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der Abgeordneten Dr. Frischenschlager

und Partner/lnnen

betreffend Verankerung von Grundrechten in bezug auf Lauschangriff und

Rasterfahndung

 

 

Eine Verankerung des Schutzes gegen schrankenlose und unverhältnismäßige

Lauschangriffe und Rasterfahndungen bzw. eine Optimierung des bestehenden

Grundrechtsschutzes gegen diese Maßnahmen ist angesichts aktueller

Bedrohungen für die grundrechtlich geschützte Sphäre (auch bezüglich

Unbeteiligter) rechtspolitisch sinnvoll und geboten. lm lnteresse einer generellen,

legistisch sinnvollen und sprachlich gelungenen Regelung sowie eines möglichst

umfassenden Grundrechtsschutzes sollte ein unmittelbarer normativer

Zusammenhang zwischen dem Recht auf Privatleben, dem Datenschutz, den

Schranken der EMRK, vor allem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und

spezifisch (sicher- und staats-)polizeilichen Maßnahmen (insbesondere hinsichtlich

Lauschangriff und Rasterfahndung, aber auch gegenüber erkennungsdienstlichen

bzw. sonstigen ''polizeilichen'' Maßnahmen im gegebenen Kontext) hergestellt

werden.

 

Der ''Sitz'' einer Grundrechtsnorm, welche die Privatsphäre iwS gegen die oben

beschriebenen und einfachgesetzlich begründeten Maßnahmen schützen soll

(solcherart eine ''neue'' Norm) findet sich in systematischer Sicht im wesentlichen in

Art. 9, 10, 10a StGG, in Art. 8 EMRK und in § 1 DSG, sodaß es zutreffenderweise

einer systematischen Weiterentwicklung all dieser klassisch-liberalen

Grundrechtsnormen bedürfte.

 

Dieser Entschließungsantrag zielt vorerst auf eine Anpassung des StGG, bis dann in

weiterer Folge die Schaffung eines neuen, längst überfälligen Grundrechtskatalogs,

verwirklicht werden kann. Gleichzeitig sollte aber auch eine Verbesserung des

prozessualen Rechtsschutzes im Auge behalten werden, da jede Grundrechtsnorm

nur soweit tatsächlich schützt, wie sie vor einem unabhängigen Tribunal

durchsetzbar und solcherart wirksam ist.

 

Bezüglich Art. 8 EMRK kann festgehalten werden: Diese Norm steht nicht zur

selbstständigen und autonomen Disposition des österreichischen

Bundesverfassungsgesetzgebers, da sie auch völkerrechtlich verbindlich (bzw. Teil

eines multilateralen Staatsvertrages) ist. Nichtsdestotrotz kann der österreichische

Bundesverfassungsgeber lnhalte des Art. 8 Abs. 2 EMRK in Grundrechtsnormen

(oder einfaches Recht) inkorporieren oder darauf verweisen. Letzteres stellt eine

bereits im Datenschutz- und im Fremdenrecht geübte, wenngleich legistisch als nicht

optimal zu bewertende Vorgangsweise dar. Eine Parallelregelung wie sie z.B. im

Bereich des Schutzes der persönlichen Freiheit in Kraft ist, birgt wiederum eine Fülle

an ihrerseits problematischen Überlagerungen und Redundanzen in sich.

Andererseits stellt sich das Problem, daß das Recht auf Privatleben oder auf

Privatheit nicht umfassend (und schon gar nicht hinsichtlich der aktuellen

Bedrohungen) im StGG gewährleistet ist.

 

Angesichts des schleppenden bzw. stagnierenden Verfahrens bei der Neuschaffung

eines Grundrechtskataloges wäre es - als überkommene, wenngleich nur

''zweitbeste Lösung'' sinnvoll, vorläufig einen neuen Artikel 10b StGG zu schaffen,

der das Recht auf Privatleben (zusätzlich zu Art 8 EMRK) gewährleistet und

letzteres gegen ''polizeiliche'' (gemeint: sicher- und staatspolizeiliche, darunter auch

informelle) Eingriffe in diversen neuartigen Handlungsformen schützen sollte.

Gemeint sind schon im historischen Kontext ohne ausdrückliche Nennung

insbesondere (Raster-)Fahndungsmethoden und der ''Lauschangriff''. Weiters aber

auch ein Verbot aller Versuche, die Computernetze durch verschiedene Methoden,

wie etwa einem Verschlüsselungsverbot oder einer zwangsweisen Bekanntgabe des

Schlüssels bei kodierten Computernachrichten und gesetzliche Kontrollen bei der

Durchsuchung von Computerdatenbanken unter eine polizeiliche Kontrolle zu

stellen. Durch die verfassungsrechtliche Bindung an eine richterliche Anordnung und

die Anordnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre zumindest ein äußerster

Rahmen geschaffen, der eine allfällige einfachgesetzliche Neuregelung ungeachtet

ihrer konkreten Formulierung determinieren könnte. Natürlich könnte man

theoretisch auch den Schutz des Privatlebens vor derartigen Eingriffen durch einen

Hinweis auf Art. 8 EMRK in einer neuzuschaffenden Grundrechtsnorm besonders

hevorheben, doch birgt dies die legistisch unerwünschte Verquickung von EMRK

und innerstaatlichen Grundrechtsnormen in sich. Daher bleibt als sinnvoller Ausweg

nur die Ergänzung des StGG durch eine entsprechende Verankerung des Rechts

auf Privatleben und eine daran anknüpfende, einfachgesetzliche (allenfalls auch

verfassungsrechtlich begründbare) Verbesserung des Rechtsschutzsystems durch

die Unabhängigen Verwaltungssenate. Entgegen manchmal geäußerten

Befürchtungen scheint das Rechtsschutzpotential der UVS noch nicht ausgeschöpft.

 

Die Verankerung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im StGG und dessen

Erstreckung auf die genannten polizeilichen Handlungsformen sowie deren Bindung

an die richterliche Anordnung hätte einen über den eigentlichen Schutzzweck

hinausgehenden, positiven Effekt für den Grundrechtsschutz des Privatlebens und

würde nicht nur eine (redundante und solcherart abzulehende) Wiederholung des

Art. 8 EMRK darstellen, weil dort die richterliche Kontrolle bzw. Grundlage

(Anordnung) von Eingriffen nicht verlangt wird. lm Zusammenhang mit dem Schutz

des Brief- und Fernmeldegeheimnisses ist Derartiges bzw. Vergleichbares

hinsichtlich der richterlichen Anordnung ohnehin angeordnet und bedürfte daher

keiner Wiederholung.

 

Optimal wäre eine Verknüpfung eines neuen Artikels 10b StGG mit einem

entsprechenden Rechtsschutzsystem, das sämtliche (iwS ''polizeiliche'') Akte, nicht

nur klassische Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und

Zwangsgewalt in die Kognition eines Tribunals (UVS; Erweiterung des § 88 SPG),

im staatspolizeilichen Bereich allenfalls alternativ (Gewaltentrennung) in die

Kontrolle parlamentarischer Organe (z.B. ständige Unterausschüsse gemäß Art. 52

a Abs. 1 B-VG) überwiese.

 

Für die Auslegung der neuen Grundrechtsnorm wäre der

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in mehrfacher Hinsicht, vor allem auch für die

Abwägung von Sicherheits- und Grundrechtsinteressen relevant.

 

Das anzustrebende rechtsstaatliche Ziel wäre: Alle polizeilichen Handlungsformen

hätten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen und sollten einer

rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen. Allfällige Lücken des Rechtsschutzes, die

durch Art. 8 EMRK nicht vollends abgedeckt werden, wären zu schließen.

 

 

 

 

 

Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

 

EntschIießungsantrag

 

 

''Die Bundesregierung wird aufgefordert, die im Staatsgrundgesetz festgelegten

Grundrechte des Hausrechts, des Briefgeheimnisses und des

Fernmeldegeheimnisses, das im §1 DSG festgelegte Recht auf Datenschutz sowie

das in der EMRK festgelegte Grundrecht auf Achtung des Privat- und

Familienlebens im Lichte der Diskussion um die Einführung moderner

Fahndungsmethoden zu ergänzen und eine entsprechende Grundrechtsbestimmung

zu erarbeiten.''

 

 

Formell wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß vorgeschlagen.