10.50

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Es gibt Themen oder Maßnahmen, die eigentlich komplett logisch sind und nur Vorteile bringen. Trotzdem sind sie oft extrem schwierig durchzusetzen, weil sich manche nicht trauen, weil es manchen nicht um Sachargumente geht. (Bundesrat Schennach: Da habt ihr euch nichts getraut!) Besonders schwierig ist es ja mit Sachargumenten, wenn es ums Auto beziehungsweise um mutmaßliche Einschränkungen der freien Fahrt oder gar Geschwindigkeitsbeschränkungen geht. (Bundesrat Schennach: Da habt ihr euch gar nichts getraut!)

Tempo 30 innerorts ist so eine Geschichte. Sie erinnert mich immer ein bisschen an die Einrichtung von Fußgänger:innenzonen. Vorher geht jedes Mal die Welt unter, alle Geschäfte müssen zusperren et cetera. Das sind die Befürchtungen, und nachher stellt sich das Gegenteil heraus und niemand kann sich mehr vorstellen, sie wieder aufzulassen. Zu einleuchtend sind die Vorteile. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Es gibt auch dabei hier ausschließlich Vorteile, das ist wirklich etwas Schönes. Der Straßenraum wird bei Tempo 30 für Fußgänger und Radfahrerinnen attraktiver. (Bundesrat Schennach: Aber das Gesetz gibt nichts her!) – Ich komme schon noch auf Sie zu sprechen. Er wird vor allem sicherer. Denken Sie nur einmal an Kinder, die zu Fuß zur Schule oder zu Freizeiteinrichtungen gehen! Was ist Ihnen dabei lieber? Eine Autorennbahn oder eine verkehrsberuhigte Straße mit Autos, die maximal 30 km/h fahren.

Tempo 30 ermöglicht erst einen sicheren Mischverkehr. Da können Fahrräder im gleichen Geschwindigkeitsbereich mithalten. Die Fahrbahnbreiten können reduziert werden, was wiederum für breitere Gehsteige und für die Pflanzung von Bäumen genutzt werden kann. Die Aufenthaltsqualität wird entschieden höher.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Verkehrssicherheit. Bei Tempo 30 statt 50 sinkt das Risiko tödlicher Verletzungen bei Unfällen mit Gehenden um drei Viertel. Tempo 30 rettet also Leben. Das zeigen übrigens eindrücklich auch Zahlen in den Kommunen, die das schon länger flächendeckend eingeführt haben, wie stark die Zahl der tödlichen Unfälle und überhaupt die Unfälle zurückgegangen sind, denn Tempo 30 halbiert den Anhalteweg gegenüber Tempo 50 von 22 auf 11 Meter. (Bundesrat Schennach: Wir wollen ja Tempo 30! – Bundesrätin Grimling: Wir wollen es ja eh!)

Tempo 30 reduziert den Lärm und auch die Staubemissionen und das erhöht wiederum die Lebensqualität. Ich habe es schon oft in diese Richtung gesagt: Das hat eine sozialpolitische Komponente: Welche Einkommensgruppen wohnen besonders häufig an stärker befahrenen Straßen? Bei Tempo 30 statt 50 halbiert sich die Schallemission. Gerade da können vor allem in Zukunft de facto die lautlosen Elektroautos ihre Vorteile massiv ausspielen, denn über 30 km/h beginnt das Rollgeräusch zu dominieren.

Gerade heute haben wir den Internationalen Tag gegen Lärm, das ist ein gut zusammenfallender Zeitpunkt. (Bundesrat Schennach: Seien wir froh, wenn wir ...!) 85 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher fühlen sich von Lärm belästigt, und da ist zuallererst der Straßenlärm zu nennen. Tempo 30 ist extrem kostengünstig umzusetzen.

Mit einem Mythos ist aufzuräumen: Nein, man braucht deswegen nicht länger mit dem Auto. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ändert sich minimal, der Verkehr wird aber flüssiger. Wir reden da letztlich von Sekunden. Ein paar Sekunden, finde ich, sollten die Sicherheit für Kinder und generell höhere Lebensqualität für Menschen, die an Straßen wohnen, wert sein. Es ist einmal auch ganz klar festzuhalten, dass die Straßen eben nicht nur für die Autos, sondern für alle, für alle Verkehrsteilnehmer:innen da sind. (Beifall bei den Grünen.)

Eine Gemeinde konnte auch bis jetzt Tempo 30 einführen, nur war das sehr kompliziert, aufwendig und auch teurer. (Bundesrat Schennach: Und jetzt wird es noch komplizierter! –Bundesrätin Grimling: Genau! Es wird komplizierter!) – Ich weiß schon, dass Sie das nicht hören wollen. Das wird jetzt tatsächlich massiv vereinfacht. Es wird in der Regel keine Sachverständigengutachten mehr brauchen und es wird kürzere Verfahren geben. Das ist auch einfach zu begründen.

Das Gesetz sieht vor, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit reduziert werden kann, wenn diese zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer geeignet ist. Um das festzustellen, brauche ich keine wissenschaftlichen Gutachten mehr, weil es einfach evident ist. Es gibt genug Studien und Hinweise und Beweise dafür, dass dem so ist. Im Moment steht noch drinnen, dass die Erforderlichkeit nachgewiesen werden muss, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Das ist nun wirklich ein fundamentaler Unterschied in der Beweisführung. Die Erforderlichkeit nachzuweisen – das weiß ich auch aus den Gemeinden, mit denen ich in Kontakt bin, die sich da bemühen – ist natürlich ein wirklich mühsames Unterfangen und kann sehr lange dauern.

Es ist halt so und es stimmt nicht, was Herr Reisinger gesagt hat: Für Gemeindestraßen ist die Gemeindebehörde zuständig, und wenn eine Gemeinde Tempo 30 einführen will, dann kann sie das jetzt tun. Dann wird sie sich ja nicht selber Prügel in den Weg werfen und irgendwie Gutachten einholen, wenn sie selbst Behörde ist und das feststellen kann.

Auch auf Landesstraßen wird es leichter, weil dort natürlich die Vorgabe, dass lediglich nachzuweisen ist, dass es geeignet ist, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, nachzuweisen ist, was eben wie gesagt de facto evident ist. Selbstverständlich wird das massiv leichter werden.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die SPÖ schlicht und einfach drücken will, diesem Antrag zuzustimmen, zumal er ja sogar größtenteils weiter als ihr eigener Antrag geht. (Bundesrat Schennach: Ja, ja! – Bundesrat Kovacs: Die Grünen mit drei Bürgermeistern in ganz Österreich! – Bundesrätin Grimling: Ja, ja! Keine Ahnung!)

Ein großer Dank gilt den Gemeinden, die die Unterstützungserklärung des VCÖ unterschrieben haben und sich aktiv für die Tempo-30-Erleichterungen eingesetzt haben. Das sind immerhin 280 Gemeinden quer durch die Couleurs. Ohne diese hätte es wohl nicht geklappt. (Vizepräsident Reisinger übernimmt den Vorsitz.)

Die Gemeinden werden jetzt in ihrer Regelungskompetenz gestärkt. Dabei sollen die bürokratischen Hürden möglichst reduziert werden, und das haben wir jetzt gemacht. Es ist noch einmal schön, zu sehen, dass in vielen Gemeinden ein Umdenken im Gange ist, dass Prioritäten zugunsten der schwächeren Verkehrsteilnehmer, sowohl was die physisch Schwächeren als auch was die Einkommensschwächeren betrifft, gestärkt werden. Das ist gleichzeitig eine sozialpolitische Maßnahme.

SPÖ und F sowieso: Nehmt euch ein Beispiel an diesen Gemeinden! Mir kommt es schon ein bisschen so vor, dass die, die sonst lautstark für die Gemeinden eintreten, plötzlich befürchten, dass diese in solchen Fragen anders und zukunftsweisender ticken könnten als sie selbst. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.58

Vizepräsident Dominik Reisinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.