein Dank an die Kinderschutzeinrichtungen und NGOs, die da beteiligt sind! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte jetzt noch auf einen Kritikpunkt der SPÖ eingehen, der auch im Ausschuss schon vorgebracht wurde, nämlich dass es keine budgetären Mittel für die Umsetzung der Kinderschutzkonzepte gibt. Das stimmt halt so nicht wirklich. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) In der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung, in der WFA, ist es zwar nicht konkret ausgewiesen, aber im Budget 2024. Da steht im Detailbudget „Qualitätsentwicklung und ‑steuerung“ – ich zitiere –:

„Weitere Mittelverwendungen sind insbesondere zur Weiterverfolgung der Ressortschwerpunkte Leseförderung, Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie sowie der Verankerung von Kinderschutzkonzepten an den Schulen vorgesehen.“


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(Bundesrätin Hahn: Das sagen ja auch verschiedene Einrichtungen! Das sagen ja nicht nur ...!) Ähnliches wurde ja auch schon im Ausschuss vom Experten erklärt. (Bundesrätin Hahn: Wenn ihr uns nicht glaubt, glaubt den Facheinrichtungen!) – Ja, ich glaube dem Experten, der es uns im Ausschuss erklärt hat. (Bundesrätin Schumann: Na das reicht, das reicht, das reicht!)

Alles in allem: Ich glaube, wir sind uns einig: Kinder haben Rechte, Kinder brauchen Schutz. – Ich freue mich über einen breiten Konsens bei diesem Punkt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

17.47


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Polaschek. – Bitte sehr.


17.47.43

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Bundesrat! Es ist bereits mehrfach festgehalten worden: Schulen müssen für die Kinder und Jugendlichen Orte der Geborgenheit, der Sicherheit und der persönlichen Entfaltung sein, und wir müssen alles dafür tun, dass diese Orte als solche auch gewährleistet sind und dass die Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Umfeld lernen können. Das Thema ist bereits ausführlich besprochen worden, ich will das deshalb nicht noch einmal wiederholen, es ist bereits sehr gut auch dargestellt worden. Ich möchte nur noch einige Ergän­zungen anbringen, wenn Sie gestatten.

Um auch das noch einmal klarzustellen: Wir werden natürlich die Schulen bei der Umsetzung dieser Konzepte aktiv unterstützen. Es wird seitens des Ministeriums eine umfangreiche Vorlage zur Verfügung gestellt werden, um eine möglichst einfache und eine einheitliche Struktur zu gewährleisten und die Schulen möglichst von jeglichem Aufwand – außer der nötigen inhaltlichen Arbeit, die sie selber einbringen müssen – zu entlasten. Das ist völlig klar.


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Wir haben bereits Schulungen der Schulqualitätsmanagerinnen und ‑manager, der Leiterinnen und Leiter der Schulpsychologie, auch von Direktorinnen und Direktoren durchgeführt, um mehr Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Wir werden selbstverständlich weiterhin auch entsprechend mit den Bildungsdirektionen, den pädagogischen Hochschulen und den Kinderschutz­einrichtungen zusammenarbeiten, um die Sicherheit für die Schülerin­nen und Schüler zu gewährleisten, und wir werden natürlich auch die Lehrerin­nen und Lehrer mit dieser Herausforderung nicht alleinlassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden durch diese gesetzliche Verankerung einen Meilenstein setzen, um den umfassenden Schutz von Schülerinnen und Schülern vor physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt noch besser gewährleisten zu können. Wir werden sicherstellen, dass alle österreichischen Schulen über ein verpflichtendes und passendes Kinderschutz­konzept verfügen.

Was die Kosten angeht, so ist etwa die Fort- und Weiterbildung bereits angesprochen worden: Für diese gibt es ja ein umfangreiches Budget, das den pädagogischen Hochschulen zur Verfügung steht. Es wird natürlich der Zweckwidmung entsprechend auch eingesetzt werden.

Es werden natürlich auch die Mittel zur Deckung der Kosten für die externen Expertinnen und Experten zur Verfügung gestellt werden, und natürlich kommt aus anderen Budgettöpfen eine entsprechende Begleitung, etwa was Work­shops angeht, sei es jetzt Gewaltprävention oder zahlreiche andere Maßnahmen. Das findet sich zum Teil einfach in den größeren Budgettöpfen, aus denen dieses Geld dann zweckgewidmet zur Verfügung gestellt wird, es gibt aber keinen eigenen Topf dafür, und ich denke, gerade auch im Sinne der Flexibilität eines Budgets ist das auch nachvollziehbar.

Es ist mir wichtig, auch hier noch einmal zu betonen: Kinderschutz ist nicht verhandelbar. Es ist unsere Pflicht, Schülerinnen und Schüler zu schützen und sicherzustellen, dass sie in der Schule nicht nur hochqualitative Bildung, sondern


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auch die beste Betreuung, Stabilität und Sicherheit bekommen. In diesem Sinne danke ich Ihnen allen für Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.50 17.50.57


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Die Plätze sind bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

17.51.3218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird (2201 d.B. und 2227 d.B. sowie 11332/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um den Bericht.


17.51.55

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.


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Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Isabella Theuermann. – Bitte.


17.52.37

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gleich zu Beginn einen großen Dank an alle Studenten aussprechen, die sich auf verschiedenen Ebenen der hochschulischen Interes­senvertretung für ihre Kollegen einsetzen, denn jedes ehrenamtliche Engagement ist anzuerkennen, und ich finde es toll, wenn junge Menschen sich der Probleme ihrer Mitmenschen annehmen. Gerade in Zeiten der Politik­verdrossenheit ist das ja keine Selbstverständlichkeit mehr.

Damit meine ich insbesondere die lokale Ebene der Studentenvertretung, denn dort laufen die alltäglichen Probleme zusammen, und ich schätze, dass über 90 Prozent aller Angelegenheiten auch unmittelbar dort gelöst werden können, ganz ohne aufgeblasenen Verwaltungsapparat im Bund.

Genau diese lokalen Vertreter der kleineren Hochschulen sind es ja auch, die mit den ideologischen und mitunter linksextremen Auswüchsen der ÖH-Bundes­ebene oder den ÖHs größerer Unis gar nichts zu tun haben wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Hahn: Ihr wart halt bei der Wahl nicht so erfolgreich! – Bundesrätin Schumann: Genau!) Da tut sich gerade die ÖH Uni Wien immer wieder negativ hervor und stellt regelmäßig unter Beweis, dass sie mit den echten Problemen der Studenten überhaupt nichts zu tun hat. (Beifall bei der FPÖ.) Diese hat ja auch beispielsweise einen Antinationalfeiertag veranstaltet, und das Café Rosa kennen bestimmt auch noch einige.

Noch schlimmer als die ÖH Uni Wien ist eigentlich nur mehr die ÖH-Bundesvertretung selbst, und auch daran liegt es, dass die Opt-out-Regelung


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von kleineren Hochschulvertretungen nicht in Anspruch genommen wurde, denn warum sollte man sich freiwillig unter die Verwaltung einer realitätsfremden Bundes-ÖH stellen lassen? (Bundesrätin Schumann: Na geh!) Daran wird auch die Neuregelung der Verteilung der ÖH-Beiträge nichts ändern. (Bundesrätin Schumann: Wahlen!)

Wir sollten daher nicht bei der Verteilung ansetzen, sondern bei der Einhebung. Da müssten wir weg von einer Zwangsmitgliedschaft hin zur Freiwilligkeit (Beifall bei der FPÖ), denn nur so wird sich die Qualität der Serviceleistungen künftig auch verbessern lassen. Einen entsprechenden Antrag zum Ende der Zwangs­mitgliedschaft hat ja mein Kollege im Nationalrat, Herr Graf, bereits ein­gebracht.

Ansonsten ist zu dieser Novelle zu sagen, dass die Überreglementierung der Studentenvertretung noch weiter fortgesetzt wird. Wie eingangs erwähnt sind da gerade die kleineren Hochschulvertretungen die Leidtragenden. Diesen lokalen Hochschulvertretungen wird es nämlich immer schwerer gemacht, ihre eigentlichen Vertretungstätigkeiten auszuüben, weil sie immer neuen Vorgaben ausgesetzt sind. Das Ministerium geht ja von einem Unikontext aus, an Fachhochschulen beispielsweise ist die Realität aber oft eine gänzlich andere. Da gibt es zig Angestellte, die sich nicht um die aufgeblasene Selbstverwaltung kümmern können beziehungsweise müssen. Daher wird es von uns keine Zustim­mung zu dieser Novelle geben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.56


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Bernadette Geieregger. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


17.56.26

Bundesrätin Bernadette Geieregger, BA (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich, dass ich heute, bei


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meiner allerersten Rede im Bundesrat, zu diesem Thema hier sprechen darf, da ich selber während meiner Studienzeit in der ÖH tätig war.

Bei dieser Gesetzesänderung geht es im Großen und Ganzen um technische Änderungen. Es geht darum, die ÖHs effizienter und präziser zu entwickeln, und auch darum, dass sie besser arbeiten können. Es ist eine gute Gesetzes­änderung, da sie nicht nur zu einer Professionalisierung der ÖH führt, sondern sie wurde auch gemeinsam mit der ÖH verhandelt und entwickelt, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Das Thema, über das wir heute diskutieren, ist von großer Bedeutung für die Bildungseinrichtungen und Studierenden in unserem Land. Die vorgeschlagene Novelle zum Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz bringt eine entscheidende Veränderung in der Verteilung der Studienbeiträge, wie sie in § 39 des Gesetzes festgelegt ist.

Gemäß dieser Bestimmung hat der oder die Vorsitzende der Bundesvertretung die Gesamtsumme der Studienbeiträge festzustellen und nach dem festgelegten Verteilungsschlüssel an die Hochschüler:innenschaften und Studierenden­vertretungen zu verteilen. Die ÖH hat die Möglichkeit, Vorschläge für diesen Verteilungsschlüssel einzubringen.

Hintergrund dieser Neuregelung ist, dass den bestehenden Hochschülerschaften an pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Privatuniversitäten ein Wahlrecht eingeräumt wird. Sie können entscheiden, ob sie weiterhin eine Selbstverwaltungskörperschaft bleiben oder sich in wirtschaftlichen Angelegen­heiten der Mitbetreuung durch die ÖH bedienen wollen. Bisher haben nur wenige Hochschülerschaften von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, da ein Wechsel mit sehr großen finanziellen Einbußen einherging.

Die vorgeschlagene Novelle schafft nun einen finanziellen Anreiz für diese Hochschülerschaften, ihren Status als Selbstverwaltungskörperschaft aufzugeben. Dies geschieht durch eine signifikante Erhöhung der Grundbeträge,


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die Hochschulvertretungen erhalten, an denen keine Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtet ist.

Neben diesen Änderungen in wirtschaftlichen Belangen erfolgen in der Novelle auch Klarstellungen und legistische Berichtigungen. So muss ein Wirtschafts­referent oder eine Wirtschaftsreferentin der einzelnen ÖHs in Zukunft bestimmte Grundqualifikationen mitbringen oder diese erwerben, sobald er oder sie in das Amt gewählt wird. Bei den doch beträchtlichen Geldbeträgen, mit denen an den ÖHs hantiert wird, ist das aus meiner Sicht durchaus eine sinnvolle Regelung. Die Kollegin hat es vorhin schon angesprochen: Uns allen ist das Café Rosa ein Begriff, mit dem fast eine halbe Million Euro in den Sand gesetzt wurde, und ich denke, so etwas sollte einfach nicht mehr passieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte betonen, dass die vorgeschlagene Novelle in enger Abstimmung mit den ÖHs erarbeitet wurde und sinnvolle Neuerungen umsetzt. Sie zielt darauf ab, die Interessen der Studierenden und die Effizienz der Hochschüler­schaften zu stärken. Diese neue Regelung ist ein wichtiger Schritt, um die Chancengleichheit und die demokratische Mitbestimmung der Studierenden zu fördern.

Sie schafft Anreize für kleine Hochschülerschaften, ihre finanzielle Situation zu verbessern, und ermöglicht eine effizientere Nutzung der Studienbeiträge zum Wohle aller Studierenden. Verbessern wir gemeinsam unsere Hochschulen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

18.00


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


18.00.57

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat!


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Ich kann es für meine Verhältnisse ausnahmsweise vermutlich sogar relativ kurz machen – man glaubt es kaum. Ich werde mich bemühen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Buchmann: Schauen wir einmal!)

Es geht im Wesentlichen, wir haben es eh schon gehört, um Änderungen und Neuregelungen besonders bei der Verteilung der Studienbeiträge für die ÖH und um ein paar redaktionelle, technische Änderungen, die ich nicht alle im Detail ausführen muss. Im Großen und Ganzen können wir da durchaus mitgehen. Wir werden unsere Zustimmung erteilen – ich bin ja auch als Prorednerin einge­tragen –, auch wenn wir nicht hundertprozentig mit allem mitgehen können.

Aus unserer Sicht ist es ein bisschen schade, dass man die Chance vertan hat, sozusagen die Gelegenheit zu nutzen und auch andere wichtige Dinge in die Anpassungen mit hineinzunehmen. Ich sage nur: Teilzeitstudium. Das wäre für alle berufstätigen Studierenden, die neben dem Studium einfach arbeiten müssen, um sich in Wahrheit das Studium erst finanzieren zu können, dringend nötig. Das wäre also noch ein wichtiger Schritt gewesen und eine Chance, die man aus unserer Sicht leider vertan hat, aber vielleicht kommt ja noch etwas.

Aus meiner Sicht sehr positiv, und das muss ich wirklich hervorstreichen, ist zumindest, dass die Betroffenen selbst, nämlich die ÖH, also die Bundes-ÖH, die Studierendenvertretung, schon im Vorfeld in die Begutachtung miteinbezogen wurden und dass etliche Vorschläge seitens der ÖH auch aufgenommen wurden, dass da also Wünsche eingebracht werden konnten, die dann – wenn auch nicht alle, aber doch zu einem großen Teil – auch umgesetzt wurden.

Das ist etwas, was ich persönlich und, ich glaube, wir von der Sozialdemokratie ganz generell bei der türkis-grünen Bundesregierung doch bis dato einfach sehr, sehr oft haben vermissen müssen. Aber gut – immerhin etwas Positives, vielleicht kann das in Zukunft ein Beispiel für noch viele andere Gesetze sein.

Die ÖH zeigt sich mit weiten Teilen des Gesetzes durchaus zufrieden, was die Stärkung der Rechte der Mandatar:innen betrifft, was den verbesserten


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Datenschutz betrifft, zum Beispiel auch bei der Wahlwerbung und dergleichen, kritisiert allerdings, das muss man schon auch sagen, den Eingriff in die Selbstverwaltung der ÖH, zum Beispiel bei der Wahl ihrer Wirtschafts­refe­rent:in­nen. Im Großen und Ganzen können wir aber wie gesagt mitgehen, und das tun wir auch.

Auch ich möchte noch Danke sagen: der gesamten ÖH, von der Bundes-ÖH angefangen bis hin zu den einzelnen unterschiedlichen Studierenden­ver­treter:innen, die wirklich ganz wichtige und großartige Arbeit leisten – etwa in der Information und Beratung, was gerade zu Beginn, am Start eines Studiums so wichtig ist. Wenn man noch nicht so wirklich weiß, wie auf einer Uni sozusagen der Hase läuft, dann ist es ganz wichtig, dass man jemanden hat, an den man sich wenden kann.

Was man auch nicht unterschätzen darf, ist die finanzielle Unterstützung, die für die Studierenden zur Verfügung gestellt wird: Sozialfonds, Kinderfonds, Wohnfonds und vieles andere mehr. Ich glaube, da gilt es aus unserer Sicht auch ein ganz, ganz großes Dankeschön zu sagen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

18.04


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte sehr.


18.04.12

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Interessierte, die unserer Debatte vielleicht noch via Livestream folgen! Der zentrale Aspekt in der vorliegenden Novelle des Hochschülerinnen- und Hochschüler­schafts­gesetzes liegt ja in der Verteilung der Studierendenbeiträge, die neu geregelt wird. Umso interessanter habe ich jetzt eigentlich die Rede von Kollegin Theuermann gefunden, weil ich mir ganz am Anfang ehrlich gesagt gar nicht so


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richtig sicher war, ob sie überhaupt über dasselbe Gesetz spricht wie ich. (Bundesrat Steiner: Gewaltiger Konter, gratuliere!)

Das Zentrale ist ja, dass insbesondere kleine Hochschulvertretungen von dieser Novelle profitieren, weil es für sie jetzt umso attraktiver wird, sich von der ÖH in wirtschaftlichen Angelegenheiten mitbetreuen zu lassen, ohne dass sie dadurch in irgendeiner Form dann finanziell schlechter aussteigen.

Es spricht aus meiner Sicht auch überhaupt nichts dagegen, wenn Studierende, die als Wirtschaftsreferent:innen tätig werden, falls nicht schon vorhanden, eine kleine wirtschaftliche Zusatzausbildung nachholen. Ich denke, davon profitiert man nur, und da sehe ich ehrlich gesagt keine Nachteile.

Die vielen Aufgaben der ÖH wurden schon ein bisschen angesprochen. Tatsache ist ja, dass es maximal die Bundesvertretung der ÖH in die Berichterstattung der Medien schafft, und von allem anderen wird eigentlich nie berichtet. Es gibt aber noch zwei weitere sehr wesentliche Ebenen, auf denen sehr viel und auch sehr gute Arbeit geleistet wird. Das sind einerseits die Hochschulvertretungen, eine pro Hochschule, diese wurden schon angesprochen, und vor allem auch die Studienrichtungsvertretungen, das heißt eine Studienvertretung pro Studienrichtung.

Da passiert wirklich sehr viel unsichtbare Arbeit. Die ÖH entscheidet ja beispielsweise auf Hochschulebene auch bei sehr wichtigen Dingen mit. Zum Beispiel können Studierende durch ihre Mitgliedschaft im Senat auf die Wahl des Rektors oder der Rektorin sowie auf Berufungsverfahren Einfluss nehmen, und sie nehmen auch auf die Curricula, also auf die Studienpläne, Einfluss.

Die Beratung der Studierenden – das hat Kollegin Hahn schon kurz ange­sprochen – ist auch ein sehr wichtiger Punkt. Da geht es um Rechtsberatung, Mietrechtsfragen oder Beratung für Studierende mit Kind. Es gibt Sozialfördertöpfe, um Härtefälle abzufedern. Da wird also auch sehr viel gemacht.


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Die Studienrichtungsvertretung, das ist mir auch sehr wichtig, kümmert sich in erster Linie wirklich um die Alltagsprobleme der Studierenden. Wenn es Probleme mit den Professorinnen und Professoren gibt, wenn Prüfungen aus irgendeinem Grund unfair benotet werden oder wenn die Organisation in Laborübungen nicht rund läuft, dann kann man sich in allen Fällen an die Studienrichtungsvertretung wenden.

Sie kümmert sich auch um die Beratung und die Information von Maturantinnen und Maturanten. Da geht es – ich habe selber ein technisches Studium absolviert – wirklich um Dinge wie beispielsweise, dass man Mädchen dazu ermutigt, auch ein technisches Studium in Erwägung zu ziehen.

Das sind ganz grundlegende Geschichten, über die wir da sprechen. Ich denke da beispielsweise an Studienrichtungen, die teilweise auch sehr erklärungsbedürftig sind, wie etwa Verfahrenstechnik. Das ist ein wahnsinnig interessantes Studium, aber man kann sich vielleicht in erster Annäherung nichts darunter vorstellen und weiß gar nicht, wie breit dieses Feld vielleicht für einen ist und dass es vielleicht auch gerade für Frauen interessant ist.

Auch wenn es um die Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden in Österreich geht, hat die schwarz-grüne Bundesregierung einiges gemacht, und auch das möchte ich nicht unerwähnt lassen. Da geht es um die Valorisierung der Studienbeihilfe ab 1. September 2023. In Zukunft wird diese Studienbeihilfe ja auch jährlich immer am 1. September an die Teuerung angepasst. Da geht es also genau darum, dass man sich ein Studium leisten kann und im Idealfall eben nicht nebenbei arbeiten muss.

Die Mittel für die Leistungs- und Förderstipendien werden für das laufende Studienjahr um 15 Prozent beziehungsweise 2 Millionen Euro erhöht.

Was auch noch interessant ist: Es gibt den neuen pauschalierten Mobilitäts­zuschuss, der mit diesem Studienjahr eingeführt wird. Bislang mussten ja Studienbeihilfenbezieher:innen ihre Semestertickets und Fahrscheine einzeln


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vorlegen, um einen Fahrtkostenzuschuss im Rahmen der Studienbeihilfe zu erlangen. Auch das haben wir jetzt umgestellt.

Abschließend wieder zurück zur vorliegenden ÖH-Novelle: Ich denke, da wurde in enger Abstimmung mit der ÖH eine wirklich gute und sehr sinnvolle Regelung gefunden, und ich bitte daher wirklich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.09


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.09.20

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Als ÖH-Veteran kann ich diesen Tages­ordnungspunkt natürlich nicht auslassen. Wobei es erstaunlich ist, wie wenige andere in diesem Raum – (in Richtung Bundesrätin Eder-Gitschthaler) von Andrea weiß ich es – auch ÖH-Hintergrund haben, obwohl es doch immer heißt, die ÖH ist irgendwie die erste politische - - (Bundesrat Himmer: Du warst ja noch bei der AG, nicht? – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, genau, da waren wir noch im gleichen ...!) Ich bin nach wie vor Mitglied des Veteranenverbandes.

Ich möchte aber auf einen Punkt dieses Gesetzes eingehen, auf den niemand anderer eingegangen ist, nämlich auf den § 49 des Gesetzes, der geändert werden soll.

Da geht es um das spannende Thema – das ist wirklich ein spannendes Thema – der Rechtspersönlichkeit der wahlwerbenden Gruppen zur Hochschülerschaft und der Rechtsnachfolgeproblematik. Warum ist das jetzt ein spannendes Thema? – Weil sich dieses Problem ja nicht nur in der ÖH stellt, sondern auch bei den Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften und bei Wahlen in Gemeinderäte und Bezirksvertretungen.


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In der ÖH beziehungsweise im HSG war bisher die Regelung so, dass lustigerweise die Rechtspersönlichkeit einer wahlwerbenden Gruppe – und zwar aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung – am Schluss der Funktions­periode geendet hat. Das heißt, es war bereits gesetzlich ausgeschlossen, dass eine wahlwerbende Gruppe über mehrere Perioden hinweg einem Organ angehört.

Contra legem hat es aber, seit es die Hochschülerschaft gibt, in der Wahl­ordnung Bestimmungen gegeben, in denen darauf abgestellt wurde, dass eine wahlwerbende Gruppe, die antritt, bereits im Organ vertreten ist – obwohl es ja eigentlich eine andere Rechtsperson ist. Wofür macht das einen Unterschied? – Für den Platz am Stimmzettel, weil man als bereits vertretene wahlwerbende Gruppe ja quasi den Listenplatz behält, den man beim letzten Mal gehabt hat, und es hat Relevanz, wenn es aufgrund von Spaltungen mehrere Prätendenten für die Rechtsnachfolge einer bestimmten wahlwerbenden Gruppe gibt. Das macht die Regelung, die da gefunden wird, interessant, weil ja dieses Problem auch bei den Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften auftritt.

Die FPÖ hatte das Thema mit der Spaltung und der Frage, wer den Listenplatz behält – das war bei den Wahlen zum Nationalrat beziehungsweise zum Europaparlament der Fall –, die ÖVP wird jetzt das Thema in Innsbruck haben, wobei es dort in der Wahlordnung ausdrücklich vorgesehen ist – und vielleicht hat auch die ÖVP in Hietzing das Problem, wenn ich (in Richtung ÖVP) dich da anschaue. (Bundesrat Himmer: Nein, dort haben wir das nicht!)

Wie kann man das jetzt regeln? – Also jetzt wird zumindest einmal erstmals darauf abgestellt, dass die Rechtspersönlichkeit der wahlwerbenden Gruppe nicht automatisch erlischt, sondern nur dann, wenn sie nicht wieder antritt.

Wie wird das dann legistisch weiter fortgesetzt? Woran misst man, ob es die­selbe wahlwerbende Gruppe ist, die wieder antritt? (Bundesrat Schennach: Genau! Das ist der ...!) – Da steht dann: „Eine wahlwerbende Gruppe tritt erneut an, wenn der Wahlvorschlag [...] dieselbe Bezeichnung der wahlwerbenden


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Gruppe beinhaltet“ – also das ist einmal ein Anhaltspunkt, wobei natürlich sein kann, dass zwei unter dem gleichen Namen antreten wollen – „und die Erfordernisse der Unterstützungserklärung gemäß § 27 Abs. 8 HSWO 2014 erfüllt“.

Es ist legistisch natürlich ein bisschen seltsam, wenn im Gesetz auf etwas verwiesen wird, das in einer Verordnung steht. Ich weiß nicht ganz, ob dieser Zirkelschluss im Stufenbau der Rechtsordnung verfassungsrechtlich so halten wird. Insbesondere stehen in diesem § 27 Abs. 8 HSWO nicht die „Erfordernisse der Unterstützungserklärung“ – was auch immer das heißen soll –, sondern da steht drinnen, wann man keine Unterstützungserklärungen für die Kandidatur beibringen muss – nämlich dann, wenn mindestens eine Mandatarin, ein Mandatar stattdessen unterschreibt, so wie wir das auch bei der Nationalrats-Wahlordnung oder bei der Europawahl haben.

Also ich verstehe, worauf man da hinaus möchte. Ich glaube nicht, dass es legistisch optimal umgesetzt ist, denn welche Kriterien kann es noch geben für eine Identität in der Rechtspersönlichkeit oder eine Rechtsnachfolge bezie­hungsweise eine exklusive Rechtsnachfolge? – Das ist in dem Fall die Bezeichnung, das kann auch der ZBV sein, die zustellungsbevollmächtigte Vertreterin oder der zustellungsbevollmächtigte Vertreter, und das kann natürlich auch sein, dass die Mehrheit der Mandatarinnen und Mandatare, die bisher für eine wahlwerbende Gruppe mit dieser Bezeichnung irgendwo gesessen sind, auch auf der Liste steht. In dem Fall hat man sich dafür entschieden.

Die vorliegende Regelung ist aber auch insofern interessant, weil zum Beispiel in der Nationalrats-Wahlordnung so etwas nicht drinnen steht. In der Nationalrats-Wahlordnung gibt es Wahlparteien – es kandidieren ja nicht die politischen Parteien gemäß Parteiengesetz, sondern Wahlparteien –, und es ist nirgends geregelt, was die Rechtspersönlichkeit von so einer Wahlpartei ausmacht. Wenn es dort Namensänderungen gibt, wenn man unter einer anderen Bezeichnung am Stimmzettel stehen möchte als beim letzten Mal (Bundesrat Schennach: Liste Sebastian Kurz zum Beispiel!) – die hat es gegeben; Kollege Schennach sagt: Liste


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Sebastian Kurz (Bundesrat Himmer: Liste Kurz hat es gegeben in Wien! Die Wiener haben das gelten lassen!); Liste Kurz –, stellt sich immer die Frage: Ist das jetzt dieselbe Wahlpartei, bekommt diese dann den gleichen Listenplatz, wird sie von den gleichen Personen in den Wahlbehörden vertreten?

In den Wahlbehörden wird normalerweise darauf abgestellt, ob die gleiche politische Partei dahintersteht. – Das steht aber in keinem Gesetz, sondern es ist einfach die Praxis der Wahlbehörde, dass man sich anschaut: Ist das Briefpapier, mit dem der Wahlvorschlag eingereicht wird, das von der gleichen politischen Partei? – Ich bin der Meinung, es wäre ganz gut, wenn man vielleicht irgendwo auch normativ festhält, dass das einen Unterschied machen kann. In der ÖH ist das schwierig, weil da nicht unbedingt eine politische Partei dahintersteht. Manchmal steht ein Verein dahinter, manchmal nicht – das ist ja auch nicht notwendig.

Also ich finde es auf jeden Fall gut, dass das jetzt geregelt wird – es ist für uns auch kein Grund, das abzulehnen, nur weil ich finde, dass das legistisch schlecht umgesetzt ist –, und was mich ganz besonders freut, ist, dass jetzt, 2023, ein Problem behoben wird, auf das ich schon 2010 in einem wissenschaftlichen Beitrag im Jahrbuch Hochschulrecht 2010 hingewiesen habe. (Bundesrat Schennach: Hö! Das haben sie nur für dich gemacht!) Da stehen noch ein paar andere Sachen drinnen – sagen wir: Lücken im Hochschülerschaftsgesetz –, auf die ich hingewiesen habe und die man vielleicht beim nächsten Mal berücksichtigen könnte. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.16


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Martin Polaschek. – Bitte.


18.16.59

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits angesprochen worden: Die Studierendenvertretung ist wichtig, insbesondere,


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würde ich meinen, auf Ebene der jeweiligen Hochschulen und natürlich – das ist auch bereits gesagt worden – vor allem auch auf Ebene der Studienrichtungen. Gerade da ist die Mitwirkung, wenn es etwa um die Erstellung von Curricula, um die Wahrung der Interessen von Studierenden geht, zumindest meiner bescheidenen Erfahrung nach besonders wichtig.

Auf die von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesrat Arlamovsky, angesprochene Rechtsfrage möchte ich jetzt nicht weiter eingehen. Es würde zu weit führen, wenn wir beide jetzt in einen hochschulrechtlichen Diskurs treten. Ich würde Sie aber auch sehr herzlich dazu einladen, mit unseren Expertinnen und Experten im Haus Kontakt aufzunehmen und noch einmal gemeinsam über Ihre durchaus sehr wichtigen Argumente zu sprechen.

Es ist schon öfter angesprochen worden: Es wurde jetzt dadurch auch die Möglichkeit geschaffen, dass kleinere Hochschülerinnen- und Hochschüler­schaften weiterhin aktiv und jetzt auch selbstständig tätig bleiben können. Damit wird die Arbeit gerade an kleineren Institutionen wesentlich erleichtert und solchen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaften ermöglicht, auch aktiv Politik vor Ort zu betreiben. Dadurch, dass die rechtsgeschäftliche Vertretung durch die ÖH erfolgt, haben wir auch die Gewährleistung, dass die ent­sprechenden Geschäftsprozesse gut gesichert ablaufen.

Ich danke für die breite Zustimmung zu diesem Gesetz und möchte mich an dieser Stelle ebenfalls bei allen Studierenden bedanken, die sich – auf welcher Ebene auch immer – für die Interessen ihrer Mitstudierenden einsetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

18.18 18.18.55


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


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Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Ich begrüße an dieser Stelle unseren Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.19.4619. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden (3533/A und 2241 d.B. sowie 11305/BR d.B. und 11313/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (2242 d.B. sowie 11306/BR d.B. und 11314/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 19 und 20 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die


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Berichte.


18.20.27

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.


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Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.22.00

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte kurz den Kontext darstellen, in dem jetzt wieder außerordentliche Ausgaben im Pensionssystem beschlossen werden sollen. Es gibt einen ganz aktuellen Rechnungshofbericht vom 13. Oktober zum Thema Nachhaltigkeit des Pensionssystems. Da werden zum Beispiel Schlussfolgerungen getroffen, wie dass umfassender Handlungs­bedarf besteht, aber gleichzeitig klare Kriterien fehlen, um beurteilen zu können, ob das Pensionssystem nachhaltig ist.

Da stellt der Rechnungshof fest, dass weder die Alterssicherungskommission noch die Bundesregierung eine gesamthafte Aussage über die langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems treffen können oder wollen.

Da stellt der Rechnungshof fest, dass seit 2005 die Pensionsanpassung nur zweimal, wie es eigentlich vorgesehen ist, mit einem am Verbraucherpreisindex orientierten Anpassungsfaktor erfolgt ist.

Da stellt der Rechnungshof fest, dass Prognosen nach Umsetzung der Angleichung des gesetzlichen Frauenpensionsantrittsalters von einer Stagnation des effektiven Pensionsantrittsalters ab Mitte der 2030er-Jahre ausgehen, obwohl auch dann noch die Lebenserwartung weiter steigen wird; und da beschreibt der Rechnungshof, dass der Aufwand für die gesetzliche Pensions­versicherung 2020 bei 47,254 Milliarden Euro gelegen ist, wovon der Pensionsaufwand 41,673 Milliarden Euro waren und der Rest die Ausgleichs­zulage, wobei ein großer Teil mit Pflichtbeiträgen aus der Pensionsversicherung, Pflichtbeiträgen der Erwerbstätigen, in Höhe von 32,526 Milliarden Euro finanziert wurde, aber rund 30 Prozent der Aufwendungen, konkret 14,165 Mil­liarden Euro, öffentlich finanziert worden sind, davon 10,197 Milliar­den Euro


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aus dem Bundesbeitrag, abgesehen davon zusätzlich Ruhebezüge für Beamte in Höhe von 12,7 Milliarden Euro; aber darum geht es ja nicht.

Zweiter Kontext aktuell: Budget 2024. Das ist grundsätzlich nicht Thema bei uns im Bundesrat. Die Auswirkungen der hier zu beschließenden Maßnahmen werden sein, dass die Ausgaben in der UG 22, wo es um Pensionsversicherung geht, im Vergleich zum Vorjahr um 19,4 Prozent steigen werden.

Die Gründe dafür liegen auf der einen Seite in der Demografie, der steigenden Anzahl an Pensionsbezieherinnen und -beziehern, in unterschiedlich starken Jahrgängen, aber auch in Punkten, die hier beschlossen werden, wie zum Beispiel die Aussetzung der Aliquotierung der erstmaligen Pensionsanpassung für 2024 und 2025, die Höhe der Pensionsanpassung 2024, die Verschiebung – die schon passiert ist – der schrittweisen Anhebung des Frauenpensions­antrittsalters und die sogenannte Schutzklausel, auf die ich jetzt konkret eingehen möchte.

Die Pensionskonten wurden in den letzten 38 Jahren aufgewertet, 30-mal davon über der Inflationsrate, zweimal gleich wie die Inflationsrate und sechsmal unter der Inflationsrate. In Summe ist die Aufwertung der Pensionskonten mit einem höheren Faktor erfolgt als die Inflation. Heuer wäre es wieder so, dass die Aufwertung unter der Inflationsrate erfolgen würde, aber außertourlich wird der Aufwertungsfaktor erhöht, damit er nicht unterhalb der Inflationsrate liegt. Das ist unsystematisch, denn entweder schaut man sich einen langfristigen Vergleich an oder man möchte zusätzliche Ausgaben treffen.

Das Problem ist aber: Unsere Aufgabe ist, dass wir das Ganze langfristig anschauen und dass wir auch die Interessenlagen aller Generationen berücksich­tigen. Was es daher eigentlich brauchen würde, ist, dass wir auf die Kritik­punkte oder auf die Besorgnisse, die der Rechnungshof äußert, eingehen. Das Pensionssystem ist tatsächlich in einer prekären Situation. Seit zehn Jahren wird bereits befürchtet, dass es in der derzeitigen Form nicht aufrechterhalten werden kann.


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Wenn die Lebenserwartung weiter steigt – was eine gute Sache ist (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP) –, bedeutet das angesichts dessen, dass die Alters­kohorten – ganz technisch gesprochen –, also die Jahrgänge, unterschiedlich stark sind und mehr Personen die Pension antreten, als an Beitragszahlern von den Jüngeren nachkommen, dass sich das alles nicht mehr ausgeht, dass das effektive Pensionsantrittsalter erhöht werden muss, damit sich das Verhältnis der Jahre, in denen Beiträge gezahlt werden, und der Jahre, in denen Leistungen bezogen werden, nicht noch weiter ins Ungünstige verschiebt, weil nämlich eine finanzielle Nachhaltigkeit gewährleistet werden muss und weil die jüngere Generation nicht bereits jetzt resignieren soll, in der Erwartung, dass sie einmal keine vertretbare Pension beziehen wird. (Bundesrat Schennach: Was ist eine vertretbare Pension?)

Was aber die Bundesregierung und mit ihr die Regierungsparteien machen, ist, dass sie die notwendigen Reformen aufschieben und das Problem in die Zukunft verschieben, anstatt die Pensionen für alle Generationen, sowohl die Generation der Bezieher als auch die Generationen, die erst später Pensionen beziehen und jetzt noch Beiträge zahlen, fair und sicher zu gestal­ten. – Vielen Dank.

18.28


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.


18.28.31

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Arlamovsky hat uns ja jetzt schon einige Zahlen genannt. Die Zahlen, die er nicht genannt hat, sind die, welche die Menschen betreffen, nämlich die Menschen, um die es geht. Du hast eher das Gesamte angesehen, deshalb möchte ich jetzt ein bisschen auf das eingehen, wovon wir in Bezug auf die Menschen reden.


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Es sind in Österreich 2,3 Millionen Menschen, die eine gesetzliche Pension beziehen, und 1,3 Millionen davon sind Frauen. Laut Berechnung vom Oktober 2023 beträgt die monatliche Netto-PVA-Durchschnittspension bei Männern rund 2 012 Euro und bei Frauen 1 218 Euro. Das sind fast 800 Euro netto weniger. Weil das gerade auch angesprochen worden ist: „Was ist eine vertretbare Pension?“ 1 218 Euro, das ist meiner Meinung nach nicht gut vertretbar, wenn man sich anschaut, was das Leben kostet; in dem Kontext sind die Zahlen meines Vorredners vielleicht noch einmal ein bisschen zu reflektieren.

Heute beschließen wir eben die Pensionserhöhung für das Jahr 2024. Das Gesetz sieht vor, dass die Pensionen, wir haben es schon gehört, entlang der Inflationsrate erhöht und wertgesichert werden müssen. Das passiert in diesem Jahr, indem wir die Pensionen um 9,7 Prozent, den sogenannten Anpas­sungs­faktor Inflation, erhöhen.

Es ist aber schon so, dass die Erhöhung bei den Sonderpensionen über 5 850 Euro gedeckelt wird, und zwar ab diesem Betrag. Ab diesem Betrag sind es dann nur noch 567,47 Euro Erhöhung. Ich denke, das ist sozial gerecht. Das heißt, die Masse der Pensionistinnen und Pensionisten erhält die volle Inflationsabgeltung.

Weiters, das hat der Kollege auch schon gesagt, beschließen wir heute die sogenannte Schutzklausel für all diejenigen – das ist auch wichtig zu erwähnen –, die ab 1. Jänner 2024 in Pension gehen und dabei entweder die Alterspension antreten oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in Pension gehen müssen, weil sie eben nicht anders können. Das sind vor allem ältere Menschen, die in Arbeitslosigkeit sind, die die Voraussetzung für die Korridorpension erfüllen und diese dann nämlich auch in Anspruch nehmen müssen. Das heißt, sie müssen in die Korridorpension gehen und haben keine Möglichkeit, dieser zu entkommen.

Das gilt auch für jene Korridorpensionist:innen, die bereits 2023 in Pension hätten gehen können, aber von sich aus den Pensionsantritt noch nach hinten


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verschoben haben, und auch für all diejenigen, die spezielle Voraussetzungen für den Pensionsantritt erfüllen.

Was genau ist diese Schutzklausel? – Ich erkläre es vielleicht noch einmal hinsichtlich eines anderen Aspekts: Das österreichische Pensionskonto ist grundsätzlich wertgesichert und aufgrund der verzögerten Aufwertung des Pensionskontos wurden bis jetzt die guten Lohnabschlüsse von 2022 und 2023 noch nicht berücksichtigt. Das würde dazu führen, dass es zu realen Pensionsverlusten für die Betroffenen käme; und die Schutzklausel verhindert jetzt genau das.

Die Berechnung der Schutzklausel erfolgt, indem die Pension errechnet wird, und dann wird ein zusätzlicher Betrag von 6,2 Prozent der Gesamtgutschrift aus dem Jahr 2022 auf dem Pensionskonto hinzugefügt. Dieser Betrag wird dann in den Monatsbetrag umgerechnet.

So wird es eben genau durch diese Regelung nicht zu den erwarteten Real­einkommensverlusten für die 2024 neu die Pension antretenden Menschen kommen.

Ich denke, das ist eine gute Sache und stimmig für die Menschen. Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

18.32


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


18.33.08

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir beschließen heute, wie schon gehört, die Pensionsanpassung ab dem 1. Jänner 2024 in Höhe von 9,7 Prozent sowie die sogenannte Schutzklausel, die jenen Pensionistinnen und


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Pensionisten, die bewusst länger in Beschäftigung bleiben, sozusagen die Teuerung durch die hohe Inflation, die jetzt herrscht, ausgleicht.

Zu Beginn möchte ich kurz den Berechnungsmodus, wie denn diese 9,7 Prozent zustande kommen, erklären. Die Wertanpassung der Pensionen in Österreich berechnet sich immer über die durchschnittliche Inflation von August bis Juli des darauffolgenden Jahres, im konkreten Fall eben von August 2022 bis Juli 2023. Das ist also die Berechnungsbasis. Genau in dieser Zeit lagen eben jene Monate, in denen die Inflation in Österreich am höchsten war. Daher ergibt sich auch dieser verhältnismäßig hohe Anpassungswert von 9,7 Prozent.

Im vergangenen Jahr lag der Faktor für die Pensionsanpassung bei 5,8 Prozent plus Zusatz- und Einmalzahlungen. Es ist auch nur recht und gerecht, die Pensionen, die ja eine Versicherungsleistung sind, wertzusichern. Natürlich kommt in der öffentlichen Diskussion jedes Jahr um diese Zeit auch die Diskussion über die Kosten für die ältere Generation auf. Die Seniorinnen und Senioren werden ganz einfach oft als Kostenfaktor hingestellt oder abge­stempelt. Das ist nicht nur eine eindimensionale Darstellung, sondern das ist auch eine Unterstellung.

Dieser möchte heute einmal von einer anderen Seite begegnen und weitere Dimensionen in diese Debatte einbringen, sozusagen das Bild von den Seniorin­nen und Senioren in der Gesellschaft ein Stück weit zurechtrücken, denn die Pensionistinnen und Pensionisten sind vielmehr ein Wirtschaftsfaktor und vor allem auch ein wesentlicher Faktor für eine funktionierende Gesellschaft, also ein Gesellschaftsfaktor. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es ist ein Faktum, dass gerade Seniorinnen und Senioren ihr Einkommen großteils bei uns in Österreich auch wieder ausgeben. Wenn die durchschnitt­liche Pension aktuell bei rund 1 500 Euro im Monat liegt, dann kann sich jeder ausmalen, dass dieses Geld auch eins zu eins wieder im Wirtschaftskreislauf in Umlauf kommt. Aus Studien wissen wir, dass mehr als ein Viertel des privaten Konsums in Österreich auf das Konto der Seniorinnen und Senioren


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geht. Das sind rund 50 Milliarden Euro jährlich. Das ist wohl ein Wirtschafts­faktor und kein Kostenfaktor! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gross.)

Es ist ebenso ein Faktum, dass mehr als 500 000 Seniorinnen und Senioren in der Angehörigenpflege, in der eigenen Familie einen wertvollen Dienst leisten. Tendenziell können wir sagen: Nicht nur die Jungen pflegen die Alten, sondern vor allem die Seniorinnen und Senioren pflegen die Hochbetagten. Das ist die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wie viele Vereine, Freiwilligenorganisationen könnten nicht existieren, wenn sie nicht engagierte ältere Menschen im Vereinsvorstand als Obfrau, als Obmann, als Schriftführer, als Finanzreferent oder für andere wichtige Tätigkeiten und Funktionen hätten? Wie viele junge Familien sind jeden Tag dankbar für Oma- und Opadienste, die Seniorinnen und Senioren als Großeltern übernehmen und somit auch das Familienleben und das Aufwachsen ihrer Enkel jeden Tag bereichern? (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich denke, diese Beispiele belegen eindeutig, welch tragende Rolle Seniorinnen und Senioren für eine funktionierende Gesellschaft haben. Dafür möchte ich allen engagierten Seniorinnen und Senioren im Ehrenamt, in der Angehörigen­pflege, in der Familie ein ganz, ganz großes Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Schumann.)

Die Pensionen sind Versicherungsleistungen, Umlageleistungen, die auch wertgesichert gehören. In Österreich ist das Gott sei Dank so. (Bundesrätin Schumann: Ja!) Wenn wir in andere Länder Europas schauen, ist das gar nicht so selbstverständlich. In Deutschland wurde kürzlich eine Pensionsanpassung in Höhe von 4,5 Prozent über zwei Jahre beschlossen. In Deutschland gibt es übrigens nicht 14 sondern zwölf Monatspensionen im Jahr (Bundesrätin Schumann: Danke der Gewerkschaft!), übrigens sind die Pensionen in Deutschland um durchschnittlich bis zu einem Drittel niedriger als in Österreich.


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Selbstverständlich, da stimme ich Kollegen Arlamovsky auch zu, müssen wir das Pensionssystem für die Zukunft fit halten, das ist überhaupt keine Frage. Da geht es in erster Linie aber darum, das tatsächliche Pensionsantrittsalter weiter an das gesetzliche Antrittsalter heranzuführen. Die gestern angekündigte Erhöhung des Bonus von 4,2 auf 5,1 Prozent ist wieder ein weiterer Schritt, um einen Anreiz zu schaffen, um länger in Beschäftigung zu bleiben und die Pension später anzutreten.

Abschließend halte ich fest, dass die Pensionsanpassung mit 9,7 Prozent notwendig und gerecht ist, vor allem auch in Anbetracht der Tatsache, welche Leistungen die ältere Generation für unser gemeinschaftliches Zusammenleben erbringt. Unsere Regierung unter Karl Nehammer als Bundeskanzler weiß das auch zu schätzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.40


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


18.40.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Pensionserhöhung, die jetzt beschlossen wird, ist ganz, ganz wesentlich, denn es geht um ein gutes Leben für die ältere Generation, ein würdevolles Leben und ein Leben, das man sich auch leisten kann. Das ist ganz wichtig, darum beschließen wir das natürlich mit, das ist ja gar keine Frage. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dass die Pensionserhöhung in dieser Höhe ist, liegt halt daran, dass sie es sein muss. Dass man den Pensionistinnen und Pensionisten die Existenz überhaupt weiterhin so ermöglichen muss, liegt einfach daran, dass die Bundesregierung nicht fähig war, die Inflation zu senken. Darum gibt es diese Höhe, die wir heute beschließen. Es ist nicht gelungen, die Inflation in den letzten Monaten zu senken. Daher ist dieser Betrag mit 9,7 Prozent zustande gekommen. Es ist


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einfach nicht gelungen, es ist ein Scheitern der Bundesregierung in der Inflationsbekämpfung und in der Preisgestaltung. (Zwischenruf des Bundesrates Ebner.) Ganz, ganz schlecht hat die Regierung da gehandelt, wir haben eine der schlechtesten Quoten in Europa bei der Inflation! (Rufe bei der ÖVP: Kaufkraft!) Das ist peinlich für unser Land, ganz eindeutig! Darüber brauchen wir gar nicht zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich freue mich natürlich sehr beziehungsweise wir alle als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten freuen uns sehr, dass es gelungen ist, die Schutzklausel zu erkämpfen. Ein bisschen zum Thema Dichtung und Wahrheit: Im Erstentwurf war von der Schutzklausel keine Rede, überhaupt keine Rede. 100 000 Österreiche­rinnen und Österreicher wären nächstes Jahr in Pension gegangen und hätten einen Verlust von 2 000 Euro im Jahr in Kauf nehmen müssen – und das über ihre ganze Pensionszeit hinweg. Also so hätte es in Wirklichkeit ausgeschaut.

Ich kann nur Danke sagen: Danke der Sozialdemokratie, der Gewerkschafts­bewegung, der Arbeiterkammer und dem Pensionistenverband Österreichs, der so viel Druck gemacht hat, dass diese Pensionsschutzklausel dann umgesetzt wurde. Das ist eine Leistung, dazu herzliche Gratulation! (Beifall bei der SPÖ.)

Nichts ist ohne Pferdefuß, auch diese Schutzklausel hat Schwachstellen: Erstens, sie gilt nur für das Jahr 2024 und nicht für jene, die 2025 davon betroffen sein werden. Es sind wieder fast 6 000 Personen, die ganz willkürlich aus dieser Schutzklausel herausfallen, weil sie eine besondere Form der Korridorpension in Anspruch nehmen. Das ist nicht gerecht, das ist nicht fair. Da gehört längst nachgebessert.

Wir sagen auch bei allen Attraktivierungsgedanken, länger in Beschäftigung zu bleiben, ganz deutlich: Es gibt jetzt schon viele Berufsgruppen, die es nicht schaffen werden, bis zum regulären Pensionsantrittsalter in Beschäftigung zu bleiben – seien es jene in der Pflege, sei es in der Produktion. Wir wissen, dass diese Kolleginnen und Kollegen sagen: Ich schaffe es nicht! Gleichzeitig


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erfolgt – und da rührt die Regierung kein Ohrwaschel – die Anhebung des Pensionsantrittsalters der Frauen ab 1.1.2024 innerhalb von fünf Jahren.

Ich finde es ganz toll, was Sie, Herr Bundesrat Ebner, gesagt haben, das stimmt eh. Da wird Unglaubliches geleistet, vor allen Dingen von unseren Omas, in der Betreuung, in der Pflege. Wir wissen das. Aber es ist schon klar: Jetzt kommt die Anhebung des Pensionsantrittsalters und wir sind nicht darauf vorbereitet. Dann wird es schwieriger werden, denn wenn jetzt länger gearbeitet wird, was sich ja anscheinend alle sehr wünschen, und man das auch nicht mehr ändern kann, dann heißt das: Sie fallen in den Betreuungsstrukturen aus, aber es ist nicht vorgesorgt, weder beim Ausbau der Kinderbildungsein­richtungen noch beim Ausbau der Pflege oder der mobilen Pflege – nicht in dem Ausmaß, dass man sagt, es werden jetzt Frauengenerationen kommen, die einfach länger arbeiten. Keinen Blick darauf, alles vergessen? – Das ist mehr als unglücklich, besonders im Interesse der Frauen.

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten lehnen natürlich eine Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 ab. (Beifall bei der SPÖ.) Ganz ehrlich: Wer kann sich das denn wünschen? – Wir sehen über verschiedene Wege, dass das sozusagen unter den verschiedensten Auspizien diskutiert wird. Die Pensionsversicherungsanstalt sagt: Ja, es wäre doch darüber nachzudenken, auf 67 anzuheben! Wirtschaftsforscher von verschiedenen Instituten werden ausgeschickt, um zu sagen: Pensionen sind nicht mehr leistbar, wir müssen auf 67 gehen. – Nein, das ist nicht der Fall!

Ich rate auch allen, die permanent das staatliche Pensionssystem schlechtreden, einmal genauer nachzuschauen. Es ist das sicherste System für die Menschen. Den jungen Leuten einzureden: Ihr werdet einmal keine Pension haben!, ist wirklich unanständig. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich kann Ihnen Artikel aus Zeitungen aus den Fünfzigerjahren zeigen, in denen gesagt wurde: Die Pensionen werden nicht mehr leistbar sein. – Geh, Schmarrn! Natürlich waren sie leistbar, und gut gehalten haben sie, weil wir ein gutes


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System haben, ein wirklich gutes System, und weil wir einen Generationen­vertrag haben. Darum funktioniert es.

Es gibt natürlich jetzt geburtenstärkere Jahrgänge, die in Pension gehen werden, das ist klar. Danach kommt aber wieder eine Abflachung. Die Berechnungen sind alle da, es geht sich aus. Ganz ehrlich: Anhebung auf 67, das klingt irgendwie so, aber für die Menschen, die in Beschäftigung sind, unter großem Druck arbeiten, für viele Menschen ist das eine schwere Drohung. Sie werden trotzdem früher in Pension gehen und müssen dann hohe Abschläge in Kauf nehmen, das heißt, das ist in Wahrheit eine versteckte Pensionskürzung und nichts anderes. Und das wird es mit der Sozialdemokratie auf keinen Fall geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen! Die Höhe der Pension ist natürlich von der Lebenserwerbssumme abhängig, davon, was man in seinem Leben verdient hat. Das ist ganz, ganz wichtig. Darum ist ein gutes Einkommen ganz, ganz wesentlich.

Kollegin Gerdenitsch hat es schon angesprochen: Es war der Equal-Pay-Day. Heute ist der Equal-Pay-Day für die Lehrlinge. Das ist ein bisschen ein anderer Equal-Pay-Day, denn Lehrlinge können ihr Einkommen nicht verhandeln, sondern es ist festgelegt. Es gibt bereits zu Beginn beim Equal-Pay-Day der Lehrlinge – da fangen die jungen Menschen mit einer Lehre an – einen Einkommensunterschied von 14,5 Prozent. Das ist gewaltig. Heute ist dieser Tag, ab da arbeiten die weiblichen Lehrlinge gratis. Das ist nicht gut, sondern wir brauchen eine Neubewertung der Arbeit. Frauenbranchen müssen besser bezahlt werden, wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen, denn das ist Gerechtigkeit.

Wenn man schon zu Beginn des Berufslebens mit einer schlechteren Startposition anfängt: Was kommt dann an schlechterem Einkommen heraus und was kommt als Pension heraus? –Das ist nicht das, wie wir uns


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Gerechtigkeit vorstellen. Da werden wir natürlich weiter kämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes lassen Sie mich noch abschließend sagen: Es gibt jetzt ganz viele Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter, Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die gemeinsam für eine gerechte und faire Lohnerhöhung kämpfen, in verschiedensten Branchen – seien es die Metaller, sei es die Sozialwirtschaft, sei es der Handel, sei es der öffentliche Dienst. Da wird darum gekämpft, dass die Menschen ein gutes Einkommen haben. Sie haben die volle Solidarität der Sozialdemokratie, denn es geht darum, wegen Ihrer großen Teuerungswellen, die Sie nicht abgefedert haben, nun den Menschen dafür, was sie geleistet haben, etwas zurückzugeben, es geht darum, dass sie eine ordentliche Lohnerhöhung bekommen. Das ist einfach nur fair und es ist gerecht, dass dafür gekämpft wird.

Wir wünschen allen Verhandlerinnen und Verhandlern ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen. Es ist nicht leicht, es geht um die Zukunft dieses Landes. Es geht um die Kaufkraft: Können sich die Menschen zukünftig noch etwas leisten? Auch bei den Klein- und Mittelbetrieben? Können sie in die Gasthäuser gehen? Können sie es sich noch leisten, dort hinzugehen? Das ist ganz wichtig. Die Kaufkraft ist ein ganz, ganz wesentlicher Faktor.

Wenn es keine starken Erhöhungen geben wird, ist es auch schwierig für unser Sozialversicherungssystem, weil die Beiträge fehlen. Also da hängt sehr viel dran. Ich bitte um Ihrer aller Solidarität mit den Beschäftigten in diesem Bereich. Sie haben Großartiges geleistet und sie haben eine gerechte Lohnerhöhung verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Steinmaurer. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.



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18.48.58

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister Rauch! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseher zu Hause und im Saal! Grundsätzlich soll das ASVG an das Maßnahmenvollzugs­anpassungs­gesetz angepasst werden. Zudem soll im Allgemeinen Pensionsgesetz eine redaktionelle Klarstellung vorgenommen werden.

Insbesondere die Regelung bei der Korridorpension und ihre Auswirkungen sind aber nicht zielführend. Ein wesentlicher Teil ist die Causa Sonderpensionen und deren Deckelung. Da muss man das Bezügegesetz und das Bezügebegren­zungs­gesetz sehen.

Ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser geplanten Änderung ist die Pensions­erhöhung. In der Änderung für die Pensionsanpassung 2024 ist vorgesehen, das Gesamtpensionseinkommen zu erhöhen. Bis zu einer monatlichen Pension von 5 850 Euro soll die Erhöhung 9,7 Prozent betragen. Diese angeführte Pensionserhöhung von Pensionen mit 5 850 Euro entspricht der Höchstbemes­sungsgrundlage. Es handelt sich um Pensionen der Mindestpensionisten und der Höchstpensionisten.

Unser Zugang zu den Pensionserhöhungen ist allseits bekannt, aber ich erläutere ihn gerne noch einmal. Die kleineren Pensionen sollen um einen Fixbetrag erhöht werden, denn die prozentuelle Erhöhung wirkt sich bei diesen Pensionen geringer aus als bei den höheren Pensionen. Es kann doch nicht sein, dass der Mindestpensionist oder die Mindestpensionistin die gleiche prozentuelle Pensionserhöhung erhält wie der mit einer Pension in Höhe der Höchstbemes­sungs­grundlage. Da wird doch genau der falsche Effekt erzielt, nämlich dass die Kluft immer größer wird.

Ein positiver Vorschlag ist, dass die Sonderpensionen zu der Pension dazuge­rech­net werden und an den Dachverband der Pensionsversiche­rungsträger gemeldet werden müssen. Zu begrüßen ist auch die einheitliche Erhöhung, wenn die Erhöhungen sämtlicher Versicherungen gleich sind, wie zum Beispiel die der


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Sozialversicherung der Bauern, die der Sozialversicherung der Gewerbetrei­benden und die der Versicherten gemäß ASVG. Die Aufwertungszahl ist für mich eine Sache für sich.

Zur Korridorpension: Ein Bauarbeiter, der in die Korridorpension oder in die Schwerarbeiterpension geht, hat ja schon Abschläge von 1,8 Prozent pro Jahr, wenn er vor seinem 65. Lebensjahr in Pension geht – übrigens nach 45 Beitragsjahren. Das ist eine Kürzung von 9 Prozent. Ich denke, es können in diesem Raum nicht alle sagen, dass sie mit 15 Jahren zu arbeiten begonnen haben. Ein Beispiel: Ein Bauarbeiter, der durchgehend bei verschiedenen Firmen beschäftigt war, 43,5 Jahre an Versicherungsjahren hat, kann im Baugewerbe mit 58,5 Jahren unter diesen Voraussetzungen das Überbrückungsgeld für 18 Monate beantragen. Somit geht er mit 60 Jahren in Pension – und glauben Sie mir: Ein Bauarbeiter, der so lange am Bau gearbeitet hat, ist körperlich gezeichnet. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau bei dieser Personengruppe wird bei der Aufwertungszahl wieder um rund 10 Prozent gekürzt. Das kann doch nicht als gerecht bezeichnet werden.

Trotzdem wird seitens der FPÖ-Bundesratsfraktion die Pensionserhöhung begrüßt und ihr zugestimmt, aber bei den kleinsten Pensionen beziehungsweise Mindestpensionisten wäre eine bessere Lösung vereinbar und möglich gewesen. Wir stimmen dem Antrag zu.

Abschließend bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“

Der Antrag wurde von der Parlamentsdirektion verteilt, und ich erläutere ihn wie folgt.


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend Regierungsvorlagen zuzuleiten bzw. entsprechende Maßnahmen zu setzen, die die Umsetzung insbesondere nachstehender Forderungen im Sinne des Stopps der derzeitigen Kostenlawine zur Entlastung für Österreich sicherstellen“.

*****

Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.53


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Der von den Bundesräten Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ wurde gemäß § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates vervielfältigt und verteilt, in seinen Kernpunkten erläutert, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Minister.


18.54.24

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vielleicht zunächst ein paar Bemerkungen zu den Pensionsanpassungen und dann zum Pensionssystem insgesamt, weil ja doch vereinzelt kommt und vor allem von den NEOS immer wieder Kritik geäußert worden ist, dass das ja alles völlig aus dem Ruder läuft und wir uns das nicht leisten können.

Zunächst ist festzuhalten, dass natürlich die Rekordinflation, die wir hatten, Auswirkungen insbesondere auf die Mindestpensionisten und Mindestpen­sionistinnen hatte und wir deshalb Maßnahmen ergriffen haben, um das abzufedern. Der Durchrechnungshorizont bei den Pensionsrechnungen ist


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gesetzlich festgelegt und betrachtet die Inflation von Mitte des Jahres bis zur Mitte des Jahres, was zu Zeiten der hohen Inflation im letzten Jahr dazu geführt hat, dass der gesetzliche Anpassungsfaktor bei 5,8 Prozent und heuer bei fast 10 Prozent gelegen ist.

Das ist deshalb wichtig festzuhalten, weil da natürlich dann Vorzieh- und Nachzieheffekte entstehen, die schwierig zu bewältigen sind. Das war auch der Grund, warum wir als Bundesregierung im letzten Jahr bei der Pensionserhöhung auch mit Einmalzahlungen und Sonderzahlungen in Vorlage gegangen sind, um diese Differenzen auszugleichen und abzufedern. Das ist auch gelungen, und es konzedieren uns auch alle Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher, dass die Inflationsanpassung der Pensionen plus die geleisteten Zahlungen dazu beigetragen haben, diese auch abzusichern.

Jetzt haben wir die gegenteilige Situation – einen mit etwa 10 Prozent hohen Durchrechnungshorizont von Jahr zu Jahr und einen Ausblick auf deutlich sinkende Inflation im nächsten Jahr –, in der es jetzt eben auch zu dieser Anpassung kommt, die richtig ist.

Was das Pensionskonto betrifft, Folgendes: Wenn die Kritik vonseiten der NEOS lautet, diese Anpassung, die Schutzklausel im Pensionskonto sei unsystematisch, dann muss ich Ihnen sagen, dass die Inflation auch unsystema­tisch ist. Das ist der Punkt, warum wir es machen. Diese Unsystematik hat uns eben für das heurige Jahr dazu veranlasst, und, Frau Bundesrätin Schumann, das ist im nächsten Jahr natürlich auch zu betrachten. Wir haben gesagt, wir werden uns im nächsten Jahr anschauen, wie die Inflationsentwicklung ist, und werden dann entscheiden, ob diese Schutzklausel auch im nächsten Jahr Platz greifen wird. (Bundesrätin Schumann: Schauen wir!) Das alles dient dazu, die besondere Situation, die wir jetzt entlang der Inflation haben, abzufedern und abzusichern. Das ist ja nicht aus Jux und Tollerei erfunden worden.

Was klar ist: All diese Maßnahmen im Bündel führen dazu, dass Mindestpen­sionistinnen und Mindestpensionisten im nächsten Jahr fast 200 Euro mehr


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bekommen als noch 2022. Ich finde, das ist nur fair und gerecht. Es ist auch so, dass die Ausgleichszulage steigt. Das ist auch wichtig, weil davon insbesondere auch die ganz kleinen Einkommen von Mindestpensionisten betroffen sind.

Zur Pensionsthematik insgesamt: Ich bin ja auch schon etwas älter und kann mich erinnern: Das Pensionssystem ist nicht mehr finanzierbar, läuft aus dem Ruder und scheitert – das höre ich seit 20 oder 30 Jahren. Es ist immer noch da, funktioniert immer noch, und es ist gut, dass wir dieses Umlagesystem haben. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich warne davor, in der Republik eine Debatte anzuzetteln, die allenfalls in die Richtung gehen würde, stattdessen ein kapitalgedecktes Verfahren einzuführen. (Bundesrätin Schumann: Das glaube ich!) Ich warne vor dieser Debatte; also man kann über alles reden, das ist unbestritten, aber was ist denn der Effekt? – Schauen Sie in die Länder, die das haben, die die kapitalgedeckten Pensions­systeme haben! Alle diese Länder haben massive Probleme entlang der Verwerfungen an den Börsen, und das ist Finanzkapitalismus pur, jetzt die Verluste, die entstanden sind, abzufedern. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das muss man bei der Kostenbetrachtung einfach auch dazusagen. Ja, natürlich steigen jetzt die staatlichen Aufwendungen in das Pensionssystem für einen gewissen Zeitraum, wobei immer dazugesagt werden muss – (in Richtung Bundesrat Ebner) Sie haben es eh sehr schön dargelegt –, dass ja ein wichtiger Teil ins System zurückfließt, dass die Pensionistinnen und Pensionisten Steuern abführen, dass sie Sozialversicherungsabgaben leisten, dass die Pensionen auch für die Wirtschaft ausgegeben werden und das volkswirtschaft­lich zu betrachten ist.

Selbst die Pensionssicherungskommission und auch der Rechnungshof sagen, dass wir entlang der Demografie zwar jetzt steigende Aufwendungen haben, aber mit Blickrichtung 2060, 2070 und folgende wieder die Abflachung kommt. Das heißt, das ist gewissermaßen eine vorübergehende Delle im System – ja, das kostet Geld –, die aber danach wieder ausgeglichen wird. Und aufgrund dieser


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jetzt augenblicklichen demografischen Situation ein System zu kübeln, das sich bewährt hat und das sich im Unterschied zu Deutschland übrigens auf einem Niveau bewegt, das sich europäisch mehr als nur sehen lassen kann, davor würde ich ganz dringend warnen.

Was die Anpassung oder die Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters angeht, muss man schon auch bei der historischen Wahrheit bleiben. Das wurde 1992 von der Regierung Vranitzky beschlossen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es war aber nicht die Erfindung der Sozialdemokratie, das zu beschließen, weil sie es gerade lustig gefunden hat, sondern es wurde beschlossen, weil der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung getroffen hatte, dass die ungleiche Behandlung des Pensionsantrittsalters verfassungswidrig ist. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, genau!) Dann hat man das repariert und einen langen Vorlauf implementiert. Deshalb tritt es jetzt mit 1. Jänner nächsten Jahres in Kraft. Man kann da also nicht so tun, als wäre das vom Himmel gefallen. Das ist jetzt einfach so zu beschließen.

Letzter Satz aus meiner Sicht: Das Pensionssystem ist sicher. Ich würde schon bitten, auch diese Botschaft zu vermitteln. Ja, es kostet den Steuerzahler über die Budgetzuschüsse Geld. Ich finde das aber auch richtig so, denn jedes andere System ist im Endeffekt teurer, ungerechter und unsicherer. Ich bin auch froh, dass dieses System, das wir haben, in der Vergangenheit von allen, die daran beteiligt waren, so geschaffen und erkämpft worden ist. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

19.01


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Himmer hebt die Hand.) – Bitte, Herr Kollege Himmer.



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19.01.27

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Saal! Ich möchte da etwas nicht ganz unkommentiert lassen, damit nicht der Eindruck entsteht, es wäre so, dass man immer wieder eine ständige Erinnerung braucht, um endlich einmal etwas gegen Phänomene wie Preissteigerung, Inflation und den Umstand, dass sich die Menschen in Österreich das Leben nicht leisten können, zu tun.

Ich denke, wir leben in einem Land, das nicht nur in sich, sondern auch international gut dasteht. Wir alle, die wir Zugang zu Medien haben, haben in den letzten Tagen auch vernehmen können, welche Veröffentlichungen es von der OECD gegeben hat. – Kollege Steiner muss gähnen. (Heiterkeit des Redners.)

Wenn wir die Ergebnisse gesehen haben, dann war es doch so, dass wir erkannt haben, dass Österreich im europäischen Vergleich bei der Kaufkraft sehr gut liegt – ob das Platz 7 in der Studie der GfK oder Platz 3 bei jener der OECD in der Kaufkraft ist. Das ist ja nicht irgendetwas!

Jetzt gehe ich gar nicht her und sage: Wenn ein solches Studienergebnis vorliegt, dann kann man daraus ableiten, was die Bundesregierung in den letzten paar Wochen gemacht hat!, und kann sich selbstgefällig auf die Schulter klopfen und sagen, wie großartig man ist, eines kann man aber schon sagen: Natürlich ist es in allererster Linie einmal die Leistung der Österreicherinnen und Öster­reicher, der Unternehmer, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die hier arbeiten, die hier leisten, die hier exportieren, produzieren und die Wirtschaft am Laufen halten, dass wir wirtschaftlich so gut dastehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Selbstverständlich ist der Status, in dem sich die Republik befindet, auch eine Mischung aus all den Politiken, die in den letzten Jahren gemacht worden sind. Da sind viele Maßnahmen drinnen, die mit den Sozialdemokraten beschlossen worden sind, und viele Maßnahmen, die auch mit den Freiheitlichen beschlossen


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worden sind. Ja okay, die Volkspartei war in den letzten 30 Jahren recht kontinuierlich bei den Beschlüssen dabei. Lassen wir aber doch die Kirche im Dorf!

Es ist ganz klar: In der Politik ist es immer wichtig – insbesondere im Hinblick auf Wahlen –, dass es eine Unzufriedenheit gibt. Für die Opposition ist das wichtig, nicht? Eine Unzufriedenheit muss da sein, damit ein Wechselbedürfnis bei den Wahlen besteht. Das ist auch legitim. Da darf man auch ein bissel mehr jammern, als es einem schlecht geht. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Wir dürfen aber auf der anderen Seite natürlich schon auch sagen, was die Fakten sind. Wenn man hergeht und in einem Zeitraum von 2022 bis 2026 als Republik 40 Milliarden Euro in die Hand nimmt, um die Teuerung zu bekämpfen, dann ist es einfach lächerlich, zu sagen, dass keine Maßnahmen gesetzt werden. Wenn man bei der Kaufkraft auf Platz drei liegt, ist es lächerlich, zu sagen, dass es den Österreichern ganz besonders übel geht. (Heiterkeit und Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Wir haben die Sozialleistungen valorisiert, daher kann man nicht davon sprechen, dass wir die Menschen im Stich lassen. Wenn man sieht, dass diese Maßnahmen ja letztendlich auch so greifen, dass die Menschen sich das Leben wieder leisten können, dann weiß man, dass man da auf dem richtigen Kurs ist.

Das heißt: Lassen wir die Kirche im Dorf! Stehen wir dazu, dass wir nicht nur in einem schönen Land leben, sondern dass wir auch in einem wirtschaftlich erfolgreichen Land leben! (Bundesrätin Hahn: Bald werden wir keinen Sozialstaat mehr haben!) Stehen wir dazu, dass es uns als Österreicher:innen Gott sei Dank nicht nur im internationalen, sondern auch im innereuropäischen Vergleich sehr gut geht!


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Stehen wir dazu, dass es nicht nur die Politik ist oder sich die Politik da nicht mehr als notwendig loben muss, weil es natürlich die Österreicherinnen und Österreicher sind, die diese Wirtschaftsleistung erbringen! Wir können aber auch dazu stehen, dass in der Wechselwirkung zwischen der Politik und der Wirtschaft nicht alles falsch laufen kann, denn sonst wären wir nicht dort, wo wir sind. Das gehört auch einmal gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.06 19.06.47


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Das habt ihr jetzt gemacht. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegeben Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest. – Die erforderliche Anwesenheit ist festgestellt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu


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erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Steinmaurer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensions­gesetz 1965 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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19.10.0521. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – (G-ZG) geändert wird (2207 d.B. und 2225 d.B. sowie 11315/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht. 19.10.25


Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits-Zielsteuerungs­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile es ihm.


19.10.59

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, Kollege Himmer, Sie haben hier jetzt auch Ihre Sichtweise geäußert, aber Faktum ist schon, dass wir eine Inflation von über 11 Prozent gehabt haben und dass sie jetzt noch immer bei 5 Prozent oder 6 Prozent liegt.


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Fakt ist auch, dass die Sozialmärkte überrannt worden sind, weil sich sehr viele Familien die Teuerungswelle und die Preise nicht mehr leisten konnten; ich glaube, das hat jeder gesehen beziehungsweise mitgekriegt – und dafür war auch diese Regierung verantwortlich. (Bundesrat Himmer: In Luxemburg gibt’s eine höhere Kaufkraft! Ist ein Faktum, ja! Luxemburg ist besser!) – Ja, wir brauchen nur zu schauen, wie es in den Sozialmärkten ausgeschaut hat. Auch bei der Enquete über Soziales haben wir mitgekriegt, dass die Menschen draußen damals und auch jetzt immer noch sehr leiden, gerade Familien. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, jetzt geht es um das Thema Gesundheit. Das ist genauso wichtig wie das Thema Pensionen. Leider Gottes hat der Verfassungs­gerichtshof wieder einmal ein Gesetz in Teilen aufgehoben, sodass dieses Gesetz wieder durch eine Novelle korrigiert werden muss, nämlich durch diese Novelle des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes.

Leider hat es die Regierung wieder einmal verpasst, diese Möglichkeit zu nutzen, um die vorhandenen Strukturen zu reformieren und endlich zielorientiert für die Patienten zu handeln. Wir werden dieser Novelle nicht zustimmen, weil dieses gesamte Gesetz und auch die Zielsteuerungsvereinbarungen, die der Bund mit den Ländern geschlossen hat, nicht einmal ansatzweise die Vorgaben und Ziele erfüllen.

In den nächsten fünf Jahren werden über 10 Milliarden Euro für unser Gesund­heitssystem ausgegeben, allerdings ohne wirkungsorientierte Ziele. Obwohl unser Gesundheitssystem eines der teuersten ist, fehlt es leider Gottes weiterhin an allen Ecken und Enden in der Versorgung, gerade was das Gesundheits­personal betrifft. Die FPÖ verweist schon längst darauf, dass es dringend not­wen­dig wäre, dieses gesamte Regelsystem im Rahmen des Finanzausgleichs und der Zielsteuerung Gesundheit neu aufzusetzen.

Dass dieses System gescheitert ist, zeigen auch die Monitoringberichte der Landes-Zielsteuerungskommissionen, denn kein einziges der groß verkündeten Ziele wurde erreicht. Weder wurde die Versorgung im niedergelassenen


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Bereich verbessert – die Versorgungsdichte durch Kassenärzte hat immer weiter abgenommen –, noch konnte die Inanspruchnahme der Spitäler reduziert werden. Nein, der Drang in die Spitalsambulanzen hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt.

Herr Bundesminister, in diese Situation sind wir vor allem deshalb gekommen, weil diese Regierung in den letzten Jahren den Finanzausgleich und die Vorgaben im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit einfach unkritisch weiter fortgeschrieben hat. Die Länder kriegen, wir wissen es jetzt, knapp 1 Milliarde Euro mehr Geld für den Gesundheitsbereich, aber ohne konkrete Ziele und ohne Verpflichtungen.

Wir bringen einen Entschließungsantrag zur Lösung des medizinischen Personalmangels ein, und der hat einen sehr starken inhaltlichen Zusammenhang mit dem Problem in der Zielsteuerung Gesundheit. Der erste Punkt befasst sich mit dem Personal, mit dem Strukturplan Gesundheit; der zweite Punkt beschäftigt sich mit den Gehaltsproblemen, mit der Entlohnung der Beschäftig­ten in diesen Bereichen.

Ich stelle folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:


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- Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens

- Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen

- Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens

- Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung

- Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung

- Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes.“

*****

Geschätzte Damen und Herren, diese Regierung versagt leider auf allen Ebenen. Diese Regierung lässt diese Chance einer Reform ungenutzt. Machen Sie daher Platz für rasche Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ.)

19.15


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Der von den Bundesräten Günter Pröller, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.16.03

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte jetzt mit dem, was ich sage, zu dem zurückkommen, um das es beim Tagesordnungspunkt wirklich geht. Es ist so, dass am 30. Juni 2022 der VfGH in mehreren Erkenntnissen


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einzelne Bestimmungen des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes als verfas­sungs­widrig aufgehoben hat. Der Hintergrund ist, dass die notwendige Zustimmung der Länder vor Kundmachung des Gesetzes nicht eingeholt worden ist.

Da Teile des Gesetzes verfassungswidrig waren, mussten auch die daran anknüpfenden Verordnungen als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der VfGH hat eine Reparaturfrist bis zum 31. Dezember 2023 gesetzt, deshalb gibt es diesen Tagesordnungspunkt heute.

Das wird repariert, und zwar konkret so, dass die Grundsatzbestimmungen, die aktuell in das Organisationsrecht der Länder eingreifen, ersatzlos entfallen. Durch diesen Wegfall ändert sich aber inhaltlich faktisch gar nichts, da ja die landesgesetzlichen Bestimmungen weiter in Geltung stehen.

Ich denke deshalb, wir sollten zustimmen und dann an der Gesundheitsreform weiterarbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.17


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin.


19.17.38

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Doris Berger-Grabner! – Sie sieht uns gerade zu. Sie hat mir gerade geschrieben, sie sitzt krank zu Hause und verfolgt unsere Debatte hier im Bundesrat. An dieser Stelle: Schöne Grüße aus dem Bundesrat und gute Besserung! (Allgemeiner Beifall.)

Heute Morgen auf dem Weg ins Parlament erzählte mir mein Taxifahrer von seinen Eltern, die, seit sie in Pension sind, überwiegend in der Türkei leben und immer wieder, so wie zum Beispiel heute, aus der Türkei nach Österreich anreisen – nicht nur für Urlaub oder Verwandtschaftsbesuche, sondern


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haupt­sächlich für lebensnotwendige medizinische Untersuchungen. Warum tun sie das? – Weil wir hier in Österreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz, das wir heute aufgrund eines VfGH-Entscheids reparieren, klingt vielleicht etwas technisch, es ist aber in Summe wesentlich für die Planung einer einheitlichen Versorgungsqualität in ganz Österreich. Der Hauptkritikpunkt des VfGH war ja, dass die Zustimmung der Länder eingeholt werden muss, bevor eine Bestimmung verbindlich gemacht wird, da die Länder ja auch eine zentrale Funktion in der österreichischen Gesundheitsversorgung haben. Er betont also und unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit der Länder und der Länderkompetenzen.

Man würde vielleicht meinen, dass wir alle hier im Bundesrat als Ländervertreter da zustimmen, wenn es um Länderthematiken und Länderkompetenzen geht. Das ist aber nicht so, die freiheitlichen Bundesräte werden heute nicht zustim­men. Sie stellen also die Parteiinteressen über die Länderinteressen. Das ist auch spannend. (Bundesrat Spanring – in Richtung ÖVP –: Immer das Gleiche: Ihr vergesst zu klatschen! – Bundesrat Schennach: Das verwechselt ihr normalerweise!)

Da es bei diesem TOP auch um Gesundheit geht, bietet es sich noch an, ein paar Worte über die Gesundheitsreform zu verlieren, denn der Weg, den wir im Rahmen des Finanzausgleichs gegangen sind oder gehen, ist ein Paradigmen­wechsel in der österreichischen Gesundheitspolitik.

Warum ist das so? – Es gibt zwei Gründe: erstens, weil es der erste Finanz­ausgleich war, bei dem die Sozialversicherungen nicht nur am Verhandlungstisch gesessen sind, sondern auch aktiv Mittel bekommen. Sie bekommen in den nächsten fünf Jahren 300 Millionen Euro pro Jahr – das hat es bislang noch nie gegeben. Der zweite Grund ist: weil wir das Geld nicht einfach so hergeben, sondern es an Ziele und Vereinbarungen entlang der Debatten im Gesundheits­bereich knüpfen.


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Das Prinzip kennen wir eigentlich auch schon aus der Privatwirtschaft. Mich erinnert es immer an – die meisten von euch kennen das auch – Zielverein­barungsgespräche. In vielen Unternehmen ist das gang und gäbe, es werden individuelle und gemeinsame Ziele gesetzt, und wenn diese Ziele erreicht werden, dann winken Boni und Anerkennung. So ähnlich funktioniert das dann auch in der österreichischen Gesundheitspolitik. Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung vereinbaren gemeinsam Ziele im Gesundheitsbereich, und wenn diese Ziele erreicht werden, dann profitieren wir alle, nämlich in Form einer besseren Gesundheitsversorgung und einer höheren Lebensqualität. Um das zu ermöglichen ist es schlussendlich notwendig, dass wir heute diese Reparatur vornehmen, und deshalb werden wir da natürlich mitstimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.21


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Kollege.


19.21.40

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich möchte zum vorigen Tagesordnungspunkt noch etwas sagen: Es war sehr wohltuend, als Sie vorhin das Umlageverfahren der letzten 30, 40 Jahre sehr gelobt haben, als Sie gesagt haben, wie notwendig es ist, dass wir es auch zukünftig beibehalten. Noch mehr Applaus würden Sie wahrscheinlich ernten, wenn Sie die Hacklerregelung wieder aufgreifen würden und sagen würden, dass – als Beispiel – sich Menschen, die 45 Jahre am Bau gearbeitet haben, dann auch die Pension mit 60 verdient haben. Sie haben es, glaube ich, verdient, eine lange Pension zu haben. Ich glaube, da würden Sie noch mehr Applaus bekommen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Zum Tagesordnungspunkt: § 23 des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetzes wird nun – inhaltlich eigentlich unverändert – verfassungskonform gestaltet. Es geht da in Wahrheit um einige Änderungen, die nötig waren, weil Teile eben


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verfassungswidrig waren, was Kollegin Hauschildt-Buschberger schon gesagt hat.

Ich möchte noch einige Worte zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen verlieren: Das ist alles sehr interessant, es ist darin aber noch mehr Liberalisierung vorgesehen, was den Gesundheitsbereich betrifft. Das muss man doch sehr, sehr kritisch sehen, vor allem das mit den Wahlärzten, dass man noch mehr in diese Bezahlschiene geht, sodass Menschen bei Ärzten dann vielleicht noch mehr zahlen müssen. Ich bin da sehr dagegen.

Wenn wir uns die Punkte anschauen, die Notwendigkeiten, die darin erwähnt werden, dann erinnert das an die Zeiten von ÖVP-FPÖ. Sie wissen es: Ihr habt damals die Selbstverwaltung in den Ländern abgeschafft, die Länder waren zuständig, alle Bundesländer, für die Gebietskrankenkassen. Selbstverwaltung liegt dann vor, wenn der Staat einen Teil seiner Verwaltung jenen Personen überträgt, die unmittelbares Interesse haben. Das hat man ihnen damals genommen, das habt ihr ihnen damals gemeinsam genommen, also werden wir diesem Entschließungsantrag heute unmöglich zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Satz noch zu Harry Himmer – er ist jetzt nicht mehr da (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Er kommt schon wieder!) –, ich sage nur: Harry Himmer, schlimmer geht’s nimmer! – Das kann man sagen. Nachdem ich mir seine heutigen Aussagen angehört habe – er hat alles gelobt, alles passt, der Arbeitnehmer, die Wirtschaft, alles läuft bestens; er erinnert daran, dass wir Medien konsumieren, dass wir schauen, was in den Medien los ist, wie gut es nicht allen geht –, frage ich mich wirklich: Wenn es der Wirtschaft eh so super geht, warum zahlt man dann den Arbeitern, die gestern bei der Voest demonstrieren mussten, diese 11 Prozent nicht? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Wolff: Weil es die Inflation weiter antreibt!)

Was ist das? – Das ist ein Widerspruch in sich, dieser Zynismus, diese Abgehobenheit, hier zu stehen, wenn Menschen sich das Leben nicht mehr


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leisten können – wie es vorhin erwähnt wurde –, wenn Menschen sich noch immer beim Sozialmarkt anstellen müssen, Kollege Pröller, wenn Menschen noch immer keine Miete zahlen können, weil es weiterhin so ist, dass sie sich das Leben nicht mehr leisten können. Ich sage nur eines: Runter vom hohen Ross! – In diesem Sinne: Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

19.25


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte sehr.


19.25.07

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Vielleicht gibt es jetzt Gelegenheit – da der Beschluss ja eine formale Korrektur ist, eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit –, ein paar Sätze zur Gesund­heitsreform zu sagen. Herr Bundesrat Pröller hat gemeint, da passiert überhaupt nichts, eigentlich sei die Bundes-Zielsteuerungskommission ein untaugliches Instrument und man solle den Finanzausgleich nutzen, um da gegenzusteuern.

Genau das tun wir, wir sind seit acht Monaten in Verhandlung mit den Bundes­ländern, mit der Sozialversicherung, mit allen Playern im Gesundheitssystem, um genau das zu machen, was letztlich zur Grundsatzvereinbarung, jedenfalls was das Geld angeht, entlang der Devise: es gibt mehr Geld, aber Reformen müssen Platz greifen!, geführt hat.

Der Finanzminister, die Landeshauptleute und ich – ich war auch dabei – sind übereingekommen, in den nächsten fünf Jahren über den Finanzausgleich unter bestimmten Voraussetzungen jährlich 1 Milliarde Euro zusätzlich in das Gesundheitssystem zu investieren. Da sind, das ist genannt worden, erstmals auch 300 Millionen Euro für die Sozialversicherung mit dabei, damit die Sozialversicherung in die Lage versetzt wird, das zu tun, was notwendig ist, nämlich den ambulanten Bereich auszubauen, mehr Ärztinnen und Ärzte mit


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Kassenverträgen zu etablieren, die Primärversorgungszentren auszubauen, in die Prävention zu investieren und Ähnliches mehr.

Das alles dient dazu – und das ist wichtig für die Länder, weil es in Österreich so ist, dass die Finanzierung geteilt ist: für den Spitalsbereich sind die Länder zuständig, für den niedergelassenen Bereich die Sozialversicherungen –, die Spitalsambulanzen zu entlasten, weil evident ist, dass die Länder, die Bundes­länder, alle, unabhängig von der Regierungskonstellation, die dort gegeben ist, darunter leiden, dass aufgrund der Mangelerscheinungen im niedergelassenen Bereich die Spitalsambulanzen überlastet und überlaufen sind. Durch diese Maßnahmen sollen Entlastungen zustande kommen.

Das ist das Wesen dieser Gesundheitsreform, darauf hat man sich geeinigt, das befindet sich im Finale, das wird in die 15a-Vereinbarung gegossen. Es gibt eine ganze Reihe von Begleitlegistik dazu, die weitere Verbesserungen bringt – ich denke nur an den Facharzt für Allgemeinmedizin, ich denke an die Verbesse­run­gen in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, ich denke daran, dass künftig Pflegepersonal im Pflegebereich Tätigkeiten verrichten kann, für die es qualifiziert ist, die bisher aber nicht verrichtet werden durften, weil ein Ärzte­vorbehalt bestanden hat. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Es würde jetzt zu weit führen, das alles auszuführen. Wenn das dann im November/Dezember durch das Parlament – auch durch den Bundesrat – geht, wird das die umfassendste Gesundheitsreform der letzten 20, 30 Jahre, und damit – und das war ja mein Bestreben – werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das System besser wird, dass die Länder, die Spitäler entlastet werden, dass es im niedergelassenen Bereich mehr Ärzt:innen – und ich rede von Kassenärztinnen und Kassenärzten und nicht Wahlärzt:innen – gibt. Es werden auch Regelungen eingezogen, um diesen Trend in Richtung Wahlarzt­praxen zu stoppen, sei es eine Anbindungsverpflichtung an die Elga, eine Dokumentationspflicht und Ähnliches mehr. Wir werden das dann diskutieren, wenn es im Parlament, und somit auch im Bundesrat, ist.


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Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen, zu sagen: Der Finanzausgleich war die Technik, um zu sagen: Ja, es kommt mehr Geld ins System, aber nur entlang von Reformen! Das Mittel der Umsetzung ist die Bundes-Zielsteuerungskom­mission, in der alle drinnen sitzen, die Bundesländer, die Sozialversicherung und der Bund, und das ist auch gut so. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.28 19.28.51


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „6-Punkte-Plan zur Lösung des medizinischen Personalmangels“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.29.5822. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) erlassen und das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG), das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), das


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Tierärztegesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2005, das Biozid­produkte­gesetz, das Chemikaliengesetz 1996 (ChemG 1996), das Patentgesetz 1970, das Apothekengesetz, das Tierschutzgesetz (TSchG) das Tierärztekammergesetz (TÄKamG), das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneibuchgesetz 2012 geändert werden (2210 d.B. und 2226 d.B. sowie 11316/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


19.30.25

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierarzneimittelgesetz erlassen und das Arzneimittelgesetz, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz, das Tierärztegesetz, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2005, das Biozidproduktegesetz, das Chemikaliengesetz 1996, das Patentgesetz 1970, das Apothekengesetz, das Tierschutzgesetz, das Tierärztekammergesetz, das Rezeptpflichtgesetz und das Arzneibuchgesetz 2012 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. November 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.



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19.31.19

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Voranstellen möchte ich auch an dieser Stelle, dass das heute zu beschließende Tierarzneimittelgesetz eine notwendige Umsetzung von EU-Recht ist. Es regelt ganz allgemein die Zulas­sung, Inverkehrbringung und Anwendung von Tierarzneimitteln.

Die weiteren Gesetze, die wir gerade eben in Fülle gehört haben, müssen deshalb geändert werden, weil Tierarzneimittel damit aus dem Arzneimittel­gesetz herausgelöst werden. Diese waren nämlich bisher gemeinsam mit Humanarzneimitteln geregelt.

Die Bundesregierung hat die Gelegenheit dazu genutzt, um den Einsatz von Antibiotika generell und insbesondere von kritischen Antibiotika zu überwachen und auch möglichst zu reduzieren. Ziel ist es, die Entstehung von Resistenzen so weit wie möglich zu verhindern, zu vermeiden, um Antibiotika in der Behandlung von Tieren und Menschen in ihrer Wirksamkeit zu erhalten.

Es ist nämlich tatsächlich so, dass jährlich rund 35 000 Menschen an soge­nannten resistenten Keimen in Europas Krankenhäusern sterben. Das ist eine Zahl, die man nicht übersehen und vor allen Dingen auch nicht verschweigen kann und soll.

Die WHO spricht von einer globalen Bedrohung für die öffentliche Gesundheit und für die Wirtschaft. Das ist das Resultat einer fehlgeleiteten Landwirt­schaftspolitik, Resultat einer Agrarindustrie, die dazu geführt hat, dass 95 Prozent der österreichischen Schweinefleischproben Resistenzen gegen zumindest ein Antibiotikum aufweisen. (Bundesrat Schennach: Und Geflügel! Muss man Kollegen Tiefnig auch sagen!) – Genau, Geflügel auch ganz kritisch, ja. (Weiterer Ruf bei der SPÖ: Gansl! Kein Martinigansl!)


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Die Novelle des Tierarzneimittelgesetzes beinhaltet bezüglich Antibiotika zwei wesentliche Abschnitte. Der eine betrifft das Monitoring, das heißt, die Betriebe werden gemonitort, beziehungsweise liefern die Tierärzte die Daten, wie viel Antibiotika in den Betrieben verbraucht werden. Mit diesen Daten kann dann ausgewertet werden, welcher Betrieb über dem Durchschnitt liegt. In diesen Betrieben wird eine Beratung angeboten und in einem Kaskadenmodell eine Einschränkung. Im allerschlimmsten Fall geht es bis zur Bestandsreduktion.

Das heißt, im Grunde ist es eine Hilfe zur Selbsthilfe, denn erst wenn man den Vergleich mit den Betriebskolleginnen und -kollegen oder landwirtschaftlichen Kolleginnen und Kollegen anstellen kann, weiß man, wo man im Betrieb mit den Verbräuchen steht. Wir haben es im Ausschuss auch kurz angesprochen und gehört, dass es in Österreich grundsätzlich jetzt schon so ist, dass der Verbrauch von Antibiotika wirklich im Sinken ist.

Der zweite Teil, möchte ich auch noch sagen, ist ganz einfach. Wir schützen die sogenannten Reserveantibiotika stärker, indem bei deren Anwendung ein Antibiogramm vorgeschrieben wird. Das ist sinnvoll, das ist klug, weil wir wissen – ich erwähnte es bereits –, dass 95 Prozent der Schweinefleischproben in Österreich laut Ages resistente Keime aufweisen. Das sind hauptsächlich Resistenzen gegen Tetracyclin – dieses Antibiotikum ist wahrscheinlich auch jedem bekannt, es ist ein altes Antibiotikum, das bei Schweinen häufig bei Atemwegserkrankung und teilweise bei Durchfall oder bei Bindehautentzündung angewendet wird.

Das sind eigentlich alles Krankheiten, die auch durchaus Rückschlüsse auf die Haltung dieser Tiere zulassen – aber auch in Bezug auf Tierhaltung machen wir erhebliche Fortschritte, das wissen Sie.

Ich denke, dass wir davon ausgehen können, dass jede Bäuerin und jeder Bauer einen verantwortungsbewussten Umgang mit Antibiotika pflegen will. Dazu geben wir mit diesem Tierarzneimittelgesetz eine Hilfestellung. Es bedeutet in


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der Praxis keine Einschränkung und nebenbei bemerkt auch keine Einschränkung gegenüber europäischen Ländern im Wettbewerb.

Abschließend möchte ich noch sagen: Mit dem heute zu beschließenden Gesetz stellen wir sicher, dass der Einsatz von Antibiotika in Zukunft nur maßvoll geschehen kann, um die Lebensqualität von uns Menschen, aber auch von unseren Nutztieren erhalten zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

19.36


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte.


19.36.10

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Entgegen meiner Vorrednerin, die natürlich ganz viele wichtige Fakten zu diesem Thema angesprochen und auch erläutert hat, möchte ich mich hier in dieser Debatte sozusagen als Praktikerin zu Wort melden. (Bundesrat Schennach: Ihr seid ja in einer Koalition!) – Wir sind in einer Koalition, das stimmt, Herr Kollege Schennach, und ich habe das auch alles für korrekt befunden, was Frau Kollegin Claudia Hauschildt-Buschberger gesagt hat. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Wir reden ja nicht gegeneinander!)

Zu Beginn ist es mir wichtig, zu sagen, dass die Entdeckung des Penicillins ein Meilenstein in der Medizingeschichte war und ist. Der Einsatz von Antibiotika in der Human- sowie in der Veterinärmedizin ist bei lebensbedrohlichen Krankheiten von ungeheurer Bedeutung.

Aus Erfahrung weiß ich als Landwirtin nur zu gut, welche Krankheiten in Tierbeständen, auch wenn die Tiere nach biologischen oder Tierwohlkriterien gehalten werden, auftreten können wie zum Beispiel Lungenerkrankungen. Da


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ist die Zeit jetzt im Herbst wieder besonders gefährlich: kalte, feuchte Luft besonders in Offenfrontstallungen. Der Wetterwechsel wirkt sich da wirklich oft sehr negativ aus: Stoffwechselerkrankungen, Durchfälle zum Beispiel auch bei Futterumstellungen, wenn die Tiere von der Weide wieder hereinkommen, wenn auf Silage umgestellt wird. Das sind sehr viele oft negative Einflüsse, die die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen, ebenso Verletzungen oder Krankheiten rund um die Geburt.

Das alles sind für die Tierhalter kritische und für das Tier auch gefährliche Situationen, in denen dem Tier wirklich schnell und kontrolliert geholfen werden muss, um das Leiden nicht unnötig zu verlängern.

Ich habe es auch schon im Ausschuss erwähnt: Die österreichische Land­wirtschaft hat eine sehr progressive Haltung zum Antibiotikaeinsatz. Es ist den Bäuerinnen und Bauern nicht nur aus wirtschaftlicher Hinsicht enorm wichtig, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, sondern auch aus ethischen Gesichtspunkten.

Ich zum Beispiel bevorzuge in meinem Betrieb in der medizinischen Betreuung meiner Tiere einen naturwissenschaftlichen Ansatz und setze seit beinahe 20 Jahren Homöopathie in der Prävention sehr erfolgreich ein. Ich habe in der Tierhaltung – wir haben Rinder und Schweine – den Antibiotikaeinsatz beinahe auf null reduzieren können. Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Aspekt, sondern ich unterstütze mit diesen Maßnahmen auch das Tierwohl. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Meine Erfahrungen haben nämlich gezeigt, dass homöopathische Arzneimittel nebenwirkungsfrei und rückstandslos sind, und sie stärken vor allem das Tier und die Bestände auf sanfte und nachhaltige Weise. Für viele Tierhalter und Tierärztinnen – im besonderen Tierärztinnen; ich habe Betreuungstier­ärztinnen – ist es eine interessante Alternative geworden.


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Nun aber wieder zurück zum Tierarzneimittelgesetz: Die Landwirtschaft in Österreich ist, was den Einsatz von Antibiotika betrifft, auf einem guten Weg – Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das gut zusammengefasst –, und im Europavergleich liegt Österreich im besten Drittel.

Das heißt, der Verbrauch von Antibiotika in der Nutztierhaltung ist ausgehend vom Jahr 2018, also von vor fünf Jahren, bis zum letzten Jahr 2022 von 47 Tonnen auf 34 Tonnen gesunken, und allein im letzten Jahr konnten im Vergleich zum Jahr davor 12 Prozent Antibiotika in der Behandlung eingespart werden. Dem liegt natürlich auch zugrunde, dass wir in Österreich einen hohen Anteil an Biobetrieben haben, also auch in diesem Bereich sind wir Vorreiter. (Bundesrat Steiner: Rückläufig!) – Nein, nein, Herr Kollege! (Bundesrat Steiner: Na, na, rückläufig ...!) – Nein, Herr Kollege! Sie können sich nachher gerne zu Wort melden. Es gibt eine hohe Zahl an Tierwohlstellen auf Stroh, auf Weide, Auslauf, also Haltungsbedingungen, die einerseits auf hohem Niveau der gesetzlichen Grundlagen basieren, andererseits gibt es viele Qualitätsprogramme in der Tierhaltung, die bereits ein hohes Maß an Tierwohl und damit einhergehend gesunde Tierbestände sichern.

Wo liegen also die Herausforderungen für die Zukunft? – Wie schon erwähnt, in den Antibiotikaresistenzen. Bei sogenannten multiresistenten Keimen – die gibt es auch in der Humanmedizin, aber auch in der Veterinärmedizin – sind Behandlungen mit Antibiotika erfolglos und können somit Leben kosten. Ein Grund dafür ist auch, dass Antibiotika zu häufig eingesetzt werden, nicht nur in der Tierhaltung, auch in der Humanmedizin, viel zu schnell, viel zu oft, und zwar bei Viruserkrankungen, Entzündungen und Erkrankungen der oberen Atemwege, obwohl wir wissen, dass Antibiotika da wirkungslos sind, zu häufig auch präventiv, in der Hoffnung, gegen weitere Erkrankungen abgesichert zu sein.

Hier an dieser Stelle möchte ich auch noch an Folgendes erinnert haben: Oft muss sich die Landwirtschaft der Kritik aussetzen, dass Antibiotika als Leistungs- und Wachstumsförderer in der Nutztierhaltung eingesetzt werden. Das stimmt


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nicht! Seit 2006 ist das in der EU bereits verboten; und ich habe recherchiert: Vorarlberg hat das bereits 1999 in der Fütterung verboten und ist da Vorreiter.

Sorge bereitet uns auch oder sollte uns bereiten, dass zu wenig nach neuen Antibiotika geforscht wird, die dann sozusagen als wirksame Reserveantibiotika zurückgehalten werden. Grund dafür ist ein sogenanntes Marktversagen. Was ist das? – Pharmakonzerne fokussieren sich auf die Steigerung der Aktionärswerte und das hat zur Folge, dass die finanziell aufwendige Vorausentwicklung – die Forschung, Entwicklung, all die Genehmigungsverfahren, auch die Produktion – von fast allen großen Pharmakonzernen wegen mangelnder Gewinnaussichten eingestellt wurde. Das sind Auswirkungen einer Gewinnmaximierung, die meiner Meinung nach sehr bedenklich sind, und da sollte die Pharmaindustrie in die Pflicht genommen werden.

Zusammengefasst: Was ist mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz gelungen? – Wir haben den geregelten Verbrauch, kontrollierten Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung für Tierärzte und Landwirte festgelegt. Auf Basis des EU-Rechts ist die Rechtssicherheit für Tierhalter und Anwender wieder gegeben. Und ganz wichtig: Wir können das Vertrauen der Konsumenten und Konsumen­tinnen in Österreich in die Landwirtschaft und vor allem in die heimischen Lebensmittel weiter stärken.

Ich möchte abschließend noch Ihnen Danke sagen, Herr Bundesminister Rauch, und auch Herrn Bundesminister Totschnig für die gute Zusammenarbeit. Ein Dank auch an die Tierärztekammer und den bäuerlichen Verbänden, die im Vorfeld gemeinsam für die bäuerlichen Betriebe praxistaugliche Lösungen ausverhandelt haben!

Es ist mir ein besonderes Anliegen von hier aus auch den Tierärztinnen und Tierärzten, die für uns Tierhalter am Land in den Praxen arbeiten und 24/7 bereitstehen, wenn auch einmal in der Nacht ein Einsatz notwendig oder lebens­rettend wird, Danke zu sagen. Es ist auch nicht immer leicht, vor allem, weil auch bei den Tierärzten ein Ärztemangel spürbar ist und die Arbeit gerade in


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Großtierpraxen sehr fordernd ist. Ein großer Dank gilt aber vor allem unseren Bäuerinnen und Bauern, die sich mit großem Einsatz 365 Tage im Jahr, Tag und Nacht, um das Wohl und vor allem um die Gesundheit ihrer Tiere kümmern. Das ist nicht immer ganz so leicht und vor allem nicht selbstverständlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Sinne ersuche ich um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.44


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.45.12

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Die vorliegende Novellierung ist die unmittelbare Anwendung von EU-Recht, wie wir gehört haben. Vorweg: Die Sozialdemokratie wird auch dieser Novellierung zustimmen.

Positiv anzumerken ist, dass der Gesetzwerdungsprozess geordnet abgelaufen ist, dass Betroffene involviert wurden, und es eine Begutachtungsfrist gab. Das möchte ich besonders betonen, da die Regierung häufig mit Initiativanträgen werkt und das hier fast schon eine Ausnahme darstellt.

Auch den Inhalten können wir durchwegs zustimmen. Qualität und Sicherheit von Tierarzneimitteln sind für uns von außerordentlicher Wichtigkeit, um unerwünschte Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt zu vermeiden. Der Schwerpunkt in Österreich liegt auch bei der Umsetzung, bei der Verwendung von Antibiotika in der Tiermedizin – das ist richtig und das ist wichtig.

Antibiotikaresistente Keime sind eine reale Gefahr für unser Gesundheitssystem. Kurze Generationsdauer und hohe Mutabilität von Bakterien in Kombination mit häufiger oder falscher Anwendung von Antibiotika sind der Nährboden für


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Resistenzen. Multiresistente Keime, die auf herkömmliche Antibiotika nicht mehr ansprechen, sind eine lauernde Gefahr für Mensch und Tier. Schon heute sterben – ich habe mir das aus der Literatur herausgesucht – jährlich circa 35 000 Menschen in Europa an multiresistenten Keimen. Für Österreich wurde für 2020 die Anzahl der Todesfälle auf über 260 geschätzt. Die WHO spricht von einer globalen Bedrohung für die Gesundheit und die Wirtschaft.

Ein restriktiver Umgang mit Antibiotika und insbesondere mit sogenannten Reserveantibiotika in der Tiermedizin ist daher unumgänglich und zeugt von Verantwortung. Keiner wird erkrankten Tieren die Verabreichung von vorhandenen leidmindernden Medikamenten vorenthalten. Mit dieser Novel­lierung wird aber die Anwendung von kritischen Antibiotika mit einem Antibiogramm verbunden. Die Verwendung von Reserveantibiotika in der Tiermedizin wird somit zielgerichteter. Dies ist entscheidend, um der Entstehung von reserveantibiotikaresistenten Keimen entgegenzuwirken. Wie schon gesagt: Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Wirksamkeit von lebensrettenden Reserveantibiotika zu erhalten, und das findet unsere volle Zustimmung.

Weiters steht der verantwortungsvolle Umgang mit der Tiergesundheit und damit indirekt mit dem Tierwohl im Fokus dieser Novelle. Der Antibiotika­verbrauch wird künftig einem Monitoring unterzogen. Während viele österreichische Bäuerinnen und Bauern von sich aus den Antibiotikaeinsatz durch eine gute landwirtschaftliche Praxis laufend reduzieren, gibt es auch immer wieder Ausreißer. Ein übermäßiger Antibiotikaverbrauch in einem Betrieb steht oftmals in Zusammenhang mit schlechten Haltungsbedingungen und gravierenden Defiziten beim Tierwohl. Im europäischen Vergleich, wie Kollegin, ah (Rufe bei der ÖVP: Miesenberger!) – Miesenberger bereits gesagt hat – danke für die Unterstützung (Heiterkeit der Rednerin sowie der Bundesrät:innen Eder-Gitschthaler, Himmer und Miesenberger Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Gerne!) –, liegen wir im obersten Drittel. Der Experte im Ausschuss hat gemeint, dass in der


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Schweinehaltung und der Rinderhaltung noch Luft nach oben ist und dass wir beim Geflügel schon relativ beziehungsweise sehr gut dastehen.

Mit dem Monitoring des mengenmäßigen Antibiotikaeinsatzes am Hof kann, wie auch schon gesagt, ein Frühwarnsystem ausgelöst werden. Das regelmäßige Überschreiten von Durchschnittswerten macht auf Defizite in der Tierhaltung aufmerksam.

Den Landwirten kann früher als jetzt aktiv eine Hilfestellung angeboten werden, um ihre Stallpraxis überprüfen zu lassen, und eventuelle Missstände können aufgezeigt werden. Der Kreislauf schlechter Praxis kann so vielleicht in manchen Fällen unterbrochen werden, zum Nutzen von Bäuerinnen und Bauern, der Tiere und von Konsumentinnen und Konsumenten.

Jedes Tier, das artgerecht unter der Einhaltung von Tierwohlstandards aufgezogen wird, ist ein Gewinn für uns alle. Das elende Dahinvegetieren von Tieren bis zum gezielten Tod oder das frühzeitige Verenden aufgrund schlechter Praxis sollte in einer verantwortungsvollen Landwirtschaft kein Thema sein. Vielleicht ersparen wir uns damit auch so manches verstörende Bild aus der Landwirtschaft. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

19.50


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf nun Herrn Bundesminister Johannes Rauch um seine Worte bitten.


19.50.52

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bedanke mich für die sich abzeichnende breite Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Es ist eine in einem breiten Prozess erarbeitete Umsetzung, die auch gelungen ist, weil eine ganze Reihe von Stakeholdern


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eingebunden worden ist. Da möchte ich mich bei meinem Haus bedanken, das das wirklich sehr gut organisiert hat.

Warum tun wir das? Es ist zu Recht gesagt worden, der Antibiotikaeinsatz in der österreichischen Landwirtschaft ist tendenziell sinkend, und das seit Langem, und das ist auch gut so. Das ist übrigens ein gutes Argument, heimische Produkte zu kaufen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Da würde ich schon auch darauf hinweisen, dass es einen wesentlichen Unterschied von der Herkunft, der Zucht und der Qualität her macht, ob man ein Lebensmittel aus heimischer Produktion kauft, was den Antibiotikaeinsatz und die Tierhaltung angeht. Ich erinnere an die jüngsten Vorfälle mit polnischem Fleisch, die uns jetzt bekannt geworden sind.

Antibiotikaresistenzen sind eine der größten Problemlagen der Menschheit insgesamt, weil dann, wenn Antibiotika nicht mehr wirksam sind oder Resistenzen entstehen, das Gesundheitssystem, und zwar egal, ob mit Blick auf Mensch oder Tier, ein massives Problem hat. Deshalb gibt es diese Programme, um den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren. Jetzt wird es darum gehen, dass klare Regeln für den sorgfältigen Einsatz kommen, ein explizites Verbot für Antibiotika als reine Wachstumsförderer oder zum Ausgleich für schlechte Tierhaltung. Das ist eben wichtig für die Tiergesundheit insgesamt.

Einen Dank möchte ich noch anbringen: Frau Bundesrätin Miesenberger, Sie haben den Mut gehabt, auch die Rolle der Pharmaindustrie in dieser Frage anzusprechen. Das ist nicht selbstverständlich, weil das ein heikles Thema ist. Sie haben völlig recht mit Ihrer Kritik, dass die Pharmaindustrie die Forschung für niedrigpreisige neue Antibiotika hintanstellt, weil es lukrativer ist, an hochprei­si­gen Medikamenten zu forschen und dort die Preise in Höhen zu treiben, die für Gesundheitssysteme mittlerweile kaum mehr leistbar sind, insbesondere für Krebsmedikamente und für die sogenannten Orphan Drugs, also die Medikamente für seltene Erkrankungen.


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Das führt inzwischen dazu, dass in bestimmten Bereichen die Ausgaben für diese Medikamente 50 Prozent des Budgets ausmachen. Das ist rein renditegetrieben. Dort sind die Preise in den letzten zehn Jahren dermaßen eskaliert, dass die Europäische Union und die Kommission inzwischen dabei sind, eine Legislative auf den Weg zu bekommen, um das einzugrenzen und um die Leistbarkeit, Verfügbarkeit und auch den gerechten Zugang zu regeln und auch zu investie­ren, da es eben nicht sein kann, dass bei den niedrigpreisigen Medika­menten keine Forschung und keine Entwicklung mehr stattfinden. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie das thematisiert haben. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Steiner.


19.54.20

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich wollte jetzt nicht hier heraus­kommen, weil ich Frau Kollegin Miesenberger gratulieren wollte, aber das tue ich auch. Ich finde das sensationell. Man soll auch einmal loben, nicht immer nur schimpfen. Wenn Sie auf Ihrem Hof, in Ihrer Viehwirtschaft bei den Antibiotika nahezu bei null sind, dann sind Sie sicher ein Leitbetrieb, also sensationell, wenn Sie das so durchziehen und das schon seit 20 Jahren. Da waren Sie definitiv Vordenkerin – dazu herzlichen Glückwunsch.

Wir sehen es natürlich ähnlich oder gleich, was den Einsatz von Antibiotika betrifft. Der ist in unserer heimischen Landwirtschaft die letzten Jahre eh schon, muss man sagen – Herr Minister, Sie wissen das ja selber –, um 75 Prozent zurückgegangen. Das ist einmal begrüßenswert. Österreich ist da in der Landwirtschaft auch schon vor diesem Gesetzesbeschluss und vor der Anpas­sung, die wir jetzt von Brüssel her machen müssen, Vorreiter gewesen. Wir waren nie hoch oder nie massiv hoch im Antibiotikaeinsatz. Da sind andere Länder aufgrund der Struktur und auch aufgrund der Größe der Viehbetriebe ganz woanders, in ganz anderen Sphären, was den Antibiotikaeinsatz betrifft.


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Was wir jetzt aber schon ansprechen müssen, und darüber hat leider niemand geredet, weswegen ich mich auch zum Schluss gemeldet habe, weil ich mir gedacht habe, vielleicht sagt es jemand, dann würde sich das bei mir erübrigen: Es ist überbordend, Herr Minister. Es ist nicht überbordend, was den Mitteleinsatz betrifft, aber es ist Gold Plating, könnten wir sagen – ein englisches Wort für: zu viel an Auflagen.

Es gibt jetzt nämlich – und wenn man das nach außen erzählt, wird sich Frau und Herr Österreicher denken, wie es denn so etwas gibt – eine Dokumentations­pflicht. Es muss der Apotheker oder wer auch immer dokumentieren, wenn Augentropfen fürs Meerschweindl oder so etwas in die Apotheke kommen. Wenn sie dann verkauft oder ausgegeben werden, wird es nicht mehr doku­mentiert. Das eine widerspricht also einmal schon dem anderen.

Uns erschließt sich auch nicht, was Ihnen da eingefallen ist, dass jetzt die persönlichen Daten, wenn ein Hundebesitzer kommt und ein Flohmittel oder irgendetwas braucht, wenn jemand irgendetwas für seinen Wellensittich braucht, an den jeweiligen Landeshauptmann und an den Gesundheitsminister geschickt werden. Der Sinn dieser Geschichte erschließt sich mir überhaupt nicht.

Mit dem Gesetz wird es aber leider – dazu muss man schon auch noch etwas sagen, das hat leider niemand angesprochen – für den Landwirt, aber auch für den Veterinär und auch für den Apotheker bürokratischer. Wer nicht Vollzeit Landwirt ist, wird wissen, dass die Zeit knapp bemessen ist. Wenn man neben der Landwirtschaft noch arbeiten muss und dann noch mehr Bürokratie ausgesetzt ist, trägt das sicher dazu bei, dass dem einen oder anderen Landwirt in Österreich, der vielleicht schon am Überlegen war, ob er das überhaupt aufgibt, diese Entscheidung leichter fällt. Somit trägt diese Änderung – hoffent­lich nicht in großen Teilen, aber in einem gewissen Bereich – zum Bauernsterben bei.


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Dazu noch ein paar Zahlen, die ich mir gerade herausgesucht habe: 1985 gab es 2,65 Millionen Rinder in Österreich und heute sind es 1,86 Millionen. Das sind um 800 000 weniger. 1985 gab es 3,7 Millionen Schweine in Österreich und heute sind es 2,8 Millionen. Das ist ein Rückgang von rund einer Million. Jetzt gibt es ein schärferes Gesetz beim Einsatz von Antibiotika, obwohl dieser, wie ich vorhin erwähnt habe, eh schon um knapp 70 Prozent zurückgegangen ist.

Was wir aber bei dieser Gesetzesnovelle wieder nicht betrachten – das sollte man schon immer mitbedenken, wenn man so etwas macht und so ein Gesetz verabschiedet –: Wir in Österreich haben super gute Standards. Das Ziel ist jetzt, mit dem Antibiotikaeinsatz noch weiter runterzufahren. Beim Importgeschichtl aber ist es völlig wurscht, da ist es egal, da beißt sich dann die Katze in den Schwanz. Wenn wir in Österreich die schärfsten Regeln aller schärfsten Regeln haben, es aber dann beim Import völlig egal ist, wie viel Antibiotika in dem Fleischstück drinnen sind (Ruf bei der SPÖ: Kennzeichnungspflicht!): Das kann es doch nicht sein! Da muss man sich als Land hinstellen und sagen: Wenn du zu uns importieren willst, dann hast du diese und jene Regeln zu beachten und zu befolgen, sonst kannst du nicht importieren! – Ganz einfach. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir aber diese Politik so weitermachen, sind wir natürlich nicht selbsterhaltungsfähig. Das ist mir schon bewusst. Wie ich vorhin gesagt habe: Bauernsterben und so weiter. Wir erhalten uns ja leider nicht selber. Es gab 1995 in Österreich 195 000 Landwirte und heute sind es unter 109 000. Seit 2010 hat jeder neunte Landwirt zugesperrt. Die gibt es nicht mehr. Das ist auch nicht mehr wiederbringbar, also das ist erledigt.

Frau Miesenberger, ganz aktuell: Irgendwann im Juni oder so haben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ den Bericht der AMA veröffentlicht – Sie haben gesagt, das stimmt nicht, aber schauen Sie nach, das ist in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ –: Die Zahl der Biobetriebe sank bundes­weit um 579 auf lediglich noch 22 000 Biobetriebe in Österreich. Also auch das ist rückläufig – leider, leider Gottes. (Bundesrätin Miesenberger: Aber ein hohes Niveau ...!) So, das muss man ganz ehrlich sagen, werden wir halt die


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Autarkie und die Selbsterhaltungsfähigkeit, die Eigenversorgung Österreichs nicht sicherstellen. Das muss man ganz ehrlich sagen.

Und wo kommt das Ganze her? – Herr Minister, da nehme ich Sie jetzt ein wenig aus der Pflicht, denn: Wenn wir so weitermachen – den Spruch kennt ihr –, helfen nur Alkohol oder Psychopharmaka. In diesem Fall hilft etwas anderes, denn ein ÖVP-Landwirt hat – in derselben Zeitung – den Spruch geprägt und gesagt: „Wir sind näher dran am Ende der“ heimisch-kleinstrukturierten „Land­wirtschaft, als wir denken, wenn es so weitergeht.“ Und da hat er völlig recht. Also das ist ein ÖVP-Bauernbundmitglied – steht zumindest in der Zeitung –, er hat den Satz geprägt, und der Satz stimmt auch.

Wenn wir so weitermachen, sind wir schneller am Ende der heimisch-kleinstrukturierten Landwirtschaft, als wir denken. Da hat jetzt nicht der Minister allein die Schuld; das Gesetz fällt jetzt quasi in seinen Bereich, aber in Österreich gibt es ein Landwirtschaftsministerium, das – zumindest einmal seit ich denken kann, aber weit darüber hinaus – seit Langem in den Händen der ÖVP ist. Wir haben einen Landwirtschaftsminister, den in Österreich wahrschein­lich nicht einmal die Bauern kennen, geschweige denn der normale Bürger. Ich habe es eh schon einmal gesagt: Es gibt zwei Totschnig in Österreich; der eine war ein guter Radlfahrer und der andere ist Minister.

Man muss es in Erinnerung rufen, ich mache das gerne: Liebe Bevölkerung, liebe Landwirte in Österreich, es gibt einen Landwirtschaftsminister, auch wenn man ihn nicht kennt, weil er natürlich nichts macht, das ist der Herr Totschnig. Melden Sie sich bei ihm! Er wäre eigentlich dafür zuständig, dass das einmal aufhört, dass dem Bauernsterben endlich einmal ein Riegel vorgeschoben wird.

Was mich so aufregt, Frau Kollegin Miesenberger: Sie haben da heraußen geredet, und das kann wahrscheinlich jeder Landwirt sofort unterschreiben. Das kann die FPÖ unterschreiben, das kann die SPÖ unterschreiben, das passt alles. Alles gut! (Ruf bei der SPÖ: Aber?) Aber das Problem ist, dass ihr immer nur über Dinge redet, den Bauern, den Landwirten etwas versprecht


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und ganz das Gegenteil macht. Das hat jetzt 70 Jahre lang funktioniert, Frau Kollegin Miesenberger, aber ich sage Ihnen, bei der nächsten Nationalratswahl werden die Landwirte in Österreich euch und eurem Bauernbund mit Sicherheit ein blaues Wunder verpassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Situation allgemein: Was macht ihr? – Ihr redet ja immer von den kleinen Bauern, von den großen redet ihr ja nie. Was aber macht der Bauernbund? Was macht die Landwirtschaftskammer? Was macht die Raiffeisenkasse? Was macht die ÖVP-Politik? (Eine Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion spricht mit Vorsit­zender Vizepräsidentin Göll.) – Ich habe so lange, wie ich will, Frau Bundesrats­direktorin, das brauchen Sie der Frau Präsidentin nicht zu erklären, wie lange der Christoph Steiner Redezeit hat. (Bundesrat Schennach: Herr Minister Totschnig wäre auch schon draußen!) Ich glaube, Sie kennen die Geschäfts­ordnung des Bundesrates länger als ich, und ich rede da, so lange ich will; und nicht: 2 Minuten hat er noch!, nur damit wir das auch geklärt haben. (Bundesrat Schennach: Sollen wir ihn hereinholen?)

Man muss ganz ehrlich sagen: Ihr habt einfach in den letzten 70 Jahren – oder lassen wir es 65 sein, aber es sind wahrscheinlich eh über 70 – kläglich versagt, denn sonst wären wir ja nicht da, wo wir sind, sonst würde sich ja auch der ÖVP-Bauernbündler nicht hinstellen und diesen Spruch prägen, mit dem er völlig recht hat, der auch unwidersprochen so hingenommen werden muss, weil es halt so ist.

Aber wieso sind wir da, wo wir sind? – Es ist leider Gottes – und das könnt ihr jetzt wahrscheinlich auch nicht verneinen – die Verflechtung der ÖVP mit dem Bauernbund, mit der Raiffeisen, mit der Landwirtschaftskammer das Problem. Da haben es sich ein paar in den gewissen Bereichen gemütlich gemacht, setzen sich da rein und machen drinnen (den Daumen seiner rechten Hand abwechselnd nach oben und nach unten drehend) so oder so. Da können wir, Frau Kollegin Miesenberger, da herinnen reden, was wir wollen, das ist völlig uninteressant, solange draußen in dem System ÖVP, in dem ganzen Klüngel ÖVP, das Problem nicht gelöst ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)


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Wie wird es gelöst? – Das ist quasi – wie soll man sagen? – wie ein gordischer Knoten. Könnt ihr euch erinnern: Alexander der Große ist hergegangen und hat den Gordischen Knoten durchschlagen – und das werden die Landwirte gemeinsam mit den Österreichern spätestens nächstes Jahr im Herbst machen. Da haben wir Nationalratswahl und dann wird der gordische Knoten ÖVP ein für alle Mal gelöst sein. (Bundesrätin Platzer: Oder auch nicht!) – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.04


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Tiefnig hebt die Hand.) – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt aber der Bauernbund ...!)


20.04.40

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Damen und Herren! Lieber Kollege Steiner! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, es ist interessant, dass man beim Thema Tierarzneimittelgesetz auf einmal einen Rund­umschlag gegen den Bauernbund, gegen Minister Totschnig macht. (Bundesrat Steiner: Aber auch das muss man bringen!) Man hat das früher gegen Minister Rupprechter gemacht, man hat das gegen Elli Köstinger gemacht. Es hat niemand so viel Geld nach Hause gebracht wie mit dem Waldfonds (Bundesrat Spanring: Ja, in eure Taschen! Das ist etwas anderes!), und es hat niemand so viel geleistet wie unser Minister Totschnig im Bereich des Themas Sozialversicherungen, dass die Sozialversicherung auch für die Zukunft abgesichert ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das AMA-Gütesiegel, das Sie alle ja immer wieder verpönen, ist entsprechend ausgeweitet worden. Wir sind in Europa das einzige Land, das ein AMA-Gütesiegel beziehungsweise ein Gütesiegel hat. In Deutschland sehnt man es wieder herbei, weil man am Markt nicht mehr existieren kann. Es gibt da vieles mehr. Im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunkts beschließen wir noch eine gewaltige Summe, und da profitiert auch die österreichische


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Bevölkerung, denn auch der Klimaschutz wird entsprechend mitbetrachtet. Wenn wir uns das anschauen: Der Borkenkäfer frisst sich ja durch ganz Österreich und richtet entsprechende Schäden an. Die Pauschalierung, die Sie ja immer verpönt haben, wurde durch den Bauerbund, durch die ÖVP und auch durch das Ministerium gesichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Genossenschaften, Vermarktungs­gemeinschaften hier in Österreich aufgebaut haben. Friedrich Wilhelm Raiffeisen war Vorreiter. Jetzt wird das schlechtgeredet. Wir sehen aber, dass genau im Genossenschaftsbereich die Zukunft liegt, die Sicherheit der Vermarktung, egal ob das die Molkereien sind, ob das die Lagerhausgenossenschaften sind.

Ich denke auch, es ist kurzfristiges Denken, wenn wir glauben, wir müssen alles in diesem Land schlechtreden, wenn Wahlen bevorstehen, wie schon Kollege Himmer gesagt hat. Im Endeffekt, glaube ich, müssen wir in die Zukunft denken. Die Landwirtschaft hat sich verändert, die Produktion hat sich verändert. Wenn wir das vergleichen, heute und vor 20 Jahren, wenn wir die Digitalisierung in der Landwirtschaft sehen: Heute steht der Melkroboter und nicht die Bäuerin oder der Bauer bei der Kuh; der Bauer und die Bäuerin machen die Kontrolle. Es hat sich die Technik bei der Erntearbeit geändert. Wir sind im Bereich der Land­wirtschaft viel breiter aufgestellt, von der Direktvermarktung bis zur Energie­produktion, und trotzdem wollen wir auch den Fortbestand der Almwirtschaft sicherstellen. Dafür brauchen wir die europäischen Mittel, die auch für die nächsten Jahre gesichert sind. In diesem Sinne kann ich nur gratulieren, dass wir vom Bauernbund in den letzten Jahrzehnten solche Minister stellen konnten – noch einmal ein Dankeschön.

Ich glaube, das Schlechtreden brauchen wir in Zeiten wie diesen nicht, sondern wir brauchen Motivatoren, denn wir stehen vor großen Handelsabkommen, etwa Mercosur. Wer steht für die regionale Landwirtschaft in Österreich? – Unser Landwirtschaftsminister Totschnig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer ist beim Wolfmonitoring der Erste gewesen, der sich für die


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Bäuerinnen und Bauern, für den Herdenschutz eingesetzt hat? – Unser Landwirt­schaftsminister Totschnig. Ich brauche nicht auszurücken, er wird ja sicher in absehbarer Zeit vom Rednerpult oder vom Ministersessel aus sprechen. – Noch einmal danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08 20.08.15


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.08.5023. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird (2205 d.B. und 2264 d.B. sowie 11331/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Ich bitte um den Bericht.


20.09.12

Berichterstatter Markus Stotter, BA: Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen vor.


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Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Präsidentin Mag. Claudia Arpa. – Bitte.


20.09.51

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörende! Wälder sind eine unersetzliche Grundlage. Neben der Nutzfunktion spielt auch die Schutzfunktion eine wichtige Rolle – das erleben wir ja sehr häufig – bei Wasser-, Boden-, Klima- und Emissionsschutz, aber auch Sauerstoffproduktion, CO2-Verbrauch sowie das Binden von klimawirksamem Kohlendioxid und auch die Erholungsfunktion spielen für uns eine wesentliche Rolle. Ein weiterer Gedanke, den ich da noch mitgeben möchte: Für einen grünen Planeten brauchen wir gesunde Wälder, und daher ist es wichtig, für intakte Wälder zu sorgen. Das ist auch die Aufgabe des Forstgesetzes.

Trotz diverser Bezüge in der Novelle, dass neue Regelungen wegen des Klimawandels getroffen werden, sind die vorgeschlagenen Änderungen aus unserer Sicht insgesamt nicht ausreichend, um die Wälder Österreichs zukunftsgerecht zu machen. So fehlt aus unserer Sicht die Implementierung wirksamer und zukunftsweisender Maßnahmen zur Schaffung klimafitter Wälder. Die Fördermaßnahmen werden nicht auf nachweisbare Mehrleistungen begrenzt und auch zu wenig präzisiert.

Ein Blick auf das Wald-Wild-Verhältnis: Ein ausgeglichenes Wald-Wild-Verhältnis sollte ja auch Voraussetzung für alle Fördermaßnahmen sein. Aus unserer Sicht sollte ein regional angepasstes intensives Schalenwildmanagement zur Sicherstellung der Naturverjüngung vorgeschrieben werden. (Bundesrat


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Schennach: Das macht eh der Wolf!) Fördermaßnahmen sollten auch ausschließ­lich in jenen Gebieten möglich sein, wo bereits Verbesserungen der Verbiss- und Schadenssituation eingeleitet wurden.

Bei den Fördermaßnahmen zur Steigerung der Kohlenstoffaufnahme und der Kohlenstoffspeicherfähigkeit des Waldes sollten aus unserer Sicht Förderungen nur dann möglich sein, wenn Bewirtschaftungsformen angewandt werden, die nachweislich über ein herkömmliches Maß hinausgehen und auch eine besondere Leistung bedeuten. Förderungen alleine für das Vorhandensein eines Waldes sind unserer Meinung abzulehnen. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Es sollte auch dargestellt werden müssen, wie hoch die erhöhte Kohlenstoff­wirksamkeit wirklich ist. Das ist derzeit noch nicht der Fall.

Noch ein paar Worte zum Waldfonds: Förderungen, die aus dem Waldfonds erbracht werden oder wurden, die über gesetzliche Bestimmungen des Forstgesetzes für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung hinausgehen, benötigen aus unserer Sicht einfach Nachvollziehbarkeit. Das muss überhaupt die Grundvoraussetzung dafür sein, dass eine Förderung ausbezahlt wird.

Ein weiterer Punkt, den ich auch noch ansprechen möchte, sind Neophyten. Neophyten sind jene Pflanzenarten, die bei uns nicht heimisch sind, uns aber vor große Herausforderungen stellen. Sie schaden nämlich Ökosystemen, Wirtschaft und Gesundheit, und daneben führt die Ausbreitung von invasiven gebiets­fremden Arten weltweit zum Verlust der Biodiversität. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Bundesland Kärnten gibt es ein entsprechendes Meldesystem, denn die wirksamste Maßnahme zur Prävention und zur Bekämpfung der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten ist eine gut informierte Öffentlich­keit. Jeder oder jede kann mithelfen, gelistete Arten über dieses Meldesystem zu melden und so zu einer frühzeitigen Entdeckung beizutragen.


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Die Möglichkeit, auf die bereits bekannten Herausforderungen für die Wald­bewirt­schaftung wenigstens auch ansatzweise gesetzlich zu reagieren, wurde unserer Ansicht nach im Rahmen dieser Novelle nicht genutzt. – Wir als SPÖ-Fraktion werden dem nicht zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.13


Vizepräsidentin Margit Göll: Herzlich begrüßen darf ich Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Norbert Totschnig. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen.)

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Viktoria Hutter. – Bitte.


20.14.24

Bundesrätin Viktoria Hutter (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Österreich ist ein Waldland: Knapp die Hälfte der österreichischen Staatsfläche ist mit Wald bedeckt, und die Forstwirtschaft ist mit ihrer nachgelagerten holzverarbeitenden Industrie der zweitgrößte Wirtschaftsfaktor in Österreich. Rund 300 000 Menschen sind in diesem Sektor beschäftigt.

Neben dem bemerkenswerten wirtschaftlichen Faktor, der im Forstgesetz unter Nutzwirkung verankert ist, hat der Wald noch viele weitere Aufgaben zu erfüllen, die wir oftmals – wir haben es gerade vorhin auch gehört – als gegeben hinnehmen und unterschätzen.

Ich finde es sehr schade, Frau Kollegin Arpa, dass die Funktionen des Waldes und die Aufgaben des Waldes generell so wenig wertgeschätzt und nicht wahrgenommen werden. (Bundesrätin Schumann: Das hat sie ja nicht gesagt! Also geh!)

Jedoch leisten diese wie gesagt einen wesentlichen Mehrwert für die gesamte Gesellschaft. Der Wald ist ein Ruhepol, ein Ort, an dem man Kraft tanken kann, an dem man sich erholen kann – die Erholungswirkung des Waldes. Er filtert


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frisches Trinkwasser, ist Lieferant für Sauerstoff, bindet obendrein noch CO2 aus der Atmosphäre und speichert nachhaltig Kohlenstoff im Holz, je nach Verwen­dung nachhaltig und langfristig – die Wohlfahrtswirkung.

Daher möchte ich auch hier an dieser Stelle noch einmal klar Folgendes zum Aus­druck bringen: Nur ein nachhaltig bewirtschafteter Wald ist uns auch eine Stütze im Kampf gegen den Klimawandel, denn nur wenn wir so viel Holz wie möglich langfristig in Dachstühlen, Häusern, Möbeln oder wo auch immer verbauen, ist auch der Kohlenstoff nachhaltig langfristig gebunden.

Noch deutlicher gesagt: Wenn wir die Wälder außer Nutzung stellen und das Holz nicht nutzen, es im Wald verrottet, ist der Wald im besten Fall klimaneutral. Da sehe ich Forderungen, die immer wieder aufkommen, wenn man mit den Menschen diskutiert, nach einer monetären Abgeltung der CO2-Bindung unserer Wälder sehr kritisch, denn eines ist auch ganz klar: Immer dann, wenn Nadeln, Äste, Stämme, Wurzeln, Stöcke verrotten, wird Kohlenstoff freigesetzt. Das könnte dann aber auch bedeuten, dass ich als Waldbesitzerin dafür zahlen muss, wenn wieder Kohlenstoff freigesetzt wird. Das finde ich nicht gut.

Noch schlimmer ist es, wenn die Wälder total ausgeräumt werden: Kein Ast bleibt im Wald zurück, es kommt zur Nährstoffverarmung und in der Folge zu versauerten Böden, kaum Wachstum und letztendlich Humusabbau. Das kann also auch nicht unser Wunsch sein.

Das führt mich auch schon zur letzten im Forstgesetz verankerten Funktion, der Schutzwirkung. Wenn man von der Schutzfunktion des Waldes spricht, denken die meisten Menschen an Berge und die dort vorherrschende Gefahr von Lawinen. Wir kämpfen aber auch mit anderen Elementargefahren und schäd­lichen Umwelteinflüssen, wie Überschwemmungen und Winderosion. Gerade im Osten Niederösterreichs sind der Wind und die Winderosion ein Thema. Agroforst­systeme und die landwirtschaftliche Nutzung von Mehrnutzungshecken können da Abhilfe schaffen. Daher ist die Erleichterung der Anlage solcher Hecken auch


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in Hinblick auf Biodiversität ein Meilenstein in dieser Novellierung des Forst­gesetzes.

Ich selbst komme aus dem Waldviertel, aus dem Bezirk Waidhofen an der Thaya. Gemeinsam mit den Bezirken Krems und Horn sind wir in den letzten Jahren leider zum Borkenkäferhotspot geworden. Alleine im Waldviertel wurden 13 000 Hektar Wald vernichtet. Wir spüren aktuell am eigenen Leib, was es heißt, wenn der Wald fehlt: Ganze Streifen in der Landschaft sind kahl, und genau in diesen Gebieten kommt es vermehrt zu kleinräumigen Überschwem­mungen. Die kahlen Hänge können den Regen, der jetzt meist innerhalb von kürzester Zeit in Starkregenereignissen fällt, nicht mehr so gut aufnehmen wie früher. Die Menschen merken einfach, dass Kleinklima ist ein anderes, die kühlende Wirkung des Waldes fehlt. Die Hänge und Kahlflächen trocknen in der Sonne aus, und so wird es immer schwerer, Wälder wieder aufzuforsten.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an dich, lieber Herr Bundesminister, für die Verlängerung und Aufstockung des Waldfonds für die nächsten zwei Jahre. Es ist wirklich eine Hilfe, die direkt bei den Waldbesitzern draußen ankommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Aufforsten und den Wald in den ersten Jahrzehnten pflegen, kostet Geld. Das kostet die Waldbesitzer richtig viel Geld. Der Waldfonds ist da eine unverzichtbare Unterstützung, trägt natürlich auch maßgeblich zur Aufforstung klimafitter Mischwälder bei und hilft somit letztendlich nicht nur den Waldbesitzenden, sondern der gesamten Gesellschaft.

Die erleichterte Anpassung des Baumartenkatalogs ist ebenso ein wichtiger Schritt, denn wir müssen uns heute schon überlegen, welche Baumarten in 50 bis 100 Jahren das kommende Klima vertragen und auch bestmöglichen nutzen können, um die im Forstgesetz verankerten Funktionen und Aufgaben des Waldes erfüllen zu können.


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Im Wald müssen wir langfristig denken, denn die Umwandlung geht nicht von heute auf morgen – das dauert Generationen.

Auch im Hinblick auf die sich rasch ändernde Zukunft ist die Senkung des Hiebsunreifealters der Fichte von 60 auf 50 Jahre ein wichtiger Schritt, denn so können Fichtenforste etwas schneller in klimafitte, zukunftsfähige, enkel­taugliche Mischwälder umgewandelt werden.

Dürre, Trockenheit, Hitzetage – das alles macht dem Wald zu schaffen und führt auch zu erhöhter Waldbrandgefahr und schlussendlich zu mehr Waldbränden. Diese stellen die Feuerwehren vor große Herausforderungen. Ein bundesweit einheitliches System von Pauschaltarifen und eine einfache Abwicklung sollen hier rasch und möglichst unbürokratisch Abhilfe schaffen.

Herzlichen Dank dafür und auch ein Dankeschön an unsere freiwilligen Feuerwehren in ganz Österreich, die immer wieder zur Stelle sind, wenn wir sie brauchen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Also noch einmal kurz zusammengefasst: Mit der Anpassung des Forstgesetzes an Klima und Klimawandel – unter anderem mit der Senkung des Hiebsunreife­alters der Fichte von 60 auf 50 Jahre, mit der Erweiterung des Baumarten­katalogs, mit der Verankerung der Wohlfahrtswirkung des Waldes hinsichtlich Kohlenstoffaufnahme und -speicherung, mit der pauschalen Abgeltung von Waldbrandbekämpfungsmaßnahmen, mit der landwirtschaftlichen Nutzung von Mehrnutzungshecken und Agroforstflächen und mit den Maßnahmen aus dem Waldfonds – stellen wir sicher, dass wir in Zukunft einen klimafitten und enkeltauglichen Wald haben werden, dass die Wertschöpfung und die Arbeits­plätze im Land gehalten werden können und dass wir auch in Zukunft Österreich als Waldland bezeichnen dürfen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.21


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.



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20.21.46

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Bevor ich zur vorliegenden Gesetzesänderung komme, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken, bedanken bei allen Landwirten und Förstern in ganz Österreich, auch bei den vielen kleinbäuerlichen Betrieben für ihre Arbeit in den Wäldern. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Die Anpassung des Forstgesetzes ist schon längst überfällig gewesen, es hätte schon vor Jahren eine dringende Änderung des Forstgesetzes benötigt. Die wunderbare Kulturlandschaft Wald verdanken wir größtenteils den 140 000 Fami­lien­betrieben in Österreich, die 82 Prozent der Waldfläche bewirtschaften. Der restliche Wald, 18 Prozent, wird von öffentlichen Institutionen, Gemeinden und Bundesforsten, bewirtschaftet.

Erst jetzt im Zuge der gesamten sogenannten Klimahysterie bekommt der Wald endlich vollste Aufmerksamkeit. Unser Wald ist ein wahrhaftiger Naturschatz und ein Kulturgut, er gehört geschützt und bestmöglich bewirtschaftet, denn nur so kann CO2 gespeichert werden.

Unser Forstgesetz ist eines der strengsten Forstgesetze weltweit. Nur hat man im Forstgesetz völlig auf die Menschen vergessen, die den Wald tagtäglich bewirtschaften und somit einen großen Anteil zu der von Ihnen, von der Regie­rung als vorbildlichst gelobten CO2-Bilanz beitragen. Leider wird die wertvolle Arbeit der Land- und Forstwirtschaft noch immer mit keinem Euro abge­golten.

Die FPÖ war schon 2020 der ÖVP hinsichtlich der Sorgen und Probleme der Land- und Forstwirtschaft voraus. Im Jänner 2020 wurde von der FPÖ im Nationalrat ein Antrag zur Änderung der Holzgewächsliste im Forstgesetz eingebracht. Die Änderung beziehungsweise die Anpassung des Baumarten­katalogs wäre schon damals eine dringende Notwendigkeit gewesen. Es waren


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die Regierungsparteien, die mehrmals diesen freiheitlichen Antrag im Nationalrat vertagt haben – und so verstrichen drei Jahre politischer Untätigkeit der ÖVP auf Kosten der Land- und Forstwirtschaft.

Windwurf, Borkenkäfer und andere Schädlinge – das haben wir heute schon gehört – setzen dem Wald zu, aber auch der massive Preisverfall gehört zu den Herausforderungen für unsere Forstwirtschaft. Wir müssen für die Land- und Forstwirte die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit sie sich den geänder­ten Bedingungen anpassen können beziehungsweise dürfen.

Positiv zu bewerten ist, dass neben der Erweiterung der Baumartenliste jetzt auch die rasche und unbürokratische Abgeltung der Waldbrandbekämpfungs­kosten für die Feuerwehren durch den Bund ermöglicht wird.

Wie so oft haben die sogenannten Experten von ÖVP und Grünen wieder etwas Wichtiges vergessen. Wir Freiheitlichen sind der Meinung, dass man sich bei dieser Gesetzesänderung auch gleich dem Altlastensanierungsgesetz hätte widmen müssen, um die Gemeinden, die Grundbesitzer im Falle von Umwelt­katas­trophen wie Erdrutschen, Muren- und Lawinenabgängen von der Abgaben- und Auflagenpflicht für natürliche, in der Natur vorkommende Materialien wie Gestein, Erdreich und Wurzeln mit deren Bäumen zu befreien.

Das ALSAG sieht vor, dass diese Naturmaterialien kostenpflichtig, je nach Belastung des Materials zwischen 9,20 Euro und 29,80 Euro pro Tonne, entsorgt werden müssen. Das Gesetz sieht für Naturereignisse beziehungsweise Naturkatastrophen zwar Ausnahmen vor, jedoch unter Bedingungen wie zum Beispiel der Dokumentationspflicht und der Durchführung chemischer Untersuchungen, bevor die Geröll- und Geschiebemassen überhaupt auf eine Deponie gebracht werden können. Es ist absurd, dass Naturmaterialien als Abfall eingestuft und behandelt werden und zu 100 Prozent abgabenpflichtig sind. Es ist eine Zumutung für die Betroffenen, als Privatperson diese Kosten tragen zu müssen. Auch die Gemeinden gehören vom Bund hinsichtlich dieser Kosten entlastet.


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Der Entschließungsantrag im Nationalrat betreffend „ausnahmslose Befreiung von jeglichen Abgaben – insbesondere Altlastensanierungsbeitrag – bei Unwetter- oder Katastrophenereignissen“ wurde von der Regierung abgelehnt.

Ein weiterer Punkt, der völlig stillschweigend unter den Teppich gekehrt wird, ist der Wildschadensbericht 2022, aber das ist ja auch verständlich: Einen Bericht, der seit Jahren den katastrophalen Zustand beim Verhältnis Wald–Wild aufzeigt und das eigene Versagen dokumentiert, will man natürlich vonseiten der Regierung nicht gerne breiter diskutieren.

Naturverjüngung ist in den meisten Wäldern nicht mehr möglich. Die Ergebnisse der österreichischen Waldinventur 2017 bis 2022 zeigen im Vergleich zur Vorperiode 2007 bis 2009 eine deutliche Verschlechterung der Schadenssitu­ation durch Wildverbiss, wobei im Wirtschaftswald die Schälschäden im Vergleich zum Schutzwald rückläufig sind. Den Schutzwäldern muss in Zukunft größere Aufmerksamkeit bezüglich Verjüngung und Wiederaufforstung geschenkt werden.

Um wirtschaftlichen und ökologischen Schäden vorzubeugen, müssen nach unserem freiheitlichen Verständnis in Zukunft noch mehr Anstrengungen unternommen werden, um bundesweit ausgeglichene Wald-Wild-Verhältnisse herzustellen. Von den 1,37 Millionen Hektar verjüngungsnotwendiger Fläche weisen 40 Prozent, das sind 550 000 Hektar, Wildschäden auf. Davon entfallen 113 000 Hektar auf den so wichtigen Schutzwald.

Da der Bericht im Nationalratsausschuss enderledigt wurde und diesem somit im Forstgesetz keine weitere Bedeutung zukommt, wird sich leider auch im nächsten Wildschadensbericht keine Verbesserung zeigen.

Nun gut, der Anfang ist gemacht, und wir werden dieser Änderung des Forst­gesetzes zustimmen. Es wird aber trotzdem wichtig sein, dass die zukünftige Regierung die Blockiererpartei ÖVP davon überzeugt, dass da möglichst zeitnah nachgebessert werden muss.


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Nun noch zum Einkommensbericht für Betriebe der Landwirtschaft, dem sogenannten Grünen Bericht 2022. Da gibt es Jubelmeldungen von den Schwarzen, während ein Betrieb nach dem anderen vor die Hunde geht. Ein tatsächliches Plus von Einkommen auf den Bauernhöfen – ja, schön wäre es! Die landwirt­schaft­lichen Betriebe stehen bei dem Einkommensniveau von 2011. Gerade das macht das Versagen der ÖVP-Agrarpolitik sichtbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wird erstens nicht berücksichtigt, dass wir eine hohe Inflation haben und damit das reale Plus deutlich niedriger ist. Laut Bericht liegt das durch­schnittliche Betriebseinkommen bei 45 757 Euro. Es wäre schön, wenn das für eine Person wäre, aber im Normalfall leben und arbeiten am Bauernhof mehrere Personen mit. Im Grünen Bericht lesen wir, dass im Durchschnitt 2,7 Personen mitarbeiten. Da schaut die Rechnung natürlich anders aus: Wenn man die 45 757 Euro durch 2,7 dividiert, dann kommen 16 947 Euro pro Person raus, und davon müssen auch noch die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden.

Die schwarzen Interessenvertreter verraten und verkaufen leider die heimische Landwirtschaft wie so oft in Brüssel. Die Situation wird immer wieder schöngeredet, das hilft aber keinem einzigen Bauern. Das Bauernsterben geht weiter; die Zahlen wurden ja heute auch schon von anderen genannt. Bauernsterben im wahrsten Sinne des Wortes: Nicht nur die Höfe sterben, sondern auch die Selbstmordrate bei den Landwirten ist eine der höchsten aller Berufsgruppen.

Die Anzahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe – das ist vorhin schon erwähnt worden – lag laut Grünem Bericht 2022 bei 107 690. Das sind 791 Betriebe, die in einem Jahr zugesperrt haben. Die im Invekos abgebildete landwirtschaftlich genutzte Fläche betrug 2022 rund 2,55 Millionen Hektar. Davon machte Ackerland 1,32 Millionen und Dauergrünland 1,17 Millionen Hektar aus. Zum Vergleich (Bundesrat Schennach: Das ist aber fast die gleiche Rede wie der Herr Steiner!): 1995 gab es noch 192 793 Bauernhöfe.


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Interessanterweise – das ist auch heute schon kurz erwähnt worden – sind die Einkommen der Biobetriebe mit 37 416 Euro noch niedriger. Kein Wunder, dass jetzt auch immer wieder noch mehr Biobetriebe zusperren.

Was bleibt also nach der Regierungsbeteiligung der Grünen? – Weniger Biobetriebe in Österreich als vorher. Die Situation ist verheerend, und die Betriebsmittelpreise sind deutlich gestiegen. Außer heißer Luft und leeren Versprechungen habt ihr von der ÖVP und von den Grünen dagegen aber nichts.

Uns Freiheitlichen liegen die österreichischen Familienbetriebe und auch die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln am Herzen. Im Gegensatz zu den Regierungsparteien wollen wir eine Trendumkehr in der Landwirtschaft schaffen, hin zu Ernährungssouveränität und zu unabhängigen Bauern, die vom Verkauf ihrer hochqualitativen Produkte nicht nur überleben, sondern gut leben können. Dazu braucht es die Umsetzung der folgenden Punkte des freiheitlichen Entlastungpakets für die Landwirtschaft:

Ausstieg aus dem Green Deal: Es braucht weniger EU-Bürokratie. Statt Bauern zu verpflichten, weitere Flächen aus der Produktion zu nehmen, muss die heimische Produktion unterstützt und gestärkt werden.

Importstopp für ukrainisches Billiggetreide: Zum Schutz der heimischen Bauern gilt es, alle erforderlichen Schritte zu setzen, um zollfreie Getreideimporte aus der Ukraine künftig nur noch für die Durchfuhr in die afrikanischen Zielländer zuzulassen.

Sozialversicherungsbeiträge in Krisenzeiten erlassen: Als gerechte, rasche und unbürokratische Hilfe braucht es einen Rettungsschirm für die Landwirtschaft.

AMA-Marketing-Beiträge abschaffen: Die AMA-Beiträge sind spätestens seit der Einführung eines allgemeinen Flächenbeitrags im Jänner 2023 wie eine ver­steckte Grundsteuer.


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Raus aus der Kostenfalle: Die Mehrwertsteuer auf Betriebsmittel sowie die Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe in Krisenzeiten ausgesetzt werden, um die explodierenden Produktionskosten einzudämmen.

Ein Agrargipfel für Ernährungssouveränität: Der Stand der heimischen Ernährungssouveränität muss im Rahmen eines Agrargipfels endlich diskutiert werden, um sinnvolle Konzepte für die Zukunft zu erarbeiten.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirt­schaft wird aufgefordert, zugunsten der heimischen Landwirte die in der Begründung angeführten Punkte des freiheitlichen Entlastungspakets für die Landwirtschaft umzusetzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

20.32


Vizepräsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte.



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20.33.05

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Interessierte, die zu dieser späten Stunde noch unserer Debatte folgen! Ich möchte heute in dieser Debatte noch einen weiteren Punkt beleuchten, nämlich das Thema Umweltschutz, ein Thema, das mich als Grüne und auch als Aktivistin in einer kleinen, lokalen Umwelt-NGO in der Weststeiermark schon sehr viele Jahre begleitet und antreibt.

Das Forstgesetz, das Wasserrechtsgesetz und die Naturschutzgesetze stellen die Kernmaterie der Umweltgesetzgebung dar und sorgen in Wahrheit für die Grundlage gesunder Lebensbedingungen. Die heutige Novelle des Forstgesetzes zieht weitreichende Änderungen nach sich und zeigt, dass wir im Umweltschutz unter grüner Regierungsbeteiligung wieder ein gutes Stück vorankommen. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schwindsackl.)

Fakt ist: In Österreich gibt es nur mehr sehr wenige Naturwaldgebiete. Von den circa 4 Millionen Hektar Wald sind nur 3 Prozent in ihrem natürlichen Zustand und weitere 8 Prozent sehr naturnah. Naturwälder müssen nicht nur aus Klimaschutzsicht, sondern auch aus Biodiversitätssicht erhalten werden. Die heutige Novelle schließt dabei eine sehr wichtige Lücke. Es geht um die Verknüpfung von Forstwirtschaft und Naturschutz. Für Rodungen in Wäldern mit besonderen Lebensräumen wird künftig eine Zusammenarbeit zwischen der Forstbehörde und der Naturschutzbehörde festgelegt.

Wir verankern mit diesem Beschluss, dass bei Rodungen in Naturwaldreser­vaten, in Nationalparks, in Naturschutzgebieten und auf Waldflächen mit Lebensräumen gemäß Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU – sprich in besonders wichtigen Lebensräumen, wenn es um das Thema Artenschutz, um das Thema Biodiversität geht – die Naturschutzbehörde informiert werden muss und das Recht auf eine Stellungnahme hat. Genau dieses Recht auf Stellungnahme gibt der Naturschutzbehörde endlich mehr Mitspracherecht. Die


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Naturschutzbehörde hat die Schutzbestimmungen gemäß EU-Recht zu vollziehen. Sie hat den Zugang zu Informationen und wird das künftig umsetzen. Ich hoffe, dass die Landesbehörden dieses Mitspracherecht auch dement­sprechend nützen werden.

Unsere Wälder sind wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise – das haben wir heute auch schon gehört –, sie beheimaten unzählige Tiere und Pflanzen. Mit dieser Novelle – und da bitte ich die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, noch einmal genau zuzuhören – erhalten Klimaschutz und Artenschutz eine deutlich höhere Priorität im Forstgesetz. Daher bitte ich um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.36


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich darf nun Bundesminister Norbert Totschnig um seine Ausführungen bitten.


20.36.19

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Debatte steht heute die größte inhaltliche Novelle des Forstgesetzes seit 20 Jahren. Wir schaffen damit die gesetzliche Basis, um den Umbau in Richtung klimafitte Wälder rascher vorantreiben zu können.

Das ist notwendig, denn der Klimawandel macht auch vor unseren Wäldern nicht Halt, wie wir feststellen müssen, wenn wir uns die Schäden ansehen: Unwetter, Windwürfe, Schneebruchschäden, Waldbrände, hohe Temperaturen und vor allem auch das Ausmaß der Schäden aufgrund des Borkenkäfers, das wir in Österreich beobachten, in der Vergangenheit mehr im nördlichen Österreich – Niederösterreich und Oberösterreich, Waldviertel, Mühlviertel –, derzeit sehr stark in der Region Osttirol und Oberkärnten.


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Allein in Tirol und in Kärnten mussten aufgrund der Sturmschäden im Sommer 2023 mindestens 600 000 beziehungsweise 700 000 Erntefestmeter Schadholz so rasch wie möglich aus dem Wald gebracht werden.

In den Bundesländern wurden in den vergangenen fünf Jahren mehr als 15 600 Hektar Objektschutzwald vor allem durch den Borkenkäferbefall zerstört, und diese Flächen müssen jetzt natürlich rasch gesichert und wiederauf­geforstet werden. Objektschutzwald heißt, das ist Wald, der unmittelbar dem Schutz des Siedlungsraums dient, der unmittelbar gebraucht wird, und bis ein Schutzwald wieder seine volle Wirksamkeit entfaltet, vergehen 35 bis 50 Jahre. Das heißt, da braucht es auch massiv die Unterstützung der Wildbach- und Lawinenverbauung, um den Schutz in diesen Bereichen so rasch wie möglich wieder zu garantieren.

Der Wald spielt aber auch eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Da geht es einerseits um die Bindung von Kohlenstoff und andererseits darum, dass Holzprodukte als Ersatz für fossile Rohstoffe wesentlich und maßgeblich dazu beitragen können, CO2-Emissionen zu reduzieren.

Nur dank des Waldfonds sind wir derzeit imstande, den Bäuerinnen und Bauern so rasch unbürokratisch zu helfen, die Schadflächen wieder aufzuforsten. Gleichzeitig unterstützen wir mit dem Waldfonds die Holzinitiative, das heißt, wir unterstützen den Holzbau in Österreich und die Verwendung des Rohstoffs Holz.

Es ist schon gesagt worden, es ist in den heurigen Budgetverhandlungen gelungen, den Waldfonds wieder aufzustocken: um jeweils 50 Millionen Euro in den Jahren 2024 und 2025, insgesamt also 100 Millionen Euro – Geld, das wir dringend brauchen.

Den Weg, den wir beschreiten, möchten wir konsequent fortsetzen. Und weil es angesprochen worden ist: Ein Instrument wie den Waldfonds gibt es sonst


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nirgendwo. Damit sind wir vorbildhaft in Europa. Es ist ein innovatives Instrument, und wir schauen auch, dass es gerecht angewendet werden kann. Die Ergebnisse werden ständig evaluiert und eingemeldet. Es gibt auch, beispielsweise wenn es um die Durchforstung geht, Förderobergrenzen. Wenn man es auf die Fläche umlegt, liegt die Obergrenze bei 40 Hektar Waldfläche.

Ich komme zu den inhaltlichen Änderungen der Novelle. Es sind eine Vielzahl an Anpassungen, die wir vornehmen und die aus mehreren Gründen richtungs­weisend sind.

Ich möchte ein paar Punkte aufzählen. Das Erste ist: Es gibt eine Überarbeitung der Zielsetzung des Forstgesetzes, und damit trägt man dem Klimawandel Rechnung, denn damit wird Klimawandel bei den forstlichen Förderungen erstmals berücksichtigt. Der Baumartenkatalog des Forstgesetzes – es ist angesprochen worden – kann künftig flexibler an geänderte klimatische Bedingungen angepasst werden. Zum Beispiel können Baumarten wie Kieferngewächse aus südlicheren Regionen in Europa auf Basis von wissen­schaftlichen Einschätzungen – das ist ganz wichtig, man kann nicht einfach irgendeinen Baum anpflanzen, sondern das muss wissenschaftlich geprüft werden – neu in den Baumartenkatalog aufgenommen werden.

Der Umbau in Richtung standortangepasste Mischwälder wird – das haben wir auch gehört –durch die Senkung des Hiebsunreifealters der Fichte von 60 auf 50 Jahre erleichtert. Was hat das für eine Konsequenz? – Damit wird eine frühzeitige, flächige Nutzung von Fichtenwäldern ermöglicht, mit dem Ziel, dass strukturreichere Mischwälder mit einer hohen Artenvielfalt etabliert werden können. Wir beschleunigen damit die Errichtung klimafitter Wälder.

Klimawandelbedingt nimmt in Österreich auch die Anzahl der Waldbrände stetig zu. Das ist eine riesige Herausforderung für die Feuerwehren in den Regionen. Schauen wir uns die Zahlen an: 2022 gab es knapp 220 Waldbrände in Österreich, heuer waren es bis dato 100 Waldbrände. Mit dieser Novelle ermöglichen wir einen raschen Kostenersatz für etwaige Schäden, bei der


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Ausrüstung zum Beispiel, denn das kommt bei Feuerwehreinsätzen immer wieder vor. Das Anliegen war, dass man da gleiche Bedingungen schafft, dass man ein bundesweit einheitliches und modernes, transparentes System mit gestaffelten Pauschaltarifen schafft, das eine vereinfachte Abwicklung ermöglicht.

Um auch in Zukunft Maßnahmen gegen Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag oder Muren fördern zu können, wird eine Rechtsgrundlage für die Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung geschaffen. Konkret wird der Wildbach- und Lawinenkataster im Forstgesetz verankert. Ergebnis ist eine deutliche Verwaltungsvereinfachung. Es ist in Hin­kunft auch möglich, dass die Öffentlichkeit zum Beispiel in Gefahrenzonenpläne Einsicht nimmt.

Die Anlage von Agroforstflächen wird künftig erleichtert und unterstützt, weil diese Flächen mit Zeitablauf nicht mehr automatisch in den Wirkungsbereich des Gesetzes fallen. Früher ist das nach zehn Jahren praktisch in den Wirkungs­bereich des Forstgesetzes gefallen, sind die Flächen Wald geworden. Mit der neuen gesetzlichen Klarstellung können wir nunmehr sicherstellen, dass Mehrnutzenhecken in Form von Wildobstbäumen oder Sträuchern angepflanzt werden, zum besseren Schutz des fruchtbaren Oberbodens, zum Schutz der Böden vor Austrocknung und Winderosion. Das ist vor allem im östlichen Teil Österreichs, im nordöstlichen Teil Österreichs, von großer Bedeutung.

Im Bereich der forstlichen Ausbildung wird zur Nachwuchssicherung bei den Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung ein neuer Ausbildungsweg für Forstassistentinnen und Forstassistenten eingeführt.

Ich komme zum Schluss: Mit der Novelle des Forstgesetzes tragen wir den geänderten klimatischen Bedingungen Rechnung und schaffen eine zeitgemäße Rechtsgrundlage für den angepassten Umgang mit unserer wertvollen


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Ressource Wald. – Ich danke für eine breite Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.43


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte.


20.43.57

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir das Forstgesetz novellieren, sind mir zwei Gedanken in den Sinn gekommen; zwei Gedanken oder zwei Fragen beschäftigen mich, wenn wir heute das Forstgesetz novellieren.

Ich frage mich – man stelle sich vor –: Was wäre Österreich ohne Wald? – Afrika, was weiß ich, Indien, was auch immer. Im Gegenzug: Was wäre Österreich, wenn das gesamte Berggebiet oder der gesamte alpine Raum Wald wäre? Dann denkt man einmal nach, was wertvoller Lebensraum ist, was Erholungsraum ist, und da wird einem erst bewusst, wie wertvoll der Lebensraum Wald für uns alle ist, nicht nur für die Bauern, die den Wald bewirtschaften, sondern für alle Menschen, die in unserer Region bezie­hungsweise in Österreich leben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir können uns beides nicht vorstellen. Das heißt, dass wir einfach verpflichtet sind, den Wald, den wir haben, zu pflegen. Das ist unser Auftrag und das ist der richtige Weg.

Worum geht es? – Es geht darum, das Forstgesetz so zu ändern, dass wir Maßnahmen setzen, um einen gesunden, vitalen, klimafitten Wald so zu erhalten und zu bewirtschaften, dass der Wald auch in Zeiten des Klimawandels die Anforderungen, die wir Menschen an ihn stellen, erfüllen kann. Das ist, glaube ich, die Kernbotschaft, und das ist auch unsere Kernaufgabe: dass wir das so


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machen, dass der Wald uns schützen kann, so viel Lebensgrundlage geben kann, dass er auch gesund sein kann.

Schauen wir uns ein paar interessante Zahlen an: 48 Prozent der Staatsfläche sind bewaldet. Schaut man sich die land- und forstwirtschaftliche Gesamt­rechnung an, so sieht man, dass aus der Landwirtschaft 10,5 Milliarden Euro und aus der Forstwirtschaft 3 Milliarden Euro an Wertschöpfung erzielt werden – eine große wirtschaftliche Bedeutung. 300 000 Personen beziehen ihr Einkommen im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft, und in Österreich gibt es 140 000 Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer.

Was ökologisch und nachhaltig ganz wesentlich ist: Knapp 90 Prozent des Holzzuwachses werden genutzt. Das heißt, dass jährlich circa 10 Prozent mehr Holz anfallen und weder Raubbau betrieben wird noch nicht bewirtschaftete Flächen dadurch zu Wald werden. Das allein zeigt schon eine ökologische und nachhaltige Forstwirtschaft in Österreich an.

Mit der heutigen Novelle des Forstgesetzes schaffen wir die gesetzliche Basis zum Schutz des Waldes. Nur ein gesunder Wald kann uns den Lebensraum sichern, den wir brauchen, damit viele Gebiete überhaupt besiedelt sein können. Darauf dürfen wir auch nicht vergessen.

Der fortschreitende Klimawandel stellt Österreichs Wälder und dadurch aber auch uns, die Politik, vor große Herausforderungen. Trockenheit, Hitzeperioden, Starkniederschläge, Schneebruch, Windwürfe, dadurch auch starker Borkenkäferbefall machen eine planmäßige Bewirtschaftung des Waldes nach einem auf 15 bis 20 Jahre ausgerichteten Waldwirtschaftsplan, den viele Waldbauern auch haben, fast nicht mehr möglich.

Ich möchte auch daran erinnern, welch wesentliche Rolle ein gesunder Wald und der Baustoff Holz in Bezug auf den Kohlenstoffkreislauf spielen. Die Bindung von Kohlenstoff im Holz und der Ersatz fossiler Rohstoffe durch Holzprodukte tragen maßgeblich zur Einsparung von CO2-Emissionen und damit zum


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Klimaschutz bei und machen uns in vielen Bereichen unabhängiger. Das heißt für mich, der Wald ist ein großer volkswirtschaftlicher Faktor in der ganzen Wertschöpfungskette vom Baum bis zum Möbelstück, hat aber auch diese ökologische Bedeutung. Beides muss gemeinsam betrachtet werden.

Jetzt zu einigen Maßnahmen, die wir heute beschließen werden: Die Fichte ist von Trockenperioden und Hitze stark betroffen. Um schneller Mischkultur aufziehen zu können, wird die Hiebsunreife der Fichte von 60 auf 50 Jahre herabgesetzt.

Wichtig ist: Der Baumartenkatalog des Forstgesetzes kann in Zukunft flexibler an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden und erleichtert so die Umstellung auf eine klimaangepasste Waldbewirtschaftung.

Weiters ist auch eine Rechtsgrundlage für die Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung geschaffen worden, um eben Maßnahmen gegen Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag oder Muren fördern zu können.

Ein wesentlicher Punkt ist auch die Unterstützung durch den Waldfonds. Danke für deinen Einsatz, Herr Bundesminister, dass wir diesen fortführen konnten und er auch um 100 Millionen Euro aufgestockt werden konnte. Durch den Waldfonds wird das Pflanzen und die Pflege des Jungwaldes finanziell unter­stützt und auch die Verwertung des Rohstoffs Biomasse für die Energie- und Wärmeproduktion.

Ich komme zum Schluss und möchte noch Folgendes sagen: Der österreichische Wald hat mit einer Vielzahl an Wirkungen Einfluss auf unser aller Leben.

Ich muss aber einfach ein paar Worte zur SPÖ sagen, und ich bin da wirklich, ja, eigentlich schon nachdenklich. Wo sind die Vertreter der Bundesländer, die Bundesräte von Kärnten, von Tirol, von Osttirol? (Bundesrätin Schumann – auf die Reihen der SPÖ-Bundesrät:innen weisend –: Da, da, da! – Bundesrat Schennach – gleichfalls auf die Reihen der SPÖ-Bundesrät:innen weisend –: Da, da, da!) – Ja, ich weiß schon, wo sie sind, aber wo sind sie politisch (Bundesrätin Schumann: Bei der


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SPÖ! – Bundesrat Schennach: Nicht bei Raiffeisen!), wenn man sieht, was in den letzten Jahren im Wald passiert ist? – Eisregen, Schneebruch, Windwurf, Unwetter, Hochwasser – alles Mögliche! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein gesunder Wald hat eine wohltuende Wirkung für die Allgemeinheit, für alle Menschen! Wollt ihr wirklich die Bauern mit den Schäden dieser Unwetter­katastrophen alleinlassen, sollte man denen gar nicht helfen? Ist das in eurem Sinne? – Wenn Kärnten betroffen ist und Tirol mit 600 000 Festmeter Windwurf extrem betroffen ist, dann verstehe ich die Welt einfach nicht mehr.

Die Gesamtheit des Waldes als Erholungsraum, als Wirtschaftsraum ist für alle Menschen, für die Bevölkerung wichtig, und es ist einfach undenkbar, dass man eigentlich nicht so solidarisch ist (Bundesrätin Schumann: ... eh solida­risch!), dass man da auch sagen kann: Da hilft man zusammen, da steht man zusammen, und dieser Waldfonds ist eine wichtige Einrichtung und kommt allen zugute. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich würde euch gerne einladen, einmal mitzugehen, einen Tag Pflanzen zu setzen, einen Tag Jungwuchs zu betreuen und 30 Jahre zu warten, bis zum ersten Mal eine wirtschaftliche Nutzung erfolgen kann. – Dann so zu reagieren verstehe ich eigentlich nicht. Ich laste es eurer Unwissenheit, eurem Unverständnis an (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Das ist ein bisschen viel! Jetzt ist es ein bisschen viel! – weitere Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ), weil die Zusammenhänge eigentlich einfach nicht ganz plausibel sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Wald schützt Mensch und Infrastruktur, schützt vor Naturgefahren, speichert Kohlenstoff, filtert Luft und Wasser, ist für viele Menschen Erholungs­raum und für die heimischen Tierarten auch Schutz- und Rückzugsraum. In diesem Sinne bitte ich doch um breite Unterstützung.

Wir sind auf einem guten Weg, wir müssen aber auch immer schauen, dass wir da dranbleiben und dass wir wirklich für die Allgemeinheit, für alle


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miteinander einen guten und fitten Wald haben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.53


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann. – Bitte.


20.53.49

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Besser spät als nie, und besser ein paar Verbesserungen (Ruf bei der SPÖ – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Bundesrates Gfrerer –: Hast du auch einen Wald daheim? Hast du einen Wald? – Bundesrat Gfrerer: Na sicher habe ich einen Wald! – Zwischenruf bei der SPÖ – Bundesrat Gfrerer: So viel Dummheit ist mir noch nie untergekommen! – Oh-Rufe bei der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Das war zu viel!) – könnt ihr mir zuhören? (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen) – als gar keine: So war mein erster Eindruck zur vorliegenden Änderung des Forstgesetzes.

Zwar sind noch nicht alle notwendigen Anpassungen darin enthalten, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Besonders erwähnenswert ist, dass mit der Forstgesetznovelle die Bedeutung des Waldes ausdrücklich betont wird – wir Freiheitliche in Kärnten haben nicht umsonst die heurigen Bärentaler Umweltgespräche (Bundesrätin Schumann: Bärentaler!) unter das Motto: Wald im Fokus gestellt, denn nur mit einem gesunden Wald erhalten wir seine Schutz- und Umweltfunktion nachhaltig.

Unsere heimischen Wälder spielen eine entscheidende Rolle als wichtiger natürlicher CO2-Speicher: Der österreichische Wald speichert rund die 40-fache Menge der jährlichen Treibhausgasemissionen Österreichs. Das wird zwar thematisiert, aber die Waldbauern werden für ihre Leistungen nicht entschädigt, was eine massive Schwachstelle dieser Novelle ist.


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Von der Erholungsfunktion bis hin zur Schutzfunktion: Der Wald hat eine enorme Bedeutung für uns, gleichzeitig steht er aber auch massiv unter Druck. Die Feinde des Waldes reichen vom Borkenkäfer über Umweltereignisse bis hin zu den Grünen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Schreuder. – Ruf: In Innsbruck haben sie die ganzen Bäume niedergeschnitten!) – Ja, leider ist das tatsächlich so: Sie wollen am liebsten einen völligen Kahlschlag der Wälder betreiben, um auf jedem Hügel ein Windrad aufstellen zu können. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das ist echt ein Kabarett!) – Ja, es ist so!

Vor allem in meinem Heimatbundesland Kärnten sind Windräder definitiv der falsche Weg. Daher bekennen wir uns zum Schutz des Waldes, denn ein gesunder Wald trägt mehr zum Umweltschutz bei als die Windräder, für die er abgeholzt werden müsste – ganz zu schweigen von den Tausenden Tonnen an Beton, die pro Windrad benötigt werden. Da ist den Grünen das Betongold dann plötzlich doch recht. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Wald ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch unser stärkster Verbündeter im Kampf für Umweltschutz mit Hausverstand. Wir müssen den Schutz des Waldes zur Priorität machen. Hiermit wird ein erster kleiner Schritt zur Erreichung dieses Ziels beigetragen, und wir werden dieser Novelle zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Na dann!)

20.56 20.56.47


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „freiheitliches Entlastungspaket für die Landwirtschaft“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.57.5324. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. Dezember 2010 geänderten Fassung (2180 d.B. und 2233 d.B. sowie 11310/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Zweites Protokoll zu dem am 21. September 2006 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und Neuseeland auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (2188 d.B. und 2234 d.B. sowie 11311/BR d.B.)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppel­besteue­rung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (2196 d.B. und 2235 d.B. sowie 11312/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 24 bis 26, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 24 bis 26 ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um die Berichte.


20.59.16

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. Dezem­ber 2010 geänderten Fassung. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Darüber hinaus bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Zweites Protokoll zu dem am 21. September 2006 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und Neuseeland auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Die Berichte liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlagen einstimmig den Antrag,

1. gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 377

2. den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Danke. 21.00.51


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt. – Die Plätze sind eingenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. August 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. Dezember 2010 geänderten Fassung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung darüber, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Okto­ber 2023 betreffend ein Zweites Protokoll zu dem am 21. September 2006 in Wien unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Österreich und Neuseeland auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf auch dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Auch dieser Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Oktober 2023 betreffend ein Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinde­rung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.


BundesratStenographisches Protokoll959. Sitzung, 959. Sitzung des Bundesrats vom 8. November 2023 / Seite 379

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.04.38Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegt mir ein schriftliches Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 6 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 6:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.“


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*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtlichen Protokolls? – Dies ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 6 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten Sitzung beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 4126/J-BR/2023 bis 4129/J-BR/2023, eingebracht wurden.

Eingelangt sind

der Entschließungsantrag 401/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strafbarkeit der Eltern, Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vormund bei Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen“, der dem Justizausschuss zugewiesen wird;

der Entschließungsantrag 402/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gratis Mittagessen für Kinder an Kindergärten und Schulen“, der dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wird;

der Entschließungsantrag 403/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Pflege und Betreuung ist Schwerarbeit“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird;

sowie der Entschließungsantrag 404/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Bekämpfung von Kinderarmut statt Burger-Verhöhnung“, der dem Ausschuss für Familie und Jugend zugewiesen wird.


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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 7. Dezember 2023, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 5. Dezember 2023, 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche einen schönen Abend und eine gute Heimfahrt.

Die Sitzung ist geschlossen.

21.06.40Schluss der Sitzung: 21.06 Uhr

 

 

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