310/A

 

 

 

 

der Abgeordneten Kier und Partner/innen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr.

505/1994, wird wie folgt geändert:

 

ARTlKEL l

 

Das Wort ''Fremde(r)'' wird jeweils ersetzt durch ''Person nichtösterreichischer

Staatsbürgerschaft'' und die Wortfolge ''fremde Staatsangehörigkeit'' wird ersetzt

durch ''andere Staatsbürgerschaft''.

 

1 . § 7 wird wie folgt geändert und lautet:

 

''§ 7. Eheliche und uneheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit der

Geburt, wenn

a) in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder

b) ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tag seines Ablebens Staatsbürger

war oder

c) ein EIternteil auf dem Gebiet der Republik geboren wurde und seither hier seinen

''Hauptwohnsitz'' hat.

 

2. § 7a entfälIt.

 

3. § 10 Abs. 1 Z 1 lautet:

 

" 1 . er seit mindestens 5 Jahren ununterbrochen seinen ''Hauptwohnsitz'' im Gebiet

der Republik hat;"

 

4. § 10 Abs. 3 lautet.

 

'' (3) Abs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Person nichtösterreichischer

Staatsbürgerschaft die Staatsbürgerschaft eines Staates besitzt, der das

Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nicht zur Voraussetzung für die

Verleihung der eigenen Staatsbürgerschaft macht. In diesem FaIl ist die

Staatsbürgerschaft unabhängig vom Bestehen einer anderen Staatsbürgerschaft zu

verIeihen, wenn die betroffene Person es wünscht.''

 

Der bisherige § 10 Abs. 3 wird zu Abs. 4.

 

5. § 11 erster Satz wir geändert und lautet:

 

§ 11 . Erster Satz: "Die Behorde hat sich bei der Ausübung des ihr im § 10

eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die

öffentlichen lnteressen sowie von grundlegenden Kenntnissen der Landessprache

der Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft Ieiten zu lassen."

 

6. § 11 a Z 4 lautet:

 

"4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und sie seit mindestens drei

Jahren ununterbrochen einen Wohnsitz im Gebiet der RepubIik hat oder

b) die Ehe seit mindestens vier Jahren aufrecht und ihr Ehegatte seit der

Eheschließung ununterbrochen Staatsbürger ist.

 

7. Dem § 11 a wird ein § 11 b angefügt, der wie folgt lautet:

 

''11 b. Einer Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft mit ''Hauptwohnsitz'' auf

dem Gebiet der Republik ist unter der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, des

Abs. 2 und des Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zwischen der Vollendung ihres 18. und

ihres 23. Lebensjahres auf Antrag zu verleihen,

 

a) wenn sie auf dem Gebiet der Republik geboren und aufgewachsen ist oder

 

b) wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens 8 Jahre ununterbrochen

einen Wohnsitz auf dem Gebiet der Republik hatte.

 

8. Im § 12 ist in lit a) das Wort ''30" durch das Wort ''15'' und in lit. b) das Wort ,,10,,

durch das Wort ''5'' zu ersetzen.

 

9. In § 14 Abs. 1 Z 2 wird das Wort ''zehn" durch das Wort ''fünf" ersetzt.

 

1 . § 17 Abs. 2 wird wie folgt geändert und lautet:

 

''§ 17 (2) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist weiters auf die unehelichen

Kinder der in Abs. 1 genannfen Nachkommen zu erstrecken, soweit die Verleihung

der Staatsbürgerschaft auf sie erstreckt wird.,,

 

1  Dem § 20 wird ein Abs. 3 angefügt und lautet:

 

"(3) § 10 Abs. 3 ist anzuwenden."

 

12 § 26 Z 1 wird geändert und lautet:

 

"1. Die Staatsbürgerschaft wird verloren durch Erwerb einer anderen

Staatsburgerschaft (§§ 27 und 29), wenn in demjenigen Staat, dessen

Staatsangehörigkeit erworben wird, der Verlust der bisherigen Staatsburgerschaft

Voraussetzung fur die Verleihung ist: "

 

13 § 26 Z 2 entfällt

 

14 § 2 / wird ein Abs 4 angefugt und lautet:

 

"(4) "§ 26 Z 1 ist sinngemäß anzuwenden "

 

15. § 32 entfällt.

 

16. An § 34 Abs.1 Z 4 wird folgender Satz angehängt:

 

(4) letzter Satz: "§ 26 Z 1 ist sinngemäß anzuwenden."

 

 

ARTIKEL II

 

Dieses Bundesgesetz tritt mit ... in Kraft.

 

 

In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag nach einer binnen 3 Monaten

durchzuführenden ersten Lesungdem Ausschuß für lnnere Angelegenheiten-

zuzuweisen.

ErIäuterungen

 

Wir leben in einer Zeit, in der die Mobilität der Menschen aus den verschiedensten

Gründen - politische oder soziale Notsituationen auf der einen Seite, Ausbau der

Kommunikationsnetze, Globalisierung der Wirtschaft, Arbeitsplatzwechsel,

individuelle Lebensgestaltungauf der anderen Seite - ständig und immer rascher

zunimmt. lmmer weniger Menschen haben daher ihren Wohnsitz von der Geburt bis

zum Tod in ein und demselben Ort und wechseln mindestens einmal in ihrem Leben

auch den Staat, in dem sie leben. Viele Bürgerrechte sind jedoch an die

Staatsbürgerschaft gebunden, wie etwa das Wahlrecht, der Eintritt in den

öffentlichen Dienst und manche Sozialleistungen. Diese den Eingewanderten auf

Dauer vorzuenthalten, verhindert nicht nur ihre rechtIiche, ökonomische und soziale

Integration, sondern ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig. Die Bindung

von Bürgerrechten an den Paß statt an den Wohnsitz ist ein historisches Relikt aus

Zeiten, in denen Demokratie nur in geschlossenen Nationen vorstelIbar schien.

Dadurch schuf und schafft man Bürger erster und zweiter Klasse.

 

Versuche, eine ''transnationale Staatsbürgerschaft'' zu entwerfen (vgl. Rainer

Bauböck, ''Transnational Citizenship'', Aldershot 1995), sind interessant, jedoch als

Langzeitprojekt zu betrachten. ln diese Richtung geht auch die Entwicklung der

,,Unionsbürgerschaft" nach Art. 8 EG-Vertrag, die bereits heute Freizügigkeit und

Kommunalwahlrecht der EU-Bürger festschreibt und hoffentlich bald durch einen

weiteren Ausbau der Burgerrechte für alle in ihrer Wirksamkeit die

Staatsbürgerschaft ergänzen, wenn nicht ersetzen wird.

 

Neben dieses Projekt muß jedoch eine moderne, den internationalen Gegebenheiten

angepaßte Reform gerade des osterreichischen Staatsburgerschaftsrechts treten.

Es ist eine Eigenart des osterreichischen Rechts, welche es innerhalb Westeuropas

im wesentlichen nur mit Deutschland und der Schweiz teilt, sowohl auf dem

"Abstammungsprinzip" (ius sanguinis) zu beharren, als auch die Tatsache, daß viele

Menschen Anknupfungspunkte in verschiedenen Ländern haben, zu ignorieren

(Verbot der Doppelstaatsburgerschaft). Die meisten Staaten Westeuropas (vor allem

Niederlande, Belgien, die skandinavischen Länder, aber auch Großbritannien) und

die USA kennen die Verleihung der Staatsburgerschaft aufgrund des Orts der

Geburt (jus solis) und tragen außerdem der Tatsache Rechnung, daß sich immer

mehr Menschen dort zuhause fühlen, wo sie wohnen, und nicht dort, wo sie

 

herstammen - indem viel kürzere Einbürgerungsfristen vorgeschrieben werden als

z.B. in Österreich.

 

Das Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich muß außerdem so gestaltet werden, daß

es gewissermaßen auch als Höhepunkt und Abschluß einer er-folgreichen

lntegrationspoIitik aufgefaßt werden kann. An sinnvollen aufenthalts-,

beschäftigungs- und sozialrechtlichen lntegrationsmaßnahmen für Ausländerinnen

und Ausländer mangelt es allerdings ganz allgemein in Österreich, vor allem auch,

was die ''zweite Generation" von Eingewanderten angeht. Doch während bezüglich

der Aufenthaltsverfestigung wenigstens Entwürfe kursieren, die in die richtige

Richtung weisen, sind beim Staatsbürgerschaftsgesetz (vorallem von ÖVP-Seite)

nur Verschär-fungen geplant.

 

Deshalb legen die unterzeichneten Abgeordneten einen Entwurf vor, der den

beschriebenen Herausforderungen gerecht zu werden versucht. lnsbesondere sieht

er folgende Änderungen vor:

 

- Halbierung der Fristen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf 5 Jahre (statt

bisher 10) bei der Ermessensentscheidung und auf 15 Jahre (statt 30) beim

Rechtsanspruch.

 

- Schaffung eines Rechtsanspruchs auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft für in

Österreich Geborene und Aufgewachsene bzw. für junge Menschen, die zum

Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres mindestens 8 Jahre in Österreich

gelebt haben.

 

- Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Geburt für Kinder von Ausländern, die in

Österreich geboren sind und seither hier Ieben.

 

- Ermöglichung der Doppelstaatsbürgerschaft, wenn der Betreffende aus einem

Land kommt, in dem diese ebenfaIIs mögIich ist.

 

- Gleichstellung unehelicher Kinder mit ehelichen Kindern.

 

- Abschaffung von aus heutiger Sicht diskriminierenden Begriffen im Gesetzestext,

wie etwa das Wort ''Fremde" für Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft.

 

- Weiters sieht der Entwurf entsprechende Kürzungen der Verleihungsfristen für

Staatenlose und Ehepartner von Österreicherinnen und Österreichern sowie die

Uberprüfung von grundlegenden Sprachkenntnissen bei Antragstellern, die noch

keinen Rechtsanspruch besitzen. vor.

 

Die Sorge vor einem "Ansturm" von Ausländern auf die österreichische

Staatsburgerschaft ist dann unbegründet, wenn für Ausländer mit Wohnsitz in

Österreich gleichzeitig integrationsfordernde Maßnahmen ergriffen werden, die den

Anreiz, die österreichische Staatsbürgerschaft zu benötigen, um als

gleichberechtigter Bürger behandett zu werden, verringern.

 

Zu den einzeInen Bestimmungen

 

Zu Z 1, 2 und 10:

 

Für Ausländerkinder der ''zweiten Generation'' soll durch lit. c) ein Rechtsanspruch

auf die österreichische Staatsbürgerschaft durch Geburt geschaffen werden, wenn

die Eltern oder ein Elternteil schon seit ihrer Geburt in Österreich Ieben. Dadurch

wird ein doppeItes ''ius soli" verwirklicht, wie es z.B. auch in BeIgien existiert. Die

Kinder sollen damit rasch eine Bindung an ihren Geburtsort entwickeln und von

Anfang an mit jenen Kindern, mit denen sie die Schule besuchen werden,

gleichgestellt sein.

 

Durch eine Änderung desselben Paragraphen sollen eheliche und uneheliche auch

dann gleichgestellt werden, wenn der Vater des unehelichen Kindes österreichischer

Staatsbürger ist. Dies ist natürlich nur dann möglich, wenn von den Frauen bei der

Geburt der Name des Vaters angegeben wird und im Streitfall dessen Vaterschaft

nachgewiesen bzw. gerichtlich feestgestellt wird.

 

Zu Z 3:

 

Wie in den meisten anderen westlichen Staaten soIl die Staatsbürgerschaft an

Ausländer mit Hauptwohnsitz in Österreich bei Beibehaltung der sonstigen

Einschränkungen nach 5 Jahren (statt bisher 1 0) verliehen werden können. Es läßt

sich keine plausible Begründung finden, ausländischen Mitbürgern nach diesem

Zeitraum die völlige politische und rechtliche Gleichstellung zu versagen, da die

Kriterien der Z 2 bis 8 ohnehin sehr streng gefaßt sind.

 

Zu Z 4 und 11 :

 

Durch diese Bestimmung soll nach dem Reziprozitätsprinzip zumindest all jenen

Staatsbürgerschaftswerbern die Beibehaltung ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit

ermöglicht werden, die aus Ländern stammen, die ebenfalls die Zurücklegung der

bisherigen Staatsbürgerschaft nicht zur Bedingung der Verleihung ihrer eigenen

machen. Die rigorose Ablehnung der Doppelstaatsbürgerschaft entspringt der

politischen Moral der ''Einehe'' zwischen Bürger und Staat und der Vorstellung eines

latenten Kriegszustandes zwischen souveränen Staaten. Heute spiegeln

Mehrfachstaatsbürgerschaften die politische Realität von Bindungen von Menschen

an verschiedene GeseIlschaften wider. Konflikte zwischen unterschiedlichem

nationalem Recht (z.B. Wehrpflicht) sind lösbar, wenn das Wohnsitzprinzip als

GrundIage akzeptiert wird. Auch die Länder, die das Übereinkommen zur

Verminderung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht unterzeichnet haben.

wenden es (bis auf Deutschland) gegenüber Nicht-Unterzeichnern nicht an oder

haben überhaupt nur den zweiten Teil über die Wehrpflicht unterzeichnet. Mit

t-ändern, die keine Doppelstaatsbürgerschaft erlauben, solIte Österreich in

Verhandlungen treten, um diese - zumindest bilateral - zu gestatten.

 

Zu Z 5:

 

Hinsichtlich der hier geplanten Verkurzung der Verleihungsfristen ist die

Berücksichtigung grundtegender Sprachkenntnisse vor der VerIeihung der

Staatsbürgerschaft sinnvoll, nicht zuletzt deshalb, weil die Kenntnis der Sprache des

Landes, in dem man lebt, das wichtigste Mittel für erfolgreiche lntegration ist.

Deshalb sollte Ausländern auch verstärkt Sprachkurse angeboten werden. Im

übrigen ist Art 8 B-VG zu beachten, der die Rechte der sprachlichen Minderheiten

garantiert.

 

Hingegen kann der Hinweis auf das "GesamtverhaIten'' der Betroffenen entfalIen,

weil dies den Ermessensspielraum der Beamten zu stark ausweitet.

 

Zu Z 6:

 

Entsprechend der sonstigen Fristverkürzungen ist auch die Einbürgerungsfrist für

Ehepartner von Österreichern zu verkürzen und außerdem im Falle der geforderten

drei Jahre Wohnsitz in Österreich nicht mehr auf den ''Hauptwohnsitz'' abzustellen.

 

Zu Z 7:

 

ÄhnIich den diesbezüglichen Bestimmungen in Frankreich soll in Österreich

aufgewachsenen Jugendlichen zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr

ermöglicht werden, für die österreichische Staatsbürgerschaft zu optieren, wenn sie

zumindest die Ietzten 8 Jahre hier gelebt haben und noch nicht die österreichische

Staatsbürgerschaft besitzen. Diese Bestimmung ist nicht nur eine

SeIbstverständlichkeit gegenüber Menschen, die schon aufgrund ihres

Schulbesuches vollständig in Österreich integriert sind, sondern verhindert auch die

immer noch übliche menschenverachtende Praxis, hier aufgewachsene Ausländer

wegen geringfügiger Straftaten in ihr ''Heimatland'' abzuschieben, das sie vieIleicht

nie gesehen haben oder zu dem sie zumindest kaum noch einen Anknüpfungspunkt

besitzen.

 

Zu Z 8:

 

Das zu Z 3 Gesagte gilt sinngemäß auch hier. Daher ist eine Halbierung der Frist für

einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung von 30 auf 15 Jahre angemessen.

 

Zu Z 9:

 

Auch die Fristen für die Einbürgerung von Staatenlosen - Verkürzung von 10 auf 5

Jahre - sind entsprechend anzupassen. .

 

Zu Z 12, 14 und 16:

 

Die Bestimmungen über den Verlust der Staatsbürgerschaft sind der Aufhebung des

Verbotes der Doppelstaatsbürgerschaft unter der Bedingung der Reziprozität

anzupassen. In diesem FaII muß natürIich auch Österreichern gestattet sein, die

Staatsbürgerschaft bei Annahme einer anderen Staatsbürgerschaft beizubehalten.

 

Zu Z 13 und 15:

 

Der Verlust der Staatsbürgerschaft bei Eintritt in den Militärdienst eines anderen

Staates ist nicht nachzuvollziehen, da dies in der Regel in Form eines

privatrechtlichen ArbeitsverhäItnisses geschieht und daher der Republik kein

unmittelbarer Schaden erwächst. Im übrigen geschieht es immer wieder, daß

Österreicher nur deshalb in den Militärdienst anderer Staaten eintreten, weil sie die

damit verbundenen FoIgen nicht abschätzen können und häufig staatenlos werden.

Im übrigen ist ohnehin § 33 anzuwenden.