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der Abgeordneten Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

 

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

 

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Das Strafgesetzbuch, BGBl 60/1974, zuletzt geändert durch das Bundsgesetz, BGBl

 

570/1993, wird wie folgt geändert:

 

 

 

 

Die § § 209, 220 und 221 StGB wer den aufgehoben.

 

 

 

 

Begründung:

 

 

 

 

1 . Zu § 209. :

 

 

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Strafgesetzbuches 1970 (39

 

dBeil StenProt NR 12. GP, 13 f) wird die Bestimmung des § 209 damit begründet, daß

 

 

a) die internationale Rechtslage homosexuelle Handlungen an Jugendlichen überwiegend

 

verbiete;

 

 

b) Menschen, die noch in ihrer Entwicklung stehen, durch solche Handlungen in ihrer

 

Triebtätigkeit beeinflußt werden (können) ; ihre Leistungsfähigkeit und Entwicklung

 

kann erheblich belastet werden, ihre Anpassung an die gegebenen gesellschaftlichen

Strukturen erheblich erschwert werden!

 

Als Hauptargument für die Bestimmung des § 209 diente daher die Prägung bzw

Verführung junger Männer zur Homosexualität durch erwachsene Homosexuelle.

 

Zu diesen beiden Argumenten sei folgendes festgehalten:

 

a) Zur internationalen Rechtslage :

 

Seit dem Jahre 1971 hat sich die Gesetzeslage betreffend der homosexuellen

Handlungen in Europa wesentlich geändert. In zweiundzwanzig europäischen Staaten

gibt es inzwischen ein einheitliches Schutzalter für homo- und heterosexuelle

Handlungen. Das Europäische Parlament hat mit Entschließung zur sexuellen

Diskriminierung am Arbeitsplatz im Jahr 1984 die Mitgliedstaaten aufgefordert, bei

homosexuellen bzw heterosexuellen Handlungen das gleiche Mindestalter einzuführen.

Die parlamentarische Versammlung des Europarates hat mit Empfehlung 924/1981

betreffend die Diskriminierung von Homosexuellen dem Ministerkomitee empfohlen,

die Mitgliedstaaten aufzufordern, dieselbe Altersgrenze bei homo- und heterosexuellen

Handlungen anzuwenden. Mit Entschließung vom 8.2.1994 forderte das Europäische

Parlament alle Mitgliedsstaaten auf ein einheitliches Schutzalter zu normieren.

 

Österreich ist eines der letzten Länder in Europa, in dem homosexuelle Handlungen

mit Jugendlichen unter 18 Jahren ein Offizialdelikt darstellen, während heterosexuelle

Handlungen mit Jugendlichen ab 14 Jahren straffrei sind.

 

 

b) Zur Verführungstheorie:

 

Viele Jahre nahm man an , daß Verführung eine Rolle bei der Entstehung von

Homosexualität spiele. Heute sind sich alle Fachwissenschaftler darin einig, daß man

durch Verführung nicht homosexuell werden kann.

 

Auch die Expertenkommission für die Revision des Strafgesetzbuches in der Schweiz

führte aus, "daß mit 14 Jahren die sexuelle Entwicklung junger Menschen hinsichtlich

hetero-, homo- oder bisexueller Richtung festgelegt ist. Homosexuelle Kontakte nach

diesem Alter können sie nicht mehr verändern , wie die ärztlichen Mitglieder der

Kommissionen überzeugenderweise darlegten" (siehe Erläuternder Bericht, S 37 f).

Umfangreiche soziologische Untersuchungen haben ergeben, daß die sexuelle

Präferenz bei Beginn der Adoleszenz bereits festliegt. Zu demselben Ergebnis kamen

auch die Kommissionen, die zur Abscha ffung des unterschiedlichen Schutzalters für

homo- und heterosexuelle Handlungen i . Dänemark, in den Niederlanden und in

Schweden geführt haben (siehe dazu Stellungnahme zur Frage der ersatzlosen

Streichung der § 209, 210 und 220 StGB von Univ.-Doz. Dr. Wolfgang S tangl,

Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, April 1984; Beiträge zur gerichtlichen

Medizin , Hrsg Wilhelm Holzerbeck, Band 17, 1979, S 253 f; Sexualwissenschaft und

Strafrecht, Hrsg Herbert Jäger und Eberhard George, Beiträge zur Sexualforschung,

Band 62; und viele andere).

 

In dieser Frage herschte auch unter den Experten des Unterausschusses des

Justizausschusses in der Sitzung vom 10. Oktober 1995 weitgehende

Übereinstimmung . Eine Angleichung der Altersgrenzen für homo- und

heterosexuelle Handlungen ist aus psychologischer, medizinischer, theologischer und

menschenrechtlicher Sicht dringend geboten. Die Beibehaltung des diskriminierenden

Straftatbestand stellet eine Gefahr für die körperliche und psychische Gesundheit von

homosexuellen Jugendlichen dar und widerspricht der Europäischen

Menschenrechtskonvention (siehe zusammenfassende Darstellung).

 

.

 

Zusammenfassend kann gesagt werden , daß die Expertenmeinungen, die zur

östereichischen Regelung des § 209 StGB geführt haben , mehrfach widerlegt wurden

und von einer Prägung oder Führung zu Homosexualität durch homosexuelle Kontakte

nicht gesprochen werden kann.

 

Es gibt daher keinen sachlich gerechtfertigten Grund, die gegen das

Diskriminierungsverbot (Art 14 EMRK) verstoßende Strafbestimmung beizubehalten.

 

Zu § 220, 221:

 

Die Bestimmungen der §§ 220 und 221 StGB sind eine österreichische Besonderheit. Keine

vergleichbare europäische Rechtsordnung kennt eine derartige Beschränkung der

Sexualsphäre, des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Versammlung und

Verbindungsfreiheit (Art 10 und Art 11 EMRK).

 

Darüber hinaus widersprechen diese Strafbestimmungen (ebenso wie der § 209 StGB) dem

Diskriminierungsverbot (Art 14 EMRK). Bereits in den Erläuternden Bemerkungen der

Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1994 wird ausgeführt, daß hinsichtlich

der §§ 220 und 221 StGB von weitestgehender Übereinstimmung ausgegangen werden

kann, daß diese Strafbestimmungen entbehrlich bzw diskriminierend sind, sodaß es

angezeigt ist, deren Aufhebung vorzuschlagen.

 

 

In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den

Justizausschuß vorgeschlagen.