17.24

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Man muss solche Redebeiträge mit Humor nehmen, das habe ich mir fest vorgenommen.

Änderung des Emissionszertifikategesetzes und die Erlassung eines Carbon-Border-Adjustment-Mechanism-Vollzugsgesetzes: Das klingt zunächst extrem komplex, ist es auch, und es klingt staubtrocken. Wie wir aber schon ein bisschen gehört haben, kann ich alle trösten, denn wenn man sieht, worum es geht, merkt man, dass es ganz und gar nicht trocken ist und es dann gleich sehr lebendig wird. Herr Bernard hat das schon erklärt – interessanterweise erklärt er das immer und sagt dann, dass das alles vermischt ist – und ich brauche vieles nicht mehr zu erklären, aber ich möchte doch noch in groben Zügen sagen, worum es geht.

Was ist eigentlich dieser Emissionshandel? Wozu gibt es den? – Der Emissionshandel regelt europaweit in nationalen Umsetzungen die Zielerfüllung der zulässigen Emissionen für die große Industrie in ganz Europa gleich, um eine Wettbewerbsgleichheit sicherzustellen. Wir haben es gehört, im Zuge des wunderbaren Paketes Fit for 55, Klimaneutralität 2050, wird das Reduktionsziel für die Großindustrie bis 2030 auf 62 Prozent angehoben. Das ist schon eine Herausforderung, das wird schon sehr ambitionierte Reduktionsdaten brauchen. Das kann man eben durch den Emissionshandel steuern, das ist das Gute dabei. Übrigens ist es eine wichtige Maßnahme, um aus der Gasabhängigkeit auszusteigen, bitte das nicht zu vergessen! Das ist noch nicht vorbei, wir können jederzeit wieder in solch eine Krise hineinrauschen.

Das läuft jetzt so ab, dass jährlich über eine europäische Regel national Emissionsmengen zugeteilt werden, teils gratis – darauf kommen wir noch darauf zu sprechen –, teils versteigert, teils können Betriebe damit auch selbst handeln. Die Betriebe können aber entscheiden, ob sie reduzieren, Zertifikate kaufen oder diese verkaufen. Dadurch bildet sich ein Preis, der inzwischen auch funktioniert. Ich glaube, derzeit liegt der CO2-Preis bei um die 100 Euro, das hat man vor wenigen Jahren korrigiert und das funktioniert jetzt eigentlich prächtig.

Die Versteigerungserlöse sind staatliche Einnahmen, aber zweckgebunden, schon aus der EU-Richtlinie heraus, nämlich für Klimaschutzmaßnahmen, weil es ja auch gescheit ist. Wir haben gehört, in ein paar Jahren wird die Ausweitung des Emissionshandels auf fossile Brennstoffe erfolgen. Das betrifft Gebäude, betrifft übrigens auch Gewerbe, Industrie, die nicht im Emissionshandel ist, betrifft also Raumwärme und Verkehr.

Ich muss jetzt schon dem widersprechen, was Kollege Wanner von der SPÖ gesagt hat: Es wird nicht der Endkunde verpflichtet, natürlich nicht, es werden die Inverkehrbringer verpflichtet, diejenigen, die fossile Brennstoffe verkaufen, diejenigen, die Treibstoffe verkaufen; die Treibstoffhändler:innen sind dann abgabepflichtig.

Das irritiert mich schon, was Sie gesagt haben, liebe Kollegen von der SPÖ (Bundesrätin Gruber-Pruner: Der Ludwig zahlt das jetzt!), Parteichef Babler hat ja vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass das keinen Lenkungseffekt hätte. Also das finde ich wirklich, wirklich erstaunlich. Wir können es übrigens gerne erhöhen, wenn es zu wenig Lenkungseffekt hat, darüber kann man mit mir sicher gerne reden. (Bundesrätin Schumann: Haben wir nicht gerade ein Vertragsverletzungsverfahren?!)

Ich finde es aber schon interessant, denn in den letzten zwei Jahren habt ihr euch ja in Permanenz über die hohen Energiepreise empört – man kann sich nichts mehr leisten, ein Wahnsinn, was das alles verursacht! –, und jetzt plötzlich hat das alles keine Lenkungswirkung. Das finde ich wirklich, wirklich sehr erstaunlich. Sie tun ja gerade so, also ob es nicht zig Programme gäbe – wir reden ja bei späteren Tagesordnungspunkten noch darüber –, als ob man das nicht an richtiger Stelle ausgleichen könnte. (Bundesrätin Schumann: Besonders in Wien, genau!) Ja, selbstverständlich muss man das, und bei den Leuten, die wenig Geld haben, tut man das selbstverständlich – das ist ja eh klar! (Beifall bei den Grünen.)

Das haben wir, ich weiß nicht, wie oft schon, zelebriert und das macht mich wirklich wütend, weil ich die SPÖ eigentlich für eine prinzipiell konstruktive Partei halte, aber Sie widersprechen sich selbst. SPÖ und Klimaschutz – es tut mir leid, wenn ich das so sagen muss –, das tut weh, das geht nicht zusammen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dass die FPÖ als quasi Chef-Klimaschwurbler-Partei so schon bereit ist, unsere Lebensgrundlagen für ihren Rechtsaußenpopulismus zu opfern, das wissen wir eh.

Der Emissionshandel – ich komme wieder darauf zurück –, ist ein wirklich wichtiges Instrument auf europäischer Ebene, das zentrale Instrument eigentlich, und das Besondere daran ist – ich bin erstaunt, dass das auch kritisiert wurde –, dass er marktwirtschaftlich organisiert ist. Er ist eben nicht staatlich vorgegeben, das stimmt halt nicht.

Eine von Anfang an und eigentlich in der ganzen Phase des Emissionshandels geführte Debatte ist die Frage der Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie beziehungsweise das Abwanderungsthema. Wiewohl ich schon auch dazusage, dass es dazu nicht viel Evidenz gibt, aber es ist ein Thema. Niemand will, dass die Industrie abwandert, natürlich nicht. Das ist ja ein volkswirtschaftlicher Unsinn und für das Klima natürlich völlig kontraproduktiv, aber darüber sind wir uns ja hoffentlich einig.

Man hat das jetzt so gelöst, dass man Gratiszertifikate in unterschiedlichem Ausmaß zugeteilt hat. Das hat einen großen Nachteil, nämlich dass der Anreiz nicht da ist, Emissionsreduktionen durchzuführen, und es drückt den CO2-Preis. Das sind also Effekte, die man nicht will.

Jetzt macht man nach langem Ringen dieses Carbon Border Adjustment. Das ist wirklich sehr wichtig. Wir haben es schon gehört: Importeure und alle, die nach Österreich Waren liefern, müssen im Ausmaß des CO2-Fußabdrucks Zertifikate kaufen. Das ist eigentlich eine sehr geniale Geschichte – auch marktwirtschaftlich. So entsteht ein wirksamer Schutz für die betroffene Grundstoffindustrie. Der Anreiz, abzusiedeln fällt weg, denn der Import würde nicht billiger werden. Es könnte kein besserer Preis erzielt werden, jedenfalls nicht aus Gründen des Klimaschutzes.

Im Zuge dessen werden no na net die Gratiszuteilungen abgeschafft. Das hätte keinen Sinn mehr, denn dann wäre es doppelt gemoppelt. Da könnte man auf das Carbon Border Adjustment verzichten, auf den Schutz der Industrie, der wirklich wichtig ist.

Mit Ihren (in Richtung Bundesministerin Gewessler) Bemühungen, die Industrie zu transformieren und emissionsfrei zu machen, kann Europa vorangehen, weil dort ja auch der Maßstab ist: bei der Base Industry, bei den Zertifikaten, die dann gekauft werden müssen, wenn man importiert. Je innovativer Europa ist, umso teurer werden die Zertifikate, wenn man importieren will – das ist genial.

Das ist also ein wichtiger struktureller Schritt. Ich weiß, das mögen viele nicht, wenn man strukturelle Schritte setzt, aber eines ist gewiss: Klimaziele können wir nur mit gutem Zureden und nur mit Förderungen – die sind wichtig – nicht erreichen. Wir brauchen einen Rahmen – mit wir meine ich wirklich uns alle und auch die Wirtschaft –, auf den man sich verlassen kann und durch den man Planungssicherheit bietet. Das ist das Um und Auf. Fragen Sie Industrievertreter:innen, was sie sagen! – Sie brauchen Planungssicherheit. (Beifall bei den Grünen.)

Ohne solche Planungssicherheit ist die Transformation übrigens viel teurer, weil man sich eben nicht darauf verlassen kann und nicht gescheit und planmäßig investieren kann. Somit ist das ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, für die Standortsicherung der energieintensiven Industrie, für die europaweite Wettbewerbsgleichheit und ein ökonomischer Anreiz, innerbetrieblich Emissionen zu senken.

Da soll noch einmal jemand sagen, man könne die Dinge nicht zusammenführen. Man muss halt wollen und dafür einstehen und dafür unermüdlich kämpfen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Buchmann.)

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Ministerin Leonore Gewessler gemeldet. – Bitte schön.