11.28

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Willkommen, Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute zwei Tagesordnungspunkte, die nur kleine, aber umso wichtigere Änderungen beinhalten.

Beim Kinderbetreuungsgeld nehmen wir eine wichtige Anpassung vor. Die bisherige Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld wie auch bei der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld reicht 2024 nicht mehr aus, und zwar aufgrund der jährlich vorgenommenen Valorisierung der Geringfügigkeitsgrenze im ASVG. Eine geringfügige Erwerbstätigkeit neben dem Kinderbetreuungsgeld wäre beim Erreichen dieser Geringfügigkeitsgrenze somit nicht mehr möglich.

Und ja, diese Anpassung ist in besonderem Maß für Frauen wichtig – das können wir ruhig betonen –, denn nach wie vor konsumieren Frauen zu einem erheblichen Teil Karenzzeiten für Kinderbetreuung, und diesen Frauen wird weiterhin ermöglicht, neben der Carearbeit einer geringfügigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, somit im Berufsleben verankert zu bleiben und den berühmt-berüchtigten Karriereknick zu vermeiden.

In Tagesordnungspunkt 3 geht es um eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes, die wir heute beschließen werden und die mir ein ganz besonderes Anliegen ist. Ja, Kollegin Doppler, der Lebensmittelpunkt vieler ukrainischer Familien ist jetzt in Österreich – das ist keine Fiktion, das ist Realität. Das ist keine Fiktion, das ist Realität!

Schauen wir uns einmal an, worum es da geht! Ich glaube, wir hier können uns alle miteinander nicht vorstellen – und ihr anscheinend am allerwenigsten –, wie es für diese Familien sein muss – hauptsächlich Frauen und Kinder –, die ihre Heimat verlassen müssen.

Ich persönlich habe einen kleinen Einblick bekommen, was diese Menschen durchgemacht haben: Es war Mitte 2022, als ich am Wiener Hauptbahnhof ein relativ junges ukrainisches Mädchen am Boden sitzen gesehen habe, sichtlich erschöpft von einer langen Reise, nennen wir es einmal so. Neben sich hatte es einen Käfig mit einer Katze und einen circa so großen (mit den Fingern ein Rechteck in die Luft zeichnend) verpackten Reifen stehen. Ein unglaublich sperriges Ding, das auf dem Weg zu uns mitzuschleppen wahnsinnig schwierig und mühsam gewesen sein muss.

Das war ein Reifen, den Sportlerinnen – rhythmische Sportgymnastinnen – als Sportgerät verwenden – ich habe sofort erkannt, was das ist, da unsere Tochter in ihrer Kindheit und Jugend selber rhythmische Sportgymnastik ausgeübt hat. Ich kenne also dieses Verhältnis, das diese Gymnastinnen zu ihren Sportgeräten haben, meine Tochter hat ihren Reifen auch wirklich behütet, wie es nur geht. Mich hat das daher besonders betroffen gemacht: Die Mutter des Mädchens hat mir erklärt, es war ihr besonders wichtig, dass ihre Tochter diesen Reifen mitnehmen konnte – obwohl das wirklich ein sperriges Ding war und sie mir bestätigt hat, wie mühsam das war, den mitzunehmen, neben all den anderen ebenfalls wichtigen Dingen, die mitzuschleppen waren –, einfach weil sie ihrer Tochter ein Stück weit deren normales Lebens ermöglichen wollte, indem sie diesen Reifen mitnehmen konnte.

Diese Begegnung hat mir mehr als alle andere wirklich sehr deutlich vor Augen geführt, in welch brutaler Art und Weise diese Menschen von Putin aus ihrem Leben, aus ihrem Land und aus ihrem Alltag vertrieben werden.

Laut UNO-Flüchtlingshilfe war seit Beginn der russischen Invasion zwischenzeitlich ein Drittel – ein Drittel! – der ukrainischen Bevölkerung auf der Flucht – der Großteil davon Frauen und Kinder, das habe ich schon erwähnt –, was die Ukraine zum Schauplatz der größten Vertreibungskrise der Welt macht.

Circa 5,9 Millionen Menschen sind mittlerweile in europäischen Staaten als Flüchtlinge angekommen, in Österreich sind es aktuell knapp 82 000 Menschen aus der Ukraine, die als Flüchtlinge registriert sind. Das Mindeste, das wir tun können, ist, diese Menschen aufzunehmen und ihnen größtmögliche Solidarität und Unterstützung zukommen zu lassen – dazu gehört auch der volle Zugang zur Familienbeihilfe und zum Kinderbetreuungsgeld, und darum verlängern wir jetzt diese Regelung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kein Mensch, kein Kind ist gerne auf der Flucht, das müsste eigentlich selbst den Kolleginnen und Kollegen der FPÖ einleuchten. (Ruf bei der FPÖ: Selbst! Selbst! Diese Selbstgerechtigkeit!)

Erneuern wir diese Unterstützung! Ich hoffe auf breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Jagl – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz, in Richtung FPÖ –: Das ist unmenschlich! – Bundesrat Spanring: ... du Gescheite, du!)

11.33

Vizepräsidentin Margit Göll: Das Wort steht bei Bundesministerin Susanne Raab. – Bitte sehr.