18.07

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Zuallererst zum irreführenden Titel der Dringlichen: Ich glaube, wir wissen alle ganz genau, dass Justizministerin Alma Zadić in den letzten vier Jahren extrem viel erreicht hat. (Beifall bei den Grünen. Bundesrat Spanring: Da klatscht jetzt nicht einmal die ÖVP!)

Das betrifft nämlich auch Dinge, die schon lange bekannt sind und liegen geblieben sind. Verzeihen Sie mir, werte Kollegin Gruber-Pruner von der SPÖ, dass ich jetzt nicht genau auf Ihren Entschließungsantrag eingehe, aber ich frage mich schon: Diese Dinge sind nicht erst seit den schrecklichen Taten bekannt (Bundesrätin Schumann: Na geh, heast! Ihr habts den Jugendgerichtshof nimmer eingeführt! Na geh, auf die SPÖ hinhauen jetzt, das ist ja wohl das - -, als Allererstes ...! Bravo ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner) – und ich frage mich schon, warum Sie das nicht in Ihrer Regierungsverantwortung umgesetzt haben.

In diesen vier Jahren wurden genau diese Dinge, die liegen geblieben sind, umgesetzt. Es gibt mehr Geld für die Justiz und für die Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz und – wir haben es heute schon gehört und ich finde das auch total wichtig, es zu hören – viele neue Maßnahmen, auch im Bereich des Gewaltschutzes. Zum Beispiel wird es die von Ihnen geforderten Gewaltambulanzen ab April geben, um eine bessere Beweissicherung von Gewalteinwirkungen zu haben, um die Verfahren zu verbessern, zu mehr Verurteilungen und damit auch zu mehr Prävention zu kommen. Auch die psychosoziale Begleitung steht Opfern von Gewalt schon ab der Anzeige zu.

Bei der Dringlichen Anfrage wurde diese Baustellenmetapher verwendet – und ich finde sie eigentlich ganz gut, denn die Regierung baut, kann man sagen, permanent an einem guten, sicheren und lebenswerten Österreich. Um auch wieder bei dem Titel zu bleiben: „auf allen Ebenen“ wurden gerade bei der letzten Sitzung wichtige Maßnahmen umgesetzt – und zwar auch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, ein großer, großer Erfolg.

Natürlich kann aber innerhalb einer Gesetzgebungsperiode nicht alles schon fertig gebaut sein, genauso wie sich Bedürfnisse auf Neuregelung oder Adaptierung aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen auftun. Es wäre meines Erachtens naiv und auch illusorisch, wenn Sie glauben, es muss schon alles passiert sein und am besten gestern. Nein, in der Verwaltung und auch in der Gesetzgebung muss permanent gearbeitet, adaptiert, neu konstruiert und gebaut werden – und das macht eine gute Regierung und eine gute Ministerin aus. Genau im Justizministerium passiert überlegte und nachhaltige Arbeit für dieses Land – auf vielen verschiedenen Ebenen und auch in den in der Dringlichen angesprochenen Bereichen.

Wieder einmal strotzt diese Dringliche Anfrage der FPÖ allerdings vor populistischer Sprache, demagogischer Argumentation, falscher Instrumentalisierung von Straftaten und fehlender Verantwortungsübernahme. Neiddebatten werden geschürt; über angebliche Luxusmenüs und zu teure Krankenbehandlung von Insassen wird gelästert. Das ist die ewiggestrige Konstruktion des guten Wir und der schlechten anderen, als wären es nicht genauso österreichische Jugendliche und Männer, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen ausüben – und ja, auch töten. Denn diese Gewalt gegen Frauen und leider auch schon Mädchen ist ein globales Phänomen und sie findet überall auf der Welt statt (Bundesrat Spanring: ... gleichen Maßen, in den gleichen Maßen, echt jetzt?!): in den eigenen vier Wänden, im Internet, auf Social Media, oder auf furchtbare Weise im Krieg. Und es gibt hier nicht nur die guten Österreicher und die bösen Ausländer. (Bundesrat Spanring: Das sagt keiner, das sagt keiner! Um die müssen wir uns selber kümmern!) Es ist und bleibt ein globales, ein strukturelles und ein patriarchales System. (Bundesrat Spanring: Das Problem ist: Die anderen, die halst ihr uns auf!)

Zu Ihren Abschiebephantasien, werte SPÖ (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ): Wir halten uns an Asylgesetze und auch an die Menschenrechte, die – wenn auch immer im eingeschränkten Maß – auch für Straftäter:innen gelten. – FPÖ! Habe ich SPÖ gesagt? (Bundesrat Himmer: Es gibt so viele mit ö! – Heiterkeit der Bundesräte Spanring und Leinfellner.) Das tut mir sehr leid. FPÖ. (Bundesrätin Schumann: ... das ist ein Freud’scher ...!) – Nein, das ist kein Freud’scher. Wir halten uns an die Menschenrechte für Straftäter:innen, wenn auch eingeschränkt; und wir schieben nicht in Länder ab, in denen die Todesstrafe verhängt wird (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler) oder unmenschliche Haftbedingungen herrschen. (Bundesrat Spanring: Genau, aber bei uns ..., das ist in Ordnung?! – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Doppler. – Bundesrat Leinfellner: Was ist mit den Menschenrechten von den Opfern?)

Zuzustimmen ist allerdings insofern: Eine bessere internationale und europaweite Zusammenarbeit bei der Strafvollstreckung ist natürlich anzustreben – und wir haben von der Frau Justizministerin gehört: Daran wird intensiv gearbeitet.

Zur strafrechtlichen Sanktionierung von unmündigen Minderjährigen: Wenn Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr – das sind eben unmündige Minderjährige – schwere Straftaten begehen, gilt es natürlich als Erstes, den Opfern bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen. Was aber mit den jungen Täter:innen passiert, ist die zweite wichtige Frage; und sie wegzusperren ist der einfache, aber nicht der sinnvolle Weg, um zur Resozialisierung zu kommen – Kollegin Gruber-Pruner hat das auch schon gesagt. Bei den jungen Tätern und Täterinnen – meistens leider Tätern – muss vielmehr bei den Ursachen angesetzt werden und es muss mit den Kindern gearbeitet werden. Das setzt dort an, wo es nachhaltig ist: in der Familie, der Erziehung, der Betrachtung der Situation des Kindes, der Auseinandersetzung mit den jungen Tätern und Täterinnen und ihrem Umfeld.

In Österreich ist dafür die kompetente und zuständige Stelle die Kinder- und Jugendhilfe. Ihre Sozialarbeiter:innen (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), die, wie heute schon meine Kolleginnen Jagl und Gruber-Pruner sagten, eine wertvolle und wichtige Rolle für diese Kinder spielen, begleiten diese Kinder, machen pädagogische Trainings mit ihnen; und im extremsten Fall können die Kinder auch in jugendpsychiatrischen Einrichtungen untergebracht werden.

Der wichtige Punkt aber ist – und auch das hat die Frau Ministerin schon betont –: Die Kinder- und Jugendhilfe ist Ländersache. Wir wissen: Drei Bundesländer werden von der FPÖ mitregiert, und auch dort ist die Kinder- und Jugendhilfe allzu oft unterbesetzt und unterfinanziert. Hätte sie genügend Ressourcen, finanzielle Mittel und Personal, würde in der Prävention von Gewalt und fortgesetztem kriminellen Verhalten von Kindern am meisten weitergehen; aber sie sind eben nicht genügend ausgestattet, auch nicht in den von Ihnen, liebe Kollegen von der FPÖ, regierten Ländern. (Bundesrat Schennach: Ah, jetzt ...!) Übernehmen Sie selbst Verantwortung, anstatt sie immer auf andere abzuwälzen! (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Leinfellner: Aber strafrechtlich sind wir schon kompetenter!)

Schauen Sie sich auch die Modelle an, bevor Sie auf sie verweisen! Ja, das Schweizer Modell ist gut, aber es ist genau deswegen gut, weil es eine Vielzahl an therapeutischen, sozialpädagogischen Maßnahmen kennt. Das ist aber eben Sozialarbeit – und das gehört nicht, wie ihr Antrag verlangt, ins Strafrecht, vor allem bei Kindern.

Nun komme ich noch zur angesprochenen Justizanstalt Simmering, die auch einen Jugendvollzug beherbergen soll. Die Frau Ministerin hat schon detailliert dazu ausgeführt, dass dieser Einzug in einem seit zwei Jahren laufenden Prozess organsiert wird. (Bundesrat Spanring: Drum weiß niemand was, das stimmt nicht!) Dabei sind natürlich alle wichtigen Stakeholder:innen (Bundesrat Spanring: Das stimmt nicht!) eingebunden – und auch der Leiter der Justizanstalt Simmering, dessen Expertise natürlich auch wichtig ist. (Bundesrat Spanring: Ja, genau, ich hab mit ihm geredet vor zwei Wochen!) Ja, Veränderungen – vor allem so große Veränderungen – sind schwierig, und es sind herausfordernde Probleme zu lösen. Genau deswegen ist es aber wichtig, sich hier konstruktiv einzubringen und berechtigte Interessen der Bediensteten in der Justizwache ernst zu nehmen. (Ruf bei der FPÖ: Unfassbar!)

Es ist klar, dass es allen, und vor allem der Justizministerin, wichtig ist, dass ein guter Übergang stattfindet und der Jugendvollzug von Tag eins an – für alle: die Bediensteten, die Insassen und die Jugendlichen – gut läuft, genauso wie es wichtig ist, um- und weitsichtig in ihrem Ressort für die österreichische Justiz zu arbeiten.

Zu guter Letzt: So wie Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, hier zu Recht durch diese Dringliche Anfrage die Kontrolle der Verwaltung verlangen, verlangen Sie das bitte auch von Ihren Leuten! Bringen Sie sie dazu, in den U-Ausschuss zu kommen! Es ist demokratiepolitisch höchst bedenklich, dass dort kaum jemand von Ihnen erscheint, um sich Fragen der Abgeordneten zu stellen, und wenn, dann keine inhaltlichen Antworten gibt. Das ist meines Erachtens demokratiepolitisches Versagen auf allen Ebenen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Leinfellner: Sag einmal, träumst du?!)

18.17

Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.