2812/J-BR/2011

Eingelangt am 08.04.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

Der BundesrätInnen Kickert, Kerschbaum, Dönmez

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

betreffend Ungleichbehandlungen von eingetragenen PartnerInnen und
EhegattInnen

Das Gesetz über die Eingetragene PartnerInnenschaft (EPG) ist seit 01.01.2010 in
Kraft und bietet homosexuellen Paaren in
Österreich erstmals die Möglichkeit, ihre
Partnerlnnenschaften rechtlich zu institutionalisieren. Im ersten Jahr seit Bestehen
des Instituts der Eingetragenen PartnerInnenschaft (EP) gingen 450 M
ännerpaare
und 255 Frauenpaare eine Verpartnerung ein. Im Vergleich zum Eherecht f
ür
heterosexuelle Paare gibt es allerdings wesentliche Ungleichbehandlungen, die f
ür
schwule und lesbische Paare durch das EPG und damit verbundene Anpassungen in
anderen Gesetzen vorgesehen sind. Diese betreffen erstens die Weigerung der
österreichischen GesetzgeberInnen, homosexuelle Partnerlnnenschaften, in denen
Kinder leben, als Familien anzuerkennen. Laut Entscheidungen des Europ
äischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Sache Schalk & Kopf und P.B. &
J.S. (2010) ist jedoch klar, dass auch gleichgeschlechtliche Paare
Familie sind.
Zweitens gibt es im EPG mit viel Mühe künstlich konstruierte symbolische
Unterschiede zwischen EP und Ehe. Drittens finden sich Bestimmungen im EPG, die
im Vergleich zum Eherecht als weniger strikt einzustufen sind. Diesen
Ungleichbehandlungen ist gemein, dass sie der Hierarchisierung von EP und Ehe
dienen und die EP als minderwertiges Rechtsinstitut erscheinen lassen. Zahlreiche
JuristInnen, wie etwa Ass.-Prof. Dr. Barbara Beclin vom Institut f
ür Zivilrecht an der
Rechtswissenschaftlichen Fakult
ät der Universität Wien, sehen zumindest die
unterschiedlichen
„äußerlichen Vorschriften des EPG als gleichheitswidrig an, da sie
keine inhaltlichen Ziele verfolgen, sondern bloß darauf abzielen, die EP von der Ehe
ab- und auszugrenzen (Juridicum Online, 12.03.2010). Die
österreichischen
GesetzgeberInnen agieren folglich nicht nur ungeachtet gesellschaftlicher Realitäten,
sondern ignorieren außerdem die Fachmeinung von ExpertInnen sowie zahlreiche
wissenschaftliche Studien, die die Ungleichbehandlung homosexueller Paare in einer
EP gegen
über heterosexuellen Paaren in einer Ehe als absolut ungerechtfertigt
qualifizieren. In Rechtsvorschriften wie der Gewerbeordnung (GewO) und dem
Ziviltechnikergesetz werden Personen, die in Eingetragener PartnerInnenschaft
leben anders behandelt, als Personen die in einer Ehe leben.

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher folgende


ANFRAGE:

1 .Für eingetragene PartnerInnen von EU- und EWR-Bürgerlnnen gibt es im
Unterschied zu EhegattInnen kein Recht auf freie Ausübung eines Gewerbes
(§ 14 Abs. 3 GewO). Auf welchen objektiven Merkmalen beruht dieser
Unterschied und wie kann er sachlich gerechtfertigt werden?

2.Falls keine ausreichende sachliche Rechtfertigung vorliegt, halten Sie es für
sinnvoll, dass Ihr Ressort eine entsprechende nicht-diskriminierende, dem
verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsatz entsprechende
Regelung ausarbeitet?

3.Wenn ja, wie würden diese Änderungen aussehen?

4.Wenn nein, warum nicht?

5.Für eingetragene PartnerInnen von EU- und EWR-Bürgerlnnen gibt es im
Unterschied zu EhegattInnen kein Recht auf Aus
übung des Berufes eines
Ziviltechnikers bzw. Ziviltechnikerin (§ 5 Abs. 2 Ziviltechnikergesetz). Auf
welchen objektiven Merkmalen beruht dieser Unterschied und wie kann er
sachlich gerechtfertigt werden?

6.Falls keine ausreichende sachliche Rechtfertigung vorliegt, halten Sie es für
sinnvoll, dass Ihr Ressort eine entsprechende nicht-diskriminierende, dem
verfassungsmäßig verankerten Gleichheitsgrundsatz entsprechende
Regelung ausarbeitet?

7.Wenn ja, wie würden diese Änderungen aussehen?

8.Wenn nein, warum nicht?

9.Sind Ihnen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für

Menschenrechte (EGMR) in der Sache Schalk & Kopf und P.B. & J.S. (2010)
bekannt, dass auch gleichgeschlechtliche Paare Familie sind?

10.  Welche sachliche Rechtfertigung gibt es vor diesem Hintergrund für die oben
angesprochene Ungleichbehandlung eingetragener PartnerInnen und
EhegattInnen?

11.  Bei der Familienbeihilfe und bei anderen Leistungen aus dem
Familienlastenausgleichsfonds ist eine Anrechnung des Einkommens der
eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners im Gegensatz zu
Einkommen von EhepartnerInnen und LebensgefährtInnen nicht vorgesehen,
sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil (§§ 5, 6, 9a, 35, 38f, 46a


Familienlastenausgleichsgesetz). Auf welchen objektiven Merkmalen beruht
dieser Unterschied und wie kann er sachlich gerechtfertigt werden?

12.  Falls keine ausreichende sachliche Rechtfertigung vorliegt, halten Sie es für
sinnvoll, dass Ihr Ressort entsprechende Regelung ausarbeitet?

13.  Wenn ja, wie würden diese Änderungen aussehen?

14.  Wenn nein, warum nicht?

15.  Laut Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) in der Sache Schalk & Kopf und P.B. & J.S. (2010) sind auch
gleichgeschlechtliche Paare
Familie. Wie beurteilen Sie vor diesem
Hintergrund das FamLAG?