8653 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Jänner 2012 betreffend ein Bundesgesetz über die Aufhebung- und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011)

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass ein bedeutsamer Teil österreichischer Zeitgeschichte in den in gewaltsamem Handeln kulminierten politischen Auseinandersetzungen während der Ersten Republik liegt. Historisch ist dieser Zeitabschnitt mehrfach erforscht und bearbeitet worden. Damals sind Menschen ihrer demokratischen Rechte beraubt, an Leib, Leben und Eigentum beschädigt, strafgerichtlich verurteilt, verwaltungsbehördlich angehalten oder aus dem heimatlichen Staatsverband ausgestoßen (ausgebürgert) worden, die sie sich für den Erhalt eines unabhängigen und demokratischen Österreichs eingesetzt haben. Die Formulierung „im Kampf um ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich“ übernimmt der vorliegende Beschluss aus § 1 Opferfürsorgegesetzes (OFG), BGBl. Nr. 183/1947 idF BGBl. I Nr. 4/2010. Es kam auch zu Verurteilungen wegen der Kundgabe politischer auf ein unabhängiges und demokratisches Österreich gerichteter Meinungen. Der vorliegende Beschluss beseitigt rückwirkend solche strafgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen aus der Zeit nach Außerkraftsetzung des Parlamentarismus in Österreich – also ab 6. März 1933 bis 12. März 1938 – und deklariert sie als eindeutige Unrechtsmaßnahmen. In Zusammenhang mit Ausbürgerungen von Staatsbürgern aus dem angeführten Personenkreis wurden bereits kurz nach Wiedererstehen der Republik gesetzliche Maßnahmen ergriffen, die Betroffenen auf Antrag eine vereinfachte Verleihung der Staatsbürgerschaft ermöglichen.

Dieses Ziel soll im Wege einer umfassenden Neuregelung erreicht werden, mit der der Umfang der rückwirkenden Aufhebung strafgerichtlicher Entscheidungen (§ 1) und der Rehabilitierung der davon Betroffenen (§ 4) in Orientierung an den Leitgedanken des Opferfürsorgegesetzes (OFG), BGBl. Nr. 183/1947 idF BGBl. I Nr. 4/2010, sowie der rückwirkenden Aufhebung von Bescheiden, mit denen die Anhaltung einer Person angeordnet wurde (§ 1 Abs. 2), definiert werden. Zusätzlich wird all jenen, die sich zwischen 12. November 1918 und 12. März 1938 für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich in Wort und Tat eingesetzt haben, die Anerkennung der Republik ausgesprochen sowie all jenen, die unbeteiligt zu Schaden kamen im Bewusstsein um das geschehene Unrecht das besondere Mitgefühl ausgedrückt.

Bereits mit dem Gesetz vom 21. Dezember 1945, BGBl. Nr. 14/1946, betreffend die Einstellung von Strafverfahren und die Nachsicht von Strafen für Kämpfer gegen Nationalsozialismus und Faschismus kam es zu einer Amnestierung aller Personen, die wegen Taten im Kampf gegen den Nationalsozialismus oder Faschismus oder zur Unterstützung des österreichischen Freiheitskampfes oder in der Absicht, ein selbständiges, unabhängiges und demokratisches Österreich wiederherzustellen, verurteilt worden waren. Strafverfahren wegen solcher Handlungen waren einzustellen bzw. erst gar nicht einzuleiten; noch nicht vollstreckte Strafen waren nachzusehen; entsprechende Verurteilungen gelten als getilgt.

Eine vollständige Rehabilitierung der Betroffenen durch eine rückwirkende Beseitigung der entsprechenden strafgerichtlichen Entscheidungen war mit dem genannten Gesetz jedoch nicht verbunden. Der gegenständliche Beschluss soll auch dies bewerkstelligen.

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 31. Jänner 2012 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Christian Füller.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Mag. Muna Duzdar, Mag. Christian Jachs und Stefan Schennach sowie mit beratender Stimme Bundesrat Marco Schreuder.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Christian Füller gewählt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Jänner 2012 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2012 01 31

                                Christian Füller                                                               Monika Kemperle

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzende